Berlin, Auf der Suche nach dem verlorenen Zentrum

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Berlin, Auf der Suche nach dem verlorenen Zentrum
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BERLIN
AUF DER SUCHE NACH DEM VERLORENEN ZENTRUM
Harald Bodenschatz mit Hans-Joachim Engstfeld und Carsten Seifert
Herausgegeben von der Architektenkammer Berlin
Junius Verlag Hamburg 1995
ISBN 3-88506-255-0
Keine andere Stadt in Deutschland zeigt die Probleme der Wiedervereinigung so unmittelbar wie
das ehemals geteilte Berlin. Vor allem der Umbau des historischen Zentrums, der früheren Mitte der
Hauptstadt der DDR, ist Ausdruck wie Gradmesser des Zusammenwachsens von Ost und West. Es
ist daher nicht verwunderlich, daß gerade der Zentrumsumbau Gegenstand heftigen Streites
geworden ist. Dieser Streit konzentriert sich auf einzelne, isolierte Projekte. Das greift zu kurz. Was
bislang fehlt, ist eine zusammenfassende Auseinandersetzung mit dem geplanten Zentrumsumbau
seit der Wende. Worauf kann und muß sich eine solche Auseinandersetzung stützen? In erster Linie
auf die Kenntnis der historischen Besonderheiten des Berliner Zentrums, seiner Vor- und Nachteile,
der bisherigen Versuche, das Zentrum zu erneuern, des Erfolgs oder Scheiterns dieser Versuche.
Zahlreiche Orte, das zeigt der Blick in die Vergangenheit, waren bereits früher Gegenstand von
Umbauplanungen, aber die Erfahrungen mit diesen Prozessen sind weitgehend verschüttet. Daher
ist es wichtig, die bedeutendsten Entwicklungsstränge und Planungen in Wort und Bild
nachzuzeichnen, um eine Interpretationsfolie für die heutigen Planungen und Projekte zu gewinnen.
Das vorliegende Buch will einen Beitrag dazu leisten, das historische Zentrum von gestern, heute
und morgen zu verstehen. Damit ist zugleich die Hoffnung verbunden, den Zentrumsumbau selbst
zu verändern.
Inhalt (ursprüngliche Textfassung, ohne Abbildungen, Stand Juni/Juli 1995)
Vorwort von Bruno Flierl
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Einleitung
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1. Westwanderung des Zentrums: Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück
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2. Ein städtebauliches Dauerproblem: Die (ehemalige) Altstadt Berlin
44
3. Die alte und neue City: Dorotheenstadt und Friedrichstadt
81
4. Vom Windschatten in den Sturm: Spandauer Vorstadt und Königstadt
116
5. Versuch um Versuch: Zentrumserweiterung West
126
6. Der Kampf um ein Leitbild für das Zentrum von Berlin
147
7. Perspektiven
155
Literatur
174
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Vorwort von Bruno Flierl
Dies ist ein Buch über das historische Zentrum von Berlin, das im Bombenkrieg und danach in der
Zeit des Kalten Krieges in großen Bereichen verloren ging, das im geteilten Berlin fast vollständig
vierzig Jahre lang Stadtzentrum der Hauptstadt der DDR war und zu diesem Zweck eingreifend
verändert wurde und das nun seit der Vereinigung Berlins unter neuen Zielsetzungen umgestaltet
wird zum Zentrum der Bundeshauptstadt im vereinten Deutschland.
Keine andere Stadt und kein anderes Zentrum einer Stadt in Deutschland tragen die Spuren der
deutschen Teilung und offenbaren zugleich die Probleme der deutschen Vereinigung derart
unmittelbar wie gerade Berlin und sein Zentrum.
Die Autoren - Harald Bodenschatz und seine Mitarbeiter Hans- Joachim Engstfeld und Carsten
Seifert - sind sich dessen zutiefst bewußt. Ihrer Auffassung nach kann es und darf es nicht darum
gehen, das verlorene Berliner Zentrum durch Rückbau in die Vergangenheit vor dem Krieg und
damit auch vor der DDR wiedergewinnen zu wollen. Vielmehr gehe es darum, nach Lösungen zu
suchen, die es gestatten, die Resultate der jüngsten Geschichte beim Weiterbau der Stadt in die
Zukunft kritisch-kreativ zu verkraften. Folgerichtig werden - entgegen der bisherigen Praxis der
Stadtentwicklung Berlins in den zurückliegenden Jahrhunderten, die immer wieder auf partielle
Zerstörung vorhandener baulicher Substanz und städtischer Identität hinauslief - Anforderungen an
ein Zentrum mit Zukunft formuliert, die auf einen ausgewogenen Umgang mit dem baulichen Erbe
und den daran geknüpften Erinnerungen, einschließlich denen der DDR, orientieren, damit
Geschichte ablesbar und verständlich bleibt. Klare Worte werden daher gesprochen gegen die
Tendenzen einer anti-ost gerichteten Abrißideologie, gegen eine Politik einseitiger westlicher
Dominanz bei der Herausbildung und Durchsetzung städtebaulicher und architektonischer
Konzeptionen, wie besonders zu sehen bei den Konzeptionen der sogenannten 'kritischen
Rekonstruktion' und der 'Berlinischen Architektur', sowie gegen die - trotz Stadtforum und
Architekturgesprächen - von den Senatsverwaltungen geübte Geringschätzung einer breiten
fachlichen und öffentlichen Diskussion über Grundfragen der Funktion, Struktur und Gestalt der
Stadt, nicht zuletzt über die künftige Rolle Berlins in Deutschland und Europa.
Die Haltung der Autoren zur notwendigen Verständigung von Politikern, Fachleuten und Bürgern
aus Ost und West über die Einheit in Berlin zeigt sich ganz besonders in ihren Vorschlägen zum
Umgang mit dem Zentrumsband, das heißt mit jenem zentralen Stadtinnenraum von der Spreeinsel
bis zum Alexanderplatz, den die DDR als Kette linear gereihter räumlicher Bereiche zwischen den
auf die Stadtmitte achsial gerichteten Straßen Unter den Linden und Karl-Marx-Allee/Frankfurter
Allee geschaffen hat. Die Autoren sehen in diesem Zentrumsband heute das reale Symbol für die
innerstädtische Vereinigung von Ost und West in Berlin.
In der Tat: Mit der Herausbildung des großen zusammenhängenden und mehrfach gegliederten
Raumes von der Spreeinsel bis zum Alexanderplatz hat die DDR auf ihre Art eine Entwicklung
vollzogen, die seit Beginn der Kaiserzeit immer wieder geplant, aber nicht verwirklicht worden war,
nämlich die Herstellung einer verkehrstechnisch leistungsstarken und zugleich auch räumlich
attraktiven Ost-West-Verbindung durch die historische Stadtmitte von Westen her, bekannt
geworden als 'Ost-West-Achse'. Die DDR verwirklichte diese Idee auf der Grundlage der
Kriegszerstörungen und der veränderten Eigentumsverhältnisse hinsichtlich Grund und Boden
sowie mit dem erklärten Ziel, den Berliner Osten mit der Stadtmitte, der Spreeinsel und der Straße
Unter den Linden zu verbinden: praktisch und symbolisch. So baute sie die als 'Zentrale Achse'
begriffene Ost-West-Achse von Osten her - entlang der Frankfurter Allee, die in den 50er Jahren als
Stalinallee im Aufbau war - in die Stadtmitte. Bei allem Verlust an historischer Substanz und
Erinnerung, der durch diesen städtebaulichen Umgestaltungsprozeß in der Ruinenlandschaft des
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Krieges tatsächlich eingetreten ist - Verlust des Schlosses und fast der gesamten mittelalterlichen
Altstadt - so ist doch auch der sinnstiftende Gewinn zu erkennen und zu behaupten, der darin
besteht, die aus der Stadtentwicklung Berlins herrührende einseitige Ausrichtung der Stadt vom
Schloß in Richtung Westen - stets mit der Bürgerstadt Berlin und dem Berliner Osten im Rücken
des Schlosses - endlich überwunden und eine räumliche Verbindung zwischen Ost und West am
`Drehpunkt' der Stadt hergestellt zu haben, die gerade heute für die Vereinigung von Ost und West
in Berlin weit bedeutsamer und auch wirkungsvoller ist als die baukörperlich monumentale,
räumlich aber nicht erlebbare Spange der Regierungsbauten im Spreebogen-Areal.
Gerade mit seinen Darlegungen zur stadträumlichen Dimension der realen gesellschaftlichen
Vereinigung von Ost und West in Berlin kann das hier vorliegende Buch einheitsstiftend wirken,
sofern seine Leser sich dazu anregen lassen, den wechselwirkenden Zusammenhang von
gesellschaftlicher und stadträumlicher Entwicklung historisch konkret zu begreifen. Das wäre auch
ganz im Sinne des Herausgebers, der Architektenkammer Berlin.
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Einleitung
Wo ist das historische Zentrum von Berlin, der magische Ort, an dem sich Berlin symbolisch
verdichtet, der Fixpunkt der Identität der Stadt? Berlin, so die verbreitete Klage, habe kein Zentrum,
das Zentrum müsse erst wieder neu bestimmt werden, insbesondere der zentrale Punkt des
Zentrums. Vielleicht am Potsdamer Platz, vielleicht am wiedererrichteten Stadtschloß, am
Alexanderplatz, am Fernsehturm oder gar am Reichstag? Oder aber am U-Bahnhof mit dem
beschwörenden Namen "Stadtmitte"? Die Schwierigkeiten, das Zentrum der Stadt auszumachen,
sind nicht neu. Die Geschichte der Berliner Städtebaus hat die Fixierung des Zentrums
außerordentlich erschwert. Die Folge war die Beschwörung mehr oder weniger eingebildeter
zentraler Punkte, die symbolische bzw. planerische Aufladung isolierter Orte.
Die Versuche, das historische Zentrum nach der Vereinigung Berlins wieder neu zu bestimmen, zu
bauen und zu nutzen, waren und sind mit einer mehrfachen Hürde konfrontiert: Durch die
flächenhafte Abwicklung zentraler Funktionen der DDR war eine funktionale Leere entstanden,
deren Gefüge, Bedeutung und Preis nicht mehr kalkulierbar waren. Diese Unsicherheiten wurden
durch eine partielle bauliche Leere des Zentrums verstärkt. Zudem war das gesellschaftliche Wissen
um die Städtebaugeschichte des Zentrums und dessen Besonderheiten weitgehend
verlorengegangen.
Vor diesem Hintergrund war seit 1989 eine deutliche "Ostwanderung" der Aufmerksamkeiten und
Aktivitäten festzustellen: Während kurz nach dem Fall der Mauer der Potsdamer Platz im Zentrum
der Aufgeregtheiten stand, rückten bald die Dorotheen- und die nördliche Friedrichstadt ins
Rampenlicht, dann das ehemalige Schloßareal und schließlich der Alexanderplatz. Natürlich hatte
die erste "Station", der Potsdamer Platz, auch eine solide materielle Basis: Dort war eine baufähige
Brache, dort waren die Eigentumsverhältnisse relativ klar. Die "Ostwanderung" der
Aufmerksamkeiten verdeutlichte die Dominanz einer "westlichen" Sicht- und Handlungsweise, die
sich langsam in Richtung Osten vorantastete.
Die Diskussionen und Aktivitäten zur Erneuerung des historischen Zentrums sind allerdings bis
heute seltsam fragmentiert und isoliert geblieben. Städtebauliche Ideen- und bauliche
Realisierungswettbewerbe für private wie öffentliche Projekte haben einen planerischen
Flickenteppich hervorgebracht, dessen Gebrauchsfähigkeit höchst fragwürdig erscheint. Die
möglichen Stolperstellen können aber nur wahrgenommen werden, wenn das Zentrum in seiner
Vernetzung nach innen wie außen thematisiert wird. Diese Vernetzung ist nicht technokratisch
zeitlos zu bestimmen, sondern Ausdruck einer jahrhundertelangen Entwicklung.
Was aber bringt der Blick zurück für eine zukunftsgewandte Planungspolitik überhaupt? Ein
Mißverständnis wird immer wieder neu geboren: Der Blick zurück diene dazu, die baulichen
Verhältnisse von gestern wiederherzustellen. Schon die Frage nach dem "Wann" des "Gestern"
zeigt die Schwierigkeiten. Ein solches Verständnis greift zu kurz und ignoriert den Reichtum des
städtebauhistorischen Erbes. Es geht um viel mehr, zuallererst um das Verständnis des Zentrums
mit seinen Besonderheiten, um das Wissen seiner Vorzüge und Mängel, der unterschiedlichen
Definitionen dieser Vorzüge und Mängel, der Versuche, an solchen "Mängeln" und "Vorzügen" zu
arbeiten, der Ergebnisse dieser Versuche und deren Folgen, kurz: Es geht um das Verständnis des
Zentrums von heute.
Ohne eine Rekonstruktion der Städtebaugeschichte, der Deutungsgeschichte und der
Planungsgeschichte des Berliner Zentrums wird jeder Versuch, ein leistungsfähiges neues Zentrum
aufzubauen, ein Lotteriespiel bleiben. Erst das Wissen um die Struktur des Berliner Zentrums
ermöglicht Vorschläge zu dessen Weiterentwicklung, die über die oberflächliche Form
hinausgehen. Solche Vorschläge können die kritische Rekonstruktion zum Beispiel der
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stadträumlichen Verhältnisse vor 1945 wie auch die Beachtung der Verhältnisse nach 1949
nahelegen. Es gibt keine deterministische Schlußfolgerung aus der Beschäftigung mit der
Geschichte. Der Blick zurück dient aber zu einer Strukturierung der Debatte, zur Reduzierung der
gestalterischen Möglichkeiten, zur Findung von Leitlinien und Rahmensetzungen, die aber immer
auch die Erfordernisse an ein Zentrum heute reflektieren müssen.
Doch was sind die historischen Besonderheiten des Berliner Zentrums, und was bedeuten sie für
den Prozeß der Zentrumserneuerung von heute und morgen? Dieser Fragenkomplex ist der
Gegenstand dieses Buches. Dabei spielen folgende Thesen eine Schlüsselrolle:
Seit dem Dreißigjährigen Krieg läßt sich eine "Westwanderung des Zentrums" beobachten.
Wichtigstes Ergebnis war der Gegensatz zwischen der östlichen "Altstadt" und der eigentlichen
City im Bereich der Dorotheen-/Friedrichstadt. Die Überwindung dieses Gegensatzes hat die
Planungsdiskussion seit der Erhebung Berlins zur Reichshauptstadt bis in die DDR-Zeit hinein
geprägt. Den Strategien gegen die "Westwanderung" seit 1871 war vor allem nach der Spaltung der
Stadt ein gewisser Erfolg beschieden. Heute muß das Gesamtzentrum wieder neu ausbalanciert
werden, ohne den östlichen Bereich erneut zu benachteiligen.
Die historische Stadt bzw. das historische Zentrum hatte - zumindest bis 1945 - keinen eindeutigen
"zentralen Punkt". Diese nicht-zentralistische Tradition war ein Vorteil und kein Nachteil. Sie sollte
nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt, sondern unbedingt fortgeführt werden.
Das Rückgrat des Zentrums bildet bis heute ein System von Ost-West-Hauptstraßen, die
Straßenzüge Potsdamer Platz - Alexanderplatz und Pariser Platz - Alexanderplatz. Dieses System
war historisch keineswegs stabil und planerisch akzeptiert.
Der Zentrumsumbau der DDR-Zeit kann nicht schlicht als "sozialistisch" definiert, isoliert und
damit der Diskussion entzogen werden, er ist eine mögliche, wenn auch nicht notwendige
Fortsetzung der Planungen seit 1871. Seine Ergebnisse müssen nüchtern beurteilt und
weitmöglichst in den Zentrumsumbau eingebunden werden. Die Vereinigung der Stadt darf nicht
als archaische städtebauliche Entsorgung ungeliebter DDR-Geschichte erfolgen.
Der Umbau des Berliner Zentrums wurde in erster Linie durch die realen wie eingebildeten
Erfordernisse des Ost-West-Massenverkehrs vorangetrieben. Dabei spielte seit den späten
zwanziger Jahren die Orientierung an der autogerechten Stadt eine Schlüsselrolle. Diese
Orientierung führte zur weitgehenden Zerstörung der überkommenen städtebaulichen Figur der
"Passage mit Halte-Plätzen" zugunsten einer zentrumsunverträglichen "Transitzone ohne HaltePlätze". Diese Orientierung ist heute grundsätzlich zu hinterfragen.
Zur Diskussion der strukturellen Besonderheiten des historischen Zentrums sollten - vor dem
Hintergrund der Geschichte wie der Situation heute - mehr oder minder klar abgrenzbare
Teilzentren unterschieden werden:
Das "eigentliche" Zentrum von Berlin, die "City", konzentrierte sich seit der Kaiserzeit bis 1945 im
Bereich der Dorotheen-/Friedrichstadt.
Dagegen blieb die Altstadt bis 1945 ein zweitklassiges Zentrum. Sie wurde in der veröffentlichten
Wahrnehmung in der Regel mit dem Teil des historischen Zentrums identifiziert, der durch die
Memhardtschen Befestigungsanlagen des 17. Jahrhunderts eingeschlossen war: also mit der auf das
Mittelalter zurückgehenden Doppelstadt Berlin/Cölln, der an diese angrenzenden Schloßlandschaft
sowie den ersten Stadterweiterungen nach dem Dreißigjährigen Krieg, dem Friedrichswerder und
dem Stadtteil Neucölln am Wasser. Diese (ehemalige) Altstadt wurde im Krieg weitgehend zerstört
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und seit den sechziger Jahren auf neuem Stadtgrundriß zum erstklassigen Zentrum der Hauptstadt
der DDR ausgebaut. Es ist zu vermuten, daß der Bereich der ehemaligen Altstadt in Zukunft wieder
hinter die Dorotheen-/Friedrichstadt zurücktreten wird.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg zeigten sich die ersten Ansätze eines neuen Zentrums weit im
Westen im Dunstkreis der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, in der damals noch selbständigen
Stadt Charlottenburg. Dieser in der Weimarer Republik weiter aufstrebende Bereich wurde nach der
Spaltung Berlins als "West-City" inszeniert.
Nach der Zerstörung der Altstadt durch Krieg und Neuaufbauplanung blieb vom nichtherrschaftlichen Berlin nur mehr ein Stadtteil übrig: die Spandauer Vorstadt. Zusammen mit den
Resten der in der Kaiserzeit erneuerten östlichen Königstadt wird dieser Stadtraum zwischen
Alexanderplatz und nördlicher Friedrichstraße in Zukunft die Rolle der verschwundenen Altstadt
übernehmen.
Wichtig sind weiter die zahlreichen Versuche zur Stabilisierung einer Zentrumserweiterung
westlich der Dorotheen-/Friedrichstadt, die seit der Kaiserzeit vor allem durch die Planungen für
den Bereich um den Potsdamer Platz, den Spreebogen und den Bereich am Lehrter Bahnhof sowie
durch umfassende Projekte für Nord-Süd-Achsen und die zentralistische Neuordnung des Berliner
Bahnhofssystems gekennzeichnet waren.
Schließlich müssen noch die Subzentren Berlins Erwähnung finden, die eine der bedeutendsten
Errungenschaften des Berliner Städtebaus zum Ausdruck bringen: die polyzentrische Struktur der
Gesamtstadt. Bis heute erinnern zahlreiche Rathäuser aus der Kaiserzeit an diese Tradition. Auch
nach der Bildung der Gemeinde "Groß-Berlin" am 1. Oktober 1920 brach diese Tradition nicht ab:
Einige Subzentren erlebten selbst in der Weimarer Republik einen neuerlichen Entwicklungsschub etwa durch den Bau großer Kaufhäuser und Kulturbauten. In der Nachkriegszeit wurde die
polyzentrische Struktur vor allem im Westteil der Stadt weiter gestärkt.
Die folgende Darstellung konzentriert sich auf das historische Zentrum von Berlin. Damit soll
keineswegs die Bedeutung des Charlottenburger Zentrums sowie der Subzentren für die Zukunft
Gesamt-Berlins in Frage gestellt werden. Die Darstellung wird durch einen Überblick über die
Gesamtentwicklung des historischen Zentrums seit der Kaiserzeit eröffnet, es folgen vertiefende
Abschnitte über die wesentlichen Bausteine des historischen Zentrums - die Altstadt, die
Dorotheen- und Friedrichstadt, die Spandauer Vorstadt und Königstadt sowie die Ansätze für eine
Zentrumserweiterung West. Quer zu diesen stadträumlichen Bausteinen steht der Abschnitt über
das städtebauliche Regelwerk. Er leitet zu den abschließenden "Perspektiven" über, die ein
zusammenfassendes Resümee mit Vorschlägen für die weitere Entwicklung wagen.
Mit Ausnahme der "Perspektiven" folgen alle Abschnitte einer doppelten Logik: Sie sind als
Bausteine Teile einer Gesamtargumentation, können aber jeweils auch für sich gelesen werden. Zur
leichteren Orientierung im Gefüge des Berliner Zentrumsgrundrisses werden im Anhang Karten
dokumentiert, die den Zustand des Zentrums 1748, um 1910, um 1940 und um 1990 darstellen.
Der Blick zurück zeigt, daß es im wesentlichen immer wieder die gleichen Orte sind, die
Gegenstand von Umbauplanungen waren und es oft heute wieder sind. Das sind natürlich keine
beliebigen Orte, sondern Räume, die aufgrund ihrer strukturellen Bedeutung als Hindernisse oder
Motoren der Zentrumsentwicklung wahrgenommen wurden. Als flächenhafte Hindernisse galten
etwa der Fischerkietz, die Spandauer Vorstadt/Königstadt, Alt-Berlin insgesamt, die "Linse"
zwischen S-Bahntrasse und Spree westlich der Museumsinsel. Als verkehrliches Nadelöhr wurden
die Königstraße, der Alexanderplatz, der Spittelmarkt, der Mühlendamm, die Gertraudenstraße mit
Petriplatz und Cöllnischem Fischmarkt, der Potsdamer Platz sowie diverse Brücken im Zentrum
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betrachtet. Als neue Entwicklungspole des Zentrums galten - neben den flächenhaften Hindernissen
und einigen Nadelöhren - noch das Gebiet um den Bahnhof Friedrichstraße, das Gebiet um den
Lehrter Bahnhof, der Platz der Republik, das Gebiet westlich des Potsdamer Platzes und der
Mehringplatz. Als ständig neu zu gestaltende Plätze bzw. Freiräume wären - neben den
verkehrlichen Nadelöhren und einigen Entwicklungspolen - auch der Lustgarten, der Schloßplatz,
der Werdersche Markt, der Westteil der Straße Unter den Linden, der Pariser Platz und der
Gendarmenmarkt zu nennen.
Eine Auseinandersetzung mit der Planungs- und Städtebaugeschichte der Schlüsselorte des Berliner
Zentrums führt zu den historischen Strategen des Zentrumsumbaus, zu den herausragenden
Architekten und Planern, deren Namen mit denen der heute gehandelten Heroen einer dogmatisch
verstandenen "Berlinischen Architektur" nur partiell übereinstimmen. Dazu gehört zuallererst der
Begründer der uns heute geläufigen Figur der Berliner Altstadt: Johann Gregor Memhardt, der
bedeutendste Architekt des "Großen Kurfürsten" Friedrich Wilhelm; dann sein Schüler Joachim
Ernst Blesendorf sowie Johann Arnold Nering; Heinrich Behr, Andreas Schlüter, Jean Baptiste
Broebes und Jean de Bodt, Architekten des Kurfürsten Friedrich III. und späteren Königs Friedrich
I.; Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Architekt Friedrichs II.; Karl Friedrich Schinkel, Architekt
unter Friedrich Wilhelm III.; August Friedrich Wilhelm Orth, der bedeutendste Planer der frühen
Kaiserzeit; Hermann Jansen, der große Planer am Ende der Kaiserzeit; Bruno Möhring und Otto
Kohtz, die Streiter für ein Zentrum mit Hochhäusern zu Beginn der Weimarer Republik; Ludwig
Hilberseimer, der Vordenker eines radikal modernisierten Zentrums gegen Ende der zwanziger
Jahre; Martin Wagner und Martin Mächler, die Strategen des Zentrumsumbaus in der späten
Weimarer Republik; Richard Ermisch, der Planer einer Umgestaltung der Altstadt, und Albert
Speer, der Planer eines neuen Superzentrums im Westen des historischen Zentrums, in der
nationalsozialistischen Ära; Richard Paulick, Hermann Henselmann, Gerhard Kosel und Joachim
Näther in der DDR-Zeit.
Das vorliegende Buch versteht sich als Beitrag zur Diskussion um den Zentrumsumbau seit 1989.
Nicht die Städtebaugeschichte, sondern die Besonderheiten des historischen Zentrums vor dem
Hintergrund der aktuellen Entwicklungen stehen daher im Vordergrund der Darstellung. Es geht
nicht so sehr um Einzelheiten, sondern um Strukturen, deren Kenntnis für die heutige Diskussion
und Praxis unverzichtbar ist. Die einzelnen Teilgebiete des historischen Zentrums können dabei in
keiner Weise so detailliert präsentiert werden, wie das bei den vorliegenden, sehr lesenswerten
Gebietsmonographien möglich war. Erwähnt seien beispielsweise die Darstellungen zum
Nikolaiviertel (Günter Stahn 1991), zur Museumsinsel (Renate Petras 1987), zum Bereich des
Stadtschlosses (Förderverein Berliner Stadtschloß 1993), zum Friedrichswerder (Eva Schachinger
1993), zum Gendarmenmarkt (Laurenz Demps 1987, Peter Goralczyk 1987), zur Wilhelmstraße
(Laurenz Demps 1994), zum Platz der Republik (Platz der Republik 1992) und zum zentralen
Bereich (Pitz u. a. 1984). Das gleiche gilt für die Darstellung der Wettbewerbe (neben den
offiziellen Publikationen zur Ausschreibung und zu den Ergebnissen der Wettbewerbe unter
anderem folgende Bücher: Verein "Entwicklungsgemeinschaft Alexanderplatz": Alexanderplatz Städtebaulicher Ideenwettbewerb, 1994; Bundesbaudirektion Berlin: Museumsinsel Berlin Wettbewerb zum Neuen Museum, 1994; Felix Zwoch: Hauptstadt Berlin - Stadtmitte Spreeinsel Internationaler Städtebaulicher Ideenwettbewerb 1994, 1994). Schließlich muß noch auf die
sorgfältige Dokumentation der Projekte für Büro- und Geschäftshäuser von Annegret Burg
(herausgegeben von Senatsbaudirektor Hans Stimmann) hingewiesen werden, die unter dem etwas
irreführenden Titel "Berlin Mitte - Die Entstehung einer urbanen Architektur/Downtown Berlin Building the Metropolitan Mix" (1995) erschienen ist. Vorwiegend dokumentarischen Charakter
haben ebenfalls das Sonderheft "Berlin" der Zeitschrift Domus (1995) sowie das in der Reihe
"World Cities" von Alan Balfour herausgegebene Buch "Berlin" (1995).
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Die Betonung der strukturellen Besonderheiten des Berliner Zentrums ist natürlich nicht neu.
Erinnert sei nur an die grundlegenden Arbeiten von Hermann Schmidt (1909), Willy Lesser (1915),
Hans Borstorff (1948) und Alfred Schinz (1964). In neuerer Zeit haben sich vor allem Bruno Flierl
und Dieter Hoffmann-Axthelm dieses Gegenstandes immer wieder angenommen. Die Diskussion
um die Besonderheiten des Berliner Zentrums und um die Konsequenzen für die Planung heute und
morgen kann nicht im Monolog, sondern nur im Dialog, im konstruktiven Streit erfolgen. Das
vorliegende Buch versteht sich als Beitrag zu diesem notwendigen Streit.
Schließlich bleibt eine weitere Einschränkung zu machen: Das Buch spiegelt auch das Herantasten
der Autoren an das historische Zentrum wider. Bereits in meinem 1987 erschienenen Buch "Platz
frei für das neue Berlin!" habe ich mich mit dem Zentrum beschäftigt - allerdings räumlich und
fachlich fragmentiert und auf den Zeitraum 1871 bis 1945 beschränkt. Die publizierten Arbeiten seit
der Wende sind in der Literaturliste verzeichnet. Diese "Vorarbeiten" werden im vorliegenden Buch
erstmals in einen größeren Zusammenhang gestellt sowie mit tatkräftiger Hilfe meiner Kollegen
und Mitstreiter Hans-Joachim Engstfeld und Carsten Seifert korrigiert, aktualisiert und bereichert.
Carsten Seifert hat vor allem das Kapitel über die Dorotheen-/Friedrichstadt ausgearbeitet, HansJoachim Engstfeld das Kapitel über die Westerweiterung des Zentrums und - in Teilen - das Kapitel
über die Spandauer Vorstadt/Königstadt. Daß im Buch ein Schwerpunkt auf die (ehemalige)
Altstadt gelegt wird, ist keine Schrulle: Dieser Teil des historischen Zentrums ist seit 1871 in einer
besonderen Weise Gegenstand der Diskussion und Planung des Zentrumsumbaus gewesen, und
dieser Teil stellt die schwierigsten Aufgaben für den Zentrumsumbau von morgen, Aufgaben, die
noch nicht einmal ansatzweise mit der notwendigen Sorgfalt in Angriff genommen worden sind.
Die Autoren selbst sind natürlich keineswegs frei von der berlintypischen Hektik und den
Veränderungen, Neuentdeckungen und Neubewertungen, die Berlin seit 1989 in Atem halten und
manches Detail schnell veralten lassen. Man denke nur an die Verortung des Außenministeriums
und die Debatte um das ehemalige Staatsratsgebäude. Das folgende Buch demonstriert daher auch
den erzwungenen Mut zur Lücke, zu Positionen, die nicht völlig abgesichert sind, zu Darstellungen,
die durch weitere Kurswechsel der Akteure eine überraschende neue Wendung erfahren können.
Dennoch kommt es - wie die meisten wissenschaftlichen Publikationen - eigentlich "zu spät" - zu
spät angesichts der bereits erfolgten Entscheidungen und Aktivitäten. Nichtsdestoweniger bleibt es
dem Prinzip Hoffnung verpflichtet, daß zumindest noch Kurskorrekturen möglich sind.
Für Kritik, Anregungen, Unterstützung und Ermunterung danken die Autoren Ursula Bodenschatz,
Jörn Dargel, Hartwig Dieser, Dorothee Dubrau, Fatih Erkut, Friedhelm Fischer, Bruno Flierl,
Johannes Geisenhof, Ulrike Griebener, Hartmut Häußermann, Simone Hain, Christine Hannemann,
Almut Jirku, Lothar Juckel, Erich Konter, Engelbert Lütke Daldrup, Andreas Matschens, Gertrud
Napiontek, Birgit Nikoleit, Mike Petersen, Anja Pfaff, Erhart Pfotenhauer, Gisbert Preuß, Dieter
Radicke, Wolfgang Schäche, Bernhard Schneider, Annalie Schoen, Klaus Dieter Schulz, Werner
Sewing, Achim Sichter, Hans Stimmann, Dorothea Tscheschner, Max Welch Guerra und Andreas
Wilke. Besonderer Dank gilt Nicolette Baumeister, ohne deren engagierten Einsatz das Buch nicht
hätte erscheinen können.
Harald Bodenschatz, im Juni 1995
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1. Westwanderungen des Zentrums: Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück
Das Berliner Zentrum ist wesentlich ein Produkt der Kaiserzeit, der Transformation der historischen
Stadt in ein historisches Zentrum vor allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Nach dem
Ersten Weltkrieg wurde das Zentrum lediglich modifiziert, nicht aber umgewälzt. Revolutioniert
wurde seine Struktur erst nach der Spaltung der Stadt, die der weitgehenden baulichen Zerstörung
im Zweiten Weltkrieg folgte. Diese Revolution war eine künstliche, politische, Ausdruck der
Teilung Berlins, nicht Ausdruck eines städtebaulichen Entwicklungsprozesses. Nach der
Überwindung der Spaltung stellt sich die Frage wieder neu: Wo ist das Zentrum von Berlin, und
wie ist es strukturiert?
1.1. Die Herausbildung des Zentrums in der Kaiserzeit
Nachdem Berlin im Gefolge des "gewonnenen" deutsch-französischen Krieges 1871 zur deutschen
Hauptstadt proklamiert wurde, schien der preußischen Residenzstadt eine große Zukunft
bevorzustehen. Berlin, so meinte schon 1870 Ernst Bruch, der bedeutendste Berliner Stadtplaner der
frühen Kaiserzeit nach August Orth, "ist dazu berufen, soweit es überhaupt die deutsche Art zuläßt,
der Zentralisations- und Krystallisationspunkt des deutschen Wesens zu werden, was Paris in
hervorragenderer Weise, als es hier möglich scheint, für Frankreich geworden ist." (S. 20)
Tatsächlich erlebte die neue Reichshauptstadt nicht nur eine gewaltige Ausdehnung der bebauten
Flächen, sondern auch einen "Tertiärisierungsschub": eine bis dahin lediglich in London bekannte
Transformation einer historischen Stadt in eine moderne Großstadtcity mit Büro-, Waren und
Kaufhäusern, Hotels, Banken usw. Träger dieser Entwicklung waren vor allem private Investoren,
aber auch Einrichtungen des Deutschen Reiches, Preußens und der Stadt Berlin.
Willy Lesser fixierte in seiner klassischen Studie "Die baulichen und wirtschaftlichen Grundlagen
der Geschäftsstadt Berlin" (1915) folgende "Geschäftsplätze", deren Verbindungslinien die
Geschäftsstraßen darstellten und die zugleich die Grenzpunkte der Geschäftsstadt markierten:
Alexanderplatz, Belle-Alliance-Platz, Leipziger Platz und - als vierten "Platz" - den Bahnhof
Friedrichstraße (S. 25). "Die Geschäftsstadt Berlin ist ein ungefähres Fünfeck, das mit seinem Inhalt
von 450 ha mehr als 1/15 des Stadtgebietes von Berlin (6.300 ha) ausmacht." (S. 26)
Innerhalb der Geschäftsstadt waren "bestimmte Interessensphären" (S. 28) zu unterscheiden, so das
Regierungs- und Gesandtschaftsviertel, das Hotelviertel, das eigentliche Geschäftsviertel, das
Bankenviertel, das Viertel der Lebens- und Feuerversicherungen, das Konfektionsviertel, das
neuere Viertel der Büro- und Geschäftshäuser mit dem Ausläufer des Zeitungsviertels.
Deutlich wird bei dieser Aufzählung, daß die "Geschäftsstadt" sich in erster Linie innerhalb der
barocken Stadterweiterung entfaltet hatte, im Rahmen des Gittergrundrisses der Dorotheen/Friedrichstadt. Ganz anders war die Situation in der Altstadt: "Östlich des Schlosses kann man
schwer Geschäftsviertel bestimmten Charakters unterscheiden. Da sich hier das älteste Berlin
befindet, sind die ursprünglichen Gelände klein und die Straßen eng, wodurch moderne
Geschäftsgründungen erheblich erschwert werden." (Lesser 1915, S. 30) Abseits der traditionellen
Hauptstraße der Altstadt (der Königstraße) dominierten enge, krumme Gassen mit niedrigen
Gebäuden auf schmalen Parzellen, in denen eher arme Bürger wohnten und arbeiteten. Diese
Gassen wurden seit der Kaiserzeit als "rückständig" und nicht modern verteufelt.
Wie in vielen anderen Städten war daher auch in Berlin die barocke "Neustadt" aufgrund ihres
flexiblen, kleinteiligen und leistungsfähigen Straßengrundrisses Ausgangspunkt der Citybildung,
während die vorbarocke "Altstadt" in Teilen zu einem vernachlässigten Problemgebiet herabsank.
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Die Widersprüchlichkeit des städtischen Zentrums ließ sich auch am Spektrum der städtischen
Bodenwerte ablesen. So unterschied etwa die 1905 erschienene "Große Spezial-Karte zur
Berechnung des Grund- u. Bodenwertes in Berlin, Innere Stadt", die als "Ratgeber für
Bauunternehmer, Hypothekenbanken, Kapitalisten, Spekulanten und Grundbesitzer bei Kauf,
Verkauf und Beleihung der Grundstücke" dienen sollte, insgesamt 25 Preiskategorien. Die höchste
Preiskategorie war nur im Westen, dem besseren Teilzentrum, zu verzeichnen, und zwar an einigen
Partien der Straße Unter den Linden, der Friedrichstraße und der Leipziger Straße. Diese drei
Straßenabschnitte bildeten das charakteristische H-förmige Rückgrat der Berliner City. An den
genannten Straßen waren auch die meisten Grundstücke der zweithöchsten Preiskategorie zu finden,
die im östlichen, zweitklassigen Zentrum nur bei einem kurzen Trakt der Königstraße, der
Hauptstraße von Alt-Berlin, vermerkt war. Im östlichen Teilzentrum war das Preisgefüge insgesamt
bei weitem zerklüfteter, widersprüchlicher, als im westlichen Teilzentrum. So waren dort
Grundstücke von der 2. bis hin zur 19. Preiskategorie zu finden. Die relativ niedrigen Bodenwerte
insbesondere an den schmalen, alten Gassen bedeuteten natürlich nicht, daß sich dort keine
Geschäfte mehr machen ließen. Unterlassene Instandhaltung und Überbelegung mit ärmeren
Mietern vergoldeten auch dieses Eigentum - ein Hindernis für jeden Zentrumsumbau.
Etwas großräumiger betrachtet müssen daher zwei Bereiche des Zentrums unterschieden werden,
denen eine jeweils dominante, spezifische Entwicklung zuzuschreiben ist: erstens die eigentliche,
im Kern auf das Mittelalter zurückgehende Altstadt mit den beiden historischen Städten Berlin und
Cölln (zur Altstadt wurden in der Regel auch der Friedrichswerder und Neucölln am Wasser
gerechnet), und zweitens die regelmäßigen, durch ein rechtwinkliges Straßensystem
gekennzeichneten barocken Erweiterungen Berlins in Richtung Westen und Südwesten, die seit
1673 angelegte Dorotheenstadt und die seit 1688 angelegte Friedrichstadt. Oder mit anderen
Worten: Zu unterscheiden ist zwischen historischer Altstadt und historischer Neustadt, zwischen
östlichem und westlichem Teilzentrum bzw. zwischen Altstadt und City. Zusammengehalten
werden beide Teilzentren vor allem durch einen großen Ost-West-Hauptstraßenzug: Die
"Hauptader, welche der ungeheuren Maschine Leben und Richtung verleiht", ist "die Linie vom
Alexanderplatz nach dem Potsdamer Platz" (Lesser 1915, S. 58).
Hermann Schmidt, ein Theoretiker der Citybildung vor dem Ersten Weltkrieg, beschrieb 1909 die
Entwicklung der beiden Teilzentren folgendermaßen: "Sind die beiden Citys örtlich getrennt und
ohne besonders rege Verbindung, so haben sie auch ihren eigenen Charakter: Schon äusserlich hat
Alt-Berlin mehr historisches Gepräge in seinen krummen Strassenzügen und noch vielen alten
Häusern bewahrt. Es ist heute noch ein Mittelpunkt, wenn auch nicht mehr der Hauptmittelpunkt, es
ist vor allem der Sitz des Grosshandels; das Strassenbild ist minder elegant. Wir finden hier das
Rathaus und (andere) städtische Behörden, Gerichte, die Polizei, die Hauptpost, die
Zentralmarkthallen und etwas abseits auch die Börse. Die Friedrichstadt mit ihren geraden
Strassenzügen macht dagegen einen modernen Eindruck. Sie ist heute der eigentliche Mittelpunkt
von Berlin in mehrfacher Beziehung. Hier finden wir verschiedene Bildungsinstitute, vor allem die
Universität und die königlichen Theater, mehrere Museen, dann hauptsächlich alle Banken, die
ersten Hotels, die elegantesten Läden und Warenhäuser, die grössten Bierpaläste und feinsten Cafés
und wohl zu allen Stunden den stärksten Strassenverkehr." (S. 51)
Die Kehrseite der Tertiärisierung, der sogenannte Bevölkerungsabfluß aus dem Zentrum, galt als
ein Indikator der Citybildung. Je größer der Abfluß, desto fortgeschrittener war die Citybildung,
und desto stolzer waren die Fachleute. Unterschieden wurden zwei Perioden, die Zeit von 1871 bis
1890 und die Zeit nach 1890. In der ersten Periode ging die Zahl der "Nachtbevölkerung" nur im
eigentlichen Zentrum zurück, nach 1890 im gesamten, sehr viel größeren, durch die ehemaligen
Zollmauern umfaßten weiteren zentralen Bereich (vgl. Zimm 1959, S. 78). Berücksichtigt werden
muß dabei allerdings, daß sich noch 1871 die Bevölkerung des Groß-Berliner Raums anteilmäßig
weitgehend in den engen Stadtgrenzen Berlins konzentrierte. Das Einwohnerverhältnis zwischen
11
der Stadt Berlin und den inneren Vororten betrug damals noch etwa 17:1 und sank dann bis 1900
auf etwa 3:1 (vgl. Schmidt 1909, S. 41).
Nicht nur der Neubau der insgesamt hochwertigeren Mietskasernenwohnungen förderte den
"Abfluß" aus den völlig überbelegten Gebieten des historischen Berlin, sondern auch der
zunehmende Verkehr. "Man kann [...] wohl den Satz aussprechen, dass der Verkehr die Bewohner
vertreibt: Direkt, indem er mehr und mehr Raum beansprucht und indirekt, indem seine
Nebenwirkungen, Staub, Lärm und Unruhe das Wohnen allmählich unmöglich machen. Wer
irgendwie kann, der meidet heute die belebtesten Stadtteile und zieht in ruhigere Viertel; zudem
sind die neueren Wohnungen, welche weiter draussen errichtet werden, auch gewöhnlich mit mehr
Bequemlichkeiten ausgestattet." (Schmidt 1909, S. 9f.)
Doch all diese Aussagen über den Bevölkerungsabfluß sind relativ belanglos, wenn nicht
berücksichtigt wird, daß die Zahlen lediglich Bilanzen ausdrücken - Bilanzen, in denen
kleinräumlich unterschiedliche Entwicklungen glattgebügelt wurden, Bilanzen, in denen die
Veränderungen der Sozialstruktur der Bevölkerung nicht sichtbar wurden. Der Bevölkerungsabfluß
erfaßte - wie der Tertiärisierungsprozeß - nicht alle Zonen der Teilzentren gleichmäßig, und er
führte vor allem im östlichen Teilzentrum zu einer relativen Zunahme der ärmeren Schichten, er
führte zu einer Herausbildung ethnischer Ghettos (wie etwa der sogenannten jüdischen Schweiz im
Scheunenviertel) und der Entwicklung von Zonen der Halb- und Unterwelt, der sogenannten
Schandflecke der Großstadt.
Anschaulich - wenn auch etwas zynisch - beschrieb der große Theoretiker des Städte- und
Wohnungsbaus, Rudolf Eberstadt, diesen Prozeß: "Das Zentrum unserer Städte galt bis in unsere
Zeit als der beste Wohnbezirk; neuerdings dagegen wird die Innenstadt gerade von den
wohlhabenden Ständen verlassen und die Außenbezirke werden als Wohngegenden bevorzugt."
(Eberstadt 1910, S. 289) In die freiwerdenden, oft nicht mehr instandgehaltenen Wohnungen
drängten mehr und mehr ärmere Schichten, die auf die relativ billigen Mieten der "unternormalen
Wohnungen" angewiesen waren. "Es sind zwei Kategorien von Mietern, die hierbei in Frage
kommen: zunächst diejenigen Familien und Einzelmieter, die eine höhere Miete nicht erschwingen
können und deshalb in den unterwertigen Wohnungen Unterkunft suchen müssen; ferner aber - ein
besonders bedauerlicher, jedoch häufig festzustellender Umstand - solche Familien, die wegen
Kinderreichtums in den besseren Mietshäusern keine Aufnahme finden." (S. 292) Dazu kamen als
besondere Bevölkerungsgruppen die aus dem Ausland zugewanderten Arbeiter mit angeblich
"niedrigen Ansprüchen und schlechten Wohnsitten" sowie der "Bodensatz der Bevölkerung, die
sittlich verkommenen Personen" (S. 291f.). Diese nicht direkt von der Tertiärisierung, sondern
indirekt von den Folgen der Tertiärisierung gezeichneten Zonen waren die typischen Verfallszonen,
die den Ruf nach Altstadterneuerung in sozialer, hygienischer und sittlicher Hinsicht laut werden
ließen.
Stimmen zur Verteidigung der Altstadt waren dagegen eher selten. Berühmt ist die Schilderung
Wilhelm Raabes in seiner "Chronik der Sperlingsgasse": "Ich liebe in großen Städten diese ältern
Stadttheile mit ihren engen, krummen, dunkeln Gassen, in welche der Sonnenschein nur verstohlen
hineinzublicken wagt; ich liebe sie mit ihren Giebelhäusern und wundersamen Dachtraufen, mit
ihren alten Karthaunen und Feldschlangen, welche man als Prellsteine an die Ecken gesetzt hat. Ich
liebe diesen Mittelpunkt einer vergangenen Zeit, um welchen sich ein neues Leben in liniengraden,
parademäßig aufmarschirten Straßen und Plätzen angesetzt hat, und nie kann ich um die Ecke
meiner Sperlingsgasse biegen, ohne den alten Geschützlauf mit der Jahreszahl 1589, der dort lehnt,
liebkosend mit der Hand zu berühren. Selbst die Bewohner des ältern Stadttheils scheinen noch ein
originelleres, sonderbareres Völkchen zu sein, als die Leute der modernen Viertel. Hier in diesen
winkligen Gassen wohnt das Volk des Leichtsinns dicht neben dem der Arbeit und des Ernsts, und
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der zusammengedrängtere Verkehr reibt die Menschen in tolleren, ergötzlicheren Scenen an
einander, als in den vornehmeren, aber auch öderen Straßen." (1902, S. 17)
Die Tertiärisierung erfaßte also nur kleine, begrenzte Zonen der historischen Stadt. "Nur ein
Bruchteil der Innenstadt wird selbst in unseren bedeutendsten Großstädten zur reinen Geschäftsstadt
umgewandelt, in der eine an Zahl geringe Wohnbevölkerung zurückbleibt. Unmittelbar aber an die
reinen Geschäftsbezirke und Geschäftsstraßen schließen sich dichtbevölkerte, engbewohnte
innerstädtische Bezirke an, eng besiedelte Quartiere mit einer Bevölkerung der verschiedensten
Bestandteile, von dem Werkstattarbeiter, von dem Heimarbeiter, dem Gelegenheitsarbeiter bis
herab zu den schlechtesten und bedauernswertesten Volksteilen der Großstadt. Überall ist der
Stadtkern von Bezirken und Zonen minderwertiger Gebäude umgeben, und gerade der
hochwertigste, bestbezahlte Boden ist durchsetzt von unterwertigen Bezirken; überall schließt sich
unmittelbar an die hochwertige Geschäftsstadt - als steter Begleiter - die unternormale Wohnung."
(Eberstadt 1910, S. 288)
In gewisser Weise war die stolze Rede von der umfassenden Citybildung selbst in Berlin eine
Legende. Sie traf nur auf die nördliche Friedrichstadt mit der Dorotheenstadt zu, nicht aber auf die
Altstadt. Das durch Reiseführer, Postkarten, Fotobände usw. unablässig genährte Bild einer
strahlenden Weltstadtcity ist einer der großen Mythen der Berliner Stadtgeschichte. Die Zonen im
Schatten des Glanzes und Glimmers wurden verdrängt. Fotografiert bzw. abgebildet und damit die
öffentliche Wahrnehmung prägend wurden nur wenige Punkte dieser Dunkelzonen, so etwa der
Krögel, dessen Sanierung bereits vor dem Ersten Weltkrieg geplant, aber erst in der
nationalsozialistischen Zeit realisiert wurde. Die herrschende Öffentlichkeit schämte sich dieser
Dunkelzonen. Und die Architekten und Planer nutzten diese Scham zur Requirierung von
öffentlichen Verschönerungsprojekten, die den Parvenu Berlin in der Konkurrenz zu den
ehrwürdigen europäischen Hauptstädten Wien, Paris und London prachtvoller glänzen lassen
sollten.
Citybildung war somit kein Prozeß der Schaffung homogener, äquivalenter Standorte, sondern im
Gegenteil - ein Prozeß der schroffen Differenzierung. Citybildung hieß: Zersetzung der Strukturen
der alten Stadt, die zwar auch differenziert, aber funktional aufeinander bezogen waren. Im Prozeß
der Citybildung verloren die einzelnen Zonen der historischen Stadt ihren Zusammenhang, sie
entwickelten sich mehr und mehr zusammenhangslos nebeneinander. Citybildung implizierte die
Modifizierung der überkommenen bürgerlichen Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden in
Richtung eines differenzierten Eigentümerspektrums, sie implizierte - allerdings nur an wenigen
Stellen - die Umwälzung der Parzellenstrukturen in Richtung insulärer Parzellenzusammenlegung,
die Umwälzung der überkommenen Gebäudetypen und ihrer Traufhöhen, die Auflösung
kleingewerblicher Produktions- und Lebeweisen. Die Transformation der historischen Stadt in ein
historisches Zentrum hatte trotz weitgehender Kontinuität der materiellen Elemente der Stadt die
vorindustrielle Stadt vollständig revolutioniert. Die Armenviertel der Altstadt waren keine Gebiete,
wo alles so geblieben ist, wie es einmal gewesen war. Sie waren nicht zurückgeblieben, sondern
voll auf der Höhe der Zeit und brachten die schroffen gesellschaftlichen Differenzierungen der
Kaiserzeit räumlich zum Ausdruck.
Der Prozeß der Zentrumsentwicklung ließ im westlichen Bereich gehobenere, durch
Kommandofunktionen in Staat und Wirtschaft gezeichnete Zonen entstehen, im östlichen Bereich
dagegen weniger feine, durch Einrichtungen des Massenkonsums, des Großhandels, der
spezialisierten Fertigung und durch städtische Institutionen geprägte Teilzonen. Diese oft etwas
vereinfacht als "Westwanderung der City" bezeichnete Entwicklung war für den spezifischen
Charakter des Umbaus des Zentrums von Berlin bis heute von herausragender Bedeutung. Sie
verweist bereits auf den großräumigen Standort von potentiellen Stadterneuerungsgebieten, auf das
östliche Zentrum.
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Was waren nun die Hintergründe dieser ungleichen Entwicklung?
Hermann Schmidt erinnerte zunächst an die unterschiedliche "Nachbarschaft, das Hinterland
gewissermassen", das für die Citybildung von Bedeutung war: "Alt-Berlin öffnet sich unvermittelt
den dichtbevölkerten Arbeiterquartieren im N und O, die Friedrichstadt dagegen weist nach dem
reichen Westen; im Süden und Südosten ist eine breite 'schützende' Zone vorgelagert, welche einen
allmählichen Übergang in die Industrieviertel der Luisenstadt und in die südlichen Vorstädte
darstellt." (S. 51)
Die widersprüchliche Zentrumsentwicklung korrespondierte weiter und vor allem mit der
Entwicklung des modernen Massenverkehrs, dessen Fixpunkte bereits vor der Reichsgründung mit
der Anlage der Eisenbahnen geschaffen worden waren. Der Potsdamer und der Anhalter Bahnhof
bildeten entscheidende Gravitationspunkte für die Entwicklung der City. "Alle wichtigen
Bahnlinien", so Schmidt 1909, "münden in nächster Nähe der Friedrichstadt [...]" (S. 51f.) Die
bedeutendste Anlage des städtischen Massenverkehrs nach 1871 war die 1882 eröffnete Stadtbahn.
Die Stadtbahn stellte eine neue Verbindung zwischen dem historischen Zentrum und dem neuen,
reichen Westen her und markierte mit dem Bahnhof Friedrichstraße einen weiteren
Gravitationspunkt. Sie ermöglichte darüber hinaus überhaupt erst die zweitklassige
Zentrumsbildung in der Altstadt.
"Die Wiedergeburt Alt-Berlins", so etwas pathetisch die Verfasser der 1896 erschienenen
Publikation "Berlin und seine Eisenbahnen", "ist der Stadtbahn zu danken. Indem sie einen großen
Verkehr mitten in die lange vernachlässigten Stadtgebiete hineintrug, schnitt sie auch rücksichtslos
in ihre baulichen Verhältnisse ein. Durch die Zuschüttung des Königsgrabens wurden sowohl dem
strahlenförmig von Alt-Berlin ausgehenden als auch dem sich in westöstlicher Richtung darüber
hinwegziehenden Verkehr neue Wege eröffnet. Der moralische Einfluss der Stadtbahn aber bestand
darin, dass sie auf den städtischen Unternehmungsgeist, soweit er auf die Wiedergeburt Alt-Berlins
sein Augenmerk richtete, durch ihr grosses Beispiel belebend und ermuthigend einwirkte." (Berlin
und Eisenbahnen 1896, S. 78f.)
Für die Privilegierung des westlichen Teilzentrums war in erster Linie die Lage des Bahnhofs
Friedrichstraße, des Anhalter und Potsdamer Bahnhofs von Bedeutung. "Diese günstige Lage der
Hauptbahnhöfe, welche die Friedrichstadt vor Alt-Berlin auf dem rechten Spreeufer voraus hat, ist
jedenfalls eines der wichtigsten Momente gewesen für die Entwicklung dieses Stadtteils zum ersten
Geschäftsviertel." (Schmidt 1909, S. 52) Die Lage der Bahnhöfe war natürlich selbst Folge viel
älterer Standortgunst, etwa der hochherrschaftlichen Achse Berlin-Potsdam.
Das westliche Teilzentrum war beides zugleich: historische Neustadt und ein bahnhofsvermittelter
Entwicklungsbereich. Die Anlage des Bahnhofes nämlich stimulierte die Herausbildung einer
neuartigen Entwicklungsachse, die am Platz vor dem Bahnhof begann, dem Umschlagplatz des
modernen Massenverkehrs, und die in das alte Zentrum oder andere wichtige Zonen der inneren
Stadt führte. Diese Entwicklungsachse, in vielen Städten auch direkt "Bahnhofstraße" genannt, muß
als bedeutendster Ansatzpunkt für die Citybildung betrachtet werden, als Ort umfassender baulicher
Erneuerung zugunsten größerer Gebäude mit neuer Nutzung auf manchmal zusammengelegten
Parzellen. Vorbild der Neustrukturierung der Stadt durch "Bahnhofstraßen" war der Stadtumbau
von Paris unter Georges-Eugène Haussmann.
Auch in Berlin gab es eine solche "Bahnhofstraße": die Leipziger Straße, die den Potsdamer Platz,
also den Bahnhofsvorplatz, über den Spittelmarkt mit der Altstadt verband. Die Leipziger Straße
war die Bahnhofstraße Berlins par excellence. Schon 1838, kurz nach der Eröffnung der Linie
Berlin-Leipzig, hieß es in einem Zeitungsbericht: "Gehen Sie die Leipziger Straße entlang, die zur
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Eisenbahn führt, man kennt sie nicht wieder, ein Hin- und Rückstrom von Fußgängern, Droschken,
Kutschen und anderen Fuhren; die festen, massiven Häuser dröhnen unter der fortwährenden
Erschütterung, und Bewohner, welche vordem hier eine stille, schöne Straße, mit den Vorzügen von
naher Landschaft und Grün der Bäume und des Feldes gesucht, möchten wieder tiefer in die Stadt
hinein, um die verlorene Ruhe zu suchen" (zit. nach Schivelbusch 1981, S. 159f.). In der Kaiserzeit
wurde die Leipziger Straße zur belebtesten Geschäftsstraße Berlins, "die sich durch prächtige Läden
mit geschmacksvollen Auslagen in den Schaufenstern auszeichnet. Ein starker Verkehr herrscht in
der Straße auch des Abends bei der taghellen Beleuchtung durch elektisches Licht. Die Straße war
die erste Berlins, die 1886 die elektrische Beleuchtung durch 36 Bogenlampen erhielt." (Janke o. J.,
S. 33f.) Aber auch die Friedrichstraße war als "Bahnhofstraße" anzusehen. Die Kreuzung Friedrich/Leipziger Straße wurde daher nicht ganz zu Unrecht von manchen Zeitgenossen als zentraler Punkt
des Zentrums begriffen.
Doch die Suche nach zentralen Punkten lief in der Dorotheen-/Friedrichstadt ins Leere. Das
westliche Teilzentrum war auch historische Neustadt. Im Falle der Dorotheen-/Friedrichstadt hieß
das zunächst: vornehme, privilegierte Neustadt im Gegensatz zur weniger feinen Altstadt.
Städtebaulich äußerte sich diese Polarisierung vor allem in der Struktur der Straßen. Im Gegensatz
zu den engen und krummen mittelalterlichen Altstadtgassen waren es die neuen Straßen der
regelmäßigen barocken Stadterweiterungen, die das Gesicht des "modernen" Berlin prägten: vor
allem eine für damalige Verhältnisse verschwenderisch breite Straße, die prachtvolle, von
repräsentativen Gebäuden flankierte und auf das Stadtschloß orientierte Straße Unter den Linden
sowie die längste Straße der historischen Stadt überhaupt, die gerade, aber nicht sehr breite
Friedrichstraße, die die Mitte des nach römischem Vorbild gestalteten städtebaulichen Dreizacks
der erweiterten Friedrichstadt darstellte.
Die Blockstruktur der barocken Neustädte demonstrierte die Möglichkeiten des Gittergrundrisses,
einer nicht mehr eindeutig hierarchisierten Straßenstruktur. Denn anders als zumeist die
mittelalterliche Stadt hat die barocke Stadterweiterung in der Regel keinen zentralen Punkt: Der
Marktplatz oder der Hauptplatz, die Piazza Maggiore, fand im Gittergrundriß keine Entsprechung.
Städtebaulich anspruchsvolle Plätze lagen eher am Rande der barocken Stadterweiterung, im
Übergang von Stadt und Land, im Bereich der Stadttore.
Rudolf Eberstadt betonte die Flexibilität dieses "Schemas", das er "Schachbrett" nannte: "Die
Blöcke der Friedrichstadt haben eine Frontlänge von 120-150 m und eine Tiefe von 75 m. [...] Die
innere Einteilung des Blocks hat sich im Laufe der Zeit vollständig umgestaltet. Eine Anzahl der
ursprünglich kleinen Parzellen ist zu größeren Geschäftshäusern zusammengelegt worden,
insbesondere an den Eckgrundstücken. Der zu einem hochwertigen Geschäftsviertel gewordene
Boden ist im Blockinnern eng überbaut worden." (1910, S. 62) Eberstadt verwies auf die
"bescheidenen Abmessungen" der Baublöcke, die - anders als diejenigen der Baublöcke des
Hobrechtplans - noch "ohne jede nachteilige Wirkung" waren (S. 63).
Der Gittergrundriß eignete sich offensichtlich in ganz hervorragender Weise für die Entwicklung
einer komplexen, differenzierten City. Das zeigt auch die Entwicklung anderer europäischer
Großstädte wie etwa Glasgow und Rom, insbesondere aber die Entwicklung der
nordamerikanischen Großstädte. Der Gittergrundriß entsprach - im Gegensatz zum Straßennetz der
mittelalterlichen Städte - den Erfordernissen des modernen Massenverkehrs, und die kleinen Blöcke
ließen sich ganz ausgezeichnet für tertiäre Zwecke nutzen, ja sie ermöglichten eine ganz
außerordentliche Flexibilität in der Nutzungsverdichtung: nach innen wie in die Höhe. Daß sich bei
einem Gittergrundriß eher schlecht als recht ein zentraler Punkt ausmachen läßt, war und ist ein
Vorteil und kein Nachteil. Der zentralste Bereich ist damit flexibler: Ein Netz mehrerer
Hauptstraßen mit unterschiedlicher Nutzung und Bedeutung bildet das komplexe Zentrum. Es gibt
nicht nur einen erstklassigen Standort, zu dem alle drängen, sondern viele erstklassige Standorte.
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Hervorzuheben ist aber noch eine weitere Besonderheit des gesamten Berliner Zentrums: Beide
Teilzentren waren untereinander und mit den anschließenden Stadterweiterungsgebieten nur sehr
unzureichend verkehrsinfrastrukturell verknüpft. Denn die in der Kaiserzeit heiß diskutierten
Verkehrsprobleme waren nicht so sehr Ausdruck eines flächendeckenden Massenverkehrs, sondern
eher die Folge der seit Jahrzehnten bekannten "Mängel" des historischen Straßensystems - der
unzureichenden Verbindungen zwischen der Dorotheen-/Friedrichstadt und der Altstadt sowie
zwischen dem aufstrebenden Südwesten der Stadt und der Friedrichstadt.
Getrennt wurden die beiden zusammen nur etwa 4 Quadratkilometer umfassenden Bereiche des
historischen Zentrums ursprünglich durch die Befestigungsanlagen Memhardts aus der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, deren Charakter als städtebauliche Barriere auch nach deren
Beseitigung fortwirkte. Die noch zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur durch wenige Brücken gequerte
Spree mit ihren beiden das historische Cölln einschließenden Armen fungierte faktisch als Barriere
zwischen Dorotheen-/Friedrichstadt und Alt-Berlin.
Zwischen Friedrichstadt und südwestlicher Stadterweiterung bildete insbesondere der Potsdamer
Platz eine Engstelle. "Der Potsdamer Platz war das Nadelöhr, durch das sich der gesamte Verkehr
zwischen alter City und Zooviertel ebenso hindurchzwängte wie ein Teil des Verkehrs von der City
nach Schöneberg." (Hoffmann-Axthelm/Scarpa 1987, S. 73) Die vielgerühmte weltstädtische
Bedeutung des Potsdamer Platzes als Ort des Massenverkehrs war nichts anderes als die positiv
gewendete zentrale Schwachstelle des Berliner Stadtgrundrisses.
Überlieferter Stadtgrundriß, Nähe zu den wichtigsten Bahnhöfen sowie der Charakter der
angrenzenden Wohnviertel führten zu einer strukturell unterschiedlichen Entwicklung des
westlichen und östlichen Teilzentrums. Diese Entwicklung hatte ihren historischen Vorlauf: die
Privilegierung der Dorotheen-/Friedrichstadt spätestens nach der eindeutigen Westorientierung des
Berliner Stadtschlosses in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Seit dieser Zeit öffnete sich die Schere
zwischen aufsteigendem Westen und zurückbleibendem Osten.
Vor diesem Hintergrund zielten die Zentrumsplanungen in der Kaiserzeit auf die vereinheitlichende
Transformation der historischen Stadt in ein modernes Zentrum der Warenzirkulation und
Herrschaftsausübung, das andere Funktionen und Schichten ausgrenzen sollte. "Es ist falsch", so
Professor Blum aus Hannover 1912 in einem Vortrag zu Problemen von Groß-Berlin, "wenn wir
davon ausgehen, die City für jegliche Arbeit zu bestimmen. Wir müssen vielmehr dahinstreben, in
die City nur hineinzulassen, was unbedingt in sie hineingehört, und wir müssen sogar dahin streben,
den inneren Kern der Stadt nur zu belegen mit Tätigkeiten, bei denen die Ärmsten der Armen
überhaupt ausgeschaltet sind, eigentlich nur Tätigkeiten verwaltungstechnischer und
kaufmännischer Natur im weitesten Sinne des Wortes, alles andere gehört in die Außengebiete."
(Blum 1912, S. 77)
Umgesetzt wurden diese strategischen Zielsetzungen in den großen Plänen für das Berliner Zentrum
zu Beginn und gegen Ende der Kaiserzeit.
Bereits um 1871 präsentierten Ernst Bruch und August Orth ihre Pläne zur umfassenden
Modernisierung der Altstadt. Beide plädierten für großzügige Straßendurchbrüche, beide äußerten
sich auch zum Berliner Bahnhofssystem. Während Bruch für einen Zentralbahnhof auf dem
zentralen Gelände der Artillerie-Kaserne am Kupfergraben in Verbindung mit "einer unterirdischen
zentralen Gürtelbahn für Personen und Güter" votierte (1870, S. 92), sprach sich Orth 1871 für ein
dezentraleres System aus. In einer Denkschrift definierte er die "Berliner Centralbahn" als "eine
grosse Centralstation", die - um ihre Zwecke zu erfüllen - "möglichst innig" mit der damals neuen
Ringbahn verbunden werden sollte, "damit alle Stationen derselben ihre Passagiere direct nach der
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inneren Stadt einführen können und umgekehrt." (Orth 1875, S. 3) Damit hatte der bis heute
dauernde Streit um das der Stadt Berlin angemessene Bahnhofssystem bereits ein beachtliches
Niveau erreicht.
Von den umfassenden Plänen der frühen Kaiserzeit wurde lediglich einer realisiert: der seit den
siebziger Jahren geschmiedete Plan für den Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße. Ein erstes
Projekt dieser Art legte August Orth vor. Die neue Kaiser-Wilhelm-Straße zielte auf eine
verkehrsmäßige Entlastung der Hauptstraße des östlichen Teilzentrums, der Königstraße. Die
Realisierung des Durchbruchs wurde durch den Bau von Anlagen des schienengebundenen
Massenverkehrs, nämlich der Stadtbahn auf dem zugeschütteten Königsgraben, begleitet. Letztlich
zielte der Straßendurchbruch auf eine Umkehrung des Trends zur ungleichgewichtigen Entwicklung
der beiden Teilzentren, also auf eine Aufwertung des östlichen Teilzentrums, ja auf eine Expansion
der City in Richtung Osten.
Gemessen an diesen Zielen war der Durchbruch ein gescheitertes Unternehmen. Der erwünschte
Tertiärisierungsschub blieb aus. Bessere Läden, so der Chronist des Straßendurchbruchs, Otto
Schilling, fanden sich in der neuen Straße nur selten, "nur im Innern von Alt-Berlin wurden neue
Geschäftshäuser errichtet, die vorwiegend dem Großhandel in Konfektionswaren dienen, der hier
seinen Sitz hat. Im übrigen ist die Kaiser-Wilhelm-Straße die Straße, in der sich die
Altwarenhändler niedergelassen haben und wo mit Partiewaren und Resten gehandelt wird. So hat
die Kaiser-Wilhelm-Straße noch nicht den Lokalverkehr einer 'Prachtstraße' erhalten, als die sie
gedacht war, und auch der Durchgangsverkehr ist [...] nicht von erheblicher Bedeutung." (Schilling
1921, S. 260) Der Versuch, mit der Anlage der Kaiser-Wilhelm-Straße gegen den Trend eine
Cityerweiterung nach Osten einzuleiten, mußte angesichts der besseren, mit letztlich doch
bescheidenen öffentlichen Mitteln nicht kompensierbaren Lagequalitäten im Westen scheitern. Die
unterschiedliche Struktur der beiden Zentren blieb erhalten.
Die umfassendsten Planungen für die Entwicklung des Berliner Zentrums wurden im Rahmen des
städtebaulichen Wettbewerbs "Groß-Berlin" erarbeitet und 1910 auf der ersten Berliner
Städtebauausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Dieser Wettbewerb war gegen Ende 1905 von
der "Vereinigung Berliner Architekten" ins Auge gefaßt, in den folgenden Jahren dann zusammen
mit dem Architektenverein zu Berlin vorbereitet und schließlich 1908 - als eine Art
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (vgl. Konter 1995, S. 251) - von den Stadtgemeinden Berlin,
Charlottenburg und anderen ausgeschrieben worden. Hintergrund des im März 1910 entschiedenen
Wettbewerbs war - wie schon um 1871 - die Klage über den Widerspruch zwischen der
"großartigen Entwicklung der Reichshauptstadt" und der unbefriedigenden städtebaulichen Form
dieser Entwicklung. Dazu kam der Glaube an einen weiteren gewaltigen Wachstumsschub. So
wurden für die dreißiger Jahre 6 Mio. Einwohner erwartet. "Sind wir vorbereitet auf dieses
Wachstum? [...] die Antwort muß lauten: Nein!" (Vereinigung Berliner Architekten ... 1907, S. 8)
Angesichts dieser Wachstumseuphorie war es nicht weiter verwunderlich, daß insbesondere das
historische Zentrum als qualitativ und quantitativ unzureichend betrachtet wurde. Der Wettbewerb
zielte daher auf eine "Forcierung der Tertiärisierung der Innenstadt und ihre 'künstlerische' bzw.
'monumentale' Hervorhebung als geistig-kultureller, staatsadministrativer und politischer
Mittelpunkt des Reiches" (Konter 1995, S. 252).
Die Ergebnisse des "internationalen" Wettbewerbs eher ernüchternd. Sämtliche ausgezeichneten
Teilnehmer kamen aus Berlin und Umgegung, und ihre Vorschläge zur Modernisierung des
Zentrums gingen prinzipiell in die gleiche Richtung. Die von Hermann Jansen und anderen
Preisträgern angeregten zahlreichen Straßendurchbrüche und -erweiterungen wurden im Zentrum
am dichtesten, sie sollten mit der besseren Erreichbarkeit das extensive wie intensive Wachstum der
City fördern.
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Zugleich wurde eine erhebliche Erweiterung des Zentrums vor allem in Richtung Westen
vorgeschlagen. Dabei spielte die zentralistische Neuordnung der Berliner Bahnhofsstruktur eine
Schlüsselrolle. "Im Unterschied zu Jansen befaßten sich die übrigen preisgekrönten Arbeiten sehr
intensiv mit durchgreifenden Veränderungen und Umgestaltungen der innerstädtischen
Bahnanlagen, die im wesentlichen von zwei Zielsetzungen geprägt waren: wesentliche Steigerung
der Leistungsfähigkeit und möglichst geringer Flächenverbrauch. Allen gemeinsam war der
Versuch, eine Nord-Süd-Verbindung zwischen der Potsdamer-Anhalter und der Hamburg-Lehrter
bzw. Stettiner Bahn herzustellen." (Konter 1995, S. 258)
Auch die Berliner Traufhöhe war Gegenstand der Debatte um den Wettbewerb. "Für die City", so
Brinckmann, "wird sehr berechtigt eine höhere, als die jetzt polizeilich erlaubte Bebauung verlangt
von 8 oder 9 Geschossen." (1910, S. 9) Forderungen in Richtung Hochzonung wurden insbesondere
von Havestadt & Contag erhoben, die im Berliner Zentrum die Zulassung von bis zu 30 m hohen
Geschäftshäusern mit 7 bis 8 Geschossen empfahlen. Damit war der Poker um die Durchbrechung
der baupolizeilichen Traufhöhe eröffnet. Realisiert wurde von den großen Plänen der
Städtebauausstellung für das Berliner Zentrum nichts.
Wenn man den Kontext und die Verfasser der "großen" Pläne von August Orth bis Hermann Jansen
betrachtet, so waren diese Planwerke faktisch unbedeutend. Sie waren Produkte einzelner
Privatfachleute, die letztlich ohne öffentlichen Auftrag in Zeiten der Auftragsflaute mit diesen
Plänen um öffentliche Aufträge warben. Sie waren zweifellos großartige Dokumente der jungen
Disziplin Städtebau mit einer kulturellen Wirkung über die Entstehungszeit hinaus, sie waren aber
weitgehend irrelevant für den realen Massenstädtebau dieser Zeit. Und selbst als Dokumente der
Disziplin waren sie mengenmäßig mehr als dürftig: In den bedeutendsten Wachstumsjahrzehnten
der Geschichte Berlins marschierte in der historischen Stadt der private, kleinteilige Stadtumbau;
rationalisierende Pläne mit gesamtstädtischer Perspektive aber wurden kaum erarbeitet. Für große
Pläne war kein Bedarf, existierte kein Auftraggeber, das Geschäft wurde mit isolierten
Einzelprojekten gemacht. Der Umbau der historischen Stadt vollzog sich so ohne rationalen Plan,
ohne umfassende Cityvision, im Flickenteppich pulverisierender Einzelmaßnahmen - und daher mit
dem Effekt der Zuspitzung der angelegten Widersprüche.
Planerisch waren für die Umgestaltung keinerlei Voraussetzungen vorhanden. Der Bebauungsplan
für Berlin und Charlottenburg von James Hobrecht aus dem Jahr 1862 hatte die Anpassung der
Straßen der inneren Stadt an das städtische Wachstum ausgeklammert. Diese Vorgehensweise
wurde schon 1870 von Ernst Bruch, dem Kritiker des Hobrecht-Plans, beanstandet. Mit der
Erweiterung Berlins, so sein Argument, müsse die "Fürsorge für die nöthigen
Verkehrserleichterungen in dem alten, bereits bebauten Theil der Stadt [...] Hand in Hand oder noch
richtiger ihr voran gehen. Hiervon ist nun in Berlin absolut gar nicht die Rede gewesen. Nicht
allein, dass der Bebaungsplan den Kern der Stadt völlig unberührt lässt, so hat man auch in der
Praxis jeden, seither schon nothwendig gewordenen Strassendurchbruch und jede
Strassenverbreiterung - wenn man sich nicht gar prinzipiell gegen derartige Verbesserungen
verschloss - lediglich für sich betrachtet und niemals daran gedacht, dass sie sich dem Bedürfnisse
des Ganzen systematisch ein- und unterordnen müssen. Ein solches regelloses Flickwerk bringt die
Gefahr nahe, dass die vorhandenen Uebelstände möglicherweise noch verschlimmert werden." (S.
84)
1.2. Große Pläne für ein radikal modernisiertes Zentrum in der Zwischenkriegszeit
Mit dem "Ausbruch" des Ersten Weltkrieges wanderten die Pläne zum Umbau des Berliner
Zentrums in die Schubladen. Nach den politisch und ökonomisch schwierigen Nachkriegsjahren
rückte - anknüpfend an Planungen der Vorkriegszeit - das Thema der Entzerrung des Verkehrs
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wieder in den Vordergrund der planerischen Zentrumsdiskussion. So empfahl etwa Ernst Giese in
seiner 1925 veröffentlichten Schrift eine ganze Reihe neuer Straßendurchbrüche, die insbesondere
den öffentlichen Nahverkehr entballen sollten.
Wie in der Kaiserzeit bildete der schienengebundene öffentliche Nahverkehr auch in der Weimarer
Republik die Grundlage des Massenverkehrs. Vor allem der Straßenbahnverkehr wird oft
unterschätzt: "In Berlin bewältigt die Straßenbahn den größten Teil des öffentlichen Verkehrs. Im
Jahre 1928 wurden [...] auf einer Streckenlänge von 635 km 900 Mill. Fahrgäste befördert. Das ist
die halbe Leistung sämtlicher Berliner Nahverkehrsmittel (Straßenbahn, Omnibus, Hoch- und
Untergrundbahn, Stadt- und Ringbahn)." (Möbus 1929, S.
Selbst der legendäre Ort des großstädtischen Massenverkehrs, der Potsdamer Platz, wurde
wesentlich durch den Verkehr der Straßenbahnen und Omnibusse geprägt. Außerhalb der wenigen
Hauptverkehrsstraßen spielte das Automobil auch in den späten zwanziger Jahren eine
Außenseiterrolle. Die durch eine einseitige Fotoauswahl immer wieder reproduzierte Suggestion
von Berlin als einer "Autostadt" - Zeichen angeblicher Weltstadtbedeutung - war ein realitätsferner
Mythos. "Die Berliner Presse", so machte sich Kurt Tucholsky (unter dem Pseudonym Ignaz
Wrobel) 1926 in der "Weltbühne" über diesen Mythos lustig, "ist dabei, dem Berliner eine neue fixe
Idee einzutrommeln: den Verkehr. Die Polizei unterstützt sie darin aufs trefflichste. Es ist geradezu
lächerlich, was zur Zeit in dieser Stadt aufgestellt wird, um den Verkehr zu organisieren, statistisch
zu erfassen, zu schildern, zu regeln, abzuleiten, zuzuleiten... Ist er denn so groß? Nein. Kommst du
nach Berlin, so fragen dich viele Leute mit fast flehendem Gesichtsausdruck: 'Nicht wahr, der
Berliner Verkehr ist doch kolossal?' Nun, ich habe gefunden, daß er an seinen Brennpunkten etwa
dem Verkehr einer mittlern Pariser Straße abends um 6 Uhr entspricht - und das ist ein rechtes
Mittelmaß, aber nicht mehr. Und gegenüber diesem kindlichen Getobe muß ich sagen, daß ich eine
Geisteshaltung nicht begreife, der die Quantität eines Verkehrs imponiert. An der Place d'Opéra
stehen zu manchen Tagesstunden sechs Reihen Automobile nebeneinander - nun, und? Hebt das
Paris? Wird Paris dadurch wertvoller? Das beweist doch nichts weiter, als daß man beim Bau der
Pariser Innenstadt an einen solchen Verkehr noch nicht gedacht hat; beweist, daß die Konzentration
von Bureauviertel[n] und aufeinandergehäuften Hausbewohnern etwas Ungesundes ist, eine
wahrscheinlich nie zu lösende Schwierigkeit, die wohl einmal zur Dezentralisation großer Städte
führen kann - alles Mögliche beweist diese sechsfache Reihe der Automobile, nur nichts
Angenehmes. [...] Nun hat Berlin diesen Verkehr nicht, bildet sich aber ein, ihn zu haben, und die
Polizei regelt diesen imaginären Verkehr so, wie nie ein Mensch in Paris geregelt hat noch regeln
würde." (S. 739)
Dennoch oder auch gerade deshalb wurden in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre die
öffentlichen Vorleistungen für das private Massenautomobil zumindest auf planerischer Ebene
forciert. Die Straße wurde als Rahmen nicht mehr nur für Straßenbahnen und Omnibusse, sondern
zunehmend auch für den privaten Autoverkehr gesehen. Das autogerechte Zentrum gewann in
diesen Jahren erste konzeptionelle Konturen. Nicht die absoluten Zahlen, sondern die Zuwachsraten
der Berliner Kraftfahrzeuge beflügelten die Phantasie der Planer (vgl. auch Stimmann 1986, S.
