Lesebegleitheft - Version: Hörspiel

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Lesebegleitheft - Version: Hörspiel
Julius-Maximilians-
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I
T
UNIVERSITÄT
WÜRZBURG
Didaktik der
deutschen Sprache
und Literatur
Phil I
Am Hubland
97074 Würzburg
Im Rahmen des Seminars
Lesebegleithefte
erstellt von
Anna Ganje, Katharina Griebel,
Margarthe Niebler und Viola Seber
Sommersemester 2004
zu Edward van de Vendel:
Was ich vergessen habe
H
E
F
T
Version: Hörspiel
Seminarleitung,
didaktische und methodische Beratung:
Dr. Almut Drummer
Edward van de Vendel
Was ich vergessen habe
Ein Lesebegleitheft für die 4. bis 6. Klasse der Schule zur Sprachförderung
als Hörspiel
Verfasst und gelesen von: Anna Ganje, Katharina Griebel, Margarethe Niebler und Viola Seber
des Weiteren gelesen von: Christian Drescher und Markus Rummel
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Philosophische Fakultät II: Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Dozentin: Dr. Almut Drummer
Seminar: Literatur in der Sonderschule. Möglichkeiten und Grenzen von Lesebegleitheften im
Deutschunterricht der Sonderschule.
Kontaktemail: [email protected]
WS 2006/ 2007
Vorbemerkung Das Lesebegleitheft zu Edward an de Vendels Was ich vergessen habe existiert in zwei Fassungen. Zum einen als Text‐ und zum anderen als Hördatei. Damit versuchen die AutorInnen, denjenigen Schülern von Förderzentren zu Hilfe zu kommen, die nicht dazu in der Lage sind, längere Texte eigenständig zu lesen. Da die Leistungsunterschiede selbst in einzelnen Fördergruppen noch immer sehr groß sind, bieten die AutorInnen zwei Fassungen des Lesebegleitheftes an. Letztendlich jedoch soll jeder ein Buch in der Hand halten können. Während es der eine lesend rezipiert – wobei auch hier Textstellen vorgelesen werden können –, rezipieren es die anderen per Hördatei. Das Erlesen des Textes nämlich soll keinen Hinderungsgrund darstellen, um sich mit einem literarischen Text zu beschäftigen, so die Grundkonzeption. Denn wie meinen theoretischen Ausführungen zu entnehmen ist, ist die Auseinandersetzung mit einem literarischen Text nicht daran gebunden, dass der Text vom Rezipienten auch wirklich eigenständig erlesen werden muss. In diesem Sinne wünschen wir viel Spaß mit Text‐ und Hördatei! Dr. Almut Drummer Würzburg, im September 2007 Vorwort
Dieses Lesebegleitheft zu Edward van de Vendels „Was ich vergessen habe“
entstand
im
Rahmen
des
Deutschseminars
„Lesebegleithefte
für
die
Sonderschule“ im Wintersemester 2006/07 bei Dr. Almut Drummer und wurde
speziell für den Deutschunterricht der 4. bis 6. Klasse einer Sprachheilschule
erstellt.
Das dazu entwickelte Hörspiel soll vor allem die auditive Wahrnehmung und das
Sinn entnehmende Sprachverständnis der Sprachheilschülerinnen und -schüler
fördern und somit ihr Bewusstsein für Sprache sensibilisieren und zum eigenen
Sprachgebrauch anregen.
Track für Track baut sich die Geschichte auf und wird durch dazugehörige
Aufgaben vertieft und gefestigt. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem
Originaltext wird durch zusammengefasste Textausschnitte desselben erzeugt.
Diese sollen zu Hause gelesen und im Unterricht wiederholt werden, um die
Lesefertigkeit
der
Schülerinnen
und
Schüler
zu
trainieren
und
das
Textverständnis zu überprüfen. Die Originaltextpassagen können hierbei als
Vor- oder Nachbereitung gelesen werden.
Durch das Hörspiel erhalten die Schülerinnen und Schüler eine Hilfestellung für
das
Verständnis
ihrer
Schullektüre,
eine
Motivation
sich
mit
dieser
auseinanderzusetzen und gleichzeitig ein gutes sprachliches Vorbild für ihren
aktiven Sprachgebrauch.
Das Lesebegleitheft kann dem Leistungsniveau der einzelnen Klassen angepasst
werden, indem die beigefügten Originaltexte vom Lehrer differenziert werden
können.
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Anders als im Buch, in dem Elmer die Hauptperson ist, führt im Hörspiel Elmers
Freundin
Soscha
durch
die
Geschichte.
Denn
während
sich
seine
Erzählperspektive subjektiv miterleben lässt, erhalten die Schülerinnen und
Schüler durch Soschas Sichtweise einen objektiveren Einblick in das Geschehen.
So ermöglichen die zwei Erzählperspektiven – Soscha im Hörspiel und Elmer in
den Originaltextpassagen – den Schülerinnen und Schülern unterschiedliche und
facettenreichere Sichtweisen auf die Handlung und dadurch ein besseres
Miterleben, Mitfühlen und Nachvollziehen der Geschichte.
Die Aufgaben im Lesebegleitheft sind einerseits in schriftlicher Form sowohl als
frei formulierte Textarbeit als auch als Kurzantworten auf Fragen direkt im
Heft konzipiert; andererseits dienen sie als Anregung für Diskussionsrunden,
Legebilder, szenische Darstellungen und für kreatives Gestalten von Bildern, das
Fächer übergreifend auch in den Kunstunterricht, in dem mehr Freiraum und
Materialien zur Verfügung stehen, übertragen werden kann.
