Gelenkverschleiß: neue Hüfte – neues Glück ?

Transcription

Gelenkverschleiß: neue Hüfte – neues Glück ?
Gelenkverschleiß: neue Hüfte – neues Glück ?
(Sendung im HR am 16. 12. 2010)
Autorinnen: Eva Maria Siefert / Birgit Mittwoch / Anett Wundrak
Plötzlich ist der Schmerz da - und er geht nicht mehr weg.
Welche Therapien helfen gegen Gelenkschmerzen, gibt es Möglichkeiten dem Gelenkverschleiß
entgegen zu wirken und wann ist eine Operation unausweichlich?
Suchfunktion Orthopädietechniker der Landesinnung in Ihrer Nähe
Online-Diagnoseassistent des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie e.V.
Schmerzkalender zur verbesserten Therapiekontrolle von "Forum Schmerz" im Deutschen Grünen
Kreuz (DGK)
Trotz Arthrose - schmerzfreies Leben dank neuer Gelenke
Gelenkverschleiß kann jeden von uns treffen und jedes Gelenk befallen. Erste Anzeichen können
sein, dass man sich morgens fühlt als sei man eingerostet, und dass sich jeder Wetterwechsel in den
Knochen bemerkbar macht. Nimmt der Verschleiß zu, sind Schmerzen vorprogrammiert. Sie können
langsam immer schlimmer werden oder plötzlich mit voller Wucht einsetzen. Rund 15 Millionen
Menschen in Deutschland leiden an Arthrose bedingten Gelenkschmerzen. Frauen sind häufiger
betroffen als Männer.
Helfen Muskeltraining, Gehhilfen, Medikamente oder Krankengymnastik nicht weiter, sollte über eine
Operation nachgedacht werden, bei der das betroffene Gelenk durch eine Prothese ersetzt wird. Ob
aber ein künstliches Ersatzgelenk die Beschwerden dauerhaft lindert oder verschwinden lässt, hängt
von verschiedenen Faktoren ab. Der allgemeine Gesundheitszustand, das Maß an körperlicher
Aktivität, aber auch der Wille und die Bereitschaft, über Operation und Reha hinaus auch zu Hause zu
trainieren sind viel wichtiger und oft entscheidend für den Operationserfolg. Dank neuer, schonender
Operationsmethoden kommt ein Gelenkersatz auch noch im höheren Lebensalter in Frage.
Adressen:
Deutscher Orthopäden-Verband e.V. (DOV)
Bundesgeschäftsstelle
Heinrich-Barth-Str. 28
66115 Saarbrücken
Tel: 0681/ 96 76 75 55
Fax: 0681/ 96 76 75 56
E-Mail: [email protected]
Internet: www.dov-online.de
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. (DGOOC)
Langenbeck-Virchow-Haus
Luisenstr. 58/59
10117 Berlin
Tel.: 030/ 84 71 21 31
Fax: 030/ 84 71 21 32
E-Mail: [email protected]
Internet: www.dgooc.de
Seite 1 von 5
Der Fall Albert B. - aktiv und schmerzfrei dank neuer Hüfte
Sportlich aktiv war Albert B. eigentlich sein ganzes Leben lang. Auch als er Rentner wurde hat sich
das nicht geändert. Der 70-Jährige wandert gerne und viel, fährt leidenschaftlich gern Fahrrad und
mehrmals pro Woche walkt er in einer kleinen Gruppe. Als er vor Jahren mal wegen
Rückenschmerzen geröntgt wurde, diagnostizieren die Ärzte zufällig auch eine Arthrose in der rechten
Hüfte. Weil er keine Beschwerden hat, soll er sich weiter viel bewegen. Doch im August letzten Jahres
ändert sich alles. Beim Nordic Walking hat Albert B. plötzlich so starke Schmerzen, dass er kaum
nach Hause kommt. Sofort geht er zum Arzt, bekommt Schmerzmittel und Spritzen. Die Schmerzen
werden besser, beschwerdefrei aber wird er nicht, und bei allen sportlichen Aktivitäten schmerzt die
Hüfte sehr.
Helfen kann nur noch eine Operation. Albert B. braucht eine Hüftgelenkprothese. Nach etwa einem
halben Jahr ist es dann so weit. Knapp eineinhalb Stunden dauert der Eingriff. Über einen nur 7
Zentimeter langen Schnitt wird der kaputte Hüftkopf entfernt und durch eine Titanprothese ersetzt. An
der Beckenseite wird eine neue Hüftpfanne eingesetzt. Um schnell wieder auf die Beine zu kommen,
bekommt der 70-Jährige eine erst kürzlich entwickelte Prothese, die sich gleich mit dem Knochen
verbindet und sofort für Stabilität sorgt. Weil bei der Operation ein spezielles Gerät zur
Wiederaufbereitung des Blutes verwendet wird, liegt der Blutverlust nur bei etwa 200 Millilitern. Albert
B. fühlte sich schon kurz nach der Narkose wieder völlig fit. Schon knapp einen Tag nach der
Operation soll er sein rechtes Bein belasten und fast ohne Gehhilfen mit der Physiotherapeutin üben.
