ORANGERIE · Ausgewählte Objekte · Frühjahr 2014

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ORANGERIE · Ausgewählte Objekte · Frühjahr 2014
224
ORANGERIE · Ausgewählte Objekte · Frühjahr 2014
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ORANGERIE
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„La beauté
n’est que
la promesse
du bonheur.
–
Das Schöne
ist nichts anderes
als das Versprechen
von Glück.“
aus Stendhals De lʼamour, 1822
ORANGERIE
Ausgewählte Objekte
Selected Objects
Auktion Nr. 224
Donnerstag, 29. Mai 2014
11 Uhr
Auction No. 224
Thursday, 29 May 2014
11 a.m.
www.villa-grisebach.de
3
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Vorbesichtigung
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Düsseldorf
30. April und 1. Mai 2014
Villa Grisebach Auktionen
Bilker Straße 4-6 · D-40213 Düsseldorf
Mittwoch und Donnerstag 10 - 18 Uhr
Daniel von Schacky
Telefon +49 (211) 8629 2199
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Zürich
6. und 7. Mai 2014
Villa Grisebach Auktionen AG
Bahnhofstrasse 14 · CH-8001 Zürich
Dienstag und Mittwoch 10 - 18 Uhr
Verena Hartmann
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Dortmund
9. bis 11. Mai 2014
Galerie Utermann
Silberstraße 22 · D-44137 Dortmund
Freitag und Samstag 10 - 18 Uhr
Sonntag 11 - 16 Uhr
Wilfried Utermann
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Hamburg
14. Mai 2014
Galerie Commeter
Bergstraße 11 · D-20095 Hamburg
Mittwoch 10 - 18 Uhr
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München
16. Mai 2014
Galerie Thomas
Maximilianstraße 25 · D-80539 München
Freitag 10 – 18 Uhr
Dorothée Gutzeit
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des Bereichs Zeitgenössische Kunst
Viewing of a selection of works
of Contemporary Art
Düsseldorf
15. bis 17. Mai 2014
Villa Grisebach Auktionen
Bilker Straße 4-6 · D-40213 Düsseldorf
Donnerstag und Freitag 10 - 18 Uhr
Samstag 10 - 16 Uhr
Daniel von Schacky
Telefon +49 (211) 8629 2199
Vorbesichtigung aller Werke in Berlin
23. bis 27. Mai 2014
Viewing of all works in Berlin
23 to 27 May 2014
Berlin
Villa Grisebach Auktionen GmbH
Fasanenstraße 25, 27 und 73
D-10719 Berlin
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300
Nigeria,
Nok-Kultur
Ein kniender Mann mit aufwendiger Haartracht und detailreicher Gewandung blickt still vor sich hin. Diese Statue, einer nach dem ersten
Fundort in Nigeria als Nok bezeichneten Kultur aus vorchristlicher Zeit,
ist wie alle vergleichbaren Figuren ein Individuum.
Die Ornamente des Umhangs zeigen besonders eindrucksvoll die große
Qualität der fein ausgeformten Oberfläche der Figur. Dank des sehr
guten Erhaltungszustandes ist die Materialität der Gurte und Bänder
des Gewandes und des Halsschmuckes nahezu greifbar. Selten fanden
sich bei den Grabungen derart vollständige Figuren, meist handelte
es sich um Bruchstücke. Dabei ist es nicht unüblich, daß Teile einer
Keramik an mehreren Orten verteilt aufgefunden wurden. Dies legt
die Annahme nahe, daß die Figuren während oder im Anschluß an ihre
Nutzung zerstört worden sind.
Große männliche kniende Statue.
150 v. Chr.
Terrakotta. 53,5 x 20 cm (ohne Sockel)
(21 ⅛ in. x 7 ⅞ in. (without base)).
Mit einem Gutachten (Nr. 11.12.14 - TL 55023)
des Alliance Science Art Laboratoire in Paris,
Francine Maurer, 14. Mai 1995. Alterszuordnung
mittels Thermolumineszenz-Methode
auf ein Alter von um 2100 Jahren.
Restaurierung des linken Unterschenkels. Die
Rückenplatte besteht aus neuzeitlich gebundenem, aber historischem Material der Zeit um
500 v. Chr. bis 500 n. Chr. und ist eine nachträgliche Ergänzung des 20. Jahrhunderts –
siehe Gutachten (Prüfbericht AA 01-06126) der
Antiques Analytics GmbH, Dr. R. Neunteufel,
28. Juli 2001. [3879]
Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland
Literatur und Abbildung: Bernard de Grunne:
The Birth of Art in Africa. Nok Stauary in
Nigeria, 1998 Paris, Kat.-Nr. 14, S. 50f.
€ 30.000 – 40.000
$ 41,100 – 54,800
Grisebach 05|2014
Die Terrakotten der Nok gelten als älteste Figuralkunst im subsaharischen Afrika und zugleich sind sie auch im Vergleich mit anderen
Kulturen jener Zeit – etwa den Kelten in Europa – einzigartig in der
Systematik ihrer Form. Dieses Können und die sehr elaborierte Form
der Plastik lassen Rückschlüsse auf eine sehr komplexe Gesellschaft
zu. So kann eine Gemeinschaft nur bei effizienter Nahrungsproduktion
einige ihrer Mitglieder von der Nahrungsbeschaffung freistellen, um
diese kunstvollen Tonfiguren zu fertigen.
Über die Lebensbedingungen der Nok-Kultur gibt es bis heute nur wenige
wissenschaftliche Erkenntnisse, die Figuren selbst weisen mit ihren
Attributen auf einzelne Details im Leben ihrer Kultur hin. So beweist
die Dekoration einer Figur mit dem Motiv der Jakobsmuschel den Handel
dieses fern der Küste lebenden Volkes mit den Küstenregionen.
Archäologische Grabungen der Universität Frankfurt am Main mit dem
Ziel, Aussagen zum Alltag der Nok zu verifizieren, wurden nicht zuletzt
durch natürliche Gegebenheiten erschwert. Der sehr saure Boden
im Verbreitungsgebiet mit einem pH-Wert von 5 hat viele Spuren wie
Knochen, Textilien und Holz schon vor ihrer Entdeckung zerstört.
Die Erkenntnisse dieser zeitgenössischen archäologischen Arbeit
wurden 2013 in der Ausstellung „Nok. Ein Ursprung afrikanischer
Skulptur“ im Frankfurter Liebighaus eindrucksvoll präsentiert. (EN)
Ein kniender Mann
blickt still vor sich hin.
301
Äthiopien
Diese Steinstele stammt aus der Gegend um die Seen Zway, Abbayatta,
Shala, Awassa und Abbayya im südlichen Äthiopien. Dies ist die Region
mit den meisten aufrecht stehenden Monolithen Afrikas.
Die Bedeutung dieser von Menschen geschaffenen, aufrecht stehenden
Steine ist vielfältig. Sie sind Gedenksteine für Einzelpersonen ebenso
wie Denkmale für bedeutende Generationen und an einigen Orten, an
denen sie gehäuft vorkommen, Grabstelen auf einem Gräberfeld.
Diese Grabstätten wurden in den 1930er Jahren von europäischen
Forschern entdeckt und dokumentiert. Der bekannte Afrikaforscher
Leo Frobenius (1873-1938) hielt 1935 ein Gräberfeld bei Tuto Fela
auf Photographien fest (siehe Abbildung), die vom Frobenius-Institut
an der Universität Frankfurt am Main aufbewahrt werden. Ein anderes
Beispiel für eine Grabstätte ist Chelba-Tutitti, wo sich bis heute bis zu
hundert ähnlicher Stelen befinden.
Grabstele.
4.–6. Jahrhundert
Vulkanit, behauen.
79 x 19 cm (31 ⅛ x 7 ½ in.).
Standfuß eingesetzt. [3014] Provenienz: 1981 Kunsthandel, Brüssel /
Privatsammlung, Schweiz
€ 4.000 – 6.000
$ 5,480 – 8,220
Vergleichsliteratur: Roger Joussaume:
Les cimetières superposés de Tuto Fela,
en pays Gedeo (Éthiopie), et quelques
réflexions sur le site de Chelba-Tutitti; in:
François-Xaver Fauvelle-Aymar (Hrsg.):
Palethnologie de l’Afrique, Palethnologie,
Jg. 4 (2012), S. 87–110
Grisebach 05|2014
Archäologische Befunde der letzten Jahre zeigten, daß eine Grabstele
die Gräber mehrerer Verstorbener markiert und ihre Form auf die Bedeutung der Begrabenen hinzuweisen scheint. Da die Gräber in mehreren
Schichten übereinander angeordnet sind, ragen die Stelen zum Teil nur
zu einem Bruchteil ihrer gesamten Höhe aus der Erde. Durch ihre Form
und Ornamente unterschieden werden phallische und anthropomorphe
Stelen sowie einfache geometrisch verzierte Exemplare.
Die heute im Fundgebiet lebende Bevölkerungsgruppe der Gedeo achtet
die Orte als spirituell bedeutsam, jedoch ist wenig Wissen über die
Stelen überliefert. Bei anderen Ethnien des südlichen Äthiopien haben
aufrechte Stelen aus Holz und Stein sowohl in der Heldenverehrung
wie im Totenkult bis heute eine hohe Bedeutung.
Unsere Stele aus rauhem Stein nimmt nach oben an Umfang zu und
endet in einer breiteren Kappe. Sie zeigt punktförmige Vertiefungen
und strichförmige Einkerbungen am Schaft und an der Kappe. Der
formale Bezug zum Phallus wird in der Forschung mit der großen Bedeutung von Fruchtbarkeit und der durch ihn allgemein symbolisierten
Potenz einer Gesellschaft begründet. (EN)
Der formale Bezug wird mit der
durch den Phallus symbolisierten Potenz
einer Gesellschaft begründet.
302 / 303
Costa Rica.
Nördliches Hochland,
Kultur der Guapiles
303
Diese zwei Skulpturen, die eine stehend, die andere sitzend, sind
hervorragend gearbeitete und gut erhaltene Zeugnisse der einst im
Nordosten Costa Ricas beheimateten Guapiles-Kultur. Diese nach
der gleichnamigen Stadt benannte Kultur hatte etwa 2400 Jahre lang
Bestand, von 1000 v. Chr. bis 1400 n. Chr.
302
Obgleich die Guapiles-Kultur noch längst nicht ausreichend erforscht
ist, weiß man, daß ihre Gesellschaft hoch entwickelt war. In der benachbarten Provinz Cartago wurde bei Ausgrabungen in den siebziger Jahren
eine ganze Stadt gefunden, mit gepflasterten Straßen, Zisternen und
Aquädukten. Die Mehrheit der Bevölkerung der Guapiles-Kultur setzte
sich aus Landarbeitern und Bauern zusammen, doch kannte sie, ähnlich wie die Vorläufer vorderasiatischer und europäischer Hochkulturen,
auch das Prinzip der Arbeitsteilung.
302 Sitzender Krieger mit Nasenpflock
(Periode VI).
Um 900 n. Chr.
Vulkangestein. 46 cm x 48 cm
(18 ⅛ in. x 18 ⅞ in.). Restaurierte
Bruchstellen am linken Bein. [3124]
Provenienz: 1980 Galerie Gerdes, München /
Privatsammlung, Deutschland
€ 30.000 – 40.000
$ 41,100 – 54,800
303 Stehender Krieger mit Trophäenkopf
(Periode VI).
Um 1000 n. Chr.
Vulkangestein. 105 cm
(41 ⅜ in.). [3124]
Provenienz: 1980 Galerie Gerdes, München /
Privatsammlung, Deutschland
€ 25.000 – 30.000
$ 34,200 – 41,100
Vergleichsliteratur: Jorge A. Lines (Hrsg.):
Ancient Art from Costa Rica, Ausst.-Kat.,
Claremont 1953 / Jean Paul Barbier:
A Guide to Pre-Columbian Art, Genf 1998
Grisebach 05|2014
Bei unseren aus Vulkangestein gehauenen Stücken handelt es sich um
Darstellungen von Kriegern. Der Umstand, daß sie unbekleidet abgebildet
sind, entspricht der Tradition, wie die einschlägigen Museumsbestände
zeigen.
Die stehende Figur, um das Jahr 1000 n. Chr. gefertigt, hält in ihrer
linken Hand als Trophäe den geschrumpften Kopf eines Feindes, in der
rechten ein Schlagwerkzeug, wohl eine Axt oder ein Messer. Auffällig
ist auch die Haartracht aus betont parallel verlaufenden Strähnen.
Während ihre Körperhaltung durchaus bedrohlich wirkt, erscheint die
andere Figur ruhend, beinahe ein wenig lässig.
Denn daß ein Krieger sitzend abgebildet wurde, kommt in der Kunst
der Guapiles-Kultur sehr selten vor. Aber auch hier lassen die Attribute
keinen Zweifel an der Funktion des Dargestellten: er trägt ein Seil über
seiner Schulter, an dem ebenfalls ein Schrumpfkopf befestigt ist. In der
Rechten präsentiert er dem Betrachter ein großes Schlaginstrument.
Die sitzende Figur ist mit 900 n. Chr. etwas früher zu datieren als die
stehende, und um ihre Stirn läuft ein geflochtenes Band. Ornamentale
Elemente im geometrischen Stil kommen bei aufwendiger gearbeiteten
Guapiles-Statuen öfter vor. Die Sorgfalt, mit der diese beiden Krieger
gefertigt wurden, deutet darauf hin, daß es sich dabei um Skulpturen
von höchster Wertschätzung gehandelt haben muß. (UC)
Daß ein Krieger sitzend abgebildet wurde,
kommt in der Kunst der Guapiles-Kultur
sehr selten vor.
11
304
Meister der Échevinage
von Rouen (Umkreis)
Mittelalterliche Stundenbücher vermögen nicht allein aufgrund ihrer
Pracht, sondern gerade auch ihrer Widersprüchlichkeit wegen immer
wieder zu faszinieren: Eigentlich Werke privater Andacht, bezeugte ihr
kostbarer Bilderschmuck auch Status- und Standesbewußtsein ihres
Besitzers nach außen. Und obwohl weitgehend einem standardisierten
Aufbau folgend, erscheint jedes Exemplar in seiner künstlerischen
Gestaltung doch einzigartig und unverwechselbar.
Stundenbuch nach dem Usus von Rouen.
Manuskript mit 13 Illuminationen.
Um 1465–1470
Handschrift auf Pergament, illuminiert /
Ledereinband wohl 18. Jahrhundert. 8°. Rote
Liniierung, Schriftraum gemittelt 9,7 x 6,2
cm, 15 Zeilen (Kalender: 16), einspaltig
beschrieben. Als Textura eine französische
lettre bâtarde in brauner Tinte, mehrere
Hände unterscheidbar. Rubrikationen in roter
Tinte. Bei den Orationen, Psalmen etc. einbis zweizeilige goldene Initialen auf blauem
oder rotem Grund bzw. zwei- bis vierzeilige
blaue Initialen (rot und weiß erhöht) auf
goldenem Grund. Textbegleitende Bordüren
gemittelt 9,7 x 3,3 cm. Kein Vorsatzblatt /
Lagen: VI12 + (V-1)21 + 7 IV77 + 2 II85 +
IV93 + III98 + 4 IV130 + III135 + (IV-1)142.
Vor Folio 13 mind. 1 Lage Textverlust.
Foliierung in Bleistift auf den recto-Seiten
oben rechts (1-141), letzte Folioseite nicht
beschriftet, fol. 31/32 übersprungen. [3408] Provenienz: Vor 1930 im Berliner Kunsthandel
erworben / Privatsammlung, Rheinland
€ 10.000 – 15.000
$ 13,700 – 20,500
Vergleichsliteratur zum Meister der Échevinage de Rouen: Claudia Rabel: Artiste et
clientèle à la fin du Moyen Age: les manuscrits
profanes du Maître de l’échevinage de Rouen;
in: Revue le l’Art, Bd. 84 (1989), S. 48–60.
François Avril/ und Nicole Reynaud: Les
manuscrits à peinture en France 1440-1520,
Ausst.-Kat., Paris 1995, S. 168-173
Im 13. Jahrhundert von der Stundenliturgie des Breviers abgeleitet,
lassen Stundenbücher dieses Vorbild noch deutlich erkennen. Auch
ihre Rezitationen sollten mit der mitternächtlichen Matutin beginnen
und sich in dreistündigem Rhythmus über Laudes, Prim, Terz, Sext,
Non, Vesper und Komplet erstrecken.
Im Regelfall bestehen Stundenbücher dabei aus einem Kalenderteil,
Textsequenzen der Evangelien, zwei Mariengebeten, einem Marienoffizium, den Stundengebeten des Kreuzes und des Heiligen Geistes, den
Bußpsalmen, der Litanei, einem Totenoffizium sowie abschließenden
Fürbittgebeten zu den Heiligen. Obgleich diese Grundstruktur noch
ergänzt oder in ihrer Abfolge leicht verändert werden konnte, präsentieren sich Stundenbücher also inhaltlich stark normiert. Gerade deshalb
fällt an ihnen aber auch jegliche Abweichung auf – und vermag somit
höchst interessante Details über die Herkunft des Werkes und seines
ursprünglichen Besitzers zu verraten.
Auch das hier vorliegende Stundenbuch folgt weitgehend dem üblichen
Typus, besitzt jedoch aufschlußreiche Besonderheiten: Die im Kalender
golden hervorgehobenen Heiligenfeste zeigen, daß die Handschrift für
einen Gebrauch in Rouen bestimmt war, das ein Zentrum der Buchmalerei im 15. Jahrhundert war. Besonders betont werden etwa Romanus
(17. Juni) und Martialis (3. Juli) als Patrone der Stadt und auch das
Translationsfest der heiligen Anna wurde allein in Rouen am 30. Januar
begangen.
Die Feier der Visitatio (lat.: Heimsuchung Mariä), seit 1475 fester
Bestandteil des kirchlichen Festkalenders, ist hingegen noch nicht
vermerkt – das Stundenbuch muß also bereits vor diesem Zeitpunkt
vollendet worden sein.
Konzipiert wurde die Handschrift für einen Mann, denn die Mariengebete Obsecro te und O intemerata verwenden männliche Deklinationsformen. Die prominente Stellung, die dem heiligen Sebastian in den
Fürbittgebeten des Stundenbuchs eingeräumt wird, könnte auf eine
besondere Bedeutung dieses Heiligen als Namens- oder Schutzpatron
des ursprünglichen Auftraggebers hinweisen.
Insgesamt 13 großformatige Illuminationen leiten die jeweiligen
Textsequenzen des Stundenbuchs ein und bieten dem Betrachter
Orientierungs-, Interpretations- und Erinnerungshilfe.
Daß es sich bei dem Stundenbuch tatsächlich um ein wahres Luxusobjekt handelte, demonstrierte bereits sein verschwenderischer Umgang
mit dem kostspieligen Pergament: Kalender, Text und auch Miniaturen
besitzen überbreite Ränder, neue Gebetssequenzen wurden
auch dann auf einer neuen Seite begonnen, wenn die vorherige Rückseite so gut wie leer geblieben war. Das eingerückte
Seitenlayout schützte die Miniaturen und Bordüren einerseits
vor Farbabrieb, andererseits trug diese Gestaltung aber auch
zum intimen Charakter der Handschrift bei und demonstrierte
das Understatement ihres Besitzers.
Die übrigen Miniaturen des Stundenbuchs sind vollständig vorhanden und von noch immer frischer Farbkraft. Ihre künstlerische Ausführung legt nahe, daß das Stundenbuch nicht nur für,
sondern auch in Rouen entstanden ist. Als englisches Bollwerk
war die Stadt während des Hundertjährigen Krieges zu einem
wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum avanciert und hatte
ihre Bedeutung auch nach endgültigem Abzug der Engländer
im Jahre 1449 aufrechterhalten können.
Grisebach 05|2014
Als zahlreiche Künstler Mitte des 15. Jahrhunderts das von
politischen Krisen weiterhin erschütterte Paris verließen,
wandten sich viele von ihnen dem florierenden Rouen zu,
darunter auch Buchmaler wie der Meister der Münchner
Legenda Aurea und der Meister der Échevinage von Rouen.
Insbesondere Letztgenannter, benannt nach dem Schöffenrat
der Stadt als seinem Hauptauftraggeber, konnte eine höchst
effiziente Werkstatt in Rouen etablieren, deren Stil bis weit
in die 1480er Jahre hinein immer wieder imitiert wurde und
die lokale Produktion illuminierter Stundenbücher maßgeblich
prägte. Auch die hier vorliegende Handschrift demonstriert
nicht nur in den Miniaturen, sondern auch der phantasievollen
Gestaltung ihrer mit Fabelwesen, Akanthusblättern, Tieren und
Blumen belebten Bordüren eine deutliche Auseinandersetzung
und Vertrautheit mit seinem Vorbild. (PR)
305
Wohl Böhmen,
Mähren oder Schlesien
Ein rätselhaftes Objekt ist dieses Einzelblatt, dessen Bestandteile –
allesamt aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen – zu
einem gänzlich neuen Kunstwerk zusammengesetzt wurden.
Bei der „Grundlage“ dieser Collage handelt es sich um einen einzelnen
Pergamentfolio, dessen schiere Größe im Mittelalter bereits größte
Kostbarkeit bedeutete. In schwarzer und roter Tinte sind auf beiden
Seiten die Notation und Textzeilen von zwei Mariengesängen festgehalten, welche zum Fest der Geburt Mariä am 8. September während
der nächtlichen Matutin angestimmt wurden. Die von einer prächtigen
H-Initiale eingeleitete Vorderseite intoniert zunächst: „Hodie nata est
beata virgo Maria ex progenie David per quam salus mundi credentibus
apparuit“.
Blatt aus einem Antiphonar.
Um 1470/1520
Handschrift auf Pergament,
auf Goldgrund illuminiert.
72 x 54 cm (28 ⅜ x 21 ¼ in.).
Historische Klebespuren.
[3519] Provenienz: Privatsammlung, New York /
Privatsammlung, Norddeutschland
€ 10.000 – 12.000
$ 13,700 – 16,400
Auf deren schlichter gestalteten Rückseite findet sich eine Antiphon
zu Psalm 23: „Ante thor(um) huius freq(ue)ntate nobis dulcia cantica
dramatis“ mit anschließendem Verweis auf den Wechselgesang vom
Anfang des Psalms: „Domini est terra“. Inhalt und Format der Gesänge
legen nahe, daß dieses Einzelblatt ursprünglich Bestandteil eines Antiphonars bildete, in dem die Gesänge und Responsorien des liturgischen
Stundengebets aufgezeichnet waren.
Die Schrift, eine humanistische Minuskel, wäre mit einer vermuteten
Entstehungszeit der Notenschrift im späten 15. Jahrhundert durchaus
vereinbar – die vorangestellte Initiale hingegen datiert vermutlich erst
in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. In zarten Rosa- und leuchtenden Blautönen gehaltene Blattranken auf goldenem Grund umrahmen
die bärtigen Gesichter zweier (an der Tonsur erkennbarer) Kleriker,
deren Darstellung eine gleichsam monastische Provenienz der Initiale
vermuten läßt.
Die höchst qualitätvolle Arbeit wurde – gemeinsam mit der passenden
Bordüre – zu einem ungeklärten Zeitpunkt aus ihrem ursprünglichen
Malgrund ausgeschnitten und als maßstäblich passende Ergänzung auf
die ältere Folioseite des Antiphonars aufgeklebt.
Die Gestaltung der Gesichtszüge sowie die Farbpalette der Blattranken
könnten auf eine Provenienz aus Schlesien hindeuten, während die
Traubenmotive Ähnlichkeiten zu früheren Werken Prager Buchmalerei
aufweisen. Doch ohne weitere Informationen zum ursprünglichen
Zusammenhang müssen die Datierung und Herkunft der Malerei
vermutlich fraglich bleiben – ganz im Gegensatz zur Schönheit ihrer
Ausführung. (PR)
Grisebach 05|2014
Im Lauf des 3. Jahrhunderts entwickelte sich
die Kaiserbildnissen
bärtigen Gesichter
zweiereine
Kleriker
...
bei...den
generell
Tendenz
zur Abstrahierung und Idealisierung ...
306
Italien,
wohl Brescia
„L’armata“ war der Beiname des lombardischen Brescia, aus dem
unsere Sturmhaube stammen dürfte. Die Stadt, Teil der Republik
Venedig, war wegen ihres Reichtums von dauernden Übergriffen der
Franzosen betroffen. Besonders im 16. Jahrhundert wurde sie ein
Zentrum der europäischen Waffenschmieden.
Die Produktion von besonders leichten Stahlwaffen nach der Erfindung
des Venezianers Vittore Camelio um 1500 machten die kriegerischen
Erzeugnisse aus Brescia begehrt. Die Plattner der Stadt lieferten ihre
Armaturen nach ganz Europa.
Offene Sturmhaube
eines Offiziers des Fußvolkes.
Um 1570
Blankes Eisen, geschwärzt;
Messingnieten; Lederreste (Helmglocke,
Kamm, Sonnen- und Nackenschirm in
einem Stück geschmiedet, angehängte
Wangenklappen).
30 x 31 cm (11 ¾ x 12 ¼ in.).
Alte Ausbesserungen, Messinglötung.
[3498]
Provenienz: Privatsammlung,
Norddeutschland
€ 6.000 – 8.000
$ 8,220 – 10,960
Vergleichsliteratur: Wendelin Boeheim:
Handbuch der Waffenkunde:
Das Waffenwesen in seiner historischen
Entwicklung, Leipzig 1890 /
Ludwig Beck: Die Geschichte des Eisens,
Bd. 2, Braunschweig 1895 /
Lionello Boccia: L’arte dell’armatura
in Italia, Mailand 1967
Grisebach 05|2014
Der Typus der Sturmhaube (auch Bourguignotte) war eine Neuheit. In
der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verdrängte sie den schweren
Topfhelm, der es seinem Träger kaum ermöglichte, zu sehen und sich
zu bewegen. Da die Schlachten der Zeit immer mehr durch Formationskämpfe und zunehmenden Pulverdampf geprägt waren, konnte
sich die nach vorn offene und durch den verbesserten Stahl nun
leichtere Sturmhaube schnell durchsetzen.
Anfänglich nur als Kopfbedeckung der Fußsöldner, bald aber auch von
Befehlshabern der Landsknechttruppe getragen, hatten sich Offene
Sturmhauben bereits um 1560 in allen Heeren durchgesetzt.
Die Helme dieser Zeit bestehen aus der in einem Stück geschmiedeten
Glocke mit Sonnen- und Nackenschirm. Besonders die italienischen
Sturmhauben unterscheiden sich von den deutschen durch die geschweiftere Form und erscheinen so den antiken Helmen der Römer
ähnlich. Ihr Kamm, der im Laufe der Entwicklung „allmählich übertrieben
hoch“ (Boeheim 1890, S.47) wurde, war im Nacken mit der Hülse für
eine Feder geschmückt.
Auch die angehängten Wangenklappen zum Schutz der Ohren waren,
wie die ganze Haube, mit Ätzungen geschmückt: „Sie erscheinen
daselbst als Gegenstände des Luxus in phantasievoller Darstellung und
reichster Ausstattung in Treibarbeit, Tausia und Vergoldung“ (Boeheim
1890, S. 48).
Unsere Sturmhaube aus Brescia ist hier schlichter: Sonnen-, Nackenschirm und Wangenklappen sind von einem schwarz-weiß geätzten
Streifen gesäumt. Die durchbohrten Gehörrosen der Wangenklappen
sind ebenso floral umätzt. Von hier ranken große Akanthusblätter über
die Helmglocke zum Kamm, der von einer breiten Borte mit Blättern
und Blüten über schwarzgepunktetem Grund verziert ist. Dieses relativ
reiche Dekor weist den Träger unserer Sturmhaube in einen höheren
Offiziersrang der Infanterie. (SK)
„Sie erscheinen daselbst als
Gegenstände des Luxus in
phantasievoller Darstellung.“
307
Holland oder Flandern
Die Kunst des Rahmenbaus war über die Jahrhunderte ebenso wie alle
Kunstgeschichte geprägt von einer sich stets wandelnden Geschmacksund Formenvielfalt. Die besondere Form des sogenannten Flammleistenrahmens war eine vor allem in Holland, Flandern und im süddeutschen Raum gebräuchliche Variante.
Die Flammleiste, auch Wellenband genannt, trat als Ornamentform
zuerst in der Möbelkunst der Spätrenaissance und dann vor allem des
Barocks in Erscheinung. Dort fand sie meist als Einfassungsleiste von
Füllungen an den Türen von Kabinettschränken Verwendung.
Ein Paar Flammleistenrahmen.
Um 1640
Ebonisiertes und vergoldetes Holz, mit
verschiedenen Wellen- und Flammleisten.
Je 130 x 111,5 cm
(each 51 ⅛ x 43 ⅞ in.).
Holzoberfläche später überfaßt,
Spiegel wohl 19. Jahrhundert,
Goldkantenleisten später. [3044] Provenienz: 1970er Jahre Kunsthandel,
London / Privatsammlung, Berlin
€ 25.000 – 30.000
$ 34,200 – 41,100
Ihren Ursprung hat die Flammleiste wohl in Nürnberg. Joachim von
Sandrart berichtet, daß der dort ansässige Tischler Hans Schwanhart
(gest. 1612) das geflammte Hobeln erfunden habe, das dann von dessen Schwiegersohn Jakob Hepner (gest. 1645) übernommen wurde.
Das Anfertigen von Flammleisten mit der charakteristischen feinen
Struktur zahlreicher wellenförmig, eng nebeneinander verlaufender
Linien erforderte große handwerkliche Präzision und war mit einem
hohen Zeitaufwand verbunden. Typisch für diese Form des Kabinettrahmens ist das dunkel gefaßte, ebonisierte Holz. Üblicherweise
wurden entweder Eiche oder Obsthölzer verwendet, die dann schwarz
oder schwarzbraun gefaßt wurden, um den Eindruck kostbaren Ebenholzes hervorzurufen.
Unser Rahmenpaar ist von besonders opulentem Charakter. Beide
Rahmen sind in identischer Weise aufgebaut. In mehreren Ebenen
setzen sich die vielen unterschiedlich gemusterten Flammleisten, nach
innen hin aufsteigend, zu einem sehr breiten, aufwendig gegliederten
Rahmenprofil zusammen. Das reiche Dekor verrät eine barocke Freude
an prächtigem Zierat und eine Empfänglichkeit für die sinnlichen Reize
extravagant gestalteter Oberflächen.
Die monumentalen Leisten beanspruchen – im Gegensatz etwa zu
schmalen, schlichten Rahmen – durchaus Geltung als eigenständiges
dekoratives Element mit repräsentativem Anspruch. Als solches waren
sie wirkungsvoller Bestandteil einer gehobenen Wohnkultur, wie sie
sich etwa in den Stadtpalästen wohlhabender Patrizier zeigte.
Ob die Rahmen ursprünglich dazu gedacht waren, Gemälde in sich
aufzunehmen – denkbar wären beispielsweise repräsentative Porträts
oder üppige Stillleben – oder ob sie von Beginn an als Einfassungen
von Spiegeln dienten, läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen.
(KB)
Grisebach 05|2014
Mo mi, ut amus rae. Cipsa ipitature
laboruntur recabo. Ecae nonsequi.
308
Jacob Auer
Heimingberg 1645 – 1706 Grins
Der schwedische Bildhauer und Architekt Nicodemus Tessin d. J.
(1654–1728) hatte auf seiner Reise durch Europa vieles gesehen, war
in Rom bei Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) in der Lehre. Und doch
kam er 1688 bei einer Elfenbeinskulptur ins Schwärmen: Das Werk
seines Zeitgenossen Jacob Auer begeisterte ihn, da dessen „Apoll und
Daphne“ (heute KHM Wien) „so fleissig mit allen blättern in elffenbein
aussgearbeitet, alss ich mein tage wass gesehen habe“ (aus: Travel
Notes 1687-88 (2002), S.408).
Maria mit Kind und dem
Johannesknaben in einem Hausaltar.
Nach 1691
Elfenbein, geschnitzt, gebohrt, gefeilt. Hintergrund farbig lasiert; Holz, geschnitzt, gefaßt,
vergoldet. Relief: 14,2 x 7,4 cm /
Altar: 33,5 x 24 x 10 cm (5 ⅝ x 2 ⅞ in. /
frame: 13 ¼ x 9 ½ x 3 ⅞ in.). Minimale
Elfenbeinfehlstelle am Ansatz des linken Astes,
ganz am Rand (3 mm). [3082]
Provenienz: Vor 1983 wohl schwäbischer
Adelsbesitz / 1983 Kunsthandlung Metz de
Benito, München (als Magnus Berg) /
Seit 1983 Privatsammlung, München /
Privatsammlung, Deutschland
Ausstellung: 1991–2012 als Leihgabe im
Diözesanmuseum, Freising
Literatur und Abbildung: Weltkunst, Jg. 53
(1983), Nr. 4, S. 321, 339 (als Magnus Berg) /
Christian Theuerkauff: Jacob Auer - „Bildhauer
in Grins“; in: Pantheon, Jg. 41 (1983),
Nr. 3, S. 194–208, S. 204 / Christian
Theuerkauff: Elfenbein. Sammlung Rainer
Winkler, Bd. II, München 1994, S. 23ff. /
Engel. Mittler zwischen Himmel und Erde,
Ausst.-Kat., Freising 2010, S. 428, Kat.-Nr. 37
€ 200.000 – 300.000
$ 274,000 – 411,000
Vergleichsobjekt: Variante im Bayerischen
Nationalmuseum, München (Inv.-Nr. R 4519)
Wir danken Christian Theuerkauff, Berlin,
für die Bestätigung der Zuschreibung.