Die Kombination aus Lesebegleitheft und Originaltext bietet die Möglichkeit
eines eigenen kleinen Hörspiels, das die Klasse zusammen gestalten und
aufnehmen kann. Dadurch haben die Schülerinnen und Schüler spielerisch die
Gelegenheit Erfahrungen mit der eigenen Stimme im aufgenommenen Rollenspiel
zu sammeln. Eine daraus resultierende Reflexion über die eigene Stimme und
Sprache
sowie ein Selbstbewusstsein für „vortragendes Sprechen“ und im
weiteren Verlauf für „freies Sprechen“ wäre wünschenswert.
Nun viel Spaß mit Soscha und Elmer!
Anna Ganje
Katharina Griebel
Margarethe Niebler
Viola Seber
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Kapitel 1
Track 2
„Neben ihn da. Ich will neben ihn. Ich glaube er ist nett!“
„Elmer Jonas de Jong. Elf.
Mittelfeldspieler und eine Schuldirektorin als Mutter.
Das ist bisher alles, was ich von ihm weiß.
Ich kenne sein Haar, seine Sommersprossen und seine blauen Augen,
aber sagen tut er noch nicht so viel. Im Augenblick beobachte ich
ihn, wie er dasitzt und schreibt.
Er sagt, er mag Apparate. Dinge.
Solange nur irgendwo ein Knopf oder eine Taste daran ist. Er hat
wenig Freunde, finde ich, und auch nur ganz wenige Verwandte.
Tante Anja.
Sein Vater ist fort.
Wir fahren jedes Jahr nach Krakau und besuchen die Familie meiner
Mutter. Was für ein Unterschied. Verrückt, aber jeder ist anders.
Hü, die Zeit ist um.“
* Finde Dinge, die Elmer gerne mag.
Gestalte deine eigene Collage über Elmer.
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* Könntest du dir vorstellen dich mit Elmer anzufreunden?
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Kapitel 2
Track 3
Ich bin übrigens Soscha und neu in der Klasse.
* Wie würdest du dich fühlen, wenn du neu in eine Klasse kommen
würdest?
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Track 4
Bevor wir zusammen etwas erleben können, müssen wir uns erst
einmal kennen lernen. Hier ist mein Steckbrief für dich.
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Soschas Steckbrief
Name:
Soscha Londerseel
Alter:
11 Jahre
Familie:
Mama, Papa, Jackson, Tomek, 3 Schwestern,
jede Menge Tanten, Onkel und Vettern
Freunde:
Elmer, Mark
Hobbies:
Fahrrad fahren, Fußball spielen, Briefmarken
sammeln, Schach spielen
Lieblingsfarbe:
ampelrot
Lieblingstier:
Hund
Lieblingsessen:
polnisches Essen
Das mag ich gerne:
alte Popstars, Elmer
Das mag ich nicht:
wenn sich Papa und Jackson streiten
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Kapitel 3
Track 5
Elmer und mich habt ihr nun schon kennen gelernt. Jetzt bist du
dran!
* Fülle deinen Steckbrief aus!
Mein Steckbrief
Name:
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Alter:
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Familie:
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Freunde:
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Hobbies:
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Lieblingsfarbe:
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Lieblingstier:
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Lieblingsessen:
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Das mag ich gerne:
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Das mag ich nicht:
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Kapitel 4
Track 6
* Nimm den Steckbrief deines Banknachbarn mit nach Hause und
lies ihn dir genau durch.
Morgen machen wir eine Prüfung in „DU und ICH“ –
jeder schreibt auf, was er über den anderen weiß!
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Kapitel 5
Track 7
Hey, bin ich froh, dass ich mir Elmer als Freund ausgesucht habe!
Er ist echt total nett und zeigt und erklärt mir alles:
Die Schule, den Sportplatz, die Gruppenarbeit, den Wochenplan und
die Freitagnachmittagswerkstatt.
Einfach alles, was neu für mich ist.
Ich mag es den Tag mit ihm zu verbringen.
Heute haben wir im Regen Fußball gespielt: Ich war sein Hindernis.
Eines ist sicher:
So leicht kommt er nicht an mir vorbei!
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◊◊
Textauszug I: zu VI und VII
Kapitel 6
Track 8
Elmer ist heute Nachmittag bei mir.
Wir liegen oben auf dem Treppenabsatz.
Er darf zeigen, wie gut er sich in meiner Familie auskennt.
* Errätst du Soschas Familienmitglieder auch am Geräusch?
„Na-na-na“:
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„Quengeln“:
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„Wer stört?“
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Kapitel 7
Track 9 (Lösung)
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Kapitel 8
Track 10
* Hast du auch eine so große Familie?
Male deinen Familienstammbaum auf ein Blatt Papier.
Mein Familienstammbaum
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Kapitel 9
Track 11
Jetzt sitzen wir Beine baumelnd auf
meinem Schreibtisch und schreiben eine
selbst ausgedachte Geschichte.
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Das ist Hausaufgabe.
Elmer schreibt schon so viel.
Mir fällt einfach nichts ein.
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Jetzt will er auch noch,
dass ich die ganze Zeit den Mund halte,
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damit er sich konzentrieren kann.
Zum Glück rettet Mama mich mit Kuchen!
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* Ordne folgende Sprechweisen Soschas Sätzen zu!
verschmitzt/ lachend
erleichtert
genervt
gelangweilt
konzentriert
plappernd
fröhlich
beleidigt
heimlich/ flüsternd
* Lies deinem Banknachbarn die Sätze laut vor.
Beachte dabei die richtige Sprechweise!
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◊◊
Textauszug II: zu X.
Kapitel 10
Track 12
Heute fahren wir zu Anja, da fährt Elmer immer hin, wenn seine
Mutter Lehrerkonferenz hat.
Sie hat eine Überraschung für Elmer: Ein altes Tonbandgerät.
Sie hat es auf dem Dachboden beim Aufräumen gefunden.
Pling!
Der kleine Apparate-Freak bringt es tatsächlich zum Laufen!
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«Für Remmelt:
Et la mer et l´amourt
Ont l´amer pour partage
Et la mer et l´amour ont l´amer pour partage,
Et la mer est amére, et l´amour est amer,
L´on s´abîme en l´amour aussi bien qu´en la mer,
Car la mer et l´amour ne sont point sans orage…»
* Kennst du auch Wörter aus anderen Sprachen?
