Dämonologie Dämonologie in der jüdisch

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Dämonologie Dämonologie in der jüdisch
Dämonologie
in der jüdischchristlichen Tradition
Eine Facharbeit von
David Füllert und Daniel Riemer
Die Dämonologie in der jüdisch-christlichen Tradition
Inhaltsangabe
1.
2.
3.
4.
5.
Vorwort
Dämonen
Der Teufel
Lilith
Teufelsbuhlschaft
6. Hexenverfolgung
7. Exorzismus
8. Nachwort
9. Selbstständigkeitserklärung
10. Literaturverzeichnis
3
1. Vorwort
Der Mensch ist seit Anbeginn der Zeit bestrebt das Unverständliche zu verstehen. In einer Zeit, da die Wissenschaften noch nicht weit entwickelt waren, versuchte man, natürliche Phänomene mit übernatürlichen Begründungen zu erklären. Besondere Bedeutung fand dieser Vorgang in den Religionen, wobei für
diese Arbeit die jüdische und christliche Religion von Bedeutung ist. In der modernen Gesellschaft findet ein Wandel statt. Immer wieder findet man in den
Medien Magie und Zauberei und im übertragenen Sinne, wenn auch nicht ausschließlich, Dämonen und Teufel. Sehnt sich unsere Gesellschaft nach einer
solchen Mystifizierung, um in einer immer schneller werdenden Welt inneren
Halt zu finden?
Doch wo finden sich die Wurzeln jenes inneren Bedürfnisses nach dem Transzendenten, der Faszination für das nicht Greifbare? Die Vermutung liegt nahe,
dass sie sich in der Zeit vor der Christianisierung Europas finden, in einer Zeit,
in der die Kultur durch Aberglauben geprägt war. Diese Kultur, die vom Christentum zu verdrängen versucht wurde, erlebt jedoch heute eine Renaissance.
4
2. Dämonen
In vielen Religionen finden sich Geschichten über Dämonen oder Wesen, die
als solche bezeichnet werden können. Der Begriff der Dämonen kommt von
dem griechischen Wort „δαíµονες“1, welcher ursprünglich für Götter und Untergötter des griechischen Pantheons stand. Erst durch den monotheistischen
Jahwe-Glauben im expandierenden Judentum erhielt der Begriff die Bedeutung
des Bösen als Bezeichnung für nun als heidnisch geltende Götter. Feinde des
sich verbreitenden Judentums, vor allem politische Gegner, wurden mit fast
schon gottähnlichen Fähigkeiten ausgestattet2. Der Schauplatz des Kampfes
zwischen Gut und Böse war der Mensch selbst. Man ging so dazu über, den
eigentlich aus dem Volkstum stammenden Glauben an die Dämonen als vollständigen Teil der Religion zu etablieren3. Der Teufel wurde zum Gegenspieler
Gottes und die ihm untergebenen Dämonen zu seinem Werkzeug im Kampf
gegen die göttlichen Engelsheere4. Wenngleich den Dämonen und dem Teufel
als ihrem Herrscher widergöttliche Fähigkeiten und Eigenschaften zuteil wurden, findet man doch in der Entstehungsgeschichte des einstigen Dämonenglaubens viele Elemente aus anderen Religionen5. Nach christlicher, aber vor
allem katholischer, Dogmatik sind die Dämonen von Gott abgefallene Engel,
denn sie wurden von ihm zwar als gute Wesen geschaffen, wandten sich aber
von ihm ab6. Diese Idee stammt vermutlich aus dem griechischen Raum. Immer
wieder wurden sich Legenden über Göttersöhne und -töchter erzählt, die aufgrund ihrer Taten aus den göttlichen Gefilden verbannt wurden. Diese Legenden vom Fall der Götterkinder, vor allem aber derer der Göttersöhne, wurden in
die späte jüdische Dogmatik übernommen und gingen so nahtlos in die christliche Tradition über7. Somit kann man sagen, dass aus dem „Fall der Göttersöhne“8 der Himmelssturz wurde, für den vor allem im Volksglauben der Engel Luzifer bekannt wurde, welcher mit dem Teufel gleichgesetzt wurde und wird (s. S.
6). Neben seiner späteren Position als Monarch der Dämonen hat der Teufel
auch noch die Position des Begründers des Dämonengeschlechts9. Zum einen
ist der Teufel in Gestalt Luzifers der oberste gefallene Engel und somit Herr der
Dämonen, zum anderen aber auch der Verführer, welcher andere Engel, aber
auch Menschen, zur Sünde verführt und somit seine Armee mit weiteren Mitgliedern auffüllt10. Nach christlicher Überzeugung ist die Strafe Gottes an den
Dämonen gerechtfertigt, da sie sich an Gott versündigten indem sie sich selbst
überhöhten und überschätzten. Daher steht nach christlicher Tradition der Beschluss Gottes fest, die Dämonen in die Hölle zu verbannen11. Im 4. Lateran1
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 2
J. Meier und P. Schäfer, Kleines Lexikon des Judentums, S. 73
3
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 2f.
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J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 3
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a. a. O.
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a. a. O.
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J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 3, Z. 21
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a. a. O.
