Hinweise für Lehrer

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Hinweise für Lehrer
Hinweise für Lehrer
Allgemeine Hinweise
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Den Prüflingen ist ein Nachschlagewerk zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zur
Verfügung zu stellen.
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Für die Lösung von Aufgabe I kann der Abiturient auf Ganzschriften zurückgreifen, die in
der gymnasialen Oberstufe Gegenstand des Unterrichts waren.
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Die Lösungshinweise sind eine Orientierung für den Lehrer. Sie erheben keinen Anspruch
auf Vollständigkeit und sind keineswegs vom Abiturienten lückenlos abzuarbeiten. Das Erwartungsbild muss vielmehr in Abhängigkeit von den im Unterricht geschaffenen Voraussetzungen durch den Lehrer präzisiert werden.
Gelangt der Abiturient zu anderen, vom jeweiligen Erwartungshorizont abweichenden Ergebnissen, sind diese zu akzeptieren, wenn sie der Aufgabenstellung entsprechen, sachlich
richtig und nachvollziehbar begründet sind.
Hinweise zur Korrektur und Bewertung
Für die Korrektur und Bewertung sind die überarbeiteten Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch vom 24. Mai 2002 verbindlich.
Weiterhin gelten:
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die Arbeits- und Prüfungsverordnung gymnasiale Oberstufe (APVO – GO M-V) vom
16. Januar 1999
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die Abendgymnasiumsverordnung (AbiAGyVO M-V) vom 20. September 1997
–
Verordnung zur Aufnahme, Ausbildung und Prüfung an Fachgymnasien (Fachgymnasiumsverordnung FGVO M-V) vom 10. Dezember 1999
–
der Runderlass des Kultusministeriums zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung
vom 8. Oktober 1996
Der Abituraufsatz stellt eine komplexe Leistung dar, die mit einer Gesamtpunktzahl benotet
wird. Teilnoten werden nicht ausgewiesen.
Die Bewertung ist entsprechend den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung
(EPA Deutsch, S. 36 ff.) vorzunehmen. Es gibt keinen Fehlerindex für den Elementarbereich,
demzufolge müssen die Wörter nicht gezählt werden.
Die Gliederung ist nicht Gegenstand der Bewertung, sondern Teil der konzeptionellen
Vorbereitung auf den Aufsatz.
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Aufgabe I
Zitat von Ulrich Greiner
Bei der thematischen Ausgestaltung der Aufgabenstellung hat der Abiturient relativ große Freiräume.
Der Anspruch der Aufgabe erwächst aus der selbstständigen sinnvollen Gliederung und einer
überzeugenden Darstellung. Erwartet wird, dass der Abiturient sich mit den im Zitat vorgegebenen Sichtweisen zur Bedeutung von Literatur auseinander setzt. Die Entscheidung für geeignete
literarische Texte stellt eine hohe Anforderung dar, denn die Beispiele müssen einen konkreten
Bezug – befürwortend und/oder ablehnend – zum Zitatinhalt aufweisen. Die Einbeziehung von
privater Lektüre ist werterhöhend, wenn der Abiturient eine individuelle Sichtweise begründet
darlegt.
Es ist nicht erforderlich, dass alle Aspekte des Zitats berücksichtigt werden, jedoch ist es unabdingbar, mindestens einen Aspekt angemessen zu untersuchen. Der Abiturient kann zum
Beispiel seine eigene begründete Beziehung zur Literatur bzw. zum Lesen (Faszination oder
Distanzierung) entfalten; ebenso ist eine Erörterung der gesellschaftlichen Relevanz von
Literatur denkbar.
Der Essay als literarische Form ermöglicht das freie, eher assoziative Umkreisen des Themas
und verlangt den bewussten Umgang mit Sprache und Stil.
Bei der Bewertung sind deshalb beide Kritierien – thematische Durchdringung und stilistische
Eleganz – zu berücksichtigen.