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Track 13
Nach einer Sirupwaffel machen wir uns auf den Nachhauseweg.
Remmelt ist Elmers Großvater!
Das habe ich jetzt kapiert.
Wo wohnt er?
Wer ist diese Frau?
Welche Sprache war das?
Elmer ist wütend.
Ich weiß nicht worauf...
Aber das ist jetzt auch egal.
Denn ich höre nur, wie er brüllt:
„Mein Opa ist unheimlich alt.“
„Er hat alles vergessen, er spricht nicht mehr.“
„Weißt du jetzt genug?!“
* Gestalte zusammen mit deinen Mitschülerinnen und Mitschülern
ein Legebild. Finde dafür verschiedene Symbole für Elmer
und seinen Großvater Remmelt.
Wie fühlt sich Elmer? Wie steht er zu seinem Opa?
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Kapitel 11
Track 14
Irgendwie finde ich die Sache mit Elmers Opa total traurig.
Ich würde ihn gerne mal kennen lernen und schauen,
wie er so ist.
Am Nachmittag fahren wir mit den Fahrrädern einfach so durch die
Gegend. Plötzlich stehen wir vor „Haus Sonne“ - das Altersheim, in
dem sein Opa wohnt.
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* Male Elmer und mich vor „Haus Sonne“.
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◊◊
Textauszug III: zu XII.
Kapitel 12
Track 15
„Sollen wir?“ frage ich Elmer und schon stehen wir am Empfang.
„Hallo? Remmelt de Jong, das ist sein Opa.“
„Hallo, ich heiße Maud; ich arbeite hier. Du weißt, dass dein Opa nicht
mehr spricht, dass er nicht mehr antwortet, wenn man etwas zu ihm
sagt?“
Trotzdem gehen wir zielstrebig zu ihm.
Da sitzt er also!
Elmer setzt sich zu ihm –
Elmers Opa reagiert nicht.
Elmer nimmt seine Hand –
Elmers Opa reagiert wieder nicht.
Elmer sagt: „Opa, ich bin´s.“ –
Nichts.
Wir singen ihm Kinderlieder vor, weil man das doch so macht –
keine Reaktion.
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Er kann es einfach nicht.
Etwas ist kaputt.
Er weiß nicht mehr, wie sprechen geht.
Plötzlich stürmt Elmer los.
Er ist enttäuscht.
Wir fahren nach Hause.
* Überlege dir, was in Elmer vorgeht und sprich in einer kleinen
Gruppe darüber.
Das Legebild hilft dir dabei!
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Kapitel 13
Track 16
Seit dem Besuch kreisen Elmers Gedanken nur noch um seinen Opa.
Es tut ihm weh, Opa so zu sehen.
Er kann nicht sprechen.
Er kann sich nicht mehr erinnern. –
Oder doch?
Wie kann ich Elmer nur helfen?
Da waren doch noch irgendwelche Seemannsbilder, die Remmelt
gemalt hat.
Vielleicht können die uns weiterhelfen?
◊◊
Textauszug IV: zu XIV.
Schon sitzen wir auf dem Rad und spazieren mit den verpackten
Bildern direkt zu Opa Remmelt ins „Haus Sonne“.
* Was könnte jetzt passieren?
Überlege dir dazu in einer kleinen Gruppe eine kurze Szene.
Spiele sie der Klasse vor!
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Track 17
Remmelt hat so gerne Segelschiffe gemalt.
Trotzdem erinnert er sich nicht...
* Gestalte dein eigenes Seemannsbild!
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Kapitel 14
Track 18
Enttäuscht kommen wir zu Hause an und verkriechen uns in Elmers
Zimmer.
Ich muss mir die Bilder noch mal genauer anschauen.
Ja, was – was ist denn da?
Da stehen kleine Zahlen auf dem Segel.
4096705...
Eine Telefonnummer?!
Wir probieren sie aus.
„Marianne Fantou?“ - eine Frau meldet sich.
Elmer beginnt von Opa de Jong zu erzählen.
Da lädt sie uns beide für Samstagvormittag zu sich ein.
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◊◊
Textauszug V: zu XV.
Kapitel 15
Track 19
Pünktlich auf die Minute klingeln wir an ihrer Haustür.
Eine freundliche ältere Dame öffnet uns und bittet uns herein.
Während wir unsere Cola trinken, beginnt Frau Fantou von Opa zu
erzählen:
Er ist gerne und regelmäßig zu ihr gekommen
und sie haben sich immer gut auf französisch unterhalten können –
auch über Elmers Oma und die Liebe...
Das wird Elmer zu viel!
Er stürzt aus dem Wohnzimmer,
dem Haus
und lässt mich einfach allein zurück.
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Kapitel 16
Track 20
Danach herrscht erst einmal Funkstille zwischen Elmer und mir.
Ob er sauer auf mich ist?
Ohne Elmer ist es so langweilig.
Hmm, dann knobel´ ich eben ein bisschen.
Bist du dabei?
1. Welche Bilder hat Elmers Opa mit Vorliebe gemalt?
2. Was hat Anja auf dem Dachboden entdeckt?
3. Kannst du dich erinnern, was Soscha und Elmer bei Tante Anja gegessen
haben?
4. Wie heißt die Station im Altersheim, in der Elmers Großvater zu finden
ist?
5. Wie nennt sich das Altersheim, in dem Opa Remmelt lebt?
6. Elmer hat Apparate sehr gerne. Wie nennt ihn Tante Anja deshalb?
Lösungswort:
___ ___ ___ ___ ___ ___
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1. Was ist Elmers Mutter von Beruf?
2. In welcher polnischen Stadt wohnen Soschas Verwandte?
3. Kannst du dich erinnern, welches Getränk Elmer und Soscha bei Frau
Fantou getrunken haben?