138ff.). Mit dem Amtsantritt von Martin Wagner als Stadtrat für Hochbau und von Ernst Reuter als
Verkehrsstadtrat Mitte der zwanziger Jahre läßt sich diese langsame, aber folgenschwere Wende
relativ genau zeitlich fixieren. Nun wurde Amerika Vorbild und Traumbild. New York und andere
US-amerikanische Großstädte, nicht mehr Paris und London, wurden zum Wallfahrtsort für
Stadtplaner, so 1929 auch für Martin Wagner und Ernst Reuter.
Martin Wagner faßte im Vorwort zu seinem Buch "Städtebauliche Probleme in amerikanischen
Städten und ihre Rückwirkung auf den deutschen Städtebau" seine USA-Erfahrungen
folgendermaßen zusammen: "Gegen die Entwicklung des Automobils als Massenverkehrsmittel
werden wir uns vergeblich auflehnen. Die Loslösung von räumlicher und zeitlicher Gebundenheit
19
liegt im Wesen des modernen Menschen. Die Konzentration der Millionen von Großstädtern auf
dem engen Raum der Arbeit und des Wohnens drängt nach einer Expansion, nach Befreiung von
der Gebundenheit. Und diese individuelle Befreiung hin zu dem flachen Land, zur freien Natur, zur
körperlichen Regeneration kann nur das Auto schaffen. Amerika ist das klassische Land der
Großstädte. Die Großstädter haben sich dort die individuelle Befreiung von Ort und Zeit durch das
Auto geschaffen. [...] Der deutsche Städtebauer muß aber mit Angst und Sorge erfüllt werden, wenn
er diesen Siegeszug des Autos auch durch seine Städte gehen sieht. Auf ein derartiges Aufflammen
des Verkehrs sind sie nicht eingerichtet. Sie müssen umkonstruiert werden. [...] Berlin ist auf dem
besten Wege, in die amerikanische Verkehrsrevolution hineinzuwachsen." (1929b, S. 5)
Damit gewann der klassische Straßendurchbruch bzw. die Straßenerweiterung gerade im Zentrum
eine zusätzliche Bedeutung. Der preußische Minister für Volkswohlfahrt, Heinrich Hirtsiefer,
sprach in diesem Zusammenhang von "Verkehrselend". "Durch die schnelle und starke
Entwicklung des Automobilverkehrs ist die Um- und Ausgestaltung unseres Straßennetzes eins der
brennendsten Probleme der Gegenwart geworden." (Hirtsiefer 1929, S. 452) Die
verkehrsbegünstigende Umgestaltung des Straßensystems sollte die Citybildung beschleunigen: "Je
mehr der Verkehr gesteigert wird, desto stärker wird das Geschäftsleben befruchtet. Je früher Berlin
an diese Aufgaben herangeht, desto leichter und billiger wird die Lösung sein. Man darf nicht vor
einem Niederreißen und Zerstören zurückschrecken, mag auch das Bestehende gefühlsmäßig
wertvoll sein." (Bürgermeister Gustav Böß 1929, S. 119) Das Plädoyer für den Abriß zugunsten des
Straßenverkehrs fand bei Martin Wagner einen pathetischen Höhepunkt: "Die Furcht und die
Ehrfurcht vor dem Alten macht uns schwach, lähmt und tötet. [...] Ein Volk, das nicht baut, lebt
nicht, das stirbt. Deutschland und Berlin wollen und müssen leben. Wir wollen so leben, wie
Friedrich der Große durch seine Bauten Berlin leben ließ, der Altes zerbrach, um Neues an seine
Stelle zu setzen." (1929, S. 130)
Ausgangspunkt einer Studie über die "Verkehrssanierung der Berliner City" von Stadtbaumeister
Brömstrup aus dem Jahre 1931 war die Feststellung, daß Berlin "wie alle Weltstädte" vor einem
"städtebaulichen Wendepunkt" stehe. Insbesondere die "gewaltige Entwicklung der Kraftwagen in
Berlin" verursache "zu gewissen Zeiten eine beängstigende Verstopfung der innerstädtischen
Straßen" (S. 46). Kronzeuge war die bedeutendste Geschäftsstraße der City, die Leipziger Straße
(Abschnitt Potsdamer Platz bis Wilhelmstraße), wo das Anwachsen des Fahrradverkehrs (!) den
Kraftwagenverkehr "behindert" und "verdrängt" habe, eine für Brömstrup äußerst bedenkliche
Entwicklung, die aber bereits durch ein Verbot des Fahrradverkehrs werktags zwischen 8 und 19
Uhr unterbunden worden war. Doch trotz dieser "Besserung" bleibe die Leipziger Straße für einen
auf 40 bis 50 Jahre vorauszusehenden Verkehrszuwachs unterdimensioniert. Brömstrups Antwort
auf dieses "Verkehrselend" war weder eine Straßenverbreiterung noch ein Straßendurchbruch auch die erwogene Entfernung der Straßenbahnen aus dem Stadtinnern bringe wenig. Sein
Vorschlag zielte - mit Blick auf die großen Vorbilder jenseits des Atlantiks - auf eine
Höhendifferenzierung des Verkehrs.
Vorteile eines solchen Konzeptes waren nach Brömstrup die geringeren Kosten gegenüber
Straßenerweiterungen und -durchbrüchen. Schließlich werde "der Verkehr auf den Autohochbahnen
und Hochplätzen sich fast geräuschlos abwickeln, jedenfalls bei weitem nicht so störend empfunden
werden können, wie der Betrieb auf den jetzigen Hochbahnen des elektr. Schnellverkehrs. Die
Konstruktion der Autohochbahn ist infolge ihrer geringen statischen Inanspruchnahme der
Architektur des Stadtbildes in jeder Hinsicht leicht anzupassen und bietet in dieser Hinsicht nicht
die Schwierigkeiten, wie die Konstruktion der elektr. Hochbahn. Die natürliche (Tages)Beleuchtung wird zwar durch die Anlage der Autohochbahn in den nicht geräumigen
Verkehrsstraßen (z.B. Leipziger Straße) für die Geschäfte etwas beeinträchtigt. Für die Beurteilung
der vorliegenden Frage ist dies aber nicht wesentlich, da die Geschäfte heute schon durchweg die
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moderne, das Augenlicht schonende, künstliche Beleuchtung haben und sich derselben auch
während der Tagesstunden ständig bedienen." (S. 48)
Brömstrups Plädoyer für eine Autohochbahn in der Leipziger Straße war Teil eines weit
umfassenderen Vorschlags für ein "Autohochbahnnetz in Berlin". In der Diskussion dieses
Vorschlags war jede Beziehung zwischen konkreten Straßengebäuden und -parzellen auf der einen
und der Fahrbahn auf der anderen Seite ausgelöscht, der Verkehr hatte sich vom konkreten Ort
emanzipiert, oder besser: Der konkrete Ort war nichts weiter als ein zu überwindendes Hindernis.
Hauptstraßen verkümmerten auf dem Plan zu Schnellverkehrsstraßen. Der lokale innerstädtische
Verkehr wurde vom Durchgangsverkehr getrennt - die wichtigste Voraussetzung für das Primat des
Durchgangsverkehrs. Damit war der entscheidende Schritt zu einer stadtzerstörerischen
Verkehrsplanung getan.
Selbst das nach dem Ersten Weltkrieg zum Museum gewordene Berliner Schloß wurde in dieser
Optik zum Verkehrshindernis, zur Barriere der großen Achse von Westen nach Osten. Dem
Propagandisten der städtebaulichen Moderne, Adolf Behne, wäre es nie in den Sinn gekommen, das
Schloß der Hohenzollern als zentralen Punkt des Zentrums zu begreifen. Im Gegenteil, für Behne
war das Schloß ein Hindernis für die weitere Entwicklung des Zentrums, ein materielles wie
mentales Hindernis, eine "Denkhemmung" (vgl. Behne 1932).
Bereits vor der stadtplanerischen Neuorientierung des Straßenraums zugunsten des Automobils
verschärfte sich die Kritik an der überkommenen Bebauungsweise der in Frage gestellten
historischen Korridorstraße. Erstrebt wurde im Citybereich die Auflösung der überkommenen
Straßenfront, eine Anhebung und - nicht immer - Differenzierung der Gebäudehöhen - bis hin zum
Hochhaus. Schon Anfang der zwanziger Jahre kommt es zu einer neuen Hochhausdebatte, die
diejenige von vor dem Ersten Weltkrieg an Intensität weit übertraf. Insbesondere Bürohochhäuser
sollten - in Anlehnung an die neuen Vorbilder jenseits des Atlantik - die überkommene, nicht mehr
geschätzte Silhouette zugunsten einer neuen "Stadtkrone" revolutionieren. "Die Zeit der
Kathedralen ist vorbei. Wohl werden noch Kirchen und Türme gebaut. Aber selbst im Lande der
großen Abmessungen und der Riesenvermögen drüben im fernen Westen wachsen die großen
Dome nicht mehr. Die hohen Häuser, die dort entstehen, sind anderer Art. Sie dienen nicht
übersinnlichen Idealen, sondern dem profanen Zweck, in eifrigster Arbeit neue Werke zu schaffen,
neue Geldquellen zu erschließen." (Möhring 1921, S. 1f.)
Im Rahmen der Hochhausdebatte wurde eine ganze Reihe von Hochhausstandorten ins Gespräch
gebracht, so die Umgebung des Bahnhofs Friedrichstraße, die "Linse" zwischen der Stadtbahn und
der Spree im Westen der Museumsinsel, die Umgebung des Hackeschen Marktes, der Bereich des
Lehrter Bahnhofes, die Gegend westlich des Potsdamer Platzes, der Askanischen Platz, der
Blücherplatz im Süden des Halleschen Tores, die Ministergärten und der Königsplatz bzw. Platz der
Republik. Die neue Berliner Bauordnung erlaubte bereits etwas höhere Geschäftshäuser, sofern die
Wohnnutzung ausgeschlossen wurde. Ausdruck dieser kulturellen Veränderung waren - bereits vor
der Wende zur automobilen City - etwa der Ideenwettbewerb für ein Hochhaus am Bahnhof
Friedrichstraße 1921/22 und der Ideenwettbewerb zur Umgestaltung der Straße "Unter den Linden"
(1925), dann aber vor allem die Vorschläge Ludwig Hilberseimers für den Bau eines
vereinheitlichten neuen Zentrums an Stelle des polarisierten alten (1928). Diese Konzepte
demonstrierten eine klare Absage nicht nur an die Korridorstraße, sondern auch an die kleinteilige
Parzellenstruktur und an die Mischung der Funktionen im Citybereich. Sie zielten auf etwas Neues:
auf eine Weltstadtcity.
Natürlich gab es auch in der Hochhausfrage viel Streit - etwa um die stadtverträgliche Höhe. Martin
Wagner etwa plädierte für ein bescheidenes "Hochhaus", wie es zum Beispiel Peter Behrens am
Alexanderplatz realisieren konnte: "Berlin wird gut tun, sich mit allen Kräften gegen die
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Entwicklung des Hochhauses in seinem Geschäftszentrum, der City, zu wehren. [...] Deutschland
und Berlin ist nicht reich, nicht kurzsichtig und nicht fahrlässig genug, durch eine gegenwärtige
Nachgiebigkeit vor dem Kind im Künstler und dem 'business' im 'banker' seine wirtschaftliche
Zukunft, seine öffentlichen Finanzen und das organisch gewachsene städtebauliche Gefüge zu
opfern. Wohl werden wir an einigen wenigen Stellen des Stadtplanes, zur Förderung großzügiger
Bauvorhaben und zur Erzielung eines künstlerisch hochwertigen Stadtbildes dem sechsten das
siebente und achte und äußerstenfalls das neunte Stockwerk hinzufügen. Hier aber sollte es eine
Grenze haben, eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Die Städtebauer Amerikas warnen
Europa, wenn man mit ihnen unter vier Augen spricht." (1929b, S. 44)
Weltstadt, nicht mehr nur Hauptstadt - das war der Traum der späten zwanziger Jahre. "Dieses
Berlin", so Walter Curt Behrendt, "steht heute im Begriff, aus der Hauptstadt des Deutschen
Reiches, aus einer nationalen Metropole, die es bisher gewesen ist, eine internationale Weltstadt zu
werden." (1929, S. 98) Weltstadt - das war die Befreiung von gestern, das bedeutete dynamischen
Autoverkehr, sachliche Formen, Hochhäuser, die die muffige Traufhöhe durchbrechen, das waren
große, monofunktionale Zonen für Geschäfte, für Kultur, für Vergnügungen und auch für die neue,
demokratische Regierung der Weimarer Republik. Weltstadt - das bedeutete Partnerschaft und
Konkurrenz mit den wenigen anderen anerkannten Weltstädten: mit Paris, London und New York,
mit Großstädten, deren Etikettierung als Weltstadt eigentlich nichts mehr mit der
Hauptstadtfunktion gemein hatte.
Das städtebauliche Konzept der Weltstadt Berlin hatte in den zwanziger Jahren relativ eindeutige
Voraussetzungen. Weltstadt meinte vor allem Weltstadtcity, den Umbau des historischen Zentrums
von Berlin, aber auch den Ausbau des alten Zentrums, die Cityerweiterung. Für die übrige Stadt
war das Leitbild die Anlage durchgrünter, aufgelockerter Wohngebiete mit möglichst nur
dreigeschossigen Gebäuden, die gebührenden Abstand von reinen Industriezonen halten. Eine
durchmischte, dicht bebaute Innenstadt im Sinne des überkommenen wilhelminischen
Mietshausgürtels hatte in diesem Konzept keinen Platz mehr. Die von einer harmonischen
Siedlungs- und Industrielandschaft umgürtete Weltstadtcity, organisiert durch den öffentlichen
Personennahverkehr mit der Perspektive und Hoffnung eines massenhaften Automobilverkehrs das war, kurz zusammengefaßt, das Konzept der neuen Großstadt, einer Großstadt, die in
Gestaltung und Funktion radikal mit der alten Stadt brach, die die Zerstörung der alten Stadt nicht
nur in Kauf nahm, sondern bewußt anstrebte.
Jenseits aller Träume von einer expandierenden modernen, autodurchfluteten, hochhausgeprägten
Weltstadtcity blieb die "Geschäftsstadt" in der Weimarer Republik relativ unverändert. Zu den
bereits etablierten Geschäftsvierteln gesellte sich seit 1920 in der südlichen Friedrichstadt das
"Filmviertel" (Leyden 1933, S. 154). Doch als City wurde in der Weimarer Republik nicht mehr nur
die "Geschäftsstadt" von Lesser wahrgenommen. Immer wieder wurde von der Westwanderung der
City gesprochen. "Der Entwicklungszug im Stadtinnern geht [...] von Osten nach Westen. Die
Hauptgeschäftsgebiete, die ursprünglich nur die Altstadt rechts der Spree umfaßten, haben sich über
die Linden, die Friedrichstraße, Leipziger und Wilhelmstraße auf den Potsdamer Platz und seine
Umgebung ausgedehnt. Diese Entwicklung wird weitergehen. Die Gegend am Zoologischen Garten
wird ein - wenn auch besonders gearteter - Teil der City werden." (Bürgermeister Böß 1929, S. 115)
So hatten etwa die "großen eleganten Läden" die Friedrichstraße eher verlassen und waren nun in
den westlichen Stadtteilen zu finden (Leyden 1933, S. 159). Vor allem der Kurfürstendamm
zwischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Knesebeckstraße hatte sich zu einer
Haupteinkaufsstraße entwickelt. Der Stadtgeograph Fiedrich Leyden sprach weiter von einem
"Vergnügungsviertel" um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (S. 154).
Die Westwanderung der City ermunterte zu weiteren Träumen. So schlug im Jahre 1926 Hermann
Dernburg in der Zeitschrift "Städtebau" eine Vernetzung des historischen Zentrums mit dem
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aufstrebenden Zentrum in Charlottenburg vor. Sehr zu wünschen, so Dernburg, wäre nämlich "ein
großer und möglichst gerader Verkehrsweg vom Spittelmarkt zum Kurfürstendamm [...]. (S. 6)
Hintergrund dieses Vorschlags ist die Annahme einer gewaltigen Nachfrage nach Citystandorten.
"[...] völlig getrennt vom alten Verkehrszentrum Berlins, das sich um Linden, Friedrichstraße,
Leipziger Straße gruppiert, [ist] ein neues entstanden, das eine erst an der Halenseebrücke endende
Ausdehnungsmöglichkeit besitzt. Die dazwischen liegende Stadtgegend, vom Potsdamer Platz bis
zur Gedächtniskirche, nimmt ein ruhiges, altes, ja baulich, wohnungstechnisch, wie geschäftlich
längst überaltertes Wohnviertel ein und legt eine Barre zwischen das alte und das neue
Geschäftsviertel, zum Nachteil aller drei Faktoren. [...] Es scheint nun wünschenswert, diesem
künstlichen Zustande ein Ende zu machen, und das alte mit dem neuen Berliner Geschäftszentrum
zu verbinden und dadurch eine neue zentrale Geschäftsgegend zu schaffen." (S. 6) Für dieses neue
Cityband sollte der Landwehrkanal trockengelegt werden. Auf dem Boden des Kanals könnte dann
die U-Bahn verkehren, auf dem Deckel wäre eine "Automobilstraße für Schnellverkehr" anzulegen.
"Die beiden Seiten dieser Prachtstraße würden alsbald einer Neubebauung mit Hotels, Geschäftsund Bürohäusern erschlossen sein. Die Straße würde eine Breite von 70 m haben, während die
Linden nur 60 m breit sind. Es wird kaum eine zweite Weltstadt geben, die eine derartige
Geschäftsstraße aufzuweisen hätte." (S. 8)
An die "rückständige" Altstadt verschwendete Dernburg keinen Gedanken. Sein Vorschlag zeigt die
Konkurrenz zweier völlig unvereinbarer planungspolitischer Strategien: die Kanalisierung erhoffter
zusätzlicher Citystandortnachfrage entweder in der Altstadt oder westlich des historischen
Zentrums.
Der Zug nach Westen rückte die Altstadt immer weiter ins Entwicklungsabseits. Die altstädtischen
Cityerwartungsgebiete, also die historischen, noch nicht tertiärisierten Zonen, wurden tendenziell
entwertet und drohten zu verfallen. Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen der Stadträte
Ernst Reuter und Martin Wagner seit 1926/27 zu sehen, die südliche Altstadt verkehrsgerecht
umzubauen.
Ihre gemeinsam mit Martin Mächler als dem Vertreter des City-Ausschusses erstellten Planungen
sollten "dem Zug des Geschäftslebens nach Westen entgegenwirken" (Scarpa 1984, S. 288). Ziel
war die Beseitigung der Wohnungen, der kleinen Parzellen, der kleinen Häuser und engen Straßen.
Daß die überkommenen Verhältnisse im östlichen Teilzentrum einer Weltstadtcity nicht würdig
waren, daran ließ Martin Wagner keinen Zweifel. "Die City", so Wagner bedauernd, "umfaßt heute
noch desolaten Bauboden in größerem Umfang, der für 200 Mark den Quadratmeter zu haben ist."
(1929, S. 231) Nicht zuletzt wegen der sich zuspitzenden wirtschaftlichen Situation wurde im März
1931 der Antrag auf Ausschreibung eines Wettbewerbes zur Sanierung der südlichen Altstadt von
der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt.
Nach dem politischen Machtwechsel 1933 wurden die 1931 gescheiterten Pläne noch einmal aus
der Schublade geholt. So erschien im Jahre 1934 in der noch von Martin Mächler herausgegebenen
"Deutschen Bauzeitung" ein ganze Reihe von Artikeln, die die Planungen der Weimarer Republik
wieder aufwärmten. Der kommissarische Bürgermeister des Bezirks Berlin-Mitte, Lach, schrieb
damals: "Im Fischerkiez [...] sind ganze Häuserblocks abrißreif." (1934, S. 25). Dem Artikel des
Bezirksbürgermeisters folgte eine sehr ausführliche Darstellung der Ergebnisse des Gutachtens des
Deutschen Vereins für Wohnungsreform. Schließlich forderte ein Dr. Sandow die Einsetzung eines
"Staatskommissars für die Sanierung der City von Berlin", einen "Führer der City von Berlin".
Anlaß für diese Forderung war die Klage, daß die Kaufkraft der Altstadt "mehr oder weniger den
Rücken kehrt. [...] Für den Städtebauer entsteht nun die große Frage, ob er diesen 'Zug nach Westen'
eindämmen und wieder in die City zurückführen kann." Und weiter: "Wie wollte es die City
fertigbringen, die modernsten Lebensströmungen des Großstädters aufzuhalten, wenn sie selbst in
ihrer ganzen Form so undynamisch ist, daß sie nicht einmal rein baulich und verkehrstechnisch den
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gesteigerten Ansprüchen eines Weltstädters gewachsen ist? Die City ist in einem Spinnwebennetz
kleinster Grundstücksgrenzen eingefangen, die jede Erweiterung einer Straße und jede Erweiterung
eines Geschäftshauses von einem Zufall oder von der guten Laune und dem guten oder schlechten
Willen des Nachbarn abhängig macht." (1934, S. 142) Damit war auch die Aufgabe des geforderten
"Führers" klar umrissen: "Die Wohnviertel der Armen und Ärmsten mit ihrer dezimierten Kaufkraft
hemmen die Entwicklung der City und müssen durch eine radikale Abwrackung der desolaten
Wohnviertel beseitigt werden." (S. 144) Hinter dem Pseudonym Dr. Sandow verbarg sich niemand
geringeres als Dr. Martin Wagner.
Doch auch in der nationalsozialistischen Zeit wurden die Pläne zum Umbau der südlichen Altstadt
in der von Wagner erwünschten Dimension nicht durchgeführt. Zwar wurde vor allem eine
Sanierung des südlichen Teils von Alt-Berlin und des Friedrichswerder eingeleitet, aber die durch
den Generalbauinspektor Albert Speer forcierte Neugestaltungsplanung sollte den Schwerpunkt der
City noch weiter nach Westen verschieben. Der stark durch jüdische Kaufleute und Industrielle
geprägte City-Ausschuß, der im Januar 1934 noch eine Denkschrift zur Entwicklung einer
deutschen City vorbereitet hatte (vgl. Balg 1986, S. 363f.), wurde schon im März 1934 aufgelöst.
1935 verließ Martin Wagner Deutschland.
Ausgangspunkt der Speerschen Neugestaltungsplanung war der proklamierte gewaltige Bedarf an
neuen City-Großbauten, für die es im bisherigen Zentrum Berlins keine geeigneten Bauplätze gebe,
Bauplätze, die das mit solchen Großbauten verbundene Verkehrsaufkommen verkraften könnten.
"Der Gedanke, für diesen Zweck einen der vorhandenen großen Straßenzüge auszubauen, ist
erwogen, reiflich untersucht und verworfen worden. Denn bereits eines der ersten praktischen
Beipiele zeigte, daß selbst die breiteste und großzügigste Straße Berlins, die Straße 'Unter den
Linden', für bestimmte neue Bauten nicht mehr in Betracht kommen konnte, da sie den damit
verbundenen größeren Verkehrsanfall nicht bewältigt. [...] Es ist völlig klar, daß demnach etwa die
Friedrichstraße oder die Leipziger Straße für den weiteren Neubau großer verkehrsanziehender
Bauwerke noch viel weniger in Frage kommen kann, da hier bereits der heutige, normale Verkehr
schon zu erheblichen Stockungen führt. Es folgt daraus, daß für die Errichtung der notwendigen
großen Neubauten eine neue Straße erbaut werden muß, die nicht nur den Verkehr der Jetztzeit,
sondern auch den in Zukunft zu erwartenden, bedeutend verstärkten Verkehr bewältigt." (Speer am
28. Januar 1938 in der "Berliner Morgenpost")
Im Rahmen der Neugestaltung sollten auch die "veralteten" Bahnhöfe am Potsdamer bzw.
Askanischen Platz aufgegeben werden. Das Konzept der sich kreuzenden Achsen zielte auf eine
Ergänzung der eher ost-west-gerichteten City durch eine neue Nord-Süd-Entwicklungsschiene, ein
Vorschlag, der bereits zwei Jahrzehnte vorher von Martin Mächler formuliert worden war. Das
Konzept zielte weiter auf eine Verlagerung des Cityschwerpunktes nach Westen und schließlich auf
eine Zentralisierung des innerstädtischen Verkehrs auf die beiden Achsen - ein Aspekt, der der
behaupteten Automobilorientierung eher widersprach.
Von Bedeutung war aber nicht nur die Absicht der Verschiebung des Zentrums durch die geplante,
aber nicht realisierte Nord-Süd-Achse. Wenig beachtet wurde in der Regel der Effekt der
planungsvorbereitenden Verdrängung von bestehenden Verwaltungsstandorten im Bereich der
Nord-Süd-Achse. Auf diesen Effekt hat Hans Borstorff nach dem Kriege hingewiesen. "Als dann
die Speerschen Bereichserklärungen erfolgten, und damit vor allem das gesamte Gebiet westlich
des Potsdamer Platzes sowie des südlichen und nördlichen Tiergartenviertels in Auflösung kam,
erfolgte ein tiefgreifender Strukturwandel mit Umorientierung dieser Unternehmen nach dem
Berliner Westen. [...] Viele Hundert derartige größere und kleinere Verwaltungen, Organisationen
und Verbände lagen über das West-Berliner Gebiet bis in den Grunewald hinein zerstreut. Bei der
Hast, mit der sich dieser Umschichtungsprozeß vollziehen mußte, konnte es selbstverständlich zu
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keinem organischen Wachstum irgendeines besonders pointierten Schwerpunktes kommen. Eine
'westliche Verwaltungs-City' entstand nicht." (1948, S. 76f.)
In der Zwischenkriegszeit veränderte sich also das Zentrum Berlins nur wenig - trotz einer Vielzahl
radikaler Planungen und aller Beschwörungen von Dynamik, Maschine, Weltstadtverkehr. Die
privaten Investoren waren wirtschaftlich weit weniger potent als in der Kaiserzeit, und die
öffentliche Hand war zwar programmatisch offensiv, durch die Haushaltslage aber praktisch
gezügelt. Selbst die "Westwanderung der City" darf nicht überschätzt werden: Tatsächlich blieb die
Dorotheen-/Friedrichstadt weiterhin der Kernbereich der City. Eine großzügige Tertiärisierung des
östlichen Stadtzentrums scheiterte - wie schon in der Kaiserzeit. Im äußeren Westen dagegen
entwickelte sich um die imperiale Trutzburg der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein auf die
dortige Wohnbevölkerung bezogenes elegantes Laden- und Vergnügungsgebiet. Allerdings war
diese Gegend weiterhin wesentlich durch Wohnungen geprägt, wenngleich durch sehr teure
Wohnungen (vgl. Borstorff 1948 , S. 54). "An die Vielseitigkeit und Großzügigkeit der Aufgaben
der City", so Herbert Louis 1936, reichte die Geschäftsgegend in der Tauentzienstraße und am
Kurfürstendamm aber "nicht heran" (S. 18). Das drückte sich auch in den Bodenpreisen aus. Im
Jahre 1936 betrug der Preis pro Quadratmeter Boden etwa an der Leipziger Straße 1.400 - 2.500
Mark. Die Preisspanne am Kurfürstendamm betrug dagegen nur 600 - 1.500 Mark. Der Aufstieg
des Kurfürstendamms zeigte sich allerdings im Vergleich zur Preisspanne an der Königstraße, der
bedeutendsten Straße des östlichen Teilzentrums: Dort war dasselbe Preisgefüge wie am
Kurfürstendamm zu vermerken. (Topographischer Atlas 1987, S. 27)
Das war natürlich keineswegs die Entwicklung, die sich die Stadtplaner insbesondere seit der
zweiten Hälfte der zwanziger Jahre erhofft hatten: Während in der späten Weimarer Republik
Martin Wagner, Ernst Reuter und Martin Mächler eine cityorientierte Aufwertung der Altstadt
anstrebten, zielte die Neugestaltungsplanung von Albert Speer auf eine weitere drastische
Westwanderung der City und damit auf eine Entwertung der Dorotheen-/Friedrichstadt. Beiden
Konzepten lagen städtebauliche Prinzipien zugrunde, die heute zu Recht als zentrale Fehler der
städtebaulichen Moderne diskutiert werden: das Prinzip der autogerechten City und das Prinzip der
monofunktionalen tertiären City auf Großparzellen. Dazu kam der beabsichtigte Bruch mit den
städtebaulichen Proportionen der Kaiserzeit, der in der Planung von Hochbauten seinen
spektakulärsten Ausdruck fand. Dieser Bruch hätte den bedeutsamsten positiven Aspekt der
überkommenen Zentrumsstruktur, das Zentrum ohne zentralen Punkt, verletzt.
Am 1. September 1939 entfesselten die Nationalsozialisten den Zweiten Weltkrieg. Als der Krieg
schließlich in sein Ursprungsland zurückkehrte, wurde das Zentrum der Reichshauptstadt mit den
dort konzentrierten Schaltstellen des "Dritten Reiches" zu einem bevorzugten Ziel der alliierten
Bomben. Am 3. Februar 1945 erlebte Berlin die schwersten Bombenangriffe: "Ein Tag, wie er in
dieser Jahreszeit selten ist; die Sonne schien", so ein Rückblick ein Jahr später. "Vor der
Mittagsstunde heulten die Sirenen. Das war nichts Ungewohntes mehr. Mancher Stadtteil von
Berlin war in Trümmer gelegt. Aber das Leben pulste immer noch. Die Innenstadt hatte schwere
Schrammen. Aber sie war doch bis zu einem gewissen Grade noch die alte geblieben. An diesem 3.
Februar sank sie, in Flammen gehüllt, in sich zusammen. Es war das Werk von anderthalb Stunden.
Am Mittag standen ihre großen Straßenzüge, sturmgepeitscht, in hellen Flammen. Der Rauch legte
sich über die brennenden Herde und verdunkelte langsam die Sonne. Und vom Herzen der großen
Stadt her legten sich Schatten auf die Außenviertel, über die sie als unheilkündende Zeichen mit
dem Winde zogen." (Der Tagesspiegel 3.2.1946) Weite Bereiche der Berliner Stadtmitte und des
Bezirkes Tiergarten glichen danach einem Trümmerfeld. Allein im Bezirk Mitte wurden an jenem
Tag über 70 Prozent der Gebäude zerstört, darunter viele historische Bauten des historischen
Zentrums - Unter den Linden und anderswo.
25
1.3. Das teilzerstörte, gespaltene und geschrumpfte Zentrum nach dem Zweiten
Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg markierte den härtesten Bruch in der Entwicklung des Zentrums. Von
Bedeutung waren dabei nicht nur und nicht in erster Linie die Kriegszerstörungen: Obwohl im
Zentrum die größten Zerstörungen zu verzeichnen waren, blieb die unterirdische stadttechnische
Infrastruktur weitgehend erhalten. Der Parzellenstruktur konnten die Bomben sowieso nichts
anhaben. Von weitaus größerer Tragweite war dagegen die durchgreifende funktionale Zerstörung
der im Kaiserreich begründeten und nach 1918 lediglich modifizierten Zentrumsstruktur im Zuge
der Spaltung Berlins.
Große Unsicherheit bestand nach 1945 zunächst über die künftige Rolle Berlins, eine Unsicherheit,
die erst später von der Sicherheit der Spaltung abgelöst wurde, wobei auch deren Implikationen und
Dauer nicht kalkulierbar waren. Wird Berlin, so die Fragen des Jahre 1946, "eine Beamtenstadt mit
Zentralstellen für Regierung, Handel und Verkehr? [...] Kurz: welcher gesellschaftliche und
wirtschaftliche Stand kann heute und in naher Zukunft für Berlin angenommen werden?" (Neue
Bauwelt 8/1946, S. 1)
Nicht wenige Stadtplaner in beiden Teilen Deutschlands nahmen diese Situation durchaus mit
einem "wehmütigen Lächeln" zur Kenntnis und begriffen die gewaltigen Zerstörungen als
"Chance", auf den Trümmern der alten Stadt eine neue Stadt zu gestalten und so die unerfüllt
gebliebenen Wünsche und Träume der zwanziger Jahre - wenngleich in modifizierter Form schließlich doch noch Wirklichkeit werden zu lassen.
So zielten schon die großen Planungen der ersten Nachkriegsjahre nicht auf einen Wiederaufbau,
sondern einen Neuaufbau Berlins - vor allem der von einem Planungskollektiv unter Beteiligung
des Stadtbaurats Hans Scharoun verfaßte "Kollektivplan" (1946) mit dem Leitbild einer im Berliner
Urstromtal zu entwickelnden autogerechten "Stadtlandschaft", aber perspektivisch auch der von
Willi Görgen und Walter Moest entworfene "Zehlendorfer Plan" (1947) mit dem Leitbild einer
autogerechten Stadt. Für die Reste der historischen Stadt war abgesehen von einzelnen
"Traditionsinseln" in beiden Planwerken programmatisch kein Platz mehr. Weitgehend einbezogen
wurde die vorhandene Stadt indessen in das Konzept des 1946/47 von Karl Bonatz initiierten
"Neuen Plans von Berlin" - dies jedoch nicht aus Überzeugung, sondern aus pragmatischer
Einschätzung der materiellen Gegebenheiten und der verfügbaren Ressourcen.
Zur Frage der City äußerte sich vor allem der radikalste Plan der unmittelbaren Nachkriegszeit, der
Kollektivplan, nur sehr zuückhaltend. "Die einzelnen Standorte der Büros des Staates, der Stadt, der
Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Werkstätten, der Konfektion, der Druckereien, der
Wohnungsausrüstung gliedern sich als selbständige Zellen, verkehrlich an Straße und Schiene
kürzest angeschlossen und ergänzt durch Hilfsbetriebe, speziell Einrichtungen des Post- und
Nachrichtenwesens, in die Maschen des Straßennetzes ebenso ein, wie die vom Durchgangsverkehr
freigehaltenen historischen Stadtteile 'Unter den Linden', Museumsinsel, die Hochschulzelle usf."
(Havemann 1946, S. 28)
Auffallend ist, daß der kritische Chronist Wilhelm Havemann hier das Wort "City" nicht gebraucht
- ein Hinweis auf die damals empfundene historische Belastung nicht nur dieses Begriffs, sondern
auch dieser Funktion. "Das Gebiet der Innenstadt", so Havemann an anderer Stelle, "das früher
schon häufiger als 'City' bezeichnet wurde [...], war ein solches, das zum erheblichen Teil der
'Repräsentation' diente, so wie man diese damals verstand. [...] Eine große Anzahl von Menschen
aller Art lebte von dieser Repräsentation, die wir uns nun heute nicht mehr leisten können und die
bereits durch die Bomben und die Brände der vergangen Jahre ausgelöscht ist." (1946, S. 41)
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In der Amtszeit des Stadtrats Karl Bonatz waren die Skrupel gegenüber Repräsentation bereits
weniger ausgeprägt. Der Sozialdemokrat forderte "ein deutlich erkennbares politisches,
wirtschaftliches und kulturelles Zentrum". Allerdings sollte beim Aufbau des Zentrums ein
goldener Mittelweg beschritten werden: "Wir gehen damit allen Extremen bewußt aus dem Weg,
einerseits der wirtschaftlich und praktisch untragbaren, völligen Freihaltung der Stadtmitte, die von
manchen Theoretikern propagiert wird, andererseits einer noch weiteren Verdichtung durch enge
Bebauung mit Turmhäusern. Diese ausschließlich von der Spekulation und Gewinnsucht in
manchen Städten des Auslandes gewählten Formen kann man nur als Ausgeburten des Wahnsinns
bezeichnen." (1948, S. 8f.)
Unter Bonatz entwickelte Richard Ermisch seine einschneidenden Vorstellungen zur
Neustrukturierung der City im Bereich Dorotheen-/Friedrichstadt, ein Planer, der schon in den
dreißiger Jahren mit seinen Plänen zum Altstadtumbau bekannt geworden war. Wie die anderen
Pläne der unmittelbaren Nachkriegszeit blieben auch Ermischs Entwürfe Papier. Die zerstörerischen
Visionen einer "neuen Stadt" prägten jedoch das Denken vieler Stadtplaner in der Folgezeit.
"Unsere Innenstadt", so Hans Borstorff noch 1948, "ist z. Z. kaum mehr als ein lokalgeographischer
Begriff, ein Hohlraum im historischen Mittelpunkt der Stadt, dem infolge Fehlens jeder
übergeordneten - gesamtdeutschen oder selbst einheitlichen Berliner - Aufgabe jedes Fundament
entzogen ist und jeder Impuls zu neuer Kraftentfaltung fehlt. Wir müssen uns auch darüber klar
sein, daß die City nur durch Zuweisung solcher übergeordneter Aufgaben einen Sinn erhält und
ohne diese nicht mehr und nicht weniger ist, als jeder beliebig andere Bereich Berlins. Es ist für uns
eine erschütternde Erkenntnis, daß noch immer so wenig Aussicht auf die Verwirklichung der
Wirtschaftseinheit Deutschlands besteht. Es nützt nichts, unsere Augen davor zu verschließen, daß
wir bei einem Fehlschlag auch die City auf den großen Altar unserer Opfer legen müssen." (S. 71f.)
Hans Borstorff war seit 1945 Referent des Hauptamtes für Planung II in der Abteilung für Bau- und
Wohnungswesen des Magistrats von Groß-Berlin, der sich auf ausdrückliche Anforderung des
Planungskollektivs mit Standort- und Strukturfragen des Berliner Zentrums befaßte. Borstorffs
Arbeiten wurden 1948 in einer Schrift mit dem bezeichnenden Titel "Stadt ohne Zentrum"
veröffentlicht. Diese strategische Schrift verdient gerade heute ein erneutes Studium.
Für Borstorff wie andere Planer der unmittelbaren Nachkriegszeit stand die Beibehaltung des
historischen Standortes der City außer Frage, ebenso das Ziel einer "reinen Geschäftsstadt ohne
Wohnungen" (Moest 1947, S. 29). Borstorff brachte aber auch die Idee eines "Citybandes" "vom
Alexanderplatz bis zum Knie Charlottenburg bzw. Kurfürstendamm-Uhlandstraße" (vgl. Borstorff
1948, S. 77ff.) ins Gespräch.
Die Spaltung Berlins 1948 ließ alle gesamtstädtisch orientierten Ideen Makulatur werden. Sie führte
- wie von Borstorff befürchtet - zur Herausbildung von zwei Stadtzentren: eines Zentrums um das
Gebiet zwischen Alexanderplatz und Marx-Engels-Platz im Ostteil und eines Zentrums um den
Hardenbergplatz im Westteil Berlins. Sie führte auch - ebenfalls von Borstorff vorhergesehen - zur
Verlagerung wichtiger Cityfunktionen nach Westdeutschland. Während Ost-Berlin Hauptstadt der
neuen DDR und damit staatssozialistischer Hauptinvestitionsort wurde, durfte das von privaten
Investoren gemiedene, allenfalls durch Steuervorteile mit privatem Kapital künstlich beatmete
West-Berlin die Rolle einer "Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands" im Wartestand
spielen, die Rolle eines "Schaufensters des Westens".
In West-Berlin wurde der Widerspruch zwischen City-Inszenierung und tatsächlicher tertiärer
Zentrumsentwicklung besonders offenkundig. Die inszenierte City war punktförmig, oder vielleicht
präziser: dreipunktförmig. Den einen Punkt bildete das Ensemble der zerstörten Kaiser-WilhelmGedächtniskirche mit den Neubauten von Egon Eiermann, flankiert vom Hochhaus mit dem
27
großspurigen Namen "Europacenter". Dieses 1963-65 errichtete, 86 Meter hohe "Center Europas"
wurde durch ein Symbol bekrönt, das auf Verhältnisse in der Stadt, der City, der Gesellschaft
verweist: das Symbol des Mercedessterns. Den zweiten Punkt bildete die platzartig betonte
Kreuzung Joachimsthaler Straße/Kurfürstendamm, die nicht nur durch das Café Kranzler berühmt
war, sondern auch durch ein weiteres bedeutungsschweres Zeichen: die Kanzel zur Überwachung
des automobilen Weltstadtverkehrs. Den dritten Punkt markierte im wesentlichen ein einziges
Gebäude, das materialisierte "Schaufenster des Westens": das KaDeWe (Kaufhaus des Westens) am
Wittenbergplatz. Alle drei Punkte lagen ganz in der Nähe des zentrumsfördernden Bahnhofs Zoo.
Diese funktional gesehen äußerst magere City West-Berlins wurde über Postkarten, Reiseführer,
Drucke und Fotos bis zur Überdrüssigkeit in Szene gesetzt. Weitgehend unbeachtet blieben dagegen
die anderen Orte der Konzentration tertiärer Funktionen, vor allem das Verwaltungszentrum am
Fehrbelliner Platz, ein städtebauliches Erbe der nationalsozialistischen Zeit, eine trostlose
Bürohausballung mit immerhin etwa 50.000 Beschäftigten in der Umgebung, die nach Büroschluß
in urbaner Leere versank.
Die "West-City" der Nachkriegszeit war weder quantitativ noch qualitativ mit der historischen City
vergleichbar, sie war das Ergebnis einer Simulation. "Von einem echten City-Viertel", so Burkhard
Hofmeister noch 1987, "kann bisher kaum die Rede sein." (Topographischer Atlas 1987, S. 35)
West-Berlin, so auch Dieter Hoffmann-Axthelm, hatte "kein eigenes Zentrum. [...] Die City
zwischen Wittenberg-, Ernst-Reuter-, Olivaer und Spichernplatz war nicht imstande, das irreguläre
Gebilde Berlin-West zu zentrieren." (1991)
Jenseits realer Entwicklung und City-Showbusiness beanspruchten die Planungen West-Berlins
weiterhin für Gesamt-Berlin Gültigkeit. Ein wichtiges Konzept in diesem Zusammenhang war das
bereits unmittelbar nach dem Kriege vorgedachte "City-Band". In einem Informationsblatt des
Presse- und Informationsamtes des Landes Berlin von 1968 wurde diese Idee propagiert und angesichts der Existenz unterschiedlichster Funktionsgebiete im Bereich zwischen Kaiserdamm und
historischer City - flugs in ein positives Konzept der "guten Mischung aller Stadtfunktionen"
einschließlich des Wohnens umgemünzt. Die Gefahren dieser krampfhaften planerischen
Verknüpfung der West- mit der Ost-City für die bestehenden nicht-zentralen Wohn- und
Gewerbestrukturen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht aktuell. Die voluntaristische Idee des
Citybandes wurde zu Beginn der achtziger Jahre durch die im Rückblick nicht minder willkürliche
Idee des "Zentralen Bereichs" in den Schatten gestellt. "Mehr als Sandkastenspiele", so Bernhard
Schulz im "Tagesspiegel" vom 5. Mai 1991, "sind damals nicht herausgekommen."
In Ost-Berlin wurde angesichts der Randlage der nördlichen Friedrichstadt der historische
Kernbereich des Zentrums - mit Ausnahme der relativ aufwendig wiederaufgebauten Straße Unter
den Linden - zunächst völlig aufgegeben. Friedrichstraße, Behrenstraße, Wilhelmstraße und
Leipziger Straße kümmerten vor sich hin. Der Bau der auf 90 Meter verbreiterten Stalinallee
verdeutlichte die geplante und auch realisierte Ostwanderung der Ost-Berliner City. Auch in OstBerlin kann man von einer Dreipunktcity sprechen, oder besser von einem Zentrumsband mit drei
Gliedern - allerdings auf einer deutlich größeren Fläche.
Den einen Punkt bildete der Marx-Engels-Platz, als dessen östliche Begrenzung jenseits der Spree
in den fünfziger Jahren noch statt des 1950 abgeräumten Schlosses der symbolische Glanzpunkt der
sozialistischen City, der Stadt und des Staates geplant war: das in Anlehnung an die Hochhäuser
Moskaus gestaltete, 150 Meter hohe "Zentrale Gebäude" für Ministerrat und Volkskammer. Statt
des Hochhauses wurde 1973 bis 1976 - allerdings auf der westlichen Spreeseite - der Palast der
Republik gebaut. Der Marx-Engels-Platz wurde im Westen durch den 1964-67 errichteten Bau des
Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten geradezu abgeriegelt. Der Bau markierte
städtebaulich das schroffe Ende des "zentralen Ensembles" (Schweizer 1967, S. 8).
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Den zweiten Punkt bildete der Alexanderplatz, der zwischen 1962 und 1970 völlig neu gestaltet
wurde: Neben den 1928-31 errichteten Gebäuden von Peter Behrens prägten vor allem das
Kaufhaus (1967-70) und das Hochhaus des Interhotels "Stadt Berlin" (1967-70) den autofreien
Platz, der an drei Seiten von überdimensionierten Autostraßen begrenzt wurde. In gewissem Maße
waren am Alexanderplatz die zerstörerischen Träume der zwanziger Jahre in Erfüllung gegangen.
Zwischen Alexanderplatz und Marx-Engels-Platz wurde ein großer Freiraum geschaffen, der neben
der restaurierten Marienkirche als letztem Überbleibsel von Alt-Berlin vor allem dem neuen
Fernsehturm als Standort diente. Dieser 365 Meter hohe, von Hermann Henselmann ins Gespräch
gebrachte "Turm der Signale" wurde zunächst abgelehnt, dann aber als zentrales Zeichen des
Zentrums zwischen 1965 und 1969 doch hochgezogen. Es folgte der Bau der Freiraumkanten an der
Karl-Liebknecht-Straße und Rathausstraße bis 1973. Damit war die städtebauliche Struktur des
mittelalterlichen Berlin in der DDR-Ära vollständig ausgeschabt worden. Wovon Martin Wagner
noch geträumt hatte, hatten die Bomben des Zweiten Weltkrieges vorbereitet und die Herren der
DDR exekutiert. Die kleinteilige Parzellenstruktur, die niedrigen Häuser, die kleinen
Gewerbebetriebe waren beseitigt worden.
Zerstört wurde das alte Berlin aber am radikalsten auf der Fischerinsel, wo erst in den sechziger
Jahren die bedeutenden Reste der historischen Stadt spurlos abgeräumt und durch eine
Konfiguration von Hochhäusern ersetzt wurden. Von Wohnhochhäusern im übrigen, was die
praktische Kritik am Prinzip des rein tertiären, kapitalistischen Zentrums ausdrücken sollte.
Tiefgreifend verändert wurde schließlich auch eine der bedeutendsten Straßen der Friedrichstadt:
die Leipziger Straße. Mit dem Neubau des Ostteils der Leipziger Straße im Sinne einer
"repräsentativen Magistrale" (Schweizer 1969, S. 526) wurde das leistungsfähige, dezentrale
Gefüge des barocken Gittergrundrisses ohne Not erheblich beeinträchtigt.
Die Zerstörung des alten Zentrums war in den späten fünfziger Jahren auch im Westen beschlossene
Sache. Erinnert sei nur an den "Ideenwettbewerb für die Gestaltung der Hauptstadt Berlin" von
1957, der den Anspruch West-Berlins, für Gesamt-Berlin zu planen, einem propagandistischen
Höhepunkt zuführte. Die Zielsetzungen und Ergebnisse des Wettbewerbs verdeutlichten einmal
mehr die stadtzerstörerische Planungsideologie der Wiederaufbauära: Der historische Stadtgrundriß
der alten City Berlins sollte radikal verändert werden, gewaltige Autotrassen sollten das Zentrum
bedienen, und die geplante Bebauung brach mit den überlieferten Dimensionen der Gebäude und
Parzellen. Die Vernachlässigung der alten City durch die Ost-Berliner Stadtplanung - so zeigt der
Rückblick heute - war wohl die einzige Möglichkeit, die Reste der historischen Stadt zu retten.
Erst mit dem Beginn einer Krise der Prinzipien der städtebaulichen Moderne in den siebziger Jahren
kam es zu einer Neubewertung der historischen Strukturen des Berliner Zentrums - in Ost wie
West. Diese Neubewertung erreichte - wen wundert es - im Zuge der Vorbereitung der 750-JahrFeier Berlins einen Höhepunkt, also in einer Zeit, als der Blick zurück in die eigene Geschichte eine
in der Nachkriegszeit unbekannte Dimension erreichte. Die kaiserzeitlich orientierte Möblierung
und Gestaltung des Kurfürstendammes waren Ausdruck dieser Neubewertung im Westen; die
Realisierung des pseudomittelalterlichen Nikolaiviertels und die Teilrealisierung des Umbaus der
Friedrichstraße zu einer multifunktionalen Korridorstraße zeigten die Neuorientierung im Osten.
Gerade die Planung der Friedrichstraße verweist auf die neue Zuwendung zur historischen City und
damit die Förderung einer Westwanderung der City aus Ost-Berliner Perspektive. Der Fall der
Mauer stoppte diese Entwicklung auf halbem Wege.
Anders als in Ost-Berlin wurde diese Ära historisch orientierten Zentrumsumbaus in West-Berlin
rasch wieder in Frage gestellt. Seit 1988 jagten sich die Projekte für "Bürotels" und andere
29
Imaginationen, die in Form von Hochhäusern die schlappe West-City beglücken wollten. Damit
wurde hauptsächlich aus Architekturkreisen die überholte Konzeption des modernistischen
Hyperzentralismus in ästhetisch verfeinertem Gewande wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Diese
Projekte für die West-Berliner City bekamen nach dem Fall der Mauer Rückenwind, verloren aber
zugleich an öffentlicher Aufmerksamkeit.
1.4. Das Ringen um ein neues Zentrum Gesamt-Berlins
Nach dem Fall der Mauer stand wiederum - wie schon 1871, 1918, 1945 - die Frage im Raum: Was
soll aus Berlin werden? Anders als die von Zweifeln geplagten Fachleute gegen Ende der vierziger
Jahre waren Planer und Politiker unmittelbar nach der Wende grenzenlos zuversichtlich. Nunmehr
schien Berlin endgültig seine Rolle gefunden zu haben - als "Bindeglied zwischen West und Ost".
"Berlin", so die beiden Teil-Berliner Interimsbürgermeister Walter Momper und Tino Schwierzina
1990, "befindet sich in einer einmaligen Situation. Wir liegen nicht mehr am Rande des Westens
oder gar da drüben im Osten, sondern wir liegen mitten im Herzen Europas. Das eröffnet uns
Chancen vielfältiger Art. Denn das geistige, politische und kulturelle Geschehen in Europa wird
sich allmählich weiter nach Osten verschieben. Die Staaten Osteuropas sind wieder auf dem Wege
nach Europa. Das heißt nicht Abschied nehmen von der Westorientierung, sondern vielmehr
geistige und kulturelle Bereicherung. Es heißt, die beiden Hälften unseres Kontinents wieder
zusammenzufügen." Und weiter: "Berlin sieht sich im Reigen der europäischen Metropolen Seite an
Seite mit Städten wie Rom, Paris, Madrid, London, Moskau oder Budapest. Wir befinden uns in
einem friedlichen Wettstreit um die Zukunftsmodelle für Großstädte unseres Ranges." (S. 6)
Zunächst mußte sich die wiedervereinigte Stadt allerdings auf eine Aufholjagd begeben, deren
Verlauf vorhersehbar zu sein schien. "Berlin", so Hanno Klein, der später durch eine Briefbombe
ermordete Leiter einer Arbeitsgruppe (Stabsstelle) für private Investitionen in Berlin, "wird sich zu
einer 'Metropolregion' und zu einem europäischen Zentrum für Dienstleistungen (was Kultur und
Wissenschaften impliziert), für Handel und Verkehr entwickeln. Diese noch nicht strukturierte
Region wird ihre Rolle zunächst als das Schlüssel- und Innovationsgebiet für die wirtschaftliche
und gesellschaftliche Transformation der ehemalilgen DDR aufnehmen. Die nächsten Stufen
werden sein: Ausbau der Region, vergleichbar der Ausstrahlung und Kraft des schwäbischen
Raumes oder des Ruhrgebietes mit der Perspektive, zur ersten europäischen Garnitur wie Paris,
London, Brüssel, Rhein/Main aufzusteigen. [...] Eine neue Gründerzeit also! Ja, jedoch sozialer,
ökologischer, intelligenter!" (1991, S. 11) Wachstum, Wachstum, Wachstum - das war die
Botschaft dieser Monate für das wiedervereinigte Berlin! Und nahezu alle ließen sich von dieser
Spekulation anstecken. "Die Prognosen verdichten sich zu einem Bedarf von Büroflächen von ca. 6
Mio [qm] Bruttogeschoßfläche und dem 2-3fachen dieser Fläche für alle übrigen Bereiche. Und
dieses für die nächsten 10-15 Jahre." (S. 12) Hanno Klein verwies weiter auf eine Studie, die seiner Meinung nach "viel zu vorsichtig" - von 800.000 bis 1,6 Mio Menschen Zuwachs bis 2010
spricht. Das bedeutet "400.000 bis 800.000 Wohneinheiten, die neu geschaffen werden müssen",
darunter "überproportional" viele "qualitativ sehr hochwertige Wohnungen" (ebd.). Damit war ein
spekulatives Zahlenwerk in die Welt gesetzt, das die Berliner Zentrumsplanung fortan in die Irre
leiten sollte.
Mit diesen Erwartungen begann die Suche nach dem Zentrum Berlins von neuem, auch die Suche
nach dem zentralen Punkt des Zentrums. "Wo soll man die Mitte suchen in diesem
unüberschaubaren Gitterwerk von Straßen [...]? Gibt es kein Zentrum, wo ist der Halt?" (Der
Spiegel 17/1991, S. 50) "Das Zentrum, die Mitte, ist leer, wenn auch übersät mit historischen
Trümmern." (Der Spiegel 18/1991, S. 148) Beim Umbau des Berliner Zentrums gab es auf
"westlicher" Seite keine routinisierten Erfahrungen, die Erfahrungen "östlicher" Fachkollegen und
Institutionen waren entwertet. Berlin steht seit der Vereinigung der Stadt vor der Notwendigkeit,
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sozusagen aus dem Nichts städtebauliche Leitbilder, Instrumente und Verfahren zur Erneuerung des
Zentrums zu erarbeiten.
Gerade für die Fixierung des zentralen Punktes des Zentrums bot sich zunächst ein Vorgang an,
dessen Geschichte bereits vor dem Fall der Mauer begonnen hatte, ein Vorgang, der die Gemüter
der Stadt bewegte und das öffentliche Interesse zentralisierte: die Neugestaltung des mythischen,
leergeräumten Potsdamer Platzes. Ohne eine Konzeption für die künftige Struktur des Zentrums
wurde der Potsdamer Platz für eine kurze Zeit zum imaginären zentralen Punkt der Stadt, zum
Symbol des neuen Berlin nach 1989, zum Gegenstand aber auch isolierter Planung, übermäßiger
Verdichtung und ängstlicher Hast.
Tatsächlich wurden die großen Schlachten um die Art und Weise des Berliner Zentrumsumbaus
erstmals und stellvertretend am Potsdamer Platz geschlagen und - aus der Sicht einer ausgewogenen
Zentrumsentwicklung - letztlich verloren. Dabei handelte es sich um Schlachten zwischen den
großen Konzernen und dem Land Berlin, Schlachten innerhalb des Senats, zwischen Senat und
Fachwelt, zwischen und innerhalb der politischen Parteien, innerhalb der Fachwelt, innerhalb der
veröffentlichten Meinung. Kein städtebauliches Vorhaben des Zentrumsumbaus hat seither solche
Streitenergien mobilisiert. Als Niederlage war zuallererst die gesteigerte bauliche Dichte zu werten,
die den Konzernen zugestanden wurde, dann das Mißverhältnis zwischen Büromassen und wenigen
Wohnungen, weiter die Wiederauferstehung der autogerechten Stadt, die in dem heiß umkämpften
Autotunnel ihren programmatischen Ausdruck fand, aber auch im Poker um ungeheure
Stellplatzzahlen, schließlich der umstrittene Kaufpreis des Baugeländes sowie die Form des
Wettbewerbsverfahrens. Zugleich spitzte sich der Richtungsstreit zwischen dem Modell der
"europäischen Stadt" und dem der "US-amerikanischen Stadt", zwischen "konservativen" und
"modernen" Positionen zu. Jenseits solcher Dichotomien verwies Dieter Hoffmann-Axthelm darauf,
daß beide Optionen, von Daimler Benz wie von Sony, auf ein stadtunverträgliches Konzept
hinausliefen: auf die "Stadt in der Stadt". Dieses Konzept hatte eine Voraussetzung, die als
Grundfehler der gesamten Geschichte betrachtet werden muß: die Übertragung des Baus ganzer
Stadtteile an private Großinvestoren.
Schon am 3. April 1991 konnte Wolf Jobst Siedler schreiben: "Die Misere des gegenwärtigen
Herangehens an die Probleme von heute und morgen besteht darin, daß sich die Planenden,
Politiker wie Architekten, vor allem über die architektonische Gestalt des Neuen Gedanken machen,
weshalb überall Konkurrenzen und Wettbewerbe stattfinden oder angekündigt werden. Nirgendwo
ist zu sehen, daß man sich über die Funktionen der beiden konkurrierenden Stadtzentren, der alten
Stadtmitte und des neuen Westens Gedanken gemacht hat [...]." Aber Siedler ging es auch nur um
einen Ausschnitt des Zentrums, um den Boulevard Unter den Linden. Immerhin: Der Tanz um den
Potsdamer Platz war ein Zeichen einer mentalen Ostwanderung der City - aus West-Berliner
Perspektive betrachtet. Am Potsdamer Platz sollte sich das Symbol des westlichen Berlins
verdoppeln: der Mercedes-Stern. Jetzt fehlte nur noch der Stern über dem Alexanderplatz.
Rudolf Stegers faßte die Kritik der fehlgeleiteten Geschichte des Projektes Potsdamer Platz mit
folgenden Worten zusammen: "Es ist zu voll und es ist zu viel. Wer Kapitalismuskritik statt
Architekturkritik treibt, fühlt sich ohnehin bestätigt. [...] Mit der viel beschworenen Public Private
Partnership [...] hat Berlin bis heute kein Glück. Das Spiel zwischen Kommune und Kapital endet
fast immer Null zu Eins. Schuld daran tragen vor allem CDU und SPD. Absurd ist ja, daß der Senat
von außen genötigt werden muß, seine Grundstücke teurer zu verkaufen. Absurd ist ja, daß der
Senat trotz aller Warnung vor dem 'Gedränge des Gebauten' die Bruttogeschoßfläche auf dem
Daimler-Benz-Areal von 264000 auf 340000 Quadratmeter steigert. Absurd ist ja, daß der Senat mit
frischem Asphalt weitere Autos ins Zentrum lockt, wo das Fahrzeug bald Stehzeug wird. Die
Zähigkeit und Heftigkeit beim Hickhack um Tunnelmünder und Straßenbreiten untermauert die
Dringlichkeit der Sache." (Vierter Teil, 1992)
31
Inzwischen ist die Entwicklung längst über den Potsdamer Platz hinweggegangen. Das zeigen die
vielen städtebaulichen Ideenwettbewerbe, die sich langsam gen Osten bis zum Alexanderplatz
vorgetastet haben, das zeigen die relativ konsolidierten Pläne für die Ansiedlung von
Bundeseinrichtungen in der Hauptstadt Berlin, das zeigt auch der Streit um den Wiederaufbau des
Berliner Schlosses. Im Mittelpunkt des privaten Investoreninteresses steht allerdings wieder der
historische Kernbereich der Berliner Geschäftsstadt, die Dorotheen-/Friedrichstadt.
Doch die städtebaulichen Verhältnisse im gesamten Zentrum haben sich gegenüber der Zeit vor
dem Weltkrieg drastisch verändert. Die historischen Fernbahnhöfe sind verschwunden,
übriggeblieben ist nur der Fernbahnhof Friedrichstraße, aber auch die zahlreichen, der komplexen
Gitterstruktur des Stadtgrundrisses angemessenen U- und S-Bahnhöfe. Die Altstadt ist abgeräumt und mit ihr die Strukturen, die einen Widerspruch zwischen westlichem und östlichem Teilzentrum
ermöglicht haben. Verschwunden ist auch das Stadtschloß der Hohenzollern, das von mancher Seite
heute als Mitte und Herz des Zentrums gehandelt wird. Die städtebaulich begründete strukturelle
Zweitklassigkeit des östlichen Teilzentrums schien damit der Vergangenheit anzugehören.
Nunmehr war eine relativ gleichwertige Citylage vom Potsdamer bis zum Alexanderplatz denkbar,
die in Alt-Berlin und am Alexanderplatz allerdings durch das weitgehende Fehlen historischer
Bauten und den modernen Stadtgrundriß etwas beeinträchtigt ist. Dazu kommt der grundlegende
Gegensatz, der in neuer Form heute wieder vorhanden ist: Das westliche Zentrum grenzt an das
"reiche", westliche Berlin, das östliche Zentrum bleibt der Anlauf- und Drehpunkt des weniger
reichen Berliner Ostens. Dieser sozialräumliche Gegensatz reflektiert aber heute nicht nur
Einkommen und Lebensstile einer Gesellschaft, sondern weit mehr - nämlich unterschiedliche
Lebenserfahrungen in zwei deutschen Staaten.
In die Fußstapfen der abgeräumten Altstadt trat langsam, aber sicher ein anderer Stadtteil: die
unmittelbar nördlich an das Zentrum grenzende Spandauer Vorstadt/Königstadt. Die Spandauer
Vorstadt/Königstadt ist heute der letzte größere Stadtteil des Zentrums, dessen Parzellen- und
Gebäudestruktur zum Teil noch auf die Zeit des Absolutismus zurückgeht. Die Spandauer
Vorstadt/Königstadt ist sozusagen die Altstadt von morgen, mit zum Teil engeren Gassen, kleinen
Häusern und Parzellen, einfachen Bewohnern und kleinen gewerblichen und kulturellen Initiativen.
Früher durch große militärische und andere staatliche Anlagen vom südlich gelegenen Zentrum
abgeschottet, ist die Spandauer Vorstadt/Königstadt heute stadträumlich deutlich weniger geschützt.
Hier droht eine Wiederholung dessen, was in der Kaiserzeit der Altstadt widerfuhr: eine schroffe
Differenzierung der Lagen, von einigen neuen City-Brückenköpfen bis hin zu verfallenden
Gebieten und Stadtbrachen.
Dorotheen-/Friedrichstadt, ehemalige Altstadt, Westcity in Charlottenburg, Spandauer
Vorstadt/Königstadt - das künftige Berliner Zentrum wird unterschiedliche Funktionsbündel,
Bedeutungen, Räume, Bauten und Gesichter erhalten. Dazu kommt ein abermaliger Versuch, im
Westen des historischen Zentrums mit dem neuen Zentralbahnhof, dem Parlaments- und
Regierungsschwerpunkt am Spreebogen und dem Raum Potsdamer Platz einen weiteren - fünften zentralen Bereich zu festigen, der allerdings durch die Weite des Tiergartens in zwei Teilbereiche
zerfällt. Welche städtebaulichen Aufgaben stellen sich bei diesem Prozeß der Neubildung des
Zentrums? Oder besser: Wie kann dieser durch sehr unterschiedliche, mehr neben- und
gegeneinander als miteinander arbeitende Akteure vorangetriebene Prozeß überhaupt durch die
öffentliche Hand steuernd beeinflußt werden?
Eine bundesweit beachtete Antwort auf den erwarteten Wachstumsschub hat die
Architekturausstellung "Berlin morgen" zu geben versucht, die bereits 1991 zuerst in Frankfurt am
Main und dann im Berliner Martin-Gropius-Bau präsentiert wurde. Es ist das große Verdienst der
Ausstellung, schon damals die isolierte Betrachtung des Potsdamer Platzes aufgebrochen zu haben.
32
In dieser Ausstellung verdeutlichten internationale Architektenstars ihre mit heißer Nadel
gestrickten Projekte zum Zentrumsumbau von Berlin. Dabei wurde, so Rudolf Stegers noch
wohlwollend, "das genuin Baukünstlerische bevorzugt, das genuin Stadtplanerische mißachtet"
(1992b, S. 42). Zur Überwindung der Tendenz in Richtung Hyperzentralisierung vor allem in der
Dorotheen-/Friedrichstadt und an deren Rande hat die Ausstellung keinen Beitrag geliefert. Im
Gegenteil: Es scheint geradezu, als habe kaum jemand den historischen Vorzug eines nichtzentralistischen Zentrumsgrundrisses überhaupt wahrgenommen. Die Ausstellung präsentierte
einige Lösungen, die auf die Heraushebung repräsentativer, hyperzentraler Achsen zielen - ganz im
Sinne der verfehlten Konzepte der städtebaulichen Moderne und des daran anknüpfenden
sozialistischen Städtebaus. Das zeigt sich etwa an dem Vorschlag von Coop Himmelblau für die
Leipziger Straße. Auch die noch problematischere Tradition der Markierung zentraler Punkte des
Zentrums wurde unter anderem in dem Vorschlag von Hans Kollhoff für den Potsdamer und den
Alexanderplatz fortgeführt. Allzuschnell wurde an die imaginären Orte des historischen Berliner
Zentrums angeknüpft, der Widerspruch zwischen Imagination und Realität und der Vorzug der
dezentralen Realität gegenüber der Imagination wurde ignoriert.
Die Frankfurter Ausstellung war eine Architekturausstellung und daher den komplexen
städtebaulichen Problemen der Berliner Zentrumsbildung wenig angemessen. In Berlin wurde die
durch Nicht-Berliner Architekten bestimmte Ausstellung "Berlin morgen" mit einer durch Berliner
Architekten geprägten Ausstellung "Berlin heute" konfrontiert. Gegenstand dieser Ausstellung war
eine faszinierende Idee - die Ringstadt. Diese an Überlegungen der Arbeitsgruppe für Stadtplanung
(AGS) anknüpfende, auf einer Klausurtagung in Berlin und im Bauhaus Dessau im Herbst 1990
herangereifte Idee markierte einen Höhepunkt des schöpferischen Nachdenkens über Berlins
Zentrumsstruktur nach der "Wende".
"Dem Konzept der 'Ringstadt' liegt die Idee zugrunde, durch intensive Nutzung exzellent
erschlossener Flächen am Innenstadtrand den Bedarfsdruck nach Dienstleistungsflächen,
Wohnungen und Infrastruktureinrichtungen vom Zentrum abzulenken, ohne ihn allerdings an den
Stadtrand bzw. ins Umland zu verdrängen. [...] Damit wird auch gedanklich der Schritt von den
Citys zweier - im Vergleich mit anderen Metropolen sehr provinzieller - Teilstädte zum Zentrum
eines der größten Ballungsräume Europas vollzogen." (Klaus Bonnet, Mitarbeiter der
Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen, 1991, S. 15) Und wieder wurde Berlin mit
anderen Metropolen verglichen - diesmal mit Paris, London und New York. Als
Entwicklungsschwerpunkte der "Ringstadt" galten "ehemalige Güterbahnhöfe bzw.
Versorgungsflächen, die weiter aus der Stadt ausgelagert werden müssen: Schöneberger Kreuz,
Tempelhofer Feld, Treptow/Sonnenallee, Ostkreuz, Leninallee/Storkower Straße, Bornholmer
Straße/Gesundbrunnen, Westhafen, Jungfernheide/Fürstenbrunn, Westkreuz, Halensee,
Hohenzollerndamm, Innsbrucker Platz." (Bonnet 1991, S. 16)
Die Ringstadtidee sollte - allerdings unter expliziter Mißachtung des Berliner Umlandes - die
polyzentrale Struktur Berlins stärken, das historische Zentrum vom Überdruck entlasten und eine
Entwicklung untergenutzter Flächen einleiten, die am Rande der Innenstadt liegen und durch den
Schienenverkehr optimal erschlossen sind. Sie spiegelte zugleich ein zentrales Dilemma dieser
Monate wider: die maßlose Überschätzung der künftigen Nachfrage nach Cityflächen.
Ein Beispiel dieser Wachstumseuphorie war die Vorschlagsvariante D für die Entwicklung des
Westkreuzes, die Hans Kollhoff in der Ausstellung vorstellte: Eine Kette von bis zu 190 m hohen
Gebäuden sollte eine Bruttogeschoßfläche von ca. 4,8 Mio. qm neu auf den Markt werfen. Bei
diesem Vorschlag zeigt sich bereits die Vorliebe Kollhoffs für die Kombination von Hochhäusern
mit der Berliner Traufhöhe: "Dabei wird die Berliner Traufhöhe als Sockelkante zurückgestaffelter
Türme interpretiert [...]." (Kollhoff 1991, S. 79) Allerdings kann die Ringstadtidee keineswegs nur
mit solchen Vorschlägen gleichgesetzt werden. Sie bündelte ein breites Spektrum unterschiedlicher
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Strategien - von der Hochhausvision Kollhoffs bis zu Vorschlägen für "korrigierendes Weiterbauen
und behutsame Stadtreparatur" (Atelier Strecker mit Dieter Hoffmann-Axthelm und PUB
Planungsgruppe Urbane Baukunst).
Während die Doppelausstellung "Berlin morgen und heute" noch Furore machte, kristallisierten
sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse heraus, die den realen Zentrumsumbau
wirklich zu beeinflussen begannen. Die Einrichtung des Stadtforums wie der Stelle eines
Senatsbaudirektors im ersten Halbjahr 1991 waren Meilensteine dieser Entwicklung. Die
Gleichzeitigkeit von Investorenhandeln, Einflußnahme der Bundesregierung, Unklarheiten bzw.
Unstimmigkeiten über ein städtebauliches Regelwerk, die planerische Umsetzung dieses
Regelwerkes und die Zuständigkeiten seitens der involvierten, intern weder organisatorisch noch
konzeptionell auf die neuen Problemlagen vorbereiteten Senatsverwaltungen prägten seitdem einen
Prozeß des Zentrumsumbaus, der in Deutschland einzigartig ist. Der teilweisen funktionalen Leere
des Zentrums als Folge der Abwicklung der zentralen wie lokalen DDR-Institutionen entsprach eine
Umwälzung der Eigentumsverhältnisse, die in diesem Umfang ohne Beispiel ist und bisher
allenfalls als Folge kommunistischer Machtaneignung, nicht aber der kapitalistischen "Reconquista"
erfahrbar war.
Etwas im Schatten der spektakulären Projekte im alten Zentrum Berlins wurde auch die City in
Charlottenburg Gegenstand neuer Planungen. Wenngleich langfristig ein relativer
Bedeutungsverlust dieses Teilzentrums zu vermuten ist, so wird doch dessen Bedeutung absolut
zunehmen. Kurzfristig ist der Vorteil klar: Weder ungeklärte Eigentumsverhältnisse, unzureichende
stadttechnische Infrastruktur noch ein unwirtliches Umfeld belasten die Projekte im Westteil der
Stadt. Selbst die Verwaltung ist besser eingespielt - wenn auch auf Bezirksebene hochfliegenden
Plänen eher abgeneigt. Die Existenz von bezirklichen "City-Leitlinien" (vgl. Bezirksamt
Charlottenburg 1992) für das Charlottenburger, nicht aber für das historische Zentrum
unterstreichen diese ungleichen Verhältnisse.
Die Gewichte nicht nur zwischen dem historischen und dem Charlottenburger Zentrum, sondern
innerhalb der gesamten Berliner Zentrenstruktur werden neu verteilt. Die vorhandenen Subzentren
in West-Berlin werden nur durch erhebliche Anstrengungen ihre Bedeutung behalten können. Ein
Beispiel für solche Aktivitäten sind die Versuche des Bezirksamtes Steglitz, die Schloßstraße
aufzuwerten. In Ost-Berlin müssen Subzentren zum Teil erst aufgebaut werden. Ganz in der
Tradition der polyzentralen Struktur der Stadt steht das große Projekt einer tertiären "Ringstadt" im
Bereich der Kreuzungspunkte des S-Bahnrings. Daß all diese Einzelprojekte faktisch in einem
Zusammenhang stehen, ist zwar offensichtlich, wird aber in der Praxis zuwenig berücksichtigt.
Das Schlüsselprojekt der gesamten Neuordnung der Zentrenstruktur Berlins ist aber zweifellos der
Umbau des alten Zentrums der Stadt zwischen Potsdamer Platz und Alexanderplatz. Dieser Prozeß
des Umbaus samt seiner Vorbereitung läßt sich bislang in drei große Phasen teilen:
* in eine erste Phase der "neuen Unübersichtlichkeit", des "Interregnum", der Zeit "zwischen dem
Mauerfall und dem Ausgang des städtebaulichen Ideenwettbewerbs Potsdamer Platz", eine "Phase
des Übergangs vom rot-grünen Senat zur großen Koalition und von der Doppelherrschaft von Senat
und Magistrat hin zur vereinigten Senatsverwaltung" (Sewing 1994, S. 63f.), eine Zeit, die mit der
Institutionalisierung des Senatsbaudirektors und des Stadtforums zu Ende ging;
* in eine zweite, überschäumende Spekulationsphase, in der sich nahezu alle Akteure relativ
irrational von einem im kollektiven Rausch herbeigeredeten gewaltigen Wachstumsschub betören
ließen, eine Zeit spekulativen Fiebers, das sich nach dem Hauptstadtbeschluß "Vollendung der
Einheit Deutschlands" vom 20. Juni 1991 verallgemeinerte, und
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* in eine dritte Phase der Ernüchterung, in der statt Wachstum eine Überproduktion von Büro-,
Einzelhandels- und Luxuswohnungsflächen absehbar wurde, einer Ernüchterung, die nach dem
Scheitern der Olympiabewerbung Berlins für das Jahr 2000 am 23. September 1993 schon
depressive Züge annahm.
Die Planungspolitik für das Zentrum konsolidierte sich in der zweiten Phase, während sie große
Schwierigkeiten hatte und hat, den Erfordernissen der dritten Phase, der Jahre der Ernüchterung,
gerecht zu werden.
1.4.1. Akteure des Zentrumsumbaus
Der Umwälzungsprozeß im historischen Zentrum hat die eigentlichen Protagonisten des
Zentrumsumbaus erzeugt: die Großeigentümer bzw. Entwickler privater sowie - seit dem
Hauptstadtbeschluß - öffentlicher Provenienz (der Bund als Rechtsnachfolger der DDR Liegenschaftsverwaltung der Oberfinanzdirektion). Diese neuen Hauptakteure waren nicht durch
das Feuer der Auseinandersetzungen um eine neue Kultur des Städtebaus gegangen, das WestBerlin in den siebziger und achtziger Jahren geprägt hat. Vermittelt wurde die Herausbildung neuer
privater Akteure durch eine gewichtige Institution, deren Praxis sich weitgehend der öffentlichen
Aufmerksamkeit entzog: die Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt mbH (TLG). Die
Aufgabe dieser Anfang 1991 gegründeten Gesellschaft, die zu privatisierenden Immobilien aus
ehemaligem DDR-Eigentum maximal zu verwerten, mußte immer wieder mit den potentiellen
Interessen der Stadt an einer bestandsentwicklungspolitisch sinnvollen Vergabepraxis in Kollision
geraten. Außer der TLG gab es eine weitere Institution, die in großem Umfang Immobilienverkäufe
im Zentrum vermittelte: die Jewish Claim Conference, der alle Grundstücke zufielen, die vormals
im jüdischen Besitz waren, bei denen aber heute keine Erben mehr vorhanden oder bekannt sind.
Neben dem Bund sind weitere öffentliche Institutionen mit Sitz im Zentrum aktiv - etwa die
Humboldt-Universität und die staatlichen Museen. Die baulichen Konzepte dieser Institutionen sind
noch nicht ausgereift und müssen - als "sektorale" Teilkonzepte - erst in ein Gesamtkonzept
abwägend eingebunden werden. Insgesamt fehlt eine aktive, die Teilkonzepte vernetzende
Standortplanung aller involvierten öffentlichen Institutionen. Das gilt auch für den Berliner Senat
selbst. Die immer wieder unklare Nutzung des Berliner Stadthauses, des ehemals "zweiten
Rathauses" der Stadt und Sitz der bauenden und planenden Verwaltungen unter Ludwig Hoffmann
und Martin Wagner, ist ein Beispiel für diese Unsicherheit.
Als bislang unbekannte Figur im Berliner Immobiliengeschäft ist die bedeutsamste Gruppe privater
Investoren anzusehen: die großen Entwicklungsgesellschaften, unter denen sich aber nur wenige
internationaler Provenienz befinden. Diese Gesellschaften operieren als "Pioniere" in Berlin, sie
"entwickeln" nicht für eigene Zwecke, sondern für andere - für künftige Käufer oder Mieter. Ihr
Verhältnis zum Projekt ist daher distanziert, ohne besonderen Bezug zum konkreten Ort und zur
konkreten Nutzung. Zur finanziellen Absicherung wurden inzwischen in erheblichem Umfang
institutionelle Anleger in die konkreten Bauprojekte einbezogen. Damit verbunden war eine
neuerliche Veränderung der Eigentumsverhältnisse im historischen Zentrum, die vor allem seit
1994 zum Tragen kam.