Sechs Tage später kommt Albert B. in die Reha-Klinik. Auch hier heißt es täglich intensiv üben.
Treppensteigen, aufrecht gehen, dabei beide Beine gleichmäßig belasten, endlich wieder schmerzfrei
Fahrrad fahren. Durch die schmerzbedingte Schonhaltung vor der OP haben sich die Hüftmuskeln
verkürzt. Beim Training mit dem Physiotherapeuten werden sie nun wieder langsam gedehnt. Viele
der Übungen muss Albert B. in den nächsten Monaten auch zu Hause weiter machen. Aber vorsichtig,
denn in den ersten Monaten besteht die Gefahr, dass die Prothese aus dem Gelenk springt. Albert B.
darf nicht übertreiben. Er lernt er wie man richtig über Hürden steigt. Beispielsweise über einen
Badewannenrand. So gerüstet kann er nach drei Wochen beschwerdefrei und so beweglich wie seit
langem nicht mehr nach Hause gehen.
Kliniken und Experten im Beitrag:
Prof. Dr. med. Stefan Rehart
Markus Krankenhaus
Chefarzt der Abteilung Unfallchirurgie, Orthopädische
Rheumatologie und Spezielle Orthopädische Chirurgie
Wilhelm-Epstein-Str. 2
60431 Frankfurt a. M.
Tel.: 069/ 9533-0
Internet: www.fdk.info/markus-krankenhaus/markus-krankenhaus.html
Wicker-Klinik Bad Homburg v.d.H.
Werner Wicker KG
K.-F.-Promenade 47-49
61348 Bad Homburg v.d.H.
Tel: 06172/ 103-0
Fax: 06172/ 103-186
Internet: www.wicker-klinik-bad-homburg.de
Arthrose - wenn der Zahn der Zeit an Gelenken nagt
Als Arthrose bezeichnet man Verschleißerscheinungen der Gelenke, die das altersübliche Maß
übersteigen. Da dem übermäßigen Gelenkverschleiß oft rheumatische Erkrankungen zugrunde liegen,
zählt die Arthrose zu den Erkrankungen des so genannten rheumatischen Formenkreises.
Diese Faktoren begünstigen Arthrose:
Übergewicht
Achsenfehlstellungen, z. B. X- und O-Beine
frühere Verletzungen der Gelenke (s.g. sekundäre Arthrose)
Überlastung im Beruf, z. B. durch ständiges, langes Knien
Sportbedingte Überlastungen (bspw. Mannschaftssportarten wie Handball, Fußball, Badminton mit
raschem Richtungswechsel oder starkem Druck auf die Gelenke)
höheres Lebensalter
Seite 2 von 5
Zudem leiden Frauen häufiger unter Arthrose als Männer (verstärkt mit zunehmendem Alter,
Wechseljahre, Hormonveränderungen, Osteoporose)
Literatur zum Thema:
Wolfgang Ditzen u.a. "Die Hüft-Sprechstunde: Alle Therapien von Naturheilkunde Hightechmedizin"
176 Seiten, 19,95 Euro
ISBN: 3776626054
Herbig Verlag
Februar 2009
Christoph Schönle u.a. "Schmerzfrei und beweglich mit dem neuen Hüftgelenk"
104 Seiten, 14,95 Euro
ISBN: 978-3830433613
Trias Verlag
Februar 2008
Warum gerade ich?
Eine Arthrose entwickelt sich langsam über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg. Während man
beispielsweise beinahe bei jedem 75-Jährigen so genannte arthrotische Gelenkveränderungen findet,
ist bei den 20-Jährigen kaum jeder Zwanzigste betroffen. Ausgelöst wird die Arthrose durch eine
Verletzung oder dauernde Gelenküberlastung des Knorpels. Der defekte Knorpel kann den Knochen
nicht mehr vor Stößen und größerer Belastung schützen, hinzu kommen fehlerhafte
Reparaturmechanismen. Um den Defekt auszugleichen wird verstärkt Knochensubstanz gebildet, was
das Gelenk weiter schädigt. Gleichzeitig kann abgeriebenes Knorpel- und Knochenmaterial eine
Entzündung der umgebenden Gelenkhaut verursachen.