4. Im französischen Gedicht geht es um „l´amour“. Weißt du, was das
Wort auf deutsch bedeutet?
5. Wie heißt Elmers Großvater mit Vornamen?
6. Wo genau entdeckt Soscha die Telefonnummer von Frau Fantou?
7. Was hat Soscha von ihren ehemaligen Klassenkameraden zum
Andenken geschenkt bekommen?
8. Weißt du noch, was Elmer aus einem Gelbe-Seiten-Buch
herausgerissen hat, bevor er zu Frau Fantou gefahren ist?
9. Wie heißt Frau Fantou mit Vornamen?
Lösungswort: __ __ __ __ __
1
2
3
4
__ __ __ __ __ __ __ __
5
6
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7
8
9
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13
Kapitel 17
Track 21
Am Montag kommt er nicht in die Schule.
Ich mache mir ernsthaft Sorgen um ihn.
Ich muss wissen, wie es ihm geht.
Schwupp, sitze ich auf meinem Fahrrad und düse zu Elmers Haus.
Außer Puste stehe ich vor ihm.
Aufgeregt fuchtelt er mit einer Postkarte vor meiner Nase herum.
Sie ist von Marianne Fantou.
Nein, sie ist nicht an Opa Remmelt gerichtet.
Sie ist für Elmer!
Was da wohl draufstehen könnte?
* Hast du eine Idee, was Frau Fantou Elmer geschrieben hat?
Sammle deine Ideen zusammen mit deinem Lehrer an der Tafel!
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Track 22
Post
Elmer,
0,45 €
manchmal sage ich die allerdümmsten Dinge.
Manchmal vergesse ich, wer mein Zuhörer ist.
Nein, was ich erzählt habe war wahr.
Elmer de Jong
Aber mehr war da nicht.
Ajax-Laan 12
Nicht mehr, als was ich erzählt habe.
10xx Amsterdam
Versteh mich recht, dein Großvater war
ein außergewöhnlicher Mann und jemand, an den ich gerne zurückdenke.
Aber das ist Vergangenheit.
Er hat deiner Großmutter nie irgendein Unrecht getan und mir auch nicht.
Er gehörte zu mir, aber nur am Donnerstagabend von acht bis neun und das nur
vor so vielen Jahren.
Wenn jemand Träume hatte, dann ich.
Ich hätte es vergessen sollen, genau wie er,
aber als du hier warst, wurde mir klar, dass ich das nicht getan hatte.
Was ich allerdings vergaß, war, zu wem ich sprach.
Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Elmer, nimmst du das an?
Und Cola hab ich auch noch.
Marianne Fantou
29
Kapitel 18
Track 23
Elmer ist erleichtert.
Da gab es keine zweite Frau neben Oma!
Wir finden das beide sehr nett von Frau Fantou.
Elmer will sich für seine überstürzte Flucht bei ihr entschuldigen.
Er beschließt, ihr das Bild, auf dem wir ihre Telefonnummer entdeckt
haben, zu schenken.
* Elmer denkt jetzt ganz anders über seinen Opa.
Überlege dir, was in Elmer vorgeht.
Welche Rolle spielen Marianne Fantou und Elmers Oma für die
Beziehung zwischen ihm und seinem Großvater?
Stelle die neue Situation im Legebild dar!
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Kapitel 19
Track 24
Elmer hat einen Plan!
Wie aufregend!
Um Viertel vor vier stehen Anja, Elmers Mama und ich in Opa
Remmelts Zimmer.
Elmer ist schon da und hat das Tonbandgerät aufgebaut.
Was hat er nur vor?
* Hast du eine Idee?
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◊◊
Textauszug VI: zu XX.
Kapitel 20
Track 25
Et la mer et l´amour …
Wir alle lauschen Frau Fantous Stimme – nichts passiert!
„Test, Test, 1, 2, 3... und jetzt kommt der kleine Elmer.“
„So fahren die Schiffe vorbei, so fahren die Schiffe vorbei...“
Was ist das? Opa hebt seine rechte Hand und winkt im Takt zum
Lied.
Elmer meint:
„Das ist etwas,
was ich vergessen habe.“
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Anhang zum Kopieren für die Klasse
Zusammengefasste Auszüge aus dem Originaltext
Textauszug I
„Hör gut hin“, sagt sie, „und sag mir, wen du hörst. Du hast sie vorhin
alle gesehen.“
„Ja, ja, ja“, knurre ich.
Weil ich geglaubt habe, dass ich Soschas Verwandte niemals
auseinander halten kann,
hat sie zwei Kissen von ihrem Bett gepflückt und oben vor die Treppe
geworfen.
„Niema problemu“, sagt Soscha,
„das ist polnisch: Kein Problem. Hör zu, hör doch zu!“
„Keine Chance“, sage ich,
aber wahrhaftig, schon nach zwei Minuten gebe ich auf dem Bauch
liegend die allerbesten Antworten.
„Dieses Quengeln?“ „Das Jüngste von deiner ältesten Schwester.“
„Dieses Na- na- na?“ „Dein Vater.“
„Wer stört?“
„War das dein Bruder Jackson?“
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Textauszug II
Jeden Montagnachmittag, wenn meine Mutter Lehrerkonferenz hat,
fahre ich mit dem Rad zu Anja.
Diesmal möchte Soscha mit.
Sie fragt: „Was hast du vor?“
Ich sage: „Zu Anja“,
sie fragt: „Ich auch?“,
und ich sage: „Ja.“
Als wir ankommen, sitzt Anja mit dem schnurlosen Telefon auf der
Treppe.
Sie winkt, legt die Hand auf die Sprechmuschel und flüstert: „Cola,
Kekse.“
Ich nicke und sie kichert ein „Bin wieder da!“ in den Hörer.
Gleichzeitig rutscht sie mit dem Hintern zwei Stufen höher.