Die neuen Akteure treffen auf eine Fraktion von Architekten, die die Baukultur der achtziger Jahre
als Fessel ihrer Kreativität begreifen: Verantwortungsvoller Umgang mit dem überkommenen
baulichen wie städtebaulichen Bestand, Weiterbau des Bestandes, öffentliche Auseinandersetzung
mit Andersdenkenden - diese Elemente einer neuen Kultur sind verblaßt, verdrängt oder schlicht
nicht bekannt. Die Selbstverständlichkeit, wie die Abrißbirne als Instrument zur Durchsetzung der
eigenen Architekturvorstellung wieder in den Köpfen in Bewegung gesetzt wird, ist frappierend.
35
Die Fachwelt hat sich in diesem Prozeß stärker differenziert. Die Kluft zwischen (Teilen von)
Architekten und Stadtplanern wird wieder größer.
Das Gewicht von Architekten darf nicht unterschätzt werden: Nach der Phase der Positionskämpfe
spielen sie im Prozeß der Umsetzung eine wichtige Rolle. Diese Diva-Rolle hat - anders etwa als in
Hamburg - in (West-)Berlin durchaus Tradition: Die neobarocke Vorstellung, durch Architekten
mit "internationalem Renomee" die Städtebaupolitik zu vergolden, wurde im kalten Krieg mit der
Interbau 1957 erstmals in breitem Maße durchexerziert und im Rahmen der Internationalen
Bauausstellung 1984/87 mit neuen Vorstellungen fortgeführt. Wenn man bei städtebaulichen wie
baulichen Wettbewerben im Zentrum die Preisgerichtsmitglieder wie die Wettbewerbsgewinner
betrachtet, so finden sich einige Architekten, die ganz offensichtlich eine Schlüsselrolle spielen.
Dazu gehören Josef Paul Kleihues und Hans Kollhoff, aber auch von Gerkan, Marg + Partner,
Heinz Hilmer/Christoph Sattler, Oswald Mathias Ungers, Jürgen Sawade und Peter Schweger.
Während eine einflußreiche Gruppe von Architekten nach der Eigentumsumwälzung im Zentrum
zusammen mit privaten Investoren oder für die Bundesregierung einzelprojektbezogen arbeitet und
dementsprechend auch eher isoliert denkt, entwirft und argumentiert, bildet sich vor allem unter
Stadtplanern eine Sichtweise heraus, die Einzelprojekte im Berliner Zentrum in größerem
Zusammenhang wahrnimmt und diskutiert. Diese Formierung erfolgt allerdings weniger im
Rahmen unabhängiger disziplinärer Institutionen wie etwa in Fachverbänden oder an Universitäten,
sondern im Rahmen einer Institution, die vom Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz
angesichts eigener, notwendiger Unsicherheit und begrenzter Konzeptionsfähigkeit eingerichtet
worden ist: im Rahmen des regelmäßig tagenden Stadtforums. Dieses Forum hat einerseits die
Selbstverständigung über Notwendigkeiten angemessenen Zentrumsumbaus innerhalb der
beteiligten Stadtplaner gefördert, aber andererseits auch die begrenzte Rolle der Stadtplanung im
Erneuerungsprozeß verdeutlicht. Planer können sich in abhängigem Rahmen artikulieren, dieser
Rahmen begrenzt zugleich ihre Kritikfähigkeit, ihre Stimme ist notwendigerweise nur beratend,
aber der Rat hat wenig Gewicht, wenn die Beratenen - vor allem der Senator - den Druck der
Hauptakteure zu spüren bekommen. Insbesondere in den zentralen Fragen der Art und Weise der
"Nutzungsmischung", der Baudichte sowie der Verfahren selbst bleiben Stadtplaner oft eine klar
erkennbare und vernehmbare fachpolitische Position schuldig.
Angesichts der neuen Interessenkonstellation sieht sich die Stadt Berlin oder genauer: das Land
Berlin in eine defensive Position gedrängt. Darüber hinaus ist es in seiner Strategie aufgesplittert:
Die zuständigen Ressorts für Bau- und Wohnungswesen, Stadtentwicklung und Umweltschutz
sowie Verkehr und Betriebe kommunizieren konkurrierend miteinander - zusätzlich angespornt
durch inner- wie zwischenparteiliche Widersprüche. Zugleich sind die klassischen Akteure der
West-Berliner Stadterneuerung im Zentrum nur wenig präsent bzw. ohne Gewicht: die Bezirke und
die organisierten Betroffenen. Der Verein "Stadtzentrum Berlin" hat allerdings im November 1992
"Grundsätze zur Hauptstadtplanung" im Sinne eines behutsamen Zentrumsumbaus vorgelegt. Auch
der - partiell entmachtete - Bezirk äußert sich bei jeder möglichen Gelegenheit. Sein zentrales
Anliegen ist die Berücksichtigung der Wohnverhältnisse der Bürger von "Mitte", das heißt auch
Einsatz für Freiflächen und Verkehrsberuhigung bzw. -reduzierung.
Vor diesem Hintergrund wird die immer wieder kritisierte Undurchsichtigkeit des
Erneuerungsgeschehens im Berliner Zentrum verständlich: Der Senat war im Rahmen seiner
inneren Widersprüche erst dabei, eine Konzeption und Strategie für das Zentrum zu erarbeiten,
während interessierte Akteure bereits handelten und Voraussetzungen schufen, die jede vielleicht
einmal ressortübergreifend gefundene Konzeption und Strategie erheblich belasten können. Nun ist
es allerdings unangemessen, den Akteuren allein die Verantwortung für problematische
Entwicklungen aufzubürden. Solange der Berliner Senat kein politisch abgestimmtes, verbindliches
städtebauliches Regelwerk für das Berliner Zentrum vorzuweisen hat, ist jeder private Investor
36
gezwungen, sich dem Windhundrennen in freier Wildbahn anzuschließen. Anders ist das Verhältnis
zwischen Senat und Bundesregierung. Angesichts der potentiellen oder eingebildeten Labilität des
Umzugsbeschlusses war der Spielraum "Berlins" gegenüber "Bonn" von vorneherein eingeschränkt,
der Druck zur Übernahme stadtunverträglicher Bonner Wünsche oder Diktate groß.
Trotz aller Widrigkeiten sind die Bemühungen des Berliner Senats nicht geringzuschätzen, dem
neuen Aufgabenfeld "Zentrumsumbau" gerecht zu werden. Dies gilt in konzeptioneller,
instrumenteller und institutioneller Hinsicht.
1.4.2. Städtebauliches Regelwerk
In der konzeptionellen Vorbereitung eines städtebaulichen Regelwerks für das Berliner Zentrum
wurden durchaus unkonventionelle Wege beschritten. So wurden anhand konkreter Projekte im
Stadtforum (seit April 1991) wie in der Architekturwerkstatt der Senatsbauverwaltung (seit Februar
1992) städtebauliche Prinzipien (nicht nur für das Zentrum) erarbeitet. Dazu kamen Gutachten, die
entweder explizit zur Leitbildproduktion beitragen sollten oder die am Beispiel konkreter Projekte
bzw. Teilgebiete die Diskussion um ein Regelwerk beförderten. Zu nennen wären hier insbesondere
die Gutachten von Dieter Hoffmann-Axthelm und Bernhard Strecker ("Pariser Platz - Kritische
Rekonstruktion des Bereichs", publiziert September 1991; "Bahnhof Friedrichstraße Städtebauliches Strukturkonzept", publiziert Januar 1992; "Spittelmarkt - Kritische Rekonstruktion
des Bereichs", publiziert April 1992; "Städtebaulicher Strukturplan: Kritische Rekonstruktion des
Bereichs: Friedrichswerder, Friedrichstadt, Dorotheenstadt", publiziert August 1992), die
Untersuchungen der Arbeitsgemeinschaft Spreeinsel ("Städtebauliches Leitbild 'Spreeinsel'" vom
Juni 1992) und die "Vorbereitenden Untersuchungen" zur Hauptstadtplanung des Büros für
Stadtplanung und Stadtforschung Dortmund-Berlin (Zwischenbericht: Barnickel u.a. August 1992
bzw. Endbericht: Büro für Städtebau und Stadtforschung u.a. 1993).
Im Jahr 1992 konsolidierten sich Ansätze eines städtebaulichen Regelwerks, die sich bereits vorher
im Streit um die Gestaltung des Areals am Potsdamer Platz durchgesetzt hatten. Einen neuen
Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung erst wieder 1994/95, als sich der Streit um die
bauliche Gestaltung des Pariser Platzes zuspitzte. Dagegen blieben die klassischen Instrumente der
Berliner Stadtplanung, die Bereichsentwicklungsplanung ("Grundlagen für die
Bereichsentwicklungsplanung - Arbeitsbericht Bezirk Mitte" vom Juli 1991) sowie der
Flächennutzungsplan (wirksam seit Juli 1994) und dessen Vorbereitungswerke (Räumliches
Strukturkonzept vom Februar 1992) hinsichtlich der Leitbildfindung notwendigerweise relativ blaß.
Während ein Regelwerk für das Berliner Zentrum auf seiten der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umweltschutz eher jeweils ortsspezifische und in Einzelfällen sehr "offene"
Konturen zeigte, war die Senatsbauverwaltung insbesondere durch die Grundsatzposition des
Senatsbaudirektors Hans Stimmann einem möglichen Gesamtregelwerk für das Zentrum näher dem Regelwerk der "kritischen Rekonstruktion der Stadt". Dieses ursprünglich auf eine
städtebautheoretische Position von Josef Paul Kleihues zurückgehende Regelwerk wurde durch
Gutachten unter maßgeblicher Beteiligung von Dieter Hoffmann-Axthelm vorbereitet, bislang
allerdings nicht in angemessener Form dem Feuer der öffentlichen Debatte ausgesetzt.
Das Regelwerk der kritischen Rekonstruktion orientiert sich am "Modell der europäischen Stadt"
jenseits der Konzeption der städtebaulichen Moderne und plädiert für eine neue Wertschätzung von
"Haus, Block, Straße und Platz". Zentrales Element dieser Sichtweise ist die Wiederentdeckung der
städtebaulichen Bedeutung der Parzelle - eine Position, die Projekten, die einen ganzen Block oder
sogar blockübergreifend angelegt sind, kritisch gegenübersteht. Ein Regelwerk hat die räumlichen
und funktionalen Besonderheiten einzelner Stadtteile zu beachten, ja an diesen Besonderheiten
anzusetzen und diese - falls sinnvoll - weiterzuentwickeln. Wichtigste architektonische Aufgabe ist
37
die zeitgemäße Konzeption eines "Geschäftshauses" mit Wohnanteil. Die Bewältigung dieser
Aufgabe erfordert heute eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik "Berlinische
Architektur", die erst in den Anfängen steckt. Angesichts dieser Aufgaben wird deutlich, daß ein
Regelwerk nicht nur gestalterische Aspekte im engeren Sinne umfassen muß, sondern auch Aspekte
der Nutzung. Insbesondere die sozialen und ökologischen Wirkungen von Großprojekten müssen
untersucht und berücksichtigt werden. Gerade hinsichtlich der erwünschten sozialen und
Nutzungsmischung muß sich der "kritische" Charakter der "Rekonstruktion" erweisen.
1.4.3. Städtebaulicher Ideenwettbewerb
Das spektakuläre, planerisch aber letztlich unverbindliche Instrument "städtebaulicher
Ideenwettbewerb" war mit Ansprüchen überfrachtet: Es sollte sowohl der Leitbildfindung wie der
Leitbildumsetzung dienen. Als öffentlichkeitswirksames Instrument verdeutlichte der
städtebauliche Ideenwettbewerb einem breiteren Publikum das mögliche Regelwerk und - in
Grenzen - dessen Konsequenzen, verbreiterte und polarisierte damit zugleich die Diskussion. Wenig
transparent erschien allerdings die politische Vorbereitung solcher Wettbewerbe: Die Wahl des
Preisgerichts und - gegebenenfalls - der aufgeforderten Architektengruppen blieb genauso im
Dunkel wie die Bedingungen, die in den Auslobungsbroschüren formuliert waren. Während die
Ergebnisse die Öffentlichkeit erregten, fand die Weiterarbeit an diesen Ergebnissen wieder unter
Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Die im engeren Sinne Beteiligten - neben den
Senatsverwaltungen etwa die Investoren bzw. der Bund, aber auch der Bezirk Mitte - wurden in die
Verfahren eingebunden: Sie saßen mit in der Jury, sie wurden bei der Auswahl der Preisrichter wie
- gegebenenfalls - der aufgeforderten Architektengruppen beteiligt. So setzte sich der Bezirk Mitte
etwa für die Berücksichtigung auch Ost-Berliner Architekten ein. Verschlissen wurden im Zuge der
Wettbewerbe nur allzuoft die beteiligten Architekten, die in eine Rolle gedrängt waren, die sie qua
Wettbewerbsteilnehmer an einem isolierten Projekt gar nicht angemessen wahrnehmen konnten: die
Rolle desjenigen, der die Bedingungen des Wettbewerbs weitgehend selbst bestimmt, eine Rolle,
die eigentlich der Politik zukommt, die sich des planerischen Sachverstands vergewissert hat.
Gegenstand solcher in der Kompetenz der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umweltschutz liegenden städtebaulichen Ideenwettbewerbe waren bislang im Bereich des
historischen Zentrums der Potsdamer/Leipziger Platz (1991), die Leipziger Straße (1992), der
Bahnhofsbereich Friedrichstraße (1992/93), der Spreebogen (1992/93), der Alexanderplatz (1993)
und die "Spreeinsel" (1994). Diese Wettbewerbe wurden in höchst unterschiedlicher Weise
vorbereitet und durchgeführt - etwa hinsichtlich der vorgeschalteten Tragfähigkeitsuntersuchungen,
der Vorgaben und des Verfahrens selbst. Belastend wirkten sich vor allem die in den Vorgaben
ermöglichten bzw. nicht ausdrücklich ausgeschlossenen überzogenen Baudichten für private
Vorhaben im Kernbereich der City aus.
1.4.4. Umsetzung privater Projekte
Parallel zur Leitbildfindung wurde - unter dem Druck der Akteure - bereits an der Umsetzung des
noch nicht ausgereiften Regelwerkes gearbeitet. Die Arbeit an der Umsetzung erfolgte - was die
privaten Zentrumsprojekte betrifft - zumeist im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit. Nur für
einige Projekte wurden Wettbewerbe durchgeführt, und auch bei diesen Projekten war wieder nur
der Wettbewerb selbst, nicht aber das Vorfeld und die Überarbeitungsphase ein Gegenstand
öffentlichen Interesses. Die Rolle der öffentlichen Hand bestand vor allem in der Durchsetzung
einiger grober, aber wichtiger städtebaulicher Regeln, die im rechtlichen Rahmen des § 34 des
Baugesetzbuchs ausgehandelt wurden. Faustpfand der öffentlichen Hand bei solchen
Verhandlungen war oft die Verfügung über Grundstücke, die von den Investoren benötigt wurden.
38
Eine gewichtige, einzelne Senatsverwaltungen übergreifende Institution zur Vorbereitung privater
Projekte war der Koordinationsausschuß für innerstädtische Investitionen (KOAI). Dieser Ausschuß
- ein Zusammenschluß öffentlicher Institutionen unter Einschluß der Liegenschaftsverwaltung der
Oberfinanzdirektion und der Liegenschaftsgesellschaft der Treuhandanstalt - entschied über die
Vergabe von öffentlichen Grundstücken an private Investoren - unbeschadet der noch zu klärenden
konkreten Besitzansprüche der jeweiligen Institution. Die Vergabe war mit Bedingungen verknüpft.
Die Geschäftsführung des Ausschussses lag bei der Senatsbauverwaltung, der Vorsitz bei der
Wirtschaftsverwaltung. Als Entscheidungsträger beteiligt waren ferner die
Stadtentwicklungsverwaltung sowie der zuständige Bezirk. Der Ausschuß hat inzwischen keine
Bedeutung mehr, da die meisten Grundstücke vergeben sind.
Verhandlungsgegenstand waren - auf der Grundlage der Bauordnung und des Baugesetzbuches insbesondere der Erhalt von historischen Gebäuden, die Einhaltung von Trauf- (22 Meter) und
Gebäudehöhen (30 Meter), die Berücksichtigung der Quote von 20 Prozent Wohnnutzung sowie die
Beachtung der Blockstruktur bei Neubauten. Insofern wurde auf dieser zentralen Ebene das Prinzip
der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" in grober Form wirksam. Mit solchen "Vorgaben" war
notwendigerweise auch eine gewisse Begrenzung der möglichen Geschoßflächenzahl verbunden,
deren Höhe bei den geplanten Investorenprojekten in der Regel um 5,0 lag.
Diese quasi abgeleitete, nicht bewußt gesetzte Begrenzung der Baudichte muß allerdings als
deutlich zu hoch angesehen werden: Sie gefährdet die tradionelle, weiter zu entwickelnde
Polyzentralität der Stadt ebenso wie die beschworene "Mischung" des Zentrums selbst, vor allem
aber die Stabilisierung der dortigen Wohnfunktion. Die bei Neubauten zu berücksichtigende Quote
von 20 Porzent Wohnfläche war sicher ein Gewinn, darf aber nicht überschätzt werden. Durch die
erforderliche "freie" Finanzierung der Neubauwohnungen wird zwar eine magere
"Nutzungsmischung" erreicht, die zumindest ebenso wichtige "soziale Mischung" aber verfehlt: Die
gleiche soziale Schicht wird in dem Gebäude oder Block wohnen, arbeiten und sich vergnügen bzw.
speisen. Zugleich bleibt das faktisch sich ergebende Konzept des Zentrumswohnens zu
hinterfragen: Wohnen auf dem Dach von Bürohäusern oder zwischen diese eingeklemmt - ist das
eine Lebenswelt, die langfristig Bestand haben wird?
Die städtebaulich wichtigsten privaten Projekte in der Umsetzungsphase waren bzw. sind (nicht
mehr oder immer noch) der Potsdamer/Leipziger Platz, die "FriedrichstadtPassagen", das
"American Business Center" am Checkpoint Charlie, die Neuformung des Spittelmarkts, die
Neugestaltung der beiden prominenten Ecken Leipziger/Friedrichstraße und Unter den
Linden/Friedrichstraße, das Projekt Hotel "Adlon" und andere Gebäude am Pariser Platz, das
Projekt Mehringplatz sowie der "Tachelesblock". Dazu kommt eine Reihe von Projekten in der
Zimmerstraße, von denen das "Mosse-Zentrum" am bekanntesten ist. Zur Vorbereitung eines
großen Teils dieser städtebaulichen Schlüsselprojekte wurden Realisierungswettbewerbe
durchgeführt.
1.4.5. Umsetzung der Hauptstadtprojekte
Der konflikt- und windungsreiche Prozeß der Verortung von hauptstädtischen Parlaments- und
Regierungsfunktionen im Berliner Zentrum hat zur Festlegung von drei Schwerpunkträumen
geführt: erstens der Spreeinsel mit dem Friedrichswerder, zweitens der Kreuzung Wilhelm/Leipziger Straße und drittens - diese beiden Standorte an Ausdehnung und politischer Bedeutung
weit überragend - des Spreebogens am Reichstag auf West-Berliner Gebiet. Der Planungsprozeß
war durch städtebauliche Ideenwettbewerbe (für den Spreebogen und die "Spreeinsel") begleitet
worden. Mit dem zentralen, symbolträchtigen und -stiftenden Standort Spreebogen wird nicht nur
eine in der späten Kaiserzeit begründete Tradition der geplanten Westwanderung von
Staatsfunktionen zu einem Abschluß gebracht, sondern zugleich der gesamte Schwerpunkt des
39
Berliner Zentrums deutlich weiter nach Westen gerückt. Verstärkt wird diese Verschiebung durch
die Großprojekte Potsdamer Platz und Zentralbahnhof.
Als Vorläufer der Hauptstadtplanung ist der 1. Bericht des Arbeitsstabes vom Oktober 1990 zu
nennen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz u.a. 1990). Im August 1992
wurde der "Zwischenbericht" der "Vorbereitenden Untersuchungen - Parlaments- und
Regierungsviertel Berlin" veröffentlicht, im Februar 1993 der Endbericht abgeschlossen. Am 4. Juli
1993 wurde mit dem Inkrafttreten der förmlichen Festlegung von zwei Entwicklungsbereichen und
drei Anpassungsgebieten auf der Grundlage des Baugesetzbuches die zweite Stufe der
Hauptstadtverortung eingeläutet. Die Ausweisung von Anpassungsgebieten sollte
Verdrängungsprozesse erschweren. Betroffen waren in den Gebieten etwa 6.000 Mieter und 500
Gewerbetreibende.
Für die Planung und Durchführung der Bauten im Spreebogen gründete das Bundesbauministerium
eine Bundesbaugesellschaft mbH, mit dem Erwerb der für die Ministerien noch notwendigen
Liegenschaften wurde die Oberfinanzdirektion betraut. Für alle übrigen Leistungen in den
Entwicklungsbereichen und Anpassungsgebieten ist ein Entwicklungsträger zuständig, soweit diese
nicht von privater Seite erbracht werden. Dieser Entwicklungsträger (DSK/Deutsche
Stadtentwicklungsgesellschaft mbH) wurde nach § 167 Abs. 3 des Baugesetzbuches eingesetzt und
wird durch das Hauptstadtreferat der Senatsbauverwaltung gesteuert. Im Rahmen der Umsetzung
der Hauptstadtverortung sollen Bebauungspläne erarbeitet werden.
Die Hauptstadtplanung ist das einzige feinkörnige förmliche Planungsinstrument, das strategisch im
Rahmen des Zentrumsumbaus Anwendung findet. Sie ist zugleich das Medium der Abstimmung
von "Berliner" und "Bonner" Interessen. Darin liegt auch ein grundsätzliches Problem: Durch die
Beschränkung auf eine Funktion - die Hauptstadtplanung - wird in planerischer Hinsicht eine
einseitige Entwicklung gefördert, da eine entsprechende differenzierte Bestandsaufnahme und
Berücksichtigung anderer Funktionen unterbleibt. "Schwache" Funktionen wie etwa "Wissenschaft"
und "Wohnen" können bei einem solchen Verfahren trotz aller Bemühungen der Verwaltung nicht
gleichrangig Berücksichtigung finden.
Im Schatten der folgenschweren Hauptstadtplanung stehen einige kleinere Projekte von
Institutionen der öffentlichen Hand im Berliner Zentrum - so etwa die Neugestaltung des
Lustgartens und die Weiterentwicklung der Museumsinsel, für die im Jahre 1994 Wettbewerbe
abgeschlossen wurden.
1.4.6. Verkehrsplanung
Die Verkehrsplanung mit den projektierten Straßenum- und Straßenneubauten, Brücken- und
Tunnelbauten ist eine Schlüsselaufgabe des Zentrumsumbaus. Sie verdeutlicht eine entscheidende
ökologische Dimension, ist ein Gradmesser für qualitative wie quantitative Prognose- und
Programmfähigkeit und bildet eine Voraussetzung für die Konzeption von privaten Einzelprojekten
wie der Hauptstadtverortung. Sie ist zugleich ein wichtiges Instrument zur Wahrung oder Störung
der Struktur des Zentrums ohne zentralen Punkt.
Der herausragenden Bedeutung der Verkehrsplanung entspricht allerdings keine gleichrangige
Programmfindung, -abstimmung und -umsetzung. Tatsächlich ist die Verkehrsplanung der
Hauptstreitpunkt unter den Verwaltungen überhaupt, vor allem innerhalb der Berliner
Verwaltungen (insbesondere zwischen der Senatsbauverwaltung und der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umweltschutz auf der einen und der Senatsverwaltung für Verkehr und
Betriebe auf der anderen Seite) sowie zwischen dem Bund und Berlin. Trotz des Verbalkonsenses
über eine Quote von 80 Prozent öffentlichem und 20 Prozent privatem Verkehr sowie über die
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Notwendigkeit der Ausschaltung von Durchgangsverkehr im Zentrum sind der Umfang des künftig
zuzulassenden privaten Kraftfahrzeugverkehrs und dessen Verteilung im Straßennetz des Zentrums
immer wieder Gegenstand des Streites.
Wichtige Konfliktpunkte waren bzw. sind im Bereich der Dorotheen-/Friedrichstadt die ClaraZetkin-Straße ("normale" Straße oder für die Belange des Bundestages reserviert), Friedrichstraße
(Breite der Straße, mit oder ohne Straßenbahn), Unter den Linden (stadträumliche Gestaltung, Zahl
und Aufteilung der Fahrspuren, Art der Umfahrung oder Untertunnelung des Brandenburger Tores),
Leipziger Straße (Breite des Profils, Zahl der Fahrspuren, Anlage einer Straßenbahn), Durchbruch
durch die ehemaligen Ministergärten (ja oder nein). Im Zuge der Auseinandersetzungen um die
Leipziger Straße sind die Ergebnisse des 1992 durchgeführten Wettbewerbes für den Bereich
östlich der Charlottenstraße inzwischen "zurückgestellt" worden. Der Streit um den Rückbau der
völlig überdimensionierten Straßen im Bereich der "Altstadt" hat - vor allem im Kontext der
städtebaulichen Ideenwettbewerbe "Alexanderplatz" und "Spreeinsel" - erst begonnen.
Neben dem fließenden wird auch der ruhende Verkehr das Zentrum erheblich belasten. Hier haben
die noch am Leitbild der autogerechten Stadt orientierten Stellplatzvorschriften eine wichtige,
störende Rolle gespielt. Sie hat das Interesse privater Investoren, Stellflächen in großem Umfange
zu bauen, verstärkt. Mit der begrüßenswerten Vorbereitung einer neuen
Stellplatzhöchstzahlverordnung versucht die Senatsbauverwaltung, in dieser Schlüsselfrage eine
programmatische Neuorientierung durchzusetzen.
Zum Streit zwischen den Verwaltungen kam noch die Kritik der traditionell wortstarken
Verkehrsinitiativen an Lösungen, die im Berliner Senat nicht mehr strittig sind bzw. zu sein
scheinen. Dazu zählen vor allem die Nord-Süd-Tunnelprojekte im Bereich Potsdamer
Platz/Spreebogen sowie die Priorisierung der U-Bahnplanung gegenüber der Straßenbahnplanung.
Neben der Frage eines zentrumsverträglichen privaten Kfz-Verkehrs ist auch die Frage einer
zentrumsverträglichen Lösung des schienengebundenen Massenverkehrs Gegenstand einer
öffentlichen Auseinandersetzung. Eine besondere Aufmerksamkeit richtet sich aber auf die
Neuorganisation des Eisenbahnverkehrs. Hier gibt es Konflikte zwischen Bürgerinitiativen und der
öffentlichen Hand, aber auch zwischen Senatsverwaltungen und der Deutschen Bahn.
Im Juni 1992 einigten sich die Bundesregierung und der Berliner Senat auf das "Pilzkonzept" als
Großstruktur des Berliner Eisenbahnnetzes. Dieses Konzept stellt eine Mischung aus dem
überkommenen Ringsystem und einer neuen Nord-Süd-Durchquerung mit verschiedenen
Fernbahnhöfen dar - so in Lichtenberg (bereits vorhanden), am Gesundbrunnen, im Bereich des
Lehrter Bahnhofs, an der Papestraße und in Spandau (noch zu entwickeln). Der bedeutendste dieser
Bahnhöfe wird der Lehrter Bahnhof sein, an dem sich zwei ICE-Strecken kreuzen sollen. Jenseits
der Frage eines "Zentralbahnhofes" an der Lehrter Straße war auch die geplante Sanierung der
historischen Viaduktstrecke im Zentrum zugunsten von Hochgeschwindigkeitszügen heftig
umstritten.
Ein neuer Zentralbahnhof würde die Zentrumsstruktur Berlins erheblich beeinflussen: Zusammen
mit dem Parlaments- und Regierungsviertel Spreebogen und dem neuen Quartier am Potsdamer
Platz hätte er eine massive Westverschiebung des Zentrums zur Folge. Das hätte nicht nur
Auswirkungen auf Moabit, oder genauer: auf die Zukunft eines sich abzeichnenden Subcitybandes
"Nord" entlang der Spree zwischen Lehrter Bahnhof und Mierendorffplatz. Kaum wahrgenommen
und diskutiert werden die großräumigen Implikationen, vor allem die Vernetzung des neuen
zentralen Quartiers mit den übrigen Zentren: bliebe doch der Superbahnhof aufgrund der
stadträumlichen Barrieren in Richtung Südwesten, Süden und Südosten relativ isoliert. Damit
würde eine äußerst problematische Tradition des Berliner Städtebaus auf neuem Niveau fortgeführt.
41
1.4.7. Unsicherheiten jenseits der Euphorie
Der Umbau des Zentrums von Berlin seit 1989 - so bleibt zusammenzufassen - ist von einer
beispiellosen Unsicherheit gekennzeichnet. Unsicher ist die künftige Rolle der Stadt im Konzert der
europäischen Großstädte, unsicher ist der mittel- und langfristige Bedarf an Büro- und
Einzelhandelsflächen, unsicher ist die künftige Hierarchie der Teilzentren und damit die gesamte
polyzentrische Struktur der Stadt, unsicher ist die Qualität jedes einzelnen Standortes, unsicher
bleibt die künftige Ordnung des Verkehrs, die ihrerseits die Standortqualitäten beeinflußt. Die
beiden wichtigsten Akteursgruppen - staatliche Institutionen und private
Immobilienentwicklungsgesellschaften - sind angesichts dieser Verhältnisse orientierungslos.
Die privaten Investoren tappen buchstäblich im Dunkeln - infolge der Ungewißheit über die
künftige Standorthierarchie und die künftige Nutzungsstruktur des Zentrums. Sie klammern sich an
Orte mit bedeutendem, bekanntem Namen, mit bedeutender Geschichte. Die Unsicherheit der
Investoren drückt sich in einer kaum mehr übersehbaren Flut von Standortstudien aus, in Versuchen
also, die unscharfen Lagen in eindeutige Standorte zu verwandeln. Der Bund als Investor ist
prinzipiell in der gleichen Situation, obwohl er ja durch die ihm mit dem Vereinigungsvertrag
zugefallenen Immobilien standortmäßig gebunden ist. Die Unsicherheit über angemessene
Standorte ist hier noch offensichtlicher. Erinnert sei nur an die planerische Standortodyssee des
Bundesaußenministers.
Die Orientierungslosigkeit in der komplexen Leere des historischen Zentrums von Berlin bewegt
aber auch noch andere Akteure, gesellschaftliche Initiativen und Parteien. Bekanntes Beispiel
westlich dominierter Sehnsucht nach einer klaren Orientierung ist der Ruf nach dem
verschwundenen Schloß, dem die Mehrheit der Ost-Berliner weiterhin hartnäckig ihre
Stellungnahme für den Palast der Republik entgegensetzt. Zu verweisen ist weiter auf den Versuch,
wenigstens mit Straßen- und Platznamen eine nostalgische Orientierung zu erleichtern, mit Namen,
die an Sozialräume erinnern, die nicht mehr wiederherstellbar sind: Wilhelmstraße,
Dorotheenstraße, Schloßplatz.
Auf die verbreitete Unsicherheit antwortete vor allem die Senatsbauverwaltung mit der
Schnellproduktion eines doppelten Leitbildes: der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" und der
"Berlinischen Architektur". Beide Leitbilder wurden nicht in einem stadtweiten Streit erarbeitet,
sondern durch Gutachten oder Tagungen skizziert und dann von oben verkündet. Entsprechend
schwach waren diese Leitbilder - sie waren nicht durch einen politischen Beschluß des Senats
legitimiert, und sie wurden in der Fachöffentlichkeit und in der veröffentlichten Meinung massiv
attackiert. Kurz: Sie hatten keine ausreichende Legitimation.
Erschwert wurde die Leitbildfindung noch dadurch, daß sich die Vorstellung von der Stadt der
Zukunft in einem elementaren Umbruch befindet, einem Prozeß, der einen etwa sechzigjährigen
stabilen soziokulturellen Wertungsrahmen der Stadt der "Moderne" zersetzt, ohne daß das neue Bild
schon entsprechend klare Konturen angenommen hat. Wichtig ist weiterhin, daß die
Schnellproduktion der Leitbilder ausschließlich aus westlichen Denktraditionen gespeist wurde,
DDR-Erfahrungen ausklammerte und DDR-Fachleute ausschloß.
Doch nicht die Leitbilder an sich, sondern erst ihre Umsetzung verspricht, allen Unsicherheiten ein
Ende zu bereiten. Damit ist eine weitere Gruppe von Akteuren gefordert: die Architekten. Ihre in
Gutachterverfahren, Wettbewerben oder Verhandlungen entstandenen Bilder des künftigen
Zentrums suggerieren eine Sicherheit, auf die viele hereinfallen, sie tragen zugleich mit dazu bei,
das Bild der aufstrebenden Metropole Berlin in der Welt zu verbreiten. Der Prozeß, der nach der
Bildproduktion kommt, bleibt außerhalb des Wahrnehmungsfeldes der Öffentlichkeit. Und die
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Eintönigkeit, die die versprochenen Funktionen hinter den gezeichneten Fassaden erwarten lassen,
verbirgt sich hinter dem bunten Glanz der Bilder. Tatsächlich werden ja vor allem Büroräume
geplant, Büroräume für fremde, noch nicht bekannte Nutzer, Büroräume mit hohem Standard, aber
im wesentlichen gleicher Art, vom Potsdamer bis zum Alexanderplatz, garniert mit Cafés, einigen
Luxuswohnungen und schicken Läden.
43
2. Ein städtebauliches Dauerproblem: die (ehemalige) Altstadt Berlin
Die auf das Mittelalter zurückgehende Doppelstadt Berlin-Cölln war nach der Westorientierung der
absolutistischen Stadtentwicklung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein zweitklassiger
Stadtraum im Schatten des Schlosses geworden. Sie wurde daher nach der Erhebung Berlins zur
Reichshauptstadt zum Gegenstand radikaler Umbauplanungen. Ziele waren eine Verbesserung des
Ost-West-Verkehrs durch Straßendurchbrüche und -erweiterungen, die Überwindung der
kleinteiligen, sich gegen eine "moderne" Zentrumsentwicklung sperrende Parzellenstruktur und die
Verdrängung der verbliebenen armen Menschen, einfachen Nutzungen und kleinen Gebäude.
Leitbild dieser nur fragmentarisch realisierten Ziele war über Jahrzehnte die Angleichung der
Altstadt an die City im Bereich der Dorotheen- und Friedrichstadt. Erst mit den Planungen des
Generalbauinspektors Albert Speer wurde in der nationalsozialistischen Zeit dieses Leitbild
modifiziert: Das gesamte Gebiet des historischen Zentrums zwischen Alexanderplatz und
Potsdamer Platz sollte durch ein neues Superzentrum entlang der Nord-Süd-Achse übertrumpft
werden. Nach der Teilung Berlins wurde das planerische Leitbild einer Angleichung von Altstadt
und City wiederaufgenommen. Der Zentrumsbereich wurde allerdings wieder ausgedehnt - diesmal
in Richtung Osten. Er sollte sich vom Brandenburger Tor bis zum Frankfurter Tor erstrecken.
Spätestens nach dem Mauerbau wurden diese hochfliegenden Pläne aufgegeben: Das Zentrum OstBerlins und damit der DDR insgesamt schrumpfte auf ein Zentrumsband zusammen, das faktisch
nur mehr vom Alexanderplatz bis zum Marx-Engels-Platz reichte.
Das historische West-Ost-Gefälle zwischen City und Altstadt wiederholte sich auf der Spreeinsel als Nord-Süd-Gefälle. Dem höfisch-herrschaftlichen Norden mit dem Schloß stand der
stadtbürgerliche Süden mit Rathaus, Petrikirche und Handelsplatz gegenüber. Während sich der
Norden seit dem frühen 19. Jahrhundert zur Residenz mit musealem Bereich, nach dem Ersten
Weltkrieg zum Ort der Erinnerung an die verflossene Herrschaft der Hohenzollern und damit zur
erweiterten Museumslandschaft transformierte, verlor der stadtbürgerliche Süden im Zuge des
Aufstiegs der City in der Dorotheen-/Friedrichstadt an Bedeutung. In den ersten Jahrzehnten
unseres Jahrhunderts wurde der südliche Fischerkietz (später "Fischerinsel" genannt) geradezu zum
Symbol der "Rückständigkeit" der Altstadt. In der DDR-Zeit wurde der Widerspruch zwischen
musealem Norden und "Elendsviertel" im Süden radikal verändert, aber nicht aufgehoben. Dem
Kahlschlag auf der "Fischerinsel" folgte eine Wohnbebauung mit Hochhäusern, die im Zweiten
Weltkrieg beschädigte Museumsinsel mit Dom und Lustgarten im Norden wurde wiederhergestellt wenn auch nicht vollständig. Zwischen beiden Extremen verblieb der zunächst leergeräumte MarxEngels-Platz, der seit den sechziger Jahren als schillernder Herrschaftsraum den westlichen
Abschluß des Zentrumsbandes von Ost-Berlin markierte. Südlich dieses Raums erstreckte sich ein
letzter, städtebaulich diffuser Rest von Alt-Cölln, der von der Neubebauung der Fischerinsel durch
eine gewaltige Schnellstraße getrennt wurde. Mit den Wettbewerben Alexanderplatz und Spreeinsel
wurde die Berliner Altstadt nach 1989 erneut Gegenstand städtebaulicher Überlegungen - allerdings
ohne vernetzende Gesamtschau, in Form isolierter Projekte.
2.1. Berlin-Cölln vor dem Dreißigjährigen Krieg
Das Bild der mittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Cölln ist uns sehr fremd geworden. Das liegt
nicht nur an den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und an dem stadtgrundrißvernichtenden
Neuaufbau der DDR-Zeit. Bereits der Umbau und die Erweiterungen des Jahrhunderts nach dem
Dreißigjährigen Krieg (1618-48) haben die Wahrnehmung der alten Stadt revolutioniert. Dazu
kommt die relativ bescheidene Position des mittelalterlichen Berlin in der europäischen
Städtehierarchie: Die bürgerliche Doppelstadt war - anders als etwa Magdeburg, anders sogar als
ihre Mutterstadt Brandenburg an der Havel - weder durch ihre Bauten noch durch ihre Größe oder
Funktion besonders bemerkenswert. Bedeutsam war vor allem der bequeme Übergang über die
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Spree. Die Flußpassage in Höhe des Mühlendamms bildete das innerstädtische Kernstück der
wichtigen Fernhandelsstraße, die im Westen am Teltower Tor in die Stadt Cölln eintrat und am
Oderberger Tor im Osten Berlin wieder verließ. Vor dem Oderberger Tor liefen einige Fernstraßen
zusammen. Dieser Sammelpunkt wurde später zu einem der prominentesten Plätze Berlins: zum
Alexanderplatz.
So verweist vor allem der Mühlendamm auf den Ursprung Berlins, auf die Notwendigkeit, diesen
Übergang gegen Störungen und Zerstörungen zu sichern, auf die Chance, von diesem Übergang
kommerziell zu profitieren. Die Stadt des Mittelalters war in erster Linie eine Niederlassung des
bürgerlichen Handels mit Rast- bzw. Umschlagplätzen. Die Stadt fokussierte den
Fernhandelsverkehr, der sich in der Struktur der Hauptstraßen widerspiegelte: im Straßenzug
Gertraudenstraße - Mühlendamm - Molkenmarkt - Spandauer Straße sowie - in Richtung Osten
nach Oderberg und Frankfurt an der Oder - in der Hauptachse der ausgebauten Stadtanlage, der
Oderberger Straße, die in dieser Zeit eine Bühne der reichen Berliner Kaufleute darstellte. Die
Kreuzung der Spandauer mit der Oderberger Straße (auch Georgenstraße genannt) bildete zugleich
einen Angelpunkt des mittelalterlichen Berlin. Dieser wichtige Ort wurde durch eine politische
Einrichtung besetzt, durch das Rathaus, das Haus der bürgerlichen Stadtregierung, und durch die
Stätte des bürgerlichen Rechts.
Aber auch die Berliner Rathausecke bildete nicht den zentralen Punkt der Doppelstadt. Es gab
einige zentrale Orte, mehrere Rathäuser, mehrere Märkte, mehrere Pfarrkirchen, aber kein absolutes
Zentrum. Das lag zum einen an der Doppelstadt Berlin-Cölln, zum anderen an der mittelalterlichen
Verdoppelung Berlins nach Norden hin. So war Cölln mit seiner Frühform des
Parallelstraßensystems auf den breiten, langgestreckten Platz mit Petrikirche und Rathaus zentriert.
Berlin dagegen beherbergte neben dem älteren Markt südlich der Nikolaikirche im Bereich der
nördlichen Stadterweiterung einen zweiten Marktplatz bei der Marienkirche. Und zwischen beiden
Städten lag der Mühlendamm, der von den Markgrafen zur Erleichterung des Spreeübergangs
errichtet worden war. Damit gab es eine ganze Reihe zentraler Orte, die - durch Hauptstraßen
miteinander verbunden - die charakteristische Form einer Sichel bildeten. Dazu kam schließlich im Fixpunkt der Sichel - nach 1307 das gemeinsame Rathaus der beiden Städte auf der Langen
Brücke. Schon im Mittelalter war damit der nicht-zentralistische Charakter des Berliner
Stadtgrundrisses begründet. Sowohl Cölln wie der ältere Teil Berlins waren nach dem
Parallelstraßensystem angelegt. Erst in der Mitte des 13. Jahrhunderts erhielt Berlin mit seiner
Erweiterung nach Nordwesten einen Stadtteil mit Baublöcken. Der Grundriß von Berlin-Cölln, so
das wohlwollende Urteil von Alfred Schinz, gehört "zu den besten Leistungen mittelalterlichen
Städtebaus" (1964, S. 41).
Das bürgerliche Stadtsystem wurde 1443 durch die Anlage der hochgesicherten Zwingburg der
Hohenzollern auf der nördlichen Spreeinsel nachhaltig erschüttert. Die Burg befand sich zwar
außerhalb der bürgerlichen Doppelstadt, aber durchaus in strategischer Lage. Der neue
Herrschaftssitz kontrollierte die Lange Brücke und damit nicht nur einen Spreeübergang, sondern
zugleich den Ort, an dem sich durch das gemeinsame Rathaus die bürgerliche Herrschaft der
Doppelstadt manifestiert hatte. Damit hatte die neue Burg zunächst eine gewaltige, westlastige
Schieflage gegenüber der älteren Bürgerstadt. Sie war seither der Angelpunkt der weiteren
Stadtentwicklung, aber noch lange nicht der reale Mittelpunkt der Stadt.
Die Verhältnisse auf der Spreeinsel selbst wurden durch die sich zum Schloß wandelnde Burg
umgewälzt: Befanden sich die vornehmsten Stadtlagen des mittelalterlichen Cölln entlang des
bürgerlichen Hauptstraßenzuges, so änderte sich dies nach dem Bau der Hohenzollernburg. Seither
war die Spreeinsel nicht mehr nur ein Zentrum städtischen Bürgertums, sondern auch Sitz der
Landesherrschaft, die die Macht des Stadtbürgertums brach. Der "Berliner Unwille" 1448 war die
entscheidende Auseinandersetzung im Kampf zwischen Bürgerstadt und Landesherrschaft, der mit
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der Niederlage der Bürgerstadt endete. Der Landesherr besetzte - seit 1486 mit ständigem
Aufenthalt - nicht nur die Nordhälfte der Spreeinsel, er degradierte zugleich den bürgerlichen
Südteil. Zum zentralen Ort der landesherrlichen Repräsentation avancierte der Platz südlich des
Schlosses, der spätere Schloßplatz, der zunächst eine Stechbahn für ritterliche Kampfspiele war und
im Westen durch das Domstift, die frühere Dominikanerkirche, begrenzt wurde.
2.2. Berlin-Cölln im Gefüge der Residenzstadt
Nach der Zeitenwende des Dreißigjährigen Krieges wurde die uns trotz aller Zerstörungen noch
vertraute Grundform des historischen Berlin geschaffen: Die Spreeinsel und die erste barocke
Stadterweiterung, der verwinkelte Friedrichswerder, bekamen erst nach aufwendigen
Entwässerungs- und Kanalisierungsarbeiten die uns heute selbstverständliche Form; das durch
Bildbände und das Kulissenspektakel wieder in Erinnerung gerufene Schloß erhielt damals im
wesentlichen seine Gestalt; die regelmäßigen Stadterweiterungen der Dorotheen- (seit 1673) und
Friedrichstadt (seit 1688) rückten das Schloß in das geographische Zentrum der Stadt; im Norden
und Osten entstanden weniger regelmäßig angelegte Vorstädte, von denen uns heute nur mehr die
Spandauer Vorstadt ein Begriff ist. Damals wurden auch die berühmten "Mängel" des Berliner
Stadtzentrums begründet: die Vernachlässigung der mittelalterlichen Bürgerstadt im Osten, die
allerdings zunächst noch gar nicht absehbar war, und die unzureichende Vernetzung der einzelnen
Teile der Residenzstadt untereinander, ein Problem, das durch eine der gewaltigsten baulichen
Fehlinvestitionen der Berliner Geschichte, den Bau des Festungsgürtels von 1658-83 unter Leitung
von Johann Gregor Memhardt, mit verursacht wurde. Der schon seit 1734 wieder abgetragene
Festungsgürtel hinterließ uns - neben dem 1662 mit Stadtrecht ausgestatteten Friedrichswerder einige Stadtplätze mit charakteristisch unregelmäßiger Form: etwa den Spittelmarkt und den
Hausvogteiplatz.
Trotz seiner durch die Stadterweiterungen radikal veränderten Lage blieb das Schloß aber zunächst
nur eine Insel im neuen Städtearchipel, abgeschirmt von den barocken Stadterweiterungen, vor
allem aber abgeschirmt von der alten Stadt. Diese Tradition der Abkapselung widersprach
allerdings den neuen Repräsentationsbedürfnissen der preußischen Barockfürsten, die den
Widerstand der Bürger nicht mehr fürchten mußten. Gefragt war ein neues Verhältnis zwischen
Stadt und Schloß, eine Unterordnung der Stadt unter das Schloß. Doch in welche Richtung sollte
sich das Schloß orientieren, wohin seine wichtigste Front wenden?
Die Neuformulierung der Oderberger bzw. Georgenstraße (heute Rathausstraße), der Hauptstraße
des mittelalterlichen Berlin, als "Schloßstraße", als Straße also, die auf den Mittelpunkt der
Schloßanlage zuführt, war eine mögliche, ja die zunächst naheliegende Variante. Sie hätte die
Altstadt aufgewertet, zugleich aber vor dem Schloß in die Knie gezwungen. Tatsächlich gab es
einen kurzen historischen Zeitraum, in dem die Frage der Orientierung des Schlosses offen zu sein
schien. Es war dies die Zeit um 1700, die Zeit des Kurfürsten Friedrich III., der König werden
wollte und schließlich auch König wurde, König in Preußen, im Jahre 1701. Der Königstitel
erforderte einen qualitativen Sprung im Städtebau, den Ausbau des Schlosses und die städtebauliche
Unterordnung der Stadt unter das Schloß. Eine solche Neuordnung legte eine Orientierung des
Schlosses nach Osten, nicht nach Westen nahe. Ein entsprechendes Konzept wurde vermutlich von
Andreas Schlüter entworfen und ist uns in einer Ansicht des Kupferstechers und Architekten Jean
Baptiste Broebes aus der Zeit um 1701 überliefert. Es handelt sich bei diesem Stich um ein
Schlüsseldokument der Berliner Stadtentwicklung.
Der Stich zeigt, daß die frühere bürgerliche Hauptstraße des alten Berlin, die Oderberger Straße, in
einen prächtigen Platz mündet, die neue Place Royal, den Königsplatz, der im Norden durch das
Schloß und im Süden durch ein neues Marstallgebäude begrenzt wird. Am Ende der Straßenachse
steht ein neuer Dom im baulichen Kontext eines Invalidenhauses, der den alten provisorischen
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Dom, die baufällige ehemalige Kirche der Dominikaner, ersetzt. Die Ostvariante impliziert also vor
allem eine Neuordnung des unregelmäßigen Platzes im Süden des Schlosses. Die neue Lange
Brücke über die offensichtlich verbreiterte Spree wird durch die Statue des "Großen Kurfürsten"
Friedrich Wilhelm nobilitiert. Der Königsplatz selbst wird als Schloßvorplatz des Absolutismus
gezeigt - als weiter, relativ leerer Raum, der sich in Gegensatz zur Enge und zu den Nutzungen der
bürgerlichen Straßen und Plätze stellt, als Ort, der zur Repräsentation Raum verschwendet und dem
Herannahenden die Stellung des absoluten Herrschers verdeutlicht. Dagegen ist die Straße Unter
den Linden auf dem Stich als relativ unbedeutende Straße im Hintergrund dargestellt.
Nach diesem ehrgeizigen Konzept sollte aus der bürgerlichen Hauptstraße des alten Berlin eine
Schloßstraße werden, eine "via triumphalis" des preußischen Königtums, ein Standort höfischer
Einrichtungen und barocker Prachtentfaltung. Tatsächlich wurden bereits in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts die Weichen für eine solche Entwicklung gestellt: 1685 wurde die Post an der
Georgenstraße verortet, 1692-95 die Lange Brücke erneuert, 1693 das Rathaus ausgebaut. Dazu
kamen zahlreiche Paläste höfischer Minister, darunter das Palais Wartenberg von Schlüter. 1701
wurde schließlich der Grundstein für einen triumphalen Neubau des alten Oderberger Tores nach
dem Entwurf von Jean de Bodt gelegt.
Die Oderberger Straße verwandelte sich so nicht nur in einen Sitz des Adels, auch die Perspektive
eines Standortes von Regierungsfunktionen deutete sich an. Die Aufwertung der Hauptstraße AltBerlins zeigt sich schließlich an einem weiteren Ereignis: Nach seiner Krönung 1701 in Königsberg
zog König Friedrich I. durch das Oderberger Tor und die Oderberger Straße zum Schloß. Dieser
öffentliche Festakt wurde Anlaß einer Verdrängung bürgerlicher, an den Handel erinnernder Namen
im alten Berlin: Das Oderberger bzw. Georgentor wurde zum Königstor, die Oderberger bzw.
Georgenstraße zur Königstraße.
Die Ostvariante hatte aber spätestens nach dem Sturz Schlüters keine Zukunft mehr. Dagegen
erschien eine bescheidenere Südvariante offenbar zunächst als mögliche Alternative. Im Zuge der
Festigung der Macht des Landesherren und des Ausbaus der Schloßlandschaft hatte zwar das alte,
bürgerliche Cölln, dessen Zentrum im Bereich der Petrikirche lag, weiter an Bedeutung verloren.
Dafür stieg die leicht gekrümmte Breite Straße zur herrschaftlichsten Straße neben der Königstraße
auf. Dem Großgrundbesitz der Landesherren im Norden der Insel stand ein Gewebe winziger
Parzellen im Süden gegenüber, wohingegen im Bereich zwischen diesen beiden Polen auch größere
Parzellen zu finden waren. Der Größe der Parzellen entsprachen wiederum die Gebäude: Schloß,
vornehmer Bürger- bzw. Adelssitz, Kleinbürgerhaus. Das Konzept einer Südvariante hätte diese
Verhältnisse revolutioniert. Jean de Bodt hielt es in einer um 1707 entstandenen Zeichnung fest.
Das programmatische Bild zeigt eine begradigte, durch den Aufmarsch herrschaftlicher Bauten
streng verregelte, neue Breite Straße, die auf einen neu geordneten Schloßplatz ohne alte
Domkirche mündet und achsial auf ein riesiges Mittelportal des Schlosses ausgerichtet ist. Am
Schloßplatz wird die Breite Straße durch zwei ähnlich gestaltete Neubauten flankiert. An ihrem
südlichen Ende waren zwei neue Prachtbauten vorgesehen: ein 1709 geplantes neues Rathaus für
das zu einer Haupt- und Residenzstadt vereinigte Berlin und der 1706 geplante repräsentative
Neubau der Petrikirche. Damit wäre der alte bürgerliche Zentralbereich neu gestaltet und dem
Schloß untergeordnet worden. (Vgl. Schinz 1964, S. 89ff.) Die Spreeinsel wäre als homogener
Herrschaftsraum zum eigentlichen Zentrum des neuen, absolutistischen Berlin geworden. Aber auch
die Variante einer Südorientierung mit der Breiten Straße als via triumphalis wurde nicht
weiterverfolgt. Der Tod des ersten preußischen Königs Friedrich I. markierte das vorläufige Ende
des Ausbaus der Schloßstadt.
Mit dem langsamen Aufstieg der Straße Unter den Linden zum Nobelsitz für Regierungs- und
herrschaftliche Wohnfunktionen gewann die Variante West an Gewicht. Diese Variante hatte
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zugleich den Aufstieg des Bereichs nördlich des Schlosses, des sogenannten Lustgartens, zu Lasten
des südlichen Schloßplatzes zur Folge. Der Abbruch des alten Doms auf dem Schloßplatz im Jahre
1747, der gleichzeitige Neubau des Doms im Lustgarten und die Anlage des Forum Fridericianum
seit 1741 machten die veränderten Verhältnisse deutlich: Der Schloßkomplex wurde unter der
Herrschaft Friedrichs II. auf die neue via triumphalis ausgerichtet, die Straße Unter den Linden. Das
Schloß drehte der Altstadt die Rückseite zu, das strahlende Antlitz wandte sich nach Westen. Der
Bau des Brandenburger Tores 1788-91 gab der Schloßachse ihren monumentalen Abschluß am
Tiergarten. Damit war die Orientierung des Schlosses städtebaulich abschließend geklärt. Nicht das
1701 begonnene, aber niemals ausgeführte neue Prachttor am späteren Alexanderplatz im Osten,
sondern das mit der Quadriga bekrönte prächtige Tor im Westen wurde - bis heute - zum Symbol
Berlins.
Die Altstadt blieb seither im Schatten der Stadtentwicklung, verlor an Bedeutung, wurde zum
Problemfall, zum Strukturproblem des Berliner Zentrums, dessen Lösung seit der Erhebung Berlins
zur Reichshauptstadt Generationen von Architekten und Stadtplanern beschäftigte. Das Scheitern
des Konzepts einer Ostorientierung des Schlosses bedauerten manche Fachleute in späterer Zeit
ausdrücklich. So schrieb etwa Werner Hegemann in seiner Streitschrift "Das steinerne Berlin":
"Daß dieser großartige Platzentwurf Schlüters unausgeführt geblieben ist, gilt künstlerisch
empfindenden Berlinern als die Tragödie der Berliner Stadtbaukunst." (1930, S. 100) Im übrigen
war der heute hochgerühmte, aber erst nach dem Abbruch der Festungsanlagen überhaupt mögliche
"Westblick" von der Straße Unter den Linden auf das Schloß in der späten Barockzeit auch nicht
ganz so grandios. An der schmalen Schloßbrücke standen Buden, südlich davon versperrte ein
hoher Zaun den Blick. Erlebbar war aber der sackgassenartige Abschluß mit dem barocken Dom
und dem Flügel der Schloßapotheke, welche sich beide zur Straße Unter den Linden hin orientierten
und die Bürgerstadt im Osten in den Schatten stellten.
Ihre Vollendung fand die Westorientierung des Schlosses durch die städtebauliche Neuordnung in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der neugestaltete Stadtraum war insbesondere eine
Schöpfung von Karl Friedrich Schinkel, der mit dem Alten Museum, der umgebauten Domkirche,
der neuen Schloßbrücke, weiter im Süden auch der Bauakademie und der Friedrichswerderschen
Kirche den vielleicht bedeutendsten Stadtraum in Berlin schuf. Türme und Kuppeln demonstrierten
die neue Herrlichkeit der preußischen Könige im Herzen der alten Stadt. Der charakteristische, jetzt
grandios erweiterte schräge Blick von der Straße Unter den Linden auf das Schloß war aber nicht
immer nur ein Anlaß zum Jubel. So meinte Werner Hegemann, daß die "Achsen und Kraftströme"
der Straße Unter den Linden "sich heute etwas gar zu zufällig am schief stehenden Schloß
totlaufen." (1930, S. 70)
2.3. Ein erster Erneuerungsschub bis zum Ersten Weltkrieg
Hatte die Aufbauära nach dem Dreißigjährigen Krieg die mittelalterliche Stadt zur Altstadt im
Schatten des Schlosses entwertet, so zielten die Planer des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts
auf deren radikale Modernisierung. Der überkommene öffentliche Raum der Altstadt wurde im
Rahmen dieser Planungen in doppelter Hinsicht als Problem wahrgenommen: Zum einen konnte er
seiner Aufgabe als Vermittler des wachsenden Großstadtverkehrs nicht mehr gerecht werden, zum
anderen spiegelte er nicht mehr erwünschte, als rückständig und kleinstädtisch bewertete
Verhältnisse wider, deren sich die herrschenden Kreise zu schämen begannen. Berlin schickte sich
ja gerade an, in den Konkurrenzkampf mit den führenden Großstädten Europas einzutreten, in die
Konkurrenz mit Wien, Paris und London. Die Altstadt war in einer solchen Sichtweise nicht mehr
akzeptabel, sie mußte verschwinden - zugunsten einer modernen City.
Das Umbauprogramm konnte - gerade hinsichtlich der Neugestaltung des Straßensystems - nicht in
dem erwünschten Umfang durchgesetzt werden. Dennoch war es nicht ohne "Erfolg": Insbesondere
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in den achtziger und neunziger Jahren wurden umfangreiche Straßenerweiterungen und durchbrüche sowie Brückenerneuerungen realisiert. Östlich der Spree wurden zahlreiche neue
Einrichtungen mit großem Flächenbedarf verortet - so die Börse (1859-64, 1884/85 erweitert), das
neue Rathaus (1861-69), die Zentralmarkthalle, die Hauptpost, das Land- und Amtsgericht, das
Stadthaus sowie - am Alexanderplatz - das Polizeipräsidium. Auf der Spreeinsel wurde das "Rote
Schloß" errichtet und das Kaufhaus Hertzog ausgeweitet, auf dem Friedrichswerder entstand das
Kaufhaus Gerson, und die als Giro- und Lehnbanco im Jahre 1765 gegründete Reichsbank dehnte
sich immer weiter aus. Für diese neuen Einrichtungen wurde die Zusammenlegung von Parzellen
treibhausmäßig gefördert. Vorreiter der Entwicklung zur baublockgroßen Riesenparzelle war - wie
schon in der Zeit des Absolutismus - die öffentliche Hand.
Private Riesenparzellen - wie das Gelände des Kaufhauses Hertzog in Alt-Cölln - waren eher selten.
Dennoch schien sich zunächst die Perspektive des Aufstiegs gerade der Altstadt zur erstklassigen
Geschäftslage zu eröffnen. "Noch bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts konzentrierte sich das
Geschäftsleben vor allem in den alten Stadtteilen Berlins, in Alt-Berlin, Alt- und Neukölln am
Wasser und auf dem Friedrichswerder. Die Königstraße und die Spandauer Straße mit dem
Mühlendamm und der Gertraudenstraße waren die Hauptgeschäftsstraßen, in denen sich Geschäft
an Geschäft reihte, und in der Breiten Straße, am Schloßplatz, an der Stechbahn und am
Friedrichswerderschen Markt befanden sich die vornehmsten Geschäfte. [...] In der Umgebung von
Unter den Linden, vor allem in der Friedrichstadt waren nur ganz vereinzelt ein paar Geschäfte an
den Straßenecken entstanden." (Schinz 1964, S. 172) Spätestens mit der Reichsgründung jedoch
zerschlug sich die Perspektive einer erstklassigen City-Ost. Die Altstadt wurde zum zweiten
Zentrum hinter der aufstrebenden City in der Dorotheen- und Friedrichstadt. Insbesondere die
südliche Altstadt blieb das Sorgenkind der Berliner Zentrumsplanung.
2.3.1. Ost-West-Passage
Im Zuge des explosionsartigen Wachstums des Stadtraums von Berlin in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts erwies sich das alte Berlin vor allem als Hindernis des Verkehrs zwischen West und
Ost. Tatsächlich waren der Friedrichswerder, die Spreeinsel und Alt-Berlin immer eine Passage, ein
Ort des Übergangs zwischen Ost und West. Die Hauptstraßen des Verkehrs prägten diesen
Zentralraum, der wachsende Verkehr drängte zum Ausbau der bestehenden und zum Bau neuer
Hauptstraßen.
Die Hauptstraße der Bürgerstadt Berlin-Cölln und der wichtigste Straßenzug der Altstadt überhaupt
war die Straßenfolge Gertraudenstraße - Mühlendamm - Spandauer Straße - Königstraße (heute
Rathausstraße). Dieser krummen, verwinkelten und belebten bürgerlichen Hauptstraße Berlins
schloß sich nach den barocken Stadterweiterungen in Richtung Westen die Leipziger Straße an.
Dem "modernen" Massenverkehr wurde die Gertraudenstraße erstmals 1895 angepaßt. Damals
verbreiterte sich die Straße von vormals 11,3 bis 15 Meter auf fast durchgängig 22 Meter. Auch die
Königstraße als östliches Endstück des bürgerlichen Hauptstraßenzuges war verkehrsmäßig ein
Nadelöhr. "Die Königstraße", so Robert Springer 1878 in seinem Porträt der Kaiserstadt, "ist
verhältnismäßig zu eng für das rege und geschäftige Treiben, Laufen und Drängen, welches hier zu
jeder Tagesstunde herrscht, für die Lastwagen, Droschken, Omnibusse und Equipagen, die sich
unablässig begegnen, kreuzen und streifen [...]." (S. 86)
Die zweite große, uns heute selbstverständliche Ost-West-Verbindung über die Spreeinsel war der
Straßenzug Unter den Linden - Kaiser-Wilhelm-Straße, der über den Lustgarten vermittelt wurde.
Diese Verbindung ist aus historischer Perspektive noch sehr jung, sie ist erst das Ergebnis des
bedeutendsten Straßendurchbruchs der Kaiserzeit. Die Kaiser-Wilhelm-Straße sollte die
Königstraße entlasten, die inzwischen zu einem Standort für Läden und Warenhäuser geworden
war, allerdings - wie Robert Springer vermerkte - Läden von geringerer Eleganz als in der
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Friedrichstadt. Schon 1871 hatte der Architekt und Stadtplaner August Orth Pläne zum Bau der
nördlichen Entlastungsstraße vorgelegt. Die Realisierung des Straßendurchbruchs für die KaiserWilhelm-Straße verzögerte sich aber zunächst.
Der schließlich 1877-87 bis zur Münzstraße realisierte Durchbruch sollte den Auftakt zur
Modernisierung des alten Berlin bilden. "Wie ein Reinigungswerk", so Julius Rodenberg 1886, "ist
die Demolierungsarbeit der Kaiser-Wilhelmstraße durch die schmutzigsten und verrufensten
Quartiere von Alt-Berlin mitten durch gegangen und hat sie niedergelegt." (S. 97) Zusammen mit
der Kaiser-Wilhelm-Straße wurde die Stadtbahn entlang des zugeschütteten Königsgrabens, der auf
die Festungsanlage Memhardts zurückging, errichtet. Die 1882 eröffnete Stadtbahn verstärkte die
Ost-West-Ausrichtung des Berliner Zentrums weiter.
Daneben gab es zahlreiche Versuche, einen dritten Hauptstraßenzug zwischen den beiden großen
Ost-West-Verbindungsstraßen zu öffnen - in Höhe des Schloßplatzes oder südlich von diesem. Eine
solche Straße war bereits zur Zeit des Kurfürsten Friedrich III., des späteren Königs Friedrich I., im
Gespräch. Auch Karl Friedrich Schinkel setzte sich für eine solche Lösung ein. Zu Beginn der
Kaiserzeit schlug August Orth eine Entlastungsstraße Süd vor, die hinter dem gerade neu erbauten
großen Rathaus entlangführen sollte.
Auf der Berliner Städtebauausstellung im Jahre 1910 wurden weitere Pläne zur Aufweitung der
Ost-West-Passagen vorgelegt - so etwa von Hermann Jansen, der eine Verbreiterung der
Königstraße wie der neuen Kaiser-Wilhelm-Straße anregte. Wie schwierig es sein würde, diese
Pläne zu verwirklichen, zeigte sich schon beim Bau der Kaiser-Wilhelm-Straße, die schließlich alles
andere als eine erstklassige neue Hauptstraße der Berliner City war.
2.3.2. Halte-Plätze
Das alte Zentrum Berlins war immer mehr als ein Ort des Durchgangs, es markierte auch
entscheidende Halte-Plätze des Ost-West-Verkehrs, Plätze, die die Passierenden zum Verweilen
einluden. Diese fanden sich vor allem entlang der großen Straßenzüge: die komplexe Platzfolge
vom Spittelmarkt bis zum Molkenmarkt im Süden, der Lustgarten im Norden und schließlich der
Werdersche Markt und der Schloßplatz in der Mitte. Weiter im Osten erstreckte sich - am Ende des
Hauptstraßenzuges - der Alexanderplatz, der bedeutendste Platz des östlichen Zentrums. Dazu
kamen auf dem Friedrichswerder - etwas abseits vom Hauptverkehr - der Schinkelplatz und der
Hausvogteiplatz. All diese Plätze sind in ihrer während der Kaiserzeit modernisierten Form durch
eine Flut von Bildbänden in guter Erinnerung.
Der bürgerliche Hauptstraßenzug bestand gerade im Bereich des Friedrichswerder und der
Spreeinsel aus einer einzigartigen Folge von Plätzen. Der Spittelmarkt diente als Sammelpunkt des
Verkehrs vor dessen Eintritt in die Altstadt und vermittelte zugleich den Schwenk des
Hauptstraßenzuges nach Nordost. Nach Passieren der Gertraudenbrücke erreichte man bald den
Petriplatz, das Herz des mittelalterlichen Cölln, mit der die Bürgerhäuser überragenden Petrikirche.
Kurz darauf folgte der Köllnische Fischmarkt mit dem alten, 1899 abgebrochenen Rathaus von
Cölln. Der Fischmarkt schließlich mündete in das Nadelöhr des Mühlendamms, der zum
Molkenmarkt auf der Berliner Seite der Spree führte. Wie bei keinem zweiten Straßenzug der
Altstadt entfaltete diese Folge von unregelmäßigen Stadträumen das für eine lebendige Stadt
typische Ineinandergreifen von Passage und Halte-Plätzen. Hier war "Haus für Haus ein Laden zu
finden", hier erhob sich eines der größten Einkaufszentren Berlins, das 1839 gegründete Kaufhaus
Hertzog.
Völlig anderer Art war der Lustgarten im Norden der Spreeinsel. Er stellte zunächst nur die
Fortsetzung des Schlosses als Freiraum dar, also einen Bestandteil der durch Wachtposten
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kontrollierten Schloßlandschaft jenseits der Bürgerstadt. Als Ausgangspunkt zur Jagd im Tiergarten
bildete er den Auftakt eines herrschaftlichen Straßenzuges, der nach Osten, zur Altstadt hin, nicht
weiterführte. Die Westorientierung des Schlosses wurde durch den Bau der Schloßbrücke 1822-24,
die die alte, schmale Hundebrücke ersetzte, weiter gefördert. Eine demonstrative soziale Öffnung
des Lustgartens brachte dann 1824-30 der Bau des (Alten) Museums von Karl Friedrich Schinkel.
Mit dieser neuen Institution wurde die nördliche Spreeinsel dem Bürgertum erschlossen. Der erste
Schritt zu einer Abnabelung der Nordspitze der Insel vom allmächtigen Schloß war damit getan.
Der Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße in Richtung Osten festigte diese räumliche
Emanzipation, zerstörte aber das fein ausbalancierte Raumgefüge des Lustgartens. Die Straße Unter
den Linden war nun keine herrschaftliche Sackgasse, das Schloß keine stadträumliche Barriere
mehr. Damit wurde das Schloß von einem fiktiven zu einem realen Knotenpunkt der Stadt. Für den
Durchbruch mußte ein Teil des Schlosses fallen, der nördliche Bereich der Schloßapotheke. Die
nächste Änderung, ja Schädigung des Freiraums brachte ab 1894 der Neubau des kaiserlichen
Doms, der die räumlichen und gestalterischen Proportionen der Schloßstadt bewußt sprengte.
Dieser 1905 beendete Großbau, der besonders von Ferne beeindrucken sollte, stellte das Schloß in
den Schatten. Damit war der Nabel von Berlin neu bestimmt.
Entlang des dritten Straßenzuges lagen zwei bedeutende Plätze: der Schloßplatz und - auf dem
Friedrichswerder - der Werdersche Markt. Der Schloßplatz vermittelte nicht nur den Verkehr
zwischen der Friedrichstadt und Alt-Berlin, sondern auch zwischen dem Schloß und dem alten
Cölln. Die südliche Seite des Schloßplatzes war noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
hinein durch eine Vielzahl von schmalen Gebäuden auf kleinen Parzellen gekennzeichnet. Im
westlichen Bereich, An der Stechbahn, verbargen sich hinter langgestreckten, einheitlich gestalteten
Fassaden sieben Einzelgebäude mit Kaufmannsgewölben. Der oft bewunderte Baukomplex wurde
zwischen 1864 und 1868 abgebrochen. Die Errichtung eines mächtigen Geschäftshauses zwischen
der Uferstraße "An der Schleuse" und der Brüderstraße bildete 1866/67 den Auftakt zur
Ausbreitung von Großbauten auf Großparzellen. Aufgrund seiner Form und Fassadenverblendung
durch Klinker erhielt das Gebäude bald den Namen "Rotes Schloß". Mit dem Bau des Neuen
Marstalls 1896-1902 erfolgte ein weiterer Schritt zur funktionalen und gestalterischen Reduktion
des Platzes. Diesem Neubau mußte eine ganze Reihe von Bürgerhäusern aus der Barockzeit
weichen. Mit dem Abbruch der "Schloßfreiheit" 1892-94 war der Stadtraum zwischen Lustgarten
und Schloßplatz bereits nachhaltig gestört worden.
Das Herz des Friedrichswerder, der Werdersche Markt, war zunächst durch eine enge Passage mit
dem Schloßplatz und durch eine verwinkelte Straße mit dem Gendarmenmarkt und der Jägerstraße
verbunden. Geprägt wurde der Platz durch die Einrichtungen des christlichen Kultes (die Kirchen),
der Stadtregierung (das Rathaus) und des Handels (den Packhof). Baugeschichtlich berühmt wurde
das Münzgebäude von Heinrich Gentz, das 1798-1800 im Bereich des abgebrannten Rathauses
errichtet worden war. Um die Zweckmäßigkeit des zunächst nord-süd-gerichteten Platzes zu
erhöhen, hatte bereits Schinkel umfassende Veränderungen vorgeschlagen. Sein Plan zielte auf eine
Verbesserung des Ost-West-Verkehrs durch eine neue Straßenverbindung zwischen Schloßplatz
und Französischer Straße. Obwohl dieser Plan zunächst nicht durchgesetzt werden konnte, erhielt
der Werdersche Markt mit der neuen Kirche und der Bauakademie zwei Hauptwerke Schinkels.
Erst nach dem Abbruch des alten Münzgebäudes 1886 zugunsten des Durchbruchs der
Französischen Straße wurde die Ost-West-Ausrichtung des Platzes abgeschlossen.
Nordöstlich des Werderschen Marktes erstreckte sich der dreieckige "Platz an der Bauakademie",
der spätere Schinkelplatz - ein Platz am Wasser; im Südosten lag der Hausvogteiplatz, dessen
unregelmäßige Gestalt auf das alte Befestigungswerk des 17. Jahrhunderts zurückgeht. Die Gestalt
des Schinkelplatzes wurde durch den Abriß der Bürgerhäuser der "Schloßfreiheit" am
gegenüberliegenden Spreeufer zugunsten des bombastischen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm
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I. von Reinhold Begas erheblich beeinträchtigt. Mit dem Fall der "Schloßfreiheit" verlor auch das
Schloß seinen stadträumlichen Halt im Westen.
Im Osten mündete der Hauptverkehr des Zentrums auf den Alexanderplatz. Dieser bis zum
Dreißigjährigen Krieg vor dem Georgentor liegende, unbebaute Platz diente vor allem als
Marktplatz, für den Handel mit Vieh ("Ochsenplatz") und Wolle, aber auch - im Süden - als
Exerzierfeld ("Paradeplatz"). Nach dem Besuch des Zaren Alexander I. im Jahre 1805 erhielt der
Platz seinen bis heute nicht in Frage gestellten Namen. Der Alexanderplatz war während der
Märzrevolution 1848 ein Zentrum der Barrikadenkämpfe. Mit der Eröffnung des Stadtbahnhofes
1882 begann der rasante Aufstieg des Platzes. Seine Bedeutung als Drehscheibe des Verkehrs
wurde durch den Bau von U-Bahn und Straßenbahnen weiter gestärkt. Das Grand Hotel, das
Kaufhaus Tietz (1904-12 in mehreren Bauabschnitten errichtet) und das Café Aschinger, vor allem
aber die 1895 aufgestellte Großplastik der Berolina machten den Platz zu einem populären
Identifikationspunkt des östlichen Zentrums. Das 1885-90 erbaute gewaltige, einschüchternde
Polizeipräsidium unterstrich die Bedeutung der Lage des Platzes - im potentiell rebellischen
Berliner Osten.
2.3.3. Altstadt am Wasser
Gerade auf der Spreeinsel war die Stadt Berlin gezwungen, ihr Verhältnis zum Wasser zu klären.
Der zum Teil sehr sumpfige Boden verzögerte eine Bebauung und erforderte erheblichen
Gründungsaufwand. Mühlen, Schleusen und Kanäle förderten den Schiffsverkehr und mehrten die
Einkünfte des Landesherren. Zahlreiche Brücken vermittelten den Verkehr über die Insel, und die
charakteristische Ufergestaltung machte den Bezug der Stadt zu ihrem Fluß immer wieder
eindrucksvoll erlebbar.
Von größter Bedeutung waren zunächst die beiden Hauptübergänge über die Spree zwischen Berlin
und Cölln: der erste Flußübergang überhaupt, der Mühlendamm, und die Lange Brücke, die das
gemeinsame Rathaus beherbergte und nach der Entmachtung des Stadtbürgertums zur
"Kurfürstenbrücke" avancierte. Mit der Erweiterung der Stadt nach Westen gewannen auch die
Übergänge über den Spreekanal an Bedeutung. Dies gilt für die Gertraudenbrücke im Süden, die
Schloßbrücke im Norden und die Schleusenbrücke in der Mitte, während sich die Jungfernbrücke
wegen ihrer Lage abseits des Verkehrs bis heute ihren ursprünglichen Charakter bewahren konnte.
Im späten 19. Jahrhundert wurde die Vermittlung des Schiffs- mit dem Landverkehr modernisiert.
Vor allem die Neugestaltung des Mühlendamms war das vielbeachtete Produkt dieser doppelten
Verkehrssanierung: der Öffnung des Hauptarmes der Spree für die Schiffahrt und der Beseitigung
des Verkehrsengpasses am Mühlendamm. Spektakulär war die Sanierung auch hinsichtlich ihrer
Umsetzung: "Staat und Stadt", genauer: drei Behörden mußten hier kooperieren, und diese
Kooperation funktionierte - wie zeitgenössische Quellen hervorhoben - hervorragend: Innerhalb nur
weniger Jahre (1888-1893) war die Sanierung vollendet.
Aber der Mühlendamm war nur der Auftakt zu einem Brückenbauprogramm, das dem rasant
steigenden Großstadtverkehr freie Bahn brechen sollte. 1894/95 folgte der Neubau der
Gertraudenbrücke. Der Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße zwischen Schloß und Dom hatte
bereits 1885-89 den Bau einer leistungsfähigen Brücke veranlaßt - den Bau der Kaiser-WilhelmBrücke, des Pendants zur Schloßbrücke von Schinkel. Schließlich wurden auch die
Kurfürstenbrücke (1894/95) und die Schleusenbrücke (1914) erneuert - zur Verflüssigung des
Verkehrs entlang des mittleren Hauptstraßenzuges.
Im Zuge dieses gewaltigen Erneuerungsprogramms der Kaiserzeit wurden die Brücken nicht nur
flacher und breiter, sondern konnten auch nicht mehr hochgeklappt werden. Dennoch erhielten auch
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die neuen Bauwerke ihre spezifische, unterscheidbare Gestalt, sie waren als Brücken inszeniert und
verdeutlichten die Lage Berlins am Wasser. Das gleiche gilt für die städtebauliche Gestaltung des
Spreeufers. Der im 17. Jahrhundert angelegte Straßenzug "Friedrichsgracht" veranschaulichte
diesen Gestaltungstyp: Uferbefestigung, Straße mit Brüstung am Wasser und eine inselseitig
geschlossene Straßenrandbebauung. Der Bezug zum Wasser war so immer präsent. Einen
Höhepunkt dieser Inszenierung der Stadt am Wasser bildete die kleinteilige Bebauung der
"Schloßfreiheit".
2.3.4. Im Schatten der Ost-West-Hauptstraßen: die Museumsinsel
Im Mittelalter befand sich heutigen Standort der Museen eine unstete Insellandschaft außerhalb der
Doppelstadt Berlin-Cölln, ein sumpfiges Gelände, dessen Konturen die Spreefluten fortwährend
veränderten. Erst mit der Anlage kurfürstlicher Nutz- und Ziergärten im Norden des Berliner
Schlosses begann die geordnete Nutzung und Befestigung der späteren Museumsinsel, die zunächst
"Cöllnischer Werder" oder "Insel vor Monbijou" genannt wurde.