Die Bearbeitung der Aufgabenstellung wird mit „gut“ bewertet,
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wenn es dem Abiturienten gelingt, zwischen Aussagen des Zitats und der gewählten
Lektüre einen sinnvollen inneren Zusammenhang herzustellen, z. B. „Hereinbruch des
erschreckend anderen“ (Kriterium der Adäquatheit),
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wenn er im Essay Denkanstöße anbietet, über Sinn und Wirkung von Literatur zu reflektieren, z. B. „Konflikt des Individuums mit der Gesellschaft“ (Kriterium der Zielorientiertheit),
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wenn er eine gehobene Stilebene wählt und Wortwahl sowie Syntax entsprechend souverän
einsetzt (Kriterium der Stilistik),
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wenn Sicherheit in Grammatik und Orthografie nachgewiesen wird.
Die Bearbeitung der Aufgabenstellung wird mit „ausreichend“ bewertet,
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wenn ein Bezug auf Aussagen des Zitats erfolgt, ansatzweise ein Zusammenhang zur
gewählten Lektüre hergestellt und für den Leser erkennbar dargestellt wird (Kriterium der
Adäquatheit und Stringenz),
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wenn keine gravierenden Stilbrüche auftreten und Satzbau und Wortwahl einem Essay
noch angemessen sind (Kriterium der Stilistik),
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wenn Grundkenntnisse in Grammatik und Orthografie nachgewiesen werden.
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Aufgabe II
Arno Schmidt:
Gesegnete Majuskeln
In seinem Essay „Gesegnete Majuskeln“ setzt sich Arno Schmidt polarisierend mit dem Thema
der Reformierung der deutschen Rechtschreibung auseinander. Der Autor sieht sich selbst als
Beherrscher im Umgang mit Sprache und als „Pionier“, der „Neues sichtbar“ machen will.
Kernaussagen:
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Die Alltagssprache ist erstarrt und wird der Fülle linguistischen Reichtums nicht gerecht.
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Sprachdifferenzierung und Sprachreichtum sind aber notwendige Mittel zur Aneignung der
Wirklichkeit.
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Die Großschreibung als Mittel semantischer und syntaktischer Differenzierung ist ein
Vorzug des Deutschen und unerlässliches Handwerkszeug des Dichters.
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Die phonetische Schreibweise ist abzulehnen, weil sie u. a. das Aussterben von Dialekten
beschleunigt.
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Eine Lösung der Rechtschreibproblematik könnte ein „Tausend-Worte-Lexikon“ in
„konsequenter Kleinschreibung“ als Grundlage für den täglichen Sprachgebrauch sein.
Argumentation:
Sinnveränderung und Verlust von Bildhaftigkeit durch generelle Kleinschreibung:
„aschengrube Welt“
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Reformbemühungen früherer Jahrhunderte (Adelung: »Was ist Hochdeutsch«)
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Erleichterung für In- und Ausländer durch Vereinfachung der Rechtschreibung
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Arbeitsersparnis für das „Druck- und Schreibmaschinenwesen“ durch ein »Tausend-Worte-Lexikon«
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Besonderheiten der chinesischen Sprache als Vorbild
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bessere Unterscheidung der »reine(n)« Sprache der Dichter von der »angewandte(n)«
Sprache der einfachen Menschen
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Sprachliche Mittel/Gestaltungsweise:
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humorvoll-spöttische Gestaltung:
· expressiver Titel (Hyperbel und Wiederaufnahme im Text)
· Metapher: „das vergipste Gravitationszentrum“
· Kontrastierungen: „Volk“ – „Geistesarbeiter“; „Leser von Lore-Romanen“;
„Faust“-Rezipienten; „rein“ – „angewandt“ u. a.