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J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 3
2
5
konzil (1215) wurde folgende Aussage über das dämonische und teuflische
Wesen getroffen: „Der Teufel und die anderen Dämonen sind zwar von Gott
ihrer Natur her gut geschaffen, aber durch sich selbst böse geworden.“12 Dies
bestätigt die These, dass Dämonen als Kräfte des Bösen gesehen wurden. Ein
Grund der Menschen daran zu glauben waren die beunruhigenden Umstände
jener Zeit. Es fehlte an der Erforschung der Ursachen von Plagen und Katastrophen. Die Menschen gingen dazu über, derartige Ursachen den Dämonen
anzudichten, was diese zu Wesenheiten des Chaos und der Unordnung
macht13. Wenngleich die Dämonen talmudischer Zeit fast aus den Köpfen der
Menschen verschwanden, erlebte jedoch der Dämonenglaube einen neuen Höhepunkt im Mittelalter14. Nicht zwangsläufig aus den Kreisen des Klerus, da dieser vor allem versuchte, gegen derartige religiöse Erscheinungen vorzugehen,
kamen neuere Facetten des Dämonenglaubens15. Diese fanden schon bald
Anklang in den Hexenprozessen und Inquisitionsgerichten. Bald darauf wurden
Menschen auf bloßen Verdacht des pactio diaboli (lat. Teufelspakt), zu Tode
gefoltert oder hingerichtet16 (s. S. 6f.). Wenngleich es viele sehr unterschiedliche Dämonen gibt, verbindet sie doch einiges. De facto besitzen alle Dämonen
Kräfte, die einen Menschen an die Grenzen seines Ichs zu bringen vermögen17.
Weiterhin besitzen einige Dämonen die Fähigkeit, von MenschenBesitz zu ergreifen, sie also besessen zu machen, was ihnen ermöglicht, die vollständige
Kontrolle über die Handlungen eines Menschen zu übernehmen18. Nach dem
Neuen Testament zu urteilen besitzen die Dämonen, wie auch der Teufel
selbst, keine Macht mehr, da diese durch Jesu Machtwort gebrochen wurde.
Deswegen braucht der Mensch die Dämonen nicht mehr zu fürchten. Sollte er
dennoch Opfer ihrer Taten werden, so können die Dämonen ausgetrieben werden, ähnlich dem Beispiel des Legion19 aus den Evangelien (s. S. 12). In der
Neuzeit wurde der Dämonen-Begriff erneut umgedeutet. Besondere Berühmtheit erlangte Johann Wolfgang Goethe, welcher mit seiner Tragödie „Faust“, die
Dämonen wieder in die Köpfe der Menschen holte. Seiner Meinung nach war
das Dämonische etwas, das jeder Mensch besaß, das Potential des/zum Bösen. Besonders Personen von großer Macht sagte er nach, dass sie dämonisch
wären, da sie, ähnlich diesen, über große Macht verfügten und diese auch nutzten20.
12
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 3, Zeile 28-31
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 3
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J. Meier und P. Schäfer, Kleines Lexikon des Judentums, S. 73
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a. a. O.
16
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 3
17
T. Schlotter, Calwer Bibellexikon, S. 195
18
Der Brockhaus multimedial (von 2001), Artikel: Besessenheit
19
s. Markus 5
20
A. Puhle, Lexikon der Geister, S. 113
13
6
3. Der Teufel
Der Teufel ist im Volksglauben die Inkarnation allen Bösen. Doch stellt sich die
Frage, woher die Gestalt des Teufels, welche sich tief in unserer Kultur verankert hat und auch heute noch in sprachlichen Wendungen Ausdruck findet,
kommt. Der Teufelsbegriff stammt ursprünglich aus der Septuaginta als
„διάβολος“, der Verleumder. Dieser Begriff, welcher dann weiter verwendet und
immer wieder, je nach Landessprache, verändert wurde hielt Einzug auch in die
abendländische Kultur und Sprache. So wurde der Verleumder in England zum
devil, zu diable in Frankreich und zum Teufel in Deutschland21. Dennoch findet
man in der gesamten christlichen Religion wie auch teilweise in der jüdischen
noch weitere Namen meist sehr unterschiedlichen Ursprungs für den Teufel.
Ursprünglich gab es keinen Teufel, zumindest nicht nach jüdischer Überzeugung. Große Plagen und Unglücke waren keinesfalls Teufelswerk, sondern
göttliche Strafe. Diese Einzigartigkeit Gottes führte dazu, dass dieser nicht als
absolut gut zu sehen war. Es entwickelte sich doch schon im babylonischen Exil
eine Meinung, dass es nicht direkt Gottes Werk sein muss, denn man ging dazu
über einen Gesandten Gottes für derartige Ereignisse verantwortlich zu machen. Dieser hatte nach frühjüdischer Auffassung eine gesonderte Stellung im
Himmel und wurde nur entsandt, um Ungläubige zu strafen: Er war der Ankläger Gottes. Doch schon bald änderte sich die Auffassung von Gott und seinem
Ankläger dauerhaft. Der Ankläger Gottes wurde zum eindeutigen Gegenspieler
Gottes22. Nicht selten wird auch der Name Satan für den Teufel verwendet.