Die Transformation der höfischen Landschaft in ein dem Bürgertum sich öffnendes kulturelles
Zentrum ist städtebaulich nicht Ergebnis eines einzigen, umfassenden Planes, sondern eines
widersprüchlichen Prozesses, der sich in den baulichen Schichtungen der Museen bis heute
eindrucksvoll ablesen läßt. Die additive Produktion der Museumsinsel hat in der Vergangenheit
nicht nur Bewunderung gefunden: Werner Hegemann etwa sprach zum einen vom "heiligen Bezirk
der Museumsinsel" (1930, S. 429), zum anderen aber auch von einem "Durcheinander der
beziehungslos zusammen gewürfelten oder schematisch aufgereihten öffentlichen Bauten der
Museumsinsel" (1930, S. 197). Seit 1882 wurde die Insel durch die Trasse der Stadtbahn faktisch
gespalten. Vorschläge, diese Spaltung zu überbrücken, wurden bereits im Vorfeld des
Stadtbahnbaus unterbreitet, zum Beispiel von August Orth im Jahre 1875. Mit dem Bau des KaiserFriedrich-Museums, des heutigen Bodemuseums, 1897-1904 (Architekt: Ernst von Ihne) wurden
diese Versuche nicht nur aufgegeben, sondern faktisch durch ein neues Konzept ersetzt: Die
räumliche Spaltung wurde nicht mehr bemäntelt, sondern durch einen harten Stilbruch baulich
unterstrichen.
Den Auftakt zur Entwicklung der Museumsinsel bildete das 1824-28 von Karl Friedrich Schinkel
errichtete Museum, das aber keineswegs als Auftakt gedacht war. Dennoch begann damit die
Transformation eines höfischen in einen bürgerlichen Ort, oder besser: die von oben gewährte
Öffnung des herrschaftlichen Ortes für das Bildungsbürgertum. Der damals noch Neues Museum
genannte Bau hat eine klare Vorderfront - zum Lustgarten, zum königlichen Schloß, und eine klare
Rückfront - zum Packhofgelände. Die städtebaulich wichtige, zum Stadtschloß gerichtete
Vorderfront ist als relativ autonomer Bauteil gestaltet, wie bereits "Berlin und seine Bauten"
(Ausgabe 1877) hervorhebt: "Das Museum ist unter allen Werken Schinkels dasjenige, welches
weitaus die grösste Popularität erlangt hat. Es verdankt dieselbe der überwältigenden Wirkung,
welche einerseits die Säulenfront am Lustgarten, andererseits die Rotunde auf den Beschauer
hervorbringen - eine Wirkung, welche selbst durch die vom strengen, architektonischen
Standpunkte unverkennbare Thatsache nicht abgeschwächt werden kann, dass beide Motive mit
dem Organismus des übrigen Baues in etwas losem Zusammenhange stehen." (S. 157)
Die späteren Museumsbauten entfalteten sich im Rücken des nunmehr Alten Museums, ja in seinem
Schatten; sie sind von dem bedeutendsten Ort der Gegend her, dem Lustgarten, nicht wahrnehmbar.
Natürlich haben auch diese Museen ihre Schauseiten. Sie haben aber keine mit dem Alten Museum
vergleichbaren Schaupunkte. Sie sind in städtebaulicher Hinsicht versteckt. Das nach Plänen von
Friedrich August Stüler 1843-55 errichtete Neue Museum zog aus dieser Situation bauliche
Konsequenzen. "Im Gegensatz zu dem älteren Werke Schinkel's", so "Berlin und seine Bauten"
53
(1877), "ist bei dem Stüler'schen Bau das Gewicht künstlerischer Gestaltung nicht dem Aeusseren,
sondern dem Inneren des Hauses zugewandt worden." (S. 158)
Auf die 1866-76 nach Entwürfen Stülers unter Johann Heinrich Strack errichtete Nationalgalerie
trifft diese Charakterisierung allerdings nicht mehr zu. Doch auch die erhöhte Nationalgalerie ist
vom Lustgarten her nicht erlebbar. Diese Verhältnisse einer gleichsam versteckten Museumsinsel
bilden bis heute eines der Charakteristika des Ortes, das es zu respektieren gilt.
Mit der Eröffnung des schon vor dem Ersten Weltkrieg von Alfred Messel projektierten und
schließlich unter Ludwig Hoffmann ausgeführten Pergamonmuseums im Jahre 1930 war die etwa
hundertjährige Entstehungsgeschichte der Museumsinsel abgeschlossen. Der Plan Messels (um
1907-09), dieses Museum mit der Universität städtebaulich zu verbinden, wurde zwar als Option
noch längere Zeit offengehalten, faktisch aber nicht weiter verfolgt.
2.4. Gescheiterte Kahlschlagmodernisierung in der Weimarer Republik
Nach 1918 verlor das Schloß jegliche herrschaftliche Funktion und wurde Sitz wissenschaftlicher
Institute und Museen. Die Überlegungen zur radikalen Modernisierung des gesamten Berliner
Zentrums verschonten auch den ehemaligen Sitz der Hohenzollern nicht. Das zeigt etwa das
Plädoyer von Adolf Behne, eines Mitstreiters von Stadtbaurat Martin Wagner, für einen Teilabriß
des Schlosses und damit die Beseitigung einer zentralen materiellen wie mentalen "Barriere":
"Mühsam, nur auf Umwegen, mit Drehungen und Wendungen kommt zusammen, was notwendig
zusammengehört [...]. Die Fürsten setzen in die Handelsstadt ein Centrum der Politik. Des Großen
Kurfürsten Straße zielt nach Westen, schließt das Berliner Schloß an das System Paris an .... das
Schloß, aber nicht die Stadt. An der Spree bricht diese Achse ab. Der Weg nach Osten erhält einen
ähnlichen Ausbau nicht, hat ihn nicht bis auf den heutigen Tag. [...] Das Schloß ist heute
bedeutungslos, da es seiner Politik nicht gelang, den Bund zwischen Ost und West auf die Dauer zu
verstellen. [...] Ich stelle mir vor, es wird die Bahn aus Westen direkt auf geradem Wege in die
Ostbahn hineingeleitet [...]. Ein Stück des Schlosses müßte fallen. [...] Das neue Berlin muß wieder
anknüpfen an seine ursprüngliche Aufgabe als Vermittler zwischen Ost und West." (1932, S. 62f.)
Der Teilabriß des Schlosses blieb ein papierener Traum.
In der Weimarer Republik wurde auch die Idee weiterverfolgt, das alte Berlin im Sinne eines WestOst-Citybandes neu zu ordnen. Insbesondere der Durchbruch einer südlichen Entlastungsstraße
hinter dem Rathaus wurde im Detail vorbereitet - in einer konzertierten Aktion der Stadträte Martin
Wagner und Ernst Reuter und dem Repräsentanten des Cityausschusses, Martin Mächler. Die
Planung dieser Entlastungsstraße kann als das ehrgeizigste Erneuerungsvorhaben im Zentrum
während der Weimarer Republik gelten; der Umbau des Alexanderplatzes sollte dazu der Auftakt
sein. Den spektakulärsten Ausdruck fand die Geringschätzung des alten Berlin im
Neugestaltungsvorschlag von Ludwig Hilberseimer. Die komplexen Pläne der Weimarer Republik
konnten allerdings nicht realisiert werden.
2.4.1. Erneuerung des Alexanderplatzes
Stadtbaurat Martin Wagner beabsichtigte, den Alexanderplatz zu einem "Weltstadtplatz" zu
entwickeln, ihn also vor allem den neuen Bedürfnissen des Verkehrs anzupassen. "Der
Weltstadtplatz ist eine fast dauernd gefüllte Verkehrsschleuse, der 'Clearing'-Punkt eines
Adernetzes von Verkehrsstraßen erster Ordnung." (Wagner 1929, S. 33) Natürlich war der Platz
immer ein Angelpunkt des Verkehrs gewesen: ein Platz vor den Stadtmauern des alten Berlin, an
dem sich der Überlandverkehr mehrerer Straßen sammelte, um dann das Stadttor zu passieren,
später ein Platz, an dem sich mehrere Straßenbahn-, U-Bahn- und S-Bahnlinien begegneten.
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Als Brennpunkt des öffentlichen Nahverkehrs war der Platz auch ein Ort, an dem sich Fußgänger
ballten, Fußgänger, die nicht nur die Bürgersteige am Platzrand, sondern auch die Platzfläche frech
und zahlreich kreuzten. Diese Fußgänger zu disziplinieren, das heißt, auf den Platzrand
zurückzudrängen, war ein wichtiges Ziel der Umgestaltung - und zwar zugunsten des
Straßenbahnverkehrs, insbesondere aber zugunsten des neuen, zukunftsweisenden
Kraftfahrzeugverkehrs. "Der Verkehr muß mit einem Höchstmaß von Beschleunigung,
Stockungslosigkeit und Übersichtlichkeit über den Platz geleitet werden. Der Weltstadtplatz
verlangt darum eine Differenzierung der Verkehrswege für den Schienenverkehr (Straßenbahn),
Radverkehr (Autos) und den Fußgängerverkehr." (Wagner 1929, S. 33)
Wagners strategische Absicht war vor allem die Öffnung der Altstadt für den Autoverkehr - nicht
nur am Alexanderplatz. Das zeigte sich an der Neugestaltung des Platzes, am neuartigen, in seiner
Effizienz überschätzten Kreisverkehr und an der Führung der Straßenbahnen. Vor allem aber auch
an einer Kleinigkeit, die in der Regel übersehen wird: an der Hecke, die den inneren, dem
Straßenbahnverkehr vorbehaltenen Kreis einfaßte. Diese Hecke sollte ein diagonales Überqueren
des Platzes unmöglich machen.
Es war aber nicht nur die funktionale Entmischung des Platzes nach Verkehrsarten, die dem
Fortschrittsmittel schlechthin - dem Automobil - huldigte. Die Architektur der Platzrandbebauung
selbst sollte den Kreisverkehr gestalterisch verdoppeln, ja triumphalisieren, den kreisenden
Autofahrer nicht in optische Verwirrung bringen. Das Verdoppelungskonzept wurde von fünf der
sechs zum Wettbewerb Alexanderplatz aufgeforderten Architekten akzeptiert. Die
Wettbewerbsgewinner, die Gebrüder Hans und Wassili Luckardt sowie Alfons Anker, spitzten die
Konzeptidee noch einmal zu, indem sie die Kreisform durch eine horizontale Betonung der
Gebäudefassaden zusätzlich unterstrichen. Alle Wettbewerbsteilnehmer planten den Kahlschlag des
alten Platzes und dessen Neuerstehung als Architekturplatz aus einem Guß.
Als historischer Torplatz war der Alexanderplatz ja über Jahrhunderte ein "unregelmäßiger" Platz
gewesen, ein Platz, der die Unregelmäßigkeit der Überlandstraßen widerspiegelte und aus
unterschiedlichen Teilplätzen bestand, die in Gestaltung wie Nutzung diese Unregelmäßigkeit
eindrucksvoll unterstrichen. "Unregelmäßig"? Dieses Wort scheint auf einen Mangel, auf
Interventionsbedarf zu verweisen. Die Antwort Wagners auf die Unregelmäßigkeit des
Alexanderplatzes war deren Beseitigung durch ein Ready-made-Produkt, ein Großprojekt, das den
"stark zersplitterten Kleinbesitz" (Wagner 1927, S. 708) überwinden sollte.
Doch Wagners strategisches Ziel war nicht nur die Beförderung des "modernen Verkehrs" und die
gestalterische Gleichschaltung des Platzes - beide Ziele dienten einem viel wichtigeren Oberziel:
der weiteren Citybildung im Ostteil des Zentrums. Das Bebauungskonzept Wagners sah eine
massive Bauverdichtung und Ballung von Büros und Läden vor. Die vorgeschlagene Erneuerung
des Alexanderplatzes sollte nicht nur gestalterisch mit der baulichen Umgebung brechen, sondern
zugleich die Aufwertung der ganzen Umgegend einleiten. Diese Aufwertung sollte durch zahlreiche
weitere Projekte vorbereitet werden. Bereits 1927 wurde die Neugestaltung des Bülowplatzes, heute
Rosa-Luxemburg-Platz, im Bereich des abgebrochenen Scheunenviertels in Angriff genommen.
Dieses Projekt von Hans Poelzig sollte mit öffentlichen und privaten Neubauten explizit eine
soziale und funktionale Aufwertung des ostjüdisch geprägten Gebietes einleiten.
Die Umgestaltung des Alexanderplatzes war nur der geplante Auftakt einer gewaltigen,
gewaltsamen Neuordnung und Aufwertung des östlichen Zentrums, die der schleichenden
"Westwanderung" der City begegnen sollte. Wagners Vision ging aber über die Erschließung der
Elendsviertel für die wachsende, wohnungslose "Weltstadtcity" hinaus. Er begründete aus der
Verkehrsdynamik der Großstadtentwicklung sein Konzept eines Wegwerfplatzes, dessen
Randbebauung nach 25 Jahren amortisiert sein sollte. Nach 25 Jahren, so seine Vorstellung, könne
55
die Platzbebauung dann problemlos neuen Erfordernissen weichen. "Der Verkehrsfachmann muß
sich die Verkehrskapazität eines Weltstadtplatzes errechnen und diese Kapazität auf einen
Verkehrszuwachs für die nächsten 25 Jahre einstellen. [...] Mit dem Hinweis auf die beschränkte
Lebensdauer eines Weltstadtplatzes ist auch zugleich angedeutet, daß die den Platz umgebenden
Bauten keine bleibenden wirtschaftlichen wie architektonischen Werte besitzen." (1929, S. 33) Das
Konzept einer im Vierteljahrhunderttakt sich erneuernden Weltstadtcity erhob die Idee der
geschichtslosen Stadt zum dauernden Prinzip.
Kahlschlag des geschichtlichen Platzes, Neugestaltung als regelmäßiger Platz aus einem Guß,
Huldigung an den modernen Automobilverkehr, Förderung des Immobiliengroßeigentums,
überzogene bauliche Verdichtung, monofunktionale Konzentration von Büros und Verkaufsflächen,
Verdrängung armer Bewohner und Funktionen - all das sind Aspekte, die das Projekt des neuen
Alexanderplatzes in der Weimarer Republik mit bestimmten.
Umgesetzt wurde im übrigen nicht das Projekt von Hans und Wassili Luckhardt sowie Alfons
Anker, sondern - nach dem Willen der amerikanischen Investoren - der modifizierte Entwurf des
zweiten Preisträgers Peter Behrens. Die Durchsetzung der neuen Figur gelang allerdings nur
partiell, sie scheiterte an den Widrigkeiten des privaten Bodeneigentums.
2.4.2. Im Schatten der Ost-West-Hauptstraßen: der Fischerkietz
Weltstadtcity - das war der Leittraum der zwanziger Jahre, die Realität entsprach diesem Leitbild
aber keineswegs. In seine Schrift zum Thema "Das Neue Berlin" montierte Martin Wagner 1932
eine Abbildung, die Berlin - nach Bezirken gegliedert - zeigt. Über dieser Grundkarte schwebt eine
Lupe, die einen Ausschnitt des Stadtplans vergrößert: das Gebiet der südlichen Spreeinsel, den
Fischerkietz. Martin Wagner schrieb dazu folgendes: "Die City einer neuen Weltstadt auf der
Grundlage der Lebensraumgrenzen und Eigentumsgrenzen des Mittelalters! Unmöglich kann sich
in diesem Spinnwebennetz von Grenzen, die auf den kleinen 'Bürger', aber nicht auf die
'Gesellschaft', und auf den 'Fußgänger', nicht aber auf die 'Maschine', zugeschnitten sind, eine
Reichshauptstadt, eine Maschinenstadt und Weltstadt entwickeln!" (Abb. 17)
Galt Alt-Berlin, das östliche Teilzentrum, schon als rückständig, so war der Fischerkietz das
rückständigste Teilgebiet von Alt-Berlin. Hier gab es immer noch eine stattliche Zahl von
Bewohnern: so etwa im Jahre 1925 3.698 Menschen. Auf einem Hektar lebten bis zu 480
Einwohner; das war die höchste Bewohnerdichte im Zentrum. Hier gab es eine Fülle von kleinen
und kleinsten Parzellen, von kleinen, schmalen und zum Teil niedrigen Häusern, und hier gab es
noch Gassen von außerordentlicher Enge. Die Bewohner dieses Gebietes waren in der Regel sehr
arm, die Wohnverhältnisse entsprechend elend. Man kann wohl davon ausgehen, daß hier die
schlechtesten Wohnverhältnisse von ganz Berlin anzutreffen waren.
Die unerträgliche "Rückständigkeit" des Fischerkietzes, ja des gesamten östlichen Teilzentrums
überhaupt förderte die Westwanderung der City. Dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, war das
strategische Hauptziel der Zentrumsplanung von Martin Wagner, Ernst Reuter und Martin Mächler.
Doch wie ließ sich ein solches Ziel planerisch umsetzen? Infolge der in Deutschland sehr
begrenzten Zugriffsmöglichkeiten auf privaten Grund und Boden bot sich im wesentlichen nur ein
Hauptmittel an: der Straßendurchbruch bzw. die Straßenerweiterung. Dieses Mittel war auch zur
Rationalisierung der Gesamtstadt von herausragender Bedeutung: Es sollte die schon seit
Jahrzehnten beklagten Engpässe des Berliner Ost-West-Verkehrs beseitigen und zugleich neue
Ansatzpunkte für die weitere Citybildung schaffen.
Eine solche Rationalisierung aber, das zeigten die Erfahrungen, bedurfte einer unglaublichen
Anstrengung der öffentlichen Hand, sie bedurfte finanzieller Vorleistungen, die als sinnvoll
56
erscheinen mußten. Sie bedurfte daher vor allem einer Legitimationsstrategie. In diesem Punkte
scheute Martin Wagner wahrlich keine Mühen. Es wurden technische und soziale Gutachten in
Auftrag gegeben, die die Notwendigkeit der Sanierung belegen sollten, und es wurde ein
Wettbewerb vorbereitet, der diese Legitimation krönen sollte.
Von außerordentlicher Bedeutung war in der Weimarer Republik die soziale Legitimation der
erwünschten Radikalsanierung. Zu diesem Zwecke wurde 1930 mit Unterstützung des "CityAusschusses" (eines Zusammenschlusses Berliner Geschäftsleute mit dem Ziel, der Entwertung der
Altstadt entgegenzuwirken), der "Berliner Verkehrs-A.-G." und unter Mitwirkung von Martin
Mächler beim Verein für Wohnungsreform ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die unter der
Federführung von Bruno Schwan erstellte und 1932 publizierte Expertise "Die
Wohnungsverhältnisse der Berliner Altstadt" bewies grundstücksscharf das Wohnungselend vor
Ort. "Haus für Haus, Wohnung für Wohnung", so heißt es in dem Gutachten, sprechen die Berichte
"in gewissen Straßen von Ungeziefer, Feuchtigkeit, Moderduft, Verfall, von ausgetretenen finsteren
Treppen, abbröckelndem Putz, daß einen das Grauen packen kann." (1932, S. 13) Die
Schlußfolgerung war eindeutig: Ein Abriß des Slums, so die Begrifflichkeit des Gutachtens, sei
nicht nur gerechtfertigt, sondern in sozialer Hinsicht notwendig. Was allerdings aus den Bewohnern
werden sollte, wurde nur am Rande thematisiert. Im Zusammenhang mit einem Hinweis auf die
hohe Zahl von Einzelpersonen und kinderlosen Paaren im Sanierungsgebiet findet sich folgende
Bemerkung: Die Struktur der Bewohner sei wichtig "für den Fall einer Evakuierung dieser Gegend,
da die Beschaffung des erforderlichen Ersatzraumes möglicherweise am billigsten durch die
Errichtung von Ledigen- oder Altenheimen bewirkt werden kann." (1932, S. 12) Dieses geringe
Interesse für das Schicksal der im Gebiet Wohnenden ist um so bemerkenswerter, als zu dieser Zeit
in Berlin ja schon Erfahrungen mit der Altstadtsanierung (im "Scheunenviertel", heute RosaLuxemburg-Platz) vorlagen, Erfahrungen, die gezeigt hatten, daß sich die verdrängten Bewohner
mit Niedrigsteinkommen keine besseren Wohnungen leisten konnten. Die soziale Argumentation
diente vor allem der flankierenden Legitimation. Sie zielte auf Verdrängung, ohne sich um das
weitere Los der Verdrängten ernsthaft zu kümmern.
Die Legitimation der Abrißstrategie in baulicher Hinsicht war weniger aufwendig. Die Bebauung in
der südlichen Altstadt, so die Argumentation, habe keinerlei architektonischen Wert. Die
romantische Verklärung der Altstadt wurde als Verirrung gegeißelt. "Mancher wird es vielleicht
bedauern", so 1931 Hermann Ehlgötz, Professor an der Technischen Hochschule Berlin und
Verfasser eines Gutachtens zum Untergrund der Berliner Altstadt, das ebenfalls die
Kahlschlagsanierung legitimieren sollte, "daß die heute vorhandene romantische Bebauung des
Stadtinnern durch eine neue Geschäftsstadt ersetzt werden soll. Aber auf die Dauer wird man die
Berliner Altstadt doch weder als Wohnstadt noch als Museum retten können. Das Stadtbild, das hier
nach Verlegung der Wohn- und Fabrikviertel einmal entstehen wird, wird unromantisch und
traditionsarm, aber dafür hygienischer und wirtschaftlich rationeller sein." (S. 128)
Der für 1930 in Aussicht genommene Wettbewerb zur Neugestaltung der südlichen Altstadt
scheiterte an den politischen und wirtschaftlichen Problemen der späten Weimarer Republik. Im
März 1931 verweigerte die Berliner Stadtverordnetenversammlung dem Antrag auf Ausschreibung
ihre Zustimmung.
2.5. Ein zweiter Erneuerungsschub in der nationalsozialistischen Zeit
Durch die bislang nahezu ausschließlich auf die Nord-Süd-Achse und die Neubauten im Umkreis
der Wilhelmstraße gerichtete fachliche Aufmerksamkeit blieben die Planungen und Aktivitäten der
nationalsozialistischen Zeit im Bereich der Altstadt bis heute relativ unbekannt. Dies ist gänzlich
unangemessen: Wie insbesondere die Arbeit "Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933
und 1945" von Wolfgang Schäche (1991) zeigt, sollte die Altstadt nach den Umbauphasen der
57
Barockzeit, der Schinkel-Zeit und der Kaiserzeit nunmehr einen vierten radikalen
Veränderungsschub der Altstadt beobachten, der allerdings in Ansätzen steckenblieb.
In den dreißiger Jahren wurde vor allem am Ausbau der Ost-West-Hauptstraßenzüge
weitergearbeitet: Im Norden sollte die Kaiser-Wilhelm-Straße als Bestandteil der Speerschen OstAchse monumentalisiert, im Süden der Mühlendamm abermals verbreitert werden, in der Mitte
wurde im Zuge des Reichsbankneubaus die Durchlegung der Jägerstraße zum Schloßplatz
vorbereitet. Mit dem Beginn der Umsetzung dieser Planungen wurde zugleich eine weitere Welle
der Brückenerneuerung eingeleitet. Die Schleusenbrücke wurde 1937 modernisiert, der erst in der
Kaiserzeit erneuerte Mühlendamm wurde im Kontext des Ausbaus der Mühlendammschleuse mit
all seinen Bauten abgerissen und 1938 durch eine Notbrücke ersetzt. Der noch im Jahre 1939
begonnene Abbruch der Kaiser-Wilhelm-Brücke mußte allerdings zurückgestellt werden. Der Krieg
erforderte andere Prioritäten.
Die Planungen der nationalsozialistischen Zeit zielten auf eine kompromißlose Beseitigung der
differenzierten Folge historischer Stadträume zugunsten eines einseitig auf Durchfahrt orientierten,
autogerechten Schnellstraßensystems. Dabei wurden auch die Brücken nicht mehr als erlebbare
Passagen von Wasserläufen gebaut. An dieses planerische Erbe knüpfte gegen Ende der fünfziger
Jahre der DDR-Städtebau an.
Zusammen mit der Erneuerung des Mühlendamms wurde die Kahlschlagsanierung des südlichen
Alt-Berlin zugunsten eines monofunktionalen öffentlichen Verwaltungsforums fortgesetzt. Hierfür
lag bereits 1935 eine weiträumige Planung von Richard Ermisch vor, die in den folgenden Jahren
modifiziert wurde. Ermisch schlug im östlichen Bereich zwischen Rolandufer und Stralauer Straße
ein Verwaltungsgebäude vor (1937-39 nach seinem Entwurf realisiert), im westlichen Bereich den
Neubau der Reichsmünze (1936-42 nach Entwurf von Fritz Keibel und Arthur Reck realisiert),
dazwischen ein weiteres Verwaltungsgebäude, das ebenso wie ein Verwaltungsgebäude
nordwestlich des Stadthauses nicht ausgeführt wurde. Westlich des Stadthauses sollte - wie schon
von Ludwig Hoffmann geplant - ein repräsentativer Vorplatz entstehen. Dem Bau der neuen Münze
fiel der berühmt-berüchtigte Krögel zum Opfer. Zugleich wurde auch der historische Molkenmarkt
faktisch beseitigt.
In diesen Jahren wurde ferner eine Umstrukturierung des Nikolaiviertels erwogen. Die heute zu
bewundernde neo-mittelalterliche, freie Nachschöpfung des Nikolaiviertels war - wie viele andere
Projekte auch - keine reine DDR-Erfindung: "Der heutige Charakter der Bebauung um die Kirche",
so ein Konzept aus dem Jahre 1936, "soll tunlichst erhalten und um sie eine Art Alt-Berliner
Freilichtmuseum geschaffen werden, indem das wertvolle Alte hier gerettet und weiter gute alte
Häuser, die an anderer Stelle der Altstadtgesundung zum Opfer fallen müssen, hier wieder erstehen
sollen und so der Nachwelt erhalten bleiben - ein stiller Winkel aus längst vergangenen Tagen."
(Kühn 1936, S. 712) Schon 1935 wurde das Ephraimpalais zugunsten der autogerechten
Verbreiterung des Straßenzuges Mühlendamm - Molkenmarkt abgetragen, um es später auf einer
zurückgesetzten Bauflucht wiederaufzubauen.
Die Neugestaltung des südlichen Alt-Berlin war die bedeutendste Maßnahme der
Zentrumserneuerung in der nationalsozialistischen Zeit. Aber auch im Süden des Friedrichswerder
wurde durch den riesigen Neubau der Reichsbank 1934-40 ein ganzer historischer Stadtteil
ausgelöscht. Nur der Bereich der südlichen Spreeinsel, der Fischerkietz, blieb vom Kahlschlag
verschont, für dessen Sanierung sich die Protagonisten des Zentrumsumbaus in der Weimarer
Republik, Martin Wagner und Martin Mächler, auch nach 1933 noch eingesetzt hatten. Aber auch
die im Rahmen der Neugestaltung des Rolandufers erstellte Planung von Richard Ermisch zur
Sanierung des östlichen Fischerkietzes blieb Papier. Ermisch sah neue Wohnungsbauten und die
Errichtung der Spittelkolonnaden in der Achse der Inselbrücke vor. Lediglich der nordwestliche
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Kopfbau der geplanten neuen Mühlendammbrücke an der südlichen Breiten Straße (Ecke
Köllnischer Fischmarkt) wurde 1938 nach Entwurf von Ermisch realisiert. Auch spätere Planungen
zur Errichtung von Großbauten für die Deutsche Arbeitsfront im Bereich des Fischerkietzes wurden
nicht weiter verfolgt.
2.6. Die Altstadt auf der Schlachtbank: Nachkriegszeit und fünfziger Jahre
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Bauten des alten Zentrums erheblich zerstört, nicht aber oder
nicht so sehr die Struktur dieses Zentrums, sein Grundriß, seine Parzellen, seine Verkehrswege samt
der stadttechnischen Infrastruktur. Dennoch erhielten die Planungen für eine Bandstruktur im
Bereich des alten Berlin einen neuen Auftrieb. So lag der Planung des Kollektivs um Hans
Scharoun eine monumentalisierte Auffassung eines streifenförmigen, ost-west-gerichteten Bandes
entlang der Spree im Urstromtal zugrunde: "Auf der Spree-Landwehrkanal-Insel zieht sich von
Osten, vom Görlitzer Bahnhof, nach Westen bis zum Lietzensee der große Arbeitsstreifen hin mit
Staats- und Industrieverwaltung, Banken, Handel und Gewerbe der alten City an den alten
Standorten. Historisch wertvolle Stadtteile werden erhalten und vom Verkehr verschont." (Friedrich
1946, S.9) Insgesamt konzentrierten sich erneut die Interessen auf den Bereich der City, während
die Altstadt stiefmütterlich behandelt wurde. So betonte etwa Stadtbaudirektor Richard Ermisch in
seiner ebenfalls die bisherige Parzellenstruktur ignorierenden Aufbauplanung für das Zentrum von
1947 die Friedrichstraße und der Leipziger Straße als neue, herausgehobene "Kaufstraßen".
Die politischen Verhältnisse der neugegründeten DDR erleichterten eine radikale Neuordnung des
Zentrums. Allerdings wurde der überkommene Grundriß des Zentrums der Stadt zunächst im
großen und ganzen respektiert. Vor allem die Brücken wurden rasch wieder instandgesetzt - so
zwischen 1949 und 1951 die Karl-Liebknecht-Brücke (vorher Kaiser-Wilhelm-Brücke), die
Mühlendamm-Notbrücke, die Schloßbrücke (seit 1951 Marx-Engels-Brücke) und die
Schleusenbrücke.
Dem weitgehenden Respekt vor dem historischen Stadtgrundriß im alten Zentrumsbereich
entsprachen die ersten Planungen und Maßnahmen des Wiederaufbaus: Sicherungsmaßnahmen an
historischen Bauten - etwa an der Bauakademie; Rekonstruktion herrschaftlicher Bauten im Osten
der Straße Unter den Linden - etwa der Deutschen Staatsoper; Beseitigung der Kriegsschäden auf
der Museumsinsel - etwa an der Nationalgalerie (bis 1954) und am Alten Museum (1958-66);
Projekte zum Weiterbau repräsentativer Stadträume - etwa die Planung eines "Demokratischen
Forums" am erweiterten Schinkelplatz.
Die Initiative Richard Paulicks und anderer Architekten zur Rettung des Stadtschlosses, die - so die
Forschungsergebnisse von Simone Hain - mit der Qualität der Platzräume begründet wurde, konnte
den Abriß der Schloßruine 1950/51 allerdings nicht verhindern. Da die Absicht, diesen
Zerstörungsakt durch den Neubau eines zentralen Herrschaftsgebäudes städtebaulich zügig zu
kompensieren, nicht verwirklicht werden konnte, geriet die überkommene Struktur der Spreeinsel
"aus den Fugen". Die Dimension und Form des Marx-Engels-Platzes, die Dimension und Form des
zentralen Herrschaftsgebäudes sowie die Funktion des gesamten Bereichs blieben während der
fünfziger Jahre umstritten. Ein Vorschlag folgte dem anderen - ohne sichtbares Ergebnis.
Noch in den fünfziger Jahren waren also Gestaltungskonzepte in der Diskussion, die mit dem
späteren Freiraum zwischen Spree und Alexanderplatz wenig gemein hatten. Ein Zentrales
Hochhaus im Bereich des späteren Marx-Engels-Forums, ein Platz vor dem Rathaus, eine bauliche
Teileinfassung der Marienkirche und im Westen an den S-Bahnhof angrenzende Baublöcke waren in unterschiedlichsten Varianten - Elemente der Planung jener Jahre.
59
Aber bereits diese Vorschläge zielten auf eine neue bandartige städtebauliche Struktur, die die
überkommene Separierung von barocker Stadterweiterung und Altstadt revolutionieren sollte.
Selbst der Abbruch der Schloßruine wurde mit dieser Absicht begründet: "Der Abriß des
Schloßkomplexes stellt den Ausgangspunkt dar für die notwendige organische, strukturelle wie
räumliche Verbindung der zwei bisher nie zusammengewachsenen Stadtteile: Der Friedrichstadt
und der mittelalterlichen Stadt." (Deutsche Bauakademie/Stadtbauamt 1959, S. 3) Die neue Struktur
sollte durch zwei Hauptstraßenzüge in Ost-West-Richtung getragen werden: zum einen durch die
repräsentative "Achse" Brandenburger Tor - ehemaliger Schloßbereich - Karl-Liebknecht-Straße
und zum anderen durch die nach Westen hin um einen Durchbruch erweiterte Französische Straße
sowie die Königstraße (später Rathausstraße). Dieses Zentrumsband sollte am Alexanderplatz
zusammengefaßt werden und nach einem Schwenk verjüngt in die neue Prachtstraße des Ostens, die
Stalinallee (später Karl-Marx-Allee), übergehen.
Im alten Zentrum selbst führte eine solche Konzeption zur eindeutigen Abwertung des bürgerlichkapitalistischen Hauptstraßenzuges Leipziger Straße - Gertraudenstraße zugunsten der
absolutistischen via triumphalis zwischen Brandenburger Tor und ehemaligem Stadtschloß, der
geheiligten Lindenallee. Damit war gegenüber der Planung von Ermisch ein neuer Akzent gesetzt.
Weniger umstritten schien die weitere Entwicklung der südlichen Spreeinsel. Daß die alte
Bebauung des Fischerkietzes erhalten und ergänzt, nicht aber abgerissen werden sollte, wurde noch
1959 verkündet: "Der Wiederaufbau und die Sanierung dieses Viertels wird Zubauten späterer
Zeitabschnitte, Schuppen und verfallene Hinterhäuser abtragen und moderne technische und
sanitäre Einrichtungen einfügen. Die historischen Gebäude werden in ihrer Form und Fassade
restauriert, die Innenräume aber - Wohnungen, Ateliers, Werkstätten für das Kunsthandwerk modern ausgestaltet. Anstelle der zerstörten Häuser werden Neubauten errichtet, die sich dem Stil
dieses alten Stadtteils anpassen. Bis zum Jahre 1965 wird so dieses historische Viertel neu und
schöner als zuvor erstehen." (Löschburg 1959, S. 33f.)
Gegen Ende der fünfziger Jahre wurden im Rahmen des Wettbewerbs zur sozialistischen
Umgestaltung des Zentrums der Hauptstadt der DDR die Weichen neu gestellt. Die Konzeption
einer Orientierung an den Strukturen der alten Stadt verlor zugunsten einer radikalen
Modernisierung des Zentrums an Bedeutung. Diese Weichenstellung kann nicht grundsätzlich als
"sozialistisch" apostrophiert werden, sie entsprach einem west-ost-übergreifenden Wandel der
städtebaulichen Leitbilder.
Ein Manöver im kalten Städtebaukrieg eröffnete die großen Debatten um die Gestaltung des
historischen Zentrums von Berlin: der vom Bund und Land Berlin 1957 ausgeschriebene
Wettbewerb "Hauptstadt Berlin". Dieser westliche Wettbewerb bestätigte in seinen
Ausschreibungsunterlagen im wesentlichen die auch im Osten wirksamen Vorstellungen über die
Organisation des neuen Zentrums durch Ost-West-Hauptstraßenbänder. Unbedingt erhaltenswert
erschienen lediglich einige wenige Gebäude: auf der Spreeinsel und dem Friedrichswerder
ausschließlich die Bauten der Museumsinsel, die Friedrichswerdersche Kirche und die Petrikirche,
in Alt-Berlin die Nikolaikirche, das Rathaus, die Parochialkirche, die Marienkirche, die
Heiligegeistkapelle und die Garnisonkirche. Die Erhaltung von Dom, Bauakademie und
Reichsbankneubau, ja selbst des Alten und Neuen Marstalls, des Stadthauses nebst weiterer
Gebäude vor allem an der Brüderstraße, der Fischerstraße und im östlichen Alt-Berlin war nur als
"wünschenswert" deklariert. Der weitaus größte Teil der noch erhaltenen historischen Bausubstanz
wurde zur Disposition gestellt.
Die Antwort Ost-Berlins, ein eigener Wettbewerb, zielte ebenfalls auf eine bestandzerstörende
Modernisierung des Zentrums. Sein Angelpunkt war aber - immer noch - die Plazierung und
Gestaltung des zentralen Herrschaftsgebäudes. Unangetastet blieb eigentlich nur die Museumsinsel.
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Der Fischerkietz stand genauso zur Disposition wie der Raum zwischen Marx-Engels-Platz und
Gertraudenstraße, wie der Dom, die Bauakademie und der Marstallkomplex.
Im Jahre 1959 wurde die Idee eines mittleren Hauptstraßenzuges (Französische Straße Rathausstraße) aufgegeben, ein neuer Hauptstraßenzug dagegen ins Gespräch gebracht: Leipziger
Straße -Gertraudenstraße - Grunerstraße, also die bereits seit Jahrzehnten erträumte Direttissima
vom Spittelmarkt zum Alexanderplatz. Damit war die neue Struktur der West-OstHauptstraßenzüge gefunden: Das erwünschte Zentrumsband wurde erheblich verkürzt und zugleich
verbreitert. Nicht mehr die Trasse Französische Straße - Rathausstraße, sondern die Trasse
Leipziger Straße - Gertraudenstraße - Mühlendamm - Grunerstraße bildete und bildet noch heute
den südlichen Hauptstraßenzug, der - wie die Karl-Liebknecht-Straße - den entsprechend
vergrößerten neuen Alexanderplatz tangiert. Somit war eine Verkehrsberuhigung der südlichen
Straßenbegrenzung des Freiraums um den späteren Fernsehturm, der Rathausstraße, möglich. Diese
Struktur war weiterhin ungleichgewichtig: Dem repräsentativen Straßenzug Unter den Linden Marx-Engels-Platz stand im Süden eine breite Verkehrsschneise gegenüber, die keine Halte-Plätze
mehr bot, sondern nur Verkehrsgelenke wie etwa am Spittelmarkt. Aus der einzigartigen
historischen Passage mit Halte-Plätzen sollte eine Transitzone ohne Anreiz zum Verweilen werden.
2.7. Der Bau des Zentrumsbandes seit den sechziger Jahren
Das Zentrum der Hauptstadt der DDR, ja der DDR überhaupt, bestand aus einer Folge von Plätzen
bzw. Freiräumen, die ein breites Band in etwas nach Norden verschwenkter Ost-West-Richtung
bildeten: aus dem Alexanderplatz, dem Marx-Engels-Platz und dem großen Freiraum zwischen
diesen beiden Plätzen. Gegliedert wurde dieses Zentrumsband in Nord-Süd-Richtung zum einen
durch die Trasse der S-Bahn mit der Station Alexanderplatz und zum anderen durch den Palast der
Republik, begrenzt wurde es durch das ehemalige Haus der Elektroindustrie im Osten und das
ehemalige Außenministerium der DDR im Westen. Die Struktur dieses Zentrums war nach
Gründung der DDR noch keineswegs absehbar. Sie ist wesentlich ein Produkt der städtebaulichen
Bemühungen der sechziger Jahre, die die großen Debatten um diesen Ort während der fünfziger
Jahre zur Voraussetzung hatten.
2.7.1. Ostorientierung des ehemaligen Schloßbereichs
Mit der Abdankung der Hohenzollern im Jahre 1918 hatte sich der Staat bzw. sein höchster
Repräsentant formal von der Spreeinsel verabschiedet. Die Museumsinsel - einst ein Kind des
Schlosses - vereinnahmte ihren Geburtsort, das Schloß wurde selbst Museum. Die Stadt hatte die
ganze Spreeinsel zurückgewonnen. Dieser Funktionswechsel wurde erst in der DDR-Zeit wieder
rückgängig gemacht - ausgerechnet in der Folge des auch durch lebhafte Proteste nicht
abwendbaren Abrisses der Schloßruine.
Nach der Staatstribüne wurde auf dem leergeräumten Schloßgelände, dem Marx-Engels-Platz,
1962-64 der Sitz des Staatsrates errichtet. Mit diesem Gebäude erhielt der Platz zunächst das
baugeschichtlich wertvollste Zeugnis der frühen DDR-Moderne in Berlin. Der 1964-67 folgende
Bau des Auswärtigen Amtes signalisierte de facto ein neues Zentrumsverständnis. Erstmals brach
dieses Gebäude im Dunstkreis des ehemaligen Stadtschlosses dessen Höhendiktat. Es verdeutlichte
durch seine Barrierenwirkung den östlichen Abschluß des - geschrumpften - modernen
Zentrumsbandes, das nach der Logik der späten sechziger Jahre vom Alexanderplatz bis zum MarxEngels-Platz reichte. Dorotheen- und Friedrichstadt gerieten damit städtebaulich in einen Schatten.
Allerdings wurde die Rekonstruktion ehemals herrschaftlicher Gebäude am östlichen Ende der
Straße Unter den Linden auch in dieser Phase fortgesetzt - so etwa 1968/69 mit dem Wiederaufbau
des Kronprinzenpalais. Zugleich wurde auch der geschlossene, in der Höhe begrenzte Straßenraum
der Lindenallee bis zum Pariser Platz in moderner Form wiederhergestellt.
61
Die lange Auseinandersetzung um die Ost-Begrenzung des Marx-Engels-Platzes, das heißt um den
herrschenden Zentralbau, wurde erst in den siebziger Jahren beendet - durch den Bau des Palastes
der Republik (1973-76), der dem Zentrumsband der Hauptstadt der DDR zwischen Marx-EngelsPlatz und Alexanderplatz seine endgültige Form gab. Dieser Großbau diente als Tagungsort der
"Volkskammer", aber auch und vor allem als Ort der Kultur, Begegnung und Unterhaltung, als
zentraler Ort des öffentlichen Lebens - bis an die Grenze dessen, was an "Öffentlichkeit" in der
DDR möglich war. Der Marx-Engels-Platz selbst blieb trotz aller Programmatik ein Halte-Platz von
bescheidener stadträumlicher Bedeutung: Autoabstellplatz im Alltag, ganz selten
Kundgebungsplatz. Selbst die Maidemonstrationen und die Oktobermilitärparaden fanden nach dem
Bau des Palasts der Republik wieder in der Karl-Marx-Allee statt.
Seit 1959, also schon vor der Einrichtung des Staatsrats, besetzte das Zentralkomitee der SED den
ehemaligen Reichsbankneubau auf dem benachbarten Friedrichswerder. Damit war eine nord-südgerichtete stadträumliche Barriere staatlicher Großbauten entstanden, die die Barrierenfunktion des
ehemaligen Schlosses bei weitem übertraf.
Die Städtebaupolitik der DDR zielte weder auf eine Erhaltung noch auf eine Weiterentwicklung des
historisch wertvollen Stadtraums, sondern auf einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Das
Ergebnis war auf der Westseite des ehemaligen Schlosses ein toter Stadtraum. Östlich der Spree
wurde die in den zwanziger Jahren angedachte radikale Rationalisierung des Stadtgrundrisses
exekutiert. Nach der Abräumung der noch erhaltenen Bauten entstand dort seit den sechziger Jahren
- anders als in den zwanziger Jahren geplant - ein gewaltiger Freiraum. Dieser stellte zum einen als radikale Abrechnung mit der alten Stadt - eine Fortsetzung der Hoffnungen der zwanziger Jahre
dar, zum anderen aber - hinsichtlich der Alternative zur "alten" Stadt - etwas ganz Neues,
Überraschendes. Die Alternative war nicht mehr die kompakte "moderne" City, sondern ein von
Zentrumsfunktionen eingerahmter freier Raum mit architektonischer Ausstattung.
Damit war eine vollkommen neue städtebauliche Figur geschaffen - ein Dreisprung von Freiräumen
unterschiedlichster Funktion und Qualität: der Marx-Engels-Platz, der große Freiraum zwischen
diesem Platz und dem Alexanderplatz und schließlich der Alexanderplatz selbst. Mit dieser neuen
Raumfolge wurde die Westorientierung des Schloßbereichs zugunsten einer Ostorientierung
gebrochen.
2.7.2. Der neue Alexanderplatz
Solange man einen Platz ausschließlich als formale Konfiguration von Gebäuden und Flächen
begreift, bleibt kein Zweifel: Die DDR-Führung hat in den sechziger Jahren den im Krieg
teilzerstörten Alexanderplatz gänzlich zerstört. Doch ein Platz ist mehr als "Architektur", er ist eine
Bühne sozialer Begegnung, einer Begegnung derjenigen, die mit den Massenverkehrsmitteln
hierher kommen, und derjenigen, die aus den angrenzenden Quartieren herbei hinstreben, nicht nur
aus dem Scheunenviertel. Döblins Alexanderplatz war kein Architekturplatz, sondern eine Bühne
gesellschaftlicher Randgruppen, eines harten Milieus, dessen Zurückdrängung mit städtebaulichen
Mitteln schon Martin Wagner am Herzen gelegen hatte.
Zerstört wurde dieses Milieu aber mit ganz anderen Mitteln: durch den Terror der
Nationalsozialisten, durch die Politik der Vertreibung und Vernichtung. Die Verfolgung vor allem
der Ostjuden im Scheunenviertel hatten das Milieu des Alexanderplatzes zerstört; die Bomben des
Weltkrieges trafen nur mehr die Kulisse eines Ortes, dessen soziales Leben bereits vernichtet war.
Als Alfred Döblin 1947 erstmals nach dem Kriege wieder Berlin und den Alexanderplatz besuchte,
notierte er: "Der Platz ist nicht leer, hier fahren einige Lastwagen, und Frauen schieben
Kinderwagen, in denen sie Holz transportieren. [...] Ich blicke in die großen Straßen, die vom Platz
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ausgehen. Ich wandere die Münzstraße hinunter, hier gab es früher viele Lokale, auch zweifelhafte.
Auch viel kriminelle Dinge sind hier passiert; es war ein ungeheuerliches Menschengewühl. Die
Lokale entdecke ich nicht mehr. Ich bin wie Diogenes mit der Laterne, ich suche und finde nichts."
(Dok. in: Tebbe/Jähner 1987, S. 131) Der Alexanderplatz der zwanziger Jahre war schon mehr als
ein Vierteljahrhundert zerstört, als die Neugestaltung des Platzes in der DDR vorbereitet wurde.
Ohne Zweifel war die Neugestaltung als "Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und des
Handels" sehr radikal: Nicht nur die Fläche des Platzes wurde um das Drei- bis Vierfache
vergrößert, auch die Raumbezüge wurden vollständig verändert. Der Platz wurde - wie schon von
Martin Wagner geplant - in erster Linie nach Westen gewendet und zum Bestandteil des
Zentrumsbandes der Hauptstadt der DDR. Dagegen bildeten nach Nordosten, Norden und
Nordwesten extrem breite Fahrstraßen stadträumliche Barrieren für die Fußgänger. Die
gestalterische Fassung des Platzes reichte allerdings über diese Barrieren hinaus.
Während die Gebäudefunktionen Kaufhaus, Hotel, "Haus des Lehrers" durchaus an die Tradition
des Platzes anknüpften, finden sich gestalterische Bezüge zur Vergangenheit eigentlich nur in der
Rekonstruktion der Bauten von Peter Behrens und in deren Höhenmaßstab: So orientiert sich etwa
die Höhe des 200 Meter langen Bürohauses nördlich des Alexanderplatzes an der Höhe der
Behrensbauten. Übertroffen wurde diese Traufhöhe von den mittleren, in der Höhe gleichen
Hochhäusern und dem alles überragenden "Bettenturm", dem Hotel "Stadt Berlin" mit einer Höhe
von über 100 m. Das Hochhaus sollte den "Drehpunkt" der zentralen Achse markieren, die von der
Straße Unter den Linden zur Karl-Marx-Allee führt.
In mancherlei Hinsicht ist der DDR-Platz eine - keineswegs lineare, aber mögliche Weiterentwicklung des Alexanderplatz-Projektes der zwanziger Jahre: Er ist Teil eines modernen,
nach Osten hin erweiterten Zentrums auf den Trümmern der alten Stadt, er ist autogerecht und
separiert die Fußgänger vom Autoverkehr.
Nachdem alle Versuche, die zentralen Orte des Ostens - nicht nur den Alexanderplatz, sondern auch
die Altstadt und das Scheunenviertel - radikal aufzuwerten, sie also den Plätzen und Straßen des
Berliner Westens anzugleichen, gescheitert waren, machten die Planer und Politiker der DDR-Zeit
aus der Not eine Tugend: Der Alex wurde zum Platz des Ostens schlechthin. Das immer wieder
beklagte strukturelle Gefälle des Zentrums wurde rabiat zurechtgerückt: durch die vollständige
Neuordnung des Gebiets der Altstadt östlich des Schlosses. Damit war das Schwergewicht des
Zentrums nach Osten hin verschoben.
2.7.3. Die Anlage des großen Freiraums zwischen Marx-Engels-Platz und
Alexanderplatz
Ausgangs- und Angelpunkt des Freiraums der sechziger Jahre war der Fernsehturm (1965-69), der
konzeptionell als Höhendominante in die Fußstapfen des bislang in der Nähe geplanten Zentralen
Hochhauses getreten ist. Der Fernsehturm stellt die Türme von Marienkirche und Rathaus mit
voller Absicht in den Schatten. Die Silhouette des Freiraums prägen im Westen der - hinsichtlich
seiner Erhaltung lange umstrittene - Berliner Dom (1975-81 äußerlich rekonstruiert) und im Osten
das Hotelhochhaus am Alexanderplatz (1967-70). Die Umbauung des Fernsehturms (1969-72)
diktierte die Gestaltung des Freiraums bis zur Spandauer Straße, deren Untertunnelung im übrigen
bereits 1959 geplant war. Der Freiraum wurde dem Fernsehturm untergeordnet, gestalterisch in ein
Sechseckmuster gezwungen, "hexagonalisiert".
Konzeptionell fand der Freiraum zunächst an der Spandauer Straße seine Grenze. Auf dem Gelände
westlich dieser Straße war noch Ende der sechziger Jahre ein Zentrales Gebäude geplant. Die
perspektivische Erweiterung in Richtung Westen war erst das Ergebnis politischer Entscheidungen
63
des Jahres 1973. Zu den "X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten" im Sommer 1973 legten
FDJ-Aktivisten auf dem Gelände des späteren Marx-Engels-Forums einen Park an. Bereits im März
1973 faßte das Politbüro der SED den Beschluß zum Aufbau des Palastes der Republik, und im
November 1973 wurde der Grundstein des Palastes auf der Westseite der Spree gelegt. Der Standort
für ein Zentrales Gebäude östlich der Spree war damit aufgegeben, die Entscheidung für die
Verlängerung des Freiraums in Richtung Westen war gefallen.
Der zu den "Weltjugendfestspielen" angelegte Park wurde in den Jahren 1984/85 zu einem MarxEngels-Forum umgestaltet. Die neue Anlage mit der Bronzeplastik von Ludwig Engelhardt und den
"Stelen", die städtebaulich als Verlegenheitsersatz für das geplante zentrale Gebäude zu betrachten
ist, führte zu einem Rückbau der Grünbereiche und zu einer Einschränkung der Nutzung. Die
Gestaltung des "Forums" erfolgte zeitgleich mit der Endphase des Baus des benachbarten
Nikolaiviertels (1980-87). Hier war eine Idee der dreißiger Jahre wiederaufgenommen und in DDRspezifischer Weise modifiziert worden. Als städtebauliche Krönung der 750-Jahr-Feier (Ost)Berlins signalisierte das pseudomittelalterliche Viertel zugleich ein völlig andersartiges
Verständnis von sozialistischem Umgang mit den mittelalterlichen Gründungsorten Berlins als die
benachbarte Fischerinsel. Das durchaus populäre, von Architekten aber eher weniger geschätzte
Viertel demonstriert in freier Nachempfindung eines "mittelalterlichen" Stadtgrundrisses eine
Kombination "historischer" Gebäude und "angepaßter" Plattenbauten in simulierter vorindustrieller
Höhenstaffelung.
Nikolaiviertel plus Forum bildeten so - nach den Bauten des Palasts der Republik und des
Palasthotels aus den siebziger Jahren - die letzten Großbausteine der Gesamtanlage. Diese
Bausteine der achtziger Jahre ordneten sich konzeptionell der in den sechziger Jahren begründeten
neuen städtebaulichen Großfigur des zentralen Freiraums unter.
Seine einprägsame Gestalt erhielt der Freiraum durch die strenge Form eines riesigen Rechtecks.
Die Seiten dieses Rechtecks haben jeweils ihre Besonderheiten. Im Osten vermittelte die SBahntrasse (Bahnhof 1963-64 rekonstruiert) zum Verkehrsknotenpunkt und östlichen Büro- und
Geschäftszentrum Alexanderplatz. Im Süden erstreckte sich die bauliche Sequenz "Baukomplex
Rathausstraße" (1967-73)/Rathaus (1861-69)/Nordfront des Nikolaiviertels. Das Rathaus verlor
durch diese Einordnung seine herausragende städtebauliche Bedeutung und wurde auf eine Facette
der Südseite des Freiraums reduziert. Rathauspassage wie Nikolaiviertel beherbergen - wenn auch
in baulich sehr verschiedener Form - eine bunte Funktionsmischung von Wohnen, Einkaufen und
Gastronomie. Die Westseite wird durch den Palast der Republik städtebaulich relativ überzeugend
besetzt. Im Norden erstreckte sich die bauliche Sequenz Palasthotel (1976-79)/"Baukomplex KarlLiebknecht-Straße Ecke Spandauer Straße" (1968-73)/"Wohnscheibe". Der Baukomplex und die
Scheibe beherbergen eine ähnliche Funktionsmischung wie die Rathauspassagen - die Scheibe
wurde zusätzlich durch die Markthalle bereichert. Die Neubauten der sechziger Jahre haben in der
Regel eine Höhe von etwa 42 Metern, also die doppelte Berliner Traufhöhe.
Der Freiraum selbst war und ist - unabhängig von seiner formalen Gestaltung - funktional
fragmentiert. Seine Gebrauchsqualität für Anwohner und Besucher wurde durch die
überdimensionierten Hauptverkehrsstraßen Karl-Liebknecht-Straße und Spandauer Straße
eingeschränkt. Die vorhandenen Fixpunkte wie Fernsehturm, Marienkirche, Neptunbrunnen (1969
restauriert aufgestellt), Kaskadenbrunnen und - jenseits der Spandauer Straße - das Marx-EngelsDenkmalsensemble waren nicht in der Lage, den Großraum ausreichend zu strukturieren und eine
bunte Gebrauchspalette anzubieten bzw. anzuregen. Die Form des Sechsecks erschließt sich nur aus
der Vogelschau und läßt Flexibilität wie Variabilität vermissen.
64
2.7.4. Der Kahlschlag auf der südlichen Spreeinsel und dem Friedrichswerder
Der radikalen planerischen Modernisierung der späten fünfziger Jahre folgte in den sechziger
Jahren der Kahlschlag wichtiger überkommener Gebäude: der Abriß der (bereits im Wiederaufbau
befindlichen) Bauakademie (1961/62), der Petrikirche (1964) und des gesamten Fischerkietzes. Mit
der Bauakademie und der Petrikirche verlor das Zentrum Berlins nicht nur zwei historische
Gebäude, sondern auch zwei Halte-Plätze, den Werderschen Markt und den Petriplatz. Der Abriß
des kleinteilig parzellierten und bebauten Fischerkietzes und die Auslöschung des artikulierten
Straßenzuges zwischen Gertraudenbrücke und Mühlendamm waren für die Identität Berlins
mindestens ebenso folgenschwer wie der Abriß des Stadtschlosses: Hier wurde einer der beiden
Gründungsorte Berlins nahezu spurlos beseitigt. Lediglich die kaiserzeitliche Gertraudenbrücke und
der nahegelegene, in den siebziger Jahren rekonstruierte Altbaublock an der Scharrenstraße bilden
bis heute ein Relikt verflossener Zeiten. Die neue, achtspurige Autopiste der Gertraudenstraße
sprengte auch den Zusammenhang zwischen nördlicher und südlicher Bebauung und isolierte den
Stadtraum der Fischerinsel. Die Neubebauung mit Hochhäusern bringt diese Isolierung zum
Ausdruck: Sie ist sich selbst genug - ohne jede stadträumliche Vernetzung in irgendeine Richtung.
Funktional war die reine Wohnbebauung eine programmatische Antwort auf die kapitalistische
City.
Der Friedrichswerder besaß in dieser neuen Figuration überhaupt keinen Halte-Platz mehr. Aus dem
Werderschen Markt wurde ein Restraum ohne Attraktivität, das gleiche gilt für den Spittelmarkt und, mit Abstrichen, für den Hausvogteiplatz. Einsam, ohne stadträumliche Einbindung, wird der
seltsame Restraum durch den Bau der Reichsbank, den ehemaligen Sitz des Zentralkomitees der
SED, dominiert, dessen gekrümmte, jetzt freigelegte Form allein an die Gestalt des alten
Friedrichswerder erinnert. Die Machtzentrale der DDR hatte jeden Kontakt mit der Stadt
vermieden.
Mit der Reduktion der südlichen Spreeinsel zu einer Transitzone ging ein bereits in den dreißiger
Jahren eingeleiteter Verlust des Bezugs des Zentrums zum Wasser einher. Die neuen, modernen
Flußübergänge entlang der Hauptstraßenzüge sind weder als Brücken inszeniert noch als solche
erfahrbar - so die Mühlendammbrücke, die damals größte Spannbetonbrücke der DDR (1964-68),
und die neue Gertraudenbrücke (1977/78). Jenseits des Autoverkehrs sind - bis heute - einige alte
Brücken in vereinfachter Form erhalten - die Jungfernbrücke und die kaiserzeitliche
Gertraudenbrücke, die neben der neuen Auto"brücke" als bescheidene Nebenbrücke für Fußgänger
ihr Dasein fristet.
2.8. Das Zentrumsband nach 1989
Nach dem Untergang der DDR sollte das Zentrumsband, das die Hauptstadt der DDR symbolisch
zusammenfaßte, neu gestaltet werden. Zwei Vorgänge waren hier von Bedeutung: die
Vorbereitungen zum Umbau des Alexanderplatzes und zum Umbau des Marx-Engels-Platzes.
Beide Vorhaben hatten unterschiedliche Protagonisten: Beim Alexanderplatz drängten private
Investoren aus dem Westen zum Bau verdichteter Büro- und Geschäftsflächen, beim Marx-EngelsPlatz (seit November 1994 Schloßplatz) drängte die Bundesregierung im Rahmen der
Hauptstadtplanung auf die Festlegung von Regierungsstandorten, zugleich forderte eine nicht nur
konservative Kulturlobby den Wiederaufbau des Schlosses. Beide Plätze waren Gegenstand
städtebaulicher Ideenwettbewerbe. Beide Plätze hielten Berlin in Atem: Sie beherrschten die
öffentliche Aufmerksamkeit, sie waren Gegenstand eines Streites, der auch die Bevölkerung zu
unüberhörbaren Protesten trieb. Weitaus weniger öffentliche Aufmerksamkeit fand dagegen der
zentrale Raum des Zentrumsbandes, der gewaltige Freiraum mit dem Fernsehturm.
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Der Umgang mit der zentralen Hinterlassenschaft des DDR-Städtebaus ist ein Gradmesser der
aktuellen Städtebaukultur, aber auch der politischen Kultur des "Zusammenwachsens" von Ost und
West überhaupt. Die Komplexität und Bedeutung dieses Umgangs sind damit aber noch nicht
erschöpft. Es geht hier ja nicht nur um das Zentrum der ehemaligen DDR, sondern zugleich um
einen Ort, der die Geschichte Berlins wie kein anderer spiegelt und bündelt.
2.8.1. Wettbewerb Alexanderplatz
Als erster Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes wurde der Alexanderplatz ein Gegenstand
städtebaulicher Neugestaltungsbemühungen. Seine Erneuerung sollte exemplarisch für die
Erneuerung des Ostens stehen. Der künftige Platz - das war der nicht gerade bescheidene Anspruch
- müßte der Mitte Berlins eine neue Identität geben.
Wie der Platz erneuert werden soll, schien nach dem Wettbewerb geklärt zu sein. Bekannt ist
zumindest ein Bild des neuen Platzes, das im Prozeß des Wettbewerbs entstanden ist, die Vision des
Wettbewerbsgewinners Hans Kollhoff, die den Zustand des Platzes im Jahre 2010 darstellen soll.
Das Bild war fachlich durch das Preisgericht und politisch durch die zustimmende Haltung des
Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz legitimiert.
Interpretiert wird das prämiierte Bild des neuen Platzes in einem fiktiven Artikel aus dem Jahre
2010, der sich in der offiziellen Publikation zu den Ergebnissen des Wettbewerbs findet: "Auf
Kollhoffs Plan gehen die seit nunmehr zwölf Jahren bestehenden Cafés, Restaurants und Geschäfte
am Platz zurück. Sie sind nach Süden ausgerichtet und wegen des ständigen Sonnenscheins bis
abends gerammelt voll. Dichtes Treiben herrscht auf dem Platz nicht erst seit der Verlängerung der
Ladenöffnungszeiten im Jahr 1999. [...] Heute ist der Alex das, was Architekt Kollhoff einst
erreichen wollte: ein 'Peoples Place' - ein Platz für die Menschen: Auf den Steinen rund um die
Glaskuppel sitzen Porträtzeichner, daneben Andenkenhändler. [...] Die Hütchenspieler sind seit
1997 nicht mehr auf dem Pflaster zu finden - zu diesem Zeitpunkt setzte sich in der Rechtsprechung
durch, daß es sich bei dem Spiel um Betrug handelt." (Paul 1993)
Das ist zweifellos eine sozialräumliche Vision: keine Hütchenspieler, aber Porträtzeichner,
Andenkenhändler und eine nicht näher differenzierte Masse wimmelnder Menschen; Menschen, die
die Cafés, Restaurants und vor allem die Geschäfte mit längeren Ladenschlußzeiten besuchen, also
Waren nachfragen. Der Alexanderplatz soll "eine große städtische Stube" werden, so die Worte
Kollhoffs, "wo sich die Menschen zuhause fühlen", ein "People's Place" also. Darauf legen die
Interpreten des Bildes großen Wert. Denn ein "People's Place" war ja der Platz auch schon früher Viehmarkt in der Zeit des Absolutismus, Einkaufs- und Vergnügungszentrum um die
Jahrhundertwende und vor allem Bühne gesellschaftlicher Randgruppen in der Weimarer Republik.
Der Alexanderplatz ist zugleich der Ort, an dem wenigstens einer der vielen Modernisierungspläne
der zwanziger Jahre auch einmal praktisch umgesetzt werden konnte. Ein Ort der
Großstadtgestaltung unter der Regie des damaligen Stadtbaurats Martin Wagner, ein Ort, der seitens
der Disziplin Architektur besondere Aufmerksamkeit beanspruchte und beanspruchen kann.
Tatsächlich soll auch der künftige Alexanderplatz an die Tradition der zwanziger Jahre anschließen.
Es ist beabsichtigt, die überkommenen Bauten der damaligen Zeit zu erhalten, an deren Höhen die
Traufhöhen der Blöcke zu orientieren und die Größe des damaligen Platzes wiederherzustellen.
Formale Tradition und ein erneuerter Sozialraum - auf diese beiden Aspekte hebt die offizielle
Interpretation des Bildes des Alexanderplatzes von morgen ab. Diesem Bild liegt eine äußerst
negative Einschätzung des vorhandenen Alexanderplatzes zugrunde, die in der Behauptung einer
"städtebaulichen Wüste" ihren Höhepunkt findet.
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Von "Brache", "öder Betonwüste" und ähnlichem zu reden, zeugt aber von einem geringen Grad an
Nüchternheit. Der heutige Alexanderplatz ist ein Produkt städtebaulicher Überlegungen im Kontext
einer Gesamtplanung für das Ost-Berliner Zentrum, deren Ergebnis sicher kritisiert werden muß.
Doch statt einer Kritik wird der platte Weg der Diffamierung bevorzugt. Beliebt ist etwa die völlig
unzulässige Gleichsetzung des Platzes mit dem Areal am Potsdamer Platz.
Daß der Alexanderplatz, nicht der Marx-Engels-Platz der eigentliche zentrale Platz Ost-Berlins war,
steht außer Zweifel. Auch, daß er kein Aufmarschplatz war, sondern ein Ort des Alltags, eine
Drehscheibe des öffentlichen Massenverkehrs, ein Ort mit einem oft etwas besseren
Konsumangebot. Daß die dramatische Veränderung der Platzes nach 1989 nicht nur mit der
"Alternative Kurfürstendamm" erklärt werden kann, ist ebenfalls unbestreitbar: Die funktionale
Leere der Gebäude am Alexanderplatz, insbesondere in den Erdgeschoßzonen, war ein Produkt der
Wendezeit.
Was diesen Platz offenbar bei vielen westlichen Architekten diskreditiert, ist seine Entstehungszeit,
die sechziger Jahre. Den Platz als Produkt "sozialistischen", ja "kommunistischen" Städtebaus oder
gar als "Rache Ulbrichts" zu begreifen, ist allerdings etwas kurzsichtig. Der moderne
Alexanderplatz ist vor allem ein Produkt einer ost-west-übergreifenden Städtebauideologie der
Sechziger-Jahre-Moderne. Seine "kommunistische" Besonderheit drückt sich darin aus, daß sein
Bau sich - anders als bei Martin Wagner, aber durchaus in dessen Sinne - über die Restriktionen des
privaten Bodeneigentums hinwegsetzen konnte. Der Alexanderplatz wurde - im Gegensatz zu
manchen vergleichbaren Projekten im "Westen" - als Zeichen einer angeblich besseren Stadt nicht
nur gezeichnet, sondern auch gebaut.
Die Träume der sechziger Jahre sind aber heute in westlichen Fachkreisen in einer Weise kulturell
entwertet, daß die geplanten rabiaten Umgangsformen verständlich werden. Zur Disposition
standen nach der Wende nahezu alle Neubauten der DDR-Zeit. Zu denken geben sollte nicht nur der
geplante Kahlschlag, sondern auch die Tatsache, daß dieser Kahlschlag gar nicht begründet wurde,
gar nicht begründet werden mußte, kein Ergebnis differenzierter Analysen war, die sich dem Feuer
der öffentlichen Diskussion gestellt hätten. Wie früher die verhaßte Stadt des 19. Jahrhunderts
schien der Abriß der städtebaulichen Produkte der sechziger Jahre keiner Legitimation mehr zu
bedürfen. Die unverantwortliche Rede von einer "städtebaulichen Wüste" machte jede differenzierte
öffentliche Diskussion und Bewertung überflüssig. Damit war der Boden für eine Neugestaltung
aus einem Guß kulturell vorbereitet, das alternative Konzept des "Weiterbauens" am Bestand
dagegen der Lächerlichkeit preisgegeben.
Im Januar 1993 schrieb die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz zusammen
mit den interessierten Investorengruppen einen beschränkten, zweistufigen Wettbewerb aus. Die
Auslobungsbroschüre kann als Wunschliste der Investoren betrachtet werden, der keine
entsprechenden Positionen der öffentlichen Hand gegenübergestellt wurden. Auf der Wunschliste
standen in erster Linie Büroräume. Büroräume wurden in der Interpretation des Zukunftsbildes
schlicht vergessen. Cafés sind ja auch werbewirksamer als Büros. Fünf Architektengruppen wurden
im April 1993 für die zweite Stufe des Wettbewerbs ausgewählt. An der zuständigen Jury waren die
Investoren maßgeblich beteiligt.
Im Juni 1993 wurde die zweite Stufe des Wettbewerbs gestartet. Die Rahmenbedingungen hatten
sich inzwischen verändert: Die Wunschliste der Investoren war obsolet geworden. Der Markt für
Büroflächen expandierte nicht so stürmisch wie erwartet. Investoren anderer Standorte hatten gegen
die Massierung von Büroflächen am Alexanderplatz Stellung bezogen. Der mit dem Verfahren
nicht befaßte Bausenator machte sich zum Anwalt dieser Stimmen und forderte eine Reduzierung
der geplanten Büroflächen. Der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz näherte sich dieser
67
Position an. Den Richtungswechsel förderte die unerwartet heftige Ablehnung der
Neugestaltungsprojekte durch die Bevölkerung, insbesondere durch die Bewohner der
angrenzenden Stadtteile. Diese Bewohner brachten ihre berechtigte Angst vor den negativen Folgen
eines solchen Megaprojekts für die nahen Wohnviertel in der Spandauer Vorstadt und im Norden
wie Osten des Alexanderplatzes lautstark zum Ausdruck.
Im September 1993 wurden die Ergebnisse der zweiten Wettbewerbsstufe der Öffentlichkeit
präsentiert. Wie zu erwarten war, konnte das in der Ausschreibung formulierte Programm nicht
mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden. Fast 1 Million Quadratmeter Bruttogeschoßfläche
sollten gebaut werden, davon über 600.000 Quadratmeter - also mehr als die Hälfte - Bürofläche.
Gewonnen wurde der Wettbewerb - wie bereits erwähnt - von Hans Kollhoff.
Kollhoffs Vorschlag ist ein klassisches Projekt eines neuen Platzes aus einem Guß. Seine
Agglomeration von Hochhäusern im Geflecht von Blockstrukturen kann nur so, wie vorgeschlagen,
und nicht anders realisiert werden. Das war jedenfalls die Aussage von Kollhoff. Die Zahl der
Hochhäuser von immerhin etwa 150 Metern Höhe ist fixiert, ebenso ihr Standort. Jeder Standort ist
hinsichtlich Nahsicht wie Fernsicht begründet. Das schließt jede weitere Entwicklung vor, während
und nach Fertigstellung des Projekts aus.
Der Bezug zum Platz der zwanziger Jahre beschränkte sich auf die in der Ausschreibung geforderte
Erhaltung der Bauten von Peter Behrens, die zugleich die Traufhöhe der neuen Blockrandbebauung
vorgaben. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Platz des Ostens wurde nicht sichtbar.
Kollhoff operationalisierte faktisch die These von der "städtebaulichen Wüste". Er will die
vorhandene Bebauung weitgehend abbrechen. Der Platz wird wieder verkleinert. Die Hochhäuser
werden vom Platz abgerückt, sie sollen den Platz halbkreisförmig einfassen. Damit hat die geplante
Raumfigur eine Vorderseite und eine Rückseite. Die Vorderseite ist nach Westen orientiert. Das
geforderte Flächenprogramm wurde in dem Bebauungsvorschlag übererfüllt. Die Zahl der
ausgewiesenen Parkplätze betrug über 11.000.
Überraschend ist das grenzenlose Vertrauen der Jury wie der Verantwortlichen in ein Projekt aus
einem Guß, in ein Projekt solcher Rigidität, das dem jahrzehntealten, nie erfüllten Traum von
städtebaulich sauber verordneten Hochhäusern weiter nachhängt. Mehr als 20 Jahre, so die völlig
unbegründete Hoffnung, werde das Konzept Bestand haben. Damit wird das Problem der
Operationalisierung eines solchen Großprojektes erneut der öffentlichen Diskussion entzogen.
Präsentiert wird ein fertiges Bild, ein Bild des Endzustands, der Weg zu diesem Endzustand bleibt
im Dunkel.
Seine Befürworter feiern den siegreichen Entwurf als Ausdruck "Berlinischer Architektur". Der
zuständige Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz spricht von "einer berlinischen Form
zeitgenössischen Städtebaus". (Hassemer 1993) Einer näheren Betrachtung hält diese These nicht
stand. Berlinisch - das heißt im offiziellen Sprachgebrauch Steinfassaden, Orientierung am
steinernen Berlin, das heißt auch Blockstrukturen, Hochhäuser, die aus dem Block herauswachsen
und keine Solitäre sind. Steinerne Hochhäuser im Kontext von baulichen Blockstrukturen sind aber
Elemente einer internationalen Architekturströmung der zwanziger Jahre, hinter denen spezifische
gesellschaftliche Leitbilder von moderner Stadt standen. Für Berlin schlug Bruno Möhring ähnliche
Hochhäuser vor, die allerdings nie gebaut wurden. In den USA präsentierte Hugh Ferris in seinen
berühmten Zeichnungen Visionen einer solchen Architektur.
Die Folgen des überzogenen Projekts für die angrenzenden Stadtteile sind bislang nicht ernsthaft
geprüft worden, obwohl dies bei öffentlichen Anhörungen mehrfach gefordert wurde. Ohne eine
Wirkungsanalyse ist aber nur eine eingeschränkte, formale Bürgerbeteiligung möglich. Dennoch
war der Protest vor allem der Bewohner der Umgegend massiv - blieb aber hinsichtlich der Planung
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weitgehend folgenlos. Das ist eine schlechte Voraussetzung für die identitätsstiftende Kraft eines
"People's Place". Statt eines Bürgerplatzes für den Berliner Osten wird ein Bürozentrum für
westliche Investoren entstehen. Statt zu den angrenzenden Stadtteilen zu vermitteln, werden diese
bedrängt. Die Beschwörung eines "People's Place" bleibt ohne realen Gehalt, Ausdruck aber auch
der Unsicherheiten westlicher Akteure auf Ost-Berliner Boden.
Das scheinbar klare Bild des neuen Alexanderplatzes begann allerdings schon bald nach der
Wettbewerbsentscheidung zu flimmern. Der Bausenator machte sich für eine Erhöhung der Zahl der
Neubauwohnungen und eine Reduzierung der Zahl der Hochhäuser stark. Dies führte zu einer
kuriosen Situation: Ausstellungsmodelle des künftigen Berliner Zentrums zeigten nun zwei
unterschiedliche Versionen des Alexanderplatzes - eine mit mehr (Version der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umweltschutz) und eine mit weniger Hochhäusern (Version der
Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen). Aber nicht nur das Bild des neuen Platzes
wandelte sich, sondern auch die geplante Nutzung: Angesichts der sich zuspitzenden
Überproduktion von Büroräumen erhöhte sich die Quote des geplanten Wohnraums weiter. Die für
den Bereich Alexanderplatz vorgesehene Erstellung eines Bebauungsplanes wurde schließlich dem
widerspenstigen Bezirk Mitte entzogen. Ungeachtet aller Planungen aber zeigte sich bald, daß von
schnellen Neubauinvestitionen nicht mehr die Rede war.
Vorschlag: Weiterbau eines "Platzes des Ostens"
Verringerung des fließenden wie ruhenden Autoverkehrs, Mischung nicht nur in funktionaler,
sondern auch in sozialer Hinsicht, Bildung eines bunten Spektrums auch kleinteiligen Eigentums das sind einige Anregungen, die die Geschichte des Alexanderplatzes nahelegt. Der Platz darf nicht
zum Büroplatz verkümmern. Die geplante Bürofläche muß vermindert, die geplante Wohnfläche
erhöht werden. Insgesamt müßte die geplante bauliche Dichte - zur Entlastung der Umgebung wie
zur Rettung der polyzentralen Struktur Berlins - drastisch reduziert werden. Gestalterisch ist das
Konzept einer städtebaulich verordneten Hochhausagglomeration alles andere als berlinisch und
hinsichtlich der praktischen Umsetzung illusorisch. Erforderlich sind weiter der Abschied vom
Konzept des Wegwerfplatzes und die Umorientierung in Richtung Weiterbauen unter Verzicht auf
"Regelmäßigkeit".
Weiter, aber wohin? Im Konzert der verschiedenen künftigen zentralen Lagen Berlins wird - so
kann vermutet werden - der Alexanderplatz ein Fixpunkt des Ostens bleiben - wenngleich sich das,
was sich als Milieu des Ostens darstellt, natürlich verändert hat und weiter verändern wird.
Dennoch wird eine reine Aufwertungsstrategie scheitern, eine Strategie der Aufwertung durch
Büros mit Spitzenpreisen, durch Einkaufswelten mit Topwaren, durch Luxuswohnungen und die
angeblichen Speerspitzen der Urbanität, die feinen Cafés: Geschichte, Gegenwart und absehbare
Zukunft werden diesen Platz wieder einholen, das heißt zu einem Platz des Ostens machen. Der
künftige Alexanderplatz sollte seine historisch-geographische, sozialräumliche Lage funktional wie
gestalterisch nicht krampfhaft verleugnen, sondern von vornherein offensiv als "Herz und Seele des
Ostens" konzipiert werden - so schon der Vorschlag des Großgrundbesitzers Heinrich Mendelsohn
im Jahre 1929.
2.8.2. Wettbewerb Spreeinsel
Als zweiter Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes der DDR soll der Marx-Engels-Platz, jetzt
Schloßplatz, erneuert werden. Der ehemalige Schloßbereich gilt vielen als Mitte der Mitte Berlins,
als das Zentrum schlechthin. Wie dieser Ort gestaltet werden soll, ist heftig umstritten. Ein privater,
durch finanzkräftige Sponsoren unterstützter "Förderverein Berliner Stadtschloß" fordert den
Wiederaufbau des zerstörten Stadtschlosses; eine finanziell schwache, aber durch einen breiten
Protest vor allem von Ost-Berliner Bürgern beflügelte "Spreeinselinitiative" fordert den Erhalt des
69
Palasts der Republik, eine dritte, architektonische Fraktion fordert etwas Neues: zeitgemäße,
"moderne" Architektur. Konsens herrscht lediglich hinsichtlich einer Auffassung: Die räumliche
Struktur des Marx-Engels-Platzes ist unbefriedigend.
Das Bild des künftigen Platzes ist entsprechend umstritten. Der eindringlichen, längere Zeit zu
bewundernden Fassadenkulisse des verschwundenen Schlosses im Maßstab 1:1 standen keine
entsprechend klaren Bilder der beiden anderen Grundsatzpositionen gegenüber. Für die Befürworter
des Wiederaufbaus soll das neue Schloß der Ort werden, an dem die Identität der nicht richtig
zusammenwachsenden Stadt einen neuen Halt finden kann.
Diese Auffassung war die Folge einer erneuten Westorientierung des ehemaligen Schloßbereiches.