Ich stelle gerade die Cola ab, da geht die Wohnzimmertür schon
wieder auf.
„Elmerchen?“ singt Anja, „ich hab was für dich!“
Sie stellt sich Soscha vor und sagt:
„Du kannst mir glauben oder nicht,
aber wenn mein lieber Neffe zu Besuch kommt,
dann krieche ich höchstpersönlich auf den Dachboden und komme
erst wieder runter,
wenn ich ein passendes Geschenk gefunden habe.“
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Aus der Küche schleift sie mit gebeugtem Rücken einen Koffer über
den Fußboden.
„Bitte sehr“, sagt sie.
„Ich habe den Speicher aufgeräumt, und rate mal, was ich gefunden
habe. Für unseren Apparatefreak.“
„Alles klar, was ist in dem Koffer?“
Es ist das Tonbandgerät.
Ich
erkenne
es
wieder:
ein
an
den
Rändern
eingestaubter
quadratischer Kasten. Noch aus der Zeit bevor es Musikkassetten
gab.
Anja hievt es langsam aus dem Koffer und wir lassen uns auf dem
Teppich auf die Knie fallen.
Ich klicke vorn und hinten drei Verschlussbügel auf, hebe den Deckel
ab und sehe mich Auge in Auge zwei Spulen gegenüber, auf die ein
hauchdünnes Band gewickelt ist.
Unter den Spulen ist so etwas wie ein breiter Mund, durch den das
Tonband läuft.
Daneben dicke Tasten zum Eindrücken.
Ich fummle zu beiden Seiten des Apparats die Lautsprecher hervor
und kontrolliere, ob sie angeschlossen sind.
Ich murmele: „Irgendwo war auch noch ein Mikro...“
„Weißt du, wie es funktioniert?“, fragt Anja.
„Ja“, sag ich und versuche die Knoten aus dem Steckerkabel zu
bekommen, „das Ding geht noch.“
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„Es geht“, sage ich. „Ich wusste es.“
„Ja“, sagt Anja. „Na so was. Für Remmelt. Jemand noch eine
Sirupwaffel?“
Und ich sage rasch zu Soscha: „Wetten, dass du sie nicht auf einmal
in den Mund bekommst?“
Ich halte ihr die Waffel vor die Nase und sie beißt zu.
„Remmelt?“, fragt sie, als ich versuche den Koffer auf meinem
Gepäckträger festzubinden.
„Remmelt ist also dein Großvater?“
„Ja“, sage ich, „wie spät ist es?“
„Von dem erzählst du mir nie was.“
„Nein, stimmt. Ach, ich sehe schon: Viertel nach fünf.“
„Und wo wohnt er? Und wer war die Frau? Deine Großmutter?“
„Naja. In einem Heim. Und keine Ahnung.“
„In einem Heim? Und welche Sprache war das? Französisch?“
„Was weiß ich. Unwichtig. Was machen wir jetzt? Ich kann mit dem
Ding hintendrauf nicht fahren.“
„Besuchst du ihn manchmal?“
„Also jetzt hör mal, meine Oma ist tot und Opa ist unheimlich alt! Er
hat alles vergessen und er spricht nicht mehr. Weißt du jetzt
genug?“
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Textauszug III
„Sollen wir?“, fragt sie.
Ich schaue zur Seite.
Haus Sonne.
Ich nicke.
Wegen Soscha nicke ich.
Wir steuern unsere Räder in den Unterstand links vom Gebäude.
Wir schließen sie ab – klick, klick.
Wir lassen die Schlüssel in unseren Jackentaschen verschwinden und
gehen langsam Richtung Haupteingang.
Ich schaue auf den Boden und sehe meinen eigenen Schritten zu.
Der weiße Kies knirscht unter unseren Sohlen. Ich muss an kleine
Zähne denken, aber das ergibt überhaupt keinen Sinn.
Die automatischen Eingangstüren sind kaputt.
Sie gehen keuchend zu und auf und wieder zu. Sie schnappen nach
uns, also laufen wir und springen und hopp!, drinnen sind wir.
Ich sehe den großen leeren Raum mit den Pflanzenkübeln und den
Empfangsschalter.
Ich erkenne es noch wieder.
Ich weiß noch, wie es geht.
„Erst anmelden“, sage ich.
Soscha geht auf den Schalter zu. „Hallo“, sagt sie, „hallo? Remmelt
de Jong, das ist sein Opa.“
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Klapper, klapper – die Frau hat blaue Fingernägel und schaut uns
nicht mal an. Sie sucht auf ihrem Computerbildschirm.
„Ja. Die Schelde. Dritter Stock. Die Treppe hoch und rechts. Oder
der Fahrstuhl.“
„Danke“, sagen wir, „vielen Dank.“
Der Eingang zur Station Die Schelde ist eine Glaswand.
Mit einer Glastür, die zu ist. Soscha greift nach der Klinke.
„Abgeschlossen?“, fragt sie, aber da ist die Pflegerin schon.
tippt irgendwo in der Wand einen Zahlencode ein und die Tür geht
auf.
„Tag auch“, sagt sie. Das erste Mal zu Besuch hier? Ich heiße Maud.“
Sie streckt ihre Hand aus. Sie wirft einen Blick in den Flur hinter uns
und sagt: „Ihr seid allein?“
„Ja“, sage ich und Soscha sagt: „Er ist schon öfter hier gewesen. Ich
noch nicht, aber diesmal bin ich dabei.“
„Noch nie auf Die Schelde“, sage ich.
Wir folgen Maud. Ein langer Flur. Links und rechts nichts als Zimmer.
„Ich arbeite hier noch nicht so lange“, sagt Maud. „Wer ist deine
Oma? Dein Opa?“
„R. de Jong“, sage ich.
„Aha“, sagt Maud und geht etwas schneller.
„Aha“, sagt sie noch mal, „und wie lange warst du nicht mehr da?“
„Eine Zeit lang“, sage ich.