Grisebach 05|2014
Auer war also schon zu Lebzeiten ge- und berühmt für seine waghalsig
fragilen Stege, die er aus dem Elfenbein an der Grenze der materiellen Machbarkeit herausschnitt, -bohrte und -feilte. Auch bei unserem
Relief mit „Maria und dem schlafenden Kind“ legte er größte Sorgfalt
auf die Efeu-, Blatt- und Weinranken, welche die fliegenden Engel über
der kontemplativen Szene ausbreiten.
Zeitlebens wirkte Jacob Auer im erbländischen Tirol, wo er seit 1673
eine Bildhauerwerkstatt für Groß- und Kleinplastik führte. Während
seine Sandstein-, Holz- und Marmorskulpturen meist für oberösterreichische Stifte, wie St. Florian und die Benediktinerstifte Lambach und
Kremsmünster, entstanden, gelangten seine fragilen Elfenbeinarbeiten
in die bedeutendsten fürstlichen Sammlungen der Zeit, so in Düsseldorf,
München und Wien.
Die Kaiserstadt war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter
Kaiser Leopold I. Zentrum der europäischen Elfenbeinkunst, da den
Souverän eine besondere Affinität zum Material verband. Hier dürfte
Auer auch mit seinen Kollegen, den Hofelfenbeinschnitzern Matthias
Rauchmillers (1645–1686) und Matthias Steinl (1643/44–1727),
zusammengekommen sein. Die vielbewegte und feingebohrte Gruppe
„Apoll und Daphne“ der kaiserlichen Kunstkammer war schon damals
vielgerühmtes Virtuosenstück des Tiroler Meisters.
Neben diesem mythologischen Thema gestaltete Auer eine Zahl von
kleinplastischen „Andachtsbildern“ mit biblischen Szenen. Meist
war das Format dieser Tafeln mit halbrundem oder rechtwinkeligem
Abschluß 14 x 8 Zentimeter, wie bei den Reliefs „Der Sündenfall“
(Schloßmuseum Weimar), „Heiliger Sebastian“ (Museum für Kunst und
Gewerbe Hamburg) und „Maria mit dem Kind und Johannesknaben“
(Bayerisches Nationalmuseum München). Letzteres ist eine Variante zu
unserem Relief und zeigt die gleiche Szene in ähnlicher Gestaltung.
In beiden Tafeln wandert der durch geschickte Komposition gelenkte
Blick des Betrachters von links oben schräg nach unten: Aus dem
Halbrundabschluß mit den Putten und dem für Auer so charakteristisch feinen Laub- und Astwerk des Baumes wird der Blick auf Maria,
die das schlafende Kind im Schoß trägt, geleitet. Von diesem Bildmittelpunkt führt die Komposition zum darunter knienden Johannesknaben,
der Christus sanft die Hand küßt. Kunstvoll ist der hauchdünne
Kreuzstab in Johannes’ linker Hand gearbeitet, dessen Siegesfahne
die Losung „ECCE AGNUS DEI“ (Dies ist das Lamm Gottes) trägt und
kompositorisch am rechten Bildrand den Bogen zu dem darüber
schwebenden Geäst wieder schließt. Eher narrativ ist die Darstellung des Lammes, das als Christussymbol direkt unter dem
Gefolgschaft versprechenden Kuß die Szene beobachtet.
Deutlich wird in unserem Relief vor blau-grau laviertem
Hintergrund Auers Formensprache: Sie ist „von einer Neigung
zu erstarrter Pose, zur Schönlinigkeit im Figuralen und in der
Draperie“ geprägt, wie Christian Theuerkauff sie bezeichnet
(1983, S. 196). Auers Figuren wirken zumeist manieriert,
gelängt und oftmals wenig überzeugend anatomisch proportioniert, wie der ins Herkulische geratene Johannesknabe verrät.
Wichtiger erscheinen dem Meister das Spiel der Locken, die
weich modellierten Oberflächen, die sorgsam poliert sind,
und die Darstellung der schnitztechnischen Virtuosität in der
überbordenden Detailfülle des fein durchbohrten Geästs.
Jene Durchdringung von Narration der Szene, geschickter
Komposition und bildhauerischer Virtuosität in kostbarem
Material machten die kleinen Tafeln des Tiroler Meisters zu
den kostbarsten Sammlerstücken ihrer Zeit. Sie waren gelehrsame Konversationsobjekte in den späten Kunstkammern
der deutschen Lande. Die kleinformatigen Liebhaberstücke
galten als Medium herrschaftlichen Weltverständnisses, denn
sie zeigten die Kunst der Beherrschung der Natur durch
den Menschen, der die materiellen Gottesgaben durch seine
Fertigkeiten noch zu veredeln weiß.
Aber nicht nur in den Kunstkammersammlungen, sondern
auch als Bilder gerahmt fanden die Elfenbeintafeln des späten
17. Jahrhunderts in den Galerien ihrer Zeit Eingang. Dort hatten
sie den gleichen Stellenwert wie die Ölgemälde und hingen in
der untersten Reihe, um genaues Betrachten zu ermöglichen.
So befand sich in der Düsseldorfer Galerie von Kurfürst
Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg (1658–1717) neben
24 weiteren Elfenbeinreliefs auch die erwähnte Variante unserer
Auer-Szene mit „Maria und dem Kind“.
Wo sich unser Elfenbeintäfelchen von Jacob Auer nach seiner
Entstehung um 1700 befand, ist unklar. Sicher ist jedoch, daß
solch kostbares Kunstwerk in einer bedeutenden fürstlichen
oder geistlichen Sammlung gewesen sein muß. Und die
Wertschätzung dieser Bildwerke dauerte trotz wandelnder
Moden das ganze 18. Jahrhundert über an, wie das berühmte
Auer-Täfelchen im Besitz der Madame Pompadour (heute Louvre)
und die Neurahmung unserer Tafel zeigen. Diese folgt dem
frühklassizistischen Geschmack der Zeit um 1770, schützte
das Elfenbeinrelief durch eine Glasscheibe und wertete dieses
durch seine Form als Hausaltar liturgisch auf.
Rein stilistisch weist der Hausaltar mit seinen Festons und
Putten Parallelen zur gleichzeitigen Umgestaltung des reichen
Benediktinerklosters im schwäbischen Wiblingen auf, das zu
den österreichischen Vorlanden gehörte. Ab 1778 wurden Kloster und Kirche im „grichischen Geschmack“ (1780 in einem Brief
so bezeichnet) umgestaltet. Schnitzer und Vergolder schufen
in klaren antikisierenden Formen eine Gestaltung in reduzierter
Farbigkeit der Vergoldungen, mit Lorbeergirlanden, Urnen,
Eierstableisten und gerillten Rücklagen; wie wir sie auch an
unserem Hausaltar finden können.
Als „Bau- und Verzierungs-Direktor“ hierfür war der Maler
Januarius Zick (1730–1797) berufen worden, der selbstbewußt
und nachhaltig den Abt beeindruckt hatte. Der Zick-Kenner
Joseph Straßer meint, es sei bislang ein Geheimnis, wie die
Befähigung durch den Maler nachgewiesen wurde, der vermutlich sogar selbst den neuen, „antiquen Geschmack“ einforderte.
– Womöglich war es ein Probestück, wie unser Altar, der barockes Bild mit moderner Rahmung verbinden konnte, wie es
in Wiblingen auch beabsichtigt war. Auch die Formensprache
des in Wiblingen beteiligten Bildhauers Franz Joseph Christian
(1739–1798) läßt Parallelen zu den beiden Putten unseres
Hausaltars mit dem Auer-Relief vermuten. – Ähnlich spielerisch
gelängt und asymmetrisch-dynamisch sind dessen Figuren am
Hauptaltar (siehe Abbildung).
Jedoch haben sich zu wenig schriftliche Quellen über die
Wiblinger Kunstwerke in Abtswohnung oder Schatzkammer
erhalten, um diese stilistische Verortung des Altarrahmens
auch archivalisch zu erhärten, da das Kloster 1806 erst durch
die Bayern und dann die Württemberger säkularisiert und
geplündert wurde. Der bewegliche Kunstbesitz Wiblingens
wurde versteigert und in alle Winde gestreut und damit seiner
Geschichte beraubt. Auch die Provenienzgeschichte unseres
Elfenbeinreliefs im Hausaltar beginnt erst 1983, als es aus
wohl schwäbischem Adelsbesitz im Münchner Kunsthandel
auftauchte.
So bleibt allein die überragende Bildhauerarbeit des überkommenen Reliefs „Maria mit dem Kind“ des Elfenbeinvirtuosen
Jacob Auer, den man schon zu Lebzeiten einen „ornatissimus
et perartificiosus dominus“ (höchst ehrenwerter und kunstreicher Herr, 1682) nannte. (SK)
„... so fleissig mit allen blättern in elffenbein
aussgearbeitet, alss ich mein tage wass gesehen habe ...“
309 – 311
309
310
311
309 Smaragdkreuz.
Um 1680
Kolonialgold, 14 Smaragde / Futteral wohl
19. Jahrhundert. 7 x 3 cm (2 ¾ x 1 ⅛ in.). [3219]
Provenienz: Privatsammlung, Berlin
€ 4.000 – 6.000
$ 5,480 – 8,220
310 Anhänger mit Bergkristall.
Spätes 17. Jahrhundert
Bergkristall, Gold, Email a la porcelana.
3,5 x 4,5 x 2 cm (1 ⅜ x 1 ¾ x ¾ in.).
Provenienz: Privatsammlung,
Norddeutschland. [3794]
€ 3.000 – 5.000
$ 4,110 – 6,850
Vergleichsobjekt und -literatur: Priscilla E.
Muller: Jewels in Spain 1500–1800,
New York 2012, S. 104–147
311 Kreuzanhänger mit Perlen.
Um 1800
Gold, Saat- und Barockperlen.
6 x 4 cm (2 ⅜ x 1 ⅝ in.). Links unten
Saatperlenkranz fehlend. [3520] Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland
€ 3.000 – 5.000
$ 4,110 – 6,850
Grisebach 05|2014
Spanien
Gold, Perlen und Smaragde gehörten im 17. Jahrhundert zu den
kostbarsten Rohstoffen, welche die spanische Armada aus der Neuen
Welt in ihr Königreich brachte. Infolge der Luxusgesetze war es dem
spanischen Adel allerdings untersagt, diese Schätze opulent zur Schau
zu stellen. Trotz oder vielleicht sogar aufgrund dieser Einschränkung
wurde kein höfisches Fest ohne würdevolle Zierde gehalten. Die
Höflinge trugen hierbei häufig nicht mehr als die „joyas de pecho“, das
heißt kunstvoll verarbeitete Anhänger, die vom christlichen Glauben
des Trägers zeugten.
Besonders begehrt waren die luziden Smaragdkreuze, deren Kristalle
gleichzeitig die Modefarbe jener Zeit bildeten. Eine gerade entdeckte
Schneidtechnik erlaubte eine perfekte Einpassung der unterschiedlich
großen, nun viereckigen Steine in die feine Goldfassung. Unser Kreuz
ist zusätzlich von einem tropfenförmigen Stein und zwei diagonalen
Smaragden auf der Unterseite verziert.
Dieser schmuckvolle Anhang ist als Allusion auf den Berg Golgotha
zu lesen, auf dem einst Christi gekreuzigt wurde. Auf der oberen
Seite des Kreuzes bilden die Steine eine schmückende Schleifenform.
Die goldenen Lilien, welche die seitlichen Kreuzarme dekorieren,
bilden eine Hommage an Marie Louise d’Orléans (1662–1689), die
aus Frankreich stammende Ehefrau des spanischen Königs Carl II.
(1661–1700), in dessen Regierungszeit das Schmuckstück entstand.
Es ist demnach davon auszugehen, daß das Kreuz zu höfischen Anlässen getragen wurde.
Ebenso beliebt wie Edelsteinkreuze waren Anhänger, die religiöse Szenen
hinter konvex geformten Bergkristallen einfingen. Unser Exemplar
zeigt eine Monstranz, die, auf einem Altar stehend, von vier Säulen
umgeben wird. Die marmorartige Oberfläche der Säulenschäfte ist aus
Emaille a la porcelana – einer bevorzugten Emaille-Technik des spanischen Siglo de Oro – gebildet. Über die goldenen, fein gearbeiteten
Kapitelle zieht sich ein Baldachin.
Von der hochkarätigen Fertigung unseres Objekts zeugen zudem der
aus cloisonné (Zellenschmelz) gebildete Altar und die aus filigranem
Gold gefertigte Fassung des Steins. Bemerkenswert sind hierbei die
in die Filigrane eingearbeiteten emaillierten porcelana-Blumen. Neben
seiner Funktion als Anhänger konnte das Schmuckstück über ein
Seidenband an einen Rosenkranz gebunden werden.
Seit dem 17. Jahrhundert zählte Spanien zu den Triebkräften gegenreformatorischer Bestrebungen. Die besondere Bedeutung, welche die
römisch-katholische Kirche in Spanien besaß – und bis heute besitzt –,
zeigt sich vor allem in der traditionellen Schmuckkunst, die wiederholt
christliche Symbole wie die Darstellung des Kreuzes aufnimmt.
Auf unserem Exemplar werden die Kreuzarme von 144 sog. Saatperlen
verziert, die kleine, auf goldenen Knospenbetten ruhende Blüten
bilden. Derartige Perlkreuze waren um 1800 vor allem in der Region
Salamanca entstanden. In ihrer Funktion als Anhänger und Broschen
erfreuten sie sich als Tauf- und Hochzeitsgeschenke großer Beliebtheit.
(JaK)
311
„Te sol desiro,
D’amor sospiro,
Primo fior della vita!?“
310
309
Höflinge trugen die „joyas de pecho“,
das heißt kunstvoll verarbeitete
Anhänger, die vom christlichen
Glauben des Trägers zeugten.
312
Manufaktur Jan-Frans
van den Hecke, Brüssel
nachweisbar 1662 – 1700
„Und während sie sprach, hauchte sie Frühlingsrosen aus ihrem Munde:
Chloris war ich, die ich (jetzt) Flora genannt werde“ – so wurde nach
Ovid die Nymphe zur Göttin und es begann der Frühling, der, vom
warmen Westwind Zephyr gestreichelt, die farbenprächtigste Saison
im Jahreskreis ist.
Unsere flämische Tapisserie gibt dieses freudige Ereignis in bis heute
erhaltener Farbbrillanz wieder und ist Teil einer Jahreszeiten-Serie, die
um 1700 in Brüssel entstand. Damals war die barocke Bildwirkerei auf
dem Gipfel der Kunstfertigkeit und ihrer Bedeutung als Luxusgut.
Tapisserie mit der Allegorie des Frühlings
nach Lodewijk van Schoor (Antwerpen, um
1645 – 1726).
Um 1700
Wolle und Seide gewirkt.
320 x 460 cm (126 x 181 ⅛ in.).
2014 gereinigt von De Wit. Royal
Manufacturers of Tapestry, Mecheln. [3276] Provenienz: Ehemals Privatsammlung,
Österreich / Seit den 1950er Jahren
Privatsammlung, Schweiz
Literatur und Abbildung: Verkaufskatalog des
Nachfolgers von Jan-Frans, Pieter van den
Hecke (gest. 1752), nennt sechs Tapisserien
(vier Jahreszeiten, zwei Elemente)
€ 35.000 – 50.000
$ 47,900 – 68,500
Vergleichsliteratur: Alphonse Wauters: Les
Tapisseries Bruxelloises. Essai historique sur
les tapisseries et les tapissiers de haute et de
basse-lice de Bruxelles, Brüssel 1878
Vergleichsobjekte: Auktionskatalog: Christie’s,
London, 13. November 2005, „Frühling“,
Los 187 / „Herbst“ im Metropolitan Museum,
New York, Inv.-Nr. 15.121.8 / „Winter“ im
Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel,
Inv.-Nr. 8583 / vollständiger Satz im
Victoria and Albert Museum, London,
Inv.-Nr. T.162 bis 165-1931
Wir danken Dr. Ingrid De Meûtre, Conservateur
Tapisseries et Textiles, Musées Royaux d’Art et
d’Histoire, Brüssel, für freundliche Hinweise.
Grisebach 05|2014
Denn als knapp 100 Jahre zuvor in Paris eine Manufaktur für Tapisserien
in der Rue de Gobelins entstand, konnte niemand ahnen, daß der
Name der Manufaktur Synonym für eines der wichtigsten Luxuserzeugnisse des Barock werden sollte. Doch schon 1667 wurde die GobelinManufaktur in königlichen Besitz übernommen, da ihre Produkte die
uneingeschränkte Souveränität und Überlegenheit des Herrschers
bewiesen.
Die auf immer größer und komplexer werdenden Webstühlen gefertigten
Bildwerke kamen den Gemälden nahe, übertrafen sie aber nicht selten
in Aufwand und Repräsentationswirkung. Denn zur Entstehung bedurfte
es nicht nur besonderer Materialien und technischer Raffinessen
der Bildwirkerei, sondern auch geschickter Künstler, die die Vorlagen
fertigten. Um diese sog. Cartons für die farbechte Wiedergabe in Textil
zu erstellen, beauftragten die Tapisserien-Manufakturen Künstler wie
Peter Paul Rubens (1577–1640).
Dieser schuf auch für die Brüsseler Manufaktur von Frans van den
Hecke (um 1630) gemalte 1:1-Vorlagen für Tapisserien. Unsere
unter dem Sohn van den Heckes, Jan-Frans, entstandene Szene mit
dunkelrot gewirktem Rahmen mit goldenem Ornament aus dichten
Akanthusblättern spielt damit auf diesen Wettstreit von Malerei und
Tapisseriekunst an.
Noch 1752 wurden im Verkaufskatalog der Manufaktur van den Hecke
die 6teilige Teppichserie der Vier Jahreszeiten und Elemente erwähnt.
Durch eine spätere Nennung ist überliefert, daß im zweiten Saal der
Geschäftsräume in Brüssel auch die Cartons ausgestellt waren (Wauters 1878, S. 355–356), die von Lodewijk van Schoor stammten.
Van Schoor war im 17. Jahrhundert einer der bekanntesten Zeichner
für Tapisserien-Cartons. Er orientierte seine Bilderfindungen an der
Landschaftsmalerei von Nicolas Poussin (1594–1665) und entwickelte
die flämische Tapisserie-Kunst weiter.
Und diese war über die Grenzen berühmt: so ist nachgewiesen, daß
König William III. von England (1650–1702), der Statthalter der Niederlande war, zwischen 1690 und 1700 von van den Hecke die Serie „De
Vier Tyden van het Jaer“ nach van Schoor bestellte. Als Geschenk für
den königlichen Freund und Botschafter Everard van Weede Dijkveld
(1626–1702) gelangte so dieses Brüsseler Luxusgut z.B. nach London.
(AE)
29
max. Klappenbreite 185 mm, Bild ist
etwas verkleinert
28
„De Vier Tyden
van het Jaer“
Grisebach 05|2014
313
Ein Frankfurter Juwelier (?)
„Ich bin ein Wunder=Werck, von Kunst und Fertigkeiten, das tausendfache Lust und Kurzweil schaffen kan“, hieß es 1721 auf einem Kalenderblatt des sächsischen Hofes, das einen tanzenden Zwerg abbildet, der
auf einem Bratenrost fiedelt.
Solch Burlesken dienten dem Divertissement des Hofes und waren
Modeerscheinung um 1700: Kostümiert zu Karneval, in Form der
grotesken Rüpelszenen bei Shakespeare, als reale Hofzwerge oder als
juwelen- und perlenbesetzte Juwelierplastik amüsierten die kleinen
Gestalten die höchste Gesellschaft.
Perlfigur „Fröhlicher Winzer“
oder Bacchus.
Um 1700
Bronze, feuervergoldet; Gold,
Email, Perlmutt, Barockperlen,
3- bis 4fach geschliffene Diamantsplitter,
Saphir. 5 cm (2 in.).
Email berieben, Verluste am Rücken
und vereinzelt am Gesicht. [3125]
Provenienz: Privatsammlung, Deutschland
€ 3.000 – 5.000
$ 4,110 – 6,850
Vergleichsobjekt: Rudolph Lepke’s
Kunst-Auctions-Haus,
Sammlung Hermann Emden, Hamburg.
Versteigerung am 3. bis 7. November
1908, Los 1140
Vergleichsliteratur: Dirk Syndram und
Ulrike Weinhold: „...und ein Leib von Perl“.
Die Sammlung der barocken Perlfiguren
im Grünen Gewölbe, München 2000,
S. 51, Nr. 20 / Halgard Kuhn: Guillaume
Verbecq, der Juwelier August des Starken,
und seine Beziehungen zu Frankfurt am
Main; in: Dresdener Kunstblätter,
Jg. 2000, Nr. 1, S. 138ff.
Grisebach 05|2014
Der Idee nach stammen die skurrilen Figuren von Jacques Callot
(1592–1635), dessen Stiche mit zwergenhaft-überzeichneten Physiognomien beliebt waren. So erreichten die Gobbi auch die Juweliere,
die hierfür die sogenannte Barock- oder Monsterperlen geschickt zu
verarbeiten wußten. – Diese unregelmäßig gewachsenen und sehr
großen Perlen waren rare Wunder der Natur und bildeten meist den
Leib dieser Juwelen- oder Perlfiguren.
In unserem Fall nutzte der Juwelier neben kleinen Perlen jedoch ein
großes Stück Perlmutter als Leib des sichtbar angetrunkenen Winzers.
Oder ist es gar Bacchus selbst, der hier auf einem Faß sitzt und Weinreben um das Haupt gewunden hat? Kostbar in Gold und Edelsteine
eingefaßt, lädt die Figur zur Betastung und Betrachtung ein. Sie ist
intimes Konversationsobjekt, das verblüfft und amüsiert, aber ansonsten
zweckfrei ist.
Mit dem kunstvollen farbigen Email von Gewand und Gesicht – den
Blick nach oben zum Betrachter – ist unsere Perlfigur heute seltenes
Beispiel der schöpferischen Kunstfertigkeit und Phantasie der spätbarocken Juweliere. Im 18. Jahrhundert noch in vielen Kunstkammern der
deutschen Höfe zu finden, wurden die Perlfiguren später als „Nippes“
aus dem Kanon der Kunstwerke verbannt, zerstört und die edlen Steine
anderweitig genutzt.
Allein die Sammlung August des Starken (1670 - 1733) im Grünen
Gewölbe blieb mit 57 Perlfiguren nahezu vollständig erhalten. Wer
diese Wunderwerke in Dresden schuf, ist bis heute meist unklar. Über
den Frankfurter Händler Guillaume Verbecq gelangten jedoch nachweislich einige Perlfiguren in die sächsische Sammlung, die exakte
Parallelen zu unserer Perlfigur zeigen: so das emaillierte Weinlaub der
Gruppe des Seeeinhorns (Inv.-Nr. VI 117) oder der ebenso betrunken
auf einem Faß sitzende „Fröhliche Winzer“ (Inv.-Nr. VI 100).
Diese raren Perlfiguren von Zwergen und burlesken Gestalten amüsieren
heute wie schon 1739, als es hieß, diese Juwelierarbeiten ermöglichen
„die Verbindung der Kunst mit der Natur ... zu bewundern; so daß man
fast nicht weiß, welches mehr aestimiren, die Natur, oder die Kunst“. (SK)
„Ich bin ein Wunder=Werck,
von Kunst und Fertigkeiten,
das tausendfache Lust und
Kurzweil schaffen kan ...“
314
Porzellanmanufaktur
Meißen
Um Meißener Porzellantabatièren riß sich im 18. Jahrhundert ganz
Europa, denn sie waren besondere Kostbarkeiten. – Sie sind es bis
heute geblieben und legen beredtes Zeugnis von den Sitten und Gebräuchen eines galanten Zeitalters ab: aus exotischen Ländern nach
Europa eingeführte Luxusgüter wie Kaffee, Tee, Kakao und Tabak waren
begehrt. Ihr Konsum wurde gerade in der gehobenen Gesellschaft mit
ihrer verfeinerten Geschmackskultur zu einem wahren Modephänomen.
So frönte man u. a. dem Genuß des Tabakschnupfens, und die prosperierende Luxuswarenindustrie lieferte dazu die notwendigen Utensilien.
Tabatière mit fünf Kauffahrtei-Szenen
von Johann George Heintze
(geb. um 1706/07).
Um 1735
Porzellan, staffiert;
vergoldete Silbermontierung.
5 x 6,9 x 4,5 cm (2 x 2 ¾ x 1 ¾ in.).
Am Boden (innen): unterglasurblaue
Schwertermarke. Vergoldung leicht
berieben. [3219]
Provenienz: Seit 1948 Privatsammlung,
Berlin
€ 4.000 – 6.000
$ 5,480 – 8,220
Vergleichsobjekte und -literatur: Christian
Jakobsen / Ulrich Pietsch: Frühes Meissener
Porzellan. Kostbarkeiten aus deutschen
Privatsammlungen, München 1997,
Kat.-Nr. 65, S. 101 / Röbbig München
(Hrsg.): Meissener Tabatieren des
18. Jahrhunderts, München 2013,
Kat.-Nr. 23, S. 155
Der Wert einer Tabatière bemaß sich nach der Kunstfertigkeit ihres
Dekors und der Kostbarkeit der verwendeten Materialien. Neben
Edelsteinen erfreute sich das erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts in
Meißen unter August dem Starken (1670–1733) erfundene europäische
Porzellan großer Beliebtheit. Reichverzierte Tabatièren gehörten als
repräsentative Accessoires zur standesgemäßen Ausstattung und
fanden durchaus ganz praktische Verwendung. Darüber hinaus waren
die mit höchster Finesse und Kunstfertigkeit gearbeiteten Meisterwerke
en miniature begehrte Sammelobjekte gerade in königlichen und
fürstlichen Kollektionen.
Unsere Tabatière zeigt mit ihrer ovalen Grundform und der ausgebauchten Wandung eines der frühesten und nachhaltigsten Modelle
der Manufaktur, sie darf wohl als Meißener „Tabatière par excellence“
gelten. Hierfür war die Zusammenarbeit verschiedener hochspezialisierter Kunsthandwerker nötig: Modelleure und Bildhauer gaben dem
Porzellan seine Form, Goldschmiede fertigten die paßgenauen Montierungen und Miniatur- und Porzellanmaler versahen den strahlend
weißen Grund mit einem farbigen Dekor. In unserem Fall war es wohl
der berühmte Johann George Heintze.
Seine minutiöse Dekormalerei zeigt fünf sogenannte Kauffahrteiszenen
– pittoreske Hafenansichten mit Darstellungen orientaischer und
europäischer Kaufmannsleute beim Verladen ihrer Handelswaren.
Diese Szenen sind ein typisches Dekormotiv der Meißner Frühzeit und
wurden in unserem Beispiel gleich in fünf winzigen Darstellungen auf
Porzellan gebannt: An den Außenflächen sind die Szenen in Vierpaßkartuschen mit goldenen Laubwerkrahmen und unterlegtem Perlmuttlüster gefaßt.
Links und rechts des Bodenbildes, an den schmalen Außenseiten,
tragen zusätzlich zwei weitere Miniaturdarstellungen in Purpurcamaieu
zur äußerst reichen und meisterlich kleingliedrigen Verzierung der
Tabatière bei. – Diese war wegen dieser kunstvollen Micromalerei
jedoch so kostbar, daß nicht jeder sie sich leisten konnte. (KB)
Grisebach 05|2014
... sie darf wohl als Meißener
„Tabatière par excellence“ gelten.
315
316
315
316
Potsdamer Glashütte
Zechliner Glashütte
„Eacht und ehrlich von Geblüte treu und redlich von Gemüthe und ein
guter Saft von Reben Giebt ein recht vergnügtes Leben“ ist auf unserem
Deckelbecher eingraviert. Darunter befindet sich eine Genreszene
zweier um einen Tisch stehender Herren in Uniform, die sich gegenseitig
mit dem besagten „guten Saft von Reben“ in eleganten Glaspokalen
zuprosten.
Die Glasproduktion in Brandenburg erfuhr unter dem brandenburgischen
Kurfürsten und späterem preußischen König Friedrich I. (1657–1713)
einen enormen Aufschwung. Glas war ein Luxusgut, das auch besonderer Verfeinerungstechniken bedurfte. Künstler wie Gottfried Spiller
(1663–1728) veredelten die Gläser durch aufwendiges Schleifen zu
filigranen und einzigartigen Kunstwerken.
315 Deckelbecher mit Trankszene.
Um 1720
Farbloses Glas, tief- und hochgeschnitten,
teilweise vergoldet. 28,5 cm (11 ¼ in.). Gravur.
[3208]
€ 3.000 – 5.000
$ 4,110 – 6,850
Vergleichsobjekt: Brigitte Klesse: Glassammlung Helfried Krug, München 1965, Bd. II, S.
220f., Nr. 626, Abb. 626
316 Deckelpokal mit dem Bildnis
König Friedrich Wilhelms I. in Preußen und
Königsmonogrammen FWR und FR II.
Wohl 1740
Farbloses Glas, tiefgeschnitten, teilweise
vergoldet. 32,5 cm (12 ¾ in.). Vergoldung
minimal berieben. [3208]
€ 1.800 – 2.500
$ 2,470 – 3,420
Vergleichsobjekt: Robert Schmidt: Brandenburgische Gläser, Berlin 1914, Tafel 35, Nr. 5
(aus der Sammlung M. Schoeller, Berlin) /
Kunsthistorisches Museum, Schloß Ambras
(Sammlung Strasser)
Grisebach 05|2014
Der Berliner Hof fungierte hierbei als Hauptabnahmequelle. Das
änderte sich abrupt mit dem Thronwechsel; der neue König Friedrich
Wilhelm I. (1688–1740) sah keine besondere Notwendigkeit an kunstvoll
geschnittenen Luxusgläsern mehr, so daß sich die Glasproduktion
dringend aus Gründen des Eigenerhalts umstellen mußte.
Bestes Beispiel für die gekonnte Produktionsumstellung ist unser Becher.
Galten doch weiterhin die Größe und Verzierung des Objekts als deutliches Qualitätsmerkmal, so änderte sich nur das Dekor, um der neuen
Klientel das Luxusgut schmackhaft und verständlich zu machen. Der
zunehmend aufsteigende preußische Militäradel wurde als Abnehmergruppe erkannt und bedient. Statt allegorisch-mythologischer Darstellungen wurden nun Genre- und Militärszenen zunehmend beliebt, was
sich auch auf unserem Becher widerspiegelt.
In einzigartiger Weise berichtet wiederum der Deckelpokal mit dem
Portrait König Friedrich Wilhelms I., dessen besonderes Merkmal
in einem kleinen Detail liegt, von einer anderen Veränderung: dem
Regierungswechsel.
Aufwendig mit dem Portrait des sog. Soldatenkönigs geschliffen,
befinden sich auf seinem Deckel in Gold ausgeführte Trophäen sowie,
überraschend, beide Königsmonogramme: FWR – für Friedrich Wilhelm
I. – und FR II für seinen Nachfolger, Friedrich II. (1713–1786). – Das
Glas mit dem Portrait war wohl bereits hergestellt, als der Monarch
starb. Das Monogramm von Friedrich II. muß daher als Ergänzung vom
Künstler hinzugefügt worden sein, nachdem der neue Regent im Mai
1740 den Thron bestiegen hatte.
Beide Gläser stellen so nicht nur interessante und seltene Erzeugnisse
der brandenburgischen Gläserproduktion des frühen 18. Jahrhunderts
dar, denn obwohl die Regierungszeit des Soldatenkönigs als Durststrecke auf dem Gebiet der Luxuswarenherstellung gilt, können unsere
zerbrechlichen Zeugen als ein Gegenbeweis angeführt werden. Sie
berichten gleichfalls kulturhistorisch von den politischen, künstlerischen und wirtschaftsstrategischen Veränderungen der Ära Friedrich
Wilhelms I. von Preußen. (PG)
„Eacht und ehrlich von Geblüte
treu und redlich von Gemüthe
und ein guter Saft von Reben
Giebt ein recht vergnügtes Leben“
317
J.-D. Ramier de la Raudière
1712 – 1784 Aix-la-Chapelle
„Ramier war nicht ohne Gaben gebohren. Er war einer der tüchtigsten
Schönschreiber“, schrieb der deutsche Aufklärungs-Publizist Wilhelm
Ludwig Wekhrlin (1739–1792). Dessen eigenhändig kalligraphierte
Ode auf König Friedrich II. von Preußen, den „Archi-Héros“, belegt
dies anschaulich in exakt geschriebenen Versen. Sie entstand wohl
nach dem Siebenjährigen Kriege, in dem sich Preußen erfolgreich eine
Vormachtstellung unter den deutschen Landen und gegenüber dem
Kaiser erkämpft hatte. Friedrich schmückte von nun an das Epitheton
„der Große“.