Diese Entwicklung war nicht weiter verwunderlich: Der Blick der neuen Planer, Architekten,
Politiker und Investoren war fast ausschließlich ein Blick von Westen, und die Wiedergeburt der
Dorotheen-/Friedrichstadt gab diesem Westblick eine materielle Basis. Für den Blick von Westen
ergab sich vor allem ein zentrales Problem: Die Sicht von der Straße Unter den Linden in Richtung
Osten war gestört. Dieses Problem erheischt - so die Argumentation - den Wiederaufbau des
Schlosses.
Tatsächlich war es nur der Blick, der die Emotionen wallen ließ, die Funktion des neuen Schlosses
wurde kaum diskutiert, interessierte die Wiederaufbaustrategen weniger. Die Zähigkeit dieser
Sichtweise überlebte sämtliche Turbulenzen der Hauptstadtplanung: die geplante Verortung und
Entortung des Bundespräsidenten, die Verortung und Entortung des Außenministers.
Mit dem internationalen städtebaulichen Ideenwettbewerb "Spreeinsel" wurde im Herbst 1993 der
Versuch gestartet, ein neues oder altes Bild des ehemaligen Schloßbereichs zu finden. Immerhin
1.105 Teilnehmer legten in der ersten Wettbewerbsphase Entwürfe vor. Das war - nach dem
Wettbewerb Spreebogen mit 835 Teilnehmern - ein neuer Rekord. Die Auslober des Wettbewerbs
beabsichtigten vor allem eines: die Vorbereitung eines zweiten Regierungsschwerpunktes im
Zentrum von Berlin - am und um den Marx-Engels-Platz. Dies war nicht nur das Interesse der
Bundesregierung, sondern auch des Senats von Berlin, der ja immer seine "Hausaufgaben"
erledigen muß, um den Hauptstadtumzug nicht zu verzögern.
Allerdings war das Gebiet des Wettbewerbs "Spreeinsel" viel größer: Es umfaßte den Hauptteil des
alten Friedrichswerder und einen Großteil der südlichen Spreeinsel. Gerade dieses Gebiet hätte
Berlin besonders interessieren müssen. Denn hier hatte sich mit der Stadt Cölln eine Wiege der
Hauptstadt befunden, hier hatte über Jahrhunderte das Herz des bürgerlichen Berlin geschlagen, das
zum herrschaftlichen Berlin um das Schloß kontrastierte. Hier war der Ort, der die für das Berliner
Zentrum entscheidenden Ost-West-Beziehungen vermittelte. Der Umgang mit dem doppelten
historischen Ungleichgewicht zwischen westlichem und östlichem Teilzentrum sowie zwischen
herrschaftlichem Norden und bürgerlichem Süden auf der Insel selbst stellte die zentrale strukturelle
Aufgabe dar, der sich die Verortung der Regierungsstandorte hätte unterordnen müssen.
Das durch Neubauten zu realisierende Nutzungsprogramm schien durch die Auslobungsunterlagen
auf den ersten Blick relativ eindeutig formuliert: Gefordert wurde - neben dem Neubau des
Außenministeriums und dem Kopfbau des Innenministeriums - ein Kongreßzentrum und eine
städtische Bibliothek. Allerdings änderten sich während des Wettbewerbsverfahrens die
Konditionen wesentlich: So wurde der Raumbedarf des Außenministeriums von 130.000 auf
100.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche reduziert. Nach Abschluß des Wettbewerbs wurden für
die Nutzung der Reichsbank die Karten neu gemischt: Statt des Innenministeriums sollte nun das
Wirtschaftsministerium einziehen; der geplante Kopfbau wurde zurückgestellt. Besonders wackelig
war nämlich die materielle Fundierung des gesamten Bauprogramms - und zwar nicht nur bei den
70
Neubauten der Ministerien. Offen war vor allem die Finanzierung der großen nicht-ministeriellen
Einrichtungen am Marx-Engels-Platz: des Kongreßzentrums und der städtischen Bibliothek.
Viel sicherer waren sich die Auslober offenbar in ihrer grenzenlosen Geringschätzung des baulichen
DDR-Erbes. In der Auslobungsbroschüre wurde - mit allem Nachdruck - der Abriß des Palasts der
Republik gefordert, ebenso der Abriß des DDR-Außenministeriums. Ob auch das Staatsratsgebäude
- ein eingetragenes Baudenkmal - abgebrochen werden sollte, wurde den Teilnehmern überlassen.
Der Abriß des markanten Gaststättenkomplexes "Ahornblatt" an der Gertraudenstraße wurde
nahegelegt. Auch die meisten DDR-Bauten zwischen dem Staatsratsgebäude und der
Gertraudenstraße standen zur Disposition. Vom Abriß ausgenommen waren - aus
wohnungspolitischen Gründen - die Wohnbauten der DDR-Zeit, darunter das Ensemble der
"Fischerinsel". Mit diesen Vorgaben wurde erneut - nach den (schlechten) Erfahrungen am
Alexanderplatz - ein beispielloser Kahlschlag stimuliert.
Trotz des ungeklärten Gesamtkonzeptes für den Zentrumsverkehr wurden in der zweiten
Wettbewerbsphase neue verkehrspolitische Vorgaben ins Spiel gebracht, die zu Alarm Anlaß
gaben. War schon die Forderung nach 1.100 Tiefgaragenplätzen für die beiden Ministerien und das
Konferenzzentrum sehr problematisch, so mußten die Anforderungen an die
"Hauptverkehrsstraßen" Unter den Linden, Gertraudenstraße und Breite Straße für ein
großstädtisches Zentrum als unerträglich bezeichnet werden.
Für die Breite Straße wurden vier Fahrstreifen plus zwei Park-/Lieferstreifen gefordert. Damit
konnte diese ehemals herrschaftliche Straße zwar zurückgebaut werden, aber nicht im
erforderlichen Umfang. Mit der Planung von sechs Fahrstreifen plus besonderem Bahnkörper für
die Straßenbahn in der Gertraudenstraße wurde bereits im Vorfeld die Abwertung und Isolierung
der südlichen Spreeinsel als Stadtraum und die weitere Reduktion der Gertraudenstraße als
Transitzone fortgeschrieben.
Die Zusammensetzung des Preisgerichts war schon hinsichtlich der quantitativen Präsenz der
Auslober nicht ganz unproblematisch. Unverantwortlich war aber das geringe Gewicht von
Preisrichtern aus den neuen Bundesländern, die Ausgrenzung von Sichtweisen und Wertungen aus
dem Osten.
Aufgrund all dieser Weichenstellungen waren die Neugestaltungspläne für die Spreeinsel
weitgehend vorprogrammiert: Konzentration auf die Regierungsbauten, Kahlschlagorientierung
gegenüber den DDR-Bauten vor, Autoorientierung wie zu DDR-Zeiten und Vernachlässigung der
strukturellen Hauptaufgabe, nämlich die städtebaulichen Ungleichgewichte im Berliner Zentrum zu
überwinden.
Wie zu befürchten war, richtete sich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer, des Preisgerichts und der
Öffentlichkeit einseitig auf die Gestaltung des Umfeldes des Marx-Engels-Platzes. Fragen der
Nutzung blieben weitgehend ausgeklammert, nachdem die Auslober des Wettbewerbs den
ungefähren Standort und das Raumprogramm für das Auswärtige Amt festgelegt und eine
Kombination von Kongreßzentrum und Stadtbibliothek für das zentrale Gebäude der "Berliner
Republik" ins Spiel gebracht hatten.
Der Marx-Engels-Platz ist zweifellos ein Angelpunkt der Berliner Stadtentwicklung - in politischer,
städtebaulicher und symbolischer Hinsicht. Die Gestaltung dieses Platzes mußte nicht nur aus der
Westsicht, von der Straße Unter den Linden her, sondern auch aus der Ostsicht, vom Fernsehturm
her, diskutiert werden. Der Ort der Vermittlung zwischen Ost und West ist das Areal des
verschwundenen Stadtschlosses, auf dem heute der Palast der Republik steht.
71
Der Forderung nach Abriß des Palastes der Republik folgten die meisten Wettbewerbsteilnehmer,
diesem Diktat ordnete sich das Preisgericht unter - wenngleich mit leichtem Widerspruch. Der erste
Preisträger, Bernd Niebuhr, wollte das DDR-Gebäude abreißen, um einem gewaltigen Kubus Platz
zu machen, der über die Dimension des alten Schlosses hinausgeht und durch einen riesigen ovalen
Hof gekennzeichnet ist. Von den zwölf durch Preise und Ankäufe ausgezeichneten Arbeiten wollten
aber immerhin zwei den Palast voll und einer partiell erhalten: der 4. Preis (Oswald Mathias
Ungers), der 3. Ankauf (Peter Zlonicky, Kunibert Wachten, Othmar Ebert) und der 5. Ankauf
(Wilhelm Holzbauer, nur zum Teil).
Des weiteren stellte sich die Frage, was am Marx-Engels-Platz mit dem Baudenkmal
"Staatsratsgebäude" geschehen sollte. Dieser Bau muß zu den bedeutendsten Gebäuden der frühen
DDR-Moderne gerechnet werden. Er steht stadtbaugeschichtlich für das Bemühen, den südlichen
Abschluß des Marx-Engels-Platzes etwa in Höhe der kriegszerstörten südlichen Bebauung des
früheren Schloßplatzes zu markieren. Allerdings wurde im Norden die Brüderstraße gekappt, die
nunmehr in der Höhe der Sperlingsgasse endet. Die Höhe des Gebäudes ordnet sich dem Maßstab
des vernichteten Schlosses unter, das aber in dem Portal wenigstens als ohnmächtige Erinnerung
und Hinweis weiter existiert.
Das Staatsratsgebäude stand der - städtebaulich höchst fragwürdigen - massiven Präsenz des
Außenministers direkt am Marx-Engels-Platz im Wege. Das Preisgericht prämiierte fünf Arbeiten,
die den Abriß des Staatsratsgebäudes vorsahen, und sieben weitere, die auf dessen Erhalt zielten.
Die Abrißvorschläge aber waren eindeutig besser plaziert: Es handelt sich um die ersten drei
preisgekrönten Entwürfe und die ersten beiden Ankäufe.
So variantenreich die Vorschläge zum Marx-Engels-Platz waren, so schmal war das angebotene
Lösungsspektrum für den Bereich des Friedrichswerder. Vor allem die Wiedererrichtung der
Bauakademie war bei den verbliebenen Teilnehmern des Wettbewerbs nahezu unumstritten. Kein
Teilnehmer ließ das DDR-Außenministerium stehen. Sämtliche prämiierten Arbeiten wollten den
Wiederaufbau der Bauakademie, von den übrigen 40 Arbeiten der zweiten Wettbewerbsphase
immer noch 34. Auch der Schinkelplatz sollte nach dem Willen von 11 prämiierten und 30
sonstigen Teilnehmern wiederhergestellt werden.
Völlig im Schatten der Aufmerksamkeit blieb die Neugestaltung der Gertraudenstraße. Dabei
handelt es sich immerhin um einen der beiden Gründungsorte Berlins, um das Zentrum der
mittelalterlichen Stadt Cölln, das ja erst Jahrhunderte später durch das Schloß dominiert wurde. Die
Neuinterpretation einer "stadtbürgerlichen Hauptstraße" war eine Aufgabe, die der gestalterischen
Weiterentwicklung des Marx-Engels-Platzes in keiner Weise nachstand. Die in der
Wettbewerbsausschreibung formulierte Forderung nach Erhalt einer Autopiste wurde dieser
Aufgabe bereits im Ansatz nicht gerecht. Alle prämiierten Arbeiten unterwarfen sich dem in der
städtischen und Fachöffentlichkeit bis dahin nicht diskutierten Diktat. Varianten gab es lediglich in
der Straßenführung - etwas geschwungen oder einfach geradeaus.
Ein Abriß der Wohnhochhäuser auf der "Fischerinsel" verbot sich aus wohnungspolitischen
Gründen. Dafür räumten die Preisträger in ihren Entwürfen bestehende Flachbauten für Geschäfte,
Gaststätten, Läden und ein Schwimmbad weg. Selbst zur Erhaltung des architektonisch
ambitionierten Gaststättenkomplexes "Ahornblatt" konnte sich kein Teilnehmer der zweiten Phase
durchringen. Aber nicht nur das: Fast alle Architekten empfahlen eine erhebliche bauliche
Verdichtung der Fischerinsel. Dies ist angesichts der schon vorhandenen Wohnungdichte höchst
problematisch. Die schematischen Vorschläge für die "Fischerinsel" zeigen die große Distanz der
Wettbewerbsteilnehmer zu den Sorgen und Ängsten vor Ort.
72
Bald nachden der Wettbewerb entschieden war, spitzte sich der Konflikt um eine strategische
Detailfrage zu - um den durch den ersten Preisträger scheinbar "legitimierten" Abriß des
ehemaligen Staatsratsgebäudes. Bereits im Sommer 1994 hatte sich eine überregionale
Fachinitiative gebildet, die sich gegen den Abriß des Baudenkmals aussprach. Gegen Ende 1994
stellte auch der Bausenator den Abriß in Frage. Im Januar 1995 schließlich war es soweit: Der neue
Bauminister konnte den politisch angeschlagenen Außenminister bewegen, die erwünschte Adresse
"Schloßplatz" aufzugeben, dafür in das ehemalige Gebäude des Zentralkomitees der SED
(Reichsbank) zu ziehen und damit einen Streitpunkt der Hauptstadtplanung zu entschärfen. Mit der
Verkündung des "Verzichts" seitens des Außenministers wurden die Ergebnisse des
Spreeinselwettbewerbs weiter entwertet. Die Anstrengungen des Landes Berlin konzentrierten sich
seither auf den Abriß des ehemaligen DDR-Außenministeriums, obgleich die Nutzung und die
finanzielle Tragfähigkeit des geplanten Wiederaufbaus der Schinkelschen Bauakademie am
Werderschen Markt noch nicht ausreichend geklärt war. Auch eine Bebauung südlich des
ehemaligen Kommandantenhauses ist im Gespräch. Zugleich ging der Streit um den Abriß des
Palastes der Republik in seine nächste Runde.
Nahezu gleichzeitig mit der "Spreeinsel" wurde der Lustgarten Gegenstand eines Wettbewerbes.
Die konzeptionelle Aussonderung des Lustgartens aus dem stadträumlichen Zusammenhang des
ehemaligen Schloßareals implizierte einige Grundsatzprobleme. So wurde eine Auseinandersetzung
sowohl mit dem südlichen historischen Bezugspunkt des Lustgartens, dem ehemaligen Schloßareal,
als auch mit dem den Lustgarten im Süden begrenzenden Hauptstraßenzug erschwert. Das Konzept
eines neuen Lustgartens mußte erarbeitet werden, ohne daß die Gestaltung des ehemaligen
Schloßbereichs hinreichend geklärt war. Der beschränkte, internationale Realisierungswettbewerb
Lustgarten wurde nämlich vor dem Wettbewerb Spreeinsel entschieden. Damit war nahegelegt, den
Lustgarten lediglich als Vorgarten des Alten Museums zu begreifen, als Vorgarten, der vor der nicht
in Frage zu stellenden Hauptstraße geschützt werden mußte.
Die Auslober wollten eine solche Lösung zunächst wohl nicht, wie ihre Kritik am gegenwärtigen
Zustand des Lustgartens in der Wettbewerbsausschreibung zeigt. Es heißt dort: "Der Verlust der
Rahmung des Museums durch die Baumarchitektur zu beiden Seiten, die zwischen Gebäuden und
Bäumen Durchgänge zu den rückwärtig anschließenden Außenräumen freiließ, beraubt den Bau
seiner vielfältigen stadträumlichen Einbindung. Die Intelligenz der ursprünglichen Konzeption ist
versimpelt zu der Rolle eines verkleinerten 'Vorgartens' für das Museum."
Die Aussonderung des Lustgartens aus dem ehemaligen Schloßareal orientierte viele Teilnehmer
nahezu zwangsläufig nach Norden, während die Karl-Liebknecht-Straße und der Marx-Engels-Platz
im Süden als ungeklärter und unbeeinflußbarer Raum erscheinen mußten. Auch das Preisgericht
und die Fachöffentlichkeit verstanden den Lustgarten offenbar lediglich als Vorzone des Alten
Museums. Deutlich wurde das vor allem an dem Standpunkt, von dem aus das in der Öffentlichkeit
umstrittenste Element des preisgekrönten Entwurfs von Gerhard Merz, der sogenannte "Pavillon",
diskutiert wurde.
Die Befürworter betonten den Blick von Norden, vom Museum her, ihnen erschien der "Pavillon"
als Entree in den Vorgarten des Museums, er spiegelte in seinen Maßen das Museum wider und
huldigt diesem und nur diesem. Der "Pavillon" ermöglichte in dieser Optik eine Beruhigung des
Lustgartens, eine neue Stille, er schirmte den Freiraum vor den Unbilden der autogerechten
Hauptstraße und den Unwägbarkeiten der Weiterentwicklung des Marx-Engels-Platzes ab. Die
Loslösung der Museumsinsel von ihrem Herkunftsort und Bezugspunkt im Süden wird so
perfektioniert, die Hauptstraße als Ort städtischer Öffentlichkeit faktisch aufgegeben.
Die Kritiker argumentierten eher mit einer anderen Perspektive, sie blicken von der Straße her auf
den "Pavillon". Der 87 Meter lange und vier Meter hohe Bau schirmt den Lustgarten ja nicht nur
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gegen die Straße ab, er verdeckt auch den Blick von der Straße aus auf das Alte Museum und den
Lustgarten selbst. Er wurde daher nicht nur als Lärmschutzwand begrüßt, sondern auch als
Sichtbarriere kritisiert. Als Sichtbarriere, die als Kunstwerk sicher ihre Anerkennung finden kann,
die aber stadträumlich höchst problematisch ist: Der Passant auf der nördlichen Straßeseite ist auf
einer beträchtlichen Wegeslänge mit einer einfarbigen Wand konfrontiert, die euphemistisch als
"monochromes Fresko" verkauft wird.
Die Kritik biß sich in erster Linie am "Pavillon" fest, während die geplanten Rasenflächen und der
breite, gepflasterte Zugang zum Alten Museum Zustimmung fanden. Aber nicht nur der Bezug nach
Süden, auch der Bezug nach Osten, zum Dom hin, blieb ein Problem. Denn der Dom wird im
Entwurf des ersten Preisträgers aus dem Lustgarten ausgegrenzt.
Die ausschließliche Orientierung des "ruhigen" Lustgartens auf das Alte Museum ordnete diesen
eindeutig der "Museumsinsel" zu. Das war aus der Sicht der Museen sicher verständlich.
Städtebaulich wurden damit aber die Bezüge unzulässig vereinfacht. Der Lustgarten hatte und hat
die Aufgabe, die Museumsinsel zum ehemaligen Schloßareal hin zu vermitteln und zugleich den
Dom einzubinden, nicht abzupflanzen. Dieser komplexen Anforderung wurde der prämiierte
Entwurf nicht gerecht.
All diese für die Struktur des Zentrums wichtigen Grundsatzfragen wurden aber nicht Gegenstand
einer lebhaften Diskussion, im Gegenteil: Nach der Verkündigung der durch und durch
widersprüchlichen und damit im besten Sinne provozierenden Wettbewerbsentscheidung und einer
kleinen und heftigen, aber kurzatmigen Kritik am Entwurf von Gerhard Merz verschwand das
Thema "Lustgarten" von der Bühne der öffentlichen Aufmerksamkeit. 1995 wurde dann ganz
nebenbei bekannt, daß der Entwurf nicht mehr realisiert werden soll.
Der Wettbewerb Spreeinsel und sein kleiner Bruder, der Wettbewerb Lustgarten, legten die
Probleme der Berliner Zentrumsplanung schonungslos offen: Die strukturellen Probleme des
historischen Zentrums von Berlin blieben weiter im Schatten. Die Erfordernisse der
Zentrumsplanung wurden den (vermeintlichen) Interessen der Hauptstadtwerdung untergeordnet.
Wieder einmal wurde ein dringend notwendiges Zeichen in Richtung Ost-West-Vermittlung
verfehlt: Der "Osten" wurde brüskiert - nicht nur durch den papierenen Kahlschlag der DDRBauten, sondern auch durch den baulichen Angriff auf die "Fischerinsel".
Versäumt wurde aber vor allem die notwendige verkehrspolitische Grundsatzentscheidung - weg
von der autogerechten Stadt, hin zu einer Politik der öffentlichen Räume. Mehr und mehr erweist
sich diese Frage als ein Schlüsselproblem der gesamten Zentrumsplanung. Die schöne Rede von
neuen öffentlichen Räumen wird immer unglaubwürdiger, wenn die Straßen vor allem dem
Autoverkehr dienen sollen. Der Straßenzug Unter den Linden/Karl-Liebknecht-Straße samt Forum
Fridericianum, Lustgarten und dem großen Freiraum um Marienkirche und Fernsehturm wird als
öffentliche Raumfolge de facto erdrosselt, wenn er weiterhin als Autopiste erhalten bleibt. Das
gleiche gilt noch weit mehr für den stadtbürgerlichen Hauptstraßenzug zwischen Potsdamer Platz
und Alexanderplatz. Für diese Straßen ist mittelfristig allerhöchstens das Modell Kurfürstendamm
erträglich.
Eine solche Sichtweise ist im übrigen nicht neu und nicht erst ein Ergebnis des Diskurses über den
ökologischen Stadtumbau. Bereits 1948 hat Hans Borstorff in seiner Schrift "Stadt ohne Zentrum"
das Problem "öffentlicher Raum und Verkehr" angesprochen: "Bei der Planung der neuen City muß
diese Frage aber unbedingt mit im Vordergrund stehen und zugunsten der Hauptkaufstraßen in ihrer
Eigenschaft als Kaufstraßen und nicht als Verkehrsstraßen entschieden werden. - Ein zu breiter
Fahrdamm zerreißt unter allen Umständen jede Kaufstraße und schafft zwei gesonderte
Straßenfronten. Ein Schulbeispiel dafür, wie es nicht sein soll, schuf der Nationalsozialismus mit
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der Führung der 'Ost-West-Achse' durch die Straße Unter den Linden. [...] Wäre das Projekt des
Nationalsozialismus - der Durchbruch nach Osten zur Frankfurter Allee - restlos verwirklicht
worden, so wären die Linden zu einer Autoschnellstraße geworden und hätten demzufolge sowohl
ihren repräsentativ vornehmen Charakter als Kaufstraße wie auch als Boulevard gänzlich verloren.
Zwei von starkem Verkehr durchflutete Fahrdämme und eine breite Mittelpromenade sind Faktoren,
vor denen jeder Straßenpassant Respekt hat, und die er nur in dringenden Fällen mit in Kauf nimmt.
Die zukünftige City-Planung steht hier vor dem Problem, die Linden entweder zur
Autoschnellstraße oder zur Repräsentations- und vornehmen Kaufstraße zu machen. Beides läßt
sich nicht vereinigen." (S. 40f.)
Drastisch zeigte sich schließlich nicht erst beim Spreeinselwettbewerb die Hilflosigkeit des
statischen, wenig flexiblen Planungsinstruments "städtebaulicher Ideenwettbewerb" angesichts
einer Ausgangslage, die nicht angemessen vorstrukturiert war und sich ständig veränderte. Die
Entscheidungsmechanismen des Preisgerichts hätten vor diesem Hintergrund vollständig
transparent gemacht werden müssen: Welche Teilaufgabe wurde mit welchem Gewicht bewertet,
welche "Vorgaben" wurden mit welchem Nachdruck berücksichtigt?
Vorschlag: Vermittlung von Ost und West
Wer vom Alexanderplatz in Richtung Spree ging, sah nichts von der Schloßkulisse. Diese
orientierte sich ja auch nur nach Westen. Der Blick von Osten traf und trifft auf den unzugänglichen
Palast der Republik, der wie ein gläserner Riesensarg wirkt. Dennoch läßt sich noch erahnen, daß
der "Palast" städtebaulich nach Osten hin mehr überzeugt als nach Westen. Er zeigt zumindest
jedem aufmerksamen Beobachter, daß nicht nur die Westseite des ehemaligen Schloßbereichs,
sondern auch die Ostseite Berücksichtigung finden muß. Dabei darf aber nicht vergessen werden,
daß nicht nur das Schloß, sondern auch die alte, ungeliebte Stadt hinter dem Schloß verschwunden
ist. Ohne eine Perspektive für die Ostseite bleibt jede Diskussion westlastig.
Die DDR hat der absolutistischen Westorientierung eine teilstädtische Ostorientierung
entgegengesetzt. Die Antwort heute darf nicht eine Umkehrung dieser Entwicklung sein - das wäre
blind, rückwärtsgewandt, den Chancen des östlichen Zentrums nicht angemessen. Heute muß der
historische Gegensatz zwischen West- und Ostorientierung aufgehoben werden. Der Bereich des
ehemaligen Schlosses muß sich nach Osten wie Westen orientieren, ohne einer Seite den Rücken zu
zeigen. Er muß zwischen Ost und West vermitteln, zwischen der Dorotheen-/Friedrichstadt im
Westen und dem Areal der verschwundenen "Altstadt" im Osten.
Jede Neugestaltung in diesem Bereich hat zunächst die Existenz von zwei sozial-kulturellen
Initiativen zur Kenntnis zu nehmen: der Initiative zum Erhalt des Palastes der Republik und der
Initiative zum Wiederaufbau des Schlosses. Beide Initiativen sind nicht - wie bislang oft vorschnell
und vereinfachend versucht - eindeutig ideologischen Lagern zuzuordnen: etwa dem Lager der
"DDR-Nostalgiker" oder dem der "Hohenzollern-Fans". Beide Initiativen spiegeln eine Fülle
unterschiedlicher Argumentationen und Hoffnungen wider und sind nicht a priori abzuwerten, im
Gegenteil: Sie verkörpern breitere Bürgerbewegungen, die die Probleme des "Zusammenwachsens"
in Berlin und Deutschland nach 1989 komplex zum Ausdruck bringen. Dagegen ist die dritte
Position, die eine "moderne" architektonische Gestaltung fordert, mit einer disziplinärakademischen, von einzelnen Politikern gestützten Architekturfraktion verbunden, die sich gegen
die beiden gesellschaftlichen Initiativen richtet. Diese Position ist schon deswegen nicht
unproblematisch, weil sie eine bedingungslose Kapitulation der beiden Initiativen voraussetzt.
Überhaupt wird der kulturelle Streit wie ein kultureller Krieg ausgetragen; jede Partei zielt vielleicht typisch deutsch - auf die vollkommene Niederlage der anderen; Kompromisse dagegen
gelten als schwächlich und zweitklassig. Zu fragen ist, ob diese Form der Auseinandersetzung nicht
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überwunden werden kann. Ist ein "Kompromiß" zwischen den beiden gesellschaftlichen Initiativen
möglich, der zugleich den Anforderungen an eine gestalterische und funktionale Verbesserung des
ehemaligen Schloßbereichs gerecht wird? Bei einer solchen Lösung gäbe es keinen "Sieger", aber
auch keine "Besiegten", allerdings müßten beide Parteien zugunsten einer Vermittlung
zurückstecken. Die Konturen des Palastes der Republik könnten bestehen bleiben - als Ergebnis des
Umbaus des vorhandenen Gebäudes. Historisch wertvoll sind vor allem die inneren
Raumstrukturen, das Äußere könnte architektonisch uminterpretiert werden. Sinnvoll wäre daneben
eine Baufigur, die an das Schloß erinnert. Zwischen beiden Gebäuden müßte es keine Verbindung
geben, sondern vielleicht eine Fuge - Ausdruck des Widerspruchs. Eine solche Gestaltung würde
dem historisch bedeutsamen Ort wie der ebenfalls wichtigen "Wendezeit" gerecht werden: Kein Ort
im Zentrum kann an die gespaltene deutsche Nachkriegsgeschichte in so eindringlicher Weise
erinnern. Diese Besonderheit verpflichtet: Die Kontroverse "Palast der Republik versus Schloß"
sollte sichtbar bleiben.
Ein weiteres Grundproblem ist der Umgang mit der Südseite des Platzes. Nach dem Verzicht des
Außenministers auf einen Neubau am "Schloßplatz" scheint der Erhalt des baugeschichtlich und
historisch bedeutenden ehemaligen Staatsratsgebäudes gesichert. Zur weiteren Differenzierung des
Platzes wären zusätzliche kleinere Gebäude wünschenswert - etwa auch eine Folge kleinteiliger
Bauten in Anlehnung an die stadträumlich wichtige ehemalige "Schloßfreiheit".
Der ehemalige Schloßbereich ist natürlich nicht nur ein Problem der Stadtgestaltung im formalen
Sinne. Entscheidend ist seine künftige Nutzung. Als Sitz von Ministerien wäre seine Chance zur
Vermittlung zwischen West und Ost verspielt worden. Nach der bürgerlichen Inbesitznahme des
Schlosses im Jahre 1918 kann dieser Ort nur mehr ein Platz der Kultur, der Begegnung, der
städtischen, nationalen oder europäischen Öffentlichkeit sein. Das Staatsratsgebäude selbst könnte
als Ort der Kultur dienen, vor allem - wie nach 1989 bereits erfolgreich praktiziert - von
Ausstellungen, aber auch von Veranstaltungen repräsentativen Charakters. Im Palast der Republik
und einem Neubau westlich des Palastes sollte die ursprüngliche, den öffentlichen Charakter der
Gebäude unterstreichende bunte Nutzungsmischung in zeitgemäßer Form wiederbelebt werden.
Mit dem Spreeinselwettbewerb, so der Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz,
Volker Hassemer, sei die letzte große städtebauliche Entscheidung für die Berliner Mitte gefallen.
Das - so bleibt für Berlin zu hoffen - ist doch etwas übertrieben. Der Wettbewerb und die folgende
Diskussion haben gezeigt, daß noch einige "große" städtebauliche Aufgaben anstehen: die
Neugestaltung des für die historische Identität Berlins außerordentlich wichtigen bürgerlichen
Hauptstraßenzuges zwischen Spittelmarkt und Alexanderplatz, für dessen Trasse in Alt-Berlin ein
städtebauliches Gutachten vorliegt (Arbeitsgemeinschaft Gutachten Molkenmarkt 1994), dann die
Qualifizierung des großen städtischen Freiraums zwischen Palast der Republik und Alexanderplatz
zu einer großstädtischen kommunalen Mitte und - realistischerweise - die Gestaltung des
Schloßplatzes unter Einbezug des Palastes der Republik und im Zusammenhang mit dem
anschließenden Lustgarten. Der notwendige Streit um diese zentralen Aufgaben im östlichen
Zentrum Berlins kann aber nur dann erfolgreich abgeschlossen werden, wenn der autofixierten
Verkehrsplanung der Dirigentenstab abgenommen wird.
2.8.3. Der Freiraum zwischen Alexanderplatz und Schloßplatz
Der dritte Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes, der "Freiraum" zwischen S-Bahnhof
Alexanderplatz und Palast der Republik auf den Trümmern von Alt-Berlin ist bislang noch nicht
Gegenstand intensiver öffentlicher Planungsarbeit gewesen. Daher gibt es auch kein "Bild" seiner
künftigen Gestaltung, nicht einmal Vorarbeiten zu einem solchen "Bild". Der Freiraum stellt ein
konzeptionelles Vakuum dar, das die Fragmentierung der öffentlichen Planungsarbeit im Bereich
des ehemaligen Ost-Berliner Zentrums eindrucksvoll verdeutlicht.
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Die Wettbewerbe zu den Bereichen östlich und westlich des Freiraums betreffen auch dessen
Begrenzungen: Die Ost- wie die Westseite wurden hinsichtlich Funktion und Bebauung
grundsätzlich in Frage gestellt. Dagegen sind die langen Nord- und Südseiten hinsichtlich
Bebauung und Funktion relativ stabil, sie vermitteln eine gewisse Kontinuität zur Zeit vor 1989.
Das Nutzungsprofil bleibt im wesentlichen erhalten, die Bebauung ebenfalls - mit Ausnahme
vielleicht des Palasthotels. Die Modernisierung der nach westlichen Vorbildern neugestalteten
Markthalle ist eine der wenigen Veränderungen, die auf eine Ost-Initiative zurückgehen - ein
zusätzliches Element von Kontinuität.
"Frei" ist der gewaltige Raum im Herzen der ausgeschabten Altstadt im übrigen nur aus der Sicht
von Architekten: frei von einer flächendeckenden Bebauung, nicht aber von Menschen, von
Nutzungen, von einzelnen Gebäuden und Anlagen, die diese Nutzungen anregen oder bremsen.
"Frei" ist der Raum allerdings noch in einem mittelbaren Sinne: frei von einer allgemein
akzeptierten Bezeichnung; er ist namenlos. Die im folgenden fortgeschriebene Bezeichnung
"Freiraum" ist mit diesen Einschränkungen zu lesen.
Ganz frei von Planungsarbeit ist der Freiraum allerdings nicht. Offiziell ist der Stand des im Juni
1992 publizierten Gutachtens "Städtebauliches Leitbild für die Berliner Mitte - Bereich Spreeinsel"
(Arbeitsgemeinschaft Spreeinsel) noch nicht überholt. Die Aussagen dieses Gutachtens waren
insgesamt etwas schillernd. Zum einen wurde dem "Bandmodell" eine klare Absage erteilt, zum
anderen aber die bandartige Struktur des Freiraums im Kern akzeptiert. Hinsichtlich der Gestaltung
wurde zunächst allgemein gefordert, daß "eine neue Raumstruktur gefunden werden [muß], die sich
aus der Tradition des Altstadtkörpers Berlins entwickelt und gleichzeitig der gesamtstädtischen
Bedeutung dieses Ortes Rechnung trägt" (S. 44). Konkretisiert sollte dies - durchaus in Anlehnung
an manche Vorschläge der fünfziger Jahre - bedeuten: Schaffung eines Rathausvorplatzes,
"Einbindung" der Marienkirche "in das gebaute städtische Gefüge", "Einbezug" des Fernsehturms
ohne Vorbauten "in ein neues, kleinteiliges Gefüge", Rückbau der Karl-Liebknecht-Straße und
deren Einfassung durch Gebäude (S. 112).
"Insgesamt", so die Zusammenfassung, "sollte in diesem Bereich die Grundidee eines großzügigen
Freiraumes im Zentrum der Großstadt ('Forum Berolini') erhalten bleiben, um jedoch mit der
sinngemäßen Wiedereinführung der kleinteiligen und verbindenden Blockstrukturen gewissermaßen in Synthese der widersprüchlichen Prinzipien - zur dimensionierten stadträumlichen
Form zu gelangen." (S. 114) Es ist das Verdienst des Gutachtens, auf die Bedeutung des Freiraums
schon sehr früh aufmerksam gemacht zu haben. Das Bekenntnis zum "großzügigen Freiraum"
wurde allerdings an anderer Stelle wieder etwas relativiert, indem lediglich eine "vorläufige
Freihaltung des Marx-Engels-Forums/'Forum Berolini' (vom Fernsehturm bis zur Spree)"
empfohlen wurde (S. 49).
In eine ganz andere Richtung wies ein Beschluß des Abgeordnetenhauses vom 29. April 1993, mit
dem zur Förderung einer "zügigen Entwicklung" des Freiraums ein "städtebauliches Konzept"
gefordert wurde. Dieser Beschluß zielte auf eine rabiate Reprivatisierung und Bebauung des
Freiraums: "Auf den Erhalt des 'Marx-Engels-Forums' und anderer überdimensionierter Freiflächen,
die den städtischen Charakter des Bereichs beeinträchtigen, [ist] zu verzichten. Nach Klärung der
städtebaulichen Entwicklungvorgaben [ist] eine möglichst große Anzahl von Eigentümern und
privaten Investoren an der Gebietsentwicklung zu beteiligen und erforderlichenfalls eine
Entwicklungsgesellschaft mit privater Beteiligung zu gründen."
Eine von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer verantwortete, auf diesen Beschluß
reagierende "Mitteilung über Städtebauliche Entwicklung des Bereichs Fernsehturm 'Marx-EngelsForum' in Mitte" an das Berliner Abgeordnetenhaus vom 19. August 1993 bremste die Ambitionen
77
des Beschlusses, blieb aber eine eindeutige Position schuldig. Zunächst wurden lediglich die
Grundaussagen des im Juni 1992 publizierten Gutachtens wiederholt. Neu war aber der explizite
Hinweis auf die Notwendigkeit, die Ergebnisse der Wettbewerbe "Alexanderplatz" und "Spreeinsel"
sowie die Entwicklung der Flächen für Einzelhandel und Dienstleistungen im Berliner Zentrum
abzuwarten. "Aus diesen Gründen ist zum jetzigen Zeitpunkt auch die Bildung einer
Entwicklungsgesellschaft für dieses Gebiet verfrüht."
Die potentielle Qualität eines langfristig zu erhaltenden großen Freiraums wurde in dieser
defensiven Argumentation nicht erkannt, der Freiraum schien lediglich als Bauland im Wartestand
betrachtet zu werden. Wichtig war aber noch ein weiterer Hinweis: "Die erneuten Veränderungen
müssen im öffentlichen Interesse der Stadt liegen." Zur Klärung dieses Interesses sei vor der
Neuordnung dieses Stadtbereichs eine "umfängliche demokratische Diskussion" notwendig. Diese
Diskussion hatte noch nicht einmal im Ansatz stattgefunden. Aber immerhin wurde der Freiraum
im neuen Flächennutzungsplan vom Juli 1994 als Grünfläche ausgewiesen.
Vorschlag: Erhaltung und Entwicklung des Freiraums
Die überkommene Struktur des Freiraums ist ohne Zweifel verbesserungsfähig. Die Begrenzung
durch eine rechteckige Randbebauung bietet aber formal einen stabilen Rahmen, der ohne Probleme
die Veränderung von Teilfronten des Rahmens erlaubt (etwa des Palasthotels). Ein Abriß des
Palastes der Republik würde diesen Rahmen allerdings erschüttern. Mit dem Fernsehturm und der
Marienkirche sind markante Freiraumarchitekturen vorhanden, die um weitere Kleinbauten
bereichert werden können. Vor dem Hintergrund der beabsichtigten radikalen Verkleinerung des
Marx-Engels-Platzes (Schloßplatzes) wie des Alexanderplatzes wird der Freiraum einen
wirkungsvollen Kontrast zur angestrebten verdichteten Bebauung im Umfeld darstellen.
Der Freiraum muß zum einen als Gesamtraum erlebbar bleiben, zum anderen ein Archipel
unterscheidbarer Nutzungs- und auch Gestaltqualitäten werden. Er muß die Bewohner des Zentrums
ebenso anziehen wie andere Berliner und Berlinbesucher. Er muß die Erinnerung an die versunkene
alte Stadt - über die Marienkirche hinaus - wahren, die Erinnerung an die DDR-Zeit ermöglichen
(Fernsehturm und Marx-Engels-Denkmalsensemble) und zugleich eine Freilichtbühne eines neuen
Zentrums des vereinigten Berlin eröffnen. Als Freiraum bringt er unmißverständlich den Vorrang
öffentlicher Interessen vor privaten Bau- und Verwertungsinteressen zum Ausdruck. Er verkörpert
die Idee eines grünen Zentrums und einer Stadt, die den Autoverkehr in die Schranken weist und
neue Anstrengungen zu einem ökologischen Stadtumbau unternimmt.
Ein Konzept für einen neuen Freiraum braucht einen treffenden Namen. Bisher wurden Vorschläge
wie "Central Park", "Altstadtpark" oder "Forum Berolini" ins Spiel gebracht. Keiner dieser Begriffe
ist programmatisch ausreichend bzw. akzeptabel. Zudem scheint die Bezeichnung "Park" diesem
Zentralraum nicht angemessen, schon eher die Bezeichnung "Forum", wenngleich damit die
Assoziation "homogener Raum" geweckt wird und der Begriff gerade in Berlin durch zahlreiche
Banalisierungen (zum Beispiel "Forum Steglitz") abgegriffen ist. Vielleicht wäre der etwas
schnoddrige Name "Panoramaplatz" gar nicht so unpassend, den ein privater Fernsehsender in
Anlehnung an die Panoramastraße am Fernsehturm verbreitet hat.
Schließlich bleiben noch zwei Resträume Alt-Berlins zu erwähnen, die durch das in der DDR-Zeit
ausgeprägte Zentrumsband in den Schatten gestellt wurden: der Bereich zwischen den Bauten der
Karl-Liebknecht-Straße und der S-Bahntrasse im Nordwesten und der Bereich zwischen den Bauten
der Rathausstraße und der Spree bzw. der S-Bahntrasse im Südosten. In diesen Hinterhöfen des
DDR-Städtebaus finden sich Reste von Alt-Berliner Parzellen und Straßenführungen sowie allerdings nur im Südosten - markante Reste des Städtebaus vor 1945, darunter der Block des
Berliner "Stadthauses" und vor allem die Produkte der Altstadtsanierung der nationalsozialistischen
78
Zeit zwischen Stralauer Straße und Spree. Bei der Reparatur dieser städtebaulichen Hinterhöfe der
DDR-Zeit könnte sich die Methode der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" bewähren. Die Art der
Bezüge bzw. Übergänge zu den Nachbarzonen bedarf dabei allerdings besonders sorgfältiger
Überlegungen.
2.9. Ausblick
Hat das ehemalige Zentrumsband der DDR heute überhaupt noch eine alle drei Teilräume
übergreifende Bedeutung? Während in den Gebieten der barocken Stadterweiterungen eine kritische
Rekonstruktion der noch weitgehend vorhandenen historischen Stadt geleistet werden kann,
eröffnet sich im Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes die Chance einer Neuinterpretation, eines
Weiterbaus an den überkommenen "modernen" Großstrukturen und damit einer städtebaulichen
Selbstdarstellung des neuen, wiedervereinigten Berlin. Diese Selbstdarstellung hätte die Aufgabe,
die Wiedervereinigung in städtebaulicher, funktionaler, ökologischer, sozialer und politischer
Hinsicht überzeugend zu vermitteln, kulturelle Polarisierungen zu überwinden und die Perspektiven
einer nach Osten sich orientierenden europäischen Stadt zu verdeutlichen.
Konkret muß die Raumfolge Alexanderplatz - Freiraum - Schloßplatz eine neue Bedeutung
erhalten: der Alexanderplatz als Verkehrs- und Geschäftszentrum des Ostens, der Freiraum als ostwest-vermittelnder Panoramaplatz und der Schloßplatz als wiedergewonnenes und ergänztes
kulturelles Zentrum, als stadtbürgerlicher Platz von europäischer Dimension. Das Zentrumsband
muß das Symbol einer Ost-West-Verständigung werden, einer Verständigung von Ost- und WestBerlinern, von Ost- und West-Deutschen, von Ost- und West-Europäern: ein reales Symbol, nicht
nur eine formale Geste, wie die geplante neue Baustruktur des Spreebogens.
Der aktuelle Stand der Planungen für das ehemalige Zentrumsband der DDR ist angesichts solcher
Anforderungen alles andere als erfreulich. Ohne daß der dreiteilige Zentralraum überhaupt in
seinem Zusammenhang wahrgenommen und reflektiert wurde, ohne daß er - vor dem Hintergrund
seiner herausragenden Stellung in der DDR-Stadtbaugeschichte - ernsthaft als Gegenstand der
städtebaulichen Denkmalpflege geprüft worden war, wurde er planerisch zerstückelt und in seinem
östlichen wie westlichen Bereich Objekt isolierter Neugestaltungsprojekte ohne programmatische
Kraft. Dabei wurde der städtebauliche wie bauliche Bestand ohne vorherige nüchterne und
gründliche Analyse zur Disposition gestellt. Proteste aus Ost-Berlin wurden nicht ernst genommen,
Architekten und Planer, die an der Ost-Berliner Zentrumsplanung beteiligt waren, wurden nicht
angemessen konsultiert.
Der Freiraum ist zwar bislang noch kein Gegenstand offizieller Gestaltungsplanung geworden, aber
das ist kein Grund zur Beruhigung. In den Köpfen einiger Architekten und Planer ist er schon fast
bebaut. Gerechtfertigt werden diese Phantasien mit dem Leitbild der kritischen Rekonstruktion der
Stadt. Das ist eine große Gefahr. Denn es gibt noch kein Gutachten, das diesen Freiraum
hinsichtlich seines sozialräumlichen wie gestalterischen Bestands analysiert und dessen Chancen
ausgeleuchtet hätte. Das ist kein Zufall: Freiraum hat in Berlin zur Zeit keine gewichtige Lobby, die
meisten überkommenen Freiräume im Zentrum werden ohne große Debatte als Bauplätze
betrachtet. Sicher, für die Verkleinerung des Alexanderplatzes und des Schloßplatzes gibt es
gewichtige Argumente, aber muß nicht gerade wegen der Verkleinerung dieser Plätze die Erhaltung
des zentralen Freiraums besonders sorgfältig geprüft werden?
Die Erneuerung der Altstadt darf sich heute allerdings nicht nur auf das Zentrumsband der
ehemaligen DDR beschränken. Die abseits dieses Bandes verbliebenen Stadtteile im Bereich AltBerlins, Alt-Cöllns und des Friedrichswerder bedürfen einer sorgfältigen Diskussion und Planung,
die mit dem Spreeinselwettbewerb überhaupt erst angefangen hat. Das betrifft die verödeten oder
verschwundenen Plätze des Friedrichswerder: Spittelmarkt, Hausvogteiplatz, Werderscher Markt
79
und Schinkelplatz. Das betrifft weiter die völlig veränderten Gebiete der Fischerinsel und des
Bereichs südlich bzw. südöstlich des Stadtbahnhofes Hackescher Markt. Insbesondere die
Wiederbelebung der einzigartigen stadtbürgerlichen Raumfolge Spittelmarkt - Gertraudenstraße mit
Petriplatz und Köllnischem Fischmarkt, dann Mühlendamm -Molkenmarkt - Spandauer Straße
weiter über die neu zu gestaltende Straßenraumfolge südlich des Rathauses und des Baukomplexes
Rathausstraße zum Alexanderplatz ist die vielleicht wichtigste Aufgabe der Zentrumserneuerung,
die in der Öffentlichkeit noch gar nicht richtig erkannt worden ist. Aus einer antistädtischen
Transitzone muß wieder eine Passage mit Halte-Plätzen werden!
80
3. Die alte und neue City: Dorotheenstadt und Friedrichstadt
Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bis 1945 bildeten die Dorotheenstadt und die
Friedrichstadt das Herzstück der Berliner "City". Am heutigen Zustand der beiden miteinander
verschmolzenen Stadtteile läßt sich die vielschichtige Entwicklung im Verlauf von drei
Jahrhunderten ablesen, die mit der planmäßigen Anlage der Neustädte und der Allee "Unter den
Linden" als repräsentativer "Prachtstraße" der kurfürstlichen Residenzstadt während der Barockzeit
ihren Lauf nahm. Die im frühen 19. Jahrhundert einsetzende bürgerliche Überformung und der
schnelle Wandel zum Zentrum der aufstrebenden Reichshauptstadt in der Kaiserzeit haben das
Antlitz der Dorotheen-/Friedrichstadt tiefgreifend verändert. Infolge der Verwüstungen des Zweiten
Weltkrieges und der Abrisse der Nachkriegszeit bestehen die steinernen Zeugen dieser bewegten
Vergangenheit heute nur noch fragmentarisch - eingebettet in die widersprüchlichen Produkte der
Rekonstruktionen und Neugestaltungen der DDR-Zeit.
Trotz der vielen Überformungen und Zerstörungen des Bebauungsgefüges hat sich ein Merkmal der
ursprünglichen Gebietsstruktur - wenn auch stellenweise beschädigt - erhalten: der
charakteristische, in der Barockzeit ausgeprägte Stadtgrundriß. Bis in die erste Hälfte des 20.
Jahrhunderts bildeten das Straßensystem und die blockbegrenzenden Baufluchten das Grundgerüst
für die Einfügung neuer Gebäude, während sich die Parzellenstruktur als drittes, den Maßstab der
Bebauung mitbestimmendes Merkmal des Stadtgrundrisses mit einer Tendenz zur
Zusammenlegung von Grundstücken bereits schrittweise veränderte. Erst die seit den sechziger
Jahren durchgeführten Neugestaltungsmaßnahmen haben nicht nur das Parzellensystem durch die
Schaffung von Großparzellen weiter vergröbert, sondern stellenweise auch die überkommenen
Straßenbreiten und Baufluchten negiert. Einige Hochhausprojekte beschädigten nicht nur den
Stadtgrundriß, sondern auch das traditionelle Höhenprofil und die Stadtsilhouette.
Heute gleichen die Dorotheenstadt und die Friedrichstadt einem städtebaulichen Flickenteppich Stein gewordener Ausdruck des Wechsels der gesellschaftlichen Verhältnisse wie der planerischen
und ästhetischen Leitbilder. Gerade diese Vielschichtigkeit mit all ihren Brüchen macht die
besondere Eigenart der beiden Stadtteile aus. Trotz der zahlreichen Lücken und Brachen geben die
Fragmente des historischen Bebauungsgefüges zusammen mit dem Stadtgrundriß den Rahmen für
die Bauabsichten der Gegenwart vor. "Kritische Rekonstruktion" heißt die Devise für eine
Weiterentwicklung insbesondere dieses Stadtraumes: ein Leitbild, nach dem - so lautet jedenfalls
der Anspruch - die verlorengegangene Bebauung nicht etwa historisierend rekonstruiert, sondern
die städtebaulichen Eigenarten der verschiedenen Orte zwar respektiert, aber auch interpretiert
werden - durch eine den Bedürfnissen und ästhetischen Vorstellungen der Gegenwart gemäße
Architektur.
3.1. Planmäßige Gründung vor den Toren der Altstadt: Das 17. und 18. Jahrhundert
Die Geschichte der Dorotheenstadt begann zwar eigentlich erst 1670, als der "Große Kurfürst"
Friedrich Wilhelm seiner Gemahlin Dorothea das Gelände der späteren Neustadt schenkte.
Bedeutend älter ist indessen die das baulich-räumliche Gefüge der Dorotheenstadt prägende Straße
Unter den Linden. Bereits seit dem 16. Jahrhundert bestand ein Reitweg zwischen dem
kurfürstlichen Schloß in Cölln und dem ab 1527 im Tiergarten angelegten Jagdgebiet. Seit 1647
erfuhr diese Verbindung auf Veranlassung Friedrich Wilhelms einen großzügigen Ausbau zu einer
repräsentativen Achse, die befestigt und mit sechs Reihen Linden und Nußbäumen - alles in allem
jeweils 1.000 Bäume - bepflanzt wurde. Sie endete damals aber noch etwa in Höhe der heutigen
Schadowstraße, wo der Tiergarten begann. Mit der Ausrichtung dieser Allee auf das Schloß wurde
dieses zum Ausgangs- und Bezugspunkt der weiteren, die westlichen Stadtteile privilegierenden
81
städtebaulichen Entwicklung im historischen Zentrum Berlins. Die absolutistischen
Herrschaftsverhältnisse fanden so im Stadtgrundriß ihren sinnfälligen Ausdruck.
Nur langsam überwand Berlin während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die durch den
Dreißigjährigen Krieg verursachten Verwüstungen. Berlin wurde befestigte Residenzstadt: Im Jahre
1658 ordnete der Kurfürst den Ausbau des Festungsgürtels nach dem Entwurf von Johann Gregor
Memhardt an. Bis 1686 entstand ein Ring von Bastionen, der Berlin, Cölln, Neucölln am Wasser
und die 1662 gegründete Neustadt Friedrichswerder umschloß. Die Weiterentwicklung der
Militärtechnik ließ das aufwendige Bollwerk aber schnell veralten.
Die Gründung neuer Städte außerhalb des mittelalterlichen Stadtkerns mit eigenen, von den
Magistraten Berlins und Cöllns unabhängigen Verwaltungen war eines der wichtigsten Anliegen
Friedrich Wilhelms und auch seines Nachfolgers. Neue Bürger sollten so in die brandenburgische
Residenzstadt gezogen werden und deren Reichtum und Bedeutung mehren.
Im Jahre 1670 erhielt also Kurfüstin Dorothea den Garten des späteren Schlosses Monbijou und das
dazugehörige Gebiet zwischen der Spree und der Lindenallee. Sie erteilte Joachim Ernst
Blesendorf, dem Generalquartiermeister und Direktor aller Fortifikationen und Bausachen, den
Auftrag, dort, vor den Toren der befestigten Stadt, eine neue Stadt zu planen. Auf der Grundlage
seines 1673 vorgelegten Entwurfs für den Stadtgrundriß begann 1674 die planmäßige Bebauung in
der erst seit 1676 als "neue Dorotheenstadt" bezeichneten Neustadt.
Die Planung Blesendorfs orientierte sich an der Lindenallee, die zusammen mit zwei parallel
geführten Straßenzügen - der Mittelstraße und der Letzten Straße (heute Clara-Zetkin-Straße) - das
Grundgerüst der Stadtanlage bildete. In diesem Rahmen entwickelte er einen schachbrettartigen
Stadtgrundriß mit der Neustädtischen Kirchstraße und der Querstraße (der späteren Friedrichstraße)
als nord-süd-gerichteten Achsen. Die regelmäßige Rasterform und der Bezug der Hauptachse auf
das Schloß kennzeichnen die Neustadt als typisches Kind ihrer Entstehungszeit. Eine aus Wall und
Graben bestehende Befestigungsanlage (das "Hornwerk") umgab die Dorotheenstadt. Die kleinteilig
parzellierte Stadtanlage wurde zunächst für ungefähr 200 Wohnhäuser konzipiert. Zwischen der
Charlottenstraße und dem Festungsgürtel wurde ab 1687 nach Plänen Johann Arnold Nerings ein
neuer Marstall errichtet, der auch den 1695 bzw. 1701 gegründeten Akademien der Künste und
Wissenschaften als Domizil diente. Ansonsten erhielt die Dorotheenstadt den Charakter einer
Wohnstadt, in der zumeist zweigeschossige Häuser das Stadtbild prägten. Bestimmend für dessen
Eigenart war auch die Kleinteiligkeit der Parzellen- und Baustruktur mit den fünf- oder
siebenachsigen, nur in Ausnahmefällen neunachsigen Fassaden. Deren durchgehende
Traufständigkeit und die Geschlossenheit der Straßenfronten stellten ein Novum in der Entwicklung
des Berliner Wohnhauses dar, das bis dahin in der Regel giebelständig und durch einen Traufgang
von den benachbarten Gebäuden getrennt war. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts prägte der neue
Haustyp die neuentstehenden Straßenzüge Berlins. Zu einem wichtigen Treffpunkt des öffentlichen
Lebens wurde die Dorotheenstädtische Kirche im Westen der Neustadt (errichtet 1678-87,
durchgreifend umgebaut 1860-62, im Zweiten Weltkrieg zerstört). Ein Rathaus erhielt die
Dorotheenstadt hingegen erst 1699. Nicht zum Vorwerk der Kurfürstin gehörte das im Süden der
Lindenallee gelegene Gelände. Dort vergab der Kurfürst im Jahre 1678 Baustellen, was diesem
Bereich eine Zeitlang den Namen "Friedrichstadt" einbrachte.
Um die Besiedlung der Dorotheenstadt zu beschleunigen, gewährte der Kurfürst eine Reihe von
Vergünstigungen: die kostenlose Vergabe von Bauland und Bauholz sowie Steuerbefreiungen für
einen Zeitraum von zehn Jahren. Bis 1691 wurden 171 Häuser errichtet - vor allem durch
Hugenotten, die aufgrund des Ediktes von Potsdam seit 1685 in großer Zahl nach Brandenburg
einwanderten. Um 1700 lebte in der Dorotheenstadt ungefähr ein Drittel der bis dahin
zugewanderten knapp 6.000 Hugenotten. (Vgl. Schäche 1994c, S. 4)
82
Gleich nach dem Regierungsantritt Friedrichs III. im Jahre 1688 (seit 1701 Friedrich I., König in
Preußen) begann die Entwicklung der eigentlichen Friedrichstadt. Noch im selben Jahr setzte der
Kurfürst eine Kommission ein, deren Mitglieder "die Aecker und Wiesen, worauf die neue
Friedrichsstadt gebauet werden soll, so gut als möglich erhandeln sollen" (Nicolai 1786, S. 181).
Ebenfalls 1688 wurden auch schon die ersten Häuser errichtet. Eine kurfürstliche Verordnung, die
den Ansiedlern Baufreiheiten und Beihilfen gewährte, erging am 24. September 1691. Johann
Heinrich Behr erhielt den Auftrag zum Entwurf des Straßenplans, während die Bebauung unter der
Oberaufsicht Johann Arnold Nerings stand: "es mußten [...], bis an seinen Tod, alle Häuser, nach
dessen eignen oder doch von ihm gebilligten Zeichnungen, gebauet werden" (ebd.). Damit war die
absolutistische Tradition der "von oben" verordneten Architektur begründet. Bis 1695, dem
Todesjahr Nerings, wurden so bereits 300 von ungefähr 1.000 geplanten Häusern errichtet (vgl.
Schinz 1964, S. 81).
Der Grundriß der neuen Stadt entsprach einem schlichten Raster, bestehend aus sich in
regelmäßigen Abständen kreuzenden Straßen, die an die Straßen in der benachbarten
Dorotheenstadt anknüpften. Wirklich zusammengeführt konnten sie allerdings erst nach Einebnung
der dorotheenstädtischen Wall- und Grabenanlage 1712 und 1740 werden. Die in Nord-SüdRichtung verlaufende Friedrichstraße wurde als Hauptachse der neuen Stadt etwas breiter als alle
anderen Straßen angelegt. Auf die zeitweilig geplante Errichtung von Befestigungsanlagen um die
Friedrichstadt wurde in Anbetracht der Kosten und des inzwischen erreichten Standes der
Militärtechnik verzichtet.
Drei Marktplätze erhielt die Friedrichstadt: den kleinen "Hammelmarkt" in der Nähe des Potsdamer
Tors, auf dem später die Dreifaltigkeitskirche gebaut wurde, den "großen Markt" im Bereich der
Esplanade vor dem Leipziger Tor und den Friedrichstädtischen Markt (den späteren
Gendarmenmarkt), für den drei Blöcke von der Bebauung ausgenommen wurden. Eine
Merkwürdigkeit stellt die Anlage dieses größten Platzes der Friedrichstadt vor dem Festungsring
und damit abseits der Hauptstraßen der Dorotheen-/Friedrichstadt dar. Möglicherweise geschah dies
im Hinblick auf längerfristig verfolgte Planungsabsichten für die repräsentative Neugestaltung
Berlins, die auch die Schaffung einer architektonischen, auf den Gendarmenmarkt bezogenen Achse
zwischen der Altstadt und der Friedrichstadt beinhaltet haben könnten (vgl. zu dieser These
Goralczyk 1987, S. 13).
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren noch immer viele unbebaute Grundstücke zu verzeichnen,
deren Bebauung König Friedrich Wilhelm I. seit 1720 durch eigene Bautätigkeit sowie den Erlaß
von Baufreiheiten und Baugeboten forcierte. Diese Maßnahmen hatten Erfolg: "Die Anzahl der
Häuser nahm so zu, daß keine wüste Stelle mehr übrig blieb." (Nicolai 1786, S. 182) Daraufhin
erging 1732 ein königlicher Befehl zur Erweiterung der Friedrichstadt nach Süden und Westen.
Begrenzt wurde die erweiterte Dorotheen-/Friedrichstadt durch die neue Akzisemauer, die 1732-34
um das Berliner Stadtgebiet herumgelegt wurde - nicht mehr zur Verteidigung, sondern um von den
Besuchern der Stadt die "Akzise", eine örtliche Verbrauchssteuer, zu erheben und die Soldaten der
Berliner Garnison an der Desertion zu hindern.
Der Festungsgürtel der Altstadt hingegen wurde seit 1734 geschleift. Die Dorotheenstadt und die
Friedrichstadt konnten nun endlich mit dem Stadtkern städtebaulich verknüpft werden. Das
gewonnene Gelände wurde parzelliert, und mit fortschreitender Bebauung begannen sich die
Grenzen zwischen der Altstadt und den Neustädten langsam zu verwischen. Die Straße Unter den
Linden erfuhr eine deutliche Aufwertung, denn ihr stadträumlicher Bezug auf das Schloß wurde erst
jetzt richtig erlebbar.
83
Ein charakteristisches Merkmal der erweiterten Dorotheen-/Friedrichstadt wurden die
unterschiedlich geometrisch geformten Plätze, die nicht jenseits, sondern diesseits der Stadttore
angelegt wurden: das "Quarré" (heute Pariser Platz), das "Oktogon" (heute Leipziger Platz) und das
"Rondell" am Halleschen Tor (heute Mehringplatz). Diese Plätze hoben die nach draußen führenden
Straßen aus dem ansonsten relativ gleichwertigen Straßenraster heraus. Das waren neben der bereits
privilegierten Straße Unter den Linden die Leipziger Straße und die Friedrichstraße. Vom "Rondell"
gingen - nach dem Vorbild der Piazza del Popolo in Rom - drei Straßen (Wilhelmstraße,
Friedrichstraße und Lindenstraße) strahlenförmig in Richtung Norden ab. Damit erhielt die
Friedrichstadt eine unverwechselbare Gundrißfigur, die allerdings heute infolge der veränderten
Straßenführung und der Neubebauung des Mehringplatzes nur noch fragmentarisch zu erkennen ist.
Die Wilhelmstraße, deren nördlichen Abschnitt der König dem Bau vornehmer Palais vorbehalten
hatte, stach aus der allgemeinen Bebauung hervor: Wohlhabende Adlige, später auch Staatsbeamte
und Minister errichteten sich hier prächtige Bauten mit barocken und später klassizistischen
Fassaden. Diesen Gebäuden schlossen sich weitläufige Gärten zum Tiergarten hin an.
Bis 1737 war die gesamte Friedrichstadt bebaut, und zwar mit 1.682 Häusern. Gleichzeitig waren
mit den in der Regel sehr schlichten, aber praktischen Wohnhäusern auch die öffentlichen Gebäude
errichtet worden - fast ausschließlich Kirchen, deren Türmen in den städtebaulichen Absichten des
Königs eine herausragende Bedeutung zukam. Mit ihren baukünstlerisch gestalteten Spitzen sollten
sie nicht nur die Stadtsilhouette akzentuieren. Durch ihre Stellung im Stadtgrundriß waren sie auch
als Blickpunkte von Bedeutung und halfen so, unterschiedliche Quartiere visuell miteinander zu
verknüpfen und die dezentrale Struktur der Residenzstadt zu fördern. Aber auch andere Bauten
wurden bewußt als Blickpunkte angeordnet, so insbesondere das Palais des Barons Vernezobre (das
spätere Prinz-Albrecht-Palais) am Ende der Kochstraße und das Collegienhaus (Gerichtsgebäude)
am Ende der Markgrafenstraße. Dieses interessante System der Blickbeziehungen ist mit den
Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges verlorengegangen, sieht man von dem als "Berlin Museum"
wiederhergestellten Collegienhaus einmal ab, das als einziger jener barocken "Points de vue" noch
heute den Blick durch die Markgrafenstraße abschließt.
Das Stadtbild der Dorotheen-/Friedrichstadt wurde durch eine gleichförmige Architektur geprägt.
Das machte diese Neustädte zu einem typischen Beispiel der Stadtbaukunst des Barock - einer
Epoche, in der der absolutistische Herrscher nichts dem Zufall überließ, sondern seinen
umfassenden Gestaltungswillen auch im Stadtraum steinerne Wirklichkeit werden ließ. Jedwede
private Bauabsicht hatte sich dem übergeordneten Gesamtentwurf unterzuordnen - das Ergebnis war
ein durch Geschlossenheit und Einheitlichkeit wirkendes Straßenbild, hinter dessen Fronten auf der
Hofseite dem Gestaltungswillen der Stadtbürger nur mehr ein bescheidener Spielraum blieb.
Es war indessen nicht nur das Stadtbild, das die Friedrichstadt zu einem Stein gewordenen
Ausdruck des Absolutismus werden ließ, sondern auch ihr Entstehungsprozeß - von dem
kurfürstlichen Gründungsakt über die Namensgebung und den durch den Landesherrn über "seine"
Baumeister gesteuerten Entwurf des Stadtgrundrisses wie der einzelnen Häuser bis hin zu der
Errichtung von Gebäuden auf Veranlassung des Herrschers und der Erteilung von Baugeboten an
vermögende Bürger.
Einen neuen künstlerischen und repräsentativen Anspruch entwickelte der Städtebau während der
Regierungszeit Friedrichs II. (1740-86). Bereits aus seinen ersten Regierungsjahren ist ein Entwurf
seines Freundes Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff überliefert, nach dem die Hauptstadt einen
neuen, weiter nach Westen gerückten Mittelpunkt erhalten sollte. Als zentraler Bestandteil dieses
"Forum Fridericianum" war ein neues Königsschloß auf der Nordseite der Straße Unter den Linden
vorgesehen, das in der Achse der Markgrafenstraße, also in einer Blickbeziehung zum
Collegienhaus stehen sollte. Auf der Südseite der "Linden" waren Neubauten für die Akademie der
Wissenschaften und die Oper geplant. Der durch die Person Friedrichs II. verkörperte politische
Anspruch eines aufgeklärten Absolutismus fand seinen künstlerischen Ausdruck in diesem Plan für
einen "Königssitz, flankiert von Wissenschaft und Kunst, als Zentrum des Geistes und der Kultur
dem Sitz der Staatsverwaltung und der Rechtsprechung gegenüber gestellt", so die treffende
Charakterisierung der Idee durch Alfred Schinz (1964, S. 101). Tatsächlich wurde von diesem Plan
nur das Opernhaus Wirklichkeit, das in den Jahren 1741-43 nach einem Entwurf Knobelsdorffs
entstand. Die Errichtung des Schlosses Sanssouci vor den Toren Potsdams, das zum bevorzugten
Aufenthaltsort des Königs wurde, führte zur Aufgabe der früheren Idee eines Schloßneubaus Unter
den Linden. Auch die Akademie der Wissenschaften erhielt keinen Neubau, sondern blieb im
Marstallgebäude.
In einem verkleinerten Maßstab wurden die Pläne eines Forum Fridericianum allerdings
weiterverfolgt: Nach dem Vorbild des Pantheons in Rom wurde 1747 neben dem Opernhaus mit
dem Bau der katholischen St.-Hedwigs-Kathedrale begonnen, die erst 1773 fertiggestellt werden
konnte. Ein neues Gegenüber erhielt die Oper durch die Königliche Bibliothek (1775-80). Anstelle
des geplanten Schloßneubaus entstand 1748-66 auf der Nordseite der "Linden" das Palais des
Prinzen Heinrich, eines Bruders Friedrichs II. Dessen Ehrenhof ergänzte den durch das Opernhaus,
die Kirche und die Bibliothek baulich gefaßten Platzraum im Norden der Allee. So erhielt Berlin trotz der deutlichen Abstriche an den ursprünglichen Bauplänen - ein neues geistig-kulturelles
Zentrum, das den Charakter der "Linden" fortan stark mitprägen sollte.
Aber auch im Wohnhausbau fand der städtebauliche Ehrgeiz des Landesherrn seinen Niederschlag.
Seit 1755 förderte die königliche "Bautaxe", die Vorschriften über die Baupreise und den
Materialverbrauch enthielt, die Ablösung der in der Regel bescheidenen, zweigeschossigen
Ursprungsbebauung durch dreigeschossige Mietshäuser (vgl. Demps 1987, S. 105-108). Ab 1770
veranlaßte Friedrich II. selbst die Errichtung von Mietshäusern auf Staatskosten
("Immediatbauten"): prächtiger, aber nicht immer praktischer Gebäude, für die häufig zwei oder
drei Parzellen zusammengelegt wurden. Italienische Kupferstiche lieferten zumeist die Vorlagen für
die Gestaltung der Fassaden. Eine repräsentative Ausgestaltung erfuhren so vor allem die für den
König wichtigsten Eingänge in die Stadt: die Straße Unter den Linden (aus Richtung
Charlottenburg) und die Leipziger Straße (aus Richtung Potsdam). Aber auch der Gendarmenmarkt
bekam durch Immediatbauten weitgehend ein neues Gesicht. Auf der Platzfläche selbst wurde 1774
ein Theater errichtet, das seit 1786 den Namen "Königliches Nationaltheater" trug. Die Deutsche
und die Französische Kirche im Süden und Norden des Platzes erhielten in den Jahren 1780 bis
1785 zwei vollkommen gleichartige Turmbauten nach Entwürfen von Karl von Gontard. Diese
waren nicht in erster Linie als Kirchtürme, sondern als den Platz schmückende und die
Stadtsilhouette bereichernde Monumentalbauten gedacht.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Friedrichstadt zum Inbegriff der modernen
Residenzstadt Berlin geworden - Ausdruck des nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen
Krieges aufstrebenden Kurfürstentums Brandenburg bzw. des Königreichs Preußen. "Die
Friedrichsstadt ist jetzt der ansehnlichste Theil von Berlin", so Friedrich Nicolai 1786 in seiner viel
gelesenen "Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam". "Die Straßen gehen
alle gerade, und stoßen fast alle winkelrecht auf einander, sie sind sämmtlich ungefähr sechs rheinl.
Ruthen [ca. 22,6 m] breit. Die Häuser in den unter K. Friedrich Wilhelm gebauten Straßen sind
zwar meist nur zwey Geschoß hoch, und unter Einem Dache fortgeführet; welches ihnen ein etwas
einförmiges Ansehen giebt. Allein, es sind nicht nur unter dem jetzigen Könige, zum Theil auf
Königl. Kosten, viele hohe und prächtige Häuser gebaut, sondern es stehen auch sonst in der
Friedrichsstadt viele ansehnliche öffentliche Häuser und Palläste." (S. 183)
Aber: Die Dorotheenstadt und die Friedrichstadt waren nicht das ganze Berlin! Abseits der
modernen, regelmäßigen Neustädte der Barockzeit, in den Wohnvierteln der einfachen Menschen,
die nicht Gegenstand der stadtbaukünstlerischen Ambitionen des Königs waren, stellte sich die
Residenzstadt sehr viel dürftiger dar. Ein Zeitgenosse bemerkte im Jahre 1784: "Im ganzen gibt's
hier schöne breite Straßen, die kaum das schwache Auge absehen kan, besonders ist die
85
Friederichsstadt sehr regelmäßig und schön gebaut, und der jetzige König hat alles angewandt,
diesen Theil der Stadt auszeichnend und schön zu machen; da hingegen giebt es in Berlin selbst
elende Gaßen, wie man sie nur immer in einer Landstadt finden kan - finster, eng, daß wenn ein
Wagen durchfährt, die Fusgänger so lange Halte machen müssen, und denn so schmutzig, daß man
eine schlechte Idee von der großen Königsstadt bekommt; überhaupt hat Berlin für einen Fremden,
der vom Hamburger, Schlesischen und Cottbußer Thor herein kommt, ein klägliches Ansehen, denn
man findet elende gestützte Häuser, - wüste unbebaute Plätze - große Misthaufen vor den Thüren,
und die Bewohner tragen das Zeichen der äußersten Dürftigkeit auf ihrer Stirne; hingegen kommt
man ins Brandenburger- und Potsdammer-Thor, so ruhet das Auge mit Wohlgefallen auf den
schönen Gaßen, und noch schönern Palläste und Häuser, die nach der neuen Bauart, in
verschiedenen mannichfaltigen Gusto, auf beiden Seiten erbauet sind [...]." (Knüppeln 1784, Bd. 1,
S. 11f.) Der Autor dieser kritischen Betrachtungen zog es vor, sein Buch anonym zu
veröffentlichen. Es war Julius Friedrich Knüppeln (1757-1840), ein heute in Vergessenheit
geratener Schriftsteller der ausgehenden Barockzeit (vgl. Holzmann/Bohatta 1902, S. 317).
3.2. Bürgerliche Überformung und Citybildung: Das 19. und frühe 20. Jahrhundert
Noch bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts behauptete die Altstadt ihre Stellung als
Schwerpunkt des Berliner Geschäftslebens. Zu Beginn des Jahrhunderts hatte jedoch bereits die
Entwicklung der Dorotheenstadt und der nördlichen Friedrichstadt (bis zur Zimmerstraße) zu einem
verdichteten Zentrumsgebiet eingesetzt. Besonders die Friedrichstraße und die Lindenallee
veränderten ihr Antlitz durch Abrisse und Neubauten sowie die Aufstockung bzw. die
Umgestaltung von Altbauten. Mehr und mehr verdrängten Geschäfte, Hotels, Cafés und dergleichen
die Wohnnutzung. Abseits dieser beiden Straßen erhielt sich der alte Charakter der Dorotheen/Friedrichstadt indessen noch bis in die Gründerzeit. Während sich so der Aufriß der Stadt
unaufhaltsam wandelte, blieb ihr Grundriß als historische Kontinuität vermittelndes Gerüst erhalten.
Im Stadtbild fand die sich herausbildende bürgerliche Gesellschaft Gelegenheit zur
Selbstdarstellung. Individuell gestaltete, in ihren Höhen und Proportionen teilweise voneinander
abweichende Häuser im klassizistischen Stil durchbrachen nun mehr und mehr die einstmals auf
eine einheitliche Wirkung hin entworfenen Straßenwände der Barockzeit. Diese Individualisierung
des Straßenbildes vollzog sich allerdings zumeist noch im Rahmen der überkommenen
Parzellenstruktur.
Während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. (1797-1840) kam die repräsentative
Ausgestaltung der Schloßachse Unter den Linden zum Abschluß. Nach einem Entwurf Karl
Friedrich Schinkels erhielt der Freiraum zwischen Zeughaus und Universität durch den Bau der
Neuen Wache (1816-18) und die Anlage des "Kastanienwäldchens" seine endgültige Gestalt. Der
Neubau der Singakademie (1825-27) und die neugestaltete Fassade des Finanzministeriums (186163) gaben diesem Stadtraum im Norden eine repräsentative Fassung. Schließlich förderte die
Einrichtung der 1810 gegründeten Berliner Universität im Palais des Prinzen Heinrich die weitere
Entwicklung der "Linden" als wissenschaftlich-kulturelles Zentrum der Residenzstadt.
Dichter, Musiker, Maler und andere Zeitgenossen priesen die Schönheit und Eleganz der Straße.
"Wirklich, ich kenne keinen imposantern Anblick, als vor der Hundebrücke [Vorgängerbau der
1822-24 errichteten Schloßbrücke] stehend nach den Linden hinauf zu sehen", bemerkte etwa
Heinrich Heine am 26. Januar 1822 in seinem ersten "Brief aus Berlin". "Rechts das hohe, prächtige
Zeughaus, das neue Wachthaus, die Universität und Akademie. Links das Königliche Palais, das
Opernhaus, die Bibliothek u. s. w. Hier drängt sich Prachtgebäude an Prachtgebäude." (Heine 1973,
S. 12)
Auch der Gendarmenmarkt zog erneut Aufmerksamkeit auf sich, als nach einem Entwurf Schinkels
in den Jahren 1818-21 das neue Schauspielhaus auf dem Fundament des abgebrannten
86
Vorgängerbaus entstand. Durch den in klassizistischen Formen errichteten Monumentalbau erfuhr
die Wirkung des Platzes - auch im Zusammenhang mit den Gontardschen Turmbauten des
Deutschen und des Französischen Doms - eine gewaltige Steigerung.
Sehr viel tiefgreifender war die Überformung der Dorotheen-/Friedrichstadt während der Kaiserzeit
(1871-1918), als sich hier die City der Reichshauptstadt entwickelte, das Zentrum einer schnell
wachsenden Großstadt, die 1871 noch 826.800, 1890 aber bereits 1.575.000 und 1910 2.076.200
Einwohner hatte. Berlin wurde zum Kern eines Ballungsgebietes, das weit über die administrativen
Grenzen der Stadt hinauswuchs. Auf dem Territorium der 1920 gebildeten Einheitsgemeinde GroßBerlin lebten 1871 932.000, 1890 1.953.800 und 1910 3.734.300 Menschen. (Presse- und
Informationsamt 1992, S. 239)
Innerhalb von nur vier Jahrzehnten wandelte sich das Bebauungsgefüge der Dorotheen/Friedrichstadt fast vollständig. Schließlich prägten neue, repräsentative, zumeist gewerblichen
Zwecken dienende Gebäude das Stadtbild. Deren Fassaden waren vor allem in Formen des
zeittypischen Historismus geschmückt, in dem die Kaiserzeit ihren künstlerischen Ausdruck fand.
Die Verschmelzung der Dorotheen-/Friedrichstadt zu einem zusammenhängenden Zentrumsbereich
vollzog sich in zwei "Bauwellen". Während sich die Neubauten der eigentlichen Gründerzeit
aufgrund der Bauordnung von 1853 noch auf vier Geschosse (Traufhöhe 18 Meter) beschränken
mußten, erlaubte die 1897 in Kraft getretene Bauordnung für den um die Jahrhundertwende
einsetzenden zweiten Bauboom eine fünfgeschossige Bauweise bis zu jener Traufhöhe von 22
Metern, die auch heute Bestandteil des für die Dorotheen-/Friedrichstadt entwickelten
städtebaulichen Regelwerkes der "kritischen Rekonstruktion" ist.