Maud bleibt stehen und dreht sich um.
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Jetzt steht sie uns gegenüber.
Sie schaut mich an.
„Du weißt, dass dein Opa nicht mehr spricht?
Dass er nicht mehr antwortet, wenn man etwas zu ihm sagt?
Nimm einfach seine Hände, das mag er.“
Soscha schaut mich von der Seite an „Elmer...“, sagt sie, aber es ist
verrückt, auf einmal will ich, dass wir weiter gehen.
„Ich weiß das alles“, sage ich, „ich weiß, was ich tun muss.“
Weitergehen, denke ich, weitergehen jetzt.
Ich will meinen Opa sehen.
Da sitzt er.
Er schaut auf etwas auf seinem Knie oder in der Nähe seiner Füße.
Nicht zu mir. „Opa?“, flüstere ich, „He, Opa!“
Opa reagiert nicht.
Jetzt muss ich seine Augen suchen, doch die sind nach wie vor auf
seinen Schoß gerichtet.
Wenn das mit dem Anschauen nicht funktioniert, dann muss ich ihn
anfassen.
Keine Reaktion.
Er bewegt sich nicht mal.
Soscha stößt einen kleinen Seufzer aus.
„Er kann es einfach nicht“, sagt sie.
„Etwas ist kaputt. Er weiß nicht mehr, wie er sprechen muss. –
Elmer. Lieder singen.“
39
„Was?“
„Das macht man doch? Man singt doch für Leute wie deinen Opa?
Kinderlieder oder so. Etwas, was sie von früher kennen.“
Auf einmal ist es, als hörte ich die Lieder, die mein Opa kennt.
Ich weiß, welche es sind, er selbst hat sie mir vorgesungen. Es waren
uralte holländische Seefahrtslieder.
Auf einmal lasse ich Opas Hand los.
Ich will weg. „Wir gehen!“, sage ich. „Gut“, sagt Soscha.
40
Textauszug IV
Das mit seinen Bildern habe ich mir ausgedacht.
Die hat er so lange betrachtet beim Malen,
die sind Pinselstrich für Pinselstrich aus seinen Fingern geflossen,
er hat die Schiffe in seinem Kopf gesehen
und nach einer Reise über seine Hände auf der Leinwand zu Wasser
gelassen.
Ich habe sie eins nach dem anderen verpackt und jetzt radeln wir zu
Opa.
Wir setzen uns Opa gegenüber und zunächst scheint es keinen
Unterschied zu unserem ersten Besuch zu geben.
Aber es gibt ihn doch. Diesmal weiß ich, was ich tun werde.
Soscha lächelt mir zu. Es muss einfach klappen.
Es klappt nicht.
Als wir wieder zu Hause sind,
sitzen wir nebeneinander und starren wortlos vor uns hin.
„Elmer“, sagt Soscha, „ warte mal.“
Ich schaue hoch.
Sie steht über das letzte Bild gebeugt.
„Ich sehe was. Warte. Ja. Kann nichts anderes sein.“
„Was?“, sage ich und bin schon aufgesprungen.
41
„Kleine Zahlen“, sagt sie, „hier in dem weißen mittleren Streifen.
Ich bin mir ganz sicher.
4096705.
Erkennst du es auch?
Sieh dir das mal an.“
„Eine Telefonnummer“, sagt Soscha.
Sie flüstert: „Wir sind auf irgendeine Spur gestoßen.“
Ich sage: „Eine Telefonnummer? Von wem?“
„Das finden wir heraus.“
Ich tippe unsere Vorwahl ein und danach 4096705.
„Marianne Fantou?“.
42
Textauszug V
Dritte Straße rechts, erste links.
Aus einem alten Gelbe- Seiten- Buch habe ich einen alten Stadtplan
herausgerissen und darin den Weg zur Van Welylann angestrichen.
Wir fahren meine Linie entlang bis zu dem Kreuzchen, das ich
gemacht habe.
Wir schauen auf die Nummern neben den Türen,
bremsen,
steigen ab
und klappen unsere Fahrradständer herunter.
Vor dem Haus von Frau Fantou steht ein kahles, regennasses
Spielgerüst - weit und breit kein Kind, das draußen spielt.
Dunkelgrün glänzende Sträucher säumen den Plattenweg zur Haustür.
Da stehen wir, Fuß an Fuß an Fuß an Fuß, und die Platten sind aus
Beton mit einer Oberfläche aus Kies.
„Wer?“
Fragend sehen wir uns an.
„Wer macht es? Wer von uns beiden?“
Soscha schaut auf meine Hand und nickt und ohne darüber
nachzudenken hebe ich sie schon hoch.
„Wolltest du nicht klingeln?“ fragt Soscha.
„Ach“, sage ich, „ach ja…“
„Bist du nervös?“
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„Nein . Ich habe meine Ajax-Socken an.“
Sie schaut auf meine Füße.
Ich wackle mit den Zehen, hebe wieder die Hand und klingele.
Sssummmmmm! Sssummmmmm!
Wir hören etwas und hinter dem gerippten Türglas nähert sich ein
heller Fleck.
Die Tür schwenkt auf,
die Borsten der Türdichtung fegen über den Boden,
Soscha beugt sich zu mir und flüstert: „Ich sage nichts.“
Ich schaue zur Seite, zu ihr, und dann nach vorne zu der
ausgestreckten Hand, die auf uns zukommt.
Nichts? denke ich, wieso nichts?
Und sofort ist mein Mund trocken und leer.
Frau Fantou ist klein.
Sie hat straff zusammengebundenes, rotbraunes Haar und über
ihrem weißen Pulli trägt sie grüne Perlen - ebenso flammend grün wie
der Leuchtbalken an Opas Tonbandgerät.
Auf ihrer Stirn schimmert mattweißes Make-up.