Und so ruft der Autor und Schönschreiber des Bandes in Gedichtform
den olympischen Götterhimmel und weitere Heroen der Antike herbei,
um seine Wertschätzung für den König kundzugeben; und dies in dessen
bevorzugter Sprache, Französisch.
L’Archi-Héros. Admiré de tout l’Univers.
Dans la Personne Sacrée de Frederic
L’Immortel. Archi-Ode.
Mit persönlicher Widmung an
Prinz Ludwig Ernst von
Braunschweig-Wolfenbüttel (1718–1788).
1763
Federhandschrift auf Papier / zeitgenössischer roter Chagrinledereinband, goldgeprägt,
Goldschnitt. VI + 93 + 3 Seiten. 8°. Seite III
(Epistel): Serviteur D. de Ramier / Titelseite
(handschriftlich): Copie par l’Auteur. [3489]
Provenienz: Wohl Bibliothek Prinz Ludwig
Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel /
Privatsammlung, Norddeutschland
€ 3.000 – 5.000
$ 4,110 – 6,850
Vergleichsliteratur zu Ramier:
Wilhelm Ludwig Wekhrlin: Das graue
Ungeheuer, Jg. 1784, Bd. 3, S. 55ff.
Vergleichsobjekt: Exemplar aus der Bibliothek
von Königin Elisabeth Christine von Preußen,
Biblioteka Jagiellońska, Krakau, Sign. Ms.
GALL. Oct. 23 (ehem. Staatsbibliothek, Berlin)
Grisebach 05|2014
In Ramiers Vergleichen übertrifft Friedrich der Große eine Reihe
illustrer Charaktere: er sei ein größerer König als Agamemnon und
treffsicherer und gar gerechter in seinem Denken als Platon. Ereignisse
wie Schlachten und Personen werden poetisch überhöht, Fußnoten
des Autors entschlüsseln diese Chiffren.
In seiner Eloge lobt Ramier die humanistischen Qualitäten Friedrichs,
der 1740 seinen Briefwechsel mit Voltaire unter dem Titel „Anti-Machiavel“ veröffentlicht hatte. Der König artikulierte hierin sein aufgeklärtes
Profil und kritisierte die machtorientierte Regierungsstruktur Machiavellis scharf. Vor dem Hintergrund dieser humanistischen Debatte sind
auch Ramiers Lobpreisungen auf Friedrich II. zu sehen.
Der Widmung auf der Titelseite ist zu entnehmen, daß Ramier unserer
Ausgabe Prinz Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel zueignete
und damit sicherlich verehrte. – Der Prinz war Friedrichs Schwager, also
der Bruder der Königin, und seit 1751 Generalkapitän der Niederlande.
Als Vormund des minderjährigen Wilhelm V. von Oranien (1748–1806)
lenkte Ludwig Ernst seit 1759 die niederländischen Staatsgeschäfte.
Ob sich Ramier somit mit unserem Bändchen um eine Stelle, vielleicht
als Bibliothekar, bewarb, ist nicht klar. Jedenfalls wurde in Holland um
1760 seine Sammlung von Oden auf protestantische Herrscher „La
Lyre Protestante“ gedruckt.
Über die Rezeption von Ramiers Werk wie auch sein Leben ist wenig
bekannt. In Deutschland geboren, lebte der Freimaurer an deutschen
und französischen Höfen, war am sardischen Hof tätig. Friedrich II.
nennt ihn 1770 beiläufig einen Übersetzer und Autor. – Seine Oden
spiegeln das Gedankengut der Aufklärung, sein Leben endete in einer
empfindsamen Katastrophe: Demnach fiel Ramier im Laufe seines
Lebens der „Einbildung“ und „kleinen Glückshieben“ zum Opfer, was zu
seiner Verwahrlosung führte. Ganz in Werther-Manier erschoß sich der
„Unglückliche“. Man fand ihn mit einem Buch in der Hand. (CH)
„Ramier ... war einer
der tüchtigsten Schönschreiber ...“
318
Dieppe
Ein italienischer Künstler, ein englischer Verleger, ein nordfranzösischer
Elfenbeinschnitzer und ein nordamerikanisches Walroß: diese vier
internationalen Komponenten waren notwendig, um unsere beiden
Elfenbeinreliefs herzustellen.
Die Reliefs mit den Darstellungen der Elemente „Feuer“ und „Luft“
sind Erzeugnisse der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und wurden
in Dieppe in der Normandie gefertigt.
Zwei Allegoriereliefs „Feuer“ und „Wind“
nach den Elementendarstellungen
von Jacopo Amigoni (1675-1752).
Um 1770/80
Elfenbein vom Walroß,
geschnitzt /
Schaukästen: Holz, Messingeinlagen,
geschliffenes Glas, Samt.
29 x 25 cm; 30,5 x 26,5 cm
(11 ⅜ x 9 ⅞ in.; 12 x 10 ⅜ in.). [3375] Provenienz: Privatsammlung, Norddeutschland
€ 6.000 – 8.000
$ 8,220 – 10,960
Vergleichsobjekte: Mezzotintodrucke nach
Jacopo Amigoni: (aus: Vier Elemente) „Air“ und
„Fire“ im Britisch Museum, London,
Inv.-Nrn. 2010,7081.607, 2010,7081.606
Wir danken Pierre Ickowicz, Conservateur
en chef Château-Musée de Dieppe, für
freundliche Hinweise.
Die Hafenstadt war bereits seit dem Mittelalter Frankreichs Bezugsquelle für Elfenbein. Die wertvollen Elefantenstoßzähne wurden hier,
von Afrika kommend, umgeschlagen und in das Verarbeitungszentrum
Paris weiterversandt. Walroßzähne hingegen gelangten von der nordamerikanischen Ostküste nach Dieppe. Das Geschäft mit dem „weißen
Gold“ brachte Wohlstand.
Galt das Elfenbein seither als kostbares Material, das von den Königen
stets gesucht wurde, büßte es im 18. Jahrhundert seinen außergewöhnlichen Stellenwert ein. Nicht zuletzt die Erfindung des Porzellans,
des neuen „weißen Goldes“, machte das Elfenbein ersetzbar. Dieppe
reagierte auf den veränderten Markt; man behielt das traditionelle
Material bei und bediente sich moderner Themen und einer neuen
Käuferklientel.
Die Bilderfindung unserer Reliefs geht auf den gefeierten italienischen
Künstler Jacopo Amigoni zurück. Dieser, wohl aus Venedig stammend,
kam in London zu Ruhm. Hier entstand die Serie der vier Elemente,
die bei Thomas Burford, einem auf die beliebten Genredarstellungen
spezialisierten Verleger, publiziert wurden.
Die Kupferstiche mit den heiteren ländlichen Szenen erfreuten sich
lange währender Beliebtheit, bevor sie im vorrevolutionären Frankreich
zum Vorbild unserer Reliefs ausgewählt wurden.
Einem Scherenschnitt ähnlich, Weiß auf schwarzem Grund, wurden die
Walroßzahnplättchen zu einem Relief zusammengesetzt. Gekonnt hat
der Schnitzer die einzelnen Elemente in Form gesägt und ihre Oberfläche bearbeitet. Virtuos nutzte er die variierende Dünnwandigkeit
des Materials, um differenzierte Schatteneffekte zu erzielen. Effekte,
die Parallelen in keramischen Erzeugnissen von Wedgwood finden, die
damals mit ihren weißen Reliefs auf farbigen Gründen ganz Europa
begeisterten.
Auch unsere Reliefs in ihren Schaukästen erfreuten das aufkommende
Bürgertum, das Dieppe als neue Klientel ansprechen wollte. Sie machen
aber auch deutlich, wie international bereits die Kunstwelt des ausgehenden 18. Jahrhunderts operierte. (PG)
Grisebach 05|2014
Virtuos nutzte er die variierende
Dünnwandigkeit des Materials, um
differenzierte Schatteneffekte zu erzielen.
319
Caspar Bernhard Hardy
1726 – Köln – 1819
Eine 43strophige Ode dichtete 1799 der berühmte Kölner Kunstsammler
und Kunststifter Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824) auf den Bildhauer
und Wachsbossierer Caspar Bernhard Hardy. Der in Köln auch als
Domvikar tätige Hardy hatte sich um 1800 auf das Verfertigen von
lebensnahen Wachsreliefdarstellungen spezialisiert, zu denen auch
unsere überaus seltene Serie der Lebensalter der Frau gehört.
Die Verwendung von Wachs als künstlerisches Arbeitsmaterial ist bis
in die Antike nachweisbar. Mittelalterliche Votivbilder aus diesem
Material sind ebenso bekannt wie anatomische Modelle aus der
Renaissance oder die täuschend echten „Promi“-Darstellungen bei
Madame Tussauds. Das leicht zu verformende Wachs inspirierte die
Künstler.
Vier Lebensalter der Frau.
Um 1800
Wachs, bossiert; Glas; Spiegelglas /
zeitgenössischer Kastenrahmen, vergoldet
und bronziert. 21,5 x 17 x 7,3 cm
(8 ½ x 6 ¾ x 2 ⅞ in.). [3409]
Provenienz: Privatsammlung,
Süddeutschland
Literatur und Abbildung:
Auktionskatalog: Works of Art, Furniture
and Tapestries. New York, Christie’s,
11. Januar 1996, Los 83
€ 18.000 – 20.000
$ 24,700 – 27,400
Vergleichsliteratur und -serien:
Claudia McDaniel-Odendall: Die Wachsbossierungen des Caspar Bernhard Hardy,
Diss. Köln 1990 / Joanneum, Graz /
Keresztény Museum, Esztergom
Hardy, als Mensch der Aufklärung, zeigte ein starkes Interesse am Menschen selbst. Rund 90 Prozent seines wächsernen Œuvres bestehen
aus Genre- und Portraitdarstellungen. Die „Vier Lebensalter der Frau“
nehmen darin eine besondere Rolle ein. Heute sind die einzelnen „Kästen“ noch in einigen Sammlungen zu finden, die geschlossene Gruppe
ist absolut rar.
Hardy ergreift mit der Serie Stellung in der Diskussion über den natürlichen oder affektierten Menschen, wie die Künstler Daniel Chodowiecki
oder William Hogarth es vor ihm taten. – Die Reihe beginnt mit dem
Kindesalter. Das junge Mädchen ist mit seinem Hund spielend dargestellt. Es scheint zu überlegen, ob es seinen Biskuit selbst essen oder
mit seinem Spielkameraden teilen soll. Den Ausgang des Moments
der inneren Zerrissenheit zwischen Pflicht und Neigung überläßt der
Künstler dem Betrachter.
Anders beim zweiten Lebensalter – keine Entscheidung, sondern
ein Hinweis an die junge Frau, die sich vor dem Spiegel schmückt.
Die natürliche Schönheit wird hier thematisiert. Einfachheit und die
gepflückten Rosen als einziger Schmuck reichen der jungen Frau
vollkommen aus.
Die liebende Mutter, die, Rousseaus Forderung „Zurück zur Natur“
folgend, selber das Kind stillt und es nun liebevoll in den Schlaf wiegt,
führt hin zum letzten Lebensalter, dem der alten Frau.
In Würde gealtert, sitzt die Greisin und liest. Womöglich wird mit
dieser Darstellung auch der Bogen des dargestellten Lebenskreises
geschlagen, da die Großmutter so ihr Wissen liebevoll an die Enkelin
weitergeben kann.
Damit führt uns diese geschlossene Serie der „Vier Lebensalter der
Frau“ nicht nur den Geist des aufgeklärten Kölner Bürgertums vor
Augen, sondern verbildlicht gleichzeitig kunstvoll immerwährende
menschliche Werte. (PG)
Grisebach 05|2014
Als Mensch der Aufklärung zeigte er ein
starkes Interesse an Charakteren.
320
Graf Nikolaus Esterházy
1775 – Wien – 1851
321
Heinrich Friedrich Füger
Heilbronn 1751 – 1818 Wien
320
321
Der Sproß aus der wichtigsten ungarischen Magnatendynastie,
Graf Nikolaus Esterházy, war ein virtuoser Zeichner und schwerverliebt. Zur Erinnerung zeichnete der damals 23jährige sein Antlitz auf
eine Elfenbeintafel und eignete diese Miniatur seiner Braut MarieFrançoise Roisin zu. Sie sollte sein Bildnis bei sich führen, wenn sie
– in der ebenfalls dargestellten Kutsche – auf eine Reise ging, die von
geschichtlicher Bedeutung war.
320 Selbstbildnis mit Reisewagen.
1799
Silberstift auf Elfenbein / zeitgenössischer
Pappmachérahmen, bronziert; Messingrückplatte,
graviert; Glas. 6,1 x 8,5 cm (2 ⅜ x 3 ⅜ in. ).
Rückseite graviert (siehe Abbildung).
[3431] Gerahmt.
Provenienz: Sammlung der Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csávkár (Ungarn)
und Wien / Privatsammlung, USA /
Seit 1990 Privatsammlung, Wien
€ 6.000 – 8.000
$ 8,220 – 10,960
321 Gräfin Marie-Françoise Esterházy,
geborene de Baudry, Marquise Roisin
(1776–1845), als Hebe.
Um 1795
Aquarell auf Elfenbein / Messingrahmen, vergoldet;
Messingrückplatte, graviert; Glas. 7 x 5,5 cm
(2 ¾ x 2 ⅛ in.). Rückseite graviert (Siehe Abbildung); oben Sammlungsnummer eingeritzt: 165.
[3436] Gerahmt.
Provenienz: Sammlung der Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csávkár (Ungarn)
und Wien / Privatsammlung, Frankreich
€ 7.000 – 9.000
$ 9,590 – 12,330
Vergleichsobjekt: Portrait Nikolaus Esterházy;
in: Robert Keil: Nur wenigen ist es vergönnt das
Licht der Wahrheit zu sehen, Werkverzeichnis,
Wien 2009, Nr. 407
Wir danken Dr. Robert Keil, Verfasser des Werkverzeichnisses Füger, für die Bestätigung der
Zuschreibung.
Grisebach 05|2014
Die junge Braut reiste von Wien aus – im Hintergrund der Miniatur – im
Troß der einzig überlebenden Tochter König Louis XVI. von Frankreich,
Marie-Thérèse Charlotte, die im russischen Mitau einen Verwandten
heiraten würde. Bis Theresienstadt wollte Marie-Françoise ihre Tante
Gräfin Ludovica Chanelos, Oberhofdame der Madame Royale, auf diesem weiten Wege begleiten. Beide, Tante und seine Braut, stellte Graf
Nikolaus nun im Hintergrund seines Selbstportraits dar. Eine gravierte
Inschrift hielt das denkwürdige Ereignis fest und markierte den 4. Mai
als Datum der Abreise (siehe Katalog 323) zu dieser politisch arrangierten und glücklosen Hochzeit der Madame Royale.
Anders bei Esterházy und der Roisin, deren Ehe einen Monat später –
am 1. Juni – geschlossen und glücklich werden sollte. Heinrich Friedrich Füger portraitierte die zukünftige Braut damals als Hebe, also
Mundschenk der Götter. Selbstbewußt deutet Marie-Françoise auf den
Kelch in ihrer Hand und bewies: „Die Esterházy-Roisin, wie sie zum
Unterschiede der vielen anderen Gräfinnen ihres Namens stets genannt
wurde, war eine der schönsten und dabei ausgezeichnetesten Frauen
des österreichischen Hofes“ (Christian von Stramberg, 1867).
Während Esterházy in der Manier des Wiener Miniaturisten Vinzenz
Georg Kininger (1767–1851) meisterlich mit dem Silberstift und Ritzungen in das Elfenbein arbeitete, ist Fügers Stil mit der Kombination von
Punkten und Strichen ein ebenso zeichnender, nur eben mit dem Pinsel.
Um 1800 galt der Maler, „der in kleinen Porträten seinesgleichen
vielleicht Niemand hat“ (Joseph von Sperges, 1788), als berühmtester
Miniaturportraitist Wiens.
Beide Bildnisse der damals Frischverliebten verbindet aber auch die
rückseitige Gravur, die von identischer Hand ist und Dargestellte und
Daten überliefert. Einstmals müssen sich die Miniaturen im gräflichen
Esterházy-Familienschloß im ungarischen Csákvár befunden haben.
Irgendwann auseinandergerissen und nach Amerika bzw. Frankreich
verkauft, konnten diese intimen Erinnerungsstücke der Brautleute
Esterházy-Roisin und Zeugnisse der Kunst und Geschichte kurz vor
1800 nun für diesen Katalog wieder zusammenfinden. (SK)
322
Franziska Schöpfer
Mannheim 1763 – 1836 München
323
Johann Maria Monsorno
Verena di Fiamma (Ampezzo) 1768 – 1836 Wien
322
323
Miniaturen waren ab dem späten 18. Jahrhundert beliebte Konversations- und Erinnerungsobjekte und schmückten private Kassetten,
wurden an Ketten am Herzen getragen oder in kleinen Kabinetten
gesammelt. Zusammen mit den Bildnissen des Ehepaares EsterházyRoisin (siehe Katalog 320 und 321) und vielen anderen dürften sich
diese beiden Miniaturen einst in der Sammlung von Schloß Csákvár in
Nordungarn befunden haben.
322 Gräfin Antoinette Esterházy,
geborene Esterházy (1777–1843),
im Hochzeitskleid.
1801
Gouache auf Elfenbein / Messingrahmen, vergoldet;
Messingrückplatte, graviert; Glas. 11,6 x 7,3 cm
(4 ⅝ x 2 ⅞ in. ). Unten rechts signiert und datiert:
Schöpfer 1801. Rückseitig Ausfuhrstempel der
Sozialistischen Republik Ungarn. Rückseite graviert
(siehe Abbildung); oben rechts Sammlungsnummer
eingeritzt: 169. [3573] Gerahmt.
Provenienz: Sammlung der Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csávkár (Ungarn)
und Wien / Nach 1945 Privatsammlung,
Frankreich / 2014 Desarnaud Antiquaires, Paris
€ 12.000 – 14.000
$ 16,400 – 19,200
323 Marie-Thérèse Charlotte,
Madame Royale de France (1778–1851).
1796/99
Gouache auf Elfenbein / Messingrahmen, vergoldet;
Messingrückplatte, graviert; Glas. 11,1 x 8,9 cm
(4 ⅜ x 3 ½ in. ). Rückseite des Rahmens graviert
(siehe Abbildung). [3600] Gerahmt.
Provenienz: Wohl Sammlung Grafen EsterházyForchtensteiner Linie, Schloß Csákvár (Ungarn)
und Wien / 1975 Privatsammlung New York
Literatur und Abbildung: Auktionskatalog: Fine
English and Continental Miniatures, Christie’s,
Genf, 12. November 1975, Los 100 als
Heinrich Friedrich Füger
€ 18.000 – 22.000
$ 24,700 – 30,100
Grisebach 05|2014
Hausherr Graf Nikolaus Esterházy hatte das Schloß klassizistisch
umbauen lassen und verwahrte hier wohl auch unser Bildnis seiner
Schwester Antoinette als Braut. – Sie heiratete 1801 ihren Neffen
Johann Kasimir aus der Esterházy-Linie Altsohl (1774–1829), der Kammerherr Kaiser Franz II. in Wien war, wie die fein gravierte Rückseite
des Rahmens verrät.
Das Bildnis auf Elfenbein ist von Franziska Schöpfer ausgeführt: einer
Künstlerin, die am Münchner Hof zahlreiche Portraitaufträge wahrnahm und sogar Hofmalerin wurde. An der Mannheimer Akademie
ausgebildet, war die Schöpfer mit dem kurbayerischen Hof Carl Theodors (1724–1799) nach München gekommen, wo sie mit Bildnissen der
königlichen Familie reüssierte, was für eine Frau sehr ungewöhnlich war.
Einfühlsam stellte die Künstlerin die Braut mit Rosen im Haar, dem hochmodischen Empirekleid und einem bestickten Shawl in die Szenerie; den
frisch erworbenen Ring demonstrativ zum Betrachter gerichtet.
Ebenso demonstrativ prangt auf einem anderen Bild der ehemaligen
Esterházy-Miniaturen-Sammlung von Csákvár ein Standeszeichen:
die Lilie der Borbonen, der französischen Königsfamilie. Auf dem
thronähnlichen Sessel in königlichem Purpur hat die österreichische
Exilantin Marie-Thérèse von Frankreich Platz genommen.
Wie die gravierte Rückseite festhielt, hatte die Tochter der geköpften
französischen Königin Marie Antoinette am 9. Januar 1796 Wien
erreicht und hier bei ihrem Cousin Kaiser Franz II. Obdach gefunden.
Im gleichen Jahr malte sie Heinrich Friedrich Füger im Trauerkleid
(Eremitage, St. Petersburg), weswegen unser Bildnis noch 1975 als ein
Werk dieses größten Portraitisten Wiens versteigert wurde.
Prinzessin Marie-Thérèse war indes Spielball der Politik und wurde mit
einem Cousin verheiratet. Im Zusammenhang mit dieser Hochzeit, zu
der die Madame Royale am 4. Mai 1799 Wien verließ, wie rückwärtig
verzeichnet ist, entstand das Selbstbildnis des vormaligen Eigners.
Zu deren Wiener Kreis wiederum gehörte dessen Gattin, Gräfin Marie
Françoise Esterházy-Roisin, die Teil der großen Gruppe französischer
Emigranten war, die während der Französischen Revolution nach
Österreich geflohen waren. Hier arbeiteten sie an der Restaurierung
des Borbonenthrones und damit am Erhalt der adeligen Vormachtstellung in Europa, weswegen ein Bildnis der Madame Royale auch in der
gräflichen Esterházy-Sammlung nicht fehlen durfte. (SK)
324
Anton Graff
Winterthur 1736 – 1813 Dresden
Anton Graff schaut uns aus diesem Selbstbildnis mit einem sanften,
leicht ermatteten Blick an. Der Maler, der sicherlich bedeutendste
Portraitist seiner Zeit, ist mit einem graugrünen Rock mit Samtkragen,
einer gelb-ockerfarbenen Weste und einem weißen Hemd gekleidet.
Das Bild entstand 1806 und nimmt sich unter den etwa 80 Selbstportraits ob seiner Reduktion auf den Seelenblick aus.
Selbstportrait.
1806
Öl auf Obstbaumholz. 70 x 54,2 cm
(27 ½ x 21 ⅜ in.). Rückseitig: zwei Schweizer
Zollstempel. Klebezettel: Sächsischer
Kunstverein 1710. Mit blauer Kreide:
K 340. Ekhart Berckenhagen: Anton Graff.
Leben und Werk, Berlin 1967, Kat.-Nr. 535. Mit
einem Gutachten von Prof. Dr. Helmut BörschSupan, Berlin vom 22. März 2010.
Restaurierungen. [3097] Gerahmt.
Provenienz: Sammlung Alfred Bohny-Collin
(1852–1922), Basel / Im Besitz der Familie
von Fellenberg / Um 1920 Sammlung Edgar
Karl Wilhelm Tell von Müller (1877–1965),
Nachkommen der Familie von Fellenberg auf
Schloß Hofwil, Schweiz /
1965 Privatsammlung, Schweiz
Ausstellung: Katalog der Anton-GraffAusstellung, Winterthur 1901, Nr. 76 /
Die Deutsche Jahrhundertausstellung, Ausst.Kat., Berlin 1906, 2. Band, Nr. 629, S. 198,
Abb. 629, S. 199 (mit falschen Maßen) /
Katalog der Anton-Graff-Ausstellung,
Dresden 1913, Nr. 233
Literatur und Abbildung: Henry B. de Fischer:
Le portrait bernois à travers les siècles, Basel
1920, Bd. I., Abb. S. XVI
€ 25.000 – 30.000
$ 34,200 – 41,100
Vergleichsliteratur: Robert Eberhardt (Hrsg.):
Anton Graff. Porträts eines Porträtisten,
Berlin 2013.
Grisebach 05|2014
Der Künstler scheint in den Schaffensakt vertieft, sein Blick über die
Schulter gen Betrachter nur eine kurze Unterbrechung beim Zeichnen
zu sein. Die für die Bildkomposition wichtige grau grundierte Leinwand
im Hintergrund ist ebenso wie der auf den Knien gehaltene Zeichenblock leer. Graff zeigt sich am Anfang des Schaffensprozesses; die
Bildfindung als künstlerische Herausforderung ist noch nicht gemeistert. Sein Blick mag die Anstrengung, die leichte Erschöpfung trotz
beständigen Frohmutes bei der Arbeit andeuten. Auch des Künstlers
nachlassende Sehkraft – Graff nutzte in dieser Zeit bereits eine Lupe
zum Malen – könnte in dem müden Antlitz mitschwingen.
Graff portraitierte sich auf einer sorgfältig geglätteten Tafel, die aus
vier verleimten, senkrecht verlaufenden Obstholzbrettern besteht,
was nahezu einzigartig in seinem Œuvre seit der Übersiedlung nach
Dresden 1766, wo er sächsischer Hofmaler war, ist. Es könnte dieser
ungewöhnliche Bildträger gewesen sein, der die oft bei Graff zu beobachtende Runzelbildung im Inkarnat hier zusätzlich beförderte.
Unser spätes Selbstbild war berühmt und wurde um die Jahrhundertwende, als man das Werk Graffs in der Schweiz und Deutschland
wiederentdeckte, in wichtigen Ausstellungen gezeigt: So 1901 in der
Winterthurer Graff-Ausstellung, 1906 in der großen Berliner JahrhundertAusstellung und 1913 in der Dresdner Graff-Ausstellung. Ekhart
Berckenhagen verzeichnete es in seinem Werkverzeichnis von 1967
und beurteilt es noch als „wohl Replik“ eines anderen Werkes, das
heute verschollen ist. Unser Bild kannte Berckenhagen jedoch nur von
Abbildungen.
Ein 2010 von Helmut Börsch-Supan erstelltes Gutachten sieht das vorliegende, restaurierte Werk anhand der Pentimenti jedoch „eindeutig
als die frühere Fassung“.
Anton Graff schuf in seinem Œuvre repräsentative Prunkstücke für
adlige Auftraggeber, zeigte das Eigenste seines Stils aber vor allem
in den würdevollen Gesichtern bürgerlicher Portraits wie in seinen
Selbstbildnissen. Das vorliegende Eigenbild auf dem ungewöhnlichen
Bildträger überzeugt in seiner Zurücknahme und dem inszenierten
Moment der Bildentstehung. Man könnte glauben, der gealterte
Künstler vermöge nicht mehr das graublaue Zeichenpapier mit dem
Kreidehalter zu füllen. Doch welch meisterhafter Beweis im Spätwerk
ist das insofern zum Dargestellten paradox stehende Selbstbildnis von
1806. (RE)
Das Bild überzeugt in
seiner Zurücknahme und
dem inszenierten Moment
der Bildentstehung.
325
Graffs Palette
Anton Graff schenkte uns mit seiner Überzahl an Portraits das markante
wie einfühlsame Antlitz einer ganzen Epoche und seines politischen
wie geistigen Personals. Die vorliegende Palette diente dem Künstler
dabei als Unterlage seiner Pigmente und ist damit das zauberhafte
Stück Holz, auf dem sein Pinsel Farben aufnahm, um Augen-, Haarund Wangentöne der Klassiker auf die Leinwand zu bringen.
Der Palette gebührt gegenüber den Kunstwerken als handwerkliches
Hilfsmittel im Grunde keine Beachtung, doch ist sie dem Maler ein
treues Gegenüber gewesen, das für die Verfertigung seiner Bilder
seine glatte Holzfläche dienend hergab, ohne jemals selbst mehr zu
werden als ein Ding.
Palette des Malers Anton Graff
(1736–1813).
Um 1800
Mahagoni, Farbreste. 36,5 x 25 cm
(14 ⅜ x 9 ⅞ in.). Klebezettel mit Provenienzangaben: Eine Palette von dem berühmten
Bildnissmaler Prof. Anton Graff. geb. zu
Winterthur 1730, gest. zu Dre[sd]en 1813.
Dieselbe ging in die Hände des Sohnes über,
der Landscha[ft]smaler war. Aus dessen
Nachlasse erstant sie der Landschaftsmaler
Prof. Robert Kummer, welcher sie viele Ja[hre]
la[ng] in Gebrauch hatte. Er
schenkte mir diselbe auf meine Bitte am
30. Dez. 1881 für meine Sammlung. Günth.
Reibisch. [3020] Gerahmt.
Provenienz: Anton Graff (1736–1813) /
dessen Sohn, Carl Anton Graff (1774–1832) /
Robert Kummer (1810–1889) (wohl aus der
Nachlaßauktion des Künstlers 1832
in Dresden erworben) /
Günther Reibisch (1816–1899)
(1881 als Geschenk vom Vorgehenden) /
Privatsammlung, München
€ 1.500 – 2.500
$ 2,050 – 3,420
Vergleichsliteratur: Robert Eberhardt (Hrsg.):
Anton Graff. Porträts eines
Porträtisten, Berlin 2013
Grisebach 05|2014
Doch Graff selbst begriff wie viele Künstler vor ihm Leinwand, Pinsel
und Palette als Attribute seines Künstlerberufs und stellte diese die
handwerkliche Genese seiner Bilder andeutenden Gegenstände in
einigen Selbstportraits dar.
Bereits sein keckes frühes Selbstbildnis von 1756/58 (Kunstmuseum
Winterthur) zeigt ihn zwischen Staffelei und Arbeitstisch mit Palette
und Pinseln in der Hand. Auch auf dem Selbstportrait, das ihn als
sitzende Ganzfigur zeigt, hielt sich Graff mit Palette fest (1794/95,
Gemäldegalerie Alte Meister Dresden), ebenso auf seinem 1809
entstandenen Ganzfigurenbildnis, auf dem er das linke Knie auf einem
Polsterstuhl abstützt (Museum der bildenden Künste Leipzig) und auch
auf dem im Todesjahr 1813 entstandenen Selbstportrait mit Augenschirm (Alte Nationalgalerie Berlin), auf dem die Palette in schmaler
Seitenperspektive notiert ist.
Die zu Lebzeiten so inszenierte Palette wurde nach dem Tode Graffs
zum Erinnerungsstück und kam in den Besitz seines Sohnes, des
Landschaftsmalers Carl Anton Graff (1774–1832). Von diesem erwarb
sie der Landschaftsmaler Carl Robert Kummer (1810–1889), wohl in
der Nachlaßauktion des Graff-Sohnes in Dresden. Dieser gebrauchte
die Palette selbst und schenkte sie 1881 dem Bildnismaler Günther
Reibisch (1816–1899), der die genannte Provenienz auf einem auf die
Palette geklebten Zettel vermerkte.
Das einzigartige Objekt erinnert als Künstlerreliquie an vier sächsische
Maler, führt doch aber vor allem zurück in das Dresdener Atelier ihres
größten Eigentümers und Nutzers: Anton Graff. (RE)
Die Palette wurde nach dem
Tode Graffs zum Erinnerungsstück.
326
Paris
Der Neo-Ägyptische Stil des Empire, der das alte Ägypten der Ptolomäischen Dynastie (323 – 30 v. Chr.) zu erkunden suchte, kommt hier
in einer Pendeluhr zu seiner vollen Pracht. Die changierenden Effekte
einer teils durch Feuer-, teils durch Blattvergoldung erreichten Oberfläche demonstrieren die hohe Kunst der Bronzeure in Paris um 1800,
wo man der „Ägyptomanie“ verfallen war.
Bis heute fasziniert diese bewegte antike Periode des alten Nilreiches.
Unterschiedlichste Strömungen des Denkens, des künstlerischen Ausdrucks, der philosophischen Richtungen trafen während der Zeit der
letzten Pharaonen aufeinander. Das Ägypten der alten Dynastien wurde
aber auch von Invasoren unterworfen, von denen besonders Alexander
der Große starken Eindruck auf Napoleon, Konsul Frankreichs, machte,
ihn nachhaltig in seinem Großmachtstreben „inspirierte“.
Empire-Pendule mit
ägyptisierenden Figuren.
Um 1810
Bronze, feuervergoldet - matt und
hochglanz; Emailziffernblatt;
Glas, geschliffen.
54,5 x 23 x 15 cm
(21 ½ x 9 x 5 ⅞ in.).