Dieser Begriff kommt von dem hebräischen Lehnwort „sãtãnã“23 und macht den
Satan somit zum direkten Widersacher Gottes24. Während der Begriff Satan,
wie auch Baal oder Beelzebub, aus der frühen jüdischen Tradition stammen, ist
der Name Luzifer (der Lichtträger: lat. lux=Licht, ferre=tragen) eine vornämlich
christliche Erscheinung. Nach christlicher Überzeugung war Luzifer ein ranghoher Engel im Dienste Gottes, welcher sich allerdings gegen diesen auflehnte25.
Warum er das tat wird in der christlichen Überlieferung nicht exakt beschrieben
und bietet daher Anlass zu theologischen Diskussionen. Einige, z.B. der frühchristliche Kirchenvater Lactantius, behaupten, Luzifer sei der jüngere Sohn
Gottes und neidisch auf seinen älteren Bruder Jesus. Andere, wie die Katharer,
behaupten, Jesus wäre der jüngere Sohn und Luzifer der ältere, dennoch handelt er auch hier aus demselben Bewegrund. Aus welcher Überzeugung Luzifer
der Überlieferung nach auch immer gehandelt haben mag, bleibt ein Fakt doch
immer der gleiche: Luzifer wurde aus dem Himmel in die Hölle gestoßen, da er
die Selbstliebe über die Liebe zu Gott stellte26. In dieser Arroganz und Eitelkeit
liegt also der Ursprung, weswegen der Teufel in die Hölle gestoßen wurde. In
Diensten Gottes war Luzifer ein mächtiger Engel oder sogar, je nach Auffas21
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z, S. 707f.
J. C. B. Mohr; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z, S. 705
23
(„sãtãnã“ bedeutet „Widersacher“) Der Brockhaus multimedial (von 2001), Artikel: Satan
24
J. C. B. Mohr; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z, S. 708
25
Der Brockhaus multimedial (von 2001), Artikel: Luzifer
26
J. C. B. Mohr; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z; Seite 708
22
7
sung, ein Sohn Gottes, in jedem Fall aber ein hohes Wesen in göttlichen
Diensten. Als er und seine Anhänger (niedere Engel als er selbst) gegen Gott
rebellierten, wurden sie alle hinabgestoßen. Je nach Rang und somit Schwere
des Verrats wurden sie tiefer in die Hölle gestoßen. Luzifer als ihr Anführer somit in die tiefsten Tiefen, was ihn auch nach seinem Himmelsfall zum Anführer
seinesgleichen macht27. Somit ist es nicht weit hergeholt, dass die Hölle eine
Inversion des Himmels ist28. Eine weitere verbreitete Variante des Teufels ist
Sammael. Dieser unterscheidet sich nicht stark von Luzifer, da auch er ein gefallener Engel ist. Ihm wird aber zusätzlich die Fähigkeit zugeschrieben, der
Todesengel zu sein. Den Überlieferungen nach ist er der Gefährte der Dämonin
Lilith und Herrscher aller Dämonen der Hölle29. Besonders in der Darstellung
des Teufels anhand dieser Überlieferung übertrafen sich die Gelehrten des Mittelalters, der Blütezeit des wieder aufgeflammten Dämonenglaubens, Teufel
und die Hölle. Der Teufel wurde als Affe dargestellt (lat. simia Dei) oder in
Bocksgestalt, allgemein mit tierischen Zügen wie Hufen, oder auch hinkend,
begründet durch den Himmels-„Sturz“. Weniger stark an tierischen Vorbildern
angelehnt, dafür aber an der Vorstellung des gefallenen Engels, war die Darstellung des attraktiven Jünglings mit Flügel für den Teufel, wenngleich er eine
schwefelfarbene Haut hatte30. Weitere Bezeichnungen für den Teufel sind Belial, Beelzebub31, Mastemas oder Semjas. Wenngleich die Ursprünge jener Begrifflichkeiten unterschiedlich sind, haben sie doch einiges gemeinsam: All diese Beschreibungen haben eine erniedrigende Bedeutung, da hier, wie bei den
Dämonen im Allgemeinen, aus Gottheiten Wesen des Bösen wurden32. Ebenfalls werden dem Teufel in all seinen vermeintlich unterschiedlichen Erscheinungsformen immer wieder gleiche, oder zumindest ähnliche, Fähigkeiten zugeschrieben. Seine erste Fähigkeit ist die der Verführung, mit der er versucht
den Menschen auf seine Seite zu bringen. Die zweite ist der Wille des Teufels
Gottes Heilsplan zu stören, indem er Anschläge auf von Gott Erwählte plant und
ausführt. Zuletzt ist der Teufel ein Verleumder und versucht einen Keil zwischen
Gott und die Menschen zu bringen33. All dies legt den Schluss nahe, dass es
sich bei dem Teufel um das personifizierte Böse handelt. Anders denken darüber die Philosophen und Aufklärer der Neuzeit, die in dem Teufel nur ein Symbol für das Böse und Schlechte sehen, und die Tatsache, dass Menschen sowohl gut als auch böse sein können34.
27
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z, S. 708
a. a. O.
29
P. Schäfer, Kleines Lexikon des Judentums, S. 267
30
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z, S. 709
31
urspr. wohl Baal’zeebul (hebr.), bedeutete bei den frühen Israeliten „Gott der Fliegen und des Misthaufens“, war
jedoch in seinen Ursprüngen ein phönizischer Fruchtbarkeitsgott, s.a. A. S. LaVey, Die Satanische Bibel und Die Satanischen Rituale, 1. Auflage, S. 76
32
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 2
33
J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z, S. 706
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J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Sh-Z, S. 709
28
8
4. Lilith
In der christlichen Tradition finden sich viele Dämonen. Ein sehr spezieller weiblicher ist Lilith, oder auch „Lilit“ geschrieben. In der biblischen Überlieferung findet sich nichts über Lilith, eine Ausnahme davon ist Jesaja 34,1435. Dafür erscheint sie sehr viel häufiger im Talmud, was darauf schließen lässt, dass sie
bereits in der jüdischen Religion eine entscheidende Rolle spielte. Vieles ist an
der Person der Lilith widersprüchlich, da sie im christlichen Wirkungsbereich
keinen allzu großen Einfluss spielt. Der Name lilit kommt aus dem Hebräischen
und bedeutet soviel wie „die Nächtliche“36. Dies ist wahrscheinlich auch der
Grund, weshalb sie nicht direkt in der Bibel Erwähnung findet: Allem Anschein
nach wurde ihr Name direkt übersetzt (wie bei Jesaja) und nicht als Eigenname
behandelt. In der englischen King James Bible findet sich die Übersetzung
screech owl, dem englischen Begriff für die Schleiereule, für lilit. Daneben übersetzte auch Martin Luther ihren Namen nicht als eigenständigen und feststehenden Begriff. Luther machte aus lilit das Nachtgespenst37. Trotz dieser Vernachlässigung im Christentum war sie ein bedeutender Bestandteil der jüdischen Erzählung. Nach jüdischer Überlieferung war Lilith die erste Frau Adams.
Sie wurde aus dem gleichen Lehm erschaffen wie er. Als sie sich diesem allerdings unterordnen sollte, widersetzte sie sich Gott und verließ das Paradies38.
Außerhalb des Paradieses zeugte sie mit einigen Wesenheiten Kinder, welche
alle von den Dienern Gottes vernichtet wurden. Aus dem Grund der Rache für
den Tod ihrer Nachkommenschaft wird ihr der Mord an Kindern und die Gefährdung von schwangeren Frauen vorgeworfen39. Weiterhin gilt sie als Verführerin
der Männer, auch gegen deren ausdrücklichen Willen. Dies ist jedoch nur eine
Facette der sehr vielschichtigen Erscheinung der Lilith. Von einigen jüdischen
Feministinnen wird sie als Sinnbild der emanzipierten Frau angesehen. Trotz
ihres Auftretens als erste (emanzipierte) Frau, gibt es einige Eigenschaften die
sich in allen Erscheinungsformen immer wieder finden. In den meisten Fällen
wird sie als weiblicher Dämon dargestellt, vor allem nackt mit großen, gefiederten Flügeln. Diese Erscheinungsform stammt wahrscheinlich aus dem babylonischen Exil, in welchem die Israeliten auf die babylonische Göttin Lilitu trafen
und deren Mythos von der Verbannung aus dem Paradies der Inanna40. Dies
diente, so scheint es, als Vorlage für den eigenen Schöpfungsmythos. Wie viele
andere nichtjüdische Gottheiten wurde Lilitu bald schon zu einem Dämon mit
verhängnisvollen Fähigkeiten herabgestuft41.
35
J. Maier, P. Schäfer, Kleines Lexikon des Judentums, Seite 190
Der Brockhaus multimedial, Artikel: Lilith
C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 117
38
Der Brockhaus multimedial, Artikel: Lilith
39
T. Schlotter, Calwer Bibellexikon, Seite 196
40
Material der Ausstellung „Babylon ist nicht Babel“ im Pergamon-Museum Berlin, 2008
41
J. C. B. Mohr, Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 2
36
37
9
5. Teufelsbuhlschaft
Buhlen bezeichnet den Geschlechtsverkehr, der durch Werben eines Beteiligten eingeleitet wird. In diesem Fall buhlt der Teufel oder einer seiner Dämonen
um einen Menschen, der fortan in dessen Willen steht, sodass aus gläubigen
Menschen Hexen und Schwarzmagier werden. Dabei stellte sich der Teufel
sehr geschickt an, denn in mehr oder weniger schweren Lebenssituationen bot
er seine Hilfe an, den Preis enthüllte er jedoch erst, wenn es für den Betroffenen schon zu spät war: „Verleugnung Gottes und der Heiligen, Beitritt zur Hexensekte und körperliche Hingabe an ihn [Teufelsbuhlschaft, Anm. D. Riemers]“42. Der somit geschlossene Dämonenpakt (s. S. 10) wurde mit dem Geschlechtsverkehr, schriftlich mit dem Blut der Hexe43 und dem Einritzen des Hexenmals, einer pigmentierten und schmerzunempfindlichen Hautstelle, besiegelt44. Die männliche Form des Teufels und seiner Dämonen (Incubus) beschäftigte Theologen besonders: Sie waren überzeugt, dass er ein riesiges, eiskaltes
Glied hatte, mit dem er beliebig oft genauso kalten aber unfruchtbaren Samen
ausstoßen konnte. Zum Hexentanz und -sabbat, die vermutlich an keltische
oder germanische rituelle Feiern angelehnt wurden um diese zu „verteufeln“,
gab es wüste sexuelle Ausschweifungen (erste Verbindungen von Ketzerei und
Orgien wurden in den Templerprozessen 1307-1314 hergestellt). Zu diesen Anlässen holte der Buhlteufel (Dämon) der jeweiligen Hexe diese mit unterschiedlichen Transportmitteln wie roten Riesenkatzen, Wölfen, Hunden, Kutschen
oder schwarzen Pferden und Ziegenböcken ab oder lud sie auf seinen Rücken,
wenn es ein geflügelter Dämon war, sofern sie noch nicht allein mithilfe von Hexensalbe fliegen konnte. Die Hexen trafen sich auf Bergen wie dem berühmten
Blocksberg, in Wäldern usw. zu ihren Sauf-, Fress- und Sexorgien, bei denen
sie Gott lästerten, rüde Tänze aufführten und sich untereinander, egal ob mit
Dämon oder Mensch, welchen Geschlechts auch immer, vereinigten45. Nach
kirchlicher Ansicht war beim Hexensabbat (schwarze Messe) der Satan selbst
anwesend, um angebetet zu werden, was ihn vom Hexentanz unterscheidet.
Ihm wurden Opfer in Form von Kinderleichen dargebracht. Außerdem gab es
eine Art Liturgie bei der schwarzen Messe: das Sprechen des „Satan unser“,
die besagte Opferdarbringung, das Essen von abnormen Speisen wie Menschenfleisch und obszöne Tänze, die fließend zur großen Orgie übergingen.
Der Höhepunkt war die feierliche Satansanbetung und das Küssen seines Hinterns46. Am Ende wurden geweihte Hostien und Kreuze zertreten und Gott gelästert und geleugnet. Danach verschwand Satan und die Hexen bereiteten ihre
nächsten Gräueltaten vor, kochten Hexensalbe usw.47
42
W. Tarnowski, Hexen und Hexenwahn, S. 14 (s.a. Goethes „Faust“)
der Teufel ritzte den Arm dazu auf: Autoaggression mit Selbstverletzung wurde also anscheinend als Zeichen des
vollzogenen Dämonenpaktes verstanden und daraufhin ein Hexenprozess eingeleitet
44
J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S. 126f.
45
s. 3. Mose 18,23; 2. Mose 22,18 für Geschlechtsverkehr mit (Dämonen in Gestalt von) Tieren; außerdem wurde auch
die biblisch verbotene Homosexualität praktiziert (s. 2. Mose 18,22 und 20,13; Röm 1, 26f.; Jud V.7)
46
J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S. 60
47
J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S. 54-57, 60-64
43
10
6. Hexenverfolgung
Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen.
– 2. Mose 22,17 (vgl. 3. Mose 20,6 und 20,27; 5. Mose 18,10-12; 1. Sam 28,9)
Grundsätzlich wurde schon vor der Zeit der großen Hexenverfolgungen im Volk
fest an Hexerei und Zauberei geglaubt, weil die Bibel deren Existenz oft genug
belegt (s.o.). Dennoch waren Hexen um 1000 n.Chr. nicht gefährdet, denn
selbst nach Beginn der Verfolgung gab es an einigen europäischen Höfen noch
sog. Schwarzkünstler43. Es gab also sehr wenige Klagen wegen Hexerei. Zu
dieser Zeit riefen noch viele Geistliche44 ihre Priester dazu auf, den Menschen
die Leichtgläubigkeit zu nehmen. Nach ihrer Ansicht verführte der Teufel Frauen u.a. dazu zu behaupteten, „im Gefolge der römischen Göttin Diana auf Tieren durch die Luft“45 geflogen zu sein.
Den Anstoß, die kirchliche Position zum Teufel und den Dämonen neu zu überdenken, gaben im 12. und 13. Jhdt. die Katharer46, die das einfache Leben in
Frömmigkeit und Nächstenliebe konträr zum Lebenswandel der kirchlichen
Geistlichen predigten47. Diese Irrlehren, die die Katharer verbreiteten, konnte
ihnen jedoch nur der Teufel eingegeben haben.
Die Gründung der Inquisition48 1227 war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur
großangelegten Hexenverfolgung. In den für heutige Verhältnisse unfairen Prozessen49 drohte bei Geständnis und Reue lebenslange Kerkerhaft, ansonsten
die Verbrennung50. Zudem wurde 1252 durch Papst Innozenz IV. auch die Folter erlaubt, was viele Geständnisse zur Folge hatte. Die Aussagen der Gefolterten bewiesen die These, dass der Teufel die Menschen verführte und sie für
Schadenzauber (lat. maleficium) mit magischen Fähigkeiten belohnte. Spätestens hier wird das Verschmelzen der Häresie und der Hexerei erkennbar. Das
negative Denken über Hexerei wurzelte in den Lehren der Scholastiker51, die
sich dabei wiederum auf den Kirchenvater Augustinus stützten, dass jeder Zauberer einen Dämonenpakt schließe52. Thomas von Aquin (1225-1274) wand
dies auch auf den Volksaberglauben an, sodass dieser zur Wahrheit erhoben
wurde.
43
Sie wurden um einen Blick in Zukunft oder Vergangenheit, medizinischen Rat oder sogar Teufelsaustreibung ersucht.
allen voran Bischof Burckhard I. von Worms (965-1025), s. W. Tarnowski, Hexen und Hexenwahn, S. 6
45
s. Canon episcopi (um 906 in Trier erschienen)
46
die „Reinen“ von griech. katharsis=Reinigung, wovon später „Ketzer“ abgeleitet wurde; eine bedeutende Reformbewegung im christlichen Abendland (E. Werner, M. Erbstößer, Ketzer und Heilige, 1. Auflage, S. 315f.)
47
Da sie zu mächtig für die Kirche wurden, verwüstete ein Ritterheer auf Geheiß des Papstes 1209-1229 ihre Gebiete.
48
von lat. inquisitio=gezielte Untersuchung, denn statt des üblichen Wartens auf Zeugenaussagen wurden die kirchlichen Richter nun selbst tätig auf der Suche nach Häretikern; außerdem wurde jeder Gläubige verpflichtet, Häresie (von
griech. αἵρεσις=Auswahl) anzuzeigen. (J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S. 37f.)
49
Es gab selten Verteidiger, keine Berufung, und Richter und Ankläger waren dieselbe Person.
50
Dies wurde später auch in der Constitutio Criminalis Carolina (Die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von
1532, eine moderatere Gerichtsordnung als die der Inquisition, die z.B. die Rufschädigung eines Angeklagten vermeiden wollte; sie fand jedoch in Hexenprozessen selten Anwendung, da diese „Ausnahmeverbrechen“ nicht nach Landesrecht verhandelt wurden) niedergeschrieben. S. J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S. 47f.
51
lat. scholasticus=zum Studium gehörig; Scholastik ist die Denkweise zur wissenschaftlichen Beweisführung theoretischer Fragen, entwickelt im Mittelalter
52
Zauberer sind hier mit Gottesverrätern gleichgesetzt, sodass der Dämonenpakt eine Beleidigung Gottes darstellt.
Diesen konnte der Zauberer selbst dann schließen, wenn er gar nichts davon wusste (stillschweigender Dämonenpakt).
44
11
In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts war der Höhepunkt der Hexenverfolgung,
angetrieben durch die Veröffentlichung immer neuer Aussagen Gefolterter zusammen mit Scholastikerlehren in Hexentraktaten53. In diesen sind die meisten
Anklagepunkte versammelt: „Mitgliedschaft in einer Teufelssekte, Fahrt durch
die Luft, Verwandlung in Tiergestalten, Tötung von Ungeborenen im Mutterleib,
Herstellung von ‚Hexensalbe’ aus Kinderleichen, Geschlechtsverkehr mit Succubi oder Incubi [...], Verbreitung von Haß und Zwietracht, Aufstachelung zur
Wollust“54, Erschaffung von Kreaturen aus Elementen55, Beschwörung von Unwettern und Anhexen von fast allen Krankheiten an Mensch und Tier56. Sogar
das Verhexen der Natur wie das Ersticken von Blüten unter beschworenem Reif
wurde ihnen angedichtet. Auch durch Luthers Kirchenreform 1517 änderte sich
nichts, denn auch er glaubte an die Existenz von besessenen Hexen57.
Die Anklagepunkte wurden immer weiter verfeinert und abgerundet und schließlich in der Hexenbulle 1484 durch Papst Innozenz VIII. übernommen, woraus
später der Hexenhammer hervorging58.
Verurteilt wurden v.a. weibliche Hexen, da sie nach Meinung der Kirche
schwach, neugierig und im Glauben schwächer waren59. Viele „gestanden“ unter der Folter, andere bei den Hexentänzen (s. S. 9) gesehen zu haben, sodass
die Opferzahlen schnell Menschen aller Altersstufen und sozialen Schichten
umfassten. Dies war auch der Hauptpunkt der Kritiker60. Erst durch eine andere
Denkweise in der Zeit der Frühaufklärung, vernünftige Landesherren, die allzu
eifrige Hexenrichter bremsten, und intellektuelle Kritiker konnte die Hexenverfolgung gestoppt werden. Das letzte Hexenurteil wurde 1782, zu Lebzeiten
Kants und Goethes, vollstreckt. Insgesamt forderte die Hexenverfolgung ca.
50.000 Opfer in Europa, wobei die Dunkelziffer bis zu 9 Millionen reicht.61
Weil die Juden in der Diaspora nach der Zerstörung des Tempels mehr auf
Synagogen und Rabbis62 fixiert waren, konnten sie keine wahnsinnigen Glaubensauswüchse wie Hexenverfolgungen entwickeln, weshalb sie als Glaubensgemeinschaft davon verschont blieben.
53
z.B. der Formicarius (lat. Ameisenhaufen), geschrieben 1437 vom Abt Johannes Nider, der bei der Kirchenversammlung von Basel (Beschlüsse zur Kirchenreform und Ketzerbekämpfung 1431-1449) große Bedeutung erlangte
54
W. Tarnowski, Hexen und Hexenwahn, S. 12
55
z.B. „hatte sie […] aus Kot und Schlamm […] Ernteschädlinge erweckt“ (W. Tarnowski, Hexen und Hexenwahn, S. 21)
56
J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S. 41; daher stammt die noch immer gebräuchliche Bezeichnung
Hexenschuss für plötzlichen (angehexten) Schmerz im Rücken
57
1522 schrieb er: „Hexen […], die da Milch stehlen, Wetter machen, [...] die Leute schießen, lähmen, verdorren, die
Kinder in der Wiege martern [...] und die Leute zu Liebe und Buhlschaft zwingen und des Teufels viel.“ (W. Tarnowski,
Hexen und Hexenwahn, S. 36; s.a. Und wenn die Welt voll Teufel wär, V. Joestel, F. Schorlemmer, S. 5-9)
58
Heinrich Kramer stellte ca. 1486 die Hexenbulle zusammen mit Hexentraktaten zum 200 Jahre lang bedeutendsten
Werk der Hexenverfolgung zusammen: dem Hexenhammer. (J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S.32-37)
59
J. Leithäuser, Das neue Buch vom Aberglauben, S. 47; basierend auf der Vertreibung aus dem Paradies, nachdem
Eva vom Baum der Erkenntnis aß (s. 1. Mose 3,1-13)
60
v.a. der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635) mit seiner Cautio criminalis seu de processibus contra
sagas (lat. Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse) – er war lange Seelsorger bei Hexenprozessen und kam
zu dem Schluss, dass alle Verurteilten unter der Folter unschuldig gestanden (in seiner Cautio criminalis heißt es u.a.
„Ich will euch foltern lassen und ihr dann mich – so sind wir schließlich alle Zauberer.“) – und der niederländische calvinistische fürstliche Leibarzt Dr. Johannes Weyer, der den Glauben an Hexen in seinem Buch De praestiglis daemonum
(lat. Von den Blendwerken der Dämonen) zu Satanswerk verurteilte
61
http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung#Opfer, 19.03.2009
62
Die Rabbis lösten sich vom persischen Dualismus, den sie aus dem babylonischen Exil mitbrachten, sodass das Böse
aus der Unvollkommenheit der Welt und dem schlechten Umgang des Menschen mit seinem freien Willen entspringt,
nicht aus einem personifizierten Satan. Der Teufel ist also mehr Symbol als handelnde Person. (C. Panati, Lexikon
religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 418)
12
7. Exorzismus
Exorzismus kommt vom griechischen Wort „εχορκίζειν“, was so viel wie beschwören im Sinne von „feierliche, eindringliche Ansprache an einen Dämon
oder einen Gott, verbunden mit einer Bitte um sofortiges Handeln“63 bedeutet.
Bibelstellen, auf die sich Exorzisten berufen können, sind Markus 5,2-13 und
16,17, Matthäus 10,1 und 10,8 und Lukas 11,14-20. Auch der Verrat des Judas
an Christus wird als Besessenheit durch den Teufel dargestellt (s. Lukas 22,3,
Johannes 13,2 und 13,27). Aus diesen Bibelstellen wird deutlich, dass nach
unserem heutigen Verständnis Geisteskranke, Taube, Stumme und an anderen
Behinderungen Leidende als besessen galten.
Unter den Christen praktizieren nur Katholiken Exorzismen. In der katholischen
Kirche werden Täuflinge immer noch rudimentär exorziert, weil auf ihnen die
Erbsünde lastet und sie davon freigesprochen werden, sie verletzlich sind und
keinen eigenen, starken Willen haben und um dem Teufel und der Finsternis
widerstehen zu können. Dem Täufling wird dreimal ins Gesicht gehaucht (symbolisch für die Dreieinigkeit) und eine Vertreibungsformel gegen den unreinen
Geist Satans gesprochen. Früher wurden sogar die Sakramentalien Wasser,
Salz und Öl einem Exorzismus unterzogen, denn auch in ihnen hätte der Satan
stecken können. Die Exorzismusformel lautet: „Höre, verfluchter Satan! Ich beschwöre dich im Namen des ewigen Gottes und unseres Erlösers Jesus Christus, weiche von dannen, mit deinem Neid, besiegt, zitternd und stöhnend. Du
sollst keinen Anteil haben an diesem Diener Gottes [Name], der sich schon mit
Gedanken an den Himmel trägt und bereit ist, dir und deiner Welt zu entsagen
und die selig Unsterblichkeit zu erlangen.“64 Heute wird der Satan allerdings nur
selten direkt angesprochen, um ihm weniger Bedeutung beizumessen, stattdessen wird öfter Gottes Eingreifen erfleht.65
Auch im Judentum gibt es Exorzismen, übernommen vom Christentum, zur Vertreibung der „schedim (Dämonen) und masikim (Geister)“66 und sogar der ruot
raot (böse Geister)67. Es gibt 5 Anzeichen für Besessenheit: „erstens Halluzination (die interessanterweise als ‚Fesselung durch die Sinne’ bezeichnet wurden), zweitens Wundstellen und Blasen, drittens häufige Masturbation (‚Verderbnis des Organs’), viertens ‚Gliederzucken’ und fünftens epileptische Anfälle“66. Der Dibbuk68 nimmt bei Exorzismen eine besondere Stellung ein. Im 16.
Jahrhundert stieg ihre Anzahl im Judentum stark an, was mit dem Festhalten
am Alten in der Zeit der besonders durch die Naturwissenschaften im religiösen
Bereich hervorgerufenen Neuerungen begründet werden kann.69
63
C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 425; In diesem Sinne ist das Handeln hier die Vertreibung
eines Dämonen, indem man diesen direkt anspricht oder einen Gott darum bittet.
64
C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 428
65
C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 427, J. C. B. Mohr, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, D-G, S. 832ff.
66
C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 429
67
C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 430
68
(hebr. mitdabake=anheften, ein Totengeist, der vom Körper eines Lebenden Besitz ergreift und ihn wie besessen
wirken lässt, C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 430)
69
C. Panati, Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, S. 430f.
13
8. Nachwort
Unsere Nachforschung zu diesem Thema ergaben bei uns sowohl Bestätigung
bereits vorhandenen Wissens als auch die Erweiterung um solches:
Bestätigt hat sich, dass in den Zeiten der Hexenverfolgung blindwütig gemordet
wurde, was sowohl den schlechten medizinischen Kenntnissen (Geisteskranke
usw. galten als Hexen70) als auch dem blinden religiösen Eifer geschuldet ist.
Die Dämonologie war uns eher losgelöst von jedem Hintergrund als theoretisches Konstrukt bekannt, der komplette Zusammenhang erschloss sich erst
durch das Verbinden der unterschiedlichen Themen (z.B. die Dämonologie der
Succubi und Incubi in Verbindung mit den Lehren Geistlicher in Bezug auf Hexentänze und Hexensabbat).
Auch war es mehr als interessant, sich zu erschließen, wie die Gedankenvorgänge vergangener Generationen das menschlich nicht Fassbare in einen mythologischen Zusammenhang stellten, dadurch verfremdeten und so nicht Alltägliches zu verteufeln begannen.
Mehr als tausend Jahre beherrschte die Vorstellung von Dämonen, Teufeln und
anderen bösen Wesen das Denken der Menschen und beeinflusste ihr Handeln. Daraus folgte, dass im Namen der Gerechtigkeit und im Namen Gottes
unschuldige Menschen ihr Leben lassen mussten, woraus wir lernen sollten,
nicht alles zu verteufeln, was wir nicht verstehen.
70
s. Hexen damals – und heute, H. Sebald, S. 189-194
14
9. Selbstständigkeitserklärung
Wir versichern, dass wir die Facharbeit selbstständig und nur mit den angegebenen
Hilfsmittel erstellt haben. Alle Seiten, die im Wortlaut oder dem Sinn nach anderen
Werken entnommen sind, haben wir in jedem einzelnen Fall unter Angabe der Quelle
deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht.
Neuruppin, 20.03.2009
____________________________
David Füllert
Neuruppin, 20.03.2009
____________________________
Daniel Riemer
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10. Literaturverzeichnis
- Und wenn die Welt voll Teufel wär – Luther und das Böse, herausgegeben
und kommentiert von Volkmar Joestel und Friedrich Schorlemmer, Drei
Kastanienverlag, Wittenberg 2003
- Ketzer und Heilige, 1. Auflage, Ernst Werner und Martin Erbstößer, Union
Verlag Berlin 1986
- Das neue Buch vom Aberglauben, Joachim G. Leithäuser, Safari Verlag,
Berlin 1964
- Geschichte der Hexenprozesse – Ausgeburten des Menschenwahns, B.
Emil König, Bechtermünz Verlag, Eltville am Rhein 1989
- Handbuch Religionen, Horst Reller, Gemeinschaft Gütersloher Verlagshaus
1993
- Die Satanische Bibel und Die Satanischen Rituale (Doppelband), 1.
Auflage, Anton Szandor LaVey, Index Verlag, 1. Auflage, Zeltingen-Rachtig
2007
- Lexikon religiöser Bräuche und Gegenstände, Charles Panati, Piper Verlag,
München 1999
- Hexen und Hexenwahn, Prof. Dr. Wolfgang Tarnowski, Tessloff Verlag,
Nürnberg 1994
- Epochen der Kirchengeschichte, Ekkehard Mühlenberg, Quelle & Meyer,
Heidelberg 1980
- Kleines Lexikon des Judentums, Johann Meier und Peter Schäfer,
Christliche Verlagsanstalt Konstanz 1981
- Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, J. C. B. Mohr, UTB
Verlag, Tübingen 1985
- Der Brockhaus multimedial, 2001
- Calwer Bibellexikon, 6. Auflage, Hrsg. Theodor Schlatter, Calwer Verlag,
Stuttgart 1989
- Die Bibel (Lutherübersetzung), 6. Auflage, Evangelische HauptBibelgesellschaft, Berlin 1980
- Enzyklopädie der Religionen, Gruppo Editoriale Fabbri Bompani, Augsburg
1990
- Hexen damals – und heute, Hans Sebald, Gondrom Verlag, Bindlach 1993
- Knaurs Lexikon der Mythologie, Gerhard J. Bellinger, Knaur Verlag,
München 1999
- Der Brockhaus Religionen, F.A. Brockhaus Mannheim und Leipzig 2004
- Spurenlesen – Religionsbuch für die 9./10. Klasse, Calwer Verlag Stuttgart
und Ernst Klett Schulbuchverlag Leipzig, Leipzig, Stuttgart und Düsseldorf
1999
- Lebenszeichen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997
- Das Lexikon der Geister, Annekatrin Puhle, Atmosphären Verlag, München
2004
Internetquellen:
- http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/76800/index.html, 18.03.2009
- http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung#Opfer, 19.03.2009
Bildnachweis (Titelbild):
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