Mein Speichel ist wie mit einem Schlag weggesaugt,
denn als sie „Marianne“ sagt, antworte ich lediglich: „Ggllmm!“
Etwas anderes bringe ich nicht heraus.
Mist, denke ich, und dann: Ich denke heute nicht nach.
„Marianne“, sagt sie noch einmal.
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„Schön, dass ihr da seid.“
Sie zeigt uns die Garderobe - wir pellen uns aus unseren Jacken und
fummeln sie auf einen Kleiderbügel.
Die ganze Zeit, die es dauert, bleibt es still.
Frau Fantou hält uns die Tür zum Wohnzimmer auf, und als wir
eintreten, piekt mich Soscha mit dem Finger in die Seite.
Pling!
Auf einmal kann ich wieder sprechen.
Habe ich da einen Geheimknopf?
Ich sage: „Elmer. Elmer de Jong. Und das hier ist Soscha. Wohnen
Sie allein hier?“
Wir stehen vor einem steifen weißen Sofa.
Frau Fantou dreht sich um und sagt: „Nehmt Platz, Elmer, Soscha, ja,
ich wohne allein hier.“
Nicht die Oma von irgendwem? denke ich und behalte die Frage für
mich.
Erst mal hinsetzen.
Erst mal sehen, ob wir in dieses Haus passen.
Die Dinge im Zimmer liegen brav und stumm da.
Keine wackligen Bücherstapel, nirgends Wachstropfen von den
Kerzen vom vorigen Abend.
Und die Gläser mit Cola, die Frau Fantou uns bringt, stellt sie ganz
förmlich auf Untersetzer.
Dann nimmt sie selbst förmlich mir gegenüber Platz.
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Sie schaut mir in die Augen und stellt Fragen.
Ich versuche ihr in geradlinigen Sätzen zu antworten, mit vielen
„Nein“ und „Ja“ und „So war es“.
Es gelingt mir, auch wenn meine Worte in diesem ordentlich
aufgeräumten Wohnzimmer ein bisschen gepresst klingen, so als
steckten sie noch in einem Briefumschlag.
Soscha dreht an ihrem Freundschaftsarmband herum, das sie von
ihrer vorigen Klasse bekommen hat. Sie sagt nichts.
Bis wir zu dieser Flagge kommen.
„Die hat sie entdeckt“, sage ich.
Ich deute mit dem Daumen zur Seite und plötzlich öffnet Soscha den
Mund.
Sie beschreibt das gesamte Bild von links nach rechts und zurück bis
zu dem Farbstreifen mit der Telefonnummer.
Als sie fertig ist, bleibt es still.
Frau Fantou zwinkert mit den Augen.
Sie steht auf und geht zu ihrem CD- Spieler.
Sie drückt eine Taste und dreht den Lautstärkeknopf ganz leise.
Trotzdem erraten wir, in welcher Sprache hier gesungen wird.
Französisch.
„Dein Großvater kam zu mir ins Haus. Hierher. Wegen seiner
Stunden“, sagt Frau Fantou.
Sie geht zurück zu ihrem Sessel und nimmt wieder Platz – diesmal
entspannt und zurückgelehnt.
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„Ich habe versucht mich zu erinnern,
aber ich weiß nicht mehr genau, wie viele Jahre es her ist.
Zehn, denke ich. Oder neun. Ist auch egal.
Er wollte keinen komplizierten Grammatikunterricht.
<Ich komme hierher, um zu reden>, sagte er.
Konversation.
Also haben wir uns unterhalten.
Auf Französisch.
Am Anfang habe ich ihn immer unterbrochen, er sollte doch etwas
lernen, aber er machte rasche Fortschritte.
Und das in seinem Alter, Elmer. Er war ein guter Schüler.
Jede Woche kam er und meistens war er zu früh.
Meistens ging er auch zu spät wieder weg.
Es war vergnüglich und die Themen ergaben sich ganz von selbst.
Bei anderen ist das mitunter ein Problem, die kommen nicht weiter
als bis zu ihrem neuen Wagen oder der Fußballliga.
Aber bei Remmelt war das anders.
Er liebte die Malerei.
Und die Politik.
Und er liebte Sonette.“
„Und meine Oma“, sage ich.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Soscha mir ruckartig den Kopf
zuwendet.
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Hm, denke ich, habe ich was gesagt? Mir wird warm und ich sehe
wieder das weiße Sofa .
Darauf sitze ich und bin puterrot, ich fühle es.
Aber Opa ist immer bei Oma gewesen.
Opa hat geraucht und gelesen und gesungen und mich auf dem Schoß
gehabt.
Und Oma goss mir Limonade ein.
Konversation?
Auf Französisch?
„Ja“, sagt Frau Fantou, „und deine Oma. Aber darüber sprach er
nicht oft. Wenigstens nicht zu Anfang.“
Ich glaube nicht, dass ich ihre letzten Worte richtig verstehe.
Ich will noch etwas fragen - ganz egal was;
ich muss irgendetwas fragen ehe sie weiter spricht.
„Was sind Sonette?“ frage ich. „Was sind Sonette?“
Soscha ist ganz Ohr.
Frau Fantou schaut mich an.
Von ihrem kleinen Beistelltisch nimmt sie die Tasse Kaffee, die sie
sich selbst eingegossen hat.
„Ein Sonett ist eine Gedichtform. Sonette sind Gedichte.
Dein Großvater lernte so rasch, dass wir die Stunden nach einiger
Zeit immer mit einem Sonett anfingen.
Ich habe sie ausgesucht, aber manchmal brachte er auch eins mit.
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Dem folgten immer die schönsten Gespräche.
Die bedeutsamsten.
Und am Donnerstag, nachdem ihr angerufen hattet, war alles wieder
da.
Es ist eine ganze Zeit her, das schon.
Aber dein Großvater, Elmer, war ein außergewöhnlicher Mann.
Ist, wollte ich sagen.“
Dann sagt sie nichts mehr.
Sie betrachtet mich.
Betrachtet Soscha.