Selbst wenn das Gelenk im Röntgenbild schlimm aussieht, eine Arthrose muss nicht immer
Beschwerden machen. Das Röntgenbild korreliert also nicht zwangsläufig mit den Beschwerden der
Patienten. Typisch für eine Arthrose ist der so genannte Anlaufschmerz, besonders morgens fühlen
sich die betroffenen Gelenke an, als seien sie eingerostet. Auch bei Belastung nimmt der Schmerz zu.
Oft "knirscht" es bei Bewegungen im Gelenk, es kann zu Entzündungen kommen, im schlimmsten Fall
treten Gelenkverformungen auf.
Typische Beschwerdebilder:
Knirschen, Knacken und Ziehen im Gelenk
Belastungsschmerz
Schwierigkeiten beim Treppensteigen, vor allem abwärts
Anlaufschmerzen - besonders morgens nach dem Aufstehen
witterungsbedingte Beschwerden
Gelenkerguss (Ansammlung im Gelenkinneren an Flüssigkeit oder Blut) und Schwellung bei akuter
Entzündung
Ruhe- und Nachtschmerz
Arthrose ist nicht heilbar und mangelnde Bewegung unterstützt den Krankheitsverlauf. Denn im
Gegensatz zu anderen Geweben ist der Knorpel kaum mit Blutgefäßen durchzogen. Er bezieht seine
Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit. Wird das Gelenk bewegt, kann der Knorpel besser Nährstoffe
aufnehmen und Abfallprodukte abgeben. Außerdem bilden die Muskeln um das Gelenk eine Art
Mantel oder Stützkorsett. Eine gut ausgebildete und trainierte Muskulatur gibt also dem Gelenk Halt
und Schutz. Grundsätzlich kann eine Arthrose an jedem Gelenk auftreten, in Deutschland wird am
häufigsten eine Arthrose im Kniegelenk diagnostiziert.
Welche Behandlungen gibt es?
Die Therapie richtet sich nach den Beschwerden des Patienten. Im akuten und chronischen Stadium
kommen schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente (vorrangig so genannte Nicht
steroidale Anti-Rheumatika, kurz NSAR) zum Einsatz. Möglich sind auch Spritzen in das betroffene
Gelenk. Weitere, wesentliche Säulen in der Behandlung sind Krankengymnastik, Physikalische
Therapie (Wärme- und Kälteanwendungen) und regelmäßiger Sport nach den individuellen
Möglichkeiten des Patienten.
Sind diese konservativen Maßnahmen ausgeschöpft, kommen operative Therapien zum Einsatz. Bei
jüngeren Patienten oder verletzungsbedingter Arthrose können Korrekturen von Fehlstellungen oder
Knorpeltransplantationen erwogen werden. Sonst muss das Gelenk teilweise oder vollständig durch
Seite 3 von 5
ein Kunstgelenk ersetzt werden. Welche Prothese im Einzelfall die richtige ist, entscheiden Arzt und
Patient gemeinsam.
Künstliche Gelenke
Sie bestehen in der Regel aus Titan oder einem anderen, gut verträglichen Material.
Abstoßungsreaktionen sind deshalb extrem selten. Allerdings besteht immer die Gefahr einer Infektion
während oder kurz nach dem Eingriff, weshalb für solche Operationen besonders strenge
Hygieneregeln eingehalten werden müssen. Nach dem Eingriff soll der Patient schnell wieder auf die
Beine kommen, in vielen Fällen wird das Gelenk sehr schnell nach der Operation passiv (durch einen
Physiotherapeuten) bewegt.
Schon am Tag nach der Operation dürfen die Betroffenen das Gelenk ganz oder teilweise belasten.
Wesentlich für den Operationserfolg ist eine konsequente Nachbehandlung, die Physio- und
Ergotherapie einschließt, und bei der der Patient Wichtiges für die ersten Wochen und das Leben mit
einem Kunstgelenk lernt. Deshalb sollten alle Patienten die Möglichkeit einer stationären
Rehabilitation in einer Klinik nutzen. Bei einem unkomplizierten Eingriff kommt der Patient etwa 6-12
Tage nach der OP in die Reha-Klinik, die Kosten übernimmt entweder die Krankenkasse oder der
Rentenversicherungsträger.
Arthrose vorbeugen, aber wie?
Grundsätzlich sollte man von Kindesbeinen an Fehl- und Überbelastungen vermeiden. Treten zu
irgendeinem Zeitpunkt über einen längeren Zeitraum Gelenkschmerzen auf, sollte immer auch nach
Fehlstellungen gesucht werden. Beispielsweise kann ein Beckenschiefstand zu einer vorzeitigen
Hüftgelenkarthrose führen, Fußfehlstellungen können eine Kniegelenksarthrose begünstigen.