Auf dem Ziffernblatt: à Paris. [3378]
Provenienz: Privatsammlung, München
€ 10.000 – 15.000
$ 13,700 – 20,500
Nach seiner zunächst erfolglosen Eroberung Ägyptens organisierte
Napoleon ab 1798 eine kulturelle Expedition, für die er insbesondere
Kunstexperten und Wissenschaftler entsandte, das Wüstenreich zu erkunden. Sofort drangen stetig neue Entdeckungen, Formen und Bilder
vom Nil an die Seine. Eine neue Vision der Welt verwandelte durch die
Architektur und das Kunstgewerbe die Umgebung vieler Franzosen, es
kam nicht nur in der Kunst zum sogenannten „retour d’Égypte“.
Aus dieser Begeisterung heraus erscheinen auch unsere Büstenhermen
mit Pharaonenköpfen an den Ecken des Bronzegehäuses der Pendule.
Neben den Füßen in Form von Löwentatzen sind so auch zwei Löwen
mit der dazwischen befindlichen Flammenvase bei dieser Uhr als
Ornamente mit eingezogen. Viele neue Motive wie etwa die applizierten
Schlangen und Greifen haben ihren entsprechenden Platz um das
Ziffernblatt eingenommen.
Dieser neue, schier unendliche ästhetische Formenvorrat fiel in der
Entstehungszeit unserer Empireuhr mit dem tiefen Wunsch einer gesellschaftlichen Erneuerung hin zu „der idealen Zivilisation“ zusammen.
Neben den plötzlich zum Leben erweckten Mysterien Ägyptens geriet
auch der gesamte alte Orient in den Fokus: So fruchtbar wie das
Wasser aus den zwei Amphoren der Figur am Uhrenaufsatz in die zu
ihren Füßen stehenden Kelche fließt, könnte es sich vielleicht um eine
Flußallegorie eines anderen orientalischen Sehnsuchtsortes handeln,
des Zweistromlandes (Mesopotamien), das um 1800 ebenso als kulturelles Entwicklungszentrum faszinierte.
Aus einer so lange wie die Menschheit währenden Sehnsucht nach
einer „schönen Gesellschaft“ heraus nutzte und kompilierte das
Empire also Motive, mit denen sich das gewandelte Staatswesen
Frankreichs auf kommende Aufgaben einschwor. (GvM)
Grisebach 05|2014
In Paris war man der
Ägyptomanie verfallen.
327
Porzellanmanufaktur Nast,
Paris
Diese Pendeluhr in Form einer Vase mit Widderkopfhenkeln der Manufacture Nast ließ staunen: Nicht umsonst war der Direktor der in der
Öffentlichkeit berühmteren Manufaktur in Sèvres aufgebracht über die
Tatsache, daß diese selbst noch keine Vasen dieser Größe ohne Hilfe
von Bronzemontierungen anfertigen konnte.
Nast hingegen hatte mit der fein abgestimmten Mischung der Goldbemalung und der strikten Ablehnung, zusätzliche Dekor- oder bronzene
Konstruktionselemente an das Porzellan anzubringen, Maßstäbe
gesetzt. Insbesondere der in sogenannter „or bruni à l’effet“ radierte
Dekor ist von höchster Qualität. Die reiche Vergoldung bereichert den
eigentlichen Reliefdekor – wenn er ihn nicht sogar übertrifft – und
spielt durch eine Kombination aus mattierenden und glänzenden Effekten
mit den Sehgewohnheiten, die wohl im ersten Blick eine massive
Bronzearbeit in der Uhr vermuteten.
Vasenuhr.
Um 1820
Porzellan, glanz und matt vergoldet;
Pariser Uhrwerk von Angevin mit
1/2 Stundenschlag.
51,2 x 35 cm (20 ⅛ x 13 ¾ in.).
Auf dem Ziffernblatt: Angevin à Paris.
Rechter Henkel mit Restaurierung. [3088]
Provenienz: Privatsammlung, Bayern
€ 10.000 – 12.000
$ 13,700 – 16,400
Vergleichsliteratur und -objekte:
Régine de Plinval de Guillebon, Faïence et
porcelaine de Paris, Dijon 1995, Abbildung
S. 362f. / Dernières acquisitions du département des Objets d’art du Louvre, Paris
1995, S. 262-264 / Indianapolis Museum
of Art, Indianapolis, Inv.-Nr. 1988.221
Doch Nast rühmte sich zu Recht damit, kein einziges Bronzeelement
zu benutzen, sondern diese nur in perfekter Manier eines „trompel’œuil“ zu imitieren. Selbst für die delikaten Palmettenhenkel griff Nast
nicht auf vergoldete Bronzen zurück. In seiner Begeisterung darüber
erwarb auch König Louis XVIII. (1755–1824) Henkelvasen der Firma
Nast, die bis dahin eigentlich kein offizieller Hoflieferant war, was den
erwähnten Sèvres-Direktor auf den Gipfel seiner Entrüstung brachte.
Paris war zur Entstehungszeit unserer Vasenuhr zweifelsohne ein
bedeutendes Zentrum für Keramiken, noch vor Sèvres. Auch wenn
die Anzahl und das Interesse der Manufakturen sowie der angeschlossenen Ateliers beeindruckend ist, so existierten strenggenommen
letztendlich nur eine Handvoll echter Manufakturen, von denen Nast
wegen des Talents und der Innovationen seiner Besitzer zu einer der
renommiertesten des 19. Jahrhunderts wurde.
Gegründet wurde sie um 1778 von einem Österreicher, Johann
Nepomuk Hermann Nast, weitergeführt durch seine Söhne. Der
Erfolg beruht unter anderem auch darauf, daß diese für den Dekor
auf goldenem Fond stets brillante Dekormaler wie die Darte Frères
(1801–1833) oder Jean-Pierre Feuillet beauftragt haben. – Ebenso
wie das Uhrwerk und das Ziffernblatt, welches von dem Horlogisten
Angevin aus Paris (Rue St-Martin en 1806, Tailleur de roues, Rue de
Bondy en 1812, Rue de Saintonge en 1830) angefertigt wurde.
Wegen des auch hier angewendeten und perfektionierten Patents
für die Erstellung von Dekorelementen durch Model und der Zusammenarbeit mit den besten Chemikern der Zeit errangen die Brüder
Nast 1819 eine Goldmedaille für eine dreiteilige, reliefverzierte Vase.
So verwundert es nicht, daß selbst der damalige Präsident der USA,
James Madison, ein Service von Nast bestellte, welches heute noch
zum Inventar des Weißen Hauses gehört.
Die Augentäuscherei der Nast-Oberflächen begeistert und beeindruckt
bis heute. Die Vasenuhr auf einem Sockel als stehende Amphore und
mit Handhaben in Form von Tierköpfen ist durch die Nutzung antiker
Formen zeitlos. (GvM)
Grisebach 05|2014
In seiner Begeisterung darüber
erwarb auch König Louis XVIII.
Henkelvasen der Firma Nast ...
328
Graf Carl von Brühl
Pförten 1772 – 1837 Berlin
Verlegt von Ludwig Wilhelm Wittich, Berlin; Druck von Trowitsch
& Söhne, Berlin; Kupferstiche nach August v. Klöber, von Laurens
und Fügel koloriert (23 Blatt). 23 S. 2°. Unbeschnittene Ausgabe, Halbledereinband später. [3125]
Provenienz: Privatsammlung, Deutschland
€ 2.000 – 3.000 / $ 2,740 – 4,110
Vergleichsliteratur: Rolf Johannsen und Andrea Polaschegg: Indien
preußischblau – Das Hoffest Lalla Rookh im Schloss Berlin; in: Macht
und Freundschaft. Berlin – St. Petersburg 1800–1860, Ausst.-Kat.,
Leipzig 2008, S. 97–112
LALLA ROÛKH. Divertissement Mêlé de
Chants et de Danses. Exécuté au Château
Royal de Berlin / le 27. Janvier 1822 /
Pendent le Séjour de L. L. A. A. I. I. MSGR.
le Grand-Duc Nicolas et Mad. la
Grande-Duchesse Alexandra Féodorowna.
1822
Grisebach 05|2014
Lalla Roûkh – „eines der glänzendsten und anziehendsten Hoffeste,
das je gegeben wurde“ (Johannsen / Polaschegg 2008, S. 97), fand am
21. Januar 1827 im Berliner Schloß statt. 3.000 Gäste waren eingeladen, der orientalischen Hofinszenierung aus Anlaß des Besuches des
russischen Großfürstenpaares Nikolai (1796–1855) und Alexandra,
geborene Prinzessin Charlotte von Preußen (1798–1860), beizuwohnen.
„... eines der glänzendsten und anziehendsten
Hoffeste, das je gegeben wurde ...“
Das spektakuläre Festspiel stand ganz im Zeichen des ungemein
populären Versepos „Lalla Rookh. An Oriental Romance“
des irischen Dichters Thomas Moore (1779–1852) aus dem
Jahre 1817. Der märchenhafte Stoff um Liebe, Tod und Macht
entsprach ganz dem Inbegriff des romantischen Sehnsuchtstraumes.
Im Zentrum der Inszenierung stand der streng choreographierte
Hochzeitszug der Lalla Roûkh, bei dem Alexandra und Nikolai
ganz im Einklang mit der Wirklichkeit die beiden Hauptrollen
übernahmen, begleitet von 186 Angehörigen der Hofgesellschaft
in farbenfrohen orientalischen Kostümen und aufwendigen
Dekorationen von Karl Friedrich Schinkel sowie musikalisch
von der königlichen Kapelle und den besten Sängern der
Berliner Oper.
Das Fest blieb ein unvergeßliches Ereignis im Berliner Gesellschaftsleben, nicht zuletzt aufgrund einer gezielten „multimedialen“ Verbreitung: neben überschwenglichen Zeitungsberichten
schmückte die KPM Vasen und Teller mit Motiven des Festzuges. Die größte Wirkung erzielte allerdings die von Graf Carl
von Brühl und dem Hofbibliothekar Samuel Heinrich Spiker
(1786–1858) herausgegebene Festpublikation.
Als Generalintendant des Königlichen Theaters hatte Graf
Brühl aber auch die Kostüme entworfen: „Er hatte eine große
Vorliebe für Decoration und Costüm, und führte namentlich die
historische Richtigkeit der Kleidertracht mit so viel Consequenz,
Glanz und Solidität durch, daß das Costümwesen der deutschen
Bühne durch ihn in eine neue Phase gehoben wurde.“ (Förster;
in: Allgemeine Deutsche Biographie, 1876, S. 417ff.)
Zweifellos vermochte es dieses Buch von daher, den umfassendsten Eindruck des opulenten Festes zu geben. Auf 23 Seiten
finden sich äußerst präzise Beschreibungen der Örtlichkeiten,
der eingeladenen Gäste und teilnehmenden Personen, des konkreten Programmablaufs, der Texte der begleitenden Gesänge
sowie Beschreibungen der Kostüme.
Die Attraktion unseres Bandes besteht jedoch in den auf 23
beigefügten kolorierten Kupferstichen liebevoll wiedergegebenen
Kostümfigurinen, die ergänzt werden durch eine ausklappbare
Tafel mit der Darstellung des Festzuges. Nach fast 200 Jahren
haben die Kupferstiche unseres Exemplars nichts an Leuchtkraft eingebüßt, so daß uns das Fest Lalla Roûkh bis heute in
seinen Bann zu ziehen vermag. (KB)
329
Johann George Hossauer
1794 – Berlin – 1874
Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) lobte Hossauer als „den geschicktesten und einzigen in Berlin, der die neuesten technischen Hilfsmittel
besitze und anwende, und dem er mehrere Zeichnungen zu Pokalen
bereits früh geliefert“ habe (Brecht 1888, S. 1ff.).
Zu einem dieser Entwürfe gehörte der des Erinnerungspokals zum Fest
„Der Zauber der Weißen Rose“, der von Herzog Karl von MecklenburgStrelitz (1785–1837) in Auftrag gegeben wurde. Er sollte zum Hauptwerk der Zusammenarbeit beider Künstler werden und liegt uns hier als
Ausführungszeichnung des Goldschmieds des Königs vor.
Ausführungszeichnung zum Pokal
„Der Zauber der Weißen Rose“.
10. Juli 1830
Bleistift auf Papier, koloriert mit Wasser- und
Deckfarben. 60 x 44,4 cm (23 ⅝ x 17 ½ in.).
Signiert und datiert: George Hossauer den
10ten July 1830 / zahlreiche Ausführungs- und
Deutungsangaben / Wasserzeichen:
J.WHATMAN 1829. Lichtränder. [3280]
Provenienz: Seit dem 19. Jahrhundert im
Besitz der Berlin-Pariser Bankiersfamilie
Johann Georg Schickler (1793–1843),
Château de Bizy / Ferdinand de Schickler
(1835–1909) /Dessen Erbe Louis Suchet
Duc d’Albufera (1877–1953) /
von dort 2010 in den Kunsthandel, Paris
€ 25.000 – 30.000
$ 34,200 – 41,100
Vergleichsobjekte: Entwurfszeichnungen
von Schinkel, Stiftung Preußische
Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg,
Inv.-Nrn. SM 37a 2 und 2906 c
Vergleichsliteratur: Carl Brecht: Johann George Hossauer (1874); in: Vermischte Schriften
des Vereins für die Geschichte Berlins, Jg. I.
(1888), S. 1–8 / Melitta Jonas: Gold und Silber
für den König. Johann Georg Hossauer, Ausst.Kat., Berlin 1998, S. 124ff.
Grisebach 05|2014
Johann George Hossauer gilt als Erneuerer des preußischen Gold- und
Silberschmiedehandwerks, das seit den Befreiungskriegen den Anschluß
an die internationale Entwicklung verloren hatte. Durch die Einführung
neuer maschineller Herstellungsmethoden, die er bei seiner Ausbildung
in Paris und bei Aufenthalten in England erlernt hatte und mit verfeinerten traditionellen Handwerkstechniken verband, erwarb sich Hossauer
einen ausgezeichneten Ruf als Handwerker, Unternehmer und Künstler.
Hossauers Ausführungszeichnung zum Prunkpokal nutzte die gotische
Formensprache und entsprach damit der mittelalterlichen Thematik des
imposanten Festes „Der Zauber der Weißen Rose“. – Ausgerichtet vom
König am 13. Juli 1829 zu Ehren des Geburtstags seiner ältesten Tochter
Alexandra (Prinzessin Charlotte, 1798–1860).
Das außerordentliche Spektakel entführte in eine idealisierte, den
höfischen Turnierspielen nachempfundene mittelalterliche Ritterszenerie
mit prachtvollen Kostümierungen. Konzipiert wurde das Fest der Weißen
Rose von Friedrich de la Motte Fouqué (1777–1843) und wiederum
Schinkel.
Lange waren lediglich dessen Entwurfszeichnungen zum Prunkpokal
bekannt; um so bemerkenswerter ist die Wiederentdeckung dieser großformatigen Ausführungszeichnung von Hossauer selbst, die sich lange in
Frankreich befand.
Ganz der in Preußen aufkommenden Mode der Neogotik verpflichtet,
sind Deckel, Korpus und Plinthe des teilweise vergoldeten Pokals
aus Silber verziert. Er wird geschmückt von dem Motiv des gotischen
Dreipaßbogens und 73 emaillierten Wappen der Teilnehmer des Turniers.
Indem eine plastische silberne Rose den Deckel des Erinnerungspokals
krönt, schließt sich der Kreis um den märchenhaften Titel des Festes
mit Referenz an die geehrte Prinzessin in besonderer Weise: de la Motte
Fouqués romantischer Ritterroman „Der Zauberring“ war eines der
Lieblingsbücher Charlottes, so daß man sie in ihrer Jugend liebevoll nach
einer der Romanfiguren „Blancheflour“ nannte. (JK)
330
Lindenrolle (koloriertes Exemplar).
Ansicht der Straße Unter den Linden
in Berlin.
1820
Lithographie, koloriert / Messingdose,
perlblau emailliert; Elfenbeingriffe.
9,9 x 780 cm (Dose 14,5 x 9,5 x 5,5 cm)
(3 ⅞ x 307 ⅛ in. (canister 5 ¾ x 3 ¾ x 2 ⅛ in.)).
Leichte Einrisse und historische Klebungen
der Rolle, minimale Abplatzungen am Deckel.
[3510]
Provenienz: Privatsammlung, Berlin
€ 20.000 – 25.000
$ 27,400 – 34,200
Vergleichsliteratur: Winfried Löschburg:
Panorama der Straße Unter den Linden,
Leipzig 1987
Vergleichsobjekt: Stiftung
Stadtmuseum Berlin
Kunsthandlung Jacobi,
Berlin
„Wirklich, ich kenne keinen imposanteren Anblick, als vor der Hundebrücke
stehend, nach den Linden hinaufzuschauen. Rechts das hohe, prächtige
Zeughaus, das neue Wachthaus, die Universität und Akademie. Links das
Königliche Palais, das Opernhaus, die Bibliothek usw. Hier drängt sich
Prachtgebäude an Prachtgebäude“, schwärmte der junge Heinrich
Heine 1822 in „Briefen aus Berlin“.
Bereits am 18. November 1820 vernahmen die Berliner aus ihren Morgenzeitungen von der neusten Attraktion ihrer Stadt: einem Panorama
vom Schloß bis hin zum Brandenburger Tor. Das Innovative dabei war,
daß das Linden-Panorama, seither als „Lindenrolle“ bezeichnet, mit all
seinen prächtigen Gebäuden, in eine handliche Dose paßte. Die Berliner Kunsthandlung Jacobi – ebenfalls Unter den Linden ansässig (Nr. 35)
– brachte das gerade modern gewordene Medium des Panoramabildes
in eine neue, innovative Form, wie unser koloriertes Exemplar zeigt.
Am Ende des 18. Jahrhunderts erlebte die Reiseliteratur einen enormen
Aufschwung. Doch nicht nur literarische Beschreibungen ferner Städte
und Länder sollten das Fernweh lindern, sondern auch bildliche Darstellungen in Form begehbarer Panoramenausstellungen. Berlin hatte
bereits um 1800 eine solche mit dem Panorama von Rom erhalten, die
damals auf dem Gendarmenmarkt zu bestaunen war. Verstärkt fanden
Versuche statt, immer kleinere Panoramen herzustellen, doch war das
Panoramabild stets an die Grenzen des Papierbogens gebunden. Diese
Grenzen zu sprengen gelang erst mit der acht Meter langen „Lindenrolle“.
In zwei Versionen existierten diese, heute so raren, portablen Panoramen; als reine Schwarzweißlithographie zum Preis von 4 Thalern
und als kolorierte Luxusvariante zu dem vergleichsweise hohen Preis
von 9 Thalern. Den relativ hohen Preis für die kleinen und kunstvollen
Vorläufer des heutigen „Google Street View“ konnten sich allerdings
nur wenige leisten. Obwohl damals sehr bewundert, gelangten wenige
in den Umlauf, so daß bereits 80 Jahre später das Auftauchen eines
dieser Panoramen abermals viel Aufsehen erregte.
Ein intaktes Exemplar der „Lindenrolle“, wie unseres, verbildlicht als
bedeutendes Zeugnis den Wettstreit in der Entwicklung des Panoramabildes im 19. Jahrhundert und ist zugleich auch Dokumentation und
Denkmal der einst schönsten Prachtmeile Berlins – Unter den Linden.
(PG)
Grisebach 05|2014
Vorläufer des heutigen
„Google Street View“
„Wirklich, ich kenne keinen
imposanteren Anblick ...“
331
Paris
Am 19. August 1839 übergab der berühmte Physiker und Politiker
François Arago (1786–1853) in der öffentlichen Sitzung der Akademie
der Wissenschaften in Paris das erste praktikable photographische
Verfahren der Weltöffentlichkeit. – Damit jährt sich in diesem Sommer
zum 175. Mal die Geburtsstunde der Photographie, einer der großartigsten Erfindungen des 19. Jahrhunderts.
Ansicht einer französischen
Schloßanlage.
Um 1845
Daguerreotypie / hinter Glas gemaltes
Passepartout mit Goldkanten /
originaler französischer Holzrahmen.
2/3 Platte, Bildausschnitt
15 x 11,3 cm / Rahmen 28,3 x 23,7 cm
(5 ⅞ x 4 ½ in. / frame 11 ⅛ x 9 ⅜ in.).
[Originale grünliche Papierverklebung
(ungeöffnet). [3524]
Provenienz: Privatsammlung,
Nordrhein-Westfalen
€ 12.000 – 15.000
$ 16,400 – 20,500
Vergleichsliteratur: Erich Stenger: Die
beginnende Photographie im Spiegel von
Tageszeitungen und Tagebüchern, Würzburg
1943 / Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln und
Foto-Historama Agfa-Gevaert Leverkusen
(Hrsg.): „In unnachahmlicher Treue“.
Photographie im 19. Jahrhundert – ihre
Geschichte in den deutschsprachigen
Ländern, Köln 1979
Der Erfinder, Louis Jacques Mandé Daguerre (1787–1853), Maler
und Betreiber des berühmten Pariser Dioramas, war mit dem naturwissenschaftlich interessierten Landadeligen Nicéphore Niépce
(1765–1833), dem Entdecker eines ersten Verfahrens, mit der Camera
obscura Bilder zu fixieren, seit 1829 durch einen Kooperationsvertrag
verbunden. Der Durchbruch gelang jedoch schließlich Daguerre im
Jahre 1835 nach dem plötzlichen Tod von Niépce.
Die überaus aufwendige Prozedur der Erstellung erster photographischer
Bilder beschreibt die „Allgemeine Schweizer-Zeitung“ (Bern) vom
27. August 1839 treffend: „Dreiviertelstunden reichen für die Operation
aus. Es ist also nicht davon die Rede, daß ein Reisender im Vorbeigehen,
während etwa der Postwagen den Berg hinansteigt, geschwind das Bild
einer Landschaft oder eines Monumentes mitnehme, sondern er muß mit
einer halben Apotheke Posto fassen und mit Feuer, Wasser, Licht und Metallen manövrieren. Dazu bedarf es einer ebenso umfangreichen Equipage
als derjenigen eines Hausirers mit Töpfergeschirr“ (Stenger 1943, S. 8).
Alexander von Humboldt (1769–1859) reiste im Sommer 1838 im
Auftrag seines Königs, Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Nachdem er
mit den Gelehrten der Académie erste photographische Stadtansichten von Paris betrachten durfte, die Daguerre erstellt hatte, schrieb
Humboldt begeistert an Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau (1796–
1850): „Gegenstände, die sich selbst in unnachahmlicher Treue mahlen;
Licht, gezwungen durch chemische Kunst, in wenigen Minuten, bleibende
Spuren zu lassen, die Contouren bis auf die zartesten Theile scharf zu umgrenzen, ja diesen ganzen Zauber (freilich einen farblosen) bei heiterem
sonnenklarem Tage unserer nördlichen Zone in 8-10 Minuten, bei Egyptischer Durchsichtigkeit der Luft und tropischer Lichtfülle wahrscheinlich
in 2-3 Minuten hervorgerufen zu sehen, das spricht freilich unaufhaltsam
den Verstand und die Einbildungskraft an“ („In unnachahmlicher Treue“
1979, S. 28).
In Windeseile verbreitete sich die neue Erfindung. In aller Welt
versuchten Amateur, Künstler und Wissenschaftler, das Verfahren
Daguerres anzuwenden. Mit der Verbesserung der Optik und damit
einhergehenden kürzeren Belichtungszeiten ab etwa 1841 erfreuten
sich Daguerreotypie-Portraits größter Beliebtheit, war es doch nun viel
einfacher geworden, Personen sitzend, mit Kopf- und Körperhaltungen
fixiert, anfänglich mehrere Minuten zum Stillhalten zu bewegen.
In der Anfangszeit des neuen Mediums entstanden jedoch vor allem
die heute extrem selten erhaltenen Architektur- und Landschaftsansichten, wie unsere originalgerahmte Daguerreotypie aus der Mitte der
1840er Jahre, die vermutlich den Blick eines französischen Schloßherrn
aus seinem Fenster in den Park dokumentierte: eine außerordentlich
seltene Impression, die vor allem eine sommerliche Stimmung wiedergibt und nicht der Repräsentation dienen sollte. (AGT)
Grisebach 05|2014
„Gegenstände, die sich selbst in
unnachahmlicher Treue mahlen ...“
332
Pierre-Jean David d’Angers
Angers 1788 – 1856 Paris
Die Büste ist David d’Angers’ Ehrerbietung an den wohl angesehensten
Wissenschaftler, Autor und Humanisten Europas des 19. Jahrhunderts:
Alexander von Humboldt. Unsere einzig bekannte und zeitgenössische
Bronze aus der Pariser Gießerei Collas ist die Reduktion jener marmornen Kolossalbüste, die einst in Humboldts Privatbibliothek in Berlin
stand und heute in unbekannten Privatbesitz verschwunden ist.
Der in Frankreich nicht nur als Künstler, sondern auch als republikanisch-oppositioneller Akteur berühmte und berüchtigte Pierre-Jean
David, genannt David d’Angers, traf Humboldt erstmals um 1830 in
Pariser Salon von La Fayette. Daraufhin schuf David eine Medaille
Humboldts, die 1831 vom Pariser Gießer Achille Collas reproduziert
wurde. Beide wurden rasch vertraute Freunde, teilten sie doch viele
politische Ansichten ihrer Zeit.
Büste
Alexander von Humboldts
(1769–1859).
1844
Bronzeguß durch Achille Collas (1795–1859).
Bronze, gegossen; rotbraune Patina / schwarzer
Steinsockel (wohl Schiefer), profiliert.
25 cm (42,5 cm mit Sockel)
(9 ⅞ in. (16 ¾ in. with base)). AL.DRE de
Humboldt / P.J. DAVID / 1844 / Gießerstempel Collas: REDUCTION MÉCANIQUE,
A COLLAS BREVETE / Auf der Unterseite des
Sockels eingeritzte Nummer: NCI 988 / Reste
eines Siegelwachses. [3223] Provenienz: 1980 Privatsammlung, Paris /
Privatsammlung, München
€ 6.000 – 8.000
$ 8,220 – 10,960
Vergleichsobjekt und -literatur: Halina Nelken:
Alexander von Humboldt. Bildnisse und Künstler,
eine dokumentierte Ikonographie,
Berlin 1980, S.106ff. /
Bernhard Maaz: Vom Kult des Genies. David
d’Angers’ Bildnisse von Goethe bis Caspar
David Friedrich, München 2004, S. 91ff.
David sah es als seine Lebensaufgabe an, herausstechende zeitgenössische Persönlichkeiten zu portraitieren. Dies war für ihn moralischethische Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, inspirierten
doch Abbildungen tugendhafter Persönlichkeiten den Betrachter. So
spannte er durch seine nahezu 600 Abbilder ein Netz persönlicher
und künstlerischer Beziehungen (u. a. Goethe, Hugo) mitten durch die
europäische Gesellschaft seiner Zeit. – Der berühmte Humboldt in
Form einer Büste durfte in Davids „Galerie“ bedeutender Menschen des
19. Jahrhunderts nicht fehlen.
1843 vollendete der Bildhauer die erwähnte marmorne Kolossalbüste
und sandte sie als Geschenk anläßlich Humboldts 74. Geburtstag
nach Berlin. Der Beschenkte dankte dem Meister: „Ihr Schatz, ihr großartiges Geschenk kam hier nur ein paar Tage vor meinem Geburtstag an
(...) Die Büste befand sich noch in der Kiste, da bewunderte er [Christian Daniel Rauch] schon die Ähnlichkeit, die Anmut und die vollendete
Ausführung der Arbeit, die Großartigkeit, die ihre Arbeiten kennzeichnet
und ihnen eine Überhöhung ins Geistige verleiht...“ (Brief vom 15.
September 1843).
Dem begeisterten Bildhauer Rauch offenbarte David kurz darauf: „In
Kürze werde ich Herrn von Humboldt eine kleine Replik seiner Büste
übersenden.“ (Brief vom 1. Juni 1845).
Humboldts Bildnis ist ein perfektes Exempel für Davids künstlerisches
Ideal: Demnach müsse dem Kopf als „Sitz allen Denkens“ höchste
Bedeutung zukommen. David akzentuiert die Formen des Gesichts
nicht nur, es ist ein bewußtes Pathetisieren. Der Schädel formt sich
zum hervorstechenden „Denkgewölbe“. Typisch für Davids HeroenIkonographie ist die mit Kalkül unordentlich und windgepeitschte
Darstellung des Kopfhaares, die einen temperamentvollen Ausdruck
innerer Aufgewühltheit zeigt.
Tatsächlich scheint unser zeitgenössischer Guß der Büste die Wirkung
Humboldts auf seine Besucher bestens wiederzugeben. So schrieb
Bayard Taylor (1825–1878), nachdem er Humboldt 1856 traf: „Der
erste Eindruck von Humboldts Antlitz ist der ausladender und genialer
Menschlichkeit. Seine wuchtigen Brauen sind von über nahezu ein Jahrhundert hinweg angesammeltem Wissen schwer geworden.“ (GvM)
Grisebach 05|2014
„In Kürze werde ich
Herrn von Humboldt
eine kleine Replik seiner
Büste übersenden.“
333
Adolphe Dallemagne
Pontoise 1811 – 1878 Paris
„Die Malerei ist tot, es lebe die Photographie“, lautete 1839 die
berühmte Aussage des Landschaftsmalers Hippolyte Delaroche
(1797–1856), nachdem er Kenntnis der von Joseph Nicéphore Niépce
(1765–1833) und Louis Jacques Mandé Daguerre (1787–1851) entwickelten und praktikablen Bildverfahren erlangt hatte. Auf keine andere
Gattung der Malerei hatte die Erfindung der Photographie einen folgenreicheren Einfluß als die der Bildnismalerei. Photographische Portraits
erfreuten sich großer Beliebtheit und dienten nicht zuletzt auch den
Künstlern selbst, sich einer breiteren Öffentlichkeit darzustellen.
Von dem französischen Maler Jean-Baptiste Camille Corot sind
verschiedene photographische Portraits überliefert: so ließ er sich
1863 und früher von dem in Paris gefeierten Nadar (Gaspard Félix
Tournachon) ablichten. Pierre Lanith Petit portraitierte Camille Corot
um 1860 (heute Musée d’Orsay). Auch der Landschaftsmaler Adolphe
Jean François Marin Dallemagne, der Mitte der 1850er Jahre ein
Photostudio in Paris eröffnete, zählte viele schon damals namhafte
Künstler zu seinen Modellen. Sein Ziel war es, eine Serie bedeutender
Maler und Bildhauer abzulichten, worunter auch Künstlerinnen waren.
Portrait des Malers Camille Corot
(1796–1875).
1866
Albuminabzug auf Karton.
22,9 x 17,5 cm (Träger 26,8 x 19,2 cm)
(9 x 6 ⅞ in. (release paper 10 ½ x 7 ½ in.)).
Unten mit schwarzer Tinte von
Camille Corot signiert, datiert und mit einer
Widmung an den Pariser Kunsthändler
Audry versehen: Le 11 Xbre 1870, à mon
bon ami Audry, C. Corot. [3491]
Provenienz: Privatsammlung, Paris /
Privatsammlung, Norddeutschland
€ 2.000 – 3.000
$ 2,740 – 4,110
Vergleichsobjekt: Ungewidmete Fassung
des Portraits im Museum of Fine Arts
Boston, Inv.-Nr. 2010.1238
Vergleichsliteratur: Erika Billeter: Malerei
und Photographie im Dialog von 1840 bis
heute, Bern 1977 / Camille Corot. Natur
und Traum, Ausst.-Kat., Heidelberg 2012
Grisebach 05|2014
Diese ließ Dallemange in einer aufwendigen Kulisse posieren: Sein
Studio verfügte über eine Stellwand, die in einem rechteckigen Hochformat so geöffnet war, daß die dahinter stehenden Personen in einem
vorteilhaften Zweidrittelportrait zu sehen sind. Die Wandöffnung war mit
einer Stuckumrandung, einem Bilderrahmen gleichend, umfaßt. Der
untere Teil des Rahmens schloß mit einem breiteren Sims zur Stellwand
ab, auf dem jeweils die Namen der Portraitierten zu lesen waren. Dazu
wurde rechts oder links ein Stoff drapiert, der auf jedem Portrait anders arrangiert ist. Genauso variieren auf das Sims aufgesetzte Figuren,
den Dargestellten zu- oder abgewandte Putti. Die Arrangements von
Dallemagne wurden als Verbeugung vor der offiziellen Portraitmalerei
gedeutet.
Sicherlich berühmtester Künstler dieser Galerie war Corot. – Seit Mitte
der 1860er Jahre war die Nachfrage nach Werken von Corot immens.
Auch experimentierte er seit 1853 mit dem im Grunde photographischen Verfahren Cliché-verre (Glasklischeedruck), um Landschaftszeichnungen zu reproduzieren. Vor allem jedoch seine Gemälde waren
bei einem großen Sammlerkreis beliebt, und es verging kaum ein Tag,
an dem kein Händler an seine Tür klopfte.