· Wortwahl und Wortwitz: „Jodler“, „Wortspezialist“
· distanzierende Anführungszeichen
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bewusst elitäre Sprachentfaltung:
· Häufung von Fremdwörtern und Termini
· mathematische Gleichung
· eigenwilliger Gebrauch von Interpunktionszeichen, individuelle Orthografie („Jeder“,
„ergiebt“)
· rhetorische Fragen
· Wiederholungen: „also ... rascher, also suggestiver“
· Metaphern: „Quell= und Grundwasser jeder Sprache“, „Todesstoß“
· hypotaktischer Satzbau
· adversative Verknüpfungen
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Mögliche Absichten:
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Beitrag zur öffentlichen Diskussion um die Rechtschreibreform (um 1954)
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Plädoyer für die Aufrechterhaltung einer Trennung innerhalb der Sprachgemeinschaft in
Eingeweihte und Alltagsnutzer (elitäre Abgrenzung)
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Mahnung zur Behutsamkeit bei der Reformierung der Groß- und Kleinschreibung wegen
ihrer Auswirkungen auf die Semantik
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Ironisierung der öffentlichen Debatte um die Reform der Rechtschreibung
Mögliche Erörterungsansätze:
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Zusammenhang von Sprache und Denken
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Rolle von Sprache in der Gesellschaft
–
Bedeutung von Sprachnormen
Jeden der genannten Ansätze kann der Abiturient für die kritische Auseinandersetzung mit dem
Verfasser nutzen. Es ist nicht zwingend, auf alle einzugehen, entscheidend ist die tiefgründige
und überzeugende Erörterung der gewählten Denkansätze.
Der Aufsatz wird mit „gut“ bewertet, wenn
die Kernaussagen des Essays herausgearbeitet werden,
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die Argumentation des Autors exakt beschrieben wird,
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sprachlich-stilistische Besonderheiten in Funktion und Wirkung analysiert werden,
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eine tiefgründige Auseinandersetzung mit ausgewählten Positionen des Autors erfolgt,
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er klar, logisch nachvollziehbar und leserfreundlich strukturiert ist,
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Wortwahl und Syntax angemessen differenziert und variabel sind,
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sichere Kenntnisse in Grammatik und Orthografie nachgewiesen werden.
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Der Aufsatz wird mit „ausreichend“ bewertet, wenn
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einige Kernaussagen des Textes erkannt und dargestellt werden,
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die Argumentation ansatzweise beschrieben wird,
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eine Auseinandersetzung mit mindestens einer Position des Autors erfolgt,
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er nachvollziehbar strukturiert ist,
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Wortwahl und Syntax im Wesentlichen der Aufgabenstellung angemessen sind,
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grundlegende Kenntnisse in Grammatik und Orthografie nachgewiesen werden.
Aufgabe III
Christoph Meckel:
Auf der Felsenkuppe
In dem Text „Auf der Felsenkuppe“ werden die Einsamkeit des Individuums und dessen Suche
nach dem Glück thematisiert. Das Unvermögen von Menschen, angemessen miteinander zu
kommunizieren, führt den Ich-Erzähler in eine asketisch anmutende Welt, in die Einsamkeit
einer Halbinsel auf eine Felsenkuppe, fernab von jeder Zivilisation. Das Zerplatzen seines
Traumes vom weißen Passagierdampfer und der damit verbundenen Hoffnung auf Rückkehr in
eine bessere Welt offenbart die Sinnkrise, aus der sich der Ich-Erzähler am Ende zu befreien
sucht, indem er seine Höhe verlässt, mit wieder erwachter Bereitschaft zur Kommunikation.
Inhalt und Aufbau:
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vergeblicher Versuch des Ich-Erzählers, in der ihm vertrauten Welt Kontakte zu knüpfen
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Ausbruch aus der Welt der Stadt und Rückzug auf die Halbinseln
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Versuch der erneuten Kontaktaufnahme (Polizeischiff u. a.)