Werden Fehlstellungen entdeckt, sollte die beispielsweise durch korrigierende Einlagen ausgeglichen
werden. Schwimmen oder Radfahren sind gelenkschonende Sportarten. Wer bereits unter einer
beginnenden Arthrose leidet, sollte unbedingt ein Muskelaufbautraining beginnen. Wer überflüssige
Pfunde mit sich rumschleppt, tut seinen Gelenken nichts Gutes. Oft können leichte
Gelenkbeschwerden schon nach einer moderaten Gewichtsabnahme verschwinden. Und ganz
grundsätzlich sollten Sie sich immer regelmäßig bewegen!
Welche Ernährung ist für Knochen und Gelenke wichtig?
Da unsere Knochen ständigen Auf- und Abbauprozessen unterliegen, hat er einen hohen
Stoffwechselbedarf. Dabei ist Kalzium für den Knochen eines der wichtigsten Mineralstoffe.
Kalziumreich sind Grünkohl, Brokkoli, Nüsse, Mineralwasser und Milchprodukte.
Auch Vitamin D ist für den Knochen von essentieller Bedeutung und steckt reichlich in Fisch
(insbesondere Makrelen und Lachs), Milchprodukten, Pilzen und Vollkorngetreide. Damit das
Vitamin D vom Körper aufgenommen werden kann, muss es durch UV-Licht in seine wirksame Form
umgewandelt werden. Regelmäßige Spaziergänge (oder Sport) bei Sonnenlicht sind daher für die
Knochengesundheit wichtig.
Der Fall Regina P. - Kaputte Hüftprothesen und ahnungslose Patienten
Vorsichtigen Schätzungen zufolge haben rund 9.000 Patienten eine Hüftprothese, die jederzeit
brechen könnte. Die Hersteller haben die Produkte bereits vom Markt genommen. Doch die
Betroffenen wurden über die Risiken nicht informiert. So passierte es auch Regina P. 15 bis 20 Jahre
sollte ihre Hüftprothese nach Aussage der Klinik halten. Nach nur vier Jahren aber das Desaster.
Trotz aller Vorsicht, trotz Umzug in eine altersgerechte Wohnung ohne Schwellen, sackt ihr eines
Tagen plötzlich das linke Bein weg. Zum Glück wird die Rentnerin von einem Nachbarn gefunden. Der
alarmiert den Notarzt. Mit gebrochener Hüftprothese und einem Schädel-Hirn-Trauma kommt Regina
P. ins Krankenhaus. Was sie nicht weiß: Schon 2005 - ein Jahr nach ihrer Operation - hat der in ihrem
Prothesen-Pass vermerkte Hersteller "Eska Implants" genau dieses Produkt zurückgerufen. Die Firma
selbst räumt gegenüber den Behörden mehrere "Versagensfälle" ein. Auch bei weiteren drei
Herstellern häufen sich die Probleme. Sie nehmen Hüftgelenkprothesen vom Markt. Doch 9.000
Patienten sind bereits operiert. Warum erfahren die Betroffenen nichts über das Risiko, dass sie in
sich tragen?! Tatsächlich tauscht auch das Krankenhaus, in dem Regina P. behandelt wurde, nach
dem Rückruf seine Lagerbestände aus. Die Patienten informiert die Klinik allerdings nicht. Die
bemerkenswerte Begründung: Der überwiegende Teil der Patienten habe das Recht weiterhin
unbeschwert zu leben ohne Verunsicherung, bei nur geringem Bruchrisiko.
Jörg F. Heynemann ist Anwalt für Medizinrecht, hat bereits dutzende Fälle von Betroffenen
übernommen, deren Hüftprothesen schadhaft waren. Ein weiterer Klient des Anwalts hat zwei
künstliche Hüftgelenke eines Herstellers eingesetzt bekommen. Im Jahr 2000 ließ sich Rudolf R.
operieren. Drei Jahre später quietschte und knarrte es in seinem Körper. Der Grund: der Keramikkopf
des linken Hüftgelenks war buchstäblich zerfallen. Daher das Geräusch. Vier Operationen musste
Seite 4 von 5
Rudolf R. danach noch über sich ergehen lassen. Dass die Betroffenen nicht über die Risiken
informiert und selbst bei einem Bruch im Unklaren über die Ursachen gelassen werden, dahinter
vermutet der Anwalt Heynemann System. Niemand soll auf die Idee kommen seine Ansprüche
geltend zu machen. Freiwillig zahlen die Herstellerfirmen in den meisten Fällen nicht. Den Patienten
bleibt allein der Gang zum Gericht.
Seite 5 von 5