Einer der Besucher, die Corots enger Vertrauter Robaut als häufigen
Gast im Atelier bezeichnete, war der Pariser Händler M. Aubry. Unter
dem 11. Dezember 1870 widmete Corot seinem „lieben Freund“
M. Aubry unsere Photographie und machte sie mit seiner Signatur
einzigartig. (AGT)
334
Hans Oskar Jancke
Sanssouci 1850 – 1920 Potsdam
Orchideen faszinieren die Menschen seit 2500 Jahren. Während die
farbenkräftigen Blüten für den chinesischen Philosophen Konfuzius
(551–478 v. Chr.) als Symbol der Anmut, Reinheit und Eleganz galten,
konnten die Europäer erst um 1800 intensiver zu den fragilen Schönheiten forschen, als Pflanzenjäger von ihren Expeditionen in tropische
Regionen eine Fülle attraktiver Arten für die ersten Gewächshäuser
mitbrachten. Liebhaber zahlten hohe Preise für besondere Exemplare,
Orchideen-Zeitschriften erschienen und ein preußischer Hofgärtner
wählte die Pflanzen zu seinem Lebensthema.
Studien über Orchideen.
1870–1906
Manuskript, gebunden, Halbledereinband
([Text] 60 S. + 209 S. + 80(+1) S. + [farbige
Zeichnungen] 76 S.) Feder, Tusche, Aquarell und
Deckfarben über Bleistift / Mappe mit 46 Seiten
Typoskript [A. Cogniaux: Dictionnaire Iconographique des Orchidées, Brüssel 1896ff.]
mit Bleistift ergänzt und 54 Seiten farbige
Zeichnungen, Aquarell und Deckfarbe über
Bleistift / Mappe mit Pausen (9 Bl. + 32 Bl. + 32
Bl.), Feder in Rot, Grün und Schwarz auf Transparentpapier / Mappe mit 30 Seiten farbigen
Zeichnungen, Aquarell und Deckfarbe über
Bleistift. 4° / gr. 4° / gr. 4° / gr 4° .
Orchideen., I. Theil; Sanssouci, im
Winter 1871–71; H. Jancke /
Notizen aus J. G. Beer’s „Praktischen
Orchideenstudien“ [d.i. Praktische Studien an
der Familie der Orchideen, Wien 1854]; Moabit,
im August 1872; H Jancke / IV. Theil. Einiges
über das Borsigsche Orchideenhaus; Moabit,
1872; Jancke. [3407] Provenienz: Nachlaß Hans Oskar Jancke,
Potsdam / Bis 1980er Nachfahren der
Hofgärtnerfamilie Jancke-Nietner, Potsdam /
Privatsammlung, München
Literatur und Abbildung: Auktionskatalog:
Leo Spik, Berlin, 20. Juni 1998, Los 463
€ 5.000 – 7.000
$ 6,850 – 9,590
Vergleichsliteratur: Preußisch grün – Vom
königlichen Hofgärnter zum Gartendenkmalpfleger, Ausst.-Kat., Berlin 2004
Wir danken Dr. Nils Köster, Kustos am Botanischen Garten Berlin, für freundliche Hinweise.
Grisebach 05|2014
Hans Oskar Jancke, Sohn des Sekretärs des berühmten Hofgärtners
Peter Joseph Lenné in Potsdam, hatte sich schon während seiner
Studienreise durch Europa mit Orchideen beschäftigt, als er 1871 im
Genter Fachbetrieb J. Linden Station machte. Zurück in Berlin, wurde
der 21jährige daraufhin Gärtner der Treibhausanlagen von Maschinenbaufabrikant Albert Borsig (1829–1878), der neben seiner Villa
in Berlin-Moabit große Pflanzhäuser unterhielt. Die Sammlungen, die
nun unter der Aufsicht Janckes standen, waren berühmt und für das
Publikum zweimal die Woche geöffnet.
Seine Erkenntnisse und systematischen Betrachtungen über die
Orchideen legte Jancke seit 1871 in unserem gebundenen Manuskript
dar, das wohl Vorlage einer Publikation über die wissenschaftliche
Einordnung der wichtigsten in Europa kultivierten Orchideengattungen
sein sollte.
Hierfür exzerpierte der Gärtner Joseph Georg Beers (1803–1873)
Orchideenbuch von 1854 und verfaßte am Beispiel der Borsig-Sammlung tagebuchähnliche Kulturnotizen, die die Pflege und Zucht im
Tages- und Jahresverlauf festhielten.
Neben Listen der Borsig-Orchideen gab er auch über die Blühzeiten
im Jahresverlauf Auskunft und fügte zahlreiche farbige und besonders
virtuose Zeichnungen der Pflanzenschätze bei.
Und für seine Zeichenkunst war Jancke, ab 1879 in königlichen Diensten
in Sanssouci, geachtet. So lehrte er Planzeichnen an der renommierten
Gärtnerlehranstalt, arbeitete als Zeichner am „Gärtnerischen Skizzenbuch“ von Theodor II. Nietner (1822–1894).
Seit 1884 hatte Jancke auch die Stelle eines Hofgärtners in Schloß
Bellevue inne, 1907 wurde er zum Preisrichter der Internationalen
Gartenbau-Ausstellung in Dresden ernannt, 1913 mit dem Titel Oberhofgärtner ausgezeichnet.
Die Orchideen jedoch ließen ihn in all der Zeit nicht los – intensiv
stand er hierzu in Austausch mit den königlich-englischen Gärten in
Kew. Und so publizierte der Gärtner, Zeichner und Wissenschaftler
Hans Jancke 1915 zusammen mit dem Kustos am Berliner Botanischen
Garten Rudolf Schlechter (1872–1925) das Standardwerk „Die Orchideen“. Hier legte er – sozusagen als Alterswerk – sein Wissen über die
Pflanzen dar, die ihn sein Leben lang leidenschaftlich begleitet hatten.
Janckes prachtvolle Zeichnungen hingegen machen seine Leidenschaft
für Orchideen bis heute anschaulich. (SK)
67
max. Klappenbreite 185 mm, Bild ist
etwas verkleinert
66
Grisebach 05|2014
335
Königlich Dänische
Porzellanmanufaktur
Kopenhagen
Es dürfte erschreckend gewesen sein, wenn hohe Gäste an der Tafel
des dänischen Königs nach Verzehr der Speisen giftige Pilze auf dem
Porzellangrund entdeckten. Doch was da die Fonds des berühmten
Flora Danica-Services der Kopenhagener Porzellanmanufaktur zierte,
war kunstgewordene Botanik und (zumindest lukullisch) ungefährliche
Aufklärung.
Zugrunde lag den Darstellungen auf Porzellan das botanische Sammelwerk aller Pflanzen des Reiches von König Christian VII. von Dänemark
und Norwegen (1749–1808); und dies reichte um 1790 vom Nordkap
bis zur Elbe, was einer Strecke Kopenhagen–Karthago entsprach.
Blattförmige Konfektschale
„Agaricus Nitens“ aus dem
Flora Danica-Service.
1790–1802
Scherben weiß, farbig staffiert, Relief
mit Vergoldung. 24 x 19 x 6 cm
(9 ½ x 7 ½ x 2 ⅜ in.). Rückseitige
Aufschrift: F: 1. / Agaricus nitens. /
Fl. Dan: Tab: MLXVII. / F: 18 / Pressmarke:
G. i / unterglasurblaue Wellenmarke. [3444]
Provenienz: Privatsammlung, Paris
€ 4.000 – 6.000
$ 5,480 – 8,220
Zweites Exemplar mit selber Pilzdarstellung
in der Silberkammer, Schloß Christiansborg,
Kopenhagen
Vergleichsliteratur: Wilfried Baer (Hrsg.):
Das Flora Danica-Service 1790-1802.
Ausst.-Kat., Berlin 2000
Ab 1761 erschienen kolorierte Kupferstichlieferungen der „Flora Danica“
mit den botanischen Aufnahmen der Pflanzen, die der Botaniker Georg
Christian Oeder (1728–1791) im Auftrag des Königs in den nördlichen
Weiten gesammelt, botanisiert und in Zeichnungen dokumentiert hatte.
Ein Riesenunterfangen von höchstem wissenschaftlichem Anspruch
und mit europäischer Bedeutung und Wirkung – noch bis 1888 wurde
gesammelt und publiziert.
Die gestochenen und detailgenau kolorierten Umrißzeichnungen
dienten alsdann der jungen Kopenhagener Manufaktur als Vorlagen zu
ihrem großen Service, das wohl als Geschenk an die russische Zarin
Katharina II. gedacht war.
Doch die Fertigung des Riesenwerks dauerte; und als der ungeduldige
König die Arbeiten 1802 abbrechen ließ, war Katharina tot, das Stichwerk bei Pflanze 1.260 angelangt und das Speise- und Dessertservice
in der Manufaktur auf 1.802 Teile angewachsen.
Auf Porzellan aus bereits bestehenden klassizistischen Formen und
auf extra für das Flora Danica-Service angefertigten Teilen, wie unserer
kleinen Blattschale, übertrug der Blumenmaler Johann Christoph Bayer
absolut farb- und maßstabsgetreu Gräser, Pflanzen und Pilze auf Terrinen,
Teller, Platten.
Waren diese jedoch zu klein für die darzustellenden Gewächse, so wurden diese sorgsam zerschnitten und die Teile wissenschaftlich genau
nebeneinander abgebildet: Das Service wurde so zum „botanischen
Beleg auf Porzellan“ und stand damit ganz im Geiste der Aufklärung.
Denn nach dem repräsentativen Kunst- und Speisengenuß wäre es
für die erlauchten Gäste, die von nun an zu den höchsten dänischen
Feiertagen bei Königs vom Flora Danica aßen, ein leichtes gewesen,
die abgebildeten Pflanzen zu erforschen. Pädagogisch wertvoll und
wissenschaftlich korrekt waren auf der Rückseite eines jeden Stückes
Name, Vorkommen und Quelle aus dem Druckwerk angegeben.
Ob das Entsetzen beim Wenden unserer Blattschale mit dem kleinen
Giftpilz noch größer gewesen wäre?
Denn der so hübsch dargestellte Agaricus nitens (deutsch: Riechender
Träuschling) stammte aus dem 18. Heft der Flora Danica, wo vermerkt
war, daß er in Norwegens nördlichster Provinz Finnmark „auf dem Mist
von Kühen“, vulgo Kuh-fladen, vortrefflich gedeihe ... (SK)
Grisebach 05|2014
Das Service wurde so zum
„botanischen Beleg auf Porzellan“.
336
Thomas Pitts
1737 – London – 1800
Das Dinner war der gesellschaftliche Höhepunkt des Tages im England
des 18. Jahrhunderts. – Gehen wir heute eher von einem Essen am
Abend aus, fand das Dinner um etwa 1740 am frühen Nachmittag,
nämlich um zwei Uhr, statt.
Terrine auf Presentoire wohl mit dem
Wappen der Familie Birkbeck.
1774/75
Sterlingsilber, gegossen, getrieben, ziseliert.
25 x 39,5 x 20 cm; 4,5 x 55 x 33 cm
(9 ⅞ x 15 ½ x 7 ⅞ in.; 1 ¾ x 21 ⅝ x 13 in.).
Punzierung an allen drei Teilen.
Meisterzeichen: T•P im Rechteck für Thomas
Pitts [vgl. Grimwade, Nr. 2875]; lion passant,
leopard’s head, date letter T für das
Jahr 1774–75. Gewicht: 4572 g (161,27 oz).
Mit einem Gutachten von Otto von Falke,
Generaldirektor der Staatlichen Museen zu
Berlin, vom 17. August 1926 (in Kopie).
[3177]
Provenienz: Am 22. Oktober 1926 verkauft
durch Kunsthandlung Paul Glaser, Berlin /
Privatsammlung Dr. Fritz Reuther, Mannheim /
Seither Familienbesitz, München
€ 15.000 – 20.000
$ 20,500 - 27,400
Vergleichsliteratur: Beth Carver Wees: English, Irish & Scottish silver at the Sterling and
Francine Clark Art Institute, New York 1997,
S. 142ff., 204ff.
Im Laufe der kommenden Jahrzehnte verschob es sich stets weiter
nach hinten; wurde in London früher als auf dem Land eingenommen
und in der Jagdsaison später als im restlichen Jahr. Ferner muß man
sich vorstellen, daß die Dinnergäste meist nicht um einen großen
Tisch gruppiert waren, sondern an mehreren kleinen Tischen im Raum
versammelt saßen. – Ungeachtet der verstörenden Diskontinuität von
Zeitpunkt des Dinners und Tischanzahl war die Tafel stets mit einem
zentralen Element – dem „Centerpiece“ – ausgestattet, das wiederum
gestalterischer Höhepunkt der Tafel war.
Solch ein „Centerpiece“ war auch unsere Silberterrine mit Untersatz
aus der Werkstatt des angesehenen Silberschmieds Thomas Pitts. Der
Londoner hatte sich auf ausgefallene Arbeiten von solchen „Centerpieces“ spezialisiert und orientierte sich an dem modernen Geschmack
der führenden Architekten wie Robert (1728–1792) und James Adam
(1732–1792), die mit ihrem Stil – dem sog. Adam-Stil – eine ganze
Epoche prägten.
Die ausgewogenen Proportionen und zurückhaltend filigrane Ornamentgebung der Adam-Brüder spiegeln sich auch in unserer Silberterrine
wider. Wie bei einem zarten Laubblatt läuft die Kontur des Untersatzes
der Terrine spitz zusammen. Das Gefäß selbst steht auf filigranen Löwentatzen, die sich ins Akanthusblattwerk wandeln. Eine vorgehängte
Lorbeergirlande nimmt der Terrine ihre Masse und verleiht ihr eine festliche Erscheinung, die mit ihrer einladenden Traubenrispe als zentralem
Element einer prächtigen Dinnertafel alle Ehre macht.
Da das englische Sterlingsilber einen sehr hohen Reinheitsgehalt hat,
wurde es zur Geldbeschaffung regelmäßig eingeschmolzen, was im
Laufe der letzten 200 Jahre den Bestand an den Silbererzeugnissen
des 18. Jahrhunderts dezimierte.
Es verwundert daher nicht, daß das rare und außerordentlich filigrane
georgianische Silber stets die Sammler und Kunstkenner interessierte.
Zuletzt wurde unsere Silberterrine in Berlin 1926 von dem angesehenen
Kunsthändler Paul Glaser angeboten. Versehen mit einer Expertise
vom damaligen Kenner für Kunstgewerbe, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Nachfolger Wilhelm von Bodes, Otto von
Falke (1862–1942), gelangte sie in die Privatsammlung des Industriellen Dr. Fritz Reuther in Mannheim und dürfte besonderer Schmuck
seiner Tafeln gewesen sein.
Nach 90 Jahren ist die Terrine nun wieder in Berlin und Abbild der
feinsten Londoner Silberschmiedekunst des 18. Jahrhunderts. (PG)
Grisebach 05|2014
Pitts hatte sich auf
ausgefallene Arbeiten von solchen
„Centerpieces“ spezialisiert.
337
Robert Garrard II
1793 – London – 1881
Diese viktorianische Prunkkassette aus edlem Stein und mit Silberdekorationen kann „fully sustained the reputation of the firm“ Robert Garrard belegen. Das 1861 gepunzte Kunstwerk und das Urteil über den
Goldschmied aus dem Folgejahr legen Zeugnis der hohen Qualität und
Wertschätzung des Kunstgewerbes unter Queen Victoria (1819–1901) ab.
Der langjährige königlich-englische Hoflieferant Robert II Garrard nutzte
als Grundmaterial der Kassette mit den vier massiven Silberputti einen
von Queen Victoria und Prince Albert wertgeschätzten Stein, den
Lizard Serpentine (Lizardit).
Prunkkassette.
1861
Wohl Cornish Serpentine (Serpentinit
oder ein Gestein mit viel Lizardit),
aus Südengland, geschnitten; Silber,
gegossen, ziseliert; Bronze, versilbert.
26 x 36 x 30 cm (10 ¼ x 14 ⅛ x 11 ¾ in.).
BZ London 1861/62, MZ Garrard (ab 1822).
[vgl. Grimwade, Nr. 2322].
[3214]
Provenienz: Privatsammlung, Deutschland
€ 10.000 – 12.000
$ 13,700 – 16,400
1846 nämlich hatte das Königspaar die Halbinsel Lizard in der Grafschaft Cornwall besucht und war so überwältigt von den dortigen
seltenen Steinvorkommen, daß die beiden mit ihrer royalen Patronage
zugleich einen neuen Industriezweig eröffneten, der in der Unternehmensgründung der Lizard Serpentine Company und zahlreicher
weiterer Steinfabriken mündete. Aus großen Blöcken des grünlichen
Gesteins mit roten Einsprengselungen wurden hier kleine wertvolle
Objekte wie Briefbeschwerer, Kerzenhalter, Vasen und Kisten hergestellt.
Arts and Crafts – diese Bewegung verdankt sich und den enormen
Aufschwung des industriellen Kunstgewerbes im 19. Jahrhundert
in Großbritannien vor allem ihren beiden großen Mäzenen: Queen
Victoria und Prince Albert. Mit der Gründung des Victoria and Albert
Museums 1852, damals „South Kensington Museum“, im noblen
Londoner Westen, trug das Königspaar nach der Great Exhibition von
1851 maßgeblich zum Erfolg Londons als dem Hauptschauplatz des
Produktdesigns in Europa bei. Prince Albert demonstrierte im V&A für
die britische Bevölkerung sein Konzept einer „Anwendung der Kunst
im Handwerk“ und verhalf so dem englischen Kunstgewerbe zu einer
international beachteten Blütezeit.
Vergleichsliteratur: John Burley Waring und
William Robert Tymms, Masterpieces of
industrial art & sculpture at the international
exhibition, Bd. 3, London 1863, plate 221 /
Katalog The Gilbert Collection of Gold & Silver,
Los Angeles 1988, S. 656
Als Hoflieferanten wählten Queen Victoria und Prince Albert nur die
feinsten Adressen. Und so waren Robert Garrard und seine Brüder
James und Sebastian bereits seit 1834 Hoflieferanten und ab 1843
offizielle Hofjuweliere des Königshauses. Bei der Weltausstellung von
1862 in London, der Great London Exposition, stellte das inzwischen
traditionsreiche Juweliersunternehmen als „Garrard & Co“ aus.
Wir danken Prof. Simone und Peter Huber,
Wiener Neustadt, für die gemologische
Bestimmung sowie Victoria Platt,
Archive Victoria and Albert Museum London
(Firmenarchiv Garrard), für freundliche Hinweise.
Im Katalog der Great London Exposition werden ihre Kunstwerke herausgehoben genannt: Es sei „a firm which occupies so distinguished a
position as that of Messrs. Garrard“. Und unter den „noble specimens
of the silversmith’s art exhibited by Messrs. Garrard“ werden zahlreiche
Objekte aufgeführt, die allesamt deren hohe Kunstfertigkeit und den
Ideenreichtum demonstrierten.
Vielleicht war auch unsere Prunkkassette, die so „fully sustained the
reputation of the firm“ spiegelte, wie es im Katalog hieß, 1862 auf der
Londoner Weltausstellung zu sehen. – In jedem Fall jedoch ließ sie
zusammen mit „Garrard & Co“, die insgesamt 164 Jahre lang treuer
Diener der britischen Krone waren, Englands Kunstgewerbe erstrahlen.
(AE)
Grisebach 05|2014
„... fully sustained the
reputation of the firm ...“
338
Theophil Hansen
Kopenhagen 1813 – 1891 Wien
„Hernstein ist heute der Sommersitz des Herrn Erzherzog Leopold. Von
ihm insbesondere ging der Gedanke aus, sich hier wohnlich einzurichten... Die abgeschiedene schöne Lage des Ortes war dabei mitbestimmend (...) einen geziemenden Raum für Jagdgäste zu schaffen.“ Mit
diesen Worten eröffnete eine Illustrierte von 1876 ihren Artikel über
das Schloß nahe Wien und untertrieb gewaltig. – Denn das Mitglied
der österreichischen Kaiserfamilie bestellte einen Prachtbau und dessen Ausstattung „ohne Beschränkung der Kunstmittel, die dabei nöthig
erachtet werden“.
Laufsessel aus dem Schloß Hernstein
in Niederösterreich.
Um 1870
Buche, massiv, geschnitzt, schwarz gefaßt,
vergoldet - Hoftischlermeister Heinrich Dübell
(1812–1886), Wien / originale Stoffbespannung mit rotem Rips mit Silberfäden.
88,5 x 48 x 55 cm (34 ⅞ x 18 ⅞ x 21 ⅝ in.).
Klebezettel: K.u.K. VILLA-INSPECTION ISCHL.
Silberfäden angelaufen. [3450]
Provenienz: Um 1870 im Auftrag Erzherzog
Leopold Ludwigs von Österreich (1823–1898) /
Wohl über einen seiner Erben Erzherzog
Franz Salvator von Österreich (1866–1939)
in die Kaiservilla in Bad Ischl /
Nach 1945 Kunsthandel, Eisenstadt /
1990 Privatsammlung, Wien
Literatur und Abbildung: Eva-Maria Orosz:
Sitzgelegenheiten des Architekten Theophil
Hansen. Die stilistische Ableitung und
Einordnung in das Wiener Möbel, Wien 2000
€ 10.000 – 15.000
$ 13,700 – 20,500
Vergleichsliteratur: Eva Ottlinger und Lieselotte
Hanzl: Kaiserliche Interieurs. Die Wohnkultur
des Wiener Hofes im 19. Jahrhundert und die
Wiener Kunstgewerbereform, Wien 1997
Vergleichsobjekte: 20 Exemplare in Schloß
Hernstein / 1 Exemplar Wien-Museum /
1 Exemplar Hofmobiliendepot Wien
Grisebach 05|2014
Auftraggeber dieses kostspieligen Unterfangens war Erzherzog
Leopold Ludwig von Österreich, der als Sohn des lombardischen
Vizekönigs und Neffen des Kaisers in der Größe und Weite des
Vielvölkerreiches aufgewachsen war. Als General-Genie-Inspektor
war er besonders an technischen Innovationen interessiert und sollte
diese Leidenschaft auch in seinen Schloßumbau einbringen, der 1866
begonnen wurde.
Das von außen neogotisch umgestaltete Hernstein machte alsbald
einen „imponierenden Eindruck seiner ganzen Erscheinung, mit allen
Details der gewählten und reichen Einrichtung, ja selbst mit der Anordnung des umgebenden Parkes, der dem Baustyl des Hauses angepaßt
wurde, ist es ein Werk unseres an der jüngsten Bauentwicklung Wiens
so glänzend betheiligten Meisters Theophil v. Hansen und zugleich eines
der interessantesten Objecte, um die Conception dieses Künstlers in einer von ihm sonst wenig verfolgten Richtung zu würdigen“ (Die Heimat,
Bd. 1 (1878), S.132).
Denn der aus Kopenhagen stammende Architekt war im Wien der
Ringstraßenzeit an zahlreichen großen Bauprojekten beteiligt, die bis
heute seinen Ruhm begründen. Und auch bei seinen Neubauten, wie
dem Musikverein, der Akademie der Bildenden Künste und dem Parlament, sollte er Gesamtkunstwerke schaffen, die von der architektonischen Hülle bis zur Türklinke, vom Garten bis zum Möbel „durchgestylt“ waren. Und Hansen baute klassizistisch-antikisch, vermochte die
deutschen Renaissanceformen modern und innovativ in seine Zeit und
die jeweiligen Nutzungsanforderungen zu transferieren. Mit Hernstein
bewies der Architekt darüber hinaus, diese Stilmerkmale hinter einer
gotischen Fassade und mit einer technisch innovativen Ausstattung
zusammenzufügen.
Neben den Wandvertäfelungen, Decken und Böden kam den mobilen
Einrichtungsgegenständen besondere Aufmerksamkeit zu. Angeblich
war Hansen um 1835 in Berlin bei Karl Friedrich Schinkel ausgebildet worden und setzte sich daraufhin auch in Österreich dafür ein,
gewerbliche Gestaltungsaufgaben den Architekten zu überlassen. Die
Entwürfe zu Möbeln verarbeiten dazu Schmuckformen des Empire,
verbunden mit technischen Innovationen, wie etwa Rollen.
Nach Hansens Plänen fertigte so der kaiserliche Hoftischler Heinrich
Dübell für Hernstein Laufsessel, die zum mobilen Bedarf im Schloß
entworfen worden waren. Deren klarer tektonischer Aufbau orientierte
„... ohne Beschränkung der
Kunstmittel, die dabei nöthig
erachtet werden“
339
Theophil Hansen
Kopenhagen 1813 – 1891 Wien
sich an der Baukunst und wechselte von lastenden (horizontalen) zu
tragenden (vertikalen) Teilen.
Die nach hinten gebogenen Stuhlbeine des Hernsteiner Laufsessels
(siehe Katalog 338) bewahren vor dem Nachhintenumfallen, die leicht
gebogene Rückenlehne paßt sich ergonomisch dem Rücken an, was
Hansens Orientierung am antiken Klismos-Stuhl zeigt. Zeitgenössische
Kunstgewerbekritik bezeichnete diesen Stil als „griechische Antike“ im
Rahmen der Neorenaissance.
Kaminblasebalg
aus dem Schloß Hernstein
in Niederösterreich.
Um 1870
Vergoldeter Bronzeguß von Johann David
Hollenbach (1810–1871), Wien /
rotes Leder. 36 x 13 cm (14 ⅛ x 5 ⅛ in.).
Leder gerissen. [3450] Provenienz: Um 1870 im Auftrag
von Erzherzog Leopold Ludwig
von Österreich (1813–1891) /
Privatsammlung, Wien
€ 1.000 – 2.000
$ 1,370 – 2,740
Vergleichsstück: Zwei Exemplare
in Schloß Hernstein
Sorgfältigst sind die Schnitzereien und Vergoldungen ausgeführt, die
Hansen wie alle kunsthandwerklichen Arbeiten selbst überwachte und
abnahm. All seine Entwürfe wurden mit den Tischlern ausprobiert und
zur Not mehrfach modifiziert, selbst bei der Ziselierung der Bronzen
wollte Hansen dabei sein.
Im ausführenden Bronzearbeiter David Hollenbach, der Hernstein
ausstattete, hatte Hansen hier einen genialen Konterpart. Hollenbach
hatte den künstlerischen Bronzeguß wieder in Wien eingeführt und
technisch perfektioniert, wofür er auf den Weltausstellungen prämiert
und gefeiert wurde: „(...) so können sich doch, was vollendete Vereinigung von künstlerischer Auffassung und Technik betrifft, wenig andere
messen mit der Bronzefabrik D.Hollenbach in Wien, deren Erzeugnisse
in der Tat die Bewunderung und den Neid der Franzosen und Briten in
hohem Grade erregen“ (lllustrierter Katalog der Pariser Weltausstellung
1867, Leipzig 1868, S. 61).
Die Ausführung des Blasebalgs der Hernstein-Ausstattung belegt dies
anschaulich. Klug wird unter der durchbrochenen Erzherzogskrone der
Ansauger verborgen, der den Blasebalg mit Luft versorgt.
Bei seiner Gestaltung nutzt Hansen sein kluges System von motivischen
Bezügen, die – keine Wiederholung von Dekorationsmotiven – alle
Bauteile, Möbel und kleinkunstgewerblichen Gegenstände Hernsteins
zu einem harmonischen Gesamtkunstwerk zusammenfügen (siehe
Abbildung des Ahnensaales).
Während auf vielen Teilen der einzig für Hernstein entworfenen
Ausstattung das Monogramm des erzherzoglichen Auftraggebers
und Hausherren prangt, ließ Leopold Ludwig 1881 am Eingang des
Hauses eine Plakette stolz verkünden, das Schloß sei „hergestellt und
eingerichtet nach den Entwürfen und unter der Leitung des Architekten
Theophil Hansen“. – Eine Hommage an den Klassizisten, historistischen Architekten und Erneuerer des Gewerbefleißes in Österreich
Theophil Hansen, dessen Innovationen und Formen nachfolgend auch
von Otto Wagner aufgenommen wurde. (SK)
Grisebach 05|2014
All seine Entwürfe wurden mit den
Tischlern ausprobiert und zur Not mehrfach
modifiziert, selbst bei der Ziselierung der
Bronzen wollte Hansen dabei sein.
340
Carl Moll
1861 – Wien – 1945
„Acht Tage dauerte dann im Wiener Sanatorium Loew das Sterben. Die
beiden letzten Stunden durfte ich Mahler mit dem Sauerstoffapparat
das Atmen erleichtern. Um 11 Uhr nachts trat das Ende ein. [...] Ich hielt
den Rest der Nacht und den nächsten Tag Totenwache, dann nahm ich
die Totenmaske ab. Unser Leben hatte einen tiefen Riß bekommen“,
resümiert Mahlers Schwiegervater Carl Moll, der Stiefvater von Alma
(1879–1964), in seinen Lebenserinnerungen.
Die demnach vom Maler Carl Moll abgenommene Totenmaske ist das
letzte Abbild des großen Musikschöpfers, gleichzeitig ist sie ein privates Zeugnis aus seinem nächsten Familienumkreis.
Totenmaske Gustav Mahlers
(1860–1911).
1911
Gips. 27 x 19 x 19 cm
(10 ⅝ x 7 ½ x 7 ½ in.).
[3374] Provenienz: Aus dem Besitz von Helene
Pührmayer, Lektorin im 1923 gegründeten
Zsolnay-Verlag (dort im Kontakt mit
Anna Mahler-Zsolnay (1904–1988),
der Tochter des Komponisten) /
Deren Schwester Friederike Stojan,
geb. Pührmayer (gest. 1981) /
Seitdem Familienbesitz, Österreich
Literatur: Carl Moll: Mein Leben, Wien
1943, S.170ff. / Alfred Roller: Die
Bildnisse von Gustav Mahler,
Leipzig 1921, S. 27
€ 6.000 – 8.000
$ 8,220 – 10,960
Vergleichsobjekte: Totenmaske im WienMuseum, Gustav-Mahler-GesellschaftWien, (jeweils mit großem Halsausschnitt,
angeblich von Anton Sandig ausgeformt) /
Médiathèque Musicale Mahler, Paris
(diese aus dem Besitz von Alfred Roller
und mit kurzem Halsausschnitt)
Grisebach 05|2014
Im Augenblick des Todes beginnt der unaufhaltsame Zerfall des
menschlichen Körpers. Eine gewisse Zeit bleibt in unserem Gedächtnis
zwar die Erinnerung an einen Menschen bestehen, doch auch diese
verblaßt unaufhaltsam. Standbilder und Portraits helfen zwar die
Erinnerung aufrechtzuerhalten, doch spiegeln sich darin eigentlich nur,
idealisiert, die Erwartungen an die Dargestellten.
Ganz anders die Totenmaske: im letzten Augenblick der körperlichen
Unversehrtheit abgenommen, ist die Totenmaske frei von jeglichen
sich darin spiegelnden Gefühlen, Absichten oder anderen das Wahre
verzerrenden Gesten. Sie ist das unverfälschte und intimste Abbild des
Verstorbenen.
Der Künstler und Mahler-Freund Alfred Roller (1864–1935) beschrieb
dies 1921: „Als ich am Morgen nach der Todesnacht von Mahlers Sterblichem Abschied nahm, trugen seine Züge noch die Qual des langen
Todeskampfes. Klimt, der ihn mehrere Stunden später sah, erzählte
mir, wie feierlich ruhig und erhaben schon sie in der Folge geworden
seien und so zeigt sie uns auch die wunderbare, durch Moll genommene
Totenmaske.“
Vergleicht man dieses letzte Abbild mit Mahlers Büste von Rodin,
so blickt man selbstverständlich auf zwei vollkommen verschiedene
Welten: das Dynamische in der Plastik und das Ruhige in der Maske.
Bei Rodin einer der wichtigsten Geister der Musikgeschichte, der
Erneuerer und Reformer, der Eroberer neuer Dimensionen, hier der
Mensch, Vater, Schwiegervater, Freund, wie nur die wenigsten ihn
erleben durften.
Als der Komponist in Wien starb, schrieb die New York Tribune: „Wir
halten es für ausgeschlossen, daß seine Musik ihn lange überleben wird.
Zwischen der alten und der neuen Schule gibt es keinen Platz für sie.“
–Heute wissen wir es besser, das Genie Mahler ist mit seiner Musik
aus dem Kanon der Hochkultur nicht wegzudenken. Seine Totenmaske
erlaubt uns jedoch einen Blick auf einen anderen Gustav Mahler. (PG)
„Klimt, der ihn mehrere Stunden später sah,
erzählte mir, wie feierlich ruhig und erhaben
schon [seine Züge] in der Folge geworden seien.“
341
Borneo. Kalimantan,
Volk der Dayak
Wenn eine Familie aus dem Volk der Dayak vom südlichen Teil der Insel
Borneo den Tod eines ihrer Oberhäupter zu beklagen hatte, wurde eine
Skulptur geschnitzt wie die, die wir hier präsentieren.