Die bereits im frühen 19. Jahrhundert begonnene Individualisierung des Stadtbildes erreichte
während der Kaiserzeit neue Dimensionen. Waren die Unterschiede zwischen den zurückhaltend
dekorierten klassizistischen Fassaden noch vergleichsweise gering ausgeprägt, brachten die in
unterschiedlichen Spielarten des Historismus gestalteten Fassaden einen gesteigerten bürgerlichen
Repräsentationswillen zum Ausdruck, der entlang der Friedrichstraße und der Leipziger Straße
seine Höhepunkte entwickelte. Der Maßstabssprung in der Bebauung wurde durch die
Zusammenlegung von zwei oder drei Parzellen stellenweise noch verstärkt. Den städtebaulichen
Rahmen für den Individualismus der bürgerlichen Bauherren setzte indessen nach wie vor der
regelmäßige barocke Stadtgrundriß. Gerade aus dieser Spannung zwischen einem übergeordneten
räumlich-strukturellen Ordnungssystem und individueller Selbstdarstellung in der Architektur
entwickelte sich jener faszinierende großstädtische Charakter, der die Friedrichstadt bis zu den
Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges auszeichnete.
Gegen Ende der Kaiserzeit versuchte eine Gruppe von Fachleuten, für eine Rationalisierung des
rasanten städtischen Wachstums zu werben. Der 1910 entschiedene städtebauliche Wettbewerb
"Groß-Berlin" zielte jedoch vor allem auf eine Modernisierung der Altstadt und eine
Zentrumserweiterung nach Westen, nicht so sehr auf eine weitere intensive Entwicklung der City.
Dennoch war auch ein in diesem Rahmen formulierter Vorschlag von großem Interesse: die von
Joseph Brix, Felix Genzmer und der Hochbahngesellschaft angeregte städtebauliche Betonung der
Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße. Die Ausbildung eines Platzes an dieser Kreuzung war
zweifellos ein Versuch, endlich einen "Zentralpunkt" des Zentrums zu markieren: "Die Schnittstelle
des repräsentativen Berlins mit dem vornehmen kommerziellen, dort 'wo die belebteste Straße
Berlins, die Friedrichstraße, die große Promenadenstraße kreuzt', bedeutete für die
Entwurfsverfasser in Anlehnung an 'das römische Templum mit Kardo und Dekumanus' sowie 'im
Sinne des Zentralplatzes der Renaissancestadtidee oder des Quattro cantoni Palermos' ein 'durchaus
erwünschtes Merkzeichen' des Stadtraumes - 'ein wichtiger Schritt zur Verschönerung und
Veredelung des Großstadtbildes Berlins'." (Konter 1995, S. 264) Der Kreuzungsplatz blieb - wie
87
andere Ideen des Wettbewerbs - Papierstädtebau. Er fand aber gut fünfzig Jahre später in der DDR
eine vom Anspruch her allerdings viel bescheidenere Verwirklichung.
In seinem schon erwähnten, 1915 publizierten Buch über "Die baulichen und wirtschaftlichen
Grundlagen der Geschäftsstadt Berlin" analysierte Willy Lesser die Herausbildung des zentralen
Geschäftsbezirks der Reichshauptstadt: "So unglaublich rasch ist alles gekommen, daß noch am
Ende des vorigen Jahrhunderts unsere belebteste Geschäftsstraße, die Leipziger Straße, den
höchsten Glanz als Wohnstraße genoß, und daß die reichsten Leute dort ihre Wohnung hatten. Noch
heute sind die so gar nicht in den Rahmen dieser Straße passenden gewaltigen Regierungskomplexe
an der Wilhelm- und Mauerstraße Zeugen dieser kaum zwanzigjährigen Vergangenheit. Als dann
die Periode des industriellen Aufschwungs einsetzte, erstand auch, wie es unter normalen
Umständen zu geschehen pflegt, nicht nur ein 'Geschäftsplatz' allein, sondern es entstanden
mehrere; die Verbindungslinien dieser Plätze wurden die Geschäftsstraßen und aus ihnen entstand
die Geschäftsstadt." (S. 25)
Als charakteristisches Merkmal der inneren Struktur der kaiserzeitlichen "Geschäftsstadt" erkannte
Willy Lesser die Herausbildung von Bereichen, an denen sich einzelne zentrumsbildende
Funktionen konzentrierten. Diese "Interessensphären" (S. 28) waren allerdings nicht ganz eindeutig
voneinander getrennt, sondern überschnitten sich mitunter. Die beiden sich kreuzenden
Hauptstraßenzüge Friedrichstraße und Leipziger Straße/Gertraudenstraße/Spandauer
Straße/Königstraße bildeten dabei die "eigentliche Geschäftsstadt, wo sich die modernen
Geschäftspaläste [...] aneinander reihen" (S. 28). Die Kreuzung der Leipziger Straße und
Friedrichstraße stellte den "wohl verkehrsreichsten Punkt von Berlin" (S. 27) dar. Nördlich der
Leipziger Straße - im wesentlichen zwischen den "Linden" und der Französischen Straße - hatte
sich das "Bankenviertel" entwickelt, südlich davon das "Viertel der Lebens- und
Feuerversicherungen". Ein "Hotelviertel" war im Norden der "Linden" entstanden, eine "zweite
Hotelgegend" im Umkreis des Leipziger Platzes (bis zum Askanischen Platz) noch im Entstehen.
Entlang der Wilhelmstraße und in deren Umfeld konzentrierte sich das "Regierungs- und
Gesandtschaftsviertel". Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hatten die höchsten Behörden Preußens,
später auch des Deutschen Reiches, die einstigen Adelspalais bezogen und stellenweise auch
Neubauten errichtet. Im Osten der Geschäftsstadt hatte sich - rund um den Hausvogteiplatz - das
"Konfektionsviertel" herausgebildet. Südlich der Leipziger Straße breitete sich ein neues "Viertel
der Geschäftshäuser für Büro- und Engroszwecke" aus. "Durch Abriß der alten Gebäude und durch
Zusammenfassung mehrerer Gelände ist hier ein in architektonischer Hinsicht bemerkenswerter
Bezirk seit dem Anfange dieses Jahrhunderts erstanden." (S. 29) Daran schloß sich bis zur
Lindenstraße und Kochstraße das "Zeitungsviertel" an. Diese funktionsräumliche Gliederung hat
die Kaiserzeit überlebt und sich im wesentlichen bis 1945 erhalten.
Während sich private Investoren bei der "Zusammenfassung mehrerer Gelände" noch
zurückhielten, schickte sich wiederum die öffentliche Hand an, nun auch in der historischen
Friedrichstadt zentrumsunverträgliche Riesenparzellen zu schaffen. Hervorstechendes Beispiel
dafür war die stetige Expansion des Kriegsministeriums an der westlichen Leipziger Straße und
südlichen Wilhelmstraße.
Im Verlauf der rasanten Entwicklung der "Geschäftsstadt" während der Kaiserzeit hatte sich der
Schwerpunkt des Stadtzentrums endgültig in den Bereich der Dorotheenstadt und Friedrichstadt
verschoben. Dazu hatte das Berliner Bahnhofssystem wesentlich beigetragen: Die wichtigsten
Fernbahnhöfe lagen im Westen und Norden der City. Im Osten des Schlosses erschwerten die engen
Straßen mit ihren kleinteiligen Parzellen- und Bebauungsstrukturen die Errichtung moderner
Geschäftshäuser. "So ist allein um den Molkenmarkt im Zuge der großen Ost-West-Straße und
nördlich der Königstraße, in dem nach Westen offenen Bogen der Neuen Friedrichstraße ein
Geschäftsviertel entstanden, in dem die Tuch- und Wäschebranche zahlreich vertreten ist [...]."
88
(Lesser 1915, S. 30) Ansonsten fand sich die Altstadt nunmehr im Windschatten der stürmischen
Entfaltung des Zentrums der aufstrebenden Reichshauptstadt wieder.
Am Ende dieser Entwicklung stand ein komplexes Gefüge mit einem Nebeneinander zentraler
Bereiche unterschiedlicher Prägung, durchschnitten von mehreren Hauptstraßen, unter denen der
Friedrichstraße und der Leipziger Straße als Hauptgeschäftsstraßen sowie den "Linden" als
repräsentativer Allee und Brennpunkt des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens eine besondere
Bedeutung zukam: ein Zentrum ohne zentralen Punkt, aber mit einer Vielzahl zentraler Straßen und
Plätze. Herausgebildet hatte sich in Berlin also nicht ein hierarchisch strukturiertes Zentrum,
sondern ein vernetztes zentrales Gefüge mit mehreren zentralen Orten - gegenüber vielen anderen
Städten eine Besonderheit der städtebaulichen Entwicklung, der auch in Zukunft eine entscheidende
Bedeutung zukommen muß.
3.3. Stagnation und Planerträume: Die Zeit der Weimarer Republik
Nach dem Ersten Weltkrieg beschränkte die wirtschaftlich prekäre Lage Deutschlands auch im
Zentrum Berlins die Investitionstätigkeit. Die Errichtung preiswerter Wohnhäuser im sozialen
Wohnungsbau, eines der vordringlichsten Anliegen der sozialdemokratischen Stadtregierung, war
in der Stadtmitte nicht nur angesichts der hohen Bodenpreise kein Thema. Das in jenen Jahren
propagierte städtebauliche Leitbild der räumlichen Trennung der städtischen Funktionen zielte ja
gerade auf eine weitere Tertiärisierung des Zentrums. In der Tat brachte der kurzzeitige
wirtschaftliche Aufschwung nach der Inflation des Jahres 1923 neue Gewerbebetriebe in die
Friedrichstadt. Daß dies zu Lasten von noch verbliebenen Wohnnutzungen ging, war durchaus im
Sinne der Stadtentwicklungspolitik und wurde auch durch die neue Bauordnung unterstützt.
Ungeachtet der Schwierigkeiten des wirtschaftlich ernüchternden Alltags entwarfen Protagonisten
der Moderne indessen große Pläne, in denen sie ihre Vorstellungen und Träume hinsichtlich der
angemessenen Form einer "Weltstadtcity" darstellten. Damit begründeten sie eine kulturelle
Tradition des Umgangs mit der vorhandenen Stadt, die bis weit in die Zeit nach dem Zweiten
Weltkrieg fortwirken sollte. Im Mittelpunkt des planerischen Interesses stand angesichts der
fortschreitenden Westwanderung des Berliner Zentrums allerdings die Altstadt und deren
Umgestaltung für eine weitere Cityentwicklung. Eine wichtige Rolle im planerischen Denken der
damaligen Zeit spielte der für die Zukunft prognostizierte "Weltstadtverkehr". Vor allem das neue
Phänomen des Automobils beflügelte die Gedanken vieler Stadtplaner - das Konzept der
"autogerechten Stadt" hat seine Wurzeln in jenen Jahren.
Den Strategen der Moderne in der Weimarer Republik ging es nicht mehr nur um den
städtebaulichen Bruch mit dem vorindustriellen, "provinziellen" Berlin, sondern auch um eine klare
Distanz zur unmittelbaren Vergangenheit, zu den City-Schöpfungen der wilhelminischen Ära. Für
das republikanische Berlin wurde zwar eine Fortführung der Tertiärisierung propagiert, die
Vorstellungen hinsichtlich der Form des Umbaus der historischen Stadt zu einem Zentrum der
Weltstadt veränderte sich indessen radikal. Erstrebt wurde jetzt eine Abkehr vom Dekor der
Kaiserzeit, eine Auflösung der überkommenen Straßen- und Platzwände, eine Anhebung und
Differenzierung der Gebäudehöhen - bis hin zum Hochhaus. Das sachlich gestaltete und
städtebaulich bewußt plazierte Hochhaus verkörpert vielleicht am besten das Wunschbild der
Weimarer Republik hinsichtlich einer neuen City von Berlin. Es begegnet uns auf Plänen immer
wieder - nicht nur am Platz der Republik und am Potsdamer Platz, in der Altstadt und in den
Gebieten der barocken Stadterweiterungen. "Hochhäuser bilden in der Hand des Städtebauers ein
wichtiges Gestaltungsmittel. An richtiger Stelle errichtet, sind sie geeignet, charaktervolle
Dominanten im Stadtkörper oder in der Stadtsilhouette zu bilden, Rhythmus in das Stadtbild zu
bringen, ihrer Umgebung einen optischen Maßstab zu geben, als Orientierungspunkte für den
89
Verkehr zu dienen und schließlich auch der Stadt eine gewisse repräsentative Note zu verleihen."
(Heinrich Hirtsiefer, Preußischer Minister für Volkswohlfahrt, 1929, S. 464f.)
Spektakulärer Ausdruck dieser Vorstellungen war der berühmte Wettbewerb für ein Turmhaus am
Bahnhof Friedrichstraße (auf der Fläche zwischen Bahnhof und Spree), der im Herbst 1921 von der
im selben Jahr speziell für die Realisierung von Hochhausprojekten innerhalb und außerhalb
Berlins gegründeten Turmhaus-Aktiengesellschaft ausgelobt wurde (Ergebnis dokumentiert in
Zimmermann 1988). Das Echo war gewaltig - 144 Architekten reichten Entwürfe ein, in denen sich
die unterschiedlichen Architekturpositionen jener Zeit widerspiegelten. Monumentale,
expressionistische, backsteingotische und orientalische Entwürfe standen neben sehr modernen
Projekten. Keine Beachtung fand bei der Jury jener von Ludwig Mies van der Rohe eingereichte
Vorschlag eines gläsernen Turmhauses, das in der Folgezeit geradezu zum Inbegriff der
Hochhausträume der zwanziger Jahre geworden ist. Den ersten Preis erhielt der in Formen eines
moderaten Expressionismus gestaltete Entwurf der heute in Vergessenheit geratenen Architekten
Alfons Baecker, J. Brahm und R. Kasteleiner. Die Entwürfe blieben jedoch Papier - für eine
Realisierung fehlten in den Jahren der heraufziehenden Inflation die wirtschaftlichen
Voraussetzungen.
Ohne greifbares Ergebnis blieb auch ein zweiter Wettbewerb, zu dem die Berliner Verkehrs-A.G.
(BVG), die das Grundstück inzwischen zwecks Errichtung eines eigenen Bürogebäudes von der
Turmhaus AG erworben hatte, im wirtschaftlichen Krisenjahr 1929 fünf Architekturbüros einlud
(Ergebnis dokumentiert in Zimmermann 1988, S. 167-185). Paul Mebes und Paul Emmerich sowie
Erich Mendelsohn erhielten jeweils einen ersten Preis für ihre im Sinne der "Neuen Sachlichkeit"
gestalteten Entwürfe. Unberücksichtigt blieb wiederum Ludwig Mies van der Rohe, der sich mit
zwei neuen Varianten am Wettbewerb beteiligt hatte. Das Hochhausprojekt war allerdings schon in
der zeitgenössischen Presse nicht unumstritten. "Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Ansicht,
die Stadt hätte dieses Gelände kaufen sollen, um diesen Platz als Grünfläche oder als Parkfläche für
Autos liegenzulassen, viele und gewichtige Gründe für sich hat", bemerkte der
Magistratsoberbaurat Johannes Grobler. Der These, in Anbetracht der Erschließungsgunst durch
den öffentlichen Nah- und Fernverkehr sei "eine möglichst gedrängte Bebauung anzustreben",
begegnete er mit einer Argumentation, die auch in der heutigen Hochhausdiskussion noch
Gültigkeit hat: "Jede dichte Bebauung zieht einen stärkeren Verkehr nach sich. Es ist daher falsch,
eine Stelle, die schon an sich durch den Verkehr beschwert wird, zu einem weiteren Anschwellen
des Verkehrs zu verurteilen. Wenn man so denken würde, würde man leicht in der Wechselwirkung
zwischen Verkehr und Bebauung zu einer Schraube ohne Ende kommen. Der Verfasser hat in
früheren Artikeln der Ansicht Raum gegeben, daß der Bau von Hochhäusern in der City, die ein
Anwachsen des Verkehrs verursachen, ein schwerer städtebaulicher Fehler ist und daß die Vorteile,
die das Hochhaus scheinbar bringt, reichlich übertroffen werden durch die schweren Nachteile, die
das Gemeinwesen von ihm hat." (Grobler 1930, S. 9f.)
Einige Jahre nach dem ersten Turmhauswettbewerb, in einer Zeit relativer ökonomischer
Stabilisierung, veranstalteten die Zeitschriften "Städtebau" und "Wasmuths Monatshefte für
Baukunst" einen Wettbewerb zur Umgestaltung der Straße Unter den Linden (Ergebnis
dokumentiert in Hegemann 1927a). "Wie soll Berlins Hauptstraße 'Unter den Linden' sich im Laufe
des 20. Jahrhunderts gestalten?" lautete die Preisfrage. Der Gewinner des ersten Preises, Cornelius
van Eesteren, sah einen radikalen Kahlschlag der Altbebauung und eine gestaffelte Neubebauung
vor, die von einem Hochhaus gekrönt werden sollte. Ludwig Hilberseimer, einer der
prominentesten Vertreter der Avantgarde des "Neuen Bauens", würdigte diesen Vorschlag aus dem
Jahre 1925 ausdrücklich: "C. van Eesteren schlug in einem preisgekrönten Projekt für die Straße
Unter den Linden ihre Umbildung vor. Unter den Linden war die Hauptstraße der Friedrichstadt,
eine der ältesten Vergrößerungen des mittelalterlichen Berlin. Die meisten Gebäude dieser Straße
waren Wohnhäuser, die man für geschäftliche Zwecke umgebaut hatte, mit all den unvorteilhaften
90
Begleiterscheinungen eines solchen Umbaus. Es bestand auch ein Mißverhältnis zwischen dem
Charakter der Gebäude und dem hohen Grundstückswert dieser wichtigen Verkehrsader. [...] [Das
Projekt von van Eesteren] ist frei von allen vorgefaßten Ideen, elementar in seinen Absichten wie
auch in seinem Ausdruck." (1967, S. 74)
Das Konzept der in der Höhe gestaffelten Neubauten hat seine Ursprünge in einer von Werner
Hegemann im Auslobungstext formulierten Idee (vgl. Städtebau 5-8/1925, S. 107; Hegemann
1927a, S. 19). "Wenn die wirtschaftlichen Erfordernisse der Privathäuser Unter den Linden hohe
Bodenausnutzung und große Geschoßzahl nötig machen, müssen diese Aufstockungen in den
hinteren Teil der Baublöcke verlegt werden", so Hegemann einige Jahre später (1930, S. 203).
"Noch mehr als in New York, wo höhere Häuser nach der Straße zu abgetreppt werden, müssen die
nahe an der Straße Unter den Linden gelegenen Teile der Privathäuser niedrig gehalten werden. Die
beste künstlerische Wirkung würde erreicht, wenn sie wieder auf drei Geschosse herabgedrückt
würden. Solange nicht die Gesimshöhen aller Häuser einheitlich und möglichst niedrig und ihre
Fassaden harmonisch entwickelt werden, darf die Hauptstraße und via triumphalis Berlins keinen
Anspruch auf künstlerische Würde machen." Zwei Ziele sollten mit dieser Strategie erreicht
werden: zum einen die Intensivierung der Bodennutzung und zum anderen die Vereinheitlichung
der straßenseitigen Bebauung, deren an Spannungen und Brüchen reiche Vielfalt Hegemann als
"Anarchie" (ebd.) wahrnahm.
Das Projekt zur Neugestaltung der Straße Unter den Linden blieb wie viele andere Projekte in der
Weimarer Republik ein Schubladenprojekt. Gebaut wurden in den "goldenen zwanziger Jahren" nur
wenige Hochhäuser, und diese ohne den beschworenen rationalen Plan, im Wildwuchs der
Zufälligkeiten der privatisierten Stadtentwicklung - abgesehen vom "Europahaus" (1926-31) am
Askanischen Platz keines davon in der Dorotheen-/Friedrichstadt.
Ludwig Hilberseimer legte 1928, etwa gleichzeitig mit seiner Vision einer neuen Altstadt, seine
berühmte Studie zur Umgestaltung der City westlich des Gendarmenmarktes vor. Die vorgesehenen
achtzehn Hochhausscheiben ignorierten die vorhandenen Gebäude, Straßen, Parzellen, Formen und
Dimensionen. Sie bringen die Gewaltsamkeit des Anspruchs der städtebaulichen Moderne, eine
bessere, neue Stadt auf den Trümmern der alten Stadt zu schaffen, drastisch zum Ausdruck. Die
neue Weltstadt Berlin, so die Botschaft, muß ihre eigene Vergangenheit schonungslos abräumen.
In der 1927 publizierten Schrift "Großstadtarchitektur" hatte Ludwig Hilberseimer bereits in
verbaler Form seinen Vorschlag einer verkehrssparenden Vertikalstadt dargelegt: "Statt noch
weiterer Ausbreitung in der Ebene, weitere Konzentration, weitere Zusammenballung. Aufbauen
der einzelnen Stadtelemente, funktionell voneinander geschieden, der Höhe nach. Gewissermaßen
zwei Städte übereinander. Unten die Geschäftsstadt mit ihrem Autoverkehr. Darüber die Wohnstadt
mit ihrem Fußgängerverkehr. Unter der Erde der Fern- und Stadtbahnverkehr. Als vertikale Stadt
kann sie nur eine Hochhausstadt sein. Aber im Gegensatz zu der Chaotik amerikanischer
Hochhausstädte, deren Struktur durch reine Willkür bestimmt ist, muß sie planvoll organisiert sein.
Das Hochhaus, das wie das Miethaus auf Grund der üblichen Grundstückszersplitterung die Chaotik
eines Stadtorganismus ins Unendliche übersteigerte, muß in einem völlig neuen Sinne verwandt
werden. Seine Vorteile dürfen nicht durch seine willkürliche Anwendung wieder aufgehoben
werden. Dies ist zu erreichen, indem es blockartig zusammengefaßt, einheitlich organisiert und
gestaltet wird." (S. 17) Später distanzierte sich Hilberseimer von dem Konzept der Vertikalstadt
(vgl. 1967, S. 65f.).
3.4. Zentrum der Gewaltherrschaft: Die Zeit des "Dritten Reiches"
Während der nationalsozialistischen Herrschaft blieben die Dorotheenstadt (in ihrem größeren,
südlich der Stadtbahn gelegenen Teil) und die Friedrichstadt von den Neugestaltungsplanungen des
91
"Generalbauinspektors" Albert Speer unberührt. Diese gipfelten in jener gigantischen Nord-SüdAchse, die - wäre sie tatsächlich gebaut worden - allerdings in unmittelbarer Nachbarschaft zur
Dorotheen-/Friedrichstadt verlaufen wäre und diese in den Schatten gestellt, zu einem
städtebaulichen Zwerg verkümmert hätte. Pläne bestanden hingegen für den Randbereich der
Dorotheenstadt zwischen Stadtbahn und Spree, wo ein riesiges "Völkerkundemuseum" die
bestehende Bebauung ersetzen sollte.
Im wesentlichen erhielt sich auch im "Dritten Reich" das während der Kaiserzeit ausgeprägte
Bebauungsgefüge. Neubaumaßnahmen beschränkten sich auf einzelne Stellen, hatten allerdings
zum Teil weitreichende Folgen. Ein besonderes Interesse galt erneut der Straße Unter den Linden,
der als besonders repräsentativer Teil der geplanten "Ost-West-Achse" eine herausragende
Bedeutung zukam. Anläßlich des Baus der Tunnelstrecke für die S-Bahn begann 1935 der (auto)verkehrsgerechte Ausbau der Allee. "Es galt eine Lösung zu finden, die, ohne die Straße ihrer
Eigenart als Feststraße zu entkleiden, einer zu erwartenden Zunahme des rollenden und ruhenden
Verkehrs gerecht wird." (Bösselmann 1936, S. 1050) Die Fahrbahnen wurden breiter und erhielten
Parkstreifen entlang der entsprechend verschmälerten Mittelpromenade - diese war allerdings
immer noch breit genug, um "den ungehinderten Aufmarsch von Kolonnen in Zwölferreihen bei
feierlichen Anlässen [zu] gestatten" (S. 1052). Im Zuge des Umbaus wurde der früher
unsymmetrische Querschnitt der Straße zugunsten der Anlage von Fahrbahnen einheitlicher Breite
aufgegeben. Komplett erneuert wurden der Baumbestand und die Straßenbeleuchtung. Zu den
Olympischen Spielen des Jahres 1936 konnten die Propagandisten des "Dritten Reiches" die
"Linden" bereits im neuen Gewand präsentieren. "Die Sportsleute aus mehr als 50 Staaten der Erde"
sollten hier den Eindruck gewinnen, "daß das neue Deutschland neben seinem kraftvollen neuen
Schaffen bestrebt ist, das gute Alte zu erhalten" (S. 1054).
In diesem Sinne wurde für Neubauten ein gestalterisches Regelwerk konzipiert, das als "Satzung
zum Schutze der Straße 'Unter den Linden' und ihrer Umgebung gegen Verunstaltung" am 24. Mai
1936 Rechtskraft erlangte (dokumentiert im Amtsblatt der Stadt Berlin 21/1936, S. 422f.). Die
Satzung stand in der Tradition der bereits in den zwanziger Jahren vielfach - beispielsweise von
Werner Hegemann - geäußerten Kritik am Verlust der einstmals "geschlossenen Gesamtwirkung"
infolge der baulichen Überformung: "Die im Zuge dieser Entwicklung entstandene
Verschiedenartigkeit in der Geschoßzahl, in den Geschoß- und Gebäudehöhen zu beseitigen und
eine einheitliche Gesamtwirkung der Straßen- und Platzwände zu erzielen, ist der Zweck dieser
Satzung." (Einleitungstext) Danach hatten die Architekten von Neubauten "auf die vorhandenen
Beispiele guter älterer Baukunst Rücksicht zu nehmen" (§ 2). Die Hauptgesimshöhe wurde auf 18
Meter beschränkt (15,70 Meter an der Westseite des Pariser Platzes); darüber konnte ein
zusätzliches Geschoß mit einem Abschlußgesims in Höhe von 22 Metern zugelassen oder gefordert
werden. Die Dachneigung sollte 20 Grad nicht überschreiten. (§ 3)
Weniger rücksichtsvoll gegenüber der überkommenen Stadt verhielten sich hingegen die
Staatsbauten, die an anderen Stellen des Berliner Zentrums geplant und zum Teil auch realisiert
wurden. Einen gewaltsamen Eingriff in das städtebauliche Gefüge stellte das in der Leipziger
Straße/Ecke Wilhelmstraße für das Reichsluftfahrtministerium errichtete Gebäude dar. In seiner
starren Monumentalität verkörperte es den Machtanspruch des Regimes. Dieser monofunktionale
Büroblock entzog - wie schon sein Vorgängerbau, das Kriegsministerium - einen Teil der Leipziger
Straße dem Geschäftsleben: ein abschreckendes Beispiel für die mangelnde Integrationsfähigkeit
eines Regierungsgebäudes in ein historisch gewachsenes Nutzungs- und Bebauungsgefüge, das im
Hinblick auf die aktuelle Diskussion um Monofunktionalität oder Funktionsmischung der neuen
Hauptstadtbauten erneut Aufmerksamkeit beanspruchen muß. Mit dem Neubau des
Reichsluftfahrtministeriums "hat der Nationalsozialismus ein Schulbeispiel dafür gegeben, wie man
es am besten beginnt, in einer in sich geschlossenen Kaufstraße von überdimensionaler Bedeutung
eine lange Straßenfront kaufkraftmäßig totzulegen", so der Kommentar des Stadtplaners Hans
92
Borstorff 1948. Dagegen besaß das einstige Kriegsministerium wenigstens noch Ladeneinbauten,
"so daß die Lücke bis zum Leipziger Platz weniger fühlbar war. [...] Lediglich der Ausbruch des
zweiten Weltkrieges hat den Nationalsozialismus daran gehindert, aus absoluter Unkenntnis der
wirtschaftlichen Auswirkungen seiner reinen Fassaden-Architektur, die Zerstörungsarbeit in der
Leipziger Straße fortzusetzen. Wie bekannt, bestand der Plan, auch den zwischen Wilhelmstraße
und Mauerstraße gelegenen Teil der Leipziger Straße (im Anschluß an das RLM) - mit einem
gewaltigen Neubau für die Zwecke der Reichspost zu besetzen." (S. 14) Vor diesem Hintergrund
wird auch Borstorffs Forderung verständlich, "sämtliche staatlichen und behördlichen
Verwaltungsgebäude in den Kaufstraßen mit Läden zu versehen" (S. 42).
Nicht weniger monumental waren die Neubauten der Neuen Reichskanzlei in der Voßstraße (193739) und des Reichsministeriums für "Volksaufklärung und Propaganda" in der Mauerstraße (193738), dessen Komplex auch das ehemalige Palais Prinz Karl in der Wilhelmstraße einschloß. Struktur
und Umfeld des Wilhelmplatzes wurden durch diese drei Herrschaftsgebäude nachhaltig verändert.
Zurückhaltender stellten sich demgegenüber zwei Bürohäuser dar, die von privaten Bauherren an
stadträumlich prominenten Stellen der Friedrichstraße errichtet wurden. Mit dem "Haus der
Schweiz" erhielt die nordwestliche Ecke der Kreuzung mit der Straße Unter den Linden 1936 ein
neues Gesicht. Weiter südlich entstand an der Kreuzung mit der Leipziger Straße das "Haus
Friedrichstadt" (1935-37). An der Ecke Französische Straße errichtete die Reichs-KreditGesellschaft 1937 einen großen Erweiterungsbau.
In der Friedrichstadt konzentrierten sich schließlich wichtige Organe der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft. Zumal nach der faktischen Ausschaltung des Reichtags durch das
"Ermächtigungsgesetz" stellte die Wilhelmstraße mit ihrem Umfeld den zentralen Ort der
politischen Macht in Berlin dar. Neben der Reichskanzlei, dem Amtssitz des "Führers" Adolf Hitler,
war es insbesondere die Prinz-Albrecht-Straße, die als Domizil der Gestapo sowie von Dienststellen
der SS zu einer weithin gefürchteten Adresse wurde. Mit dem Untergang des "Dritten Reiches" im
Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges wurde auch die Dorotheen-/Friedrichstadt zu einem
Trümmerfeld.
3.5. Trümmer und Pläne: Die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg
"Und das sind also die Linden, eine der großen Prachtstraßen der Stadt", notierte Alfred Döblin
zwei Jahre nach Kriegsende. "Wie weit sie sind, wie leer, eigentlich ein Riesenplatz, der
langgestreckt sich hinzieht. Keine Bäume. Man sieht über viele Häuser hinweg, durch Häuser
hindurch. Hinten, am Pariser Platz, erkenne ich noch das Brandenburger Tor. Das steht quasi im
leeren Raum. Es hat rechts und links nichts neben sich." (1986b, S. 284) Nicht minder trostlos und
verwüstet stellten sich die anderen Straßen und Plätze der Dorotheen-/Friedrichstadt dar. Viele
Häuser waren ausgebrannt oder lagen in Trümmern - aber das Zerstörungswerk des Krieges war
nicht vollkommen. Vor allem der Stadtgrundriß und die stadttechnische Infrastruktur waren auch
1945 noch weitgehend vorhanden, und viele Gebäude waren zwar mehr oder weniger stark
beschädigt, aber doch wiederherstellbar.
Unterschiedlich waren die Vorstellungen der Städtebauer und Architekten von der Zukunft der
Dorotheen-/Friedrichstadt: In der "Stadtlandschaft" des "Kollektivplans" (1946) erinnerte nur noch
die im Bereich der Dorotheenstadt dargestellte "Museumsstadt mit der Feststraße 'Unter den
Linden'" an die frühere Bedeutung des historischen Zentrums von Berlin (vgl. Scharoun 1946).
Dagegen wurde die Leipziger Straße zum Gegenstand einer radikalen städtebaulichen Umgestaltung
(vgl. Paul Baumgarten 1988, S. 137).
Unter der Regie des sozialdemokratischen Stadtrats Karl Bonatz präsentierte Stadtbaudirektor
Richard Ermisch - nach zahlreichen Einzelvorschlägen - 1947 eine umfassende Aufbauplanung für
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das Zentrum, die den Schwerpunkt der City in den Bereich der Friedrichstadt legte. Ermisch betonte
vor allem das Kreuz Friedrichstraße/Leipziger Straße. Die Kreuzung selbst bildete er als
glasüberdachte "Kaufstraßen" aus, das Gebiet um das nicht mehr von der Linden- und
Wilhelmstraße erschlossene Rondell des Mehringplatzes sollte eine "Exportmesse und
Dauermusterschau" beherbergen, westlich des Leipziger Platzes war das Parlament geplant, am
Spittelmarkt, dem östlichen Abschluß der neuen Achse, ein "Kaufzentrum ohne Wagenverkehr".
Die Altstadt blieb im Schatten dieser Vision, die auch die Straße Unter den Linden außen vor ließ.
(Vgl. Ermisch 1947; Ermisch/Weber 1971, S. 64) Der in der Weimarer Republik erträumte, in den
dreißiger Jahren bereits massiv praktizierte Zugriff auf die private Parzelle war in dieser
Aufbauplanung eine selbstverständliche Voraussetzung. Wie andere Aufbauplaner nahm auch
Ermisch auf die überkommene Parzellenstruktur keine Rücksicht mehr.
Der von Karl Bonatz und Walter Moest ebenfalls 1947 vorgelegte "neue Plan von Berlin"
korrespondierte mit der Zentrumsplanung von Ermisch. Auch nach diesem Plan sollte der
Mehringplatz seine charakteristische Form als Ausgangspunkt der drei strahlenförmig die
Friedrichstadt erschließenden Straßen verlieren - eine Planungsabsicht, die in den sechziger Jahren
Wirklichkeit wurde. Die drei Hauptstraßenzüge der Dorotheen-/Friedrichstadt (Unter den Linden,
Friedrichstraße und Leipziger Straße) sollten durch Parallelstraßen vom Durchgangsverkehr
entlastet werden. (Vgl. Bonatz 1947)
3.6. Rekonstruktion, Neugestaltung und Vernachlässigung: Die Zeit der DDR
Einen Entwurf zum "Aufbauplan für das Zentrum des neuen Berlin" - ausgearbeitet im DDRMinisterium für Aufbau - präsentierte die "Berliner Zeitung" ihren Lesern am 27. August 1950.
Maßgeblich für diese Planung waren die sechzehn "Grundsätze des Städtebaues" (dokumentiert im
Ministerialblatt der DDR 25/1950), die durch die Regierung der DDR kurz zuvor zum republikweit
verbindlichen Rahmen für die Stadtplanung und die architektonische Gestaltung der Städte erklärt
worden waren. Ihre praktische Anwendung sollte jetzt Berlin "zum Vorbild des Städtebaus in der
Deutschen Demokratischen Republik und darüber hinaus für Gesamtdeutschland werden" lassen.
Aus "dem Trümmerhaufen, der von dem früheren Berlin mit seinen sozialen Mißständen und
städtebau-künstlerischen Mängeln vor allem im Zentrum übrig geblieben ist, ein schöneres neues
Berlin zu planen und zu bauen", war das Ziel. Als Rückgrat des Zentrums war der Straßenzug
Stalinallee - Alexanderplatz - Königstraße - Lustgarten - Unter den Linden "von besonderer
architektonischer Bedeutung. Er ist nicht für den Durchgangsverkehr gedacht, sondern wird durch
Umleitungsstraßen [...] weitgehend entlastet." Die historischen Gebäude im Umkreis des Forum
Fridericianum sollten in ihrer äußeren Gestalt wiederhergestellt werden. Zwischen Charlottenstraße
und Wilhelmstraße waren Botschaften und öffentliche Gebäude vorgesehen, "in deren
Erdgeschossen repräsentative Ausstellungsräume für die volkseigene Industrie untergebracht
werden" sollten. "Die Wilhelmstraße wird als Repräsentationsstraße vorwiegend Botschafts- und
Regierungsgebäude erhalten. [...] Die Friedrichstraße als bedeutende Nord-Süd-Verbindung wird
als Ladenstraße bestehen bleiben und abschnittsweise verbreitert. Auf der jetzt freigelegten Fläche
vor dem Bahnhof Friedrichstraße sind als Abschluß eines großen Bahnhof-Vorplatzes ein
Hotelkomplex und andere öffentliche Bauten vorgesehen. Die Französische Straße, die sehr wichtig
wird, weil sie den Straßenzug der Königstraße fortsetzt, wird über die Mohrenstraße hinaus bis zum
Tiergarten verlängert, um den Verkehr der Straße Unter den Linden zu entlasten." Damit kam das
angesichts der wenigen Ost-West-Straßenverbindungen schon seit der Kaiserzeit immer wieder
diskutierte Thema eines Straßendurchbruches im Bereich der Ministergärten erneut auf die
Tagesordnung.
Der Schwerpunkt des realen Baugeschehens lag zunächst im Osten des Zentrums, ja sogar
außerhalb des historischen Zentrums, als mit dem Aufbau der Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee)
im Bezirk Friedrichshain die "erste sozialistische Straße Berlins" entstand. Das in der Vorkriegszeit
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erstrangige Zentrum Berlins, die Dorotheen-/Friedrichstadt, fand sich nach der Spaltung der Stadt
hingegen plötzlich in eine Randlage des 1949 zur Hauptstadt der Deutschen Demokratischen
Republik proklamierten Ostteils Berlins gerückt und blieb die fünfziger Jahre hindurch - mit
Ausnahme der Straße Unter den Linden - im Windschatten der städtebaulichen Entwicklung. Erst
zu Beginn der sechziger Jahre begann eine allmähliche Rückorientierung auf die ehemalige City.
Zu den bedeutendsten Aufbauleistungen im historischen Zentrum der Stadt zählt zweifellos die
Neugestaltung der Straße Unter den Linden. Wiederhergestellt wurde der östliche Abschnitt der
Straße mit den barocken und klassizistischen Bauten, die bis 1945 das Bild der "Prachtstraße"
maßgeblich geprägt hatten. Das Forum Fridericianum erlebte seine Auferstehung aus Ruinen mit
der Wiederherstellung der Deutschen Staatsoper (1952-55), der St. Hedwigs-Kathedrale (1952-63),
der Alten Bibliothek (1965-69, seitdem Nutzung durch Institute und Bibliotheken der HumboldtUniversität) und des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität (nach 1950). Das Reiterstandbild
Friedrichs II., des Initiators und Namenspatrons des Forums, kehrte indessen erst 1980 nach
dreißigjährigem "Exil" in Potsdam-Sanssouci auf die Mittelpromenade der "Linden" zurück.
Wiederhergestellt wurde auch das nähere Umfeld dieses Ensembles mit mehreren Bauten der
Kaiserzeit im Westen sowie mit den charakteristischen Platzräumen des Barock und des
Klassizismus im Osten samt dem Zeughaus (ab 1949, seit 1952 Museum für Deutsche Geschichte),
der Neuen Wache (1951-57, seit 1960 Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus),
der Singakademie (bis 1952, seitdem Maxim-Gorki-Theater), dem benachbarten ehemaligen
Finanzministerium (1945-47, seitdem Zentrales Haus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische
Freundschaft) sowie auf der gegenüberliegenden Straßenseite dem Prinzessinnenpalais (1963-64,
seitdem Operncafé) und dem Kronprinzenpalais (Neubau in historischen Formen 1968-69, seitdem
Gästehaus).
Ihren wichtigsten stadträumlichen Bezugspunkt hatten die "Linden" aber mit der 1950 erfolgten
Sprengung der Ruine des Berliner Schlosses verloren. Erst mit dem 1976 am Marx-Engels-Platz auf
dem ehemaligen Schloßareal fertiggestellten Palast der Republik erhielt die Allee wieder einen stadträumlich allerdings weniger befriedigenden - Abschluß und Blickpunkt im Osten, dessen Höhe
sich aber immerhin am Maßstab des Schlosses und der Bebauung der Straße Unter den Linden
orientierte.
Ein schwieriges Problem stellte die Gestaltung des Überganges vom Forum Fridericianum zum
Marx-Engels-Platz - also nach Alt-Cölln - dar, "da mit dem rund 47 m hohen Gebäude für das
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten ein wesentlich größerer Maßstab zur Wirkung
gebracht werden mußte, der nur im Zusammenhang mit der räumlichen Ausdehnung des zentralen
Platzes begriffen werden kann und der bereits auf die weiträumige Gestaltung des zentralen
Ensembles mit dem Fernsehturm, jenseits der Spree, Bezug nimmt", so der Stadtplaner Peter
Schweizer (1967, S. 8). Mit dem Außenministerium (1964-67) erhielten die "Linden" einen
Nachbarn, der mit deren Höhenprofil brach, ja brechen sollte, und mit seiner im Stadtraum
dominierenden Form "den westlichen Raumabschluß des zentralen Ensembles" (ebd.) rund um den
Fernsehturm bildete. Eine Vermittlung zwischen diesen gegensätzlichen Maßstäben konnte nicht
gelingen. Die zunächst verfolgte Planung für einen "als eindrucksvolles Pendant zum Museum für
Deutsche Geschichte vorgesehenen Pavillon" (ebd.) zwischen Ministerium und Prinzessinnenpalais
wurde bald zugunsten der Rekonstruktion des kriegszerstörten Kronprinzenpalais aufgegeben.
Wiederhergestellt wurde in den Jahren 1956-58 auch das schwer beschädigte Brandenburger Tor,
das den "Linden" ihren stadträumlichen Abschluß im Westen verleiht. Seit dem Bau der Berliner
Mauer am 13. August 1961 markierte das Tor erneut eine Stadtgrenze, ohne allerdings einen
Zugang in diese (Teil-)Stadt zu vermitteln. Erst 28 Jahre später, mit dem Fall der Mauer, gewann
das Tor seine eigentliche Bestimmung als Eingang zurück.
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Zwischen Brandenburger Tor und Friedrichstraße erhielten die "Linden" weitgehend ein neues
Antlitz. Noch ganz den "nationalen Bautraditionen" verpflichtet präsentierte sich der
neoklassizistische Neubau der Sowjetischen Botschaft (1950-53), der so eindrucksvoll den
sowjetischen Einfluß auf die Architektur in der jungen DDR widerspiegelte. Der umfassende
Neuaufbau der Allee setzte allerdings erst in den sechziger Jahren ein und war bereits Ausdruck der
nach Stalins Tod in der DDR wiederentdeckten Moderne, die hier aber nicht mehr - wie noch in den
zwanziger Jahren geplant - einen radikalen Bruch mit der Eigenart des historischen Stadtgefüges
inszenierte, sondern die Auseinandersetzung mit den prägenden Merkmalen der alten Stadt suchte.
Den Straßenzug Unter den Linden "entsprechend seiner Eigenart und unter voller Wahrung seiner
ursprünglichen räumlich plastischen Konzeption zu rekonstruieren", lautete das Planungsziel
(Schweizer 1967, S. 8). Die Neufassung des "Lindenstatuts" im Juli 1949 setzte den Rahmen für die
Neubebauung, deren Maßstäblichkeit sich an den Bauwerken des Forum Fridericianum mit ihrer
Traufhöhe von 18 Metern zu orientieren hatte.
Diese gegenüber den Bauten der Kaiserzeit geringe Höhe wurde richtig als ein wesentlicher Grund
für "die oft gerühmte Großzügigkeit und das ganz besondere Fluidum dieses Straßenzuges" (ebd.)
erkannt. Die Wiederaufnahme des traditionellen "Korridor-Charakters" der Straße mit ihren
geschlossenen Baufluchten, neben denen der Pariser Platz und die Platzfolgen im Bereich des
Forum Fridericianum wirkungsvoll hervortreten, war eine weitere wichtige Entscheidung. Damit
wurde denjenigen eine klare Absage erteilt, die eine stärkere "Raumplastik" angestrebt hatten. Der
historische Bebauungsmaßstab fand allerdings nur in der Höhe, nicht jedoch in der Breite der
Neubauten Berücksichtigung. Das ursprünglich das Stadtbild stark mitprägende kleinteilige
Parzellen- und damit korrespondierende Bebauungsgefüge wurde zugunsten der Errichtung großer
Neubaukomplexe aufgegeben, die Ausdruck der gewandelten Eigentumsverhältnisse waren: An die
Stelle einer Vielzahl unterschiedlicher privater und öffentlicher Bauherren trat nun der Staat als
alleiniger Bauherr auf wenigen Großparzellen. Nichtsdestoweniger zeigen die Fassaden der
Neubauten, die im allgemeinen eine helle und freundliche Farbgebung zeigen, durchaus
unterschiedliche Handschriften.
Die Neubebauung der Straße Unter den Linden fand ein lebhaftes Echo in der Öffentlichkeit. Die in
der DDR erschienene Zeitschrift "Deutsche Architektur" (herausgegeben vom Bund Deutscher
Architekten und von der Deutschen Bauakademie) wurde zum Forum dieser Diskussion, zu der
Joachim Näther, "Chefarchitekt von Groß-Berlin", im Juni-Heft 1966 aufrief - Beispiel einer Kultur
des öffentlichen Meinungsstreits, wie sie in den letzten Jahren des Bestehens der DDR nicht mehr
denkbar war (vgl. Deutsche Architektur 6/1966, S. 369-371; 8/1966, S. 498-500; 9/1966, S. 354f.;
10/1966, S. 624-626; 12/1966, S. 752-761; 1/1967, S. 8f.). Zu Recht wurde die mangelnde
Nutzungsvielfalt in den Neubaubereichen kritisiert. "Man hört oft, die Straße sei langweilig und
lade nicht zu einem Bummel ein", konstatierte Hans Hopp, Präsident des Bundes Deutscher
Architekten. "Es ist eben nicht interessant, an der immer leeren Vorhalle eines Ministeriums und
einer langen Front des Autoladens vorbeizugehen, in dem doch auch nur dieselben Autos wie auf
der Straße zu sehen sind, oder an den Erdgeschossen der Botschaften, in denen für die
Vorübergehenden auch nichts Sehenswertes geschieht. Das kleine, nette Café im Haus des
Ministeriums für Außenhandel und Innerdeutschen Handel zeigt durch seine starke Frequenz, was
in dieser Straße erwartet wird. Das ist aber nicht allein Schuld der Architekten, sondern hier haben
die Auftraggeber ungenügende Vorstellungen darüber entwickelt, was die Bevölkerung in dieser
Straße erleben will, nämlich Einrichtungen, die ein geselliges Leben fördern, die zum
Spazierengehen anregen, also in jedem der Häuser ein Café, eine Milchbar, eine Probierstube, alles
in kleinen Dimensionen, auch mit Tischen und Stühlen auf dem breiten Bürgersteig, mit bunten
Sonnenschirmen auf der Nordseite. Dann wären die 'Linden' wieder ein Treffpunkt geworden, wie
sie es in alten Zeiten waren." (Deutsche Architektur 6/1966, S. 369f.)
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Unterschiedlich waren die Reaktionen auf die architektonische Gestaltung der "neuen Linden".
Teils wurde die Vielfalt der Formensprachen der beteiligten Architekten kritisiert. Widerspruch
fand auch die moderne Ästhetik: "Ich suche hier die Herzlichkeit, Heiterkeit und
Liebenswürdigkeit, die für diese Straße heute am Platze wäre", so Gerhard Krenz in seinem
Diskussionsbeitrag (1966). "Aber jetzt ist dieser neue aufgebaute Straßenteil ein indifferenter
Straßenkorridor mit glatter, höhepunktloser Straßenwand geworden. Der Eindruck spannungsloser
Länge wird durch die horizontale Gliederung der Fassaden, die zu einer optischen Verlängerung
führt, verstärkt. Die Vorhangfassaden aus Glas und Metall lassen die Straßenwände kalt und
abweisend erscheinen."
Viele der damals geäußerten Kritiken haben zweifellos ihre Berechtigung und können auch für die
aktuellen Planungen wertvolle Hinweise vermitteln. Dennoch verdient der heute weithin in
Vergessenheit geratene Wiederaufbau der Straße Unter den Linden Respekt. Zum einen stellt die
Wiederherstellung der historischen Bebauung im Osten vor dem Hintergrund der Kriegsschäden
eine denkmalpflegerische Leistung ersten Ranges dar. Zum anderen hat die Berücksichtigung
prägender Merkmale der historischen Stadtgestalt bei der Neubebauung im Westen (durchaus im
Sinne einer städtebaulichen Denkmalpflege) einen stadträumlichen Zusammenhang entstehen
lassen, der auch in seinen neugestalteten Bereichen das Raumgefüge und das Höhenprofil der alten
"Linden" tradiert. Im Hinblick auf die Nutzungsstruktur war die Wiederbelebung des Charakters der
Straße als Zentrum von Wissenschaft und Kultur, das auch durch die Einordnung entsprechender
Läden (zum Beispiel Buch-, Porzellan- und Kunsthandel) in die Neubebauung unterstützt wurde,
eine richtige Entscheidung.
Auch die beiden anderen Hauptstraßen der Dorotheen-/Friedrichstadt gerieten während der
sechziger und siebziger Jahre in das Blickfeld der Stadtplaner. Eine gänzlich andere Strategie als in
der Straße Unter den Linden kam bei der in den Jahren 1972-77 realisierten Neugestaltung der
Leipziger Straße zwischen Spittelmarkt und Charlottenstraße zum Tragen. War dort der Respekt vor
dem historischen Stadtraum Ausgangspunkt der Planung gewesen, wurde hier der Bruch mit der
Vergangenheit zugunsten des neuen Modells "einer repräsentativen Magistrale" (Schweizer 1969,
S. 526) zum Programm. "Die Ideale der revolutionären Kämpfer haben ihre Verwirklichung im
sozialistischen deutschen Staat gefunden", lautete das Thema der "gesellschaftspolitischen
Zielstellung", das dem Kollektiv der Städtebauer, Architekten und bildenden Künstler vorgegeben
wurde.
Aber nicht nur als neue Zentrumsmagistrale, sondern entsprechend den "Prinzipien des
sozialistischen Städtebaus" auch als "ein funktionsfähiges Wohngebiet mit Einrichtungen des
Handels, der Gastronomie, der Kultur und des Sports" war die neue Leipziger Straße zu gestalten.
"Im Gegensatz zur City kapitalistischer Prägung soll hier durch eine enge Verflechtung der
Wohnfunktion mit den gesellschaftlichen Funktionen des Stadtzentrums die Aktivität des
gesellschaftlichen Lebens erhöht werden. Gleichzeitig sollen sich für die Bewohner kurze WegZeit-Beziehungen zwischen Wohn- und Arbeitsstätte ergeben." Mit diesen Worten umriß Peter
Schweizer (1969, S. 526), Stellvertreter des Ost-Berliner Chefarchitekten und Mitglied des für die
Leipziger Straße verantwortlichen Entwurfskollektivs, das Planungsziel. Fast 2.000 Wohnungen
(darunter viele für Familien) entstanden hier zusammen mit den entsprechenden
Infrastruktureinrichtungen.
Während diese Nutzungsmischung gewiß eine begrüßenswerte Korrektur der rein geschäftlichen
Vorkriegsstruktur der Leipziger Straße darstellte, bedeutete der totale Bruch mit der traditionellen
baulich-räumlichen Form einen Eingriff in das Gefüge der Friedrichstadt, der die neue Leipziger
Straße als einen Fremdkörper erscheinen läßt, der die nördliche Friedrichstadt von der damals
jenseits der Berliner Mauer gelegenen südlichen Friedrichstadt abriegelt. Ein Ensemble aus
Wohnhochhäusern "aus einem Guß" mit Läden, Gaststätten und dergleichen in den Erdgeschossen
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und in speziellen Flachbauten prägt heute das Bild der Straße, deren neuer Maßstab durch die
Verbreiterung der Fahrbahn zusätzlich übersteigert wurde. Dabei handelte es sich keineswegs um
eine isolierte Planung. Die neue Leipziger Straße war vielmehr Bestandteil der "Leitkonzeption" für
das Ost-Berliner Stadtzentrum: "Die städtebauliche Konzeption für die Komposition des
Massenaufbaus des gesamten Stadtzentrums geht davon aus, daß die großen Wohngebiete, die das
vorwiegend von zentralen gesellschaftlichen Funktionen in Anspruch genommene Kerngebiet des
Stadtzentrums umschließen, ausschließlich vielgeschossig und mit einem hohen Anteil von
Wohnhochhäusern bebaut werden. So wird eine hohe Ökonomie im Städtebau erzielt und der
gesellschaftspolitisch bedeutende Kern des Stadtzentrums kompositorisch besonders
hervorgehoben. Das Wohnensemble der Leipziger Straße wird deshalb, als Teil dieser geplanten
städtebaulichen Struktur, einen vorwiegend vertikal orientierten Massenaufbau erhalten."
(Schweizer 1969, S. 526f.)
Als viel langwieriger stellte sich der Prozeß des Wiederaufbaus der Friedrichstraße heraus. Zwar
wurde 1961 - anknüpfend an das Ergebnis des 1958/59 durchgeführten "Ideenwettbewerbes zur
sozialistischen Umgestaltung des Zentrums der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen
Republik, Berlin" - die Neugestaltung der Friedrichstraße zu einem auf vierzig Meter verbreiterten
"Fußgängerboulevard" (Flierl 1991, S. 19) beschlossen. Der Nord-Süd-Verkehr sollte durch die
Glinkastraße umgeleitet werden. In diesem Sinne erfolgte 1968 die Verlängerung der Glinkastraße
über die Behrenstraße hinaus bis zu den "Linden". Die während der sechziger Jahre im
Kreuzungsbereich Friedrichstraße/Unter den Linden errichteten Neubauten wurden von der
historischen Bauflucht abgerückt. Ansonsten war jedoch keine nennenswerte Bautätigkeit entlang
der Friedrichstraße zu verzeichnen. Die Revitalisierung der Geschäftsstraße blieb dessen ungeachtet
Planungsziel: "[...] hier war und wird sich wieder die große Einkaufsbummelstraße befinden, das
Zentrum der Unterhaltungseinrichtungen, die Straße mit der hohen Erlebnisfrequenz." (Schweizer
1967, S. 9)
Variantenuntersuchungen führten Mitte der siebziger Jahre zu neuen Überlegungen. Die
Entscheidung fiel schließlich zugunsten einer Friedrichstraße mit traditionell schmalem
Straßenprofil - und damit gegen die Alternativen eines breiten Fußgängerbereiches bzw. einer Autound Einkaufsstraße mit ebenfalls verbreitertem Straßenprofil. Zu erklären ist dieses Ergebnis "nicht
nur aus neuerwachtem historischen Interesse an der Struktur und Gestalt alter Städte, sondern auch
aus negativen Erfahrungen mit zu breiten Fußgängerzonen in anderen Städten der DDR" (Flierl
1991, S. 19).
Auf das reale Baugeschehen hatten diese Überlegungen zunächst noch keinen Einfluß. Die
Neubauten des Hotels "Metropol" (1975-77) und des Internationalen Handelszentrums (1976-78)
südlich des Bahnhofs Friedrichstraße stellten sich in einen bewußten Gegensatz zur Charakteristik
der überkommenen Stadtstruktur. Sie stören nicht nur den fragmentarisch noch vorhandenen
Bebauungszusammenhang der Vorkriegszeit. Das weithin sichtbare Hochhaus des Handelszentrums
beeinträchtigt darüber hinaus auch die Silhouette der "Linden".
Unter der Regie der Baudirektion Berlin setzte schließlich 1981 die umfassende Neugestaltung der
Friedrichstraße zu einem bedeutenden innerstädtischen Boulevard ein. Drei Jahre später begann die
Hauptetappe der Rekonstruktion. Die Friedrichstraße "ist aus dem historischen Kern der Hauptstadt
nicht wegzudenken und entsteht in neuem Glanz", verkündete Erich Honecker, der Vorsitzende des
Staatsrats und Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, am 12. Februar 1984 auf der XV.
Bezirksdelegiertenkonferenz der Partei in Berlin. "Wichtige Ensembles im Bereich des
Alexanderplatzes, des Marx-Engels-Forums, des Spittelmarktes und neue Wohnbauten zwischen
Rathaus und Spree sind schon in Arbeit. So wird der Wiederaufbau der Friedrichstraße die
Ausgestaltung des historisch gewachsenen Stadtzentrums von Berlin krönen. In dieser Straße
schlug der Puls des städtischen Lebens immer besonders kräftig. Während des zweiten Weltkrieges
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war sie untergegangen wie die ganze reaktionäre Gesellschaftsordnung, die damals auch den
Namen Berlins geschändet hatte. Jetzt wird sie zu einer Straße großstädtischen Lebens umgestaltet.
Viele Wohnungen werden gebaut, außerdem Läden und Hotels, Restaurants und Cafés, ein
modernes Kino und Handelseinrichtungen für den täglichen Bedarf. Die Friedrichstraße soll zur
attraktivsten Geschäftsstraße unserer Hauptstadt werden, und es wird eine Freude sein, dort zu
bummeln." (Zit. nach Honecker 1986, S. 99)
An "die wertvollen historischen Bautraditionen der Berliner Friedrichstadt schöpferisch
anzuknüpfen" (Rietdorf 1989, S. 67), lautete jetzt die den Städtebauern und Architekten gestellte
Aufgabe, die in der 1985 vom Ost-Berliner Magistrat beschlossenen "gesellschaftspolitischen
Zielstellung" konkretisiert wurde. Die geschichtliche, fragmentarisch im Stadtbild noch präsente
Eigenart dieses Stadtraumes galt es, sowohl durch Neubauten als auch durch die Sicherung,
Instandsetzung und Modernisierung der als erhaltenswürdig eingestuften Altbausubstanz
wiederzugewinnen. Nicht nur das alte Straßenprofil, sondern auch der Höhenmaßstab der
Vorkriegsbebauung wurde nun zur Grundlage der Neugestaltung "mit den Mitteln des industriellen
Bauens" (ebd.). Aber auch die Nutzungsvielfalt der alten Friedrichstraße war Vorbild für die
Neuplanung - mit einem wesentlichen Unterschied: Die mit der kommerziellen Entwicklung in der
Kaiserzeit verdrängten Wohnmöglichkeiten sollten neu geschaffen werden, und zwar in Form
staatlicher Mietwohnungen zu Preisen, die für jedermann erschwinglich sein sollten. Wohnhäuser
mit Läden, Gaststätten und anderen zentrumstypischen Nutzungen im Erdgeschoß sowie
Grünflächen und - in einem Fall - Kindertagesstätte im Hof stehen nun neben ganz für
zentrumsbildende Einrichtungen konzipierten Bauten, wie zum Beispiel dem Friedrichstadtpalast
(1981-84), dem Haus der Sowjetischen Wissenschaft und Kultur (1981-84) und dem "Grand Hotel"
(1985-87). Auch wenn der Wiederaufbau der Friedrichstraße bis 1989 nicht mehr abgeschlossen
werden konnte, hat sich hier doch ein spannungsreiches Kaleidoskop unterschiedlicher
architektonischer Positionen zwischen Historismus und Moderne entfaltet, das hinsichtlich seiner
Qualität und Individualität in Ost-Berlin seinesgleichen sucht und die Friedrichstraße als eines der
bedeutendsten Produkte des Städtebaus und der Architektur in der ausgehenden DDR-Zeit
erscheinen läßt.
Damit wurde hier - in einer bemerkenswerten Gleichzeitigkeit mit den West-Berliner Planungen für
die Internationale Bauausstellung (IBA) 1984/87 in der südlichen Friedrichstadt und im
benachbarten südlichen Tiergartenviertel - eine DDR-Variante des Prinzips der "kritischen
Rekonstruktion" der Stadt entwickelt, wenn auch diese vom Direktor der IBA-Neubauabteilung,
Josef Paul Kleihues, eingeführte Bezeichnung in Ost-Berlin (jedenfalls offiziell) keine Verwendung
fand. Gerade die Wiederbelebung der Wohnfunktion (mitsamt der Wohnfolgeeinrichtungen und
wohnungsnahen Grünflächen) betont den kritischen Charakter der Rekonstruktion der
Friedrichstraße. Mit ihren bezahlbaren Wohnungen sowie den vielfältigen Einkaufs- und
Dienstleistungsangeboten sollte die Friedrichstraße die Gegenwart des "real existierenden
Sozialismus" verkörpern - aber nicht mehr wie noch beim Neubau der Leipziger Straße in einer die
Vergangenheit negierenden Form, sondern in einer Gestalt, welche die Tradition der Friedrichstraße
auf eine zeitgemäße Weise intepretiert und so den Eindruck "historischer Tiefe" vermitteln soll.
Jenseits der Hauptstraßen blieb der Dämmerzustand der ehemaligen City allerdings weitgehend
erhalten - mit den wichtigen Ausnahmen der Otto-Grotewohl-Straße (früher und heute wieder
Wilhelmstraße) und des Platzes der Akademie (Gendarmenmarkt), dessen Wiederbelebung 1979
mit der Rekonstruktion des Schauspielhauses als Konzerthaus begann (Einweihung 1984).
Eingeleitet wurde auch der Wiederaufbau des Französischen Doms (1977-87) und des Deutschen
Doms (seit 1985, noch im Bau). Die Lücken in den Platzwänden wurden durch Neubauten
geschlossen, die den historischen Fluchtlinien sowie dem Maßstab der Altbauten in Breite und
Höhe folgen. Ein streitbares Ergebnis ist gewiß die Gestaltung der Fassaden mit den Produkten
einer durch historisierendes Dekor modifizierten Plattenbauweise, die Ausdrucksmöglichkeiten der
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Gegenwartsarchitektur keinen Raum ließ. Eine Neugestaltung erfuhr auch die Platzfläche selbst. Im
Vergleich zum Schmuckplatz der Kaiserzeit vermittelt der Gendarmenmarkt heute einen eher
steinernen, an die ursprüngliche Situation erinnernden Eindruck, während die baumbestandenen
Flächen in den Randbereichen in den Hintergrund treten.
Seinen letzten Ausdruck fand der DDR-Zentrumsumbau in der 1987 begonnenen und erst 1992
vollendeten Neubebauung an der Otto-Grotewohl-Straße zwischen Voßstraße und Behrenstraße in
unmittelbarer Nähe zur "Staatsgrenze" nach West-Berlin. Dieses Projekt sollte einen Beitrag zur
versprochenen "Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem" bis 1990 leisten. Die
Vorbereitungen begannen bereits Anfang 1985, als entsprechende Beschlüsse höchster Partei- und
Staatsgremien gefaßt wurden (vgl. Berning u. a. 1994, S. 338). Die in anspruchsvoller
Plattenbauweise zu erstellende Bebauung sollte ein Wohngebiet mit einigen zentralörtlichen
Einrichtungen beherbergen. "Neben den Einrichtungen für die Versorgung und Betreuung der
Bewohner sind vorwiegend in den Erdgeschossen repräsentative Einrichtungen der Gastronomie
und des Handels von örtlicher und überörtlicher Bedeutung vorzusehen. Die Freifläche westlich der
Otto-Grotewohl-Straße ist als großzügig angelegte Parklandschaft den differenzierten
Anforderungen entsprechend zu gestalten." (VEB Wohnungsbaukombinat Berlin 1986, S. 2)
Hinsichtlich der Gestaltung wurde ein formaler Bezug zur Tradition der Friedrichstadt konstruiert:
"'Typische Elemente der Friedrichstadt, wie z. B. die Quartierstruktur mit Platz- und
Straßenräumen, die Beschränkung der Gebäudehöhe auf ca. 24,0 Meter, die Ausbildung von
Dachzonen, die plastische Gestaltung der Fassaden usw.' sind Richtschnur der Architekten. Die
mäanderförmige Bebauungsform ist eine Reminiszenz an die ehemaligen Palaishöfe." (Berning u. a.
1994, S. 339) Nichtsdestoweniger stellt die Bebauung der Otto-Grotewohl-Straße ein Beispiel für
ein Retortenprojekt dar, das die Erinnerungen an einen für die widersprüchliche deutsche
Geschichte ungemein bedeutsamen Stadtraum in unverzeihlicher Weise verdrängt und ausgelöscht
hat.
3.7. Ein Zentrum Gesamt-Berlins: Die Zeit nach 1989
Der Fall der Berliner Mauer und die Vereinigung der beiden Teilstädte veränderten schlagartig die
Position der Dorotheen-/Friedrichstadt im Stadtgefüge. Eben noch am Rande der Hauptstadt der
DDR, an der "Staatsgrenze" zu West-Berlin gelegen, gewann die alte City Berlins ihre frühere
Standortgunst im Zentrum Gesamt-Berlins zurück. Nicht wenige private Investoren erkannten, daß
die alte City auch die neue City der Hauptstadt des vereinigten Deutschland sein würde. In
Erwartung dieser Entwicklung eröffneten insbesondere in der Friedrichstraße erneut
Luxusgeschäfte ihre Pforten, obwohl das entsprechende Umfeld in Anbetracht der absehbaren
Baustellen noch lange Zeit auf sich warten lassen würde. In zahlreichen Fällen verhinderten
allerdings ungeklärte Eigentumsverhältnisse hier wie an vielen anderen Stellen der Stadt eine
schnelle Verwirklichung von Bauabsichten.
3.7.1. Städtebaulicher Strukturplan
Die Berliner Stadtentwicklungspolitik sah sich mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, in
kürzester Zeit ein städtebauliches Regelwerk zu erarbeiten, um den absehbaren Investitionsschub in
stadtverträgliche Bahnen zu lenken. Denn rechtskräftige Bauleitpläne fehlten im Ostteil der Stadt
zunächst völlig. Einzig der "Lückenparagraph" 34 des Baugesetzbuches war für die
planungsrechtliche Beurteilung von Bauanträgen heranzuziehen. Diese Vorschrift enthält lediglich
einige grundsätzliche Anforderungen hinsichtlich der Einordnung von Bauvorhaben "innerhalb der
im Zusammenhang bebauten Ortsteile". Die konventionellen Instrumente der Flächennutzungs- und
Bebauungsplanung schätzte die Senatsbauverwaltung "angesichts des Umfangs und der
Geschwindigkeit der Bauaufgaben und angesichts administrativer Zersplitterung der planenden und
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bauenden Verwaltung" (Stimmann in Strecker/Hoffmann-Axthelm 1992c, S. 7f.) als ungeeignet ein,
um das Baugeschehen über die allgemeine Einfügungsklausel des § 34 hinaus zu steuern.
Die Senatsbauverwaltung ließ deshalb von Bernhard Strecker und Dieter Hoffmann-Axthelm ein
"Stadtbaukünstlerisches Regelwerk" (ebd., S. 8) in Verbindung mit einem Nutzungsstrukturplan
erarbeiten. Der "Städtebauliche Strukturplan" für die gesamte Dorotheen-/Friedrichstadt und den
Friedrichswerder wurde 1992 veröffentlicht, nachdem bereits zuvor Strukturkonzepte für
Teilbereiche - den Pariser Platz, den Bereich um den Bahnhof Friedrichstraße und den Spittelmarkt
- erschienen waren (vgl. Strecker/Hoffmann-Axthelm 1991, 1992a und b). Der Strukturplan ist dem
Leitbild der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" verpflichtet. Die Wiederherstellung des
beschädigten Stadtgrundrisses - insbesondere im Bereich der ehemaligen Grenzanlagen - unter
Bezugnahme auf die traditionellen Bautypologien ist das grundlegende Ziel der Entwurfsverfasser.
Im Mittelpunkt ihres Interesses steht die Vorkriegsstadt mit ihrem Straßenraster und Blockgefüge,
das auch für die zu Zeiten der DDR im Sinne neuer Leitbilder gestalteten Bereiche (wie zum
Beispiel die östliche Leipziger Straße) pauschal zur Grundlage der künftigen städtebaulichen
Entwicklung erklärt wird - ein Ansatz, der in seiner Rigorosität weder den dort lebenden und
arbeitenden Menschen gerecht wird noch die reale Komplexität des Stadtgefüges mit seinen
Brüchen und Widersprüchen angemessen berücksichtigt.
Der Strukturplan gliedert das Gesamtgebiet in unterschiedliche "Stadtquartiere", für welche die
"Ausbildung lokaler Profile" (Strecker/Hoffmann-Axthelm 1992c, S. 34) angestrebt wird: das im
Osten des Reichstagsgebäudes gelegene "Dorotheenviertel" mit der Politik als
strukturbestimmender Funktion, "den großen Bühnen Unter den Linden und Pariser Platz" sowie
dem als "inneres Zentrum" auszubildenden ehemaligen Neustädtischen Kirchplatz; die "City
Friedrichstraße", vor allem mit Geschäften, Kaufhäusern, Hotels, Gaststätten und
Unterhaltungsangeboten; das "Universitätsviertel" im Umkreis der Humboldt-Universität; den
Bereich "Wilhelmstraße/Leipziger Platz" mit vorwiegend kommerziellen Nutzungen im Anschluß
an den Potsdamer Platz sowie den von Bebauung freizuhaltenden Flächen des ehemaligen GestapoGeländes und der früheren "Ministergärten"; den Bereich "Gendarmenmarkt" mit einem
ausgeprägten öffentlichen Charakter (Kultur, Wissenschaft, Kirche, Gastronomie, Hotels und
andere Dienstleistungen); den "schwerpunktmäßig als anspruchsvolles Wohngebiet" zu
entwickelnden "Friedrichswerder"; den Bereich "Leipziger Straße", in Zukunft "ein hochintensiver
Einkaufsbereich mit Promenier- und Bummelcharakter"; den Bereich "Spittelmarkt" mit
"Spezialkaufhäusern für Mode und Medien" am Platz selbst; das "Medienviertel" im Umkreis der
Kochstraße; die "südliche Friedrichstadt" mit einer Ergänzung der vorhandenen Wohnnutzung vor
allem durch zusätzliche Dienstleistungsangebote; das "Lindenstraßenviertel" mit einer vorwiegend
durch Wohnen, Kultur, Verwaltung und Dienstleistungen geprägten Nutzungsmischung (S. 34 und
36). Das ist ein interessantes, prinzipiell gewiß zu begrüßendes Konzept, das an die traditionelle
funktionsräumliche Gliederung der Berliner City in vielfältige Teilbereiche unterschiedlicher
Prägung anknüpft. Diese generelle Strategie fand ihren Ausdruck in den Karten zum
Nutzungskonzept, die Bestandteil des Strukturplans sind (S. 40f.). "Funktionsmischung" (S. 37)
wird darin als ein grundlegendes Planungsziel anschaulich. Dies schließt auch die Erhaltung und
stellenweise Ergänzung der Wohnfunktion ein.
Im Mittelpunkt des planerischen Interesses und der konkreten Bauprojekte standen auch nach 1989
zunächst die Hauptstraßenzüge der Dorotheen-/Friedrichstadt: Unter den Linden (mit dem Pariser
Platz), Friedrichstraße und Leipziger Straße. Dabei sind es in erster Linie private Investoren, die
zurück in die alte City drängen. Stadt und Staat sind als Bauherren demgegenüber von nachrangiger
Bedeutung, wenngleich öffentliche Bauvorhaben an einzelnen Stellen (zum Beispiel in der Straße
Unter den Linden) durchaus eine stadtbildprägende Wirkung entfalten.
101
3.7.2. Pariser Platz
Von herausragender Bedeutung ist die Neugestaltung des Pariser Platzes entsprechend seiner
historischen und nach der Maueröffnung am 9. November 1989 wiedergewonnenen Bedeutung als
Eingang der "Linden" und damit in das historische Zentrum Berlins. Angesichts des hohen
Stellenwerts dieses Ortes ließ die Senatsbauverwaltung frühzeitig ein Konzept als erstes Teilstück
der kritischen Rekonstruktion der Dorotheen-/Friedrichstadt erarbeiten. "Der Strukturplan zur
Wiederherstellung läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Es geht darum, die Geschichte des
Platzes weiterzubauen", so die Autoren der Studie, Bernhard Strecker und Dieter HoffmannAxthelm (1991, S. 10). "Der Pariser Platz war einer der Punkte der größten Sichtbarkeit der alten
Stadt, bei allem Verkehr ihr am stärksten in sich ruhender, mithin ihr vornehmster öffentlicher
Raum. Den Platz wiederherzustellen, heißt, diese Haltung wiederherzustellen. Das geht gerade nicht
über eine buchstäbliche Rekonstruktion. Vesuchte man sie, wäre das der angestrebten Würde des
Ortes gerade abträglich, da Disney-Effekte nicht zu vermeiden wären. Der neue Platz muß
einerseits mit moderner Architektur bebaut werden, aber innerhalb eines Regelwerks, das dafür
sorgt, daß das Brandenburger Tor, als Grenzpassage zwischen historischem Zentrum und
Tiergarten, das wichtigste Gebäude des Platzes bleibt. Er muß andererseits als Konsequenz seiner
bisherigen Geschichte wiederaufgebaut werden, nicht unbelehrbar als Wiederholung des letzten
historischen Zustandes."
Die Forderung nach einem Regelwerk für die Gestaltung der Neubebauung fand ihren Niederschlag
in der Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens (1992) und in einem Gutachten zur Vorbereitung
von Festsetzungen zur Baugestaltung im Rahmen des Bebauungsplans, das im September 1993 von
Bruno Flierl und Walter Rolfes vorgestellt wurde. Auf dem Hintergrund ihrer Gestaltanalyse der
Vorkriegsbebauung forderten die Autoren folgerichtig die Orientierung der Neubebauung am
Maßstab des Brandenburger Tors. "Gestaltungsregeln für die Neubestimmung der Raumgestalt des
Pariser Platzes zu heutigen Zwecken und in neuer, zeitgemäßer Architektur zu formulieren, die eine
kulturell-historische Kontinuität der Stadtentwicklung gerade an diesem bedeutenden Ort
garantieren", lautet das Ziel ihres baugestalterischen Regelwerkes (1993a, S. 19). Wesentliche
Aspekte sind die Fassadengliederung in drei Zonen (hohe Basiszone, dreigeschossige Mittelzone,
Attika), die Beschränkung der Höhe des Hauptgesimses auf 16,70 Meter und der Traufhöhe auf 20
Meter, die höhere Ausbildung der Eckgebäude zur Straße Unter den Linden, die Orientierung von
Material und Farbigkeit am Brandenburger Tor sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen
Wandflächen und -öffnungen.
Die Vorschläge trafen auf Zustimmung und Kritik zugleich. Schnell spitzte sich die Debatte
zwischen den Verfechtern einer historisierenden Rekonstruktion der Vorkriegsbebauung und den
Verfechtern einer modernen Neugestaltung zu. Ihre gegensätzlichen Positionen haben in konkreten
Architekturprojekten Gestalt angenommen. Im Sinne des gestalterischen Regelwerkes vermitteln
die Entwürfe von Josef Paul Kleihues für das "Haus Liebermann" und das "Haus Sommer"
zwischen den Traditionen des Ortes und den Gestaltungsvorstellungen des einem geometrisierenden
Rationalismus verpflichteten Architekten. Das von Rüdiger Patzschke und Rainer-Michael Klotz
entworfene Hotel "Adlon" (im Bau seit 1994) kommt mit seiner Orientierung an den
Gestaltmerkmalen des kriegszerstörten Vorgängerbaus den Vorstellungen der Traditionalisten
ebenso entgegen wie die durch die Berliner Gartendenkmalpflege bereits 1992 realisierte
Rekonstruktion der kaiserzeitlichen Grünanlagen samt Springbrunnen. Der aus einem internen
Wettbewerb 1993/94 hervorgegangene Entwurf von Günter Behnisch für die Akademie der Künste
ist mit seiner charakteristischen Glasfassade hingegen Ausdruck einer neuen Architekturidee, die
zwar die Bauflucht und die Maßstäblichkeit, nicht aber die geschlossene Wirkung des historischen
Platzraumes respektiert. Die mit Vehemenz geführte öffentliche Auseinandersetzung um den
Wiederaufbau des Pariser Platzes blieb nicht ohne Einfluß auf das laufende
Bebauungsplanverfahren. Auch das Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am 9. Februar 1995 mit
102
dem Fall und versah den Verwaltungsentwurf mit Auflagen. Änderungen an den
Gestaltungsvorschriften betrafen die Erhöhung des erlaubten Öffnungsanteils in den Fassaden, die
Zulässigkeit auch von liegenden Fensterformaten und den Verzicht auf die Forderung eines
obligatorischen Sockelgeschosses.
In dieser Diskussion sollte nicht übersehen werden, daß der Pariser Platz auch früher schon
Gegenstand baugestalterischer Regelungen war. Bereits die "Polizeiverordnung vom 7. August
1903, betreffend die Baubeschränkungen des Pariser Platzes" beschränkte die Fassadenhöhen auf
16,50 Meter im Westen und 20 Meter im Norden und Süden des Platzes. In der Tat ist ein flexibles
baugestalterisches Regelwerk für diesen Ort auch heute sinnvoll, handelt es sich doch um einen der
wichtigsten Eingangsräume in das historische Zentrum Berlins, den Vorplatz der Straße Unter den
Linden und die architektonische Fassung eines der symbolträchtigsten Bauwerke Berlins: des
Brandenburger Tors, dessen Dominanz und Einmaligkeit es durch eine Neugestaltung des Platzes
zu unterstreichen gilt.
3.7.3. Unter den Linden
Für den Bereich der "Linden" selbst legte das Berliner Planungsbüro Spath & Nagel zusammen mit
Jürgen Wenzel, Theseus Bappert und Dietmar Kuntzsch 1992 ein Gestaltungsgutachten vor, das auf
die stärkere Ausprägung des traditionellen Promenadencharakters des derzeit zur
Hauptverkehrsstraße degradierten "Boulevards" zielt. Für die Fahrbahnen ist eine Aufteilung wie
am Kurfürstendamm vorgesehen: auf jeder Seite ein Park- und Lieferstreifen, eine Busspur sowie
eine Fahrspur. Breitere Bürgersteige, eine großzügigere Mittelpromenade und neue
Baumpflanzungen sowie die Integration von modernen, zugleich dem historischen Charakter der
Straße angemessenen Straßenmöbeln sind wesentliche Inhalte des Konzeptes, das auch Vorschläge
für gestalterische Verbesserungen im Bereich der Platzfolge im Osten der Allee (Forum
Fridericianum, Platz vor dem Zeughaus) enthält.