Betrachtet die Luft, die über dem Couchtisch hängt.
Dann wieder mich.
„Mein Opa“, sage ich, „mein Opa.“
Ich weiß nicht, was mit mir geschieht.
Habe ich meine Ajaxsocken immer noch an?
Wie ist es möglich, dass diese fremde Frau soviel über Opa weiß?
Dinge, die ich nicht weiß und meine Mutter womöglich auch nicht?
Und wieso hat sie alles so gut behalten?
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„Was“, sage ich mit merkwürdig klingender Stimme,
so als wäre mir schwindelig und als könnte ich nur noch ganz laut
reden und ganz hoch,
„was bedeutet Ehlamur?“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich wissen will, aber ich kann
nicht anders.
Ich muss es fragen.
Ich schaue Frau Fantou an.
Sie runzelt die Stirn.
Dann höre ich, was ich nicht hören will.
„Et l`amour, Elmer. Das bedeutet >Und die Liebe<.
Es stammt aus einem Sonett über die Liebe.
Und den Schmerz in der Liebe.“
Ich will es nicht.
Ich brauche die Worte nicht zu hören.
Wieso bin ich hier?
Ich schaue um mich.
Ich wende mich zu Soscha, aber ich sehe sie nicht.
Ich denke auf einmal an Fußball oder Computerspiele, sogar Ferien
auf dem Bauernhof fallen mir ein.
Hätten wir nicht so was tun können?
Wieso sitze ich hier bei einer Frau, die ich nicht kenne, die Perlen
trägt, wie ich sie noch nie vorher gesehen habe, die einem Lieder
vorspielt, deren Text ich nicht verstehe?
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Wieso lässt sie Opa nicht in Ruhe?
Er gehört zu mir.
Er gehört nicht zu ihr.
Oder vielleicht…
Und selbst wenn…
Wieso lasse ich Opa nicht in Ruhe?
Ich stehe auf.
Ich glaube mein Knie stößt gegen die Tischkante.
Ich glaube die Colagläser fallen um.
Ich merke es nicht,
ich bin schon draußen im Flur,
meine Jacke habe ich schon vom Kleiderbügel gerissen,
den Fahrradschlüssel halte ich schon in der Hand,
die Haustür klemmt,
aber schon ziehe ich,
ich reiße sie auf,
ich renne den Weg entlang,
steige aufs Fahrrad und trete in die Pedale.
Es stürmt mittlerweile, aber ich merke es nicht.
Ich bin schon weg.
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Textauszug VI
Ich gehe zu Opa.
Ich schiebe einen Hocker zwischen Opa und das Tonbandgerät.
Es wird still.
Alle schauen auf mich.
„Ich habe hier ein Gedicht.
Es ist ein Sonett.
Opa mag es gern.
Und wir dürfen nicht traurig sein, wenn es nicht klappt, aber wir sind
jetzt alle da und ich schalte es jetzt ein.“
Ich hebe die Hand, strecke meine Finger und drücke die
Abspieltaste.
Frau Fantou beginnt zu sprechen.
Ein leises Klicken ist zu hören. Das Band dreht sich weiter, aber die
Aufnahme ist zu Ende.
Es ist still.
Frau Fantou schweigt.
Ich schaue zu Opa.
Wir alle schauen zu Opa.
Es passiert nichts.
Er reagiert nicht.
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Meine Mutter nimmt meine Hand.
Ich zucke zusammen und schaue zur Seite.
Sie sucht nach meiner anderen Hand, aber auf einmal hören wir eine
Stimme.
Eine neue Stimme.
Die Stimme von Opa.
Opa spricht.
Nicht jetzt und nicht hier im Zimmer –
er döst immer noch vor sich hin -,
sondern irgendwo anders,
in der Vergangenheit,
auf dem Tonband.
„Test“, sagt er, „Test! Eins - zwei - drei.“
„Und jetzt“, sagt Opas Stimme auf dem Tonband, „kommt der kleine
Elmer!“
Ich fange an zu singen.
Ich bin klein,
drei Jahre vielleicht oder zwei, das weiß ich nicht mehr,
ich habe es vergessen.
Ich habe alles vergessen.
Diese Aufnahme.
Das Lied.
Mich.
Mich als kleinen Elmer.
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Klein Elmer fängt an zu singen: „So fahren die Schiffe vorbei...“,
singt er. „So fahren die Schiffe vorbei...“
Sieh doch, sieh doch!
Opa hält die rechte Hand in die Höhe.
Seine Augen sind offen, weit offen.
Sie sind klarer, als ich sie seit langem gesehen habe.
Er schaut auf seine Hand, die hin und her geht.
Hin und her zum Takt dieses Liedes vom kleinen Elmer.
Zu meiner Melodie.
Zu dem Satz, den ich singe –
so lange ist es her, dass ich es vergessen habe.
Ich schon, aber Opa nicht.
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CD - Booklet
Buchcover
Track 1:
0:25
Kapitel 1
Track 2:
1:19
Kapitel 11
Track 14:
0:28
Kapitel 2
Track 3/ 4:
0:21
Kapitel 12
Track 15:
1:10
Kapitel 3
Track 5:
0:10
Kapitel 13
Track 16/ 17:
0:54
Kapitel 4
Track 6:
0:14
Kapitel 14
Track 18:
0:40
Kapitel 5
Track 7:
0:35
Kapitel 15
Track 19:
0:33
Kapitel 6
Track 8:
0:20
Kapitel 16
Track 20:
0:17
Kapitel 7
Track 9:
0:13
Kapitel 17
Track 21/ 22:
1:49
Kapitel 8
Track 10:
0:07
Kapitel 18
Track 23:
0:38
Kapitel 9
Track 11:
0:38
Kapitel 19
Track 24:
0:20
Kapitel 10
Track 12/ 13:
1:43
Kapitel 20
Track 25:
1:38
Gesamtspielzeit: 14:44
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