Mann nennt diese Kunstwerke auch Hampatong-Figuren. Traditionell
standen sie einst vor den für die Dayak-Siedlungen typischen Langhäusern. Der Behelfsname „Wächterfigur“ gibt einen Hinweis auf ihre
Funktion.
Die Skulpturen sollten die Bewohner des Hauses vor Gefahren schützen. Darauf deuten ihre weit ausgebreiteten Arme, die stets separat
gefertigt und anschließend am Körper befestigt wurden. In manchen
Publikationen werden die Figuren wegen ihrer Armhaltung auch als
tanzend beschrieben, was freilich kein Widerspruch sein muß.
Stehende Wächterfigur
mit ausgebreiteten Armen:
Hampatong Pantak.
19. – frühes 20. Jahrhundert
Eisenholz (Kompasia), geschnitzt /
Arme eingesteckt.
132 x 114 x 15 cm (52 x 44 ⅞ x 5 ⅞ in.).
Wetterbedingte Erosionsspuren an Kopf und
Schultern, Reste einer Fassung. [3453]
Provenienz: 1979 Kunsthandlung Alte
Asiatische Kunst Günter Venske, Berlin /
Privatsammlung, Frankreich
€ 18.000 – 22.000
$ 24,700 – 30,100
Vergleichsliteratur: Jerome Feldman (Hrsg.):
The Eloquent Dead. Ancestral Sculpture
of Indonesia Asia, Ausst.-Kat.,
Los Angeles 1985, S. 41ff.
Grisebach 05|2014
Aus besonders hartem Eisenholz gearbeitet, befindet sich unser
Exemplar bis auf einige Verwitterungsspuren an Kopf und Schultern in
gutem Erhaltungszustand. Mit einer Höhe von gut 1,30 Meter zählt sie
zu den größeren Versionen der Gattung, oft sind Hampatong-Figuren
auch nur einen Meter hoch. Was die Datierung anbelangt, so läßt sich
der Zeitpunkt ihrer Entstehung lediglich auf den Zeitraum vom späten
19. bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eingrenzen. – Damals
starb der Dayak-Kult weitgehend aus.
Die meisten aus dieser Zeit überlieferten, bekannten Hampatong-Figuren weisen männliche Attribute auf, es existieren aber auch vereinzelt
weibliche Figuren. Den hohen Rang, den diese Kunstwerke in der
Gemeinschaft der Dayak innehatten, verdeutlichen die kunstvolle,
aufwendige Ausführung und vor allem die überaus sorgfältig herausgearbeiteten Details der Physiognomie der Skulptur.
Besonders auf die Gestaltung des Antlitzes legten der unbekannte
Künstler respektive seine Auftraggeber offenkundig größten Wert.
Danach wurde die Figur auch noch bemalt, wie Reste einer farbigen
Fassung belegen, und mit Kleidung, Blüten und Erinnerungsstücken an
die Toten geschmückt.
Den Hampatong-Figuren kam aber auch bereits während der Zeremonie für den Verstorbenen eine wichtige Rolle zu. In ihnen sollte den
religiösen Vorstellungen der Dayak nach der Geist des Verstorbenen
vorübergehend Aufnahme finden. Erst danach konnte dieser seine
Reise ins Totenreich antreten. (UC)
In ihnen sollte den religiösen
Vorstellungen der Dayak nach
der Geist des Verstorbenen
vorübergehend Aufnahme finden.
342
Gabriel Hermeling
1833 – Köln – 1904
In der sich anbahnenden Stilwende, zwischen Historismus und Jugendstil,
entstanden die Windlichter aus der Werkstatt des Hofgoldschmiedes
Gabriel Hermeling. Der neue Stil, der später so als Jugendstil bezeichnet wurde, deutet sich bereits in den floralen Elementen an, die das
Kerzenlicht in Form eines geöffneten Blütenkelchs mit plastischem
Blattwerk umgeben.
Der meisterhafte Einsatz von Transluzidemail, einer farbigen Glaspaste,
aus dem die Blüten gefertigt sind, entsprach jedoch noch dem Kunstverständnis des Historismus, dem Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der sich in historisierenden Techniken und der Wiederaufnahme
vergangener Kunstepochen hervortat.
Acht Windlichter mit Kerzenaufsätzen
in einer Kassette.
Um 1900
Transluzidemail, Messing, vergoldet; Porzellan;
Holz; zeitgenössische Kassette.
Je 8 cm (14 cm mit Kerzenaufsatz)
(3 ⅛ in. (5 ½ in. mit Kerzenaufsatz)).
Gabriel Hermeling / Hof-Goldschmid &
Emailleur / KÖLN. Minimale Materialausbrüche
bei Nr. I, III, VIII. [3439]
Provenienz: Seit 1978 Privatsammlung, Berlin
€ 3.000 – 5.000
$ 4,110 – 6,850
Gabriel Hermeling war einer der führenden Goldschmiedemeister in
den preußischen Rheinlanden, er erfreute sich der besonderen Gunst
der Hohenzollern und besonders Kaiser Wilhelms II. (1859 - 1941). Seine
Pokale, Tafelaufsätze, Prunkbrunnen und Prunkgefäße, die anläßlich
von Staatsbesuchen, Einweihungen oder Gedenkfeiern angefertigt
wurden, verwenden neben der reichen Goldarbeit die Farbigkeit von
Edelsteinen wie Jaspis, Bergkristall, Lapislazuli und immer wieder das
arbeitsintensive und aufwendige Transluzidemail.
Hermelings Arbeiten erreichen damit eine ungeheuer prächtige Anmutung, die in der Tradition mittelalterlicher Kunst- und Kultobjekte zu
sehen sind. Im Stadtmuseum Köln sind diese kostbaren Zeugnisse
exquisiter, traditionsreicher Handwerkskunst an der Schwelle zu einem
neuen Jahrhundert zu finden. Hermelings Nachfolger, Josef Kleefisch,
der die Werkstatt übernahm, setzte diese Tradition fort. 1914 entstand
der neo-romanische Agilophus-Schrein für den Kölner Dom.
Neben den offiziellen Arbeiten fertigte Hermeling aber auch Luxusartikel
für die häusliche Sphäre. Die Windlichter weisen mit ihrer Farbigkeit
jene Wirkung von „Glut und Schimmer“ (Dolf Sternberger) auf, die das
Fin de siècle liebte.
Der innere Orient hielt Einzug in die prunkvollen Räume einer reichen
Bourgeoisie. Der bewegte und flackernde Schein der Kerzen brachte
die Leuchtkraft des Emails in besonderer Weise zur Wirkung. Es entstand eine mystische Atmosphäre, die durch das farbige, matte Licht
hervorgerufen wurde und eine magische, wohlig glühende Dämmerung
ergab, die der mentalen Bereitschaft einer speziellen Klientel entgegenkam, sich verschwimmenden Gefühlswelten hinzugeben.
Die originale Kassette, in der die Windlichter aufbewahrt werden, läßt
sie eindringlich als Preziosen erscheinen, dem Alltag entzogen, eine Aura
des Außergewöhnlichen evozierend.
Wir danken für diesen Text Dr. Ingeborg Becker, Berlin.
Grisebach 05|2014
Es entstand eine mystische Atmosphäre,
die der mentalen Bereitschaft einer speziellen
Klientel entgegenkam, sich verschwimmenden
Gefühlswelten hinzugeben.
343
Wohl Belgien
Noch niemals wurde der Darstellung von Blumen und Pflanzen eine
solche Priorität eingeräumt wie in der neuen, international sich
artikulierenden Stilkunst, die ab 1890 in ganz Europa entstand. Art
Nouveau oder Jugendstil stellte im Unterschied zu dem vorherrschenden
schweren, feierlichen und pompösen Stil des Historismus die organisch bewegte Natur in den Mittelpunkt ihrer Kunstauffassung.
Die „wüchsigen“, vertikal strebenden Kräfte der Pflanzenwelt wurden
in abstrahierender Weise künstlerisch umgesetzt. Ein Phänomen war,
daß der Jugendstil oder Art Nouveau generell eine besondere Vorliebe
für bestimmte Pflanzen entwickelte, hierzu gehörten besonders die
Seerosen. Die dekorative Schönheit ihrer Blüten, der schwankende,
bewegte Standort auf dem Wasser, ihre weit nach unten reichenden
Stängel der ausgestreckten Wurzeln machten sie zu einem Gewächs
der unergründlichen Tiefe.
Kronleuchter mit
Schilf- und Seerosendekor.
1900/1910
Messing, gegossen, ziseliert;
ursprünglicher Oberflächenüberzug:
Zaponlack über Gelbbrenne.
130 x 85 cm (51 ⅛ x 33 ½ in.).
Originale Porzellanglühbirnenhalterungen.
[3214]
Provenienz: Privatsammlung, Deutschland
€ 8.000 – 10.000
$ 10,960 – 13,700
Vergleichsliteratur: Moderne Beleuchtungskörper; in: Dekorative Kunst.
Illustrierte Zeitschrift für Angewandte
Kunst, München 1898, Band 1, S. 4–14
Für die Künstler des Art Nouveau ergab sich hieraus eine einzigartige
Anziehungskraft, die sich aus der Vorliebe für das Dekorative, aber
auch für das Nachtseitige der Natur herleitete.
Dieser frühe elektrische Deckenluster, wohl um 1900/1910 entstanden, ein Beleuchtungskörper der damals modernsten Technik, vereint
zwei im Wasser wachsende Pflanzen, Seerose und Alge.
Während die aufstrebenden Lusterarme sich aus den Stängeln der
Seerose bilden und die Fassungen der Birnen in die geöffneten Blüten
eingefügt sind, besteht die plastische, durchbrochene Korbzone aus
den charakteristischen Ausformungen, einer an Nord- und Ostsee
heimischen Algenart (wohl Ulva lactula).
Ähnlich den Metro-Eingängen, die der französische Architekt Hector
Guimard (1867–1942) um 1900 für das Pariser Stadtbild entwarf,
schienen sich Technik und Naturbeseelung nicht zu widersprechen.
Der internationale Jugendstil bezog aber auch seine wichtigsten Impulse
aus Brüssel, wo vielleicht auch dieser Leuchter entstanden sein könnte.
In Deutschland trat besonders der Jugendstil-Künstler Otto Eckmann
(1865–1902) mit modernen elektrischen Lampen hervor, die als Pflanzenskulpturen gestaltet waren.
Die zeittypische Faszination des Jugendstils für die „Verwandlung
des Gegenstands“ übertrug die Konstruktion dieses raumgreifenden
Lusters in das dynamische Gerüst der Pflanzen und ein Objekt der
technischen Funktionalität erfuhr damit seine Metamorphose zu einem
verzauberten artifiziellen Gebilde der Natur.
Wir danken für diesen Text Dr. Ingeborg Becker, Berlin.
Grisebach 05|2014
Die dekorative Schönheit ihrer Blüten und die weit
nach unten reichenden Wurzeln machten die Seerose
zu einem Gewächs der unergründlichen Tiefe.
344
Viktor Paul Mohn
Meißen 1842 – 1911 Berlin
In seiner Biographie über den großen Zeichner der Romantik, Ludwig
Richter (1803–1884), bedauerte dessen Lieblingsschüler: „Es ist schade,
daß die unvergleichlichen, durch die Brüder Grimm gesammelten Märchen unserem Richter nicht zum Illustrieren übergeben wurden,
das wäre ein Werk geworden wie kaum ein zweites in Deutschland...“
(1896, S. 68). – Viktor Paul Mohn sollte schließlich diese Aufgabe
übernehmen und das Erbe seines Meisters in der verdichteten Ausführlichkeit seiner Aquarelle weiterführen.
Mohn war schon als Lehrling im Atelier Ludwig Richters gewesen, wo
er dessen Formtradition der schwingenden Linie aufnahm. Seit 1876
führte Mohn das Atelier des altersschwachen Richter und widmete
sich – wie dieser – der Illustration von Büchern.
1880 erhielt der damals 38jährige Mohn vom Berliner Verleger Georg
Stilke (1840–1900) den Auftrag zur Gestaltung einer Teilausgabe der
Märchen der Brüder Grimm. – Zwei Jahre später erschien diese erste
durchgehend in Farbe illustrierte Grimm-Ausgabe mit 42 Chromolithographien nach Zeichnungen und Aquarellen Mohns.
34 Entwürfe zum Buch
„Märchen-Strauß für Kind und Haus“ .
1880-1882
Feder, Tusche, Aquarell und Deckfarben
über Bleistift auf festem Kartonpapier, auf
Karton montiert, in einer Mappe.
gr. 2°. Zahlreiche Siganturen und Datierungen, z.B. am Schmutztitel
„Märchen-Strauß für Kind und Haus.
Mit Bildern von V.P. Mohn. / Berlin-Verlag
von Georg Stilke“, Mohn 24. Mai 1882.
Mappenrand leicht ausgerissen. [3392]
Provenienz: Ehemals Sammlung Dr. Eugen
Lucius (1834–1903), Frankfurt am Main
(direkt beim Künstler erworben) /
Seitdem Familienbesitz, Niederlande
€ 5.000 – 7.000
$ 6,850 – 9,590
Vergleichsliteratur: Regina Freyberger:
Märchenbilder-Bildermärchen.
Illustrationen zu Grimms Märchen,
Oberhausen 2009, S. 98ff.
Grisebach 05|2014
Unsere Mappe mit einem Großteil der Vorlagen, Skizzen und Entwürfe
zu diesem für Mohn wichtigen Projekt verrät den Werkprozeß. Der
Zeichner stellt die Landschaften in den Mittelpunkt. Tiefe und dunkle
Wälder, luftige Lichtungen, romantische Häuschen und gotische Burgen
bilden die Märchen-Idyllen der großen Blätter. Textseiten werden von
figürlichen Bordüren oder Simultanbildern begleitet.
Unsere sorgsam datierten Blätter zeigen alle Stadien des Entwurfes
zum „Märchen-Strauß“– von der Bleistiftskizze schmaler Bildbordüren
bis hin zu durchaquarellierten Vorsatzseiten. Mohn erweist sich dabei
als Meister des Kolorierens und Aquarellierens, seine Linien sind klar
und reduziert. Damit bleibt er – besonders bei den Figuren – ganz dem
Illustrationsstil seines verehrten Meisters Richter treu.
Und dennoch stellt sich bei Mohns Blättern neben die romantische
Naturnähe auch realistische Dramatik: denn die idyllischen MärchenLandschaften sind immer auch gefährlich – in ihrer Gestaltung wie im
aufregend verdichteten Kolorit. So fängt Sterntaler romantisch den
sterngleißenden Himmel auf und steht doch bedrohlich nahe dem
finsteren Abgrund. Es sind diese schaurig-schönen Bilder, die Viktor
Paul Mohn zu einem Spätromantiker auf dem Weg zum malerischen
Realismus machen.
Die von Verleger Stilke klug über den von ihm eingeführten Bahnhofshandel vertriebenen Märchenbücher wurden ein Riesenerfolg in
Deutschland.
Für Mohn folgten weitere Illustrationsaufträge zu modernen Märchen
und die Gestaltung der ersten „offiziellen“ Großen Ausgabe der Kinderund Hausmärchen, die Herman Grimm (1828–1901) 1893 herausgab. –
Richter wäre stolz auf seinen Lieblingsschüler gewesen. (SK)
87
max. Klappenbreite 185 mm, Bild ist
etwas verkleinert
87
Grisebach 05|2014
345
Louis Gilbert
Louis Gilbert gilt als ein noch zu entdeckender Einbandkünstler, wie
die außerordentliche Kunstfertigkeit der rund 250 Ausführungsentwürfe
aus dem Nachlaß des Künstlers vor Augen führt.
Er arbeitet in einer Zeit, als die französische Buchgestaltung im Stil
des Art-déco Weltgeltung erlangt hatte. Für zwei der namhaftesten
Buchkünstler, für Georges Cretté (1893–1969) und insbesondere
für den Begründer der reliure originale, Pierre Legrain (1889–1929),
fertigte Louis Gilbert Einbände und deren Modelle.
Sammlung von 247 Entwürfen
zu Art-déco-Bucheinbänden.
Um 1920/30
Aquarell, Tusche, Feder, Bronze- und
Goldstift, teilweise über Bleistift,
auf verschiedenfarbigem Papier, teilweise
mit Reliefwirkung. 4° und 8°. Entwurf
rückseitig in Goldbronze signiert: Louis
Gilbert / teilweise rückseitig Titel, Autoren
und Auftraggeber der Einbandentwürfe
vermerkt. 109 Blatt mit Titeln bezeichnet,
54 Blatt für Einbände der Größe 8° (oktav),
81 Entwürfe für Buchrücken (in unterschiedlichen Größen), zahlreiche Notizen.
[3489]
Provenienz: Wohl aus dem Archiv des
Künstlers / 1980 Kunsthandel, Boston /
Seitdem Privatsammlung, Hamburg
€ 8.500 – 10.000
$ 11,640 – 13,700
Vergleichsliteratur: Julien Flety: Dictionnaire des relieurs français ayant exercé
de 1800 à nos jours. Suivi d’un guide
pratique des relieurs, doreurs, marbreurs
et restaurateurs contemporains,
Paris 1988, S. 80
Grisebach 05|2014
Legrain hatte zusammen mit dem Pariser Modemacher und Buchliebhaber Jacques Doucet (1853–1929) die Einbandkunst epochemachend
modernisiert. Das klassische darstellende, bildhafte Design, das sich
vor allem an verspielten Blumenverzierungen als Dekorationselement
bediente, erschien ihnen zum einen ästhetisch nicht mehr zeitgemäß,
zum anderen fehlte ihnen der Aspekt der künstlerischen Einheit mit
dem inhaltlichen Gehalt des literarischen Werkes. Moderne Werke wie
diejenigen Marcel Prousts, Guillaume Apollinaires oder André Gides
benötigten eine moderne Interpretation und diese sollte durch die
reliure originale gewährleistet sein.
Der neue Stil, bei dem Buchrücken und -deckel als fließende graphische
Einheit betrachtet werden, wird von der Ästhetik der Schöpfungen
der Gegenwartsplastik beherrscht. Legrain entwickelte ein neues
Formenvokabular aus abstrakten geometrischen Motiven, das dem
dekorativen Eindruck des gesamten Einbandes zu größerer Reinheit
verhelfen sollte.
Nach diesem modernen Konzept arbeitete auch Gilbert: Wesentlicher
Bestandteil war das innovative Verfahren, die visuelle Dominanz der
Buchtitel aufzulösen und die Buchstaben als graphische Elemente in
die Entwürfe unmittelbar zu integrieren.
Auch bei der Wahl des Arbeitsmaterials zeigten sich Legrain und Gilbert
äußerst experimentierfreudig. Leder und andere Tierhäute lassen sich
mit Gold-, Elfenbein-, Perlmutt- oder Holz-Intarsien zu einer neuartigen
Textur verbinden, mit der der hochwertige Bucheinband eine außergewöhnliche taktile Qualität gewinnt.
Aufgrund der großen bibliophilen Tradition in Frankreich war das
Sammeln von Büchern schon um die Jahrhundertwende in Paris sehr
populär, insbesondere als Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec,
Pierre Bonnard oder Raoul Dufy von Verlagen und Bücherclubs beauftragt wurden, Motive für Einbände zu entwerfen.
Die luxuriösen Werke in limitierten Auflagen hielten Einzug in die erlesensten Privatbibliotheken, die um diese prachtvollen Kunsteinbände
„à la Legrain“ bereichert wurden. Bis heute sind Bücher mit den verwirklichten und signierten Einbänden Louis Gilberts gesuchte Raritäten
unter Bibliophilen. (JK)
Grisebach 05|2014
Er arbeitet in einer Zeit, als die
französische Buchgestaltung im Stil des
Art-déco Weltgeltung erlangt hatte.
346
Staatliche PorzellanManufaktur Berlin
In den goldenen zwanziger Jahren stand der „kleine grüne Kaktus“
nicht nur am Balkon, sondern auch gern im feinsten Porzellan der
Berliner Manufaktur. Hierzu wurde ein quaderförmiger Kasten mit seitlichen Handhaben der chemisch-technischen Produktion der Manufaktur zu einem Kakteenkasten umfunktioniert.
Unser Kasten wurde nach einem Entwurf des neusachlichen Malers
Richard Seewald mit Figuren der Comedia dell’Arte dekoriert, wie sie
in den 1920er Jahren beliebt waren.
Kakteenkasten mit Figuren der
Commedia dell’Arte.
Nach dem Entwurf von
Richard Seewald (1889–1976).
1927
Porzellan, staffiert. 27 x 23 x 15 cm
(10 ⅝ x 9 x 5 ⅞ in.). Unterglasurblaue Zeptermarke, aufglasurblauer Reichsapfel über K.P.M.,
eigepreßter Jahresbuchstabe β (für 1927).
[3178]
Provenienz: Privatsammlung, Berlin
Ausstellung des Modelles: Weltausstellung in
Barcelona, 1929 / Sonderschau „Berliner
Porzellan“ in Berlin, 1930 / Deutsche Porzellan-Ausstellung in Den Haag, 1931 / Sechs
Jahrtausende Töpferkunst in der Akademie der
Künste in Berlin, 1934
€ 10.000 – 12.000
$ 13,700 – 16,400
Vergleichsabbildung: Erich Köllmann: Berliner
Porzellan, München 1987, Bd. I, S. 211, Abb. 131
Wir danken Tim D. Gronert für die Bereitstellung von Materialien aus seiner Publikation: Berliner Porzellan 1918 – 1968. Künstler und
Werke der Staatlichen Porzellan-Manufaktur
Berlin (voraussichtlicher Erscheinungstermin
Frühjahr 2015).
Grisebach 05|2014
Seewald war Mitglied der „Neuen Secession“ und des überregionalen
„Deutschen Künstlerbundes“, die beide im Sinne progressiver künstlerischer Ideen gegründet worden waren und zur Freiheit der Kunst
in allen Bereichen der Gestaltung beitragen wollten: so entwarf er
1920 für das Münchner Nationaltheater Bühnendekorationen für das
Ballett Karneval, brachte Gestalten aus der Commedia dell’Arte auf die
Wandbilder des Hansahochhauses in Köln, malte 1926 das Gemälde
„Karneval (Köln)“ und ließ 1927 Harlekin, Pierrot und Columbine im
Dekorentwurf unseres Kakteenkastens auf Porzellan „auftreten“. – Ein
Thema also in vielen Medien, das in Seewalds Schaffenszeit von hoher
Bedeutung war und auf dem Kakteenkasten sicherlich seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte.
Elegant überträgt sich hier das Rautenmuster des Harlekin-Kostüms
auf die Handhaben des Kastens. Die Figuren der Commedia dell’Arte
treten auf der expressionistisch stilisierten Bühne auf, an den Schmalseiten lehnen Musikinstrumente. Durch umlaufende asymmetrische
Kulissen werden die Einzelhandlungen der Ansichtsseiten zu einer
„Bühnenhandlung“ zusammengezogen. Die auf vorwiegend rote und
schwarz-graue Töne reduzierte Farbpalette abstrahiert die im Original
viel farbiger dekorierten Kostüme der Commedia im schlichten Stil der
Neuen Sachlichkeit.
Diese avantgardistische künstlerische Neuausrichtung der altehrwürdigen KPM begann Mitte der 1920er Jahre unter Direktor Nicola
Moufang (1886–1967). Neue Formen und Malereien sollten den Porzellanen moderne Impulse geben. Hierzu wurden auch Maler außerhalb
der Manufaktur beauftragt, wie Charles Crodel, Caesar Klein und eben
Richard Seewald.
Mit Seewalds „Robinson-Crusoe-Service“, das 1929 zusammen mit
unserem Commedia-dell’Arte-Kasten für Kakteen auf der Weltausstellung in Barcelona zum ersten Mal präsentiert wurde, und einer
Variante des Kakteenkastens mit „Elefant und Tiger in Steppenlandschaft“ thematisierte die Manufaktur in den lebenslüsternen Golden
Twenties den Karneval und die Exotik der Ferne. – In der Resonanz des
Publikums war dies ebenso treffsicher wie die Stacheln des berühmten
grünen Kaktus. (AE)
Elegant überträgt sich hier das
Rautenmuster des Harlekin-Kostüms
auf die Handhaben des Kastens.
347
Staatliche PorzellanManufaktur Berlin
In geometrischer Strenge gestaltete der Maler und Grafiker Ernst
Böhm für die damals Staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin eine elegante Vase in motivischer Anlehnung an Piet Mondrian (1872–1944).
Seit 1917 hatte dieser mit abstrakten Gemälden und der zusammen
mit Theo van Doesburg herausgegebenen Zeitschrift „De Stijl“ eine
avantgardistische Kunsttheorie formuliert. Mondrians gestalterische
Impulse fanden so rasch auch in Berlin ihre Rezeption.
Ernst Böhm prägte seit 1924 in seiner Funktion als Professor an den
Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in BerlinCharlottenburg das industrielle Kunstgewerbe in der Weimarer Republik entscheidend mit. Zahlreiche Werbegestaltungen gehen auf ihn
zurück, so beispielsweise auch die vier Ringe für die Auto Union, bis
heute das Firmenlogo von Audi. Für die Berliner Porzellan-Manufaktur
schuf Böhm allein mehr als 80 Dekorentwürfe und Formen.
Sog. Mondrian-Vase
(auch Chinesische Vase als Lampenfuß).
Nach dem Entwurf von
Ernst Böhm (1890–1963).
1926
KPM-Modell-Nr. 2.053 (um 1855) /
Porzellan, staffiert, vergoldet. 66 cm (26 in.).
Aufglasurroter Reichsapfel über K.P.M., eingepreßter Jahresbuchstabe α (für 1926). Die blaue
Zeptermarke ist durch die Bohrung des Loches
für die Montierung nicht mehr sichtbar. Originale Lampenvorrichtung (110 cm). [3570]
Provenienz: Privatsammlung, Berlin
Ausstellung des Modells: Mostra internazionale delle arti decorative in Monza, 1927 /
Wohnungskunst-Ausstellung in Düsseldorf,
1928 / Leistungsschau der Deutschen
Porzellan-Industrie in Wiesbaden, 1928
Literatur und Abbildung: Deutsche Kunst und
Dekoration, 1927/28, Bd. 61, S. 225, S. 227 /
Deutsche Kunst und Dekoration, 1928/
29, Bd. 63, S. 80 / Sprechsaal für Keramik,
1929, Jg. 62, Nr. 8, S.145
€ 8.000 – 10.000
$ 10,960 – 13,700
Vergleichsobjekt und -literatur: Karl Bröhan:
Bestandskatalog des Bröhan-Museums, Berlin
1993, S. 226, Nr. 226 / Hartmut Krohm (Hrsg.):
Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin 17632013. Porzellankunst aus privaten Sammlungen,
Petersberg 2013, Kat.-Nr. 77, S.176f.
Grisebach 05|2014
Das Ende des Ersten Weltkrieges mit dem Ende der Monarchie
bedeutete für die Königliche Porzellan-Manufaktur einen Schnitt in
Unternehmenspolitik und Dekorsprache. Mit dem neuen Direktor
Nicola Moufang (1886–1967) sollte eine progressive Kunstauffassung
Einzug halten.
In dieser Ära der künstlerischen Erneuerungen, verbunden mit einem
Bedürfnis wohlhabender Bürger nach einer eleganten Einrichtung der
Haushalte, schuf Ernst Böhm unseren Lampenfuß, indem er die seit
1855 bei der KPM ausgeformte „Vase nach chinesischem Vorbild“
nutzte und diese mit dem hochmodernen abstrakten Dekor im Stile
Piet Mondrians versah, wobei er die Palette auf Rot, Schwarz, Grau
und Gold reduzierte.
Zahlreiche Ausstellungen belegen dann auch die hohe Wertschätzung
dieser innovativen Umwidmung einer Vase zur Lampe: Auftakt war
1927 die „Mostra internazionale delle arti decorative“ in Monza, wo
Böhms Lampe im „hellen Damenzimmer“ gezeigt wurde (Abbildung). Es
folgten weitere Ausstellungen, in denen sie das Zentrum und Glanzlicht
der „modernen Kunstporzellane“ am Stand der Porzellan-Manufaktur war.
Das so prominent präsentierte Modell der Mondrian-Vase Ernst Böhms
dürfte jedoch nicht häufig gefertigt worden sein, denn nur wenige
weitere Exemplare sind heute bekannt. (AE)
348
China
China war Ende des 19. Jahrhunderts geschwächt durch politische
Unruhen und Kriege an jeder Front. Es wurde unter den imperialistischen Weltmächten aufgeteilt und Deutschland wollte ohne ein Stück
abhaben. – Unsere Vogelschaukarte zeigt das Ergebnis dieses Expansionsdrangs, eine deutsche Stadt in der Bucht von Jiaozhou (Kiaotschou)
auf der Halbinsel Shangdong (Schangtung) am Chinesischen Meer.
Vogelschauplan der
deutschen Koloniestadt Tsingtao
青島 全圖 (Qingdao).
Um 1910
Tusche und Karte auf Seide (Shirting).
76 x 139,5 cm (Rahmen 91 x 152 cm)
(29 ⅞ x 54 ⅞ in. (frame 35 ⅞ x 59 ⅞ in.)).
Leichte Lichtschäden. [3442] Gerahmt.
Provenienz: Sammlung Gregory Cheng, Los
Angeles / Seit 1980 Privatsammlung, Köln
€ 6.000 – 8.000
$ 8,220 – 10,960
Seit 1894 wurde nach einem passenden Ort gesucht, um einen Hafen
für die wachsende deutsche Flotte zu bauen. Drei Jahre später ging ein
Landungskorp in Qingdao (Tsingtao) an Land und besetzte die Region.
Am 6. März 1898 wurde die Bucht für 99 Jahre an das Deutsche Kaiserreich verpachtet. Die Kolonie Kiaotschou sollte zu einer „Musterkolonie“
werden.
Die Vogelschaukarte zeigt die Errungenschaften der deutschen Kolonialmacht. Denn innerhalb von wenigen Jahren bauten die Deutschen
eine gut funktionierende Infrastruktur auf. Gut zu erkennen ist die
Bahnhofsanlage westlich des Stadtzentrums. – Schon direkt nach
der Besetzung wurde am Anschluß Tsingtaos an das chinesische
Eisenbahnnetz gearbeitet. Ab 1904 betrug die Reisedauer per Zug
von Berlin nach Tsingtao 15 Tage. 60.000 Deutsche strömten in die
östliche Kolonie. Es wurden Kirchen, Schulen und sogar eine deutschchinesische Hochschule gebaut, die auf der Karte zu sehen sind.
Es ist schwer zu sagen, für wen eine solche Karte gezeichnet wurde.
Auffällig ist die Plazierung des Titels der Karte oben links, nach westlicher
Lesart. Doch sind die Zeichen nach chinesischer Tradition von rechts
nach links angeordnet. Die Karte ist mit lockerer Hand gezeichnet.
Die Perspektive folgt mit einer 45-Grad-Aufsicht einer chinesischen Kartentradition, in der vor allem Palastanlagen dargestellt wurden. Stilistisch
ist sie damit der chinesischen Landschaftsmalerei sehr nahe.
Der sicherlich chinesische Kartograph legte viel Wert auf Details: So
ist das Gouverneursgebäude im Zentrum in Stockwerk- und Fensterbogenanzahl korrekt dargestellt. Die zwei bekanntesten Gebäude der
Stadt waren die evangelische Kirche und der Gouverneurspalast im
Osten der Stadt am Fuße des Diederichs-Berges, der in unserer Karte
stilistisch chinesischen Bergdarstellungen der Kalligraphie folgt. Besonders schön ist die „Verblauung“ der Berggipfel, welche Realismus und
Tiefe erzeugt.
Der bekannteste Export der Region ist bis heute das Tsingdao-Bier. Die
Deutschen bauten eine Brauerei für die durstigen Soldaten. Auf der
Karte findet man die Germania Brauerei rechts oben, mit Schornstein
und einer kleinen Reichsflagge.
Reichskriegsflaggen, Kriegsschiffe, Kasernen und militärische Übungsgelände auf der Vogelschaukarte deuten aber ebenso an, daß diese
Kolonie militärisch abgepreßt worden war. Im Ersten Weltkrieg nahm
das kurze deutsche Kolonialabenteuer auch in Tsingtao sein Ende, doch
bis heute prägen diese Jahre das Bild der Stadt. (JL)
Grisebach 05|2014
Der sicherlich chinesische
Kartograph legte viel Wert
auf Details.
349
Konstanty Gutschow,
Albert Renger-Patzsch
und andere
1902 1978 und 1897 1966
Noch am 29. März war Konstanty Gutschow mit mehreren Lastwagen
Baumaterial zwecks Reparaturen zur Stelle. Gutschow war seit 1941
„Architekt für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg“ und zugleich
Leiter des Amtes für kriegswichtigen Einsatz, das für Luftschutz und
„Fliegerschadenbeseitigung“ zuständig war. Er ließ in öffentlichem Auftrag von zwei seiner Mitarbeiter innerhalb von vier Tagen die Schäden
kartieren und photographieren.