Diese die Fußgänger, Radfahrer und Autobusse bevorzugende Strategie ist gewiß zu begrüßen,
denn sie drängt den das Stadtbild und die Aufenthaltsqualität stark beeinträchtigenden Autoverkehr
zurück. Allerdings steht sie im Widerspruch zu den Absichten des Verkehrssenators und anderer,
die für eine Beibehaltung oder gar einen Ausbau der "Linden" als Hauptverkehrsstraße plädieren.
Dazu würde auch die Öffnung des Brandenburger Tores für den allgemeinen Verkehr (also über die
bereits seit 1992 bestehende Durchfahrmöglichkeit für Busse und Taxen hinaus) bzw. dessen
Umfahrung gehören - oder aber die durch die Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer 1993 ins
Gespräch gebrachte Untertunnelung des Tores. Damit würde der schon heute stark beschädigte
Boulevardcharakter der "Linden" vollends zerstört und die Chance, die Allee zusammen mit dem
Pariser Platz als Bühne der städtischen Öffentlichkeit wiederzugewinnen, leichtfertig verspielt
werden.
Während solche Fragen nach Bedeutung und Charakter der "Linden" in der Stadt noch kontrovers
diskutiert werden, haben Baumaßnahmen an verschiedenen Stellen begonnen, das Bild der Allee zu
verändern. Den informellen Rahmen für alle Neubauvorhaben setzt nach wie vor das Regelwerk des
"Lindenstatuts" aus dem Jahre 1949, auch wenn dieses seit dem Sommer 1991 nicht mehr
rechtskräftig ist und eine rechtsverbindliche Neufassung - etwa durch das im Berliner
Denkmalschutzgesetz vorgesehene Instrument des "geschützten Baubereiches" - noch aussteht.
Dieses Regelwerk steht im Einklang mit dem von seiten der Senatsbauverwaltung für die
Dorotheen-/Friedrichstadt verkündeten Leitbild der "kritischen Rekonstruktion".
Drei Neubauprojekte folgen diesem Konzept: das Büro- und Geschäftshaus an der Ecke
Neustädtische Kirchstraße (fertig) sowie die Neubauten des "Lindencorso" (im Bau) und des Hotels
"Unter den Linden" (geplant, Realisierung ungewiß). Die Wiederherstellung des Stadtkörpers der
103
Vorkriegszeit hinsichtlich der das Stadtbild prägenden Baufluchten sowie Trauf- und
Gebäudehöhen ist ein Anliegen dieser Architektur, die zwischen Tradition und Moderne vermitteln
und sich so in den überkommenen stadträumlichen Kontext einfügen und zugleich eine der
Gegenwart gemäße Formensprache entwickeln will.
Sträflich vernachlässigt wird in der Diskussion über die kritische Rekonstruktion indessen die Frage
nach der Rolle, die dem städtebaulich-architektonischen Erbe der DDR-Zeit zukommen sollte.
Dabei sind es neben den barocken und klassizistischen Bauten um das Forum Fridericianum und
den Resten der kaiserzeitlichen Bebauung gerade die Ergebnisse des Wiederaufbaus nach dem
Zweiten Weltkrieg, die das heutige Erscheinungsbild der "Linden" trotz zwischenzeitlicher
Eingriffe prägen. Diese Bauten dürfen nicht etwa nur als historische Dokumente einer
"abgeschlossenen Kulturepoche" Aufmerksamkeit beanspruchen. Auch im Hinblick auf ihren
Beitrag zum Stadtbild verdienen sie Beachtung. Sie illustrieren, wie die DDR nach der Phase der
"nationalen Bautraditionen", die ihren Ausdruck Unter den Linden im Gebäude der Sowjetischen
Botschaft, aber auch im Wiederaufbau und Ergänzungsbau der Staatsoper fand, wieder Anschluß an
die internationale Architektur der Moderne suchte. Daß diese Wiederentdeckung der Moderne die
Auseinandersetzung mit den prägenden Merkmalen der historischen Stadtgestalt anstrebte (wenn
auch nicht mit der aus heutiger Sicht wünschenswerten Konsequenz), macht den Wiederaufbau der
"Linden" zu einem spannungsreichen stadtbaugeschichtlichen Erbe, zu einer Etappe auf dem Weg
der städtebaulichen Denkmalpflege und des Konzeptes der "kritischen Rekonstruktion" der Stadt.
Insofern bedeutet die ohne öffentliches Nachdenken begonnene Totalerneuerung der ehemaligen
Ministerien für Volksbildung (1962-64, Umbau 1993-95) und Außenhandel (1962-65, Umbau seit
1994) zur Unterbringung von Büros für Bundestagsabgeordnete und der Parlamentsverwaltung
einen Verlust an kultureller Vielfalt. Die nach den Vorgaben der Bundesbaudirektion
vorgenommenen Eingriffe haben nur noch das statisch-konstruktive Gerüst der Stahlbetonbauten
bestehen lassen. In beiden Fällen sind quasi Neubauten entstanden, die in keiner Weise mehr an die
Ästhetik der ursprünglichen Gestaltung erinnern.
Auch die für den Kreuzungsbereich Unter den Linden/Friedrichstraße geplanten Maßnahmen stellen
keineswegs eine selbstverständliche "Stadtreparatur" dar. Hier war infolge der DDR-Planung für
eine verbreiterte Friedrichstraße eine Platzsituation mit Grün und Wasser entstanden, die zwar nicht
der historischen Enge der Kreuzung entsprach, aber doch eine neue, zum Aufenthalt einladende
Qualität im Stadtraum bedeutete, die auch unter dem Gesichtspunkt einer kritischen Rekonstruktion
hätte Bestand haben können. Ziel des Senats ist es hier jedoch, die Baufluchten der Vorkriegszeit
wiederherzustellen. Anstelle des 1993 abgerissenen "Lindencorso" (1964-65) ist in diesem Sinne
bereits ein Neubau im Entstehen; der gleichfalls geplante Abbruch und vergrößerte Neubau des
Hotels "Unter den Linden" (1964-66) ist wegen Grundstücksproblemen erst einmal verschoben
worden.
Die Neugestaltung der städtebaulich und stadthistorisch herausragenden Kreuzung Unter den
Linden/Friedrichstraße unterscheidet sich typologisch von anderen Großprojekten: Hier wurde nicht
versucht, eine abgestimmte Gesamtlösung zu erreichen. Hingegen sollten - in Anlehnung an den
liberalistischen Städtebau vor dem Ersten Weltkrieg - drei Eckbebauungen weitgehend unabhängig
voneinander, aber im Rahmen des städtebaulichen Regelwerks für die Friedrichstadt entwickelt
werden: die Nordostecke (Hotel "Unter den Linden"), die Südostecke ("Lindencorso") und - als
Sanierungsprojekt (1992-94) - die Nordwestecke ("Haus der Schweiz").
Für den inzwischen vertagten Neubau des Hotels "Unter den Linden" führte der Projektträger 1992
einen Wettbewerb durch, in dessen Vorbereitung ein prominenter Theoretiker der "kritischen
Rekonstruktion der Stadt", Dieter Hoffmann-Axthelm, eingebunden war. Dementsprechend enthielt
die Ausschreibung auch relativ detaillierte Empfehlungen, die als "Ableitungen aus der historischen
Entwicklung" zu berücksichtigen waren. Gefordert wurden eine Wiederherstellung des Blockrandes
104
und die Beachtung der üblichen Trauf- (22 Meter) und Gebäudehöhe (30 Meter). Nach dem
Konzept von Karl-Heinz Steinebach und und Friedrich Weber, das nach einigem Hin und Her
schließlich zur weiteren Bearbeitung empfohlen wurde, soll die in der DDR-Zeit auf 40 Meter
verbreiterte Friedrichstraße auf 14 Meter zurückgebaut werden, was der "barocken" Enge von 12,7
Metern sehr nahekommen würde.
Das als deutsch-französisches Geschäfts- und Kulturzentrum konzipierte neue "Lindencorso" war
ebenfalls 1992 Gegenstand eines von den Investoren durchgeführten Wettbewerbs. Das
Nutzungsprogramm umfaßte ein Auditorium mit etwa 400 Plätzen für Konzerte,
Theateraufführungen und sonstige kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungsgalerien, Buchläden,
zwei Restaurants, ein Café, einen Teesalon, ungefähr 70 Geschäfte und Galerien, Vertreterbüros für
ungefähr zwanzig französische Regionen, ein Kommunikations- bzw. Handelszentrum, ein
Studienzentrum, Büros und schließlich auch Wohnungen. Den Wettbewerb gewann Christoph
Mäckler, dessen Konzept 47.500 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche mit etwa 700 bis 1.000
Arbeitsplätzen und rund 320 Autostellplätzen vorsah. Baubeginn war 1994 - mit einem gegenüber
der Wettbewerbsausschreibung allerdings in manchen Einzelheiten veränderten Raumprogramm.
Andere Projekte in der Straße Unter den Linden betreffen die überkommene Bausubstanz. Nach
langer und heftiger Diskussion aufgegeben wurde die zeitweilig verfolgte Absicht zur
Unterbringung des Bundespräsidenten und seiner Mitarbeiter im ehemaligen Kronprinzenpalais, die
auch auf Kosten des im benachbarten Prinzessinnenpalais untergebrachten, gerade erst renovierten
Operncafés gegangen wäre. Aufgrund des an diesem Ort nicht angemessen zu befriedigenden
Flächenbedarfes, aber auch des Protestes vieler Berliner konnte diese Einrichtung gerettet werden,
die hier bereits auf eine mehr als dreißigjährige Tradition zurückblickt und die für den angestrebten
Charakter der "Linden" als "Boulevard" und Zentrum des kulturellen Lebens nicht entbehrlich ist.
Bereits begonnen haben auch die Sanierungsarbeiten am Gebäude der Staatsbibliothek. Nach deren
Abschluß und der Wiederrichtung eines zentralen Lesesaals als Herzstück des gewaltigen
Komplexes wird dieses Zentrum des wissenschaftlichen Lebens gleich neben dem Hauptgebäude
der Humboldt-Universität an Ausstrahlung gewonnen haben.
Ohne Zweifel wird die Allee Unter den Linden wieder die repräsentativste Straße Gesamt-Berlins
werden - vorausgesetzt, der Autoverkehr wird in seine Schranken verwiesen. Schon heute zeigt
sich, daß insbesondere die Großbanken die Allee samt dem Pariser Platz zu ihrer bevorzugten
Adresse wählen.
3.7.4. Friedrichstraße
Einen regelrechten Bauboom erlebt die Friedrichstraße. Vier Richtlinien der kritischen
Rekonstruktion wurden von seiten der Senatsbauverwaltung gesetzt, in deren Rahmen sich die
private Bautätigkeit entfalten soll.
Erstens sind das historische Straßennetz und die historischen Baufluchten zu respektieren bzw. zu
rekonstruieren, wo der Stadtgrundriß infolge von Kriegszerstörungen und Nachkriegsplanungen
beschädigt wurde.
Zweitens gilt - in Anlehnung an die zweite kaiserzeitliche Überformung der Friedrichstadt auf der
Grundlage der Bauordnung von 1897 - eine maximale Traufhöhe von 22 Metern. Darüber erhebt
sich nicht mehr das früher übliche geneigte Dach, sondern es folgen - in Anlehnung an die
Bauordnung der zwanziger Jahre - zwei weitere, zurückgesetzte Vollgeschosse bis zu einer
Gebäudehöhe von maximal 30 Metern. Durch diese Staffelgeschosse wird die Maßstäblichkeit der
Gebäude im Vergleich zur historischen Dachausbildung stark verändert.
105
Drittens sind etwa 20 Prozent der Bruttogeschoßfläche für Wohnungen vorzusehen. Ziel ist das
gemischt genutzte Geschäftshaus, ein Gebäudetyp, der eher die vorletzte Phase der Friedrichstadt
prägte, war doch die historische Entwicklung vom Wohnhaus über das gemischt genutzte
Geschäftshaus zum monofunktionalen Haus (reines Bürohaus, Hotel, Kaufhaus) verlaufen. Das
typische Nutzungsgefüge von Neubauten in der Friedrichstraße stellt sich folgendermaßen dar:
Läden und Gastronomie im Erdgeschoß, ersten Obergeschoß und ersten Untergeschoß, Büros im
zweiten bis sechsten Obergeschoß, Wohnungen im siebten und achten Obergeschoß, Tiefgarage im
zweiten und dritten Untergeschoß. Tatsächlich kann so die auf die obersten Geschosse beschränkte
Wohnfunktion kaum eine die Struktur und das Bild der neuen Friedrichstraße mitprägende
Bedeutung erlangen. Als "nicht ausreichend" empfindet auch Senatsbaudirektor Hans Stimmann
(1993b, S. 1129) den geforderten Wohnanteil von 20 Prozent.
Viertens bildet "das städtische Haus auf einer Parzelle" die Grundlage für jede Bebauung, "die max.
Parzellengröße ist der Block" (ebd., S. 1128). Mit dieser Möglichkeit zur einheitlichen Bebauung
eines ganzen Blockes wird aber der Anspruch der Anknüpfung an das kleinteilige Parzellen-,
Nutzungs- und Bebauungsgefüge der historischen Dorotheen-/Friedrichstadt stark relativiert.
Tatsächlich ist die Tendenz zur Großform im realen Baugeschehen unübersehbar. "Die
Wiederentdeckung von 'Haus' und 'Parzelle' liegt quer zur ökonomischen Entwicklung, zur
Konzentration des Immobilienkapitals, das danach drängt, Grundstücke zusammenzulegen, um
möglichst einen ganzen Block zu planen", muß auch Hans Stimmann (1993b, S. 1129), Verfechter
des Leitbildes der kritischen Rekonstruktion, einräumen. Daß die öffentliche Hand diesen "Drang"
zu Riesenparzellen befriedigt, muß aber zugleich als Schwäche der Stadtpolitik und -planung
interpretiert werden.
Das prominenteste Beispiel für diese Entwicklungstendenz sind gewiß die
"FriedrichstadtPassagen", deren Konzeption allerdings bereits vor der Verkündung des Leitbildes
der "kritischen Rekonstruktion" in Grundzügen feststand. Die Geschichte des Projekts geht bis in
die Zeit der DDR zurück: 1987 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, 1990 wurde der Bau
eingestellt und in der Zeit von März bis August 1992 für 25 Millionen DM abgerissen. Der Kampf
um das Prestigeprojekt in hervorragender Lage war besonders hart: Im Vorfeld bewarben sich über
hundert Investoren. Von den dann verbliebenen 22 Großinvestoren wurden im Rahmen eines
Auswahlverfahrens des Senats und der Treuhandanstalt im März 1991 drei ausgewählt. Nach der
Durchführung des Wettbewerbs wurde einer der ausgewählten Investoren wieder herausgedrängt durch die Gruppe Roland Ernst, die sich an einem Teilgrundstück das Erbbaurecht sichern konnte.
In diesem Ringen war der Druck auf die öffentliche Hand gewaltig: "Bausenator Nagel sagte im
letzten Jahr anläßlich der Vorstellung des Projektes, er habe noch nie erlebt, daß während eines
Investorenauswahlverfahrens versucht worden sei, so viel Einfluß auf ihn, seine Mitarbeiter und
den Regierenden Bürgermeister auszuüben. Interessierte Investoren hatten sich sogar an den
französischen Staatspräsidenten gewandt und ihn gebeten, seinen Einfluß geltend zu machen." (Der
Tagesspiegel vom 9.10.1992) Daß hier ein nicht gerade bescheidenes Geschäft auf dem Spiel stand,
zeigen schon die hohen Grundstückspreise (zwischen 15.000 und 18.000 DM pro Quadratmeter).
Die Besonderheit des Falls "FriedrichstadtPassagen" liegt in der blockweisen Aufteilung eines
blockübergreifenden städtebaulichen Projektes. Es gibt drei Blöcke, drei Architekten und drei
Großinvestoren: Block 207 mit dem Investor Roland Ernst und dem Architekten Jean Nouvel,
Block 206 mit dem Investor Tishman Speyer Properties und dem Architekten Henry N. Cobb sowie
Block 205 mit dem Investor Arc Union/Bouygues und dem Architekten Oswald Mathias Ungers.
Das Gesamtprojekt mit einem Investitionsvolumen von 1,4 Milliarden DM zielt auf eine
Nutzungsmischung von 35 Prozent Läden und Gastronomie, 59 Prozent Büros, 5 Prozent Wohnen
und 1 Prozent Kultur auf einer Bruttogeschoßfläche von insgesamt 199.600 Quadratmetern in acht
106
oberirdischen und vier unterirdischen Etagen. Ungefähr 4.000 Menschen werden hier arbeiten. Am
9. Oktober 1992 war die symbolische Grundsteinlegung des Projekts, mit dessen Bau jedoch erst im
September 1993 begonnen werden konnte. Fertiggestellt wurde der Komplex zwei Jahre später.
Problematisch am Projekt "FriedrichstadtPassagen" sind vor allem die völlig überzogene
Bebauungsdichte (Geschoßflächenzahl 6,5), die - im Verhältnis zu nachfolgenden Projekten relativ geringe Zahl von Wohnungen (63), dann die hohe Stellplatzzahl für etwa 1.100
Kraftfahrzeuge, die durch zwei Staffelgeschosse auf 30 Meter angehobene Gebäudehöhe (bei der
üblichen Traufhöhe von 22 Metern) und die parzellennegierende Blockgröße der Einzelprojekte.
Die allseits kritisierte städtebauliche Großform feiert damit eine fröhliche Wiederauferstehung. Dies
gilt insbesondere für den südlichen der drei Blöcke, der in Gänze eine einheitliche Gestaltung
erfahren hat; das bis an den Gendarmenmarkt heranreichende Gebäude von Ungers ignoriert die für
die Friedrichstadt ursprünglich typische Maßstäblichkeit vollends. Bei den beiden anderen Blöcken
wird der Maßstabsbruch durch die hier zum Gendarmenmarkt hin noch vorhandenen bzw. in den
achtziger Jahren ergänzten Fragmente des historischen Bebauungsgefüges etwas gemildert.
Daß indessen auch auf neugebildeten Großparzellen relativ kleinteilige und architektonisch
vielfältige Baustrukturen möglich sind, zeigen die Projekte "Hofgarten am Gendarmenmarkt"
(gesamter Block 208) und "Kontorhaus Mitte" (Ostteil des Blocks 109). In beiden Fällen war es
Josef Paul Kleihues, der für das städtebauliche Konzept verantwortlich zeichnete und dabei unter
den Bedingungen einheitlicher Grundbesitzverhältnisse das Thema "selbständiger Häuser im
Block" (Stimmann 1993b, S. 1129) entwickelte. Dieses Konzept gewann seine architektonische
Gestalt unter Beteiligung von jeweils drei weiteren Architekturbüros, die in beiden Fällen einige
noch vorhandene Fragmente der Vorkriegsbebauung zu ergänzen hatten. "Mit der Kombination
selbständiger Häuser in einem eigentumsrechtlich einheitlichen Block verbindet sich die Hoffnung,
die Dialektik von Tradition und Innovation auf dem Gebiet der Architektur und des Städtebaus trotz
der konzentrierten Besitzverhältnisse wieder in Gang [zu] setzen." (Ebd.)
Am Beispiel des "Kontorhauses Mitte", das aus einem vom Senat 1991 durchgeführten
zweistufigen Investoren-/Architektenwettbewerb hervorging, erläuterte Josef Paul Kleihues dieses
Planungskonzept: "Wo die Parzelle als Einzeleigentum nicht mehr existiert oder
Nutzungsansprüche nach größerer Einheit verlangen, kann die künstliche Teilung in Parzellen auch
mit dem Hinweis auf 'historische Verpflichtung' nicht ausreichend begründet werden. Verständlich
aber bleibt das begründbare Streben nach architektonischer Vielfalt, oder besser gesagt: nach
Vielfalt in der Einheit. Dies aber ist mit künstlicher Parzellisierung kaum zu gewährleisten. Deshalb
soll hier vom Prinzip des Baukastens die Rede sein, dessen funktionales und formales Regelwerk
die Kombination individueller Gebäudeeinheiten verfolgt. [...] Es ist das Prinzip Baukasten,
welches die einzelnen architektonischen Bausteine zur lebendigen Vielfalt in der Einheit verbindet
und in welchem der vorhandene Altbau eine Integration erfährt, welche über das Denken in
Parzellen hinausweist. Lebensfreude und Großstadtatmosphäre zu vermitteln, dazu sollten das
Nutzungskonzept und die architektonische Qualität der Ergänzung des Blocks 109 an der
Friedrichstraße beitragen." (In Aedes 1993, S. 10) Das Nutzungskonzept des "Kontorhauses" ist
typisch für das Baugeschehen in der Friedrichstraße. "Urbanität durch die Integration
komplementärer Nutzungen" lautet das Ziel des Projektträgers. Entstehen werden
"Boulevardgeschäfte für höchste Ansprüche, Kunsthaus mit Galerien und Verlagen, internationale
Gastronomie, qualitativ hochwertige City-Wohnungen" (Claus Bachmann, GERMANICA
Projektgesellschaft mbG, in Aedes 1993, S. 3).
Exemplarisch für das Konzept der kritischen Rekonstruktion ist auch das Ergebnis des 1992 vom
Senat ausgelobten städtebaulichen Ideenwettbewerbs für den "Bahnhofsbereich Friedrichstraße"
zwischen der Straße Unter den Linden im Süden und dem Bertolt-Brecht-Platz im Norden. Aus
dreizehn Arbeiten wählte das Preisgericht am 3. Februar 1993 diejenige von Johanne und Gernot
107
Nalbach aus, die auf eine Ergänzung der Bebauung entlang der historischen Baufluchten und
entsprechend dem um die Jahrhundertwende ausgeprägten Höhenprofil zielt. Neben vielfältigen
gewerblichen Nutzungen sehen die Architekten auch den geforderten Wohnanteil von 20 Prozent
vor. In diesem Entwurf haben die Hochhäuser des Hotels "Metropol" und des Internationalen
Handelszentrums Bestand - allerdings sollen sie anstelle der vorgelagerten Flachbauten durch
Neubauten ergänzt werden, die den unterbrochenen Bebauungszusammenhang und das traditionelle
Straßenprofil wiederherstellen. Alternative Konzepte, die an die Hochhausträume der zwanziger
Jahre erinnerten - Dirk Lohan, ein Enkel von Ludwig Mies van der Rohe, zitierte sogar dessen
Wettbewerbsentwurf aus dem Jahre 1922 - oder sich durch andere städtebauliche Figuren von der
fragmentarisch noch vorhandenen Vorkriegsbebauung distanzierten, konnten sich in diesem
Wettbewerb nicht durchsetzen. Der prämierte Entwurf ist inzwischen in einen städtebaulichen
Rahmenplan transformiert worden, der eine Grundlage für alle weiteren Planungen und
Baugenehmigungen darstellt. Bereits in der Realisierung befindet sich die Rekonstruktion des
Hotels einschließlich einer Umbauung des Hochhauses, die sich in das Konzept der
Wettbewerbsgewinner einfügt. Mit diesem nicht vereinbar ist hingegen die im Rahmenplan
vorgesehene Neugestaltung des Vorfeldes des Handelszentrums nach Plänen von Christoph
Langhof durch vier quer zur Friedrichstraße gestellte, durch Glasdächer verbundene Gebäudezeilen,
deren Höhe zum Stadtbahnviadukt hin ansteigt. Diese Idee geht auf den im Wettbewerb mit einem
zweiten Preis ausgezeichneten Entwurf Langhofs zurück, den die Jury an dieser Stelle für
geeigneter hielt.
An symbolträchtiger Stelle ist das größte Neubauprojekt an der Friedrichstraße im Entstehen: das
"American Business Center" am Checkpoint Charlie, an jenem ehemaligen Grenzübergang für
Ausländer, der weltweit Bekanntheit erlangt hat. Der amerikanische Investor, die Central European
Development Corporation (CEDC), bekundete bereits wenige Monate nach Öffnung der Berliner
Mauer Interesse an diesem Gelände. "Die Steinwüste, die sich hier mitten im Herzen Berlins wie
eine Narbe ausgebreitet hat, wollen wir entfernen und so endlich die Stadt wieder reparieren", mit
diesen Worten umriß Abraham Rosenthal, Geschäftsführer der CEDC, das Ziel (zit. nach Reinsch
1992). Die vom Senat neu eingerichtete Stabsstelle zur Betreuung privater Großinvestoren, der
Koordinierungsausschuß für innerstädtische Investitionen (KOAI), war bemüht, das Projekt zügig
voranzubringen. Die Architekten für drei der vier Blöcke wurden 1992 in einem beschränkten
Wettbewerb ausgewählt (David M. Childs, Jürgen Engel, Ulrike Lauber und Wolfram Wöhr sowie
Günther Bender und Gisela Glass). Mit der Planung des vierten Blocks wurde Philip Johnson direkt
beauftragt.
"Dieser Moment ist wohl für uns alle ein ganz besonderer. An diesem Ort, an dem einst
amerikanische Panzer die Freiheit verteidigten, werden bald amerikanische Geschäftsleute ihre
Büros eröffnen", bemerkte Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen anläßlich der
Bekanntgabe der Wettbewerbsgewinner am 2. Oktober 1992 (zit. nach Reinsch 1992), die mit der
symbolischen Grundsteinlegung verbunden wurde. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen
allerdings erst 1994 und sollen bis 1998 zum Abschluß gebracht werden. Das Bauvolumen ist mit
einer überbauten Fläche von 20.000 Quadratmetern und einer Bruttogeschoßfläche von 180.000
Quadratmetern (davon 60.000 Quadratmeter unterirdisch) in der Tat gewaltig. Die vorherrschende
Nutzung werden Büros (65 Prozent der Fläche) sein, außerdem entstehen Wohnungen (20 Prozent)
sowie Läden, Galerien, Restaurants und Cafés (15 Prozent). Über 3.500 Arbeitsplätze sollen
angeboten werden.
Bausenator Wolfgang Nagel lobte die "berlinische Haltung" (zit. nach Reinsch 1992) der
Wettbewerbsgewinner und Investoren und meinte damit die Einhaltung des städtebaulichen
Regelwerks der "kritischen Rekonstruktion". Tatsächlich respektieren die Neubauten den
Stadtgrundriß und das traditionelle Höhenprofil, und auch der übliche zwanzigprozentige
Wohnanteil wird erreicht. Radikal verändert wird allerdings ähnlich wie bei den
108
"FriedrichstadtPassagen" das historische Parzellen- und Bebauungsgefüge: Dieses wird durch die
Bildung von vier - nur durch Straßen voneinander getrennten - Riesenparzellen mit einer Bebauung,
die infolge der Beteiligung von lediglich vier Architekturbüros relativ gleichförmig ausfällt, stark
nivelliert. Lediglich der Eigentümer des in stadträumlich prominenter Lage an der Einmündung der
Mauerstraße in die Friedrichstraße gelegenen Grundstückes widersetzte sich mit Erfolg dem
Expansionsstreben der CEDC und beauftragte Josef Paul Kleihues mit dem Entwurf für das Wohnund Geschäftshaus "Triangel".
Weitgehend getilgt wurde die Erinnerung an die einstige Grenzübergangsstelle, die wie nur wenige
andere Abschnitte der Berliner Mauer die Teilung der Stadt symbolisierte. Die Chance, durch die
Integration von Teilen der Grenzanlagen in die Neugestaltung des Areals die Erinnerung an diese
Narbe inmitten der Stadt auch künftig wachzuhalten, wurde leichtfertig verspielt. Die beabsichtigte
Schaffung einer Gedenkstätte im Innern eines der Neubaublocks wird kaum mehr einen
authentischen Eindruck von der einmaligen Atmosphäre dieses Ortes vermitteln können.
Vergleichsweise bescheiden stellt sich heute das Planungs- und Baugeschehen in der südlichen
Friedrichstadt dar, die noch in den achtziger Jahren das Interesse der Fachleute aus aller Welt auf
sich zog, als hier im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1984/87 die Kleihuessche Variante
der "kritischen Rekonstruktion" in großem Maßstab gebaute Wirklichkeit wurde. Die
Wiedergewinnung der "Innenstadt als Wohnort" war damals das oberste Ziel. Erneut in das
Blickfeld der Planer geriet jedoch der Mehringplatz, der südliche Endpunkt der Friedrichstraße.
Nach schweren Kriegsschäden hatte dieser Bereich in den Jahren 1967-75 eine vollkommen neue
Gestalt erhalten. Die eine städtebauliche Idee Hans Scharouns aufgreifende Planung Werner
Düttmanns hatte zwar die runde Platzform wiederaufgenommen. Der Platz war jedoch von der
Lindenstraße und Wilhelmstraße quasi "abgehängt" und - mit Blick auf eine geplante Stadtautobahn
in Ost-West-Richtung - durch eine Hochhausbebauung von der übrigen Friedrichstadt stadträumlich
isoliert worden. Das 1991 von Justus Burtin und Julius Spangenberg vorgelegte Gutachten "Das
Projekt Mehringplatz" führte das Planungskonzept der sechziger Jahre weiter und stellte eine
bauliche Verdichtung (auch durch weitere Hochhäuser) zur Diskussion. Zusätzliche
Verdichtungsvarianten brachte das "Kooperative Planungsverfahren Mehringplatz", an dem neben
drei Architekturbüros und weiteren Sachverständigen Vertreter des Senats und Bezirks sowie der
Eigentümer und Mieter teilnahmen (Ergebnis dokumentiert in Burtin 1994). Im Februar 1993
präsentierten die drei eingeladenen Büros ihre Konzepte für Ergänzungsbauten mit einer
Bruttogeschoßfläche von jeweils etwa 100.000 Quadratmetern (!) - Vorschläge, die in Anbetracht
der vorhandenen Bebauungs- und Wohndichte sowie der ohnehin schon starken Beeinträchtigung
der friedrichstädtischen Silhouette durch die Hochhausmassierung rings um das einstige "Rondell"
zu Recht Widerspruch hervorriefen. Gewiß bestehen einige Möglichkeiten für kleinteilige
Ergänzungsbauten, so etwa auf dem Parkplatz der Allgemeinen Ortskrankenkasse zur
Wilhelmstraße hin. In der vorgeschlagenen Größenordnung ist eine Nachverdichtung jedoch nicht
mit der vor allem für die Hochhausbewohner anzustrebenden Wohnumfeldverbesserung vereinbar.
Die in allen drei Entwürfen vorgesehenen Hochhäuser würden überdies den durch die Neubebauung
in den sechziger Jahren vollzogenen Maßstabsbruch und die damit einhergegangene Beschädigung
des Stadtgrundrisses noch verstärken.
Eine kritische Bewertung der neuen Friedrichstraße kann nicht nur deren städtebaulicharchitektonische Gestalt betrachten, sondern darf auch die Straße als sozialen Raum nicht aus dem
Auge verlieren. Wem gehört die Friedrichstraße? Wer wird hier wohnen, arbeiten, einkaufen,
bummeln und so weiter? Die Beantwortung dieser Fragen ist für die Beurteilung der Qualität der
neuen Friedrichstraße nicht minder wichtig als der Diskurs über die kritische Rekonstruktion.
Bezeichnend für die Entwicklung, die inzwischen an verschiedenen Stellen steinerne Gestalt
annimmt, ist gewiß die Prognose des Senatsbaudirektors: In der Vision des Sozialdemokraten Hans
Stimmann erscheint die Friedrichstraße der Zukunft als "eine für das neue Berlin höchst attraktive
109
Geschäftsstraße" - als "der Ort der mittleren und höheren Angestellten aus Ministerien und
Vorstandsetagen, ein Ort der Lobbyisten, der Banken und Versicherungen, der Parteien, der Museen
und der Universitätsinstitute" (1993b, S. 1129).
Die einfachen Menschen, die "normalen" Bürger der Stadt und der Region kommen in diesem Bild
einer exklusiven Geschäftsstraße nicht einmal als Passanten vor. Das ist durchaus konsequent schließlich werden die neuentstehenden, privat finanzierten und dementsprechend teuren
Wohnungen nur für wenige erschwinglich sein, und die Vorstellung des Wohnens quasi "auf dem
Dach" - oberhalb von fünf oder sechs Geschäfts- und Büroetagen - wird auch nicht jedermann
zusagen. Teuer werden nicht nur die Mieten der neuen Wohnungen, sondern auch die Mieten der
neuen Läden und Büros sein - so werden auch die hier entstehenden Arbeitsplätze sowie Einkaufsund Dienstleistungsangebote in erster Linie das "gehobene Publikum" ansprechen.
3.7.5. Leipziger Straße
Ein Schlüsselprojekt der "kritischen Rekonstruktion" der Friedrichstadt ist schließlich der Umgang
mit der Leipziger Straße. Zu Zeiten der DDR wurde durch die Neugestaltung der Leipziger Straße
zwischen Spittelmarkt und Charlottenstraße das barocke, wenig hierarchische Straßennetz erheblich
beschädigt. Allerdings wurde damit auch eine neue städtebauliche Figur geschaffen, die als
"moderne" Variante der Stalinallee gelten kann: als städtische, funktionsgemischte Straße, die
jedoch auf das Umfeld keine Rücksicht mehr nimmt.
Im Oktober 1992 legte das Mailänder Architekturbüro Gregotti Associati Int. ein städtebauliches
Gutachten zur Leipziger Straße "von der Wilhelmstraße bis zur Getraudenbrücke und Spittelmarkt"
vor. In diesem Gutachten wurde davon abgeraten, nostalgisch die Vergangenheit zu rekonstruieren,
da die Leipziger Straße ihre historischen Merkmale und Bezüge im Kontext der Friedrichstadt
verloren habe. Das Gutachten warb für eine Akzeptanz der neuen Leipziger Straße, deren
Bedeutung allerdings zu verändern wäre - zum Beispiel in Richtung eines "großen langgestreckten
Platzes", der im Osten durch den Spittelmarkt und im Westen durch neue Baukörper begrenz
werden könnte.
Dieses Gutachten fand bei den zuständigen Senatsverwaltungen allerdings wenig Beachtung. Die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz forderte vier Büros auf, in einem
städtebaulichen Ideenwettbewerb Neugestaltungsvorschläge zu präsentieren. Prämiert wurde
Anfang November 1992 das Konzept von Hans Kollhoff und Helga Timmermann, nach dem die
Leipziger Straße von heute 60 Meter auf eine Breite von 22 Metern zurückgebaut werden sollte mit neuen, siebengeschossigen Gebäuden auf der nördlichen Straßeseite (22 Meter Traufhöhe). Für
diese Neubebauung wurde folgendes Raumprogramm angegeben: 42.691 Quadratmeter
Ladenfläche, 68.428 Quadratmeter Wohnfläche (700 Wohnungen) und 182.969 Quadratmeter
Bürofläche. Die künftige Leipziger Straße sollte jeweils zwei Fahrspuren und eine Trasse für die
Straßenbahn erhalten. Zwischen den Neubauten und der vorhandenen Hochhausbebauung auf der
Nordseite war eine neue, 18 Meter breite Erschließungsstraße vorgesehen.
Diese Vorschläge fanden ein kontroverses Echo: Umstritten sind bis heute sowohl der Rückbau der
Fahrbahnen als auch die bauliche Verdichtung. Insbesondere der Verkehrssenator machte sich zum
Anwalt derer, die den Erhalt der Leipziger Straße als Hauptverkehrsstraße in der heutigen Breite
forderten. Streitbar ist zweifellos die von Kollhoff und Timmermann vorgeschlagene Neubebauung
im Norden der zurückgebauten Leipziger Straße. Damit knüpfen sie zwar an das im Stadtbild heute
nur noch durch wenige Gebäude präsente Raumgefüge der Vorkriegszeit an, das durch die
Neugestaltung der siebziger Jahre negiert wurde. Das Ergebnis dieser Neugestaltung stellt jedoch
ein ausgereiftes städtebauliches Zeitdokument dar, das jede Planung auch im Interesse der dort
lebenden und arbeitenden Menschen zu berücksichtigen hat. Der Freiraum vor den Hochhäusern
110
zum Beispiel ist zweifellos eine wichtige, bewahrenswerte Qualität. "Viel Schatten, wenig Licht!" mit diesen Worten charakterisierte Joachim Eichstätt von der "Betroffenen-Initiative Leipziger
Straße" denn auch den preisgekrönten Entwurf (zit. nach Der Tagesspiegel, Beilage "Kiez" N vom
7.10.1993). Aber auch von seiten des Bezirksamtes Mitte erntete das Verdichtungskonzept
entschiedene Kritik: "Progressiv mit dem Stadtgrundriß umzugehen heißt nicht in jedem Fall,
barocke Stadtstrukturen wiederherzustellen" (zit. nach Der Tagesspiegel vom 24.11.1992).
Gewiß ist die Reduzierung des Verkehrs im Sinne der Wohn-, Einkaufs- und
Dienstleistungsnutzungen dringend geboten, der Rückbau der Fahrspuren und die Verbesserung des
öffentlichen Verkehrs durch eine Wiederkehr der Straßenbahn also unbedingt anzustreben. Auf eine
bauliche Verdichtung des Hochhausensembles sollte hingegen verzichtet werden; die
Bauaktivitäten sollten auf die brachliegenden Bereiche westlich der Friedrichstraße beschränkt
bleiben. Die durch den Straßenrückbau gewonnenen Flächen könnten das grüne Vorfeld der
Hochhäuser erweitern - vor allem auf der sonnigen Nordseite der Straße. "Eine grüne Promenade
zwischen Friedrichstraße und Spittelmarkt" (Wilczok 1993) wäre das auch von vielen Anwohnern
gewünschte Ergebnis.
Während die Umgestaltung der Leipziger Straße nach wie vor kontrovers diskutiert wird, hat die
Sanierung des Gebäudebestandes durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte
bereits begonnen. Inzwischen haben zwei der Hochhausscheiben im Norden eine vollkommen neue
Außenhaut erhalten. Gewiß stellen die zu Wintergärten umgebauten Balkone eine Verbesserung der
Wohnqualität an der verkehrsreichen Straße dar. Die Glätte und das vorherrschende Grau der kaum
gegliederten Fassaden läßt die Häuser heute allerdings kühl und abweisend wirken. Die
ursprüngliche und an den bisher nicht erneuerten Gebäuden noch zu besichtigende Gestaltung mit
den hellen Farben und der architektonischen Gliederung vermittelt demgegenüber ein geradezu
heiteres und freundliches Bild, das allerdings durch die Einheitlichkeit der Formen getrübt wird.
Zwei der vier Hochhäuser auf der südlichen Straßenseite verkaufte die Wohnungsbaugesellschaft
Ende 1993 an einen privaten Unternehmer, der sich zur Durchführung von
Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet hat. Notwendig geworden war dieser Schritt aufgrund des
Altschuldengesetzes des Bundes, das eine Privatisierung von Teilen des Wohnungsbestandes
fordert. Mit dem Verkaufserlös soll die Sanierung der beiden im kommunalen Eigentum
verbleibenden Häuser finanziert werden.
Südlich der Leipziger Straße hält neues Leben Einzug in das alte Berliner Zeitungsviertel. In der
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich hier unmittelbar an der Sektorengrenze lediglich der
Axel-Springer-Verlag ein neues Domizil errichtet (1961-66) - mit einem gewaltigen Hochhaus,
dessen werbende Aufschriften weit nach Ost-Berlin ausstrahlen sollten: eine Geste des kalten
Krieges, die wenige Jahre später durch die Hochhausbebauung der Leipziger Straße beantwortet
wurde. Ebenfalls in der Kochstraße bezog die alternative "tageszeitung" in den achtziger Jahren
einen Neubau. Nach 1989 zog das wohl berühmteste historische Gebäude des Zeitungsviertels
erneut Aufmerksamkeit auf sich: das "Mosse-Haus" in der Schützenstraße, dessen Kriegswunden
nur notdürftig repariert worden waren. Sowohl der weitgehende Verlust der originalen Gestalt als
auch die abseitige Lage zwischen den Hochhäusern der Leipziger Straße und der Berliner Mauer
hatten den Bau weithin in Vergessenheit geraten lassen. Im Juni 1993 begann der private
Eigentümer mit der Wiederherstellung des geschichtsträchtigen Druck- und Verlagshauses, das Teil
eines den gesamten, großteils brachliegenden Block umfassenden Projektes für ein "Medien- und
Geschäftszentrum" ist. Seit Anfang 1995 ist das Ergebnis des Versuches zu besichtigen, den
Zustand des Altbaus nach dem in den zwanziger Jahren erfolgten Umbau zu rekonstruieren - leider
mit Mängeln hinsichtlich mancher Details, die im Entwurf Erich Mendelsohns eine entscheidende
Rolle spielten. Fertiggestellt wurde auch ein erster Abschnitt der ergänzenden, umfangreichen
Neubebauung, die noch im Verlauf der neunziger Jahre abgeschlossen werden soll. Insgesamt wird
dann im "Mosse-Zentrum" eine Nettogeschoßfläche von etwa 64.000 Quadratmetern zur Verfügung
111
stehen, davon 13,5 Prozent für Wohnungen, 81 Prozent für Büro- und Druckereiflächen und 5,5
Prozent für Läden, Praxen und Galerien. Vor allem aus dem Verlags- und Fernsehbereich sollen das
künftige Nutzungsprofil entscheidend prägen. Während sich die Neubauten hier an die Höhe der
"Berliner Trauflinie" halten, wiederholt der kürzlich - aufgrund des Bebauungsplans aus den
sechziger Jahren! - errichtete zwanziggeschossige Erweiterungsbau des Springer-Verlags den
übersteigerten Maßstab des älteren Hochhauses.
3.7.6. Wilhelmstraße
In das Blickfeld der Hauptstadtplaner rückte das frühere Regierungsviertel im Umkreis der
Wilhelmstraße. Auf den ersten Blick erinnern hier heute lediglich die aus der Zeit des "Dritten
Reiches" überkommenen Großbauten des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums und des
ehemaligen Reichspropagandaministeriums (Mauerstraße) an die einstige Bedeutung dieses Ortes.
Im übrigen hatte die Wilhelmstraße im Zuge der Ende der achtziger Jahre begonnenen
Neugestaltung als innerstädtische Wohn- und Geschäftsstraße ein vollkommen neues Gesicht
erhalten.
Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten bezog die Treuhandanstalt das Gebäude des
Luftfahrtministeriums; künftig wird hier das Bundesfinanzministerium sein Domizil haben. Das
frühere Propagandaministerium wurde zum Amtssitz des Umweltbundesamtes und wird künftig das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beherbergen. Das Interesse der
Hauptstadtplaner wandte sich bald auch den früheren Ministergärten zu, die zum Teil in die
Grenzsicherungsanlagen der DDR einbezogen gewesen waren. Die Nähe zum künftigen
Parlaments- und Regierungsviertel am Spreebogen ließ diesen Bereich für die Unterbringung von
Hauptstadtfunktionen als besonders geeignet erscheinen. Ein 1993 von den Senatsverwaltungen für
Bau- und Wohnungswesen sowie Stadtentwicklung und Umweltschutz gemeinsam durchgeführtes
Gutachterverfahren sollte Ideen für den Umgang mit diesem historisch sensiblen Gelände bringen,
das im gleichen Jahr in die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme für das Parlaments- und
Regierungsviertel einbezogen wurde. Aus den Konzepten der drei beteiligten Büros wurde
schließlich der städtebauliche Entwurf von Hildebrand Machleidt + Partner (mit Wolfgang Schäche
und Cornelia Müller) als Grundlage für die Aufstellung von zwei Bebauungsplänen ausgewählt.
"Ziel der Planung ist es, auf den Flächen der ehemaligen Ministergärten ein Denkmal für die
ermordeten Juden Europas zu errichten und einen Teil der Vertretungen der Bundesländer in der
Hauptstadt anzusiedeln. Nachdem anfängliche Überlegungen, beispielsweise das Außenministerium
hier zu errichten, verworfen wurden, erschien diese Konzeption dem politischen Gewicht des Ortes
und seiner morphologischen Besonderheit besonders angemessen. Der vorliegende städtebauliche
Entwurf versucht sich an der Stadtgeschichte zu orientieren. Dabei wird die charakteristische
Verzahnung der Friedrichstadt mit dem Tiergarten über das Areal der 'Ministergärten' aufgegriffen
und neu interpretiert." (Machleidt 1994)
Der Entwurf gliedert das Gelände in drei Teile: Die Fläche im Süden der Behrenstraße ist für das
Denkmal reserviert. Südlich davon werden die Vertretungen von zwölf Bundesländern "als
palaisartige Solitärbauten" (ebd.) angeordnet und durch Grünflächen abgerundet. Im Osten ist eine
Ergänzung des vorhandenen Wohnquartiers insbesondere durch neue Wohngebäude vorgesehen.
Aber auch das alte Thema eines Straßendurchbruchs im Bereich der Ministergärten erlebt in diesem
Entwurf seine Renaissance - in Form einer breiten, in der gedachten Verlängerung der
Französischen Straße liegenden Baumallee zwischen Wilhelmstraße und Ebertstraße. "Diese
Verbindung wird im Bebauungsplan als Option für den Straßenverkehr offengehalten."
(Lautenschläger 1994, S. 23)
Außerordentlich große Resonanz fand der 1994 für die Gestaltung des Holocaust-Mahnmals von
der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Berlin und dem Förderkreis zur Errichtung eines
112
Denkmals für die ermordeten Juden Europas e. V. gemeinsam ausgelobte künstlerische
Wettbewerb. Das Preisgericht konnte sich allerdings im März 1995 unter den 528 eingereichten
Arbeiten nicht zu einer eindeutigen Entscheidung durchringen und vergab zwei erste Preise, zum
einen an den Architekten Simon Ungers, zum anderen an die Architekten- und Künstlergruppe
Christine Jackob-Marks, Hella Rolfes, Hans Scheib und Reinhard Stangl. Simon Ungers schlägt die
Gestaltung eines Platzes vor, der von Stahlbalken umschlossen wird, die mit den Namen der
Vernichtungslager perforiert sind. Der Entwurf der Gruppe sieht eine riesige, schräg ansteigende
Betonplatte vor, in die die Namen der Juden (soweit bekannt) eingraviert werden, die dem
Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.
Ungewiß ist die Zukunft eines aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
überkommenen Denkmals in dem für die Errichtung der Ländervertretungen vorgesehenen Bereich:
der nach dem Abriß der Ruine der Neuen Reichskanzlei erhalten gebliebenen Bunkeranlagen und
Überreste eines Innenhofes. Die Frage des Umgangs mit diesen unterirdischen Anlagen wird seit
der im Frühjahr 1992 erfolgten Freilegung und Untersuchung durch das Archäologische Landesamt
kontrovers diskutiert. Indessen ist die Erhaltung dieser letzten Reste der Neuen Reichskanzlei
dringend geboten: angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Amtssitz des "Führers" unter
den Schaltstellen der Macht im Umfeld der Wilhelmstraße zukam, aber auch im räumlichen
Zusammenhang mit dem geplanten Erinnerungsmal für die Opfer der nationalsozialistischen
Rassenpolitik. "Es darf nicht dazu kommen, daß im Schatten des geplanten Mahnmals ein historisch
entsorgtes Gelände mit schicken Landesvertretungen in gefälligen Gärten liegen wird. Ein
derartiges Umfeld würde dem Holocaust-Mahnmal eine Alibifunktion förmlich aufzwingen. Das
verdienen weder der geschichtsträchtige Boden noch das Mahnmal." (Alfred Kernd'l, ehemaliger
Wissenschaftlicher Direktor des Archäologischen Landesamtes, 1995)
3.8. Ausblick
Die Dorotheen-/Friedrichstadt ist auf dem Weg, wieder zum Herzstück der Berliner City zu werden
- zum zentralen Bereich der Berliner "Geschäftsstadt", wie Willy Lesser diesen Bezirk am Ende der
Kaiserzeit beschrieb. In der Tat hat die Bautätigkeit der letzten Jahre beeindruckende Dimensionen
erreicht, insbesondere in der Friedrichstraße, die in weiten Teilen zu einer großen Baustelle
geworden ist. Kritik an der Form dieser Bautätigkeit ist jedoch angebracht.
Die von seiten der Senatsbauverwaltung zum städtebaulichen Leitbild erhobene "kritische
Rekonstruktion der Stadt" ist gewiß im Grundsatz eine brauchbare Strategie zur Wiedergewinnung
verlorengegangener Qualitäten und damit zur Stärkung der besonderen städtebaulichen Eigenart der
Dorotheen-/Friedrichstadt. Dabei ist dieses Konzept keineswegs eine ausschließlich "westliche"
Erfindung, die erst nach der "Wende" dem Ostteil Berlins segensreich zuteil geworden wäre - so der
irreführende Eindruck, den viele veröffentlichte Stimmen erwecken. Tatsächlich hat die "kritische
Rekonstruktion" - das zeigt der Blick zurück - ihre Traditionen auch in der Ost-Berliner Planungsund Baugeschichte.
In Zukunft gilt es, gerade den kritischen Charakter der Rekonstruktion stärker zu betonen und die
einseitige Orientierung der letzten Jahre auf den Vorkriegszustand zu überwinden. Denn auch die
Produkte der Stadtbau- und Architekturgeschichte der letzten fünfzig Jahre dürfen nicht einfach
negiert werden. Selbst die überkommenen Reste der Vorkriegsbebauung stellen sich keineswegs
einheitlich dar, sondern vermitteln ein schillerndes, an Widersprüchen und Brüchen reiches Bild.
Planungsziel sollte es heute sein, diese komplexe Entwicklung auch künftig im Stadtbild ablesbar
zu erhalten. Das dieser Situation angemessene Leitbild wäre also die "ungleichzeitige Stadt", in der
für die Schöpfungen der unterschiedlichen stadtbaugeschichtlichen Epochen aus drei Jahrhunderten
Platz ist. Das gilt auch für manche Zeugnisse des Städtebaus und der Architektur der DDR (zum
Beispiel in der Straße Unter den Linden, der Friedrichstraße und der Leipziger Straße sowie am
113
Gendarmenmarkt), denen derzeit eine übereilte kulturelle Entwertung widerfährt, obwohl sie nicht
nur wichtige stadtbau- und zeitgeschichtliche Dokumente, sondern auch bedeutende
Wohnungsbestände bzw. anderweitig nutzbare Ressourcen darstellen. Anspruch auf eine
angemessene Würdigung ihrer ästhetischen Qualitäten und ihrer Nutzbarkeit haben auch einige
Freiraumgestaltungen aus der DDR-Ära, in erster Linie der Gendarmenmarkt und der Opernplatz.
Die Wiederherstellung eines längst vergangenen Vorkriegszustandes - wie von der Berliner
Gartendenkmalpflege für den Gendarmenmarkt angestrebt - wäre daher ein höchst zweifelhaftes
Unterfangen und würde eine historische Kontinuität im Platzbild vortäuschen, die in Anbetracht der
durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Verwüstungen und der danach erfolgten bewußten
Neugestaltung im Widerspruch zum tatsächlichen Verlauf der Geschichte stünde.
Defizite weist die bisherige Interpretation der "kritischen Rekonstruktion" aber auch in der Gestalt
der Neubauten auf. Die Tendenz zur Bildung von Großparzellen korrespondiert vielerorts mit einem
Bebauungsmaßstab, der mit der traditionellen Kleinteiligkeit des Parzellen-, Nutzungs- und
Bebauungsgefüges bricht. Architektonische Großformen haben gewiß ihre Berechtigung bei
bestimmten Bauaufgaben (wie zum Beispiel dem Neubau eines Kaufhauses), sollten im Stadtraum
der Dorotheen-/Friedrichstadt jedoch die Ausnahme bleiben. Das von Josef Paul Kleihues
entwickelte "Prinzip des Baukastens" stellt zumindest eine formale Alternative für Blöcke mit
einem Eigentümer dar. Aber auch die Instrumente des städtebaulichen Denkmalschutzes und der
baugestalterischen Regelwerke könnten einen Beitrag zur Wiedergewinnung der die historische
Dorotheen-/Friedrichstadt prägenden Kleinteiligkeit leisten.
Ein wichtiges Anliegen ist schließlich auch die Sicherung der aus der DDR-Zeit überkommenen,
überwiegend noch im Eigentum städtischer Wohnungsbaugesellschaften befindlichen Wohnungen
für die Zukunft. Die Existenz eines großen, für breite Schichten der Bevölkerung erschwinglichen
Wohnungsbestandes im Stadtzentrum stellt eine soziale Qualität dar, die in westdeutschen und
westeuropäischen Großstädten alles andere als selbstverständlich ist und im derzeitigen
Baugeschehen keine Entsprechung mehr findet. In den neuentstehenden Büro- und
Geschäftshäusern spielt das Wohnen nur noch eine untergeordnete Rolle. Gewiß stellt die
Durchsetzung eines Wohnanteils von 20 Prozent (in manchen Projekten auch weniger oder
überhaupt keine Wohnfläche) schon einen gewissen Erfolg im Vergleich zu den Neubauten in den
Zentren vieler anderer Städte dar. Um das Stadtbild, die Nutzungsstruktur und das städtische Leben
- vor allem in den Abendstunden - aber wirklich mitzuprägen, ist dieser Anteil allerdings zu gering.
Überdies wird über den hohen Mietpreis der Zugang beschränkt und "soziale Mischung" verhindert.
Für die Genehmigung von Bauvorhaben nach § 34 des Baugesetzbuches ist eine Bürgerbeteiligung
nicht vorgesehen und findet auch faktisch nicht statt. Gewiß besteht an Informationen über die
Cityprojekte kein Mangel. Zeitungen und Zeitschriften sind voll von Berichten, die
Senatsverwaltungen veröffentlichen Broschüren, veranstalten Ausstellungen und laden zu
Baustellenbesichtigungen ein. In Fachkreisen wurden engagierte Diskussionen geführt, die ihren
Ort beispielsweise in den abendlichen "Architekturgesprächen" des Bausenators und im
"Stadtforum" des Stadtentwicklungssenators haben. Eine Einbeziehung der allgemeinen
Öffentlichkeit in die Planungen für die alt-neue City Berlins findet hingegen kaum statt. Die
vermehrte Aufstellung von Bebauungsplänen, in deren Verfahren die Beteiligung der Bürger
gesetzlich vorgeschrieben ist, könnte hier Abhilfe schaffen und zugleich höhere Wohnanteile in den
Neubauten durchsetzen.
Aber auch die informellen Planungen (wie zum Beispiel die städtebaulichen Strukturkonzepte)
bedürfen der öffentlichen Erörterung, stellen sie doch wichtige Grundlagen für die Aufstellung von
Bebauungsplänen und für die Anwendung der "Einfügungsklausel" des § 34 des Baugesetzbuches
im konkreten stadträumlichen Zusammenhang dar. Daß eine breite öffentliche und politische
Diskussion von den Entscheidungsträgern nicht einfach ignoriert werden kann, hat das Verfahren
114
für den Bebauungsplan "Pariser Platz" (mit den darin integrierten Baugestaltungsvorschriften)
gezeigt. Die zeitweilig äußerst heftig geführte Diskussion hatte Folgen: Zum einen förderte sie die
Herausbildung eines gesellschaftlichen Konsenses über das grundlegende Ziel einer gegenüber dem
historischen Charakter dieses Stadtraums und seines beherrschenden Bauwerks sensiblen
Rekonstruktion. Zum anderen führte der Streit auch zu einigen nicht unwesentlichen Änderungen
am Entwurf des gestalterischen Regelwerks. Unabhängig von der persönlichen Beurteilung dieser
Änderungen belegt dieser Fall die Erfolgschancen demokratischer Planungsprozesse.
115
4. Vom Windschatten in den Sturm: Spandauer Vorstadt und Königstadt
Das alte, nicht herrschaftliche, volkstümliche Berlin findet sich heute nicht mehr im Bereich der auf
das Mittelalter zurückgehenden Altstadt. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und des
Nachkriegsstädtebaus bildet die barocke Stadterweiterung im Norden des Berliner Zentrums den
letzten Berliner Stadtteil, dessen städtebauliche Strukturen noch deutlich an das alte, vorindustrielle
Berlin erinnern. Diese Stadterweiterung setzt sich aus der Spandauer Vorstadt und der noch
verbliebenen westlichen ehemaligen Königstadt, der ältesten berlinischen Vorstadt, zusammen. Sie
wird das Alt-Berlin von morgen sein.
4.1. Ein hierarchischer, unregelmäßiger Stadtteilgrundriß
Schon der Grundriß der Spandauer Vorstadt (einschließlich der westlichen Königstadt) läßt
erkennen, daß dieser Stadtteil kein privilegiertes Gebiet war. Anders als in den fast gleichzeitig
angelegten barocken Vorstädten Dorotheen- und Friedrichstadt wird man städtebauliche Kraftakte
hier vergeblich suchen: Statt eines regelmäßigen Rastergrundrisses mit einigen wohlgeformten
Plätzen ist im Norden des Zentrums ein unregelmäßiges, hierarchisches Straßensystems ohne
ausgezirkelte Plätze zu sehen, das auf den ersten Blick eher mittelalterlich als barock anmutet.
Doch auch die Unregelmäßigkeit hat System: Ausgangspunkt der nördlichen barocken
Stadterweiterung war der Bereich des Hackeschen Marktes, der sich um 1750 in seiner noch heute
bekannten Form herausbildete. Auf diesem ursprünglich vor dem mittelalterlichen Spandauer Tor
gelegenen Platz liefen einige Ausfallstraßen zusammen, bevor sie in die Stadt eintraten: die Straßen
nach Spandau, Neuruppin/Hamburg, Rosenthal, Pankow/Schönhausen und Prenzlau. Die wichtigste
dieser Straßen fällt schon durch ihre Breite ins Auge: die nach Spandau führende Oranienburger
Straße. Ihr nächster Zielort gab dem Stadtteil den Namen: Spandauer Vorstadt. Der Hackesche
Markt selbst wurde im "Neusten Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam" von 1834
abschätzig als einer "der kleinsten und unansehnlichsten öffentlichen Plätze unserer Hauptstadt" (S.
291) bezeichnet.
Im Norden wurde der Stadtteil bis 1867 durch die Akzisemauer abgeschlossen, die seit 1705 als
Palisadenumwehrung auf Höhe der Linienstraße und nach 1780 auf Höhe der Neuen Torstraße
verlief. Durchbrochen wurde diese Mauer, die der Steuererhebung diente und Soldaten an der
Desertion hindern sollte, nur durch wenige Tore: das Oranienburger, das Hamburger, das
Rosenthaler und das Schönhauser Tor. Damit war das System der Hauptstraßen festgelegt.
Die Erschließung des Stadtteils erforderte weitere, die Ausfallradialen vernetzende Straßen zweiter
und dritter Ordnung, die weitgehend den vorstädtischen Spuren des Geländes folgten: alten Wegen
und Parzellengrenzen. Die die Stadtteilsilhouette prägende Sophienkirche wurde seit 1712, ihr
Turm 1732-34 im Zentrum des Gebiets zwischen der Ausfallstraße nach Hamburg und der
Sophienstraße errichtet. Die beiden Plätze am Nordrand der barocken Vorstadt - der Koppenplatz
und der heutige Rosa-Luxemburg-Platz - sind Produkte der Stadterneuerung des 19. und 20.
Jahrhunderts: Der Koppenplatz entstand im Zuge der Umwandlung des aufgegebenen
Armenfriedhofs, der Rosa-Luxemburg-Platz (früher Bülowplatz) nach der Kahlschlagsanierung im
Scheunenviertel seit 1907.
116
4.2. Soziale und kulturelle Mischung
Der fehlenden städtebaulichen Ordnungskraft der Barockzeit in diesem Gebiet entsprach dessen
soziale Stellung im Gefüge der Gesamtstadt: Hier fanden weniger angesehene gesellschaftliche
Gruppen ihren Wohnort, ihre Einrichtungen, ihren Begräbnisplatz - so Teile der jüdischen und der
katholischen Bevölkerung sowie der Garnison. Die neue Synagoge (nach Plänen von Eduard
Knoblauch), die jüdische Versorgungsanstalt, das jüdische Krankenhaus, der jüdische
Begräbnisplatz, das katholische Krankenhaus, die Kaiser-Alexander-Kaserne, der Begräbnisplatz
der Garnison, das Armenhaus und der Armenfriedhof (am späteren Koppenplatz) belegen schon um
die Mitte des 19. Jahrhunderts die kulturelle Vielfalt und soziale Position des Stadtteils.
Aus dieser Welt hob sich nur eine "vornehmere" Straße heraus: die großzügig angelegte, "auf
beiden Seiten mit Linden besetzt[e]" (Nicolai 1786, S. 44) Oranienburger Straße, an die im Süden
die Schloßlandschaft Monbijou grenzte - die einzige herrschaftliche Einrichtung von Gewicht im
Norden des Zentrums. Hier ließ Kurfürstin Dorothea in einem ihr 1670 überlassenen Garten eine
Meierei anlegen, deren Ländereien "bis an den jetzigen Schiffbauerdamm, und noch jenseits der
Spree, bis auf die jetzige Dorotheenstadt" reichten (Nicolai 1786, S. 42). Der Schloßbau selbst
begann im Jahre 1708 nach Plänen von Johann Friedrich Eosander von Göthe. Der nach Süden
orientierten Schloßlandschaft gelang es allerdings nie, die nördlich gelegene einfache Vorstadt
sozial zu überfremden. Im Gegenteil: Das Schloß blieb eine Enklave nördlich der Spree, die auch
bei den Hohenzollern keine sonderliche Wertschätzung genoß.
An der Oranienburger Straße entfaltete sich vor allem die Post mit ihren Einrichtungen, ein
Standort, der 1713 mit der Fertigstellung des Postillonhauses begründet wurde und 1875-81 durch
den Bau des Postfuhramtes seine Krönung erhielt. Die relative Pracht der Oranienburger Straße
kontrastierte mit der Enge und dem Elend insbesondere der nur sieben bis neun Meter breiten
Gassen in der westlichen Königstadt, die seit dem späten 17. Jahrhundert zunächst als
Scheunengassen dienten, seit Beginn des 19. Jahrhunderts aber in Goldgruben des Wohnungselends
verwandelt wurden.
Im Zuge der Herausbildung einer City in der Kaiserzeit verschärften sich diese Situation. Im
Vergleich zu den neuen Mietskasernen waren die einfachen Wohnungen in der vorindustriellen
Stadt - das wird leicht vergessen - noch ungleich schlechter. Das hatte Auswirkungen auf die
sozialen Verhältnisse. Kleinkriminalität, Prostitution, Großstadtvergnügen, Homosexualität waren
verbreitete Assoziationen, die sich mit dem Gebiet nördlich des Zentrums verbanden. Hier fanden
bald die ärmsten der zugewanderten Juden ihre Bleibe, die Ostjuden, die schon durch ihr Äußeres
besonders auffielen.
4.3. Erneuerungsprojekte bis zur nationalsozialistischen Zeit
Bereits im Jahre 1817 wurde ein Vorschlag zur Aufwertung des mittleren Teils der barocken
Vorstadt präsentiert - von Karl Friedrich Schinkel. Dieser plante eine "Neue Straße am Monbijou",
die - anschließend an eine neue "Eiserne Brücke" über die Spree - an dem projektierten Pantheon im
Südwesten des Schlosses Monbijou ihren Ausgang nehmen und zu einem gewaltigen rechteckigen
Platz führen sollte. Diesen Platz beschrieb Schinkel mit folgenden Worten: "Neuer großer Platz, in
dem Raum der Gärten angelegt, wodurch mehr Kommunikationen und Privathäuser gewonnen
werden." (Zit. in Rave 1948, S. 10) Die nicht realisierte Operation sollte zu einer "bessere[n]
117
Verbindung der ganzen Gegend um die Oranienburger Straße mit der übrigen Stadt" (S. 11)
beitragen.
Erst viele Jahrzehnte nach Schinkels Erneuerungsprojekt wurde ein ernsthafter zweiter Versuch zur
radikalen Aufwertung der barocken Vorstädte gestartet. Vor allem drei Projekte sind
hervorzuheben: der Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße und die Kahlschlagsanierung der
Scheunengassen im Osten, die Anlage der Hackeschen Höfe im Süden sowie der Bau der
Friedrichstraßen-Passage im Westen. Gemeinsam war diesen Offensiven nicht nur das Ziel, die
alten, zentrumsnahen Stadtteile der Cityentwicklung zu erschließen, sondern auch der Zeitraum, in
dem sie eingeleitet wurden: die Jahre um 1907.
Die Stadt Berlin hatte bereits in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts mit dem Durchbruch der
Kaiser-Wilhelm-Straße in Alt-Berlin begonnen. Zur Fortsetzung dieser Maßnahme in Richtung
barocke Königstadt mußte zu Anfang der neunziger Jahre das Viktoria-Theater fallen, das damals
größte Theatergebäude Berlins. Der Durchbruch fand seinen Abschluß im 1906 eingeleiteten
Abbruch des Scheunenviertels und in der Anlage eines dreieckigen Platzes, der die Ausfallstraßen
nach Schönhausen und Prenzlau aufnehmen sollte.
Aus historischer Perspektive ist die Anlage dieser neuen Straße, der heutigen Rosa-LuxemburgStraße, ein harter, gewollter Bruch mit der Umgebung, ein Symbol gewalttätiger baulicher und
sozialer Modernisierung, ein Brückenkopf der erwünschten Cityerweiterung in Richtung Osten.
Doch die Erwartungen der kaiserzeitlichen Stadtplaner wurden enttäuscht: Die Neubauten der
Kaiser-Wilhelm-Straße blieben ein Fremdkörper im Gebiet, der dreieckige Platz selbst war über ein
Jahrzehnt weitgehend eine Kahlschlagbrache - lediglich ein U-Bahnhof (1911-13 nach Plänen von
Alfred Grenander) und das Theatergebäude der Volksbühne (1913-14 nach Plänen von Oskar
Kaufmann) setzten neue Akzente. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß sich 1910
Protagonisten der damaligen Berliner Städtebauausstellung wie Rudolf Eberstadt und Theodor
Goecke für eine "rationelle Ausnutzung des Scheunenviertels" und die weitere Entwicklung der
Sanierung in dieser "Verbrechergegend" mit ihren "engen, übelriechenden und übelbeleumundeten
Gassen" (Bauwelt 1/1910, S. 13f.) aussprachen.
Doch nach dem Ersten Weltkrieg stagnierte die Erneuerung des Stadtteils. Ein städtebaulicher
Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Gebietes im Jahre 1925 blieb ohne jede Folgen. Erst 192830 wurde die Randbebauung des Platzes nach Plänen von Hans Poelzig fertiggestellt. Das
Filmtheater Babylon war Bestandteil des neuen Nutzungskonzeptes. Die Hoffnung auf eine
Cityerweiterung war damals schon begraben, nicht aber die Hoffnung auf soziale Aufwertung.
Doch die Bestrebungen, durch Wohnungen für "Ärzte, Rechtsanwälte und Kaufleute, Angestellte
und Beamte" eine soziale Umwälzung des gesamten Gebietes einzuleiten, scheiterten. So blieb auch
eine im Jahre 1929 veröffentlichte Untersuchung des Statistischen Amtes der Stadt Berlin, die eine
weitere Sanierung der "jüdischen Schweiz" hinter dem Bülowplatz "in nächster Nähe des
Alexanderplatzes" nahelegte, ohne Folgen.
Ein weiterer bauliches Großprojekt wurde am Hackeschen Markt in Angriff genommen, dem
südlichen Verknüpfungspunkt der Vorstadt mit Alt-Berlin, der bereits mit der Fertigstellung der
Stadtbahn (Bahnhof Börse) zusätzliche Bedeutung erlangt hatte. Die Anlage der Hackeschen Höfe
in den Jahren 1905-07 nach Plänen von Johann Hoeninger und Gustav Reyscher sowie August
Endell muß als Brückenkopf einer aufwertungsorientierten Stadtteilerneuerung betrachtet werden.
118
Die auf 9.200 Quadratmetern äußerst dicht bebaute Anlage um acht Höfe zwischen Rosenthaler und
Sophienstraße wird durch einen Torweg erschlossen. Die Hackeschen Höfe waren von Anfang an
ein neues Modell gemischter Nutzung, ein Ort der Kultur, des Gewerbes und des gehobenen
Wohnens. Allerdings folgten dieser Offensive auf die Spandauer Vorstadt von Süden her keine
weiteren nach. (Vgl. Brüggemann 1993, S. 59ff.)
Wie am Hackeschen Markt war es auch am westlichen Rand der nördlichen barocken Vorstadt ein
privater Investor, der mit dem Bau eines Brückenkopfes der Cityerweiterung spekulierte. Die
Voraussetzungen schienen nicht ungünstig: Die Friedrichstraße war ja eine Hauptstraße des
Berliner Zentrums. Entgegen der ursprünglichen Idee, nur drei Grundstücke an der Friedrichstraße
zusammenzufassen und mit einem Geschäfts- und Fabrikationskomplex zu bebauen, entwarf der
Architekt Franz Ahrens 1907 unter Einbeziehung von vier zusätzlichen Grundstücken an der
Oranienburger Straße ein "Passage-Kaufhaus", das von der zeitgenössischen Architekturkritik
euphorisch gefeiert wurde: "Gleich den Bauten des Mittelalters, einfach in der Form und groß
gehalten in der Massenwirkung" (Zeitschrift für Bauwesen 1909, S. 18). Auf etwa 10.000
Quadratmetern Grundfläche entstand 1908-09 eine Kathedrale der Waren, deren (damals
weltgrößte) Stahlbetonrippenkuppel, Skulpturenschmuck und architektonischer Aufbau den
weltstädtischen Anspruch der kaiserlichen Metropole zur Schau stellte. Die "FriedrichstraßenPassage" sollte zugleich das verkehrliche Nadelöhr Oranienburger Tor entlasten und die nördliche
Friedrichstraße für Fußgänger über die Oranienburger Straße an den Hackeschen Markt im Westen
anschließen.
Obwohl scheinbar für die Ewigkeit gebaut, geriet der Monumentalbau schon bald in sehr weltliche
Turbulenzen: Die private Spekulation mißlang, und die Betreibergesellschaft stand vor dem
Konkurs. Ende der zwanziger Jahre mußte die Passage an einen neuen Eigentümer veräußert
werden. Der Elektrokonzern AEG, motiviert durch die Nähe seiner Hauptverwaltung und
Produktionsstätten, etablierte hier unter dem Titel "Haus der Technik" eine "Schau, die [...] über
den neuesten Stand der Technik aufklärt" (AEG-Mitteilungen 1929, S. 631), eine Informations- und
Produktschau im Geiste der damaligen Technikeuphorie. Die neue Nutzung des Gebäudes
verdeutlichte eine stadträumliche Verkehrung der ursprünglichen Absicht: Nicht mehr die südlich
gelegene City, sondern das nördlich gelegene, industriell geprägte Gebiet setzte seinen Einfluß auf
den Standort durch. In der nationalsozialistischen Zeit übernahm die Deutsche Arbeitsfront das
"Haus der Technik", wobei - im Zuge der allgemeinen Zentralisierung von NS-Dienststellen im
nördlichen Zentrum - auch die SS in dem ehemaligen Warenhaus ihren Sitz fand.
Das Interesse der Nationalsozialisten an diesem Stadtteil konzentrierte sich allerdings vor allem auf
eine Neuinterpretation des Bereichs um den Bülowplatz. Dieser Platz hatte schon in der Weimarer
Republik nationale Bedeutung gehabt: Dort war bei den Märzkämpfen 1919 eine Hochburg der
Spartakisten, dort befand sich seit 1926 das Karl-Liebknecht-Haus, das heißt das Gebäude des
Zentralkomitees der KPD und der Parteizeitung "Rote Fahne", dort inszenierte Erwin Piscator
1924-27 sein revolutionäres Theater, und dort vor allem lebten die Ostjuden. Nach 1933 sollten
diese Traditionen ausgelöscht werden. Der Bülowplatz wurde zu einem nationalsozialistischen
Kultplatz umgestaltet, zum "Horst-Wessel-Platz". Höhepunkt war dabei der Umbau des KarlLiebknecht-Hauses zum "Horst-Wessel-Haus". Nicht nur der Platz, sondern auch die Weydinger
Straße mußte ihren Namen änderen, sie wurde zur "Horst-Wessel-Straße". Das Theater der
Volksbühne mußte einer "Weihestätte deutscher Kunst" weichen und wurde 1939 nach Plänen von
Paul Baumgarten umgebaut. Zu beiden Seiten des Theatergebäudes wurde je ein "Ehrenhain" - mit
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einem "Horst-Wessel-Denkmal" und einem Denkmal für die hier "gemordeten Polizeioffiziere".
Hitler selbst bestimmmte am 29. März 1934 den Standort dieser "Denkmäler".
Die städtebauliche Neuinterpretation wurde durch die Kahlschlagsanierung eines jüdisch geprägten
Baublockes im Norden des Theatergebäudes nach Plänen von Richard Ermisch abgeschlossen.
Dieses erste große Stadterneuerungsprojekt der Nationalsozialisten war - wie das Protokoll einer
"internen Besprechung" zwischen Bezirksvertretern und Stadtbaurat Kühn (Stenographischer
Bericht ... 1934) zeigt - im Vorfeld umstritten. So fand es Bürgermeister Laach vom Bezirk Mitte
nicht ganz einsichtig, bei dem verhältnismäßig gut erhaltenen Block an der Linienstraße mit der
Stadterneuerung anzufangen, wo doch die Sanierung des Fischerkietzes - wie bereits vom CityAusschuß gefordert - sehr dringlich sei (S. 5f.). Dagegen verwies Stadtbaurat Kühn auf den
"Wunsch der hohen und höchsten Stellen" und auf die Unterstützung des Reichsfinanz- wie des
Reichsarbeitsministers. Erleichtert würde die Sanierung auch dadurch, "daß nur Herren und Damen
nichtarischen Geschlechts dort Besitzer sind und wohnen. Wir können also - wir kommen gleich auf
den Punkt - scharf vorgehen. Man wünscht, daß scharf vorgegangen wird." (S. 7) Hand in Hand mit
diesen Maßnahmen der Stadterneuerung verschärfte sich die Verfolgung der politischen Gegner und
Ostjuden in der "Jüdischen Schweiz", wie das weitere Scheunenviertel von den Nationalsozialisten
genannt wurde. Der nationalsozialistische Terror vernichtete die soziale und kulturelle Vielfalt des
Stadtteils.
4.4. Die stadträumliche Barriere im Süden der Vorstadt
Warum, so bleibt zu fragen, scheiterten die Versuche, die nördliche barocke Vorstadt für die
Cityentwicklung zu erschließen? Diese städtebauliche Besonderheit geht vor allem auf die
langgestreckte stadträumliche Barriere zwischen der aufblühenden City im Bereich der Dorotheenund Friedrichstadt und der Spandauer Vorstadt zurück. Diese Barriere war vielschichtig: Zuallererst
ist die Spree zu nennen, die allein natürlich noch kein unüberwindliches Hindernis bilden kann. Die
Spree verzögerte aber die bauliche Nutzung des Ufergeländes, da dieses häufigen
Überschwemmungen ausgesetzt war und daher bis heute einen hohen Grundwasserspiegel hat.
Zwischen der barocken Dorotheenstadt und der barocken Stadterweiterung im Norden erstreckte
sich also zunächst eine unbebaute Fläche. Dieses Gelände ("Neue Auslage") wurde seit 1780 von
großen öffentlichen Einrichtungen in Beschlag genommen, die keinen ausgesprochenen
Zentrumscharakter hatten: vor allem von Krankenhäusern, Kasernen, Gefängnissen. Diese
Nutzungen waren es, die später der Cityerweiterung nach Norden den Weg versperrten. Die
Struktur dieser Barriere wurde durch den der Stadtbahn in den Jahren 1875-82 nur noch weiter
verfestigt.
Die sperrigen stadträumlichen Verhältnisse wurden natürlich auch von den zeitgenössischen
Stadtplanern gesehen. Vor diesem Hintergrund muß etwa auch der Wettbewerb um ein Turmhaus
am Bahnhof Friedrichstraße betrachtet werden: Der Intention, eine Art Tor zur City zu markieren
(und damit auch das Ende der City nach Norden) ist die faktische Wirkung eines solchen Projekts
gegenüberzustellen: Das Turmhausprojekt kann durchaus als neuer Versuch gewertet werden, die
City endlich über den Bahnhof Friedrichstraße nach Norden hin auszudehnen.
Zur gleichen Zeit entwickelte Bruno Möhring seine Vorschläge zur Sprengung der stadträumlichen
Barriere, Vorschläge, die neben einem Bürohochhaus am Bahnhof Friedrichstraße eine ganze
120
Phalanx von Hochhäusern umfaßten - insbesondere auf der "Linse" zwischen Stadtbahntrasse und
Spree: "Gibt es nun in Berlin eine Stelle, an der man eine Anzahl Hochhäuser errichten könnte,
ohne erst sehr große Werte vernichten zu müssen? Die Gunst des Schicksals hat uns einen solchen
Stadtteil in allerbester Verkehrslage erhalten. Er bildet wirtschaftlich eine tote Insel, weitläufig
gebaut mit Gebäuden, die heute keine Berechtigung mehr haben, auf einem Boden zu stehen, der
für den Ausbau unserer Stadt von außerordentlichem Wert ist. Durch eine städtebauliche Operation,
die leicht durch die Genehmigung des Hochhausbaues durchgeführt werden kann, würde ein
Büroviertel ermöglicht werden, welches eine bedeutende Verbesserung und Verschönerung unserer
Stadt bilden würde." (1921, S. 8ff.) Die Neubebauung der "Linse" mit Hochhäusern sollte nur der
Auftakt zu weiteren Umbauten sein: "In späterer Zeit könnte auch die für Geschäftshäuser sehr
günstig gelegene Umgebung des Bahnhofs Börse [heute S-Bahnhof Hackescher Markt] durch
städtebauliche Umgestaltung verbessert werden. Auch der Teil südlich vom Bahnhof
Friedrichstraße würde sich für die Freigabe von Hochhäusern eignen." (S. 13) Doch die
ökonomischen Möglichkeiten der frühen Weimarer Republik erlaubten keine Anstrengungen
solcher Dimension.