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Erfindung des weißen Passagierdampfers als Ausweg
Rückkehr in die Welt der großen Städte
Struktur/Gestaltungsmittel/Wirkung:
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Stadt als Ort der Entfremdung, wo dem Ich-Erzähler Kommunikation und Gemeinsamkeit
versagt bleiben und er deshalb eine „andere Lebensmöglichkeit“ sucht
–
Titel und Fluchtweg („auf die Halbinseln. Hinter den Mooren, Mühlen ... in eine(r) weiten
Ebene“) beschreiben den Weg in die Einöde als eine selbst gewählte Robinsonade
–
Kontakt zur Welt wird aber nicht völlig abgebrochen, da die „Halbinsel“ der Außenwelt in
Gestalt der Polizei-„Beamten“ den vom Erzähler zunächst abgelehnten Zugang ermöglicht
–
Kontaktversuche („Feuerstelle“, „Zeichen“ für die Schiffe) bleiben erfolglos und führen zu
erneuter Krise („In meiner Not“)
–
Imagination eines Weges aus der Isolation durch den Traum vom „weißen Passagierdampfer“ – Symbol für die Überwindung der Einsamkeit und Ausdruck der Sehnsucht nach
Sinnerfüllung und Geborgenheit
–
Zerplatzen des Traums, gestaltet wie eine Naturkatastrophe („Biegen und Brechen,
überschüttete mich mit Blizzards, Katastrophen“), zeigt die Untauglichkeit einer solchen
Krisenlösung
–
Sinnkrise des Erzählers ist zugleich Sprachkrise:
häufiger Verweis auf Bedeutung von Sprache als wichtiges Bindeglied für menschliches
Miteinander („meine Sprache“, „andere Sprache“, „Sprache der großen Städte“)
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Erfolglosigkeit bei der Sinnsuche in der Isolation und durch den Verzicht auf menschliche
Kontakte führt den Erzähler zur Erkenntnis, dass nur im Miteinander von Menschen
sinnerfülltes Leben möglich ist und ebnet ihm den Rückweg in die Zivilisation: „Ich werde
eine andere Sprache lernen müssen, ...“ (Wechsel ins Futur)
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metaphorische Dichte des Textes durch Licht-, Feuer- und Wassersymbolik zur
Verdeutlichung der inneren Zustände des erzählenden Ichs, seine Suche („Nebel –
Dämmerung“), seine Verlorenheit, das Schwankende seiner Existenz
–
Vielzahl stilistischer Mittel verweist einerseits auf die Sprachgewalt des Ich-Erzählers und
beschreibt andererseits sehr differenziert die Außenwelt und die seelische Verfassung des
Erzählers:
· Alliterationen („Mooren, Mühlen“, „Gelände mit Gras und Geröll“, „Schiffen und
Schären“, „kläffende Köter“, ...)
· Adjektivattribute („klägliche Unterhaltungen“, „das steigende und sinkende Licht“,
„des kalten Himmels“, „strömungsreiche Meerstraßen“ ...)
· Kontrastierungen (Großstadt – Halbinsel, Ich-Erzähler – die Jedermanns)
· Reihungen („Dampfer, Kutter, Kontrollschiffe und Segelboote“, ...)
Mögliche Deutungsansätze:
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das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft
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Auswirkungen von Kommunikationsverlust und sprachlichem Unvermögen auf das
menschliche Zusammenleben
–
wechselseitige Abhängigkeit von Sprache und Gesellschaft
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Lebenswege mit Schnittstellen: Phasen der Sinnsuche und Selbstfindung
–
Motiv der Rastlosigkeit, Erprobung verschiedenartiger Daseinsformen
–
der sich unverstanden fühlende Dichter
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Erkenntnis (des Dichters), dass das menschliche Dasein sich in der Gemeinschaft vollzieht,
deren grundlegendes Element die Sprache ist
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Robinsonmotiv
Der Aufsatz wird mit „gut“ bewertet, wenn
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mögliche Deutungsansätze für den Text richtig erkannt, in ihrem Zusammenspiel erklärt
und nachvollziehbar begründet werden,
Inhalt-Form-Beziehungen überzeugend dargestellt sind,
er klar, logisch nachvollziehbar und leserfreundlich strukturiert ist,
Wortwahl und Syntax angemessen differenziert und variabel sind,
sichere Kenntnisse in Grammatik und Orthografie nachgewiesen werden.
Der Aufsatz wird mit „ausreichend“ bewertet, wenn
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ein möglicher Deutungsansatz hinreichend dargestellt und begründet wird,
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sprachlich-stilistische Mittel im Text richtig erkannt sind,
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er nachvollziehbar strukturiert ist,
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Wortwahl und Syntax im Wesentlichen der Aufgabenstellung angemessen sind,
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grundlegende Kenntnisse in Grammatik und Orthografie nachgewiesen werden.
Aufgabe IV
Friedrich Hölderlin:
Die Heimat
In Hölderlins Ode „Die Heimat“ (1800) wird die Sehnsucht des lyrischen Ichs nach einer verlorenen Heimstatt, der Wunsch nach einem Ort der Geborgenheit und des Aufgehobenseins deutlich. Heimat ist für das lyrische Ich das Land der Jugend, wo die Welt vertraut war, Schutz und
Sicherheit gewährte. Dorthin will sich der Sprecher wenden, um im Schoß der Familie und der
geliebten Landschaft Abstand von den Leiden der Liebe zu gewinnen.
Trotz dieser Sehnsucht und der Hoffnung auf Erlösung von tief empfundenem Leid weiß das
lyrische Ich, dass es eine solche glückliche Heimkehr kaum geben wird, da Vergessen
unmöglich ist. Es weiß, dass es keinen Trost erfahren wird, da das „himmlische Feuer“ der Liebe
auch zugleich das Leid in sich birgt.
Der elegische Gestus zeigt die tiefe Sehnsucht und Verlorenheit eines lyrischen Ichs, das
angesichts bitterer Erfahrungen in der Fremde der Jugend und der verlorenen Heimat als
Idealbild resignierend nachtrauert.
Die Fassung aus dem Jahre 1798 erscheint eher als Aufschrei aus einem tiefen Schmerz und
übergroßer Sehnsucht nach Heimat und innerer Ruhe. Verzweiflung und Ratlosigkeit bestimmen
die beiden Odenstrophen.
Struktur/Gestaltungsmittel/Wirkung:
Fassung von 1800
–
sechsstrophige reimlose Ode mit je vier Verszeilen im antiken Versmaß
–
pathetischer Gestus durch erhabene Syntax (Inversionen), Wortwahl und metrische Struktur
–
1. Strophe
· Metapher vom Schiffer als Bild für den auf seiner Lebensfahrt ständigen Sucher, der
von „fernher“ „froh“ mit seiner Ernte heimkehrt
· Spitzenstellung des Adjektivs „froh“ und Alliteration „stillen Strom“ unterstreichen
Glücksgefühl einer solchen erfolgreichen Ausfahrt und Heimkehr
· in Zeile 3 und 4 der sehnliche, aber vergebliche Wunsch des lyrischen Ichs nach
erfolgreicher Heimkehr, verdeutlicht durch Konjunktivformen „käm ... hätt“ und
Fragesatz
· statt erworbener „Güter“ besteht die Ernte in erfahrenem Leid
–
2. Strophe
Abitur 2004 Deutsch Lk (Lehrer)
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·
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–
–
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bange Frage, ob die Heimat, die „teuern Ufer“, die „Wälder meiner Jugend“
versprechen, der „Liebe Leiden“ zu stillen und „Ruhe“ zu schenken
· Alliteration und Inversion als Mittel der Verstärkung für erfahrenes Liebesleid
· spannungsreiche parallele Satzstrukturen („Stillt ihr ... versprecht ihr“),
Enjambement
3. Strophe
· Erinnerung an die Harmonie der Heimat, den „kühlen Bach“, den „Strom“ (durch
Tempuswechsel ins Präteritum verdeutlicht)
· Vorfreude auf die Rückkehr („Dort bin ich bald“) in den Schutz „trauter Berge“ und
„sicherer Grenzen“
4. Strophe
· Übertragung des Heimatbegriffes auf die Familie („der Mutter Haus ... liebender
Geschwister Umarmungen“)
· sehnsuchtsvoller Drang durch strophenübergreifende Enjambements
· Hoffnung auf Heilung durch die „treugebliebnen“ Familien-„Bande“
5. Strophe
· Einschränkung durch das Wissen um die Illusion einer solchen Heilung von „der
Liebe Leid“, für das es keinen Trost gibt
· Konjunktion „aber“ und Wiederholung „ich weiß, ich weiß“ verdeutlichen den
Widerspruch zwischen Hoffnung und Illusion
6. Strophe
· Akzeptanz des von den Göttern vorbestimmten Schicksals für den „Sohn der Erde“
in der Einheit von „himmlischem Feuer“ der Liebe und daraus erwachsendem,
„heiligen Leid“
Fassung von 1798
–
zwei Odenstrophen, gleiches Eingangsbild wie in der überarbeiteten Fassung
–
schmerzvoller Aufschrei eines Heimatlosen, dem der Weg zurück in die Heimat
verschlossen scheint: „Wohl möchte auch ich“, „Aber“
–
Idealisierung des Kindheitstraumes „Ihr holden Ufer“ als Ort des Heranwachsens
–
Interjektion „ach!“ verstärkt den schmerzlichen Verlust
Metrische Unregelmäßigkeiten durch eine andere Wortwahl im Vergleich zur späteren Fassung
lassen die innere, noch nicht verarbeitete Zerrissenheit des lyrischen Ichs vermuten.
Mögliche Vergleichsaspekte und Deutungsansätze:
allgemein
- Sehnsucht des Menschen nach Geborgenheit und Heimat als zeitlos romantisches Motiv
- Kindheit und Jugend als idyllische Verklärung einer vollkommenen Harmonie von
Mensch und Natur sowie von Mensch und Gesellschaft
- tiefe Heimatliebe und Familienverbundenheit
- Weltverlorenheit des lyrischen Ichs, das auf seiner Lebensfahrt schmerzliche
Erfahrungen sammelt
- Hoffnung auf Heilung durch Geborgenheit in der Familie
unter Beachtung der biografischen Hinweise
- Ode als Ausdruck der unglücklichen Beziehung zu Susette Gontard
- Suche des Dichters nach einer gesicherten Existenz
- unstetes Wanderleben als Hauslehrer, Abhängigkeitsempfinden
- Hölderlins Krankheit und Leidensweg
Der Aufsatz wird mit „gut“ bewertet, wenn
Abitur 2004 Deutsch Lk (Lehrer)
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Seite 8
eine tiefgründige Interpretation der Ode erfolgt, die den Zusammenhang von Inhalt, Form
und Wirkung klar herausstellt,
stichhaltige Interpretationsansätze verfolgt und begründet werden,
die Fassung von 1798 vergleichend herangezogen wird und Gemeinsamkeiten sowie
Unterschiede dargestellt werden,
er klar, logisch nachvollziehbar und leserfreundlich strukturiert ist,
Wortwahl und Syntax angemessen differenziert und variabel sind,
sichere Kenntnisse in Orthografie und Grammatik nachgewiesen werden.
Der Aufsatz wird mit „ausreichend“ bewertet, wenn
–
eine Interpretation der Ode erfolgt, die einige Aspekte von Inhalt, Form und Wirkung
aufzeigt,
–
ein nachvollziehbarer Interpretationsansatz dargestellt wird,
–
ein Zusammenhang zwischen beiden Gedichtfassungen hergestellt wird,
–
er eine nachvollziehbare Struktur erkennen lässt,
–
Wortwahl und Syntax im Wesentlichen der Aufgabenstellung angemessen sind,
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grundlegende Kenntnisse in Grammatik und Orthografie nachgewiesen werden.