Kassette mit Dokumentation
„Lübeck vor und nach dem Angriff in
der Nacht vom 28. zum 29. März 1942“.
1928 und 1942
86 Silbergelatineabzüge auf 78 Blättern, davon
15 Vintages von Albert Renger-Patzsch.
Kassette an einer Schmalkante ausgerissen.
[2052]
Provenienz: 1942 Konstanty Gutschow
(1902–1978), Hamburg / Seitdem Familienbesitz
Literatur und Abbildung: Lübeck-Bilder
Renger-Patzschs in: Max Ohle (Hrsg.): Walter
Paatz. Die Marienkirche zu Lübeck, Burg
bei Magdeburg 1926 / Ernst Timm (Hrsg.):
Lübeck. Achtzig photographische Aufnahmen
von Albert Renger-Patzsch, Berlin 1928 / Carl
Georg Heise (Hrsg.): Die Welt ist schön.
Einhundert photographische Aufnahmen von
Albert Renger-Patzsch, München 1928 /
Albert Renger-Patzsch, Werner Burmeister:
Norddeutsche Backsteindome, Berlin 1930 /
Lübeck. Deutschland-Bildheft Nr. 11, BerlinTempelhof o.J. / Die Neue Sicht der Dinge.
Carl Georg Heises Lübecker Fotosammlung
aus den 20er Jahren, Ausst.-Kat., Heidelberg
1995 / Virginia Ann Heckert: Albert RengerPatzsch. Contextualizing the Early Work, 19201933, Dissertation, Columbia University 1999
€ 12.000 – 15.000
$ 16,400 – 20,500
Grisebach 05|2014
Gleichzeitig ließ Gutschow eine Mappe im DIN-A3-Format erstellen,
die mit 56 Blättern den Zustand vor der Zerstörung durch Grundrisse
und Photographien, darunter 15 Originalabzüge von Albert RengerPatzsch, dokumentierte. Im zweiten Teil der Mappe folgen die Kartierung
der Zerstörung und 31 Photographien, die vorwiegend mittels Aufnahmen der Landesbildstelle Hamburg die zerstörte Stadt Lübeck zeigen.
Ziel war es, das immense Ausmaß der Zerstörung Lübecks zu dokumentieren, glaubte man bis dahin, mittels schneller Reparaturen die
Schäden an deutschen Städten vergessen machen zu können. Gutschow
fügte der Schadensdokumentation in einem Brief an Lübecks Bürgermeister zudem Ideen zum Wiederaufbau der Stadt bei.
Es ist beachtlich, daß die aufwendig gearbeitete Kassette innerhalb
von vier Tagen erstellt wurde. Gutschow konnte seine Mitarbeiter die
78 Blätter, das Titelblatt, die Beschriftung der Kassette und die Kartierung der Schäden ausführen lassen. Die Aufnahmen der zerstörten
Stadt Lübeck waren schnell abgezogen und montiert. Deutlich schwieriger war es in der Kürze der Zeit, treffende Aufnahmen der Lübecker
Altstadt vor der Zerstörung zu finden. Hier konnte Gutschow auf einen
Bildschatz zurückgreifen, der dem Engagement Carl Georg Heises
(1890–1979) für Photographie zu verdanken war.
Heise war von 1920 bis zu seiner Suspendierung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 Direktor des St. Annen-Museums in Lübeck.
1927 machte ihn sein Kollege Hanns Krenz, damals Leiter der KestnerGesellschaft in Hannover, auf den damals noch unbekannten Photographen Albert Renger-Patzsch aufmerksam. Am 4. Dezember 1927
wurde die überhaupt erste Museumsausstellung mit Photographien von
Renger-Patzsch im Behnhaus in Lübeck eröffnet. Die ersten Kunden dieser Bilder waren Heise selbst, der Maler Alfred Mahlau (1894–1967),
der später den Einband zu Rengers bekanntestem Buch „Die Welt ist
schön“ von 1928 gestalten sollte und mit einem Plan in der Kassette
vertreten ist, und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte.
Bereits Anfang 1928 wurde Renger-Patzsch vom Verkehrsausschuß
der Stadt Lübeck beauftragt, ein photographisches Portrait der Stadt
Lübeck zu erarbeiten. Renger begann Ende März bis Mitte April 1928
mit den ersten Aufnahmen und es folgten weitere Aufenthalte in der
Stadt. Bereits Anfang Dezember erschien – mit einer Einleitung von
Carl Georg Heise – sein erstes Buch „Lübeck“, in dem die in der Kassette erhaltenen Originalphotographien von Renger-Patzsch erstmals
veröffentlicht wurden. Es war Teil des Vertrages, daß Renger-Patzsch
der Stadt Lübeck 100 Abzüge zu überlassen hatte, die Negative der
Aufnahmen durfte er jedoch behalten. Im Herbst 1929 wurde Renger
Inhalt: 2 Karten und Pläne. der Photos
6,3 x 22,5 cm bis 20,5 x 28,5 cm bzw.
17,5 x 11,5 cm bis 25 x 21 cm (2 ½ x 8 ⅞ in. bis
8 ⅛ x 11 ¼ in. bzw. 6 ⅞ x 4 ½ in. bis
9 ⅞ x 8 ¼ in.). 15 Photos rückseitig mit Stempel: Phot. Albert Renger Essen/Ruhr, Goethestr. 41, sowie mit Bleistift von Albert RengerPatzsch beziffert (Archiv-Nr.) / 4 Photos
rückseitig mit Stempel: Lichtbild:
L. Kreitz, davon 2 zusätzlich mit Bleistift
beschriftet und beziffert / 3 Photos rückseitig
mit Stempel Landesbildstelle Hansa, Hamburg
/1 Photo rückseitig mit Stempel Landesbildstelle, Berlin. 8 von 86 Photos zeigen Pläne und
alte Stadtansichten sowie Grundrisse und
Querschnitte. 2 montierte Kopien von Stadtplänen: „Lübeck 1847“, „Altstadt“ sowie OriginalLichtpause: „Lübeck nach der Zerstörung in
der Nacht vom 28. zum 29. März 1942. Hamburg, den 2. April 1942“ mit Kartierung der
Schäden und Stempel: Der Reichsstatthalter in
Hamburg. Der Architekt für die Neugestaltung
der Hansestadt Hamburg (Unikat, Blatt 57 des
Mappenwerks)
Zusammen mit Zwischenblättern: „Vor dem
Angriff. Blatt 1-56“, „Nach dem Angriff. Blatt
56-78“ und „Beschreibung der zerstörten
Kunstdenkmäler“ / Beiliegend Anschreiben des
Architekten Konstanty Gutschow an Bürgermeister
Böhmker, Rathaus Lübeck, vom 21. April 1942
Vergleichsliteratur: Werner Durth und Niels
Gutschow: Träume in Trümmern, Braunschweig
1988, Bd. II, S. 811–866 / Jörn Düwel und
Niels Gutschow (Hrsg.): A Blessing in Disguise.
War and Town Planning in Europe 1940-1945,
Berlin 2013, Abb. Kartierung des zerstörten
Lübeck
Grisebach 05|2014
eingeladen, ein Atelier im Museum Folkwang in Essen zu beziehen. Dort,
also vermutlich Ende 1929, sind die Abzüge nach den Negativen von
1928 entstanden, die Gutschow für unsere Lübeck-Kassette genutzt hat.
Die nationalsozialistische Propaganda hingegen nutzte die Gegenüberstellung von Photos der Stadt vor und nach dem Angriff (z. B. Die
Baukunst, Juli 1942), um die Briten als kultur-zerstörende Barbaren
darzustellen. Der gebürtige Lübecker Thomas Mann (siehe Katalog
350) kommentierte die Zerstörung der bedeutenden mittelalterlichen
Stadt: „Ich denke an Coventry und habe nichts einzuwenden gegen die
Lehre, daß alles bezahlt werden muß.“
Damit ist die Lübeck-Kassette in vielerlei Hinsicht ein einzigartiges
Dokument: neben der historischen Komponente ist dies vermutlich
die erste Kartierung einer bombenzerstörten Stadt überhaupt und
ermöglicht eine Gegenüberstellung der Situation vor und nach dem
Angriff. Schließlich enthält das einzig bekannte Exemplar des Werkes
eine Reihe sehr hochwertiger Originalphotographien des Photographen
Albert Renger-Patzsch, der neben August Sander als Protagonist der
neusachlichen Photographie der 1920er Jahre gilt. (AGT)
350
Thomas Mann
Lübeck 1875 – 1955 Zürich
Im April 1942 hatte Thomas Mann von der Zerstörung seiner Heimatstadt Lübeck gehört.
Auf Wunsch der BBC hielt er wenige Tage später eine Rundfunkansprache, warnte die Deutschen mit Hinweis auf Coventry vor der Rache der
Welt. Doch dann endete er mit Worten bewegender Weitsicht: „Möge
aus seinem Fall ein Deutschland entstehen, das gedenken und hoffen
kann ... so wird es statt tödlichen Hasses die Liebe der Völker gewinnen.“
Der bittere Zorn des Radioredners aus den USA war immer nur die
Kehrseite seiner verzweifelten Liebe zu Deutschland: „Wo ich bin ist
Deutschland“ schreibt er.
„Deutsche Hörer!“
Manuskript zum 10. Jahrestag der
Machtergreifung, zur sog.
Radioansprache der BBC
vom 14. Januar 1943.
Januar 1943
Feder auf Bogen mit Briefkopf
„The Library of Congress Washington / The
Consultant of German Literature“.
2 S. gr.- 4°. Nachträglich von eigener Hand
datiert und unterzeichnet: 15. I. 43 Thomas
Mann. [3518]
Provenienz: 3. April 1943 vom Autor dem
War Bonds Drive der We Fight Back
Organization gestiftet / Privatsammlung,
USA / Privatsammlung, Deutschland
Literatur und Abbildung: Auktionskatalog:
J. A. Stargardt, Berlin, 4./5. April 1992,
Los 293
€ 6.000 – 8.000
$ 8,220 – 10,960
Vergleichsliteratur: Heike Weidenhaupt:
Gegenpropaganda aus dem Exil. Thomas
Manns Radioansprachen für deutsche
Hörer 1940 bis 1945, Konstanz 2001
Diese Rundfunkrede vom 14. Januar 1943 – 10 Jahre ist Hitler nun
Reichskanzler – findet sich nicht in den bei Fischer von Hermann
Kurzke und Stephan Stachorski als Band 5 herausgegebenen Essays
und Rundfunkreden Thomas Manns „Deutschland und die Deutschen
(1938–1945)“, Frankfurt am Main 1996.
Wieder erst die Mahnung: Habt Ihr es denn nicht kommen sehen, diesen
Krieg auf den alles immer hinauslief? Dieser Krieg, „der den Kontinent
einschließlich Deutschland als Wüste zurücklassen wird“. Aber dann
wieder um Deutschland besorgt: Was wird nun „im Gedächtnis der Völker“ bleiben, wo doch so „vieles Gute, Großes und Liebenswerte, womit
der deutsche Geist einst die Menschheit beschenkt, unterzugehen droht in
einem Meer von Haß“?
An anderer Stelle wird es heißen: Was wird aus Deutschland, das
„einst der Lehrer der Welt gewesen war“? (Deutschland und die Deutschen, 1945). Worte eines verzweifelten Patrioten.
Thomas Mann hat ein Leben lang mit seinem „Deutschsein“ gerungen.
Mit seiner eigenen Erfahrung „machtgeschützter Innerlichkeit“ als Quelle
all des Großen, aber auch all der zerstörenden Kraft Deutschlands. Er
wollte sich nicht abfinden mit dem Sieg der Kraft über den Geist.
Nach 1945 haben ihm viele diese Rundfunkreden übelgenommen;
Reden des Verrats seien sie gewesen. Wer noch mit eigenen Augen
das brennende Berlin gesehen hatte, der könnte solche Reaktionen
des Affekts vielleicht erklären. Aber die Kritiker hatten eben nicht zugehört: Thomas Manns Ansprachen waren Reden eines bekennenden
Deutschen, bekennend allerdings für ein anderes, ein vergangenes, ein
zukünftiges – und ein besseres Deutschland.
Und dies klingt auch durch den Zorn dieser Rede vom 14. Januar 1943:
So durfte es doch nicht enden für sein Deutschland! Und so endete es
ja dann auch nicht.
Wir danken für diesen Text Klaus von Dohnanyi, Hamburg.
Grisebach 05|2014
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Mittwoch, 28. Mai 2014 · 17 Uhr
Moderne Kunst
Zeitgenössische Kunst
Freitag, 30. Mai 2014 · 11 Uhr
Freitag, 30. Mai 2014 · 15.30 Uhr
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Orangerie
Ausgewählte Werke
Donnerstag, 29. Mai 2014 · 11 Uhr
Donnerstag, 29. Mai 2014 · 17 Uhr
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und alle Termine unter
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Vorbesichtigung aller Werke
23. bis 27. Mai 2014
in Berlin
Villa Grisebach
Fasanenstraße 25, 27 und 73
Freitag bis Montag 10 bis 18 Uhr
Dienstag 10 bis 17 Uhr
Third Floor
Samstag, 31. Mai 2014
11 Uhr / 14.30 Uhr
Hinweise
zum Katalog
Catalogue
Instructions
1. Alle Katalogbeschreibungen sind online und auf Anfrage in
Englisch erhältlich.
1. Descriptions in English of each item included in this
catalogue are available online or upon request.
2. Basis für die Umrechnung der EUR-Schätzpreise:
1 US $ = EUR 0,730 (Kurs vom 4. April 2014)
3. Bei den Katalogangaben sind Titel und Datierung, wenn
vorhanden, vom Künstler bzw. aus den Werkverzeichnissen
übernommen. Diese Titel sind durch Anführungszeichen
gekennzeichnet. Undatierte Werke haben wir anhand der
Literatur oder stilistisch begründbar zeitlich zugeordnet.
2. The basis for the conversion of the EUR-estimates:
1 US $ = EUR 0,730 (rate of exchange 4 April 2014)
4. Alle Werke wurden neu vermessen, ohne die Angaben in
Werkverzeichnissen zu übernehmen. Die Maßangaben sind
in Zentimetern und Inch aufgeführt. Es gilt Höhe vor Breite, wobei bei Originalen die Blattgröße, bei Drucken die Darstel-
lungsgröße bzw. Plattengröße angegeben wird. Wenn Papier- und Darstellungsmaß nicht annähernd gleich sind, ist die Papiergröße in runden Klammern angegeben. Signaturen,
Bezeichnungen und Gießerstempel sind aufgeführt. „Bezeichnung“ bedeutet eine eigenhändige Aufschrift des
Künstlers, im Gegensatz zu einer „Beschriftung“ von fremder
Hand. Bei druckgraphischen Werken wurde auf Angabe der
gedruckten Bezeichnungen verzichtet.
5. Bei den Papieren meint „Büttenpapier“ ein Maschinenpapier
mit Büttenstruktur. Ergänzende Angaben wie „JW Zanders“
oder „BFK Rives“ beziehen sich auf Wasserzeichen.
Der Begriff „Japanpapier“ bezeichnet sowohl echtes wie
auch maschinell hergestelltes Japanpapier.
6. Sämtliche zur Versteigerung gelangenden Gegenstände
können vor der Versteigerung besichtigt und geprüft
werden; sie sind gebraucht. Der Erhaltungszustand der
Kunstwerke ist ihrem Alter entsprechend; Mängel werden
in den Katalogbeschreibungen nur erwähnt, wenn sie den
optischen Gesamteindruck der Arbeiten beeinträchtigen.
Für jedes Kunstwerk liegt ein Zustandsbericht vor, der
angefordert werden kann.
3. The titles and dates of works of art provided in quotation
marks originate from the artist or are taken from the
catalogue raisonné. These titles are printed within quotation
marks. Undated works have been assigned approximate
dates by Villa Grisebach based on stylistic grounds and
available literature.
4. Dimensions given in the catalogue are measurements taken
in centimeters and inches (height by width) from the actual
works. For originals, the size given is that of the sheet;for
prints, the size refers to the plate or block image. Where that
differs from the size of the sheet on which it is printed, the
dimensions of the sheet follow in parentheses ( ). Special
print marks or designations for these works are not noted in
the catalogue. “Bezeichnung” (“inscription”) means an
inscription from the artist’s own hand, in contrast to
“Beschriftung” (“designation”) which indicates an inscription
from the hand of another.
5. When describing paper, „Bütten paper” denotes machine made paper manufactured with the texture and finish of
„Bütten”. Other designations of paper such as „JW Zanders”
or „BFK Rives” refer to respective watermarks. The term
„Japan paper” refers to both hand and machine-made
Japan paper.
6. All sale objects may be viewed and examined before the
auction; they are sold as is. The condition of the works
corresponds to their age. The catalogues list only such
defects in condition as impair the overall impression of the
art work. For every lot there is a condition report which
can be requested.
7. Die in eckigen Klammern gesetzten Zeichen beziehen sich
auf die Einlieferer, wobei [E] die Eigenware kennzeichnet.
7. Those numbers printed in brackets [ ] refer to the consignors
listed in the Consignor Index, with [E] referring to property
owned by Villa Grisebach Auktionen.
8. Es werden nur die Werke gerahmt versteigert, die gerahmt
eingeliefert wurden.
8. Only works already framed at the time of consignment
will be sold framed.
Versteigerungsbedingungen
der Villa Grisebach Auktionen GmbH
§ 1 Der Versteigerer
1. Die Versteigerung erfolgt im Namen der Villa Grisebach Auktionen GmbH –
nachfolgend: „Grisebach“ genannt. Der Auktionator handelt als deren
Vertreter. Er ist gem. § 34b Abs. 5 GewO öffentlich bestellt.
Die Versteigerung ist somit eine öffentliche Versteigerung i.S. § 474 Abs. 1
S. 2 und § 383 Abs. 3 BGB.
2. Die Versteigerung erfolgt in der Regel für Rechnung des Einlieferers,
der unbenannt bleibt. Nur die im Eigentum von Grisebach befindlichen
Kunstgegenstände werden für eigene Rechnung versteigert.
Sie sind im Katalog mit „E“ gekennzeichnet.
3. Die Versteigerung erfolgt auf der Grundlage dieser Versteigerungs­bedingungen.
Die Versteigerungsbedingungen sind im Auktionskatalog,
im Internet und durch deutlich sichtbaren Aushang in den Räumen von
Grisebach veröffentlicht. Durch Abgabe eines Gebots erkennt der Käufer
diese Versteigerungsbedingungen als verbindlich an.
§ 2 Katalog, Besichtigung und Versteigerungstermin
1.Katalog
Vor der Versteigerung erscheint ein Auktionskatalog. Darin werden zur
allgemeinen Orientierung die zur Versteigerung kommenden Kunst­gegen­stände
abgebildet und beschrieben. Der Katalog enthält zusätz­lich Angaben über
Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunst­gegen­standes. Nur sie
bestimmen die Beschaffenheit des Kunst­gegen­standes. Im übrigen ist der
Katalog weder für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes noch für dessen
Erscheinungsbild (Farbe) maß­gebend. Der Katalog weist einen Schätzpreis
in Euro aus, der jedoch lediglich als Anhaltspunkt für den Verkehrswert des
Kunst­gegen­stan­des dient, ebenso wie etwaige Angaben in anderen
Währungen.
Der Katalog wird von Grisebach nach bestem Wissen und Gewissen und
mit großer Sorgfalt erstellt. Er beruht auf den bis zum Zeitpunkt der
Versteigerung veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen
Erkenntnissen sowie auf den Angaben des Einlieferers.
Für jeden der zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände kann bei
ernstlichem Interesse ein Zustandsbericht von Grisebach angefordert und
es können etwaige von Grisebach eingeholte Expertisen eingesehen werden.
Die im Katalog, im Zustandsbericht oder in Expertisen enthaltenen Angaben
und Beschreibungen sind Einschätzungen, keine Garantien im Sinne des
§ 443 BGB für die Beschaffenheit des Kunstgegenstandes.
Grisebach ist berechtigt, Katalogangaben durch Aushang am Ort der
Versteigerung und unmittelbar vor der Versteigerung des betreffen­den
Kunstgegenstandes mündlich durch den Auktionator zu berichtigen oder zu
ergänzen.
2.Besichtigung
Alle zur Versteigerung kommenden Kunstgegenstände werden vor der
Versteigerung zur Vorbesichtigung ausgestellt und können besichtigt und
geprüft werden. Ort und Zeit der Besichtigung, die Grisebach fest­legt,
sind im Katalog angegeben. Die Kunstgegenstände sind gebraucht und
werden in der Beschaffenheit versteigert, in der sie sich im Zeit­punkt der
Versteigerung befinden.
3. Grisebach bestimmt Ort und Zeitpunkt der Versteigerung.
Sie ist berechtigt, Ort oder Zeitpunkt zu ändern, auch wenn der
Auktions­katalog bereits versandt worden ist.
§ 3 Durchführung der Versteigerung
1.Bieternummer
Jeder Bieter erhält von Grisebach eine Bieternummer.
Er hat die Verstei­gerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen.
Von unbekannten Bietern benötigt Grisebach zur Erteilung der
Bieternummer spätestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung
eine schriftliche Anmel­dung mit beigefügter zeitnaher Bankreferenz.
Nur unter einer Bieternummer abgegebene Gebote werden auf der
Verstei­gerung berücksichtigt.
2.Aufruf
Die Versteigerung des einzelnen Kunstgegenstandes beginnt mit dessen
Aufruf durch den Auktionator. Er ist berechtigt, bei Aufruf von der im Katalog
vorgesehenen Reihenfolge abzuweichen, Los-Nummern zu verbinden oder zu
trennen oder eine Los-Nummer zurückzuziehen.
Der Preis wird bei Aufruf vom Auktionator festgelegt, und zwar in Euro.
Gesteigert wird um jeweils 10 % des vorangegangenen Gebots, sofern der
Auktionator nicht etwas anderes bestimmt.
3.Gebote
a) Gebote im Saal
Gebote im Saal werden unter Verwendung der Bieternummer abgegeben.
Ein Vertrag kommt durch Zuschlag des Auktionators zustande.
Will ein Bieter Gebote im Namen eines Dritten abgeben, hat er dies mindestens 24 Stunden vor Beginn der Versteigerung von Grisebach unter Vorlage
einer Vollmacht des Dritten anzuzeigen. Anderenfalls kommt bei Zuschlag der
Vertrag mit ihm selbst zustande.
b) Schriftliche Gebote
Mit Zustimmung von Grisebach können Gebote auf einem dafür vorgesehenen
Formular auch schriftlich abgegeben werden. Sie müssen vom Bieter unterzeichnet sein und unter Angabe der Los-Nummer, des Künstlers und des
Titels den für den Kunstgegenstand gebotenen Hammerpreis nennen.
Der Bieter muss die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anerkennen.
Mit dem schriftlichen Gebot beauftragt der Bieter Grisebach, seine Gebote
unter Berücksichtigung seiner Weisungen abzugeben. Das schriftliche
Gebot wird von Grisebach nur mit dem Betrag in Anspruch genommen,
der erforderlich ist, um ein anderes Gebot zu überbieten.
Ein Vertrag auf der Grundlage eines schriftlichen Gebots kommt mit dem
Bieter durch den Zuschlag des Auktionators zustande.
Gehen mehrere gleich hohe schriftliche Gebote für denselben Kunst­
gegenstand ein, erhält das zuerst eingetroffene Gebot den Zuschlag,
wenn kein höheres Gebot vorliegt oder abgegeben wird.
c) Telefonische Gebote
Telefonische Gebote sind zulässig, wenn der Bieter mindestens 24 Stunden
vor Beginn der Versteigerung dies schriftlich beantragt und Grisebach
zugestimmt hat. Der Bieter muss die Versteigerungs­bedingungen als
verbindlich anerkennen.
Die telefonischen Gebote werden von einem während der Verstei­gerung im
Saal anwesenden Mitarbeiter von Grisebach entgegen­genommen und unter
Berücksichtigung der Weisungen des Bieters während der Versteigerung
abgegeben. Das von dem Bieter genannte Gebot bezieht sich ausschließlich
auf den Hammerpreis, umfasst also nicht Aufgeld, etwaige Umlagen und
Umsatzsteuer, die hinzukommen. Das Gebot muss den Kunstgegenstand,
auf den es sich bezieht, zweifelsfrei und möglichst unter Nennung der
Los-Nummer, des Künstlers und des Titels, benennen.
Telefonische Gebote können von Grisebach aufgezeichnet werden.
Mit dem Antrag zum telefonischen Bieten erklärt sich der Bieter mit der
Aufzeichnung einverstanden. Die Aufzeichnung wird spätestens nach drei
Monaten gelöscht, sofern sie nicht zu Beweiszwecken benötigt wird.
d) Gebote über das Internet
Gebote über das Internet sind nur zulässig, wenn der Bieter von Grisebach
zum Bieten über das Internet unter Verwendung eines Benutzernamens und
eines Passwortes zugelassen worden ist und die Versteigerungsbedingungen
als verbindlich anerkennt. Die Zulassung erfolgt ausschließlich für die Person
des Zugelassenen, ist also höchst­persönlich. Der Benutzer ist verpflichtet,
seinen Benutzernamen und sein Passwort Dritten nicht zugänglich zu machen.
Bei schuldhafter Zuwiderhandlung haftet er Grisebach für daraus entstandene
Schäden.
Gebote über das Internet sind nur rechtswirksam, wenn sie hinreichend
bestimmt sind und durch Benutzernamen und Passwort zweifelsfrei dem
Bieter zuzuordnen sind. Die über das Internet übertragenen Gebote werden
elektronisch protokolliert. Die Richtigkeit der Protokolle wird vom Käufer
anerkannt, dem jedoch der Nachweis ihrer Unrichtig­keit offensteht.
4.
a)
b)
c)
d)
–
–
–
e)
Grisebach behandelt Gebote, die vor der Versteigerung über das Inter­net
abgegeben werden, rechtlich wie schriftliche Gebote. Internetgebote
während einer laufenden Versteigerung werden wie Gebote aus dem
Saal berücksichtigt.
Der Zuschlag
Der Zuschlag wird erteilt, wenn nach dreimaligem Aufruf eines Gebots kein
höheres Gebot abgegeben wird. Der Zuschlag verpflichtet den Bieter, der
unbenannt bleibt, zur Abnahme des Kunstgegenstandes und zur Zahlung
des Kaufpreises (§ 4 Ziff. 1).
Der Auktionator kann bei Nichterreichen des Limits einen Zuschlag unter
Vorbehalt erteilen. Ein Zuschlag unter Vorbehalt wird nur wirk­sam, wenn
Grisebach das Gebot innerhalb von drei Wochen nach dem Tag der
Versteigerung schriftlich bestätigt. Sollte in der Zwischenzeit ein anderer
Bieter mindestens das Limit bieten, erhält dieser ohne Rücksprache mit
dem Bieter, der den Zuschlag unter Vorbehalt erhalten hat, den Zuschlag.
Der Auktionator hat das Recht, ohne Begründung ein Gebot abzulehnen
oder den Zuschlag zu verweigern. Wird ein Gebot abgelehnt oder der
Zuschlag verweigert, bleibt das vorangegangene Gebot wirksam.
Der Auktionator kann einen Zuschlag zurücknehmen und den
Kunst­gegenstand innerhalb der Auktion neu ausbieten,
wenn ein rechtzeitig abgegebenes höheres Gebot von ihm übersehen
und dies von dem übersehenen Bieter unverzüglich beanstandet worden ist,
wenn ein Bieter sein Gebot nicht gelten lassen will oder
wenn sonst Zweifel über den Zuschlag bestehen.
Übt der Auktionator dieses Recht aus, wird ein bereits erteilter Zuschlag
unwirksam.
Der Auktionator ist berechtigt, ohne dies anzeigen zu müssen, bis zum
Erreichen eines mit dem Einlieferer vereinbarten Limits auch Gebote für
den Einlieferer abzugeben und den Kunstgegenstand dem Einlieferer unter
Benennung der Einlieferungsnummer zuzuschlagen. Der Kunstgegenstand
bleibt dann unverkauft.
§ 4 Kaufpreis, Zahlung, Verzug
1.Kaufpreis
Der Kaufpreis besteht aus dem Hammerpreis zuzüglich Aufgeld.
Hinzu­kommen können pauschale Gebühren sowie die gesetzliche
Umsatz­steuer.
A. a) Bei Kunstgegenständen ohne besondere Kennzeichnung im Katalog berechnet sich der Kaufpreis wie folgt:
Bei Käufern mit Wohnsitz innerhalb des Gemeinschaftsgebietes der
Europäischen Union (EU) berechnet Grisebach auf den Hammerpreis ein
Aufgeld von 30 %. Auf den Teil des Hammer­preises, der 500.000 EUR
übersteigt, wird ein Aufgeld von 25 % berechnet. Auf den Teil des
Hammer­preises, der 1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von
20 % berechnet. In diesem Aufgeld sind alle pauschalen Gebühren
sowie die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten (Differenzbesteuerung
nach § 25a UStG). Sie werden bei der Rechnungstellung nicht einzeln
ausgewiesen.
Käufern, denen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) im Inland
geliefert wird und die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, kann auf
Wunsch die Rechnung nach der Regelbesteuerung gemäß Absatz B.
ausgestellt werden. Dieser Wunsch ist bei Beantragung der Bieter­
nummer anzugeben. Eine Korrektur nach Rechnungsstellung ist nicht
möglich.
b) Bei Kunstwerken mit der Kennzeichnung „N“ für Import handelt es
sich um Kunstwerke, die in die EU zum Verkauf eingeführt wurden.
In diesen Fällen wird zusätzlich zum Aufgeld die verauslagte
Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von derzeit 7 % des Hammerpreises
erhoben.
B.
Bei im Katalog mit dem Buchstaben „R“ hinter der Losnummer gekennzeichneten Kunstgegenständen berechnet sich der Kaufpreis wie folgt:
a)Aufgeld
Auf den Hammerpreis berechnet Grisebach ein Aufgeld von 25 %.
Auf den Teil des Hammerpreises, der 500.000 EUR übersteigt, wird
ein Aufgeld von 20 % berechnet. Auf den Teil des Hammerpreises, der
1.000.000 EUR übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % berechnet.
b)Umsatzsteuer
Auf den Hammerpreis und das Aufgeld wird die jeweils gültige
gesetzliche Umsatzsteuer erhoben (Regelbesteuerung mit „R“
gekennzeichnet). Sie beträgt derzeit 19 %.
c)Umsatzsteuerbefreiung
Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegenständen
berechnet, die in Staaten innerhalb der EU von Unternehmen er­worben
und aus Deutschland exportiert werden, wenn diese bei Beantragung
und Erhalt ihrer Bieter­nummer ihre Umsatzsteuer-Identifikations­nummer
angegeben haben. Eine nachträgliche Be­rücksichtigung, insbesondere
eine Korrektur nach Rechnungs­stellung, ist nicht möglich.
Keine Umsatzsteuer wird für den Verkauf von Kunstgegen­ständen
berechnet, die gemäß § 6 Abs. 4 UStG in Staaten außerhalb der EU
geliefert werden und deren Käufer als ausländische Abnehmer gelten
und dies entsprechend § 6 Abs. 2 UStG nachgewiesen haben.
Im Ausland anfallende Einfuhr­umsatz­steuer und Zölle trägt der Käufer.
Die vorgenannten Regelungen zur Umsatzsteuer entsprechen dem
Stand der Gesetzgebung und der Praxis der Finanzverwaltung.
Änderungen sind nicht ausgeschlossen.
2. Fälligkeit und Zahlung
Der Kaufpreis ist mit dem Zuschlag fällig.
Der Kaufpreis ist in Euro an Grisebach zu entrichten. Schecks und
andere unbare Zahlungen werden nur erfüllungshalber angenommen.
Eine Begleichung des Kaufpreises durch Aufrechnung ist nur mit
un­be­strittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig.
Bei Zahlung in ausländischer Währung gehen ein etwaiges Kursrisiko
sowie alle Bankspesen zulasten des Käufers.
3.Verzug
Ist der Kaufpreis innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Rechnung
noch nicht beglichen, tritt Verzug ein.
Ab Eintritt des Verzuges verzinst sich der Kaufpreis mit 1 % monatlich,
unbeschadet weiterer Schadensersatzansprüche.
Zwei Monate nach Eintritt des Verzuges ist Grisebach berechtigt und auf
Verlangen des Einlieferers verpflichtet, diesem Name und Anschrift des
Käufers zu nennen.
Ist der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug, kann Grise­bach
nach Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten.
Damit erlöschen alle Rechte des Käufers an dem erstei­gerten Kunst­gegen­
stand.
Grisebach ist nach Erklärung des Rücktritts berechtigt, vom Käufer
Schadensersatz zu verlangen. Der Schadensersatz umfasst insbe­sondere
das Grisebach entgangene Entgelt (Einliefererkommission und Aufgeld),
sowie angefallene Kosten für Katalogabbildungen und die bis zur Rückgabe
oder bis zur erneuten Versteigerung des Kunst­gegen­­standes anfallenden
Transport-, Lager- und Versicherungs­­kosten.