In der nationalsozialistischen Zeit wurde ein neuer Versuch gestartet, die stadträumliche Barriere
umzuwälzen. In einer ersten Phase knüpfte die städtische Verwaltung an Planungen aus der
Weimarer Republik zur Erneuerung der Krankenhausbauten an der Ziegelstraße an (vgl. Kiessling
1931), die zugleich die Anlage eines Uferweges ermöglichen sollten. Im Rahmen seiner Tätigkeit
als Generalbauinspektor entwickelte dann Albert Speer - auf der Grundlage der Planungen zur
Verlagerung der Universitätskliniken - ein Konzept zur Erweiterung der Museumsinsel, das diese
durch neue, jeden Maßstab sprengende Museumsbauten an die weiter westlich zu errichtenden
neuen Partei- und Staatsbauten anschließen sollte. Entlang breiter Spreeuferpromenaden waren ein
Museum des 19. Jahrhunderts, ein Vorderasiatisches und Ägyptisches sowie ein Germanisches und
- südlich der Spree - ein Völkerkundemuseum nach Plänen von Wilhelm Kreis bzw. Hans
Dustmann vorgesehen. Zur Realisierung dieses Konzeptes wurden sechs Blöcke in ihrem gesamten
Baubestand für den Abbruch bestimmt, das Schloß Monbijou sollte zur Komplettierung einer
"Eosander-Werkschau" in den Schloßpark Charlottenburg versetzt werden. Das Speer-Projekt
wurde nicht verwirklicht. Die historische Barriere blieb bestehen - bis zur Spaltung der Stadt.
4.5. Stadtteilerneuerung in der DDR-Zeit
Da nach der Gründung der DDR der Aufbau eines "sozialistischen Stadtzentrums" zwischen
Alexanderplatz und Marx-Engels-Platz die stadtplanerischen Kapazitäten band, verblieb die im
Zweiten Weltkrieg verhältnismäßig wenig zerstörte Spandauer Vorstadt im Schatten der
Aufmerksamkeit.
Zwar wurde dieser Stadtteil durch seine Zentrumsnähe zwangsläufig in die Überlegungen zur
Neugestaltung der Mitte Berlins miteinbezogen. Dabei reichte das Spektrum der Überlegungen von
der vollständigen Auflösung der überkommenen Stadtteilstruktur bei gleichzeitiger Erhaltung
einiger Traditionsinseln wie etwa der teilzerstörten Friedrichstraßen-Passage und der Synagoge bis
zur Teilrespektierung des Stadtgrundrisses. Eindrucksvolles Beispiel für eine durchgreifende
Kahlschlagsanierung ist ein im Jahre 1951 vorgelegter Plan, dessen Realisierung die barocke
Vorstadt hinweggefegt hätte.
121
Tatsächlich blieb das Gebiet aber - trotz weiterer Planungen - im städtebaulichen Abseits. Erst in
den achtziger Jahren begann zögernd die punktuelle Erneuerung - durch Abriß und Neubau,
allerdings auf der Basis des überkommenen Stadtgrundrisses. "Die ursprüngliche städtebauliche
Struktur der Spandauer Vorstadt", so der Ost-Berliner Stadterneuerungfachmann Werner Rietdorf
1989, "hat sich trotz zahlreicher baulicher Veränderungen und Erneuerungen in der zweiten Hälfte
des 19. Jh. und Teilzerstörungen während des zweiten Weltkrieges weitgehend bis in die Gegenwart
erhalten. Dennoch war die historische Altbausubstanz Ende der siebziger Jahre teilweise stark
verschlissen, so daß Anfang der achtziger Jahre daran gegangen werden mußte, partielle
Lückenschließungen und Quartierergänzungen nach vorangegangenen Teilabrissen bzw.
Beräumungen von Interimsbauten vorzunehmen und so schrittweise das gesamte Wohn- bzw.
Wohnmischgebiet komplex umzugestalten und zu erneuern [...]. Mit den maßstabgerecht
eingefügten Neubauten wurden die ursprünglichen Baufluchten weitestgehend aufgenommen und
die gewachsene Raumstruktur wiederhergestellt." (S. 47)
Praktisch wurde die Stadterneuerung also erst im Vorfeld der 750-Jahr-Feier Berlins - mit Lichtund Schattenseiten. Die Sophienstraße, ein "unverwechselbares Kleinod frühbarocker
Stadtbaukunst" (Rietdorf 1989, S. 49), wurde seit 1980 zu einer historischen Bilderbuchstraße
herausgeputzt - wenn auch nicht ganz so nostalgisch wie die Husemannstraße am Prenzlauer Berg.
An anderen Stellen wurde die "Platte" plaziert - sicher in etwas zurückhaltender Form, aber
nichtsdestoweniger als harter, zerstörerischer Fremdkörper. Für den langsamen Vormarsch der
"Plattenbauten" mußten immer mehr alte Häuser fallen. Der historische Stadtteil, so schien es, hatte
im realen Spätsozialismus nur mehr als schrumpfendes Fragment eine Zukunft.
4.6. Aufwertungsdruck nach 1989
Seit der "Wende" ist die in der DDR-Zeit in weiten Bereichen sehr vernachlässigte Spandauer
Vorstadt zum Kultort der post-alternativen Szene aufgestiegen. Vor allem die Oranienburger Straße
wurde schnell zu einem Wallfahrtsziel von Jugendlichen aus ganz Deutschland, des Nachts aber
auch zu einer Bühne des Straßenstrichs. Der historische Stadtteil war und ist seit 1989 insbesondere
aber auch ein Standort wie Gegenstand zahlreicher kultureller und sozialer Initiativen. Damit hat er
an seine bunte Tradition rasch wieder Anschluß gefunden. Die größte und bekannteste Initiative
dieser Art ist das "Kunsthaus Tacheles", das sich in der Ruine der Friedrichstraßen-Passage
eingenistet und dessen geplante Sprengung im Jahre 1990 verhindert hat.
Die Spandauer Vorstadt ist aber zugleich wegen ihrer zentralen Lage einem harten Aufwertungsund Verdrängungsdruck ausgesetzt. Dieser Druck ist nicht nur ein Ergebnis privater
Investoreninteressen, sondern auch Folge des Hereindrängens etablierter Kultureinrichtungen in den
Stadtteil, eines Prozesses also, der mit der Einrichtung des "Tacheles" seinen Anfang nahm. Der
Druck der Investoren stößt hier allerdings auf größeren Widerstand als im übrigen Zentrum Berlins
- nicht nur seitens der lokalen Initiativen. Wenigstens auf dem Papier scheint innerhalb des Berliner
Senats und des Bezirks Mitte ein Konsens zu bestehen, die einzigartige Struktur der Spandauer
Vorstadt nicht nur in baulicher Hinsicht, sondern auch als Ort multikultureller Aktivitäten und
sozialer Durchmischung weiterzuentwickeln. Die Ausweisungen als Gebiet des Sonderprogramms
"Städtebaulicher Denkmalschutz" und als Sanierungsgebiet sowie der Erlaß einer
Erhaltungsverordnung, die den Abriß historischer Bausubstanz erschweren und die Verdrängung
bestehender Nutzungen verzögern können, unterstreichen diesen Konsens.
122
Bereits in den vorbereitenden Untersuchungen zur Spandauer Vorstadt wurde als zentrales "Ziel der
Neuordnung" die Erhaltung der "vorhandenen Gestalt" genannt (Arbeitsgruppe für Stadtplanung
1992, S. 43). "Die Spandauer Vorstadt ist das letzte, im Ganzen intakte, seit ihrer Gründung im
Kontinuum bebaute Siedlungsgebiet innerhalb der ehemaligen Akzisemauer. Sie ist ihrer
Baustruktur nach die 'Altstadt' Berlins. Sie genießt Denkmalsrang und sollte dementsprechend
Schutz erhalten." (Ebd.)
Schwerpunkte der städtebaulichen Denkmalpflege sind Gebäude in der Tucholskystraße und in der
Neuen Schönhauser Straße. Die Frage, wie mit dem historischen Stadtgrundriß umzugehen sei,
führte immer wieder zu Konflikten, etwa bei der Alternative "Rekonstruktion der Kleinen
Hamburger Straße" oder "Erhaltung und Qualifizierung des bestehenden Sportplatzes" und bei der
Wiederherstellung der historischen Raumkanten im Bereich der Rosenthaler Straße vom
Hackeschen Markt bis zum Rosenthaler Platz. So wurde angeregt, nicht einfach die Situation des
frühen 19. Jahrhunderts wiederherzustellen, sondern auch später entstandene Brachflächen und
Baulücken hinsichtlich einer anderen Nutzung sorgfältig zu prüfen.
Im August 1993 wurde die Spandauer Vorstadt als Sanierungsgebiet ausgewiesen. Die vom Büro
Mieterstadt im Mai 1993 vorgelegte Sozialstudie zeigt die Dimension der Erneuerungsaufgaben: Im
Untersuchungsbereich liegen 4.422 bewohnte Wohnungen, 70 Prozent der Wohngebäude wurden
vor 1870 errichtet und haben eine schlechte Ausstattung. Der Bedarf an baulicher Erneuerung ist
also gewaltig.
Schließlich bleibt ein weiterer Widerstandsfaktor struktureller Art zu nennen: die kleinteilige
Parzellen- und Baustruktur, die ein Eindringen von Großinvestoren zumindest erschwert. Allerdings
ist diese Kleinteiligkeit an einem historischen Brückenkopf der Kahlschlagsanierung nicht mehr
vorhanden: im Areal um die ehemalige Friedrichstraßen-Passage. Das hier durch die DDR-Abrisse
entstandene Riesengrundstück soll an einen einzigen Großinvestor verkauft werden, der aber
wenigstens das Tacheles erhalten soll. Die heftigen, jahrelangen Auseinandersetzungen um diesen
Verkauf sind inzwischen abgeschlossen. Das künftige, relativ differenzierte Nutzungskonzept des
neuen Eigentümers, des Kölner Investment-Fonds Fundus, ist nicht mehr so bedrohlich wie das
anderer Investoren, die an diesem Brückenkopf interessiert waren. Nunmehr soll nicht nur das
Tacheles langfristig erhalten werden, auch ein Wohnungsanteil von 50 % ist vorgesehen. Daher
scheint die Gefahr gebannt, daß die Spandauer Vorstadt - bei unangemessener Quantität und
Qualität der Nutzung - an ihrem Westrand aufgebrochen wird. Für die weitere Entwicklung in
diesem Bereich ist aber auch die Umsetzung der Ergebnisse des städtebaulichen Ideenwettbewerbs
"Bahnhofsbereich Friedrichstraße" von Bedeutung.
Nicht mehr so bedrohlich sind die Erneuerungsperspektiven der Hackeschen Höfe. Nach längerem
Ringen zeichnet sich eine Lösung ab, die die frühere kleinteilige Mischung auch in Zukunft
bewahren soll. "In den HACKESCHEN HÖFEN", so "Freiraum" Nr. 2/1995, eine Zeitschrift im
Auftrag der Kommanditgesellschaft Verwaltung Hackesche Höfe, Berlin GmbH und Co., "wird die
historisch und architektonisch angelegte Mischung von Geschäftssitzen und Dienstleistungsbüros
(ca. 28 % der Gesamtnutzfläche), Kultur (18 %) und Wohnen (38 %) zeitgemäß wiederbelebt. Sie
wird ergänzt um Gastronomie (5 %), Einzelhandel (5 %) und Kleingewerbe (6 %), hauptsächlich im
Erdgeschoß." (S. 2) Die Einrichtung eines Planungsbeirates unterstreicht die für ein Modellprojekt
offene Haltung des privaten Investors.
123
Auch im übrigen Sanierungsgebiet kann die Stadterneuerung angesichts der schwierigen
Rahmenbedingungen bislang als relativ behutsam bezeichnet werden. Das liegt zunächst an den
immer noch weithin ungeklärten Eigentumsverhältnissen. Das ist aber auch den Hauptakteuren
geschuldet, dem Bezirk Mitte und dem Sanierungsbeauftragten, dem Koordinationsbüro zur
Unterstützung der Stadterneuerung in Berlin, die nicht nur gebietsspezifische Sanierungsziele
erarbeitet haben, sondern diese im konkreten Tagesgeschäft auch durchzusetzen versuchen. So
sollen die vorhandenen Wohnungen erhalten werden, bei Neubauten wird eine - je nach Lage im
Gebiet - gestaffelte Wohnquote gefordert, die aber zumindest 30 Prozent betragen muß.
Auch die kleinteilige Parzellenstruktur soll mit Modifikationen erhalten bleiben, bei vorhandenen
Großparzellen wird in Einzelfällen eine Teilung angestrebt. Von besonderem Interesse ist die
Verfahrensweise bei zwei Großparzellen, die beide eine strategische Lage aufweisen.
Auf dem Grundstück zwischen Dircksenstraße, An der Spandauer Brücke und Rosenthaler Straße,
in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Hackeschen Höfen, will die Wohnungsbaugesellschaft
Berlin-Mitte mit privaten Partnern eine Anlage namens "Neue Hackesche Höfe" errichten. Geplant
ist auf einer Grundstücksfläche von etwa 6.000 Quadratmetern ein Raumprogramm für Gewerbe
(45 Prozent), Wohnen (49 Prozent) und Kultur (6 Prozent; Stand November 1994). Die Anlage soll
als Komplex von "Einzelhäusern" nach Entwürfen von vier Architekturbüros gebaut werden. Die
Geschoßflächenzahl beträgt knapp über 4,0.
Die zweite wichtige Großparzelle befindet sich ebenfalls an der Rosenthaler Straße, in
unmittelbarer Nähe des ehemaligen, von Alfred Messel errichteten Kaufhauses. Hier sind die
Vorbereitungen zur Wiederbebauung nicht ganz so vorbildhaft verlaufen. Nach dem gegenwärtigen
Stand ist durch eine private Entwicklungsgesellschaft eine zu dichte und zu hoch geratene
Neubebauung mit geringem Wohnanteil geplant, die sich zur Rosenthaler Straße hin als
gebietsfremde Großstruktur gebärdet.
In der Spandauer Vorstadt und westlichen Königstadt ist somit ein ganz anderer Typ des
Stadtumbaus eingeleitet worden als etwa in der Dorotheen- und Friedrichstadt: Kleinteiligkeit,
bauliche, funktionale und soziale Mischung, Bewahrung der historischen Bausubstanz - das sind
Elemente einer Erneuerungspolitik, die eine relativ starke öffentliche Hand, entsprechende
planungsrechtliche Instrumente und aufmerksame Initiativen vor Ort zur Voraussetzung haben.
Noch fehlen allerdings ein konkretisierter Rahmenplan und die erforderlichen planerischen
Maßnahmen zur Sicherung der Standorte für soziale Infrastruktur. Und auch hier stellt sich das
Schlüsselproblem des Kraftfahrzeugverkehrs: Bereits jetzt läßt sich absehen, daß zu viele neue
Stellplätze geplant werden, die mehr Verkehr anziehen werden, als das historische Straßennetz
aufnehmen kann.
4.7. Ausblick
Die Spandauer Vorstadt samt den Resten der Königstadt ist eine der barocken "Vorstädte" des alten
Berlin, im Gegensatz zur Dorotheen- und Friedrichstadt allerdings eine sozial und funktional
"einfache" Vorstadt. Statt eines regelmäßigen Rastergrundrisses mit einigen wohlgeformten Plätzen
zeigt die Spandauer Vorstadt noch heute das Bild eines unregelmäßigen, hierarchischen
Straßensystems ohne ausgezirkelte Plätze. Doch auch die Unregelmäßigkeit hat System: Das
Grundgerüst des Stadtteils wird durch die Ausfallstraßen des alten Berlin geprägt.
124
Entscheidend für die Zukunft der Vorstadt sind die Ausweisungen als Gebiet des "Städtebaulichen
Denkmalschutzes" und als Sanierungsgebiet. Mindestens ebenso wichtig sind die geplanten
Großinvestitionen am Rande des historischen Stadtteils. Es handelt sich um die gleichen Areale, die
bereits in der Vergangenheit - damals aber durchaus offiziell erwünscht - als Brückenköpfe der
Aufwertung des widerspenstigen Stadtteils angelegt wurden: der Bereich um das ehemalige
Passage-Kaufhaus, der Hackeschen Markt und vor allem der Bereich hinter dem Alexanderplatz.
Vom Megaprojekt Alexanderplatz selbst geht die größte Gefahr für die jetzigen Bewohner und
Nutzer aus.
Der Blick in die Geschichte zeigt auch, daß die Zukunft der nördlichen barocken Stadterweiterung
ganz entscheidend mit der weiteren Entwicklung der stadträumlichen Barriere entlang der Spree
zusammenhängt. Wird diese Barriere durch Citynutzungen weiter durchlöchert, ist der Stadtteil dem
Vormarsch der City schutzlos ausgeliefert. Doch scheint die für die besondere Struktur des Berliner
Zentrums verantwortliche Barriere zwischen Dorotheenstadt und Spandauer Vorstadt bis heute noch
kaum angemessen erkannt worden zu sein.
Insgesamt verlang die Spandauer Vorstadt weit mehr Aufmerksamkeit als bisher, handelt es sich
hierbei doch um das letzte zusammenhängende Reststück des historischen Zentrums, also um einen
nicht-herrschaftlichen Ort, der für die Identität Berlins von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.
Dieser Ort ist genausowenig ohne Makel wie die deutsche Geschichte selbst, er zeigt wie kein
anderer Teil Berlins die Wunden und Narben einer mehr als hundertjährigen Stadterneuerung.
125
5. Versuch um Versuch: Zentrumserweiterung West
Seit sich in der Kaiserzeit ein modernes Zentrum mit West-Ost-Gefälle konsolidiert hatte, gab es
auch planerische Anstrengungen, dieses zu erweitern. Bereits erwähnt wurden die Sanierung des
Scheunenviertels und die Errichtung des Passage-Kaufhauses am Oranienburger Tor, die als
öffentliche bzw. private Strategie zur Ausdehnung des Zentrums nach Norden bzw. Nordosten
interpretiert werden können. Bescheidenere Versuche galten auch - insbesondere in der Weimarer
Republik - einer Süderweiterung - in Fortsetzung des Belle-Alliance-Platzes jenseits des
Landwehrkanals.
Bei weitem gewaltiger waren die Bemühungen zur Zentrumserweiterung West, zur Ausdehnung der
City über die Grenzen der Dorotheen- und Friedrichstadt sowie der erst seit 1830 entwickelten
Friedrich-Wilhelm-Stadt hinaus. Zwei Orte waren hier wichtig. Zuallererst ist der Endpunkt einer
der Hauptstraßen der Friedrichstadt zu nennen - der Leipziger Platz, an den sich der Potsdamer
Platz als Zwilling anschloß, der Vorplatz eines bedeutenden Fernbahnhofs und damit
Transmissionsriemen des Massenverkehrs. Hier lag der "natürliche" Ansatzpunkt für eine
Ausdehnung des historischen Zentrums. Als zweiter Schlüsselort fungierte weiter nördlich der
Königsplatz, dessen Lage aber deutlich isolierter war. Im Zuge der Überlegungen zum
zentrumsstiftenden Ausbau des Spreebogens rückte ein drittes, anschließendes Gelände ins Visier
der Planer: das Gebiet um den Lehrter Fernbahnhof. Allerdings war dieses Gelände doppelt
abgeschottet: zum Spreebogen hin durch den Flußlauf und zur City hin durch die Barriere der
Charité, die nur wenige Verbindungen zuließ. Anders als der Leipziger Platz wurde der Pariser
Platz nicht ernsthaft zum Ausgangspunkt einer Zentrumserweiterung auserkoren, wenngleich es
auch hier nicht an Versuchen gemangelt hat. Der durch das Brandenburger Tor vermittelte
Übergang zwischen der Prachtstraße Unter den Linden und dem Tiergarten schien letzten Endes
sakrosankt oder - profaner gesprochen - weniger attraktiv, da die Brückenfunktion zu bereits
bebautem Gebiet fehlte.
Die in der Kaiserzeit begründeten Bemühungen zur Zentrumserweiterung West wurden über alle
politischen Brüche hinweg bis heute fortgesetzt. Sie sind zu unterscheiden in isolierte
Einzelplanungen für Brückenkopfprojekte (vor allem am Potsdamer Platz) und systematische,
großräumige Planungskonzepte, die die einzelnen Teilräume vom Lehrter Bahnhof bis zum
Potsdamer Bahnhof und noch darüber hinaus vernetzen wollten. Die systematischen Konzepte
teilen sich noch in solche, die wesentlich auf eine Rationalisierung des Eisenbahnverkehrs setzen,
und solche, die eine städtebauliche Komposition neuer Zentralbauten anstreben. Die großräumigen,
durch einen ungeheuren Ordnungsanspruch gekennzeichneten Entwürfe sind unter dem Begriff
"Nord-Süd-Achse" berühmt geworden.
Bislang sind alle Projekte zur Zentrumserweiterung West letztlich gescheitert. Übrig blieben
lediglich Einzelanlagen ohne erkennbaren Bezug zueinander. Doch die heutigen Planer nehmen
einen abermaligen Anlauf - trotz aller bekannten strukturellen Fußangeln.
5.1. Erste Konturen bis zum Ersten Weltkrieg
Die Planungsgeschichte des Zentrumserweiterungsgebietes West in spe begann vor der Mitte des
19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit eröffnete sich mit der Verlagerung der Königlichen Pulverfabrik
126
nach Spandau die Möglichkeit der städtebaulichen Neustrukturierung des peripher gelegenen
Spreebogens nordwestlich des Brandenburger Tores.
Im Jahre 1839 präsentierte Peter Joseph Lenné einen ersten Bebauungsplanentwurf zur Gestaltung
des Geländes und seines Umfeldes, der im wesentlichen zwischen Charlottenburger Chaussee und
Invalidenstraße eine nord-süd-verlaufende Hauptachse - unterbrochen von der Spree - auswies, an
deren nördlichem Endpunkt ein Kirchenbau vorgesehen war. Annähernd symmetrisch zu dieser
Achse sah der Plan eine Anzahl schräg ausgerichteter Straßenzüge vor. 1840 erarbeitete Lenné
einen zweiten Entwurf, der sich vom ersten im Umfeld des Spreebogens vor allem durch einen
Brückenschlag über den Fluß im Bereich der Hauptallee und die Südverschiebung des Standortes
für den Kirchenbau an das Spreeufer unterschied.
In Kenntnis dieser Entwürfe stellte Karl Friedrich Schinkel im selben Jahr einen Alternativentwurf
vor, der Grundzüge der Lennéschen Planungen aufnahm. Auch in Schinkels Entwurf sind die in
Nord-Süd-Richtung geführte Hauptachse und das Gegenüber von Kirchenbau und Paradeplatz als
Symbole für die zentralen gesellschaftlichen Institutionen des preußischen Staates dominierende
Gestaltungselemente. Weiter zeigt sich das allgemeine Bemühen Schinkels, quer zu der barock
geprägten städtischen Hauptachse Unter den Linden - Charlottenburger Chaussee neue Achsen
auszubilden.
Nach Schinkels Tod 1841 präsentierte Lenné 1843 zwei weitere Planungsvarianten, wobei die letzte
vom Oktober 1843 zur Ausführung bestimmt wurde. Nach Intervention verschiedener Ministerien
modifizierte Lenné Ort und Gestalt der Einmündung des im Rahmen des Bebauungsplans ebenfalls
auszuweisenden Spandauer Schiffahrts-Kanals in die Spree entscheidend. Statt östlich oder westlich
des Spreebogens, wie zunächst vorgesehen, wurde die neue Mündung in der Achse der von Norden
nach Süden verlaufenden Hauptallee festgelegt. Im Zusammenspiel mit dem ebenfalls nach einer
Planung Lennés plazierten Hamburger Bahnhof entstand so eine stadträumliche Barriere nördlich
des Spreebogens in Form eines ständig wachsenden Verkehrs- und Umschlagzentrums. Mit dieser
Entwicklung war das Vorhaben einer vernetzenden Westerweiterung der historischen Stadt faktisch
gescheitert.
Obwohl der Bebauungsplan in seiner letzten Fassung erst 1853 vom preußischen König genehmigt
wurde, entwickelte sich im Spreebogen seit 1840 eine rege Bautätigkeit. Anläßlich der 1856
durchgeführten Schinkelkonkurrenz des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Berlin legte August
Orth einen Entwurf vor, der noch einmal eine strukturelle Nordeinbindung des Spreebogenareals
einzulösen versuchte und einen Kirchenbau mitten in den projektierten Hafen hinein plazierte. Mit
der Fertigstellung des Humboldthafens und des Spandauer Schiffahrtskanals 1859 wurden
allerdings Fakten geschaffen. Einzig die nach einem Entwurf von Friedrich Stüler 1858-65 gebaute
Alsenbrücke knüpfte noch einmal an die gescheiterte Idee einer Nordanbindung an.
Mit der Errichtung des Generalstabsgebäudes 1867-71 samt Ergänzungsbauten (1873-82) auf einem
Grundstück an der Nordwestseite des Königsplatzes wurde eine Aufwertungsphase des
Spreebogens eingeleitet. Unter Vorgabe einer Fläche an der Ostseite des Platzes erfolgte 1871 nach
der Reichsgründung die Ausschreibung eines ersten Wettbewerbs für das Gebäude des Reichstags.
Die vorgeschlagene Einbeziehung eines Kunsthistorikers in die Jury wurde mit dem Argument
zurückgewiesen, daß Wissen und Können zwei verschiedene Dinge seien und daß das Studium der
127
Vergangenheit den Blick auf die Gegenwart trübe (Verhandlungen des Deutschen Reichstags,
24.11.1871, S. 503). Die Könner blieben so unter sich.
1872 prämiierte die Jury in einem vielbeachteten Verfahren den Entwurf von Professor Bohnstedt
mit einem ersten Preis. Bald darauf entbrannte jedoch eine jahrelange Auseinandersetzung über
Lage und Größe des Bauplatzes für den Reichstag, die die Realisierung des Preisträgerentwurfes
blockierte. Standorte am Kupfergraben auf dem Gelände der damaligen Artilleriekaserne, wo sich
nach zeitgenössischer Auffassung zusätzlich ein schöner Park hätte anlegen lassen, an der heutigen
Stresemannstraße und auf anderen Grundstücken des Königsplatzes wurden ins Spiel gebracht. Der
Standort auf dem Grundstück der Krolloper, der dem Reichstag die Möglichkeit gegeben hätte, der
Stadt seine Schauseite zuzuwenden, wurde von einer Abgeordneten-Lobby heftigst bekämpft, da
der lange Fußweg durch den märkischen Sand über die Stadtgrenzen hinaus nicht zuzumuten wäre.
Stadtbaurat Hermann Blankenstein schlug nach einer sorgfältigen städtebaulichen Abwägung eine
Fläche im Norden des Alsenplatzes vor; dieser Vorschlag wurde aber ebenfalls zurückgewiesen.
Der Auftakt zu einer der neuen Reichshauptstadt angemessenen, einvernehmlichen Verortung des
Staates in der Stadt war so gründlich verpatzt. Damit war eine Tradition des Widerspruchs zwischen
staatlichen Eigeninteressen und den städtischen, planerisch motivierten Interessen begründet.
Nachdem die strittige Frage des Bauplatzes für das Reichstagsgebäude zugunsten des Standortes an
der Ostseite des Königsplatzes entschieden worden war, erfolgte 1882 die Ausschreibung eines
zweiten Wettbewerbes. Einen ersten Preis in diesem Verfahren erhielt Paul Wallot zugesprochen,
einen weiteren der Architekt Friedrich von Thiersch. Der Entwurf von Wallot wurde von der Jury
fast einstimmig zur Ausführung bestimmt. 1882-91 erstellte Wallot mehrere Varianten, die
besonders hinsichtlich der Fassaden, der Form und Dimension der Kuppel sowie des Grundrisses
des Hauptgeschosses divergierten. Der Wettbewerbsentwurf war noch ganz nach Osten, der Stadt
zugewandt, ein Reflex auf die lange von Lobbyisten gelenkte Diskussion im Vorfeld des
Wettbewerbes. An der Ostseite hatte Wallot das Hauptportal ausgebildet, hier lag der große
Sitzungssaal, und hier war auch die Kuppel plaziert. Erst nach mehreren Überarbeitungsstufen
wandte sich das Gebäude zögerlich nach Westen zum Königsplatz hin: Das dortige Portal erhielt die
kolossale Auffahrt, die eine Westorientierung des Grundrisses blockierende aufwendige
Treppenanlage im Inneren des Gebäudes wurde entfernt, Kuppel und großer Sitzungssaal rückten in
den Mittelpunkt der Anlage. Die sich stadträumlich anbietende Ausrichtung auf den Königsplatz
war endlich akzeptiert worden. Einen Bezug zum Fluß hatte der Monumentalbau damit aber nicht
gefunden. 1884 wurde mit dem Bau des Reichstagsgebäudes begonnen, 1894 erfolgte die feierliche
Schlußsteinlegung durch Kaiser Wilhelm II.
Bereits Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde die damals schon Siegesallee
bezeichnete Straße bis zum Kemperplatz verlängert. Der Gedanke einer zentralen Nord-Süd-Achse
gewann damit immer mehr an Bedeutung. 1898-1901 erfolgte die "Aufwertung" des Straßenzuges
durch die Aufstellung von 32 im Volksmund spöttisch "Puppen" genannten Denkmalgruppen, die
Szenen aus der Geschichte von vier Geschlechtern darstellen sollten: den Askaniern, den
Wittelsbachern, den Luxemburgern und den Hohenzollern.
Im Jahre 1908 wurde der städtebauliche Wettbewerb "Groß-Berlin" zur Neuorganisation der
gesamten, vor allem aber der inneren Stadt ausgeschrieben. Damit rückte das Thema der
Westerweiterung des Zentrums ins Blickfeld der sich neu formierenden Disziplin "Städtebau". Die
1910 prämiierten Entwürfe sahen in ihrer Mehrzahl eine Neufassung des Königsplatzes vor, wobei
128
die Bebauung in Reichstagsnähe entweder verschämt durch Kolonnaden oder ähnliches verstellt
wurde oder eine Neubebauung der Grundstücke vorgesehen war. Im Südbereich konzentrierten sich
die Planungen auf eine Vermehrung der ost-west-gerichteten Hauptstraßenzüge. Zu diesem Zweck
sollten die Bahnanlagen zumindest des Potsdamer Personenbahnhofs beseitigt, die als Barriere
empfundenen Ministergärten überwunden und neue Straßenzüge durchgebrochen werden. Die dabei
angestrebte Rationalisierung des Schienenfernverkehrs spitzte einen für die Struktur des Zentrums
entscheidenden Konflikt zu, der bis heute andauert: die Orientierung entweder auf ein
zentralistisches oder ein dezentrales System der Kopfbahnhöfe im Umkreis des Zentrums. Die
Vorschläge der Preisträger des Wettbewerbs "Groß-Berlin" zielten mehrheitlich auf eine
Zusammenlegung der Bahnhöfe.
Zur Frage der Neuordnung im südlichen Bereich waren vor allem die städtebaulich-imperialen
Vorschläge von Rudolf Eberstadt/Bruno Möhring/Richard Petersen von Interesse. Die Verfasser
eines "Programms für die Planung der neuzeitlichen Großstadt" (1910) planten eine Verlängerung
der Französischen Straße über die Wilhelmstraße hinaus, also einen Durchbruch durch das
Regierungsviertel, dem nicht nur das Justizministerium zum Opfer gefallen wäre. Der
Zusammenstoß der verlängerten Französischen Straße mit der Königgrätzer Straße - so die
Verfasser - "bietet vortreffliche Gelegenheit zur Schaffung eines eindrucksvollen monumentalen
Platzes. Einmal, um dem sich hier kreuzenden Verkehr die nötige Ausweichmöglichkeit zu geben,
dann aber auch, um schöne und würdige Bauplätze für die von ihrer seitherigen Stelle verdrängten
Behörden, das Reichsamt des Innern und das Justizministerium zu schaffen." (S. 55) Gekrönt wurde
der Monumentalplatz durch ein gewaltiges "Neues Opernhaus". Ein weiterer Vorschlag betraf den
Königsplatz. Hier schlugen die Verfasser einen Neubau des Kriegsministeriums auf dem
Grundstück des alten Krollschen Theaters vor - "in würdiger und passender Nachbarschaft des
Generalstabsgebäudes, dem Reichstage gegenüber" (Eberstadt u. a. 1910, S. 60). Im Norden sollte
der Platz durch ein weiteres "Monumentalgebäude" für das Reichsamt der Marine geschlossen
werden. Östlich des Reichsmarineamtes vervollständigte das Reichskolonialamt die neugestalteten
Platzfronten. Damit sollte "um die Siegessäule herum ein Forum des Reiches" entstehen, "ein
gewaltiges Baudenkmal für die Wehrhaftigkeit des Reiches, die von den militärischen Gebäuden,
und seine politische Macht, die von Wallots Reichstagshaus verkörpert wird. Dieser Platz würde
erst den richtigen Abschluß und die Krönung der Siegesallee bilden: ist diese als eine bildliche
Darstellung der brandenburgisch-preußischen Geschichte zu betrachten, so spiegelt sich in ihm ihre
Fortsetzung und vorläufiges Endziel, die Gründung des Deutschen Reiches und sein Anwachsen zur
Weltmacht." (Ebd.)
Entscheidenden Einfluß auf künftige Planungen sollte der seit 1908 erarbeitete und 1917/18
vorgestellte Bebauungsplanentwurf von Martin Mächler erhalten. Mächler wollte den Straßenzug
Alsenstraße - Siegesallee durch einen Süddurchbruch aufwerten und im Nordbereich unter
Verlegung des Spandauer Schiffahrts-Kanals über die Spree bis an einen an der Invalidenstraße
plazierten Nordbahnhof, den "Friedrich-List-Bahnhof", heranführen. Zugleich plädierte er für die
Konzentration der staatlich-ministeriellen Bürokratie an Kemperplatz, Königsplatz und im
Spreebogen. In seiner Entwurfsbeschreibung rechtfertigte er diesen Ansatz mit folgenden Worten:
"Im Laufe der Entwicklung Berlins sind die öffentlichen Gebäude, vor allem diejenigen, die zur
Verwaltung und Repräsentation des Staates bestimmt sind, planlos verteilt worden. Die Ursache lag
darin, daß teilweise historische und politische Erwägungen, größtenteils aber finanzspekulative
Gründe für die Unterbringung und Errichtung dieser Gebäude maßgebend waren. Fast nie war der
Gedanke ausschlaggebend, daß die Geschäftsstelle des Staates in allen ihren Teilen zentral und
129
einheitlich gruppiert sein muß. So ist es beispielsweise gekommen, daß das Reichsmarineamt am
Landwehrkanal liegt, weit ab von allen anderen Behörden, während die Reichsbank mitten im
Konfektionsviertel gelegen ist. Das Wehrministerium, Postministerium, Ministerium für öffentliche
Arbeiten und das Herrenhaus befinden sich in der Leipziger Straße und hindern die Entwicklung der
besten Geschäftsgegend der Stadt. Das Reichswirtschaftsamt ist in der Luisenstraße untergebracht,
das Reichsgesundheitsamt in der Klopstockstraße. Viele Behörden liegen inmitten reiner
Wohnviertel." (Mächler 1920 in Balg 1986, S. 47)
Ziel der Zentrumserweiterung in Richtung Westen war während der späten Kaiserzeit also vor
allem die Rationalisierung des innerstädtischen Eisenbahnverkehrs und die Zentralisierung der
Regierungsfunktionen.
5.2. Planerische Offensiven in der Weimarer Republik
Mit der militärischen Niederlage, dem Ende der Monarchie und dem damit verbundenen
Bedeutungsverlust des alten, höfisch geprägten politischen Zentrums um das Berliner Stadtschloß
gewann das Viertel um den Reichstag an stadtstrukturellem Gewicht. Der Spreebogen wurde zum
begehrten Objekt der Zentrumsplanung. Doch auch hier blieben die Jahre der Weimarer Republik
eine Zeit der Planungseuphorie ohne bauliche Konsequenzen.
Strukturell bedeutsam waren die Planungen zur Verbesserung der verkehrlichen Organisation und
zur Vernetzung des überkommenen Stadtgrundrisses, dessen Entwicklungsmöglichkeiten als
begrenzt eingeschätzt wurden. Beispiele hierfür sind die Umgestaltungsvorschläge von Roman
Heiligenthal für den Bereich des Potsdamer Platzes von 1924-26 und die Durchbruchsvarianten von
Ernst Giese, die 1925 vorgestellt wurden. Teilweise griff Giese ältere Ideen auf, so beim
Durchbruch der Französischen Straße durch die Ministergärten. Weitere - nicht realisierte Durchbruchsvarianten wurden in der Folgezeit von prominenten Büros, etwa von Behrens, Poelzig,
Tessenow und Scharoun erarbeitet (vgl. Große Berliner Kunstausstellung 1927, S. 105).
Zu einem planerischen Schwerpunkt entwickelte sich das Alsenviertel im Spreebogen.
Unmittelbarer Anlaß war die Auslobung eines Wettbewerbs für einen Reichstagserweiterungsbau
im Jahre 1927, da im Reichstagsgebäude das Fehlen ausreichender Arbeitsräume für die
Abgeordneten seit der Entstehungszeit ein Dauerproblem darstellte. Der erste Wettbewerb
scheiterte an den eng gefaßten Vorgaben der Ausschreibung. Die Teilnehmer waren aufgefordert
worden, auf dem Areal der beiden Blöcke zwischen Reichstag, Spree und Roonstraße (heute nicht
mehr vorhanden) einen mit zwei Brückenbauwerken anzuschließenden Erweiterungsbau zu
entwerfen, der hinsichtlich seiner Baumasse und Fassaden einen Bezug zum Reichstagsaltbau
erkennen lassen sollte. Bei dem schwierigen Zuschnitt des spitzwinkligen Grundstücks war das eine
nur schwer zu lösende Aufgabe. Ein wichtiges Ergebnis dieses Wettbewerbes war denn auch die
Erkenntnis, daß die architektonische Aufgabe nur in einem neuen städtebaulichen Rahmen zu lösen
sei.
Noch im Jahre 1927 wurden auf der Großen Berliner Kunstausstellung innerhalb der
"Sonderausstellung Architektur", die von der Architektenvereinigung "Der Ring" organisiert
worden war, Durchbruchsvarianten für die Ministergärten und Bebauungsstudien für ein
Republikanisches Forum zwischen Reichstag und Schloß Bellevue gezeigt. Als Ruf nach einer
Gesamtplanung der Westerweiterung des Zentrums ist die Tatsache zu werten, daß neben diesen
130
thematisch durchaus aufeinander bezogenen Bemühungen der Plan Mächlers für diesen Bereich
sowie die Pläne Haussmanns zur radikalen Neuorganisation des Pariser Stadtgrundrisses im
Ausstellungskatalog als "kühn und groß" (Große Berliner Kunstausstellung 1927, S. 106) gelobt
wurden. Auch der historische Plan Schinkels zur Neugestaltung des Areals von 1840 wurde gezeigt.
Daneben präsentierte Hilberseimer seinen Entwurf für einen am Humboldthafen plazierten
Kreuzungsbahnhof "Friedrich List" und eine Bebauungsstudie für das gesamte Quartier nördlich der
Spree.
Vor diesem Hintergrund wurde 1929 der zweite, engere Wettbewerb für die Erweiterung des
Reichstages und die Gestaltung des Platzes der Republik ausgeschrieben. Der prämiierte Entwurf
von Emil Fahrenkamp sah eine Bebauung des Alsenplatzes und, wie auch die meisten Entwürfe der
übrigen Teilnehmer, eine Niederlegung der Bebauung im gesamten Spreebogenareal vor. Der mit
dem zweiten Preis ausgezeichnete Entwurf von Holzbauer und Stamm entwickelte die Vorstellung
einer großzügigen Ost-West-Achse, die nach dem Abriß der Krolloper und der Siegessäule vom
Reichstag bis zum Schloß Bellevue reichen sollte.
Im selben Jahr legte Hugo Häring schließlich den vielleicht weitestgehenden Vorschlag zur
Schaffung eines Republikanischen Forums in einer nochmaligen Überarbeitung vor: Im Zentrum
des Forums stand eine riesige Tribüne am Platz der Republik, die im Norden und Westen von einer
ganzen Phalanx von Hochhausscheiben begleitet wurde. Der alte wilhelminische Reichstag wäre so
in den Schatten eines republikanischen Hochhaus- und Tribünenensembles geraten. Hugo Häring
bezog sich in seinem Kommentar zu diesem Entwurf ausdrücklich auf Martin Mächler. Er beschwor
als Bauherrn einer neuen Gesellschaft das "souveräne Volk" und betonte die Notwendigkeit, eine
solche Bauanlage "auf den Boden einer höheren Idealität zu erheben" (1929, S. 72). Bisher nämlich,
so Häring, habe der Aufbau einer neuen Gesellschaft keinen städtebaulichen Niederschlag
gefunden: "Wie äußert sich dieser neue Staatswillen städtebaulich? Bis jetzt äußert er sich
überhaupt noch nicht." (Ebd.)
Ein weiterer Schwerpunkt der Entwurfstätigkeit waren die zahlreichen Hochhaus- und TurmhausEntwürfe, die für das zentrumsnahe Gebiet zwischen Spree und Landwehrkanal vorgelegt wurden.
Zwar hatten bereits im Rahmen des Wettbewerbes "Groß-Berlin" einige Architekten kleinere
Hochhäuser vorgeschlagen, einen planerischen Hochhausboom erlebte Berlin aber erst in den
zwanziger Jahren. Vor allem die städtebaulich motivierte Idee eines Hochhauses jenseits des
Potsdamer Platzes in der Achse der Leipziger Straße - schon 1910 von Havestadt & Contag für den
Potsdamer Platz selbst in die Diskussion gebracht - wurde in verschiedensten Varianten präsentiert.
Protagonisten der Hochhauseuphorie in der Weimarer Republik waren in erster Linie Otto Kohtz
und Bruno Möhring. Bruno Möhring, ein ausgesprochener Gegner der "flachen Stadt", untersuchte
zunächst im Auftrag der Akademie des Bauwesens die Möglichkeit des Baus von Hochhäusern im
Zentrum. Er sprach sich unter anderem für Hochhäuser am Askanischen Platz (1920) und am
Lehrter Bahnhof (1920) aus. Otto Kohtz, Mitinitiator des 1920 gegründeten "Bundes der
Hochhausfreunde", entwarf ebenfalls zahlreiche Großbauten, die die kaiserzeitliche Traufhöhe
überwinden sollten, so etwa ein Reichshaus am Königsplatz (1920), ein Hochhaus am Blücherplatz
(1921) und ein Hochhaus westlich des Potsdamer Platzes (1921). Der von der Figur des Hochhauses
faszinierte Architekt überarbeitete seinen Reichshaus-Vorschlag mehrfach und stellte 1929 einen
städtebaulichen Entwurf vor, der im Spreebogen einen Hochhausbau als "Point de vue" einer etwa
zwei Kilometer langen Nord-Süd-Achse vorsah, die der strukturellen Einbindung des
131
Regierungsviertels dienlich sein sollte. Auf dem Alsenplatz selbst plante er ein Ehrenmal für die
Toten des Ersten Weltkriegs. Kernstück blieb jedoch das "Hochhaus für die Reichsbehörden".
Von den zahlreichen Hochhausplanungen der Weimarer Republik wurden nur das nach Ansicht
Martin Wagners falsch plazierte "Europahaus" am Askanischen Platz (1930, S. 17) und das
"Columbus-Haus" Erich Mendelsohns am Potsdamer Platz realisiert.
Im Jahre 1930 stellte das Amt für Stadtplanung unter der Federführung Martin Wagners
grundlegende Überlegungen zur Neustrukturierung des Eisenbahnverkehrs im Zentrumsbereich vor.
Mit überraschender Nüchternheit betrachtete Wagner dieses Problem, das jedem Architekten Anlaß
zu weitreichenden Gestaltungsphantasien geben mußte, primär als verkehrliche und erst sekundär
als städtebauliche Aufgabe. Vorgeschlagen wurde eine Konzentration des Eisenbahnbetriebs auf
zwei Personenbahnhöfe, die als zweigeschossige Verkehrsbauten auf den erweiterten Standorten
des damaligen Anhalter Bahnhofs und des Lehrter Bahnhofs errichtet und durch einen im Zuge der
Königgrätzer Straße (heutige Stresemannstraße), Bellevuestraße und mit Verschwenkung nach
Nordosten im Bereich des Kleinen Sterns zu erstellenden Fernbahntunnel verbunden werden
sollten. Mit dieser auf den ersten Blick unverständlich aufwendigen Trassenführung sollte zwei
potentiellen Einwänden begegnet werden. Zum einen ermöglichte die Verschwenkung die
Höhendifferenz innerhalb der zweigeschossigen Anlage des Lehrter Bahnhofs zu minimieren,
wenngleich für dieses Ziel am Südbahnhof immerhin Teile des Landwehrkanals hätten aufgegeben
werden müssen. Zum anderen glaubte Wagner, auf diese Weise auch Bedenken hinsichtlich
möglicher Vegetationsschäden im Bereich des Tiergartens zerstreuen zu können.
Über den Wert des durch die Zurückverlegung oder teilweise Aufgabe der Bahnhöfe zu
gewinnenden Baulandes machte sich Wagner keine Illusionen. Er sah in den neugeschaffenen
Flächen stadträumliche Entwicklungspotentiale, die aber wahrscheinlich erst langfristig mit Gewinn
hätten bebaut werden können. So beklagte er für das Berliner Zentrum eher einen "Mangel an
Bauherren als einen Mangel an Bauland". Gleichzeitig fürchtete Wagner, daß bei einer weiten
Zurückverlegung der Bahnhöfe aus dem Zentrumsbereich die komplexe Balance des
"Citybaukörpers" erschüttert und die in Angriff genommene "rationelle Erneuerung" des alten
Zentrumsbereichs irreparabel gestört werden könnte. "Die Geschäftsreisenden, die in Berlin
Aufenthalt nehmen, wollen in nächster Nähe der City wohnen und arbeiten und wollen keine weiten
Wege von dem Hotel bis zum Bahnhof zurücklegen. Die Zurückverlegung des Anhalter Bahnhofs
würde einen operativen Eingriff in den gesamtem Wirtschaftskörper der City bedeuten, der mit
Krampf und Verlust an Lebenskraft für die City verbunden wäre." (Wagner 1930, S. 8) Und weiter:
"Die City leidet fernerhin an einem Mangel an baulicher Erneuerung [...]. Soll man diese Stagnation
in der baulichen Erneuerung der City noch dadurch zusätzlich vergrößern, daß man
Hunderttausende von Quadratmetern freiwerdenden Bahngeländes der Bebauung zuführt und die
City damit künstlich vergrößert? Die Berliner City verfügt noch über 250.000 qm völlig desolaten
Baubodens, der dringendst einer neuen Bebauung zugeführt werden sollte, wenn die City unter
diesen 'Scheunenvierteln' nicht leiden soll." (Ebd.)
Obwohl Wagner den Begriff des Zentralbahnhofs mit Zurückhaltung verwendete, traf für ihn diese
Bezeichnung am ehesten noch auf den Lehrter Bahnhof zu, der sich durch seine Nähe zum neu zu
erbauenden "Regierungsforum" und größere Entwicklungspotentiale auszeichnen würde. "Daß an
dieser Stelle, wo das Reichsparlament steht und wo ein zukünftiges Regierungsforum erbaut werden
kann (und erbaut werden müßte), auch ideologisch gesehen der richtige Platz für den
132
'Zentralbahnhof' der Reichshauptstadt ist, braucht nicht besonders erwähnt zu werden". (Wagner
1930, S. 11) Die Anlage eines Zentralbahnhofs konnte und sollte aber nicht isoliert betrachtet
werden. "Der Bau des Zentralbahnhofs am Lehrter Bahnhof rollt nicht nur die architektonische
Gestaltung dieses Bahnhofs, sondern auch die ganze Gestaltung des Humboldthafens, der großen
monumentalen Achse Alsenstraße - Siegessäule und des zukünftigen Regierungsforums am Platz
der Republik auf." (Wagner 1930, S. 16)
Baulich tat sich jedoch im Viertel um den Reichstag wenig. Mit dem Abriß der alten Alsenbrücke
und dem Neubau der "Hugo-Preuß-Brücke" 1925-28, die nur noch die Ufer des Spandauer
Schiffahrts-Kanals nördlich des Alsenviertels überspannte, schien die Option auf eine
Nordanbindung des Alsenviertels endgültig aufgegeben zu sein. Die breite Allee der Alsenstraße
wirkte unter diesen Bedingungen in Dimensionierung und Gestus wie das Zeugnis einer überlebten
Planungsvorstellung.
5.3. Vorbereitungen für ein neues Zentrum in der Zeit des Nationalsozialismus
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann ein neuer Anlauf zur Westerweiterung
des Zentrums. Die Leitbilder wandelten sich von der Weltstadt Berlin zur "Welthauptstadt
Germania". Doch waren die Planungen anfangs noch unsicher und standen stark unter dem Einfluß
der Diskussion der Weimarer Republik, besonders der Überlegungen Martin Mächlers.
Zunächst wurde, noch ganz in der Logik der "Systemzeit", der von der Reichsbahn und der
Stadtverwaltung seit langem konzipierte und von Martin Wagner konkretisierte Nord-Süd-S-BahnTunnel gegen den hartnäckigen Widerstand der auf Parallelverkehr verweisenden Berliner
Verkehrs-A.G. (BVG) in Angriff genommen und in mehreren Bauabschnitten bis 1939 realisiert.
Eine von der städtischen Verwaltung bereits 1933 vorgelegte Nord-Süd-Achsenplanung wurde von
Hitler für unzulänglich erklärt. Im Laufe der folgenden Jahre verlor die städtische Verwaltung
zunehmend an Einfluß auf die städtebauliche Planung und Realisierung, bis sie ab 1937 völlig im
Schatten der Generalbauinspektion Albert Speers stand, die alle größeren Planungs- und
Bauvorhaben an sich zog. Albert Speer wurde 1936 von Adolf Hitler mit der Entwicklung eines
Neugestaltungskonzeptes beauftragt, seine Ernennung zum "Generalbauinspektor für die
Reichshauptstadt Berlin" folgte im Januar 1937. Nach und nach steigerten sich die Speerschen
Planungen zu immer weiter ausgreifenden Gestaltungs- und Ordnungsideen. Ging es anfänglich
noch um eine tiefgreifende Zentrumserweiterung, wurde bald der Bau eines gänzlich neuen, nordsüd-orientierten Zentrums westlich der alten City projektiert.
Kernstück der Achsenplanung war der Abschnitt der Nord-Süd-Achse zwischen der "Großen Halle"
und dem als räumlicher Abschluß der Monumentalstraße nach Süden gedachten, von Albert Speer
entworfenen Gebäude des Südbahnhofs, das aufgrund seiner stadträumlichen Lage zum Berliner
Zentralbahnhof avanciert wäre. Als Abschluß des Bahnhofsvorplatzes nach Norden hin wurde ein
117 Meter hoher und 170 Meter breiter sogenannter Triumphbogen geplant, durch den die
Niederlage im Ersten Weltkrieg posthum in einen Sieg uminterpretiert werden sollte. Nach Norden
bildete eine 290 Meter hohe und auf einem quadratischen Kubus von 315 Meter Seitenlänge
ruhende Kuppelhalle den räumlichen Abschluß der Achse und als weithin sichtbare Dominante
zugleich den Höhepunkt der städtebaulichen Neuordnung.
133
Bei der Standortwahl der Kuppelhalle lehnte sich Speer an die Entwürfe zum Reichshaus von Otto
Kohtz an, der ebenfalls - im Gegensatz zu Mächler - auf eine unmittelbare Weiterführung der Achse
nach Norden verzichtet hatte. In der Speerschen Planung sollte diese Achse östlich des Reichstages
und der Kuppelhalle mit einer anschließenden Verschwenkung in Richtung Nordwest fortgeführt
werden. Bei einer solchen Lösung wäre der Nordabschnitt der Achse trotz aufwendiger Gestaltung
mittels einer kilometerlangen Wasserfläche, die von monumentalen öffentlichen Gebäuden und dem
Nordbahnhofsgebäude gesäumt werden sollte, ein Appendix der "Großen Halle" geworden. Im
Gegensatz zur Ost-West-Achse, deren präzise Ausrichtung auf die Himmelsrichtungen bereits zur
Barockzeit verbaut worden war, wurde die Nord-Süd-Achse genau nach den Polen orientiert. Dies
und die Weltkugel auf der "Großen Halle" sollten ihr einen überörtlichen Charakter mit
Weltanspruch verleihen, während die alte Lindenachse hierarchisch herabgestuft wurde.
Zwischen Reichstag und "Großer Halle" war ein Reichstagserweiterungsbau mit einem Plenarsaal
für 1.200 Abgeordnete geplant, der mit dem Altbau über zwei Brückenbauwerke verbunden werden
sollte. Der beabsichtigte Abriß des Reichstagsaltbaus wurde durch eine Intervention Hitlers
verhindert. Die schließlich beschlossene Planung sah den Baukörper als Hülle zur Aufnahme von
Abgeordnetenbüros und eines Lesesaals für die Reichstagsbibliothek vor. Der geplante Bauplatz für
die "Große Halle" bedingte eine Verlegung der Spree, deren neues Bett zwischen Reichstag und
"Großer Halle" in Ost-West-Richtung verlaufen sollte. Die Hartnäckigkeit, mit der an der
Realisierung der Neugestaltungsplanungen festgehalten wurde, zeigt sich auch daran, daß zur
Weiterführung der Erdarbeiten am neuen Spreebett noch bis November 1940 die Bebauung
zwischen Roonstraße, Reichstagsufer und Reichstagsplatz vollständig abgerissen wurde.
In einem Artikel im "Berliner Lokal-Anzeiger" vom 28. Januar 1938 rechtfertigte Albert Speer die
Neugestaltungsplanungen: "Weit verstreut liegt heute eine große Anzahl monumentaler Bauten, die
erst in den letztvergangenen Jahren entstanden sind. [...] Es ist erklärlich, daß jeder nur dort baute,
wo es ihm richtig zu sein schien, d. h. in den meisten Fällen dort, wo sich bereits die Arbeitszelle
bzw. das bisherige, veraltete Gebäude des jeweiligen Betriebes befand. So entstanden z. B. der
Neubau des umfangreichen Reichsbankkomplexes unmittelbar beim Altbau in abgelegener Gegend
Berlins, das Luftfahrtministerium an der Leipziger Straße beim Sitz des Reichsluftfahrtministeriums
und Preußischen Ministerpräsidenten, die Deutschlandhalle im Westen der Stadt beim
Messegelände, das Hauptverwaltungsgebäude für den Reichsarbeitsdienst im Grunewald, das
Stabsgebäude der DAF [Deutsche Arbeitsfront] an der Potsdamer Straße, die Verwaltungsgebäude
großer Versicherungen am Fehrbelliner Platz usw." Mit der Neugestaltung der Stadt biete sich nun
die Chance, in diese quasi anarchische Struktur ordnend einzugreifen: "Es gilt jetzt also für alle
diese Großbauten repräsentative und großräumige Bauplätze zu finden, und es liegt nahe, für diese
Bauten, denen viele andere folgen werden, nach Möglichkeit etwas räumlich Zusammenfassendes
zu planen, d. h. einen Straßenzug bereitzustellen, der die notwendige Aufnahmefähigkeit besitzt."
Ein Umbau des alten Zentrumsbereichs scheide schon aus Verkehrsgründen aus. Außerdem seien
die bisherigen Planungen zur Zentrumserweiterung unzureichend, auch wenn sie gelegentlich
ebenfalls den Gedanken einer Nord-Süd-Straße aufgegriffen hätten: "Keiner dieser Vorschläge aber
war in jeder Weise so grundsätzlich durchgreifend und großzügig, daß von einer umfassenden
Neuordnung gesprochen werden konnte."
Die Schnittstelle zwischen der Nord-Süd-Achse und der Potsdamer Straße wurde durch die strenge
Geometrie des "Runden Platzes" vermittelt. Dieser Platz war der einzige, bewußt gestaltete
Verknüpfungsbereich zwischen altem und neuem Zentrum. Mit dem "Kameradschaftshaus der
134
deutschen Künstler", den Gebäuden des "Thüringenhauses", dem Bau eines Großkinos, dem "Haus
des Fremdenverkehrs" sowie der aufwendigen, skulpturalen Platzgestaltung von Arno Breker
avancierte dieser Platzraum zu einer Art Forum für nationalsozialistische Kunst und Kultur.
In Sichtachse der Leipziger Straße sollte - gegenüber der Traufhöhe der übrigen Bauten leicht
erhöht - nordwestlich des "Runden Platzes" als Gegenpol zum lärmenden und städtischen
Potsdamer Platz der Weimarer Republik die "Soldatenhalle" nach Entwürfen von Wilhelm Kreis
entstehen. Mit ihrem quasi-sakralen Duktus hätte sie den Gebäudekomplex des Oberkommandos
des Heeres und eines zum Runden Platz orientierten Wehrmachtskasinos dominiert. Alle Gebäude
zeigten gestalterisch angeglichene Fassaden, ein abgesetztes Sockelgeschoß mit Arkaden, ein
hohes, im Fassadenaufbau akzentuiertes Hauptgeschoß, zwei Mezzanin- oder Attikageschosse
sowie eine Attika mit weit ausladendem Gesims.
Am Beispiel des Fremdenverkehrshauses erläuterte Speer seine These von der verkehrlichen
Unzulänglichkeit des historischen Zentrums, dessen Großbauten gleichwohl erhalten bleiben
sollten: "Das Fremdenverkehrshaus sollte zuerst Unter den Linden entstehen. Im Programm dieses
Neubaues ist ein Kongreßsaal für 1.600 Personen vorgesehen. Da aber für den heutigen Verkehr
weder die notwendige Parkfläche zur Verfügung gestellt werden konnte noch bei einer
Veranstaltung die reibungslose Anfahrt der Automobile zu sichern war, mußte dieser Bauplatz
aufgegeben werden. [...] In diesem Zusammenhang sei auch betont, daß Gerüchte, die von einem
Abriß verschiedener Bauten der Innenstadt (wie Reichstag, Hotel Adlon, Kolumbushaus,
Wertheim-Bau) wissen wollen, nicht zutreffen." (Speer im "Berliner Lokal-Anzeiger" vom
28.1.1938)
Der Ausbau des alten zentralen Ost-West-Zuges über die Straße Unter den Linden,
Charlottenburger Chaussee und Heerstraße, zu dessen einheitlicher Gestaltung Albert Speer
persönlich antikisierende Kandelaber entworfen hatte, war Ende 1939 weitgehend abgeschlossen.
Der eigentliche Mittelpunkt der neuen Zentrumskonzeption, die Kreuzung von Nord-Süd- und OstWest-Achse, wurde im übrigen sehr zurückhaltend behandelt. Zur Regelung des Verkehrs wie der
Aufmärsche war eine Kreuzung mit mehreren Ebenen geplant, wobei die Ost-West-Achse im
räumlichen wie symbolischen Sinne untergeordnet wurde: "Etwas weiter südlich, an der
Charlottenburger Chaussee, wird durch das Zusammentreffen der beiden Straßenachsen der
Brennpunkt des Berliner Verkehrs sich bilden. Hier müssen unterirdische Straßenkreuzungen für
eine reibungslose Verkehrsabwicklung sorgen, durch die aber gleichzeitig bei einem Aufmarsch der
Ost-West-Verkehr unter der von Süden kommenden Aufmarschstraße weitergeleitet werden kann."
(Speer im "Berliner Lokal-Anzeiger" vom 28.1.1938)
Von den Planungen zur Nord-Süd-Achse gelangten in den Jahren 1938-40 nur einige Umbauten zur
Fertigstellung, das Haus des Fremdenverkehrs war in Teilen bereits nutzbar. Die Maßnahmen zur
Realisierung der sonstigen Neugestaltungsplanungen waren jedoch bereits in großem Maßstabe
angelaufen. Im Bereich der Matthäikirche und im östlichen Teil des Spreebogens wurden
großflächige Abrisse vorgenommen, umfangreiche Gründungsarbeiten für die "Große Halle" hatten
bereits begonnen, die Arbeiten für den Spreedurchstich waren weit fortgeschritten, die
Tunnelanlagen zur Einfädelung der Kraftfahrzeuge in die Ost-West-Achse teilweise fertiggestellt,
und die Tunnelanlagen des Schienennahverkehrs zur Unterfahrung der Spree waren bereits so weit
gediehen, daß sie sich bei den Bodenkämpfen als Panzergräben gegen die von Norden vordringende
Rote Armee zweckentfremden ließen.
135
Das Teilstück der Ost-West-Achse zwischen S-Bahnhof Tiergarten und Siegessäule wurde in den
letzten Apriltagen 1945 als Landepiste der wenigen Versorgungsflugzeuge genutzt. Zu deren
Sicherheit wurden die hier befindlichen Speerschen Kandelaber niedergelegt. Die Militarisierung
des öffentlichen Raumes hatte so ihren letzten Ausdruck gefunden.
5.4. Randlage an der Sektorengrenze
Mit ausgeprägtem Hang zu Symbolik und Theatralik plazierte unmittelbar nach Kriegsende die
Rote Armee ihr erstes, weitgehend mit Materialien der "Neuen Reichskanzlei" erbautes Siegesmal
an den Abschluß der ehemaligen Siegesallee, auf die Trasse der Speerschen Nord-Süd-Achse, und
ließ dadurch jeden neuen Ansatz einer Nord-Süd-Verbindung zu einer stadträumlich brisanten
Unternehmung werden. 1947 wurde die Trasse der alten Siegesallee schließlich durch einen
Verwaltungsakt der Siegermächte aufgehoben.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erschien die Vernichtung der im 19. Jahrhundert
entstandenen Baustruktur auch als Chance, neue weitgreifende Ordnungsvorstellungen zu
realisieren. So wurde etwa die überkommene, wenn auch zum Teil ruinöse Bebauung, die den
Bombenkrieg und die Speerschen Neugestaltungsmaßnahmen überdauert hatte, durch das
Planungskollektiv um Hans Scharoun weitgehend ignoriert. Im "Zehlendorfer Plan" wurde dem
Viertel nördlich des noch so bezeichneten "Runden Platzes" eine Wiederaufbaumöglichkeit
abgesprochen, der Erhalt des Hauses des Fremdenverkehrs aber erwogen. Auf Grundlage des
Zehlendorfer Plans wurden im Jahre 1947 die sogenannten Pläne A und B, Varianten des "neuen
Plans von Berlin" von Karl Bonatz, entwickelt. Hier tauchte zum ersten Male der Gedanke einer
Nord-Süd-Hauptverkehrsstraße zur Erschließung des Potsdamer Platzes auf. In diesem
Zusammenhang wurde auch eine Verlegung der Potsdamer Straße diskutiert. Das Konzept der
Nord-Süd-Straße ging schließlich 1950 in den ersten West-Berliner Flächennutzungsplan ein. Dort
wurde die jahrzehntealte Idee einer Nord-Süd-Eisenbahnverbindung zugunsten einer Schnellstraße
über den Potsdamer Platz und die Friedrich-Ebert-Straße aufgegeben.
Mit der Spaltung der Stadt hatte sich die Lage des potentiellen Zentrumserweiterungsgebietes West
allerdings bereits radikal verändert. Aus Ost-Berliner Sicht lag es jenseits der Stadtgrenze, aus
West-Berliner Sicht am Rande der Stadt - ein Areal im Dornröschenschlaf bis zur
Wiedervereinigung. Hinzu kam ein weiterer Aspekt: Der Potsdamer Platz hatte mit der spurlosen
Beseitigung des ersten Berliner Bahnhofs eine seiner wichtigsten Funktionen verloren - die des
Bahnhofsvorplatzes. Um Ziegelsplitt für den Straßenbau zu gewinnen, verschwand Ende der
fünfziger Jahre auch der ehemalige Lehrter Fernbahnhof. Seine Zerstörung ließ zunächst auch jede
Hoffnung auf eine Zentrumsbildung nördlich der Spree erlöschen. Auf seinem Gelände siedelte sich
ein Baustofflager an.
Auch die Maßnahmen zur Neugestaltung des Spreebogens begannen zunächst mit der für die
fünfziger Jahre typischen Entsorgung von Altbausubstanz durch die Abrißbirne. Bis 1958 wurde die
schon in den zwanziger Jahren zur Disposition gestellte und in den dreißiger Jahren erheblich
dezimierte Bebauung des Alsenviertels mit Ausnahme des noch heute vorhandenen Gebäudes der
Schweizer Gesandtschaft abgerissen, die von Lenné geplante städtebauliche Grundfigur des Areals
durch neue Straßentrassen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Auch der Weiterbestand des
Reichstagsgebäudes war in den fünfziger Jahren ungewiß. Das Bauwerk wurde schließlich nach
136
einer in die Bausubstanz eingreifenden Umgestaltungsplanung von Paul Baumgarten verändert
wiederaufgebaut. Die "purifizierten" Fassaden gewannen nach Entfernung eines Großteils des
Dekors und Skulpturenschmucks entgegen der gestalterischen Absicht einen stärker monumentalen
Charakter. Die kriegszerstörte Kuppel wurde mitsamt ihrer Tragkonstruktion gesprengt bzw.
herausgeschlagen.
Der 1957 ausgeschriebene Wettbewerb "Hauptstadt Berlin" konnte dem Gebiet nur Anstöße in
Form von Papierarchitektur geben. Der erste Preisträger, das Büro Spengelin, Eggeling und
Pempelfort, nahm die schon von der Generalbauinspektion Speers projektierte südliche, neue
Uferbegrenzung der Spree auf und schlug orthogonal zum Ufer Ergänzungsbauten zum
Reichtagsgebäude vor. Im Bereich des ehemaligen Lehrter Fernbahnhofs sollte ein vielspuriges
Autobahnkreuz die Verbindung zwischen dem zentrumsnahen Autobahnring und dem
Nordzubringer herstellen. Die geplante Schnellstraße sollte nun vom Potsdamer Güterbahnhof
kommend durch einen Tunnel unter dem Tiergarten am Platz der Republik vorbei nach Norden
geführt werden. Westlich des Potsdamer Platzes wurden Flächen für die Staats- und
Landesregierung ausgewiesen. Der Beitrag von Hans Scharoun, dem ein zweiter Preis zuerkannt
worden war, sah südwestlich des Platzes großflächige Stellflächen für Kraftfahrzeuge vor.
Parallel zum Wettbewerb hatte Scharoun im Juli 1958 eine Fläche am Kemperplatz als Standort der
neuen Philharmonie ins Gespräch gebracht. Dieser Idee war eine prinzipielle Kritik am
vorgesehenen, als zu exzentrisch bezeichneten Standort hinter dem Joachimsthalschen Gymnasium
an der Schaperstraße vorausgegangen. Mit dem Votum des Abgeordnetenhauses für den Standort
von Philharmonie, Staatsbibliothek und der Galerie des 20. Jahrhunderts in Nähe des
Kemperplatzes war in zentraler Lage und als bindendes Element für Gesamt-Berlin die Keimzelle
des Kulturforums gelegt - als Teil eines Anfang der sechziger Jahre entwickelten und von Werner
Düttmann modifizierten Kulturband-Konzeptes. Abseits der West-City sollte in Mauernähe ein
Raum für zeitgenössische Kunst entstehen, weitgehend als Gegenkonzept zur Planung und zum
architektonischen Duktus des "Runden Platzes" von Albert Speer. Die noch vorhandenen 49
Gebäude des Tiergartenviertels wurden per Bebauungsplan mit Ausnahme von 16 namentlich
festgelegten Bauten zum Abriß bestimmt, der auch bis auf wenige Einzelfälle realisiert wurde. Das
Haus des Fremdenverkehrs wurde nach mehreren Sprengungen bis 1963 abgeräumt.
Die Planungen zum Kulturforum tragen den Stempel der Bundesrepublik jener Jahre: Sie sind
Ausdruck einer geistigen Haltung, die dem Fetisch Automobil, der autogerechten Stadt huldigte und
die Tradition bzw. Geschichte bis zur Bewußtlosigkeit verdrängte. So ergab sich denn auch die oft
kritisierte Lage und Gestalt der neuen Potsdamer Straße aus der verkehrstechnischen Bedingung,
die geplante Westtangente an die Landwehrkanal-Uferstraße, die Potsdamer Straße und den
Potsdamer Platz anzubinden, woraus sich der Sachzwang einer Nordverschiebung der Straße
ableitete.
Die Gefahr der Ausbildung einer räumlichen Barriere durch den veränderten Verlauf der Potsdamer
Straße wurde bei der Standortwahl und Vorbereitung des Wettbewerbs zur Staatsbibliothek erkannt.
Der Text der Ausschreibung wies ausdrücklich auf diesen wichtigen stadträumlichen Aspekt hin:
"Von entscheidender Bedeutung ist der Anschluß der Staatsbibliothek an das jenseits der Potsdamer
Straße gelegene Forum [...]." (Berlinische Galerie 1992, S. 26) Dieser Anschluß schien jedoch für
das Votum des Preisgerichts nicht entscheidend gewesen zu sein. Dies war eher einer der
Schwachpunkte des prämiierten Scharounschen Konzeptes. Dagegen lobte das Preisgericht unter
137
Verweis auf das gegenüberliegende Gebäude der Nationalgalerie den Wettbewerbsentwurf für die
Qualität der städtebaulichen Einbindung: "Das Ausstellungsgebäude Mies van der Rohes - seine
Integrierung ist eine besonders schwierige Aufgabe des Wettbewerbs - [...] findet seine
maßstäbliche und formale Entsprechung in dem der Gebäudemasse der Staatsbibliothek - gleichfalls
auf einer Terrasse - vorgelagerten großen Lesesaal." (Vesper 1978, S. 138) Diese Qualifizierung ist
nur nach Betrachtung des Wettbewerbsentwurfs nachvollziehbar, während sie der heutigen
Situation nach mehreren Konzeptüberarbeitungen grundlegend widerspricht.
Auf die noch im Wettbewerbsentwurf vorgesehene fußläufige Anbindung der Staatsbibliothek an
die zentralen Kultureinrichtungen um die Matthäikirche über zwei die Neue Potsdamer Straße
unterquerende Tunnelanlagen ist schließlich verzichtet worden. Ihre Realisierung hätte, wenn auch
im Stile der autogerechten Stadt, vielleicht den Inselcharakter der Anlage etwas mindern können.
Nach umfangreichen Querelen wurde dem Büro Scharoun 1971 die Projektleitung entzogen, die
Bundesbaudirektion übernahm die Verantwortung für den Weiterbau.
Bis in die achtziger Jahre hinein stagnierte die bauliche Entwicklung des ehemaligen Alsenviertels.
Mit der Ausschreibung des "Städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerbes 'Platz
der Republik'" im Rahmen der breiten, aber letztlich folgenlosen Debatte über einen sogenannten
"Zentralen Bereich" deutete sich 1985 unter dem Eindruck der fortdauernden deutschen Teilung die
Entwicklung des Spreebogenareals von der fragmentierten Regierungslandschaft zum städtischen
Forum an. Der offizielle Anspruch war aber viel höher: Der in der Geschichte der Planungen für
Regierungsstandorte so wichtige Spreebogen sollte eine Rolle "als politisches Forum und zentraler
Ort deutscher Geschichte" spielen (Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz 1988, S. 106).
Das vom Preisgericht als unbefriedigend bezeichnete Wettbewerbsergebnis wurde nicht realisiert.
Die Realisierung der Planungen zu einem Deutschen Historischen Museum nach einem Entwurf
von Aldo Rossi wurden vom Zerfall der DDR überrollt, der 1987 gelegte Grundstein verschwand
kurioserweise in den Magazinen des nun im Zeughaus Unter den Linden ansässigen Deutschen
Historischen Museums.
5.5. Nach 1989: mit neuem Schwung voran?
Nach dem Fall der Mauer wurde das Gebiet der historischen Westerweiterungsbemühungen
wiederum zu einem Angelpunkt städtebaulicher Entwicklung: Der beinahe schon mythische
Potsdamer Platz avancierte zum ersten Ort städtebaulicher Diskussion und Planung. Dabei gaben
sich die Akteure alle Mühe, eine nicht nur von Martin Wagner erkannte Regel des Städtebaus zu
brechen: "In einer Weltstadt bildet sich nun nicht hochwertiges Gelände in großen, sondern nur in
kleinen Flächen. Baustellen am Potsdamer Platz, in der Leipziger Straße, am Alexanderplatz usw.
bilden ihren Wert in einer Entwicklung von über 100 Jahren und mehr. Eine Leipziger Straße, eine
Friedrichstraße lassen sich nicht künstlich in wenigen Jahren neu schaffen." (Wagner 1930, S. 18)
5.5.1. Bereich Potsdamer Platz
Für den Bereich des Potsdamer Platzes wurde im Juni 1991 der erste große städtebauliche
Ideenwettbewerb nach dem Fall der Mauer unter der Bezeichnung "Potsdamer und Leipziger Platz Internationaler engerer Wettbewerb" ausgelobt, dem ein europaweites Bewerberauswahlverfahren
vorausgegangen war. Trotz des sehr ortsbezogenen Titels erforderte die gestellte Aufgabe weniger
die Gestaltung eines eng begrenzten Ortes als den Entwurf für einen ganzen Stadtteil in all seiner
138
Komplexität. Mit dem Begriff "Platz" wurde - wie im übrigen auch am Alexanderplatz - ein jede
Platzdimension sprengendes Großprojekt bemäntelt.
Die 17 eingeladenen Teilnehmer, unter ihnen die Büros von Josef Paul Kleihues, Foster Associates,
Hans Kollhoff, Axel Schultes, Otto Steidle, Daniel Libeskind und Oswald Mathias Ungers, sollten
Stadträume entwerfen, die in der horizontalen Ausprägung die Strukturen der Stadt des 19.
Jahrhunderts berücksichtigen: "Die wesentlichen und charakteristischen Merkmale der Berliner
Innenstadt, geometrisches Straßenraster, geschlossene Blockränder, Abfolge von Straßen und
Plätzen, sollten im Stadtgrundriß und Aufriß erhalten bleiben. Die historische Raumfolge
Potsdamer Platz - Leipziger Platz bildet hierbei das verbindende Element." (Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und Umweltschutz 1991a, Ausschreibung, S. 25) Dabei sollten das polyzentrale
Gefüge der Stadt respektiert und eine "Entwicklung dieses Ortes zu der Mitte Berlins, zum
Oberzentrum der Stadt" (ebd.) vermieden werden.
Weiterhin wurde unter dem Leitmotiv der europäischen Stadt von den Büros gefordert, einen
höchstmöglichen Grad an Nutzungsmischung anzustreben und Raumkonzepte zu entwerfen, die die
städtebaulichen Defizite der umliegenden Quartiere, insbesondere des zu Zeiten der DDR erstellten
Wohngebiets an der Otto-Grotewohl-Straße sowie des Kulturforums, mindern helfen. In bezug auf
die Bebauungshöhe hieß es sehr allgemein und unklar: "Ebenso stehen auch Höhenentwicklungen
und Dichte im Zusammenhang mit den tatsächlichen Nutzungen und sind im Sinne einer
'Architektur für den einprägsamen Ort' zu formulieren. Bei der Höhenentwicklung sind
insbesondere die Raumgestaltung des Leipziger Platzes und der Umgebungsschutz der Denkmale
Tiergarten und Kulturforum zu berücksichtigen." (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umweltschutz 1991a, S. 26) Diese Formulierungen zeigen, daß sich die Auslober nicht zu einer
eindeutigen Vorgabe durchringen konnten.
Unter Leitung von Thomas Siewerts trat im Oktober 1991 das Preisgericht zusammen. Es vergab
einen zweiten und dritten Preis an die Büros Ungers und Steidle, der erste Preis ging mit elf gegen
vier Stimmen an die Architekten Heinz Hilmer und Christoph Sattler, die unter dem Motto
angetreten waren: "Nicht das weltweit verwendete amerikanische Stadtmodell der kompakten
Hochhausagglomeration, sondern die Vorstellung von der kompakten, räumlich komplexen
europäischen Stadt liegt dem Entwurf zugrunde." (Hilmer und Sattler 1991, S. 2)
Diese Entscheidung löste innnerhalb der Fachwelt einen heftigen Streit über Qualität und
Schwächen des schlichten und wenig prätentiösen stadträumlichen Ordnungsschemas aus. Die Jury
rechtfertigte ihr Votum mit dem Hinweis, daß das zunächst einfach und traditionell erscheinende
Blockmuster genau die Qualitäten besitze, die in der Ausschreibung gefordert worden waren: "Der
Verfasser schlägt ein prinzipiell funktionsfähiges System von Kleinblöcken vor, die er als
städtebauliche Bausteine versteht. Damit gelingt eine kleinteilige Nutzungsmischung, die nicht nur
im Quartier, sondern auch im