scener ur ett äktenskap - U

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scener ur ett äktenskap - U
scener ur ett äktenskap
Schweden 1972/73. ø Regie: Ingmar Bergman. ø Drehbuch: Ingmar Bergman. ø Script: Ulla Stattin. ø Kamera: Sven Nykvist (A-Foto); Lars Karlsson
(B-Foto). ø Schnitt: Siv Lundgren. ø Ton: Owe Svensson (Ljudtekniker +
Mixning); Arne Carlsson (B-Ljud). ø Szenenbild: Björn Thulin (Scenograf);
Gunilla Hagberg (Rekvisita). ø Kostüme: Inger Pehrsson. ø Make-up: Cecilia Drott.
Darsteller/innen: Liv Ullmann (Marianne, skilsmässoadvokat/Scheidungsanwältin/Divorce lawyer) ø Erland Josephson (Johan, docent/Dozent/
Lecturer) ø Bibi Andersson (Katarina) ø Jan Malmsjö (Peter) ø Gunnel
Lindblom (Eva) ø Barbro Hiort af Ornäs (Fru Jacobi/Frau Jacobi/Mrs. Jacobi) ø Anita Wall (Fru Palm, journalist/Frau Palm, die Interviewerin/Interviewer) ø Rossana Mariano, Lena Bergman, Wenche Foss, Bertil Norström
[uncredited] ø Off-Stimme des Pressefotografen: Ingmar Bergman.
Produktion: Cinematograph AB. ø Produktionsleitung: Lars-Owe Carlberg.
ø Administration: Ingrid Bergman [= Ingrid von Rosen]. ø Mitarbeiter: Siri
Werkelin, Gunilla Hagberg, Stefan Gustafsson, Anders Bergkvist, Adolf Karlström, Kent Nyström. ø Drehzeit: 24.7.–3.10.1972. ø Drehorte: Ateljén,
Dämba, Fårö; Originalschauplätze in Schweden (Insel Fårö, Provinz Gotland;
Karlaplan, Stockholm). ø Format: 16 mm, Farbe (Eastman Color). ø Länge:
281 Min. (TV); 169 Min. (Kinofassung). ø Zensur Schweden: 24.10.1974,
Nr. 113.883, freigegeben ab 15 Jahren (Kinofassung). ø FSK: 7.3.1975, PrüfNr. 47227, freigegeben ab 16 Jahren, feiertagsfrei (Kinofassung). ø Schwedische TV-Erstausstrahlung: 11.4., 18.4., 25.4., 2.5., 9.5. + 16.5.1973, TV2
(Episoden: 1. „Oskuld och panik“, 2. „Konsten att sopa under mattan“,
3. „Paula“, 4. „Tåredalen“, 5. „Analfabeterna“, 6. „Mitt i natten i ett mörkt hus
någonstans i världen“). ø Uraufführung (Kinofassung): 28.10.1974, Västerås, Camera. ø Deutsche Erstaufführung (Kinofassung): 13.3.1975, München, Sendlinger Tor, + in weiteren Städten der BR Deutschland ( szenen
einer ehe). ø DDR-Erstaufführung: 10.9.1976 ( szenen einer ehe, BRDSynchronfassung). ø Deutsche TV-Erstausstrahlung: 20.9. (Episode 1 + 2),
22.9. (Episode 3 + 4) + 23.9.1976 (Episode 5 + 6), ZDF (szenen einer
ehe: 1. „Unschuld und Panik“, 2. „Die Kunst, unter den Teppich zu kehren“,
3. „Paula“, 4. „Das Tal der Tränen“, 5. „Die Analphabeten“, 6. „Mitten in der
Nacht in einem dunklen Haus irgendwo auf der Welt“). ø Deutsche TVErstausstrahlung (Kinofassung): 4.6.1983, Fernsehen der DDR 2 (szenen
einer ehe). ø BRD-TV-Erstausstrahlung (Kinofassung): 11.7.2003, 3sat
(szenen einer ehe).
Anmerkungen: Englischer Titel: scenes from a marriage. ø Ein Großteil
des Films wurde in einer eigens für diese Dreharbeiten zu einem Filmstudio
ausgebauten Scheune in Dämba auf der Insel Fårö gedreht, dem Sitz von
Ingmar Bergmans Produktionsfirma Cinematograph. ø scener ur ett äktenskap wurde zunächst als 6teilige Fernsehserie (281 Min.) auf 16 mm
gedreht und im schwedischen Fernsehen ausgestrahlt, um dann in einer
auf 169 Minuten gekürzen Fassung auf 35 mm umkopiert in die schwedischen und europäischen Kinos zu kommen. Für den amerikanischen Markt
erstellte Bergman eine 155-Minuten-Fassung. ø Auszeichnung: GoldenGlobe-Nominierung 1974: Best Performance by an Actress in a Motion
Picture Drama (Liv Ullmann).
Ingmar Bergmans scener ur ett äktenskap ist zu
Ende, und heute gilt es, Bilanz zu ziehen. Daß die Fernsehserie eine derartige Aufmerksamkeit erregt hat, ist
kein Wunder. Viele Menschen haben – wie in einem
Spiegel – sich und die eigenen Konflikte wiedererkannt.
Mit intuitiver Treffsicherheit und echten Erfahrungswerten hat Bergman elementare Konfliktsituationen herausgearbeitet, die wir auf die eine oder andere Weise als
die unsrigen wiedererkennen können. Das Geschehen
wurde darüber hinaus mit einer derart schmerzhaften
Direktheit und Schärfe formuliert – nicht zuletzt mit Hilfe des Spiels von Liv Ullmann und Erland Josephson –,
daß die Einwände gegen Bergmans übliche Beschränkung auf ein relativ geruchloses bürgerliches Milieu belanglos erscheinen. In diesem Fall hat er die Begrenzungen seines Realismus und die Geschlossenheit seiner
Welt zu einer echten Stärke verwandelt. (…) scener ur
ett äktenskap ist in erster Linie die Schilderung einer
Frauenbefreiung. Zwar ist es Johan, der – die Unruhe
eines Mannes in mittleren Jahren ins Gesicht geschrieben – als erster die Bindung löst. Doch Marianne schlägt
am Ende den größeren Gewinn aus der Trennung, nachdem sich ihr erster Schrecken gelegt hat. (…) Die Tatsache, daß sie die Stärkere ist, macht Marianne auch zur
deutlicher und schärfer gezeichneten Figur. (…) Marianne in Liv Ullmanns unerhört nackter Gefühlsdarstellung
erhält eine konkrete soziale Dimension, die neu ist bei
Bergman. Hingegen ist Johans Lebensumfeld weniger
beeinflußt von den konkreten Umständen und stellt
vielmehr eine von vielen ähnlichen existentiellen Situationen dar, die Bergman bereits zuvor gezeichnet hat.
(…) Mit scener ur ett äktenskap hat Bergman eine
seiner besten Menschenschilderungen geschaffen. Sie
Auszug aus:
Ingmar Bergman. Essays, Daten, Dokumente
Herausgegeben von der Deutschen Kinemathek
Mit einem Vorwort und fünf
einführenden Essays von Marion Löhndorf
Deutsch/Englisch, 247 Seiten, 116 Fotos, 22,90 €
Berlin: Bertz + Fischer 2011, ISBN 978-3-86505-208-7
ist von schroffer Wahrhaftigkeit, auch dann, wenn es in
der Erzählung um Banalitäten geht. (…) Vor einigen Jahren drehte Ingmar Bergman einen herausragenden
Fernsehfilm über die Bewohner der Insel Fårö, der von
seinem Bemühen geprägt ist, einer zwar fremden, aber
doch offensichtlichen Wirklichkeit näher zu kommen.
Meiner Ansicht nach geht scener ur ett äktenskap
auf einer anderen Ebene in dieselbe Richtung. Und es
würde mich nicht wundern, wenn diese beiden Filme
Bergmans am Ende als jene mit der größten Lebensnähe dastehen.
Mauritz Edström in: Dagens Nyheter (Stockholm),
17.5.1973. Aus dem Schwedischen übersetzt von Florian
Vollmers.
Marianne und Johan sind seit zehn Jahren verheiratet.
Ihre Ehe, so scheint es wenigstens, verläuft harmonischer als die meisten. Sie sind gebildet, kultiviert und
wohlhabend, begegnen einander mit Nachsicht, Geduld und einem Rest von spontaner Zärtlichkeit. Das
alles ist natürlich viel zu schön, um wahr zu sein. In seinen sechs szenen einer ehe betreibt Ingmar Bergman
geduldig und unendlich aufmerksam die Anatomie einer Beziehung, deckt mit konzentrierter Präzision die
Unsicherheiten, Ängste, Obsessionen und Ausbrüche
einer Lebensform auf, die die Figuren immer mehr als
erstickendes Gefängnis empfinden. Allmählich werden
Risse sichtbar, tun sich schließlich Abgründe auf, sieht
sich das statische Arrangement der bürgerlichen Ehe
nachhaltig in Frage gestellt. 169 Minuten lang ist der
Betrachter zu Besuch bei Marianne und Johan, erlebt
betroffen mit, wie eingeübte Konventionen abbröckeln,
wie abgekühlte Liebe sich zu dumpfem Haß entwickelt,
dann zu höhnischer Indifferenz, am Schluß vielleicht zu
einem neuen realistischen Beginn. (…) szenen einer
ehe, das Kondensat einer fünfstündigen Fernseh-Serie,
ist fern von dem nordischen Mystizismus früherer Bergman-Filme. Ohne symbolischen Ballast, ohne ikonographische Schnörkel konzentriert sich der große schwedische Regisseur in oft sehr langen, starren, betont kunstlosen Einstellungen auf die schmerzliche Entwicklung
seiner beiden Hauptfiguren. Das Drama spielt sich weniger in den endlosen Wortgefechten ab als in den Gesichtern der beiden großartigen Hauptdarsteller Liv
Ullmann und Erland Josephson, die von Bergman mit
subtiler Meisterschaft geführt werden. Großaufnahmen
registrieren in den sich ständig wandelnden Stimmungen und Spannungen der mimischen Präsenz die Mühsal der Einsamkeit zu zweit. Gerade die winzigen Nuancen, die beiläufig erscheinenden, aber in Wirklichkeit
präzis kalkulierten Details sind es, die diesem ehrlichsten, schrecklichsten Film über die Problematik einer
Zweier-Beziehung seine emotionale Tiefenschärfe verleihen. szenen einer ehe , ein in seiner Privatheit be-
klemmend verbindlicher Film, zählt zu Bergmans Meisterwerken. Genauer, weil unprätentiöser noch als Edward Albees Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“
porträtiert er den Verfall einer Institution. szenen einer
ehe ist der wahre Katastrophenfilm der siebziger Jahre.
Man muß ihn sehen.
Hans C[hristoph] Blumenberg in: Kölner Stadt-Anzeiger,
15.3.1975.
(…) scenes is, above all, a joy to watch: never depressing (though often unsettling) and embracing the full
range of feeling from laughter and happiness through
to anger and disappointment. There has been nothing
in the cinema for quite some time which comes near to
equalling it. (…) scenes from a marriage is valid for
any relationship, either deep or superficial, since Bergman is quite clearly using that state as a springboard
towards a more general investigation. In his eyes the
large variety of feelings which marriage embraces is the
chief concern and the spectator may pick or choose
those with which he wishes to identify. No other relationship concentrates so many façets of the personality
together, and Bergman’s evident fascination with his
characters overrides any traces of preaching on the
state of marriage itself. The film is an odyssey towards
an eventual state of honesty between two people;
nothing more. (…) The film’s universal application extends farther than the state of marriage. scenes is more
free of the influences of both Sweden and Bergman
himself than any of his works. cries and whispers was
an intensely personal film for Bergman, and, as in all his
works, its attraction was partly drawn from gazing into
and sharing that world. scenes from a marriage is
more immediately applicable, and does not require any
experience of Bergman’s style or previous works in order
to gain the most from its script. The moments of emotional déjà-vu are strong indeed, the dialogue riveting
one’s attention to the screen. It is, moreover, Liv Ullmann’s film – one that triumphantly restores her shattered Hollywood reputation. Here she surpasses even
moments like her monologue in a passion; Marianne is
a complete characterisation in its own right, owing
nothing to past Bergman “heroines”. Her reading from
the diary at the end of “Paula” shows this fresh approach
best; Bergman cuts in a montage of photos, showing
her from a baby to the present day, but one listens to
her as Marianne rather than as an extension of herself.
As Johan, Erland Josephson is surprisingly good – surprising, because this actor (…) frequently strikes too
cool a note in his parts. No such reservations here, however; Johan – a difficult role in the circumstances – is
humorous, cruel, a victim of necessity. (…)
Derek Elley in: Films and Filming (London), No. 5,
­February 1975.
[Foto | Photograph] scener ur ett äktenskap: Erland Josephson, Liv Ullmann, © 1974 AB Svensk Filmindustri. ø
[Filmkopie | Print] scener ur ett äktenskap: Svenska Institutet, Stockholm | Swedish Institute, Stockholm.