Wird der Kunstgegenstand an einen Unterbieter verkauft oder in der
nächsten oder übernächsten Auktion versteigert, haftet der Käufer
außerdem für jeglichen Mindererlös.
Grisebach hat das Recht, den säumigen Käufer von künftigen Verstei­gerungen
auszuschließen und seinen Namen und seine Adresse zu Sperrzwecken an
andere Auktionshäuser weiterzugeben.
§ 5 Nachverkauf
Während eines Zeitraums von zwei Monaten nach der Auktion können nicht
versteigerte Kunstgegenstände im Wege des Nachverkaufs erworben werden.
Der Nachverkauf gilt als Teil der Versteigerung. Der Interessent hat persönlich,
telefonisch, schriftlich oder über das Internet ein Gebot mit einem bestimmten
Betrag abzugeben und die Versteigerungsbedingungen als verbindlich anzuerkennen. Der Vertrag kommt zustande, wenn Grisebach das Gebot innerhalb
von drei Wochen nach Eingang schriftlich annimmt.
Die Bestimmungen über Kaufpreis, Zahlung, Verzug, Abholung und Haftung für
in der Versteigerung erworbene Kunstgegenstände gelten entsprechend.
§ 6 Entgegennahme des ersteigerten Kunstgegenstandes
1.Abholung
Der Käufer ist verpflichtet, den ersteigerten Kunstgegenstand spätestens
einen Monat nach Zuschlag abzuholen.
Grisebach ist jedoch nicht verpflichtet, den ersteigerten Kunst­gegen­stand
vor vollständiger Bezahlung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages
an den Käufer herauszugeben.
Das Eigentum geht auf den Käufer erst nach vollständiger Begleichung des
Kaufpreises über.
2.Lagerung
Bis zur Abholung lagert Grisebach für die Dauer eines Monats, gerech­net ab
Zuschlag, den ersteigerten Kunstgegenstand und versichert ihn auf eigene
Kosten in Höhe des Kaufpreises. Danach hat Grisebach das Recht, den
Kunstgegenstand für Rechnung des Käufers bei einer Kunst­spedition einzulagern und versichern zu lassen. Wahlweise kann Grise­bach statt dessen den
Kunstgegenstand in den eigenen Räumen ein­lagern gegen Berechnung einer
monatlichen Pauschale von 0,1 % des Kaufpreises für Lager- und
Versicherungskosten.
3.Versand
Beauftragt der Käufer Grisebach schriftlich, den Transport des ersteigerten
Kunstgegenstandes durchzuführen, sorgt Grisebach, sofern der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, für einen sachgerechten Transport des Werkes zum Käufer
oder dem von ihm benannten Em­pfän­­ger durch eine Kunstspedition und
schließt eine entsprechende Transportversicherung ab. Die Kosten für
Verpackung, Versand und Versicherung trägt der Käufer.
4.Annahmeverzug
Holt der Käufer den Kunstgegenstand nicht innerhalb von einem Monat ab
(Ziffer 1) und erteilt er innerhalb dieser Frist auch keinen Auftrag zur
Versendung des Kunstgegenstandes (Ziffer 3), gerät er in Annahme­verzug.
5. Anderweitige Veräußerung
Veräußert der Käufer den ersteigerten Kunstgegenstand seinerseits, bevor
er den Kaufpreis vollständig bezahlt hat, tritt er bereits jetzt erfüllungshalber
sämtliche Forderungen, die ihm aus dem Weiterverkauf zustehen, an
Grisebach ab, welche die Abtretung hiermit annimmt. Soweit die abgetretenen
Forderungen die Grisebach zuste­henden Ansprüche übersteigen, ist Grisebach
verpflichtet, den zur Erfüllung nicht benötigten Teil der abgetretenen Forderung
unverzüglich an den Käufer abzutreten.
§ 7 Haftung
1. Beschaffenheit des Kunstgegenstandes
Der Kunstgegenstand wird in der Beschaffenheit veräußert, in der er sich bei
Erteilung des Zuschlags befindet und vor der Versteigerung besichtigt und
geprüft werden konnte. Ergänzt wird diese Beschaffen­heit durch die Angaben
im Katalog (§ 2 Ziff. 1) über Urheberschaft, Technik und Signatur des
Kunstgegenstandes. Sie beruhen auf den bis zum Zeitpunkt der Versteigerung
veröffentlichten oder sonst allgemein zugänglichen Erkennt­nissen sowie auf
den Angaben des Einlieferers. Weitere Beschaffen­heits­merkmale sind nicht
verein­bart, auch wenn sie im Katalog beschrieben oder erwähnt sind oder
sich aus schriftlichen oder mündlichen Auskünften, aus einem Zustands­
bericht, Expertisen oder aus den Abbildungen des Katalogs ergeben sollten.
Eine Garantie (§ 443 BGB) für die vereinbarte Beschaffenheit des
Kunstgegenstandes wird nicht übernommen.
2. Rechte des Käufers bei einem Rechtsmangel (§ 435 BGB)
Weist der erworbene Kunstgegenstand einen Rechtsmangel auf, weil an
ihm Rechte Dritter bestehen, kann der Käufer innerhalb einer Frist von zwei
Jahren (§ 438 Abs. 4 und 5 BGB) wegen dieses Rechts­man­gels vom Vertrag
zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2 BGB). Im übrigen werden die Rechte des Käufers aus § 437 BGB, also das Recht auf Nach­erfüllung,
auf Schadenersatz oder auf Ersatz ver­geblicher Aufwendungen ausgeschlossen, es sei denn, der Rechts­mangel ist arglistig verschwiegen worden.
3. Rechte des Käufers bei Sachmängeln (§ 434 BGB)
Weicht der Kunstgegenstand von der vereinbarten Beschaffenheit
(Urheberschaft, Technik, Signatur) ab, ist der Käufer berech­tigt, innerhalb
von zwei Jahren ab Zuschlag (§ 438 Abs. 4 BGB) vom Vertrag zurückzutreten.
Er erhält den von ihm gezahlten Kaufpreis (§ 4 Ziff. 1 der Verstei­gerungsbedingungen) zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufgegenstandes in
unverändertem Zustand am Sitz von Grisebach. Ansprüche auf Minderung
des Kaufpreises (§ 437 Nr. 2 BGB), auf Schadens­ersatz oder auf Ersatz
vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) sind ausgeschlossen.
Dieser Haftungsausschluss gilt nicht, soweit Grisebach den Mangel
arglistig verschwiegen hat.
Das Rücktrittsrecht wegen Sachmangels ist ausgeschlossen, sofern Grisebach
den Kunstgegenstand für Rechnung des Einlieferers ver­äußert hat und die
größte ihr mögliche Sorgfalt bei Ermittlung der im Katalog genannten
Urheberschaft, Technik und Signatur des Kunst­gegenstandes aufgewandt
hat und keine Gründe vorlagen, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
In diesem Falle verpflichtet sich Grisebach, dem Käufer das Aufgeld, etwaige
Umlagen und die Umsatz­steuer zu erstatten.
Außerdem tritt Grisebach dem Käufer alle ihr gegen den Einlieferer, dessen
Name und Anschrift sie dem Käufer mitteilt, zustehenden Ansprüche wegen
der Mängel des Kunstgegenstandes ab. Sie wird ihn in jeder zulässigen und
ihr möglichen Weise bei der Geltendmachung dieser Ansprüche gegen den
Einlieferer unterstützen.
4. Fehler im Versteigerungsverfahren
Grisebach haftet nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Abgabe von
mündlichen, schriftlichen, telefonischen oder Internetgeboten, soweit ihr
nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Dies gilt insbesondere
für das Zustandekommen oder den Bestand von Telefon-, Fax- oder Datenleitungen sowie für Übermittlungs-, Über­tragungs- oder Übersetzungsfehler
im Rahmen der eingesetzten Kommunikationsmittel oder seitens der für die
Entgegennahme und Weitergabe eingesetzten Mitarbeiter. Für Missbrauch
durch unbefugte Dritte wird nicht gehaftet. Die Haftungsbeschränkung gilt
nicht für Schäden an der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.
5.Verjährung
Für die Verjährung der Mängelansprüche gelten die gesetzlichen
Verjährungsfristen des § 438 Abs. 1 Ziffer 3 BGB (2 Jahre).
§ 8 Schlussbestimmungen
1.Nebenabreden
Änderungen dieser Versteigerungsbedingungen im Einzelfall oder
Nebenabreden bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform.
2. Fremdsprachige Fassung der Versteigerungsbedingungen
Soweit die Versteigerungsbedingungen in anderen Sprachen als der
deutschen Sprache vorliegen, ist stets die deutsche Fassung maßgebend.
3. Anwendbares Recht
Es gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Das
Abkommen der Vereinten Nationen über Verträge des internationalen
Warenkaufs (CISG) findet keine Anwendung.
4.Erfüllungsort
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist, soweit dies rechtlich vereinbart werden
kann, Berlin.
5. Salvatorische Klausel
Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieser Versteigerungsbedingungen
unwirksam sein oder werden, bleibt die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen
davon unberührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gelten die
entsprechenden gesetzlichen Vorschriften.
Conditions of Sale
of Villa Grisebach Auktionen GmbH
Section 1 The Auction House
1. The auction will be implemented on behalf of Grisebach Auktionen GmbH –
referred to hereinbelow as “Grisebach”. The auctioneer will be acting as
Grisebach’s representative. The auctioneer is an expert who has been publicly
appointed in accordance with Section 34b paragraph 5 of the Gewerbeordnung
(GewO, German Industrial Code). Accordingly, the auction is a public auction as
defined by Section 474 paragraph 1 second sentence and Section 383
paragraph 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code).
2. As a general rule, the auction will be performed on behalf of the Consignor,
who will not be named. Solely those works of art owned by Grisebach shall
be sold at auction for the account of Grisebach. Such items will be marked
by an “E” in the catalogue.
3. The auction shall be performed on the basis of the present Conditions of Sale.
The Conditions of Sale are published in the catalogue of the auction and on the
internet; furthermore, they are posted in an easily accessible location in the
Grisebach spaces. By submitting a bid, the buyer acknowledges the Conditions
of Sale as being binding upon it.
Section 2 Catalogue, Pre-Sale Exhibition and Date of the Auction
1.Catalogue
Prior to the auction date, an auction catalogue will be published. This provides
general orientation in that it shows images of the works of art to be sold at
auction and describes them. Additionally, the catalogue will provide information
on the work’s creator(s), technique, and signature. These factors alone will
define the characteristic features of the work of art. In all other regards, the
catalogue will not govern as far as the characteristics of the work of art or its
appearance are concerned (color). The catalogue will provide estimated prices in
EUR amounts, which, however, serve solely as an indication of the fair market
value of the work of art, as does any such information that may be provided in
other currencies.
Grisebach will prepare the catalogue to the best of its knowledge and belief,
and will exercise the greatest of care in doing so. The catalogue will be based
on the scholarly knowledge published up until the date of the auction, or
otherwise generally accessible, and on the information provided by the
Consignor.
Seriously interested buyers have the opportunity to request that Grisebach
provide them with a report outlining the condition of the work of art (condition
report), and they may also review any expert appraisals that Grisebach may
have obtained.
The information and descriptions contained in the catalogue, in the condition
report or in expert appraisals are estimates; they do not constitute any
guarantees, in the sense as defined by Section 443 of the Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB, German Civil Code), for the characteristics of the work of art.
Grisebach is entitled to correct or amend any information provided in the
catalogue by posting a notice at the auction venue and by having the auctioneer
make a corresponding statement immediately prior to calling the bids for the
work of art concerned.
2. Pre-sale exhibition
All of the works of art that are to be sold at auction will be exhibited prior to
the sale and may be viewed and inspected. The time and date of the pre-sale
exhibition, which will be determined by Grisebach, will be set out in the
catalogue. The works of art are used and will be sold “as is”, in other words
in the condition they are in at the time of the auction.
3. Grisebach will determine the venue and time at which the auction is to be held.
It is entitled to modify the venue and the time of the auction, also in those cases
in which the auction catalogue has already been sent out.
Section 3 Calling the Auction
1. Bidder number
Grisebach will issue a bidder number to each bidder. Each bidder is to
acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it.
At the latest twenty-four (24) hours prior to the start of the auction, bidders as
yet unknown to Grisebach must register in writing, providing a written bank
reference letter of recent date, so as to enable Grisebach to issue a bidder
number to them.
2.
At the auction, only the bids submitted using a bidder number will be considered.
Item call-up
The auction of the individual work of art begins by its being called up by the
auctioneer. The auctioneer is entitled to call up the works of art in a different
sequence than that published in the catalogue, to join catalogue items to form a
lot, to separate a lot into individual items, and to pull an item from the auction
that has been given a lot number.
When the work of art is called up, its price will be determined by the auctioneer,
denominated in euros. Unless otherwise determined by the auctioneer, the bid
increments will amount to 10 % of the respective previous bid.
3.Bids
a) Floor bids
Floor bids will be submitted using the bidder number. A sale and purchase
agreement will be concluded by the auctioneer bringing down the hammer to
end the bidding process.
Where a bidder wishes to submit bids in the name of a third party, it must notify
Grisebach of this fact at the latest twenty-four (24) hours prior to the auction
commencing, submitting a corresponding power of attorney from that third party.
In all other cases, once the work of art has been knocked down, the sale and
purchase agreement will be concluded with the person who has placed the bid.
b) Written absentee bids
Subject to Grisebach consenting to this being done, bids may also be submitted
in writing using a specific form developed for this purpose. The bidder must sign
the form and must provide the lot number, the name of the artist, the title of the
work of art and the hammer price it wishes to bid therefor. The bidder must
acknowledge the Conditions of Sale as being binding upon it.
By placing a written bid, the bidder instructs Grisebach to submit such bid in
accordance with its instructions. Grisebach shall use the amount specified in the
written bid only up to whatever amount may be required to outbid another bidder.
Upon the auctioneer knocking down the work of art to a written bid, a sale and
purchase agreement shall be concluded on that basis with the bidder who has
submitted such written bid.
Where several written bids have been submitted in the same amount for the
same work of art, the bid received first shall be the winning bid, provided that
no higher bid has been otherwise submitted or is placed as a floor bid.
c) Phoned-in absentee bids
Bids may permissibly be phoned in, provided that the bidder applies in writing
to be admitted as a telephone bidder, and does so at the latest twenty-four (24)
hours prior to the auction commencing, and furthermore provided that Grisebach
has consented. The bidder must acknowledge the Conditions of Sale as being
binding upon it.
Bids phoned in will be taken by a Grisebach employee present at the auction on
the floor, and will be submitted in the course of the auction in keeping with the
instructions issued by the bidder. The bid so submitted by the bidder shall cover
exclusively the hammer price, and thus shall not comprise the buyer’s premium,
any allocated costs that may be charged, or turnover tax. The bid must
unambiguously designate the work of art to which it refers, and must wherever
possible provide the lot number, the artist and the title of the work.
Grisebach may make a recording of bids submitted by telephone. By filing the
application to be admitted as a telephone bidder, the bidder declares its consent
to the telephone conversation being recorded. Unless it is required as evidence,
the recording shall be deleted at the latest following the expiry of three (3)
months.
d) Absentee bids submitted via the internet
Bids may be admissibly submitted via the internet only if Grisebach has
registered the bidder for internet bidding, giving him a user name and password,
and if the bidder has acknowledged the Conditions of Sale as being binding
upon it. The registration shall be non-transferable and shall apply exclusively
to the registered party; it is thus entirely personal and private. The user is under
obligation to not disclose to third parties its user name or password. Should the
user culpably violate this obligation, it shall be held liable by Grisebach for any
damages resulting from such violation.
Bids submitted via the internet shall have legal validity only if they are sufficiently
determinate and if they can be traced back to the bidder by its user name and
password beyond any reasonable doubt. The bids transmitted via the internet will
4.
a)
b)
c)
d)
e)
be recorded electronically. The buyer acknowledges that these records are
correct, but it does have the option to prove that they are incorrect.
In legal terms, Grisebach shall treat bids submitted via the internet at a point in
time prior to the auction as if they were bids submitted in writing. Bids submitted
via the internet while an auction is ongoing shall be taken into account as if they
were floor bids.
Knock down
The work of art is knocked down to the winning bidder if, following three calls for
a higher bid, no such higher bid is submitted. Upon the item being knocked down
to it, this will place the bidder under obligation to accept the work of art and to
pay the purchase price (Section 4 Clause 1). The bidder shall not be named.
Should the bids not reach the reserve price set by the Consignor, the auctioneer
will knock down the work of art at a conditional hammer price. This conditional
hammer price shall be effective only if Grisebach confirms this bid in writing
within three (3) weeks of the day of the auction. Should another bidder submit a
bid in the meantime that is at least in the amount of the reserve price, the work
of art shall go to that bidder; there will be no consultations with the bidder to
whom the work of art has been knocked down at a conditional hammer price.
The auctioneer is entitled to refuse to accept a bid, without providing any reasons therefor, or to refuse to knock down a work of art to a bidder. Where a bid
is refused, or where a work of art is not knocked down to a bidder, the prior bid
shall continue to be valid.
The auctioneer may revoke any knock-down and may once again call up the work
of art in the course of the auction to ask for bids; the auctioneer may do so in all
cases in which
–
The auctioneer has overlooked a higher bid that was submitted in a timely
fashion, provided the bidder so overlooked has immediately objected to
this oversight;
–
A bidder does not wish to be bound by the bid submitted; or
–
There are any other doubts regarding the knock-down of the work of art
concerned.
Where the auctioneer exercises this right, any knock-down of a work of art that
has occurred previously shall cease to be effective.
The auctioneer is authorized, without being under obligation of giving notice
thereof, to also submit bids on behalf of the Consignor until the reserve
price agreed with the Consignor has been reached, and the auctioneer is
furthermore authorized to knock down the work of art to the Consignor, citing
the consignment number. In such event, the work of art shall go unsold.
Section 4 Purchase Price, Payment, Default
1. Purchase price
The purchase price consists of the hammer price plus buyer’s premium.
Additionally, lump sum fees may be charged along with statutory turnover tax.
A. a)
For works of art that have not been specially marked in the catalogue,
the purchase price will be calculated as follows:
For buyers having their residence in the community territory of the
European Union (EU), Grisebach will add a buyer’s premium of 30 % to
the hammer price. A buyer’s premium of 25 % will be added to that part
of the hammer price that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium
of 20 % will be added to that part of the hammer price that is in excess of
EUR 1,000,000. This buyer’s premium will include all lump sum fees as
well as the statutory turnover tax (margin scheme pursuant to Section
25a of the German Turnover Tax Act). These taxes and fees will not be
itemized separately in the invoice.
Buyers to whom delivery is made within Germany, as defined by the
German Turnover Tax Act, and who are entitled to deduct input taxes,
may have an invoice issued to them that complies with the standard
taxation provisions as provided for hereinabove in paragraph B. Such
invoice is to be requested when applying for a bidder number. It is not
possible to perform any correction retroactively after the invoice has
been issued.
b) Works of art marked by the letter “N” (for Import) are works of art that
have been imported from outside the EU for sale. In such event, the
import turnover tax advanced, in the amount of currently 7 % on the
hammerprice, will be charged in addition to the buyer’s premium.
B. For works of art marked in the catalogue by the letter “R” behind the lot
number, the purchase price is calculated as follows:
a) Buyer’s premium
Grisebach will add a buyer’s premium of 25 % to the hammer price.
A buyer’s premium of 20 % will be added to that part of the hammer price
that is in excess of EUR 500,000. A buyer’s premium of 15 % will be added
to that part of the hammer price that is in excess of EUR 1,000,000.
b)
Turnover tax
The hammer price and the buyer's premium will each be subject to the
statutory turnover tax in the respectively applicable amount (standard
taxation provisions, marked by the letter "R"). Currently, this amounts
to 19 %.
c) Exemption from turnover tax
No turnover tax will be charged where works of art are sold that are
acquired in states within the EU by corporations and exported outside of
Germany, provided that such corporations have provided their turnover
tax ID number in applying for and obtaining their bidder number. It is not
possible to register this status after the invoice has been issued, and
more particularly, it is not possible to perform a correction retroactively.
No turnover tax shall be charged for the sale of works of art that are
delivered, pursuant to Section 6 paragraph 4 of the Umsatzsteuergesetz
(UStG, German Turnover Tax Act), to destinations located in states that
are not a Member State of the EU, provided that their buyers are deemed
to be foreign purchasers and have proved this fact in accordance with
Section 6 paragraph 2 of the German Turnover Tax Act. The buyer shall
bear any import turnover tax or duties that may accrue abroad.
The above provisions on turnover tax correspond to the legislative status
quo and are in line with the practice of the Tax and Revenue Authorities.
They are subject to change without notice.
2. Due date and payment
The purchase price shall be due for payment upon the work of art being knocked
down to the buyer.
The purchase price shall be paid in euros to Grisebach. Cheques and any other
forms of non-cash payment are accepted only on account of performance.
Payment of the purchase price by set-off is an option only where the claims
are not disputed or have been finally and conclusively determined by a court’s
declaratory judgment.
Where payment is made in a foreign currency, any exchange rate risk and any
and all bank charges shall be borne by the buyer.
3.Default
In cases in which the purchase price has not been paid within two (2) weeks of
the invoice having been received, the buyer shall be deemed to be defaulting on
the payment.
Upon the occurrence of such default, the purchase price shall accrue interest at
1 % per month, notwithstanding any other claims to compensation of damages
that may exist.
Two (2) months after the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach
shall be entitled – and shall be under obligation to do so upon the Consignor’s
corresponding demand – to provide to the Consignor the buyer’s name and
address.
Where the buyer has defaulted on the purchase price, Grisebach may rescind the
agreement after having set a period of grace of two (2) weeks. Once Grisebach
has so rescinded the agreement, all rights of the buyer to the work of art
acquired at auction shall expire.
Upon having declared its rescission of the agreement, Grisebach shall be entitled
to demand that the buyer compensate it for its damages. Such compensation of
damages shall comprise in particular the remuneration that Grisebach has lost
(commission to be paid by the Consignor and buyer’s premium), as well as the
costs of picturing the work of art in the catalogue and the costs of shipping,
storing and insuring the work of art until it is returned or until it is once again
offered for sale at auction.
Where the work of art is sold to a bidder who has submitted a lower bid, or
where it is sold at the next auction or the auction after that, the original buyer
moreover shall be held liable for any amount by which the proceeds achieved
at that subsequent auction are lower than the price it had bid originally.
Grisebach has the right to exclude the defaulting buyer from future auctions
and to forward the name and address of that buyer to other auction houses
so as to enable them to exclude him from their auctions as well.
Section 5 Post Auction Sale
In the course of a two-month period following the auction, works of art that have
gone unsold at the auction may be acquired through post auction sales. The post
auction sale will be deemed to be part of the auction. The party interested in
acquiring the work of art is to submit a bid either in person, by telephone, in
writing or via the internet, citing a specific amount, and is to acknowledge the
Conditions of Sale as being binding upon it. The sale and purchase agreement
shall come about if Grisebach accepts the bid in writing within three weeks of its
having been received.
The provisions regarding the purchase price, payment, default, pick-up
and liability for works of art acquired at auction shall apply mutatis mutandis.
Section 6 Acceptance of the Work of Art Purchased at Auction
1.Pick-up
The buyer is under obligation to pick up the work of art at the latest one (1)
month after it has been knocked down to the buyer.
However, Grisebach is not under obligation to surrender to the buyer the work of
art acquired at auction prior to the purchase price set out in the invoice having
been paid in full.
Title to the work of art shall devolve to the buyer only upon the purchase price
having been paid in full.
2.Storage
Grisebach shall store the work of art acquired at auction until it is picked up,
doing so at the longest for one (1) month, and shall insure it at its own cost, the
amount insured being equal to the purchase price. Thereafter, Grisebach shall
have the right to store the work of art with a specialized fine art shipping agent
and to insure it there. At its choice, Grisebach may instead store the work of art
in its own premises, charging a monthly lump-sum fee of 0.1 % of the purchase
price for the costs of storage and insurance.
3.Shipping
Where the buyer instructs Grisebach in writing to ship to it the work of art
acquired at auction, subject to the proviso that the purchase price has been paid
in full, Grisebach shall procure the appropriate shipment of the work of art to the
buyer, or to any recipient the buyer may specify, such shipment being performed
by a specialized fine art shipping agent; Grisebach shall take out corresponding
shipping insurance. The buyer shall bear the costs of packaging and shipping the
work of art as well as the insurance premium.
4. Default of acceptance
Where the buyer fails to pick up the work of art within one (1) month (Clause 1)
and fails to issue instructions for the work of art to be
shipped to it (Clause 3), it shall be deemed to be defaulting on acceptance.
5. Sale to other parties
Should the buyer, prior to having paid the purchase price in full, sell the work of
art it has acquired at auction, it hereby assigns to Grisebach, as early as at the
present time and on account of performance, the entirety of all claims to which
it is entitled under such onward sale, and Grisebach accepts such assignment.
Insofar as the claims so assigned are in excess of the claims to which Grisebach
is entitled, Grisebach shall be under obligation to immediately re-assign to the
buyer that part of the claim assigned to it that is not required for meeting its
claim.
Section 7 Liability
1. Characteristics of the work of art
The work of art is sold in the condition it is in at the time it is knocked down to
the buyer, and in which it was viewed and inspected. The other characteristic
features of the work of art are comprised of the statements made in the
catalogue (Section 2 Clause 1) regarding the work’s creator(s), technique and
signature. These statements are based on the scholarly knowledge published
up until the date of the auction, or otherwise generally accessible, and on the
information provided by the Consignor. No further characteristic features are
agreed among the parties, in spite of the fact that such features may be
described or mentioned in the catalogue, or that they may garnered from
information provided in writing or orally, from a condition report, an expert
appraisal or the images shown in the catalogue. No guarantee (Section 443
of the Bürgerliches Gesetz­buch (BGB, German Civil Code)) is provided for the
work of art having any characteristic features.
2. Buyer’s rights in the event of a defect of title being given
(Section 435 of the German Civil Code)
Should the work of art acquired be impaired by a defect of title because it is
encumbered by rights of third parties, the buyer may, within a period of two (2)
years (Section 438 paragraph 4 and 5 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB,
German Civil Code)), rescind the agreement based on such defect of title, or it
may reduce the purchase price (Section 437 no. 2 of the German Civil Code).
In all other regards, the buyer’s rights as stipulated by Section 437 of the
German Civil Code are hereby contracted out, these being the right to demand
the retroactive performance of the agreement, the compensation of damages,
or the reimbursement of futile expenditure, unless the defect of title has been
fraudulently concealed.
3.
4.
5.
Buyer’s rights in the event of a material defect being given
(Section 434 of the German Civil Code)
Should the work of art deviate from the characteristic features agreed
(work’s creator(s), technique, signature), the buyer shall be entitled to rescind
the agreement within a period of two (2) years after the work of art has been
knocked down to it (Section 438 paragraph 4 of the Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB, German Civil Code)). The buyer shall be reimbursed for the purchase price
it has paid (Section 4 Clause 1 of the Conditions of Sale), concurrently with the
return of the purchased object in unaltered condition, such return being effected
at the registered seat of Grisebach.
Claims to any reduction of the purchase price (Section 437 no. 2 of the German
Civil Code), to the compensation of damages or the reimburse–ment of futile
expenditure (Section 437 no. 3 of the German Civil Code) are hereby contracted
out. This exclusion of liability shall not apply should Grisebach have fraudulently
concealed the defect.
The right to rescind the agreement for material defects shall be contracted out
wherever Grisebach has sold the work of art for the account of the Consignor
and has exercised, to the best of its ability, the greatest possible care in
identi­fying the work’s creator(s), technique and signature listed in the catalogue,
provided there was no cause to doubt these statements’ being correct. In such
event, Grisebach enters into obligation to reimburse the buyer for the buyer’s
premium, any allocated costs that may have been charged, and turnover tax.
Moreover, Grisebach shall assign to the buyer all of the claims vis-à-vis the
Consignor to which it is entitled as a result of the defects of the work of art,
providing the Consignor’s name and address to the buyer. Grisebach shall
support the buyer in any manner that is legally available to it and that it is able
to apply in enforcing such claims against the Consignor.
Errors in the auction proceedings
Grisebach shall not be held liable for any damages arising in connection with
bids that are submitted orally, in writing, by telephone or via the internet,
unless Grisebach is culpable of having acted with intent or grossly negligently.
This shall apply in particular to the telephone, fax or data connections being
established or continuing in service, as well as to any errors of transmission,
transfer or translation in the context of the means of communications used,
or any errors committed by the employees responsible for accepting and
forwarding any instructions. Grisebach shall not be held liable for any misuse
by unauthorized third parties. This limitation of liability shall not apply to any
loss of life, limb or health.
Statute of limitations
The statutory periods of limitation provided for by Section 438 paragraph 1
Clause 3 of the Bürgerliches Gesetzbuch (BGB, German Civil Code) (two years)
shall apply where the statute of limitations of claims for defects is concerned.
Section 8 Final provisions
1. Collateral agreements
Any modifications of the present Conditions of Sale that may be made in an
individual case, or any collateral agreements, must be made in writing in order
to be effective.
2. Translations of the Conditions of Sale
Insofar as the Conditions of Sale are available in other languages besides
German, the German version shall govern in each case.
3. Governing law
The laws of the Federal Republic of Germany shall exclusively apply. The United
Nations Convention on the International Sale of Goods shall not apply.
4. Place of performance
Insofar as it is possible to agree under law on the place of performance and the
place of jurisdiction, this shall be Berlin.
5. Severability clause
Should one or several provisions of the present Conditions of Sale be or become
invalid, this shall not affect the validity of the other provisions. Instead of the
invalid provision, the corresponding statutory regulations shall apply.
Einliefererverzeichnis Impressum
Consignor Index
Imprint
[3392] 344 [2052] 349 [3014] 301 [3020] 325 [3044] 307 [3082]
308 [3088] 327 [3097] 324 [3124] 302, 303 [3125] 313, 328 [3177]
336 [3178] 346 [3208] 315, 316 [3214] 337, 343 [3219] 309, 314
[3223] 332 [3276] 312 [3280] 329 [3374] 340 [3375] 318 [3378]
326 [3407] 334 [3408] 304 [3409] 319 [3431] 320 [3436] 321
[3439] 342 [3442] 348 [3444] 335 [3450] 338, 339 [3453] 341
[3489] 317, 345 [3491] 333 [3498] 306 [3510] 330 [3518] 350
[3519] 305 [3524] 331 [3530] 311 [3570] 347 [3573] 322 [3600]
323 [3794] 310 [3879] 300
Herausgegeben von:
Villa Grisebach Auktionen GmbH,
Fasanenstraße 25, D-10719 Berlin
Geschäftsführer:
Bernd Schultz, Micaela Kapitzky, Florian Illies,
Dr. Markus Krause, Daniel von Schacky, Rigmor Stüssel
HRB 25 552, Erfüllungsort und Gerichtsstand Berlin
Katalogbearbeitung:
Dr. Stefan Körner, Patrick Golenia
Provenienzrecherche: Dr. Sibylle Ehringhaus
Textbeiträge: Kristin Bahre (KB), Ulrich Clewing (UC),
Alexandra Enzensberger (AE), Robert Eberhardt (RE),
Anne Ganteführer-Trier (AGT), Patrick Golenia (PG),
Constanze Hager (CH), Janet Kempf (JaK), Julia Knöschke (JK),
Dr. Stefan Körner (SK), Joost Leliveld (JL),
Gawain von Mallinckrodt (GvM), Elke Neumann (EN),
Petra Raschkewitz (PR)
Lektorat: Axel Fischer, Berlin
Photos: Photostudio Bartsch, Karen Bartsch
Photobearbeitung: Ulf Zschommler
© Frobenius-Institut an der Johann Wolfgang Goethe-Universität,
Frankfurt am Main (301), Mittelrhein-Museum, Koblenz (308),
British Museum, London (318), Privatsammlung (339), Deutsche
Kunst und Dekoration 1928/29, Bd. 63, S. 80 (347)
Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich,
die Rechteinhaber ausfindig zu machen.
Graphik-Design/DTP: Lena Mahr; www.studiomahr.de
Produktion: Daniel Lamprecht
Database-Publishing: Digitale Werkstatt, J. Grützkau, Berlin
Herstellung & Lithographie: Königsdruck GmbH
Gedruckt auf Maxisatin, 150 g/qm
Schrift: Didot und Corporate S
Abbildungen auf dem Umschlag:
Umschlag vorn:
Theophil Hansen (Entwurf) Los 338
Laufsessel aus Schloß Hernstein
Umschlag hinten:
Meister der Échevinage von Rouen Los 304
Stundenbuch
Doppelseite vorn:
Jan-Frans van den Hecke Los 312
Tapisserie des Frühlings
116 Schmuckseite / zur Umschlagseite U3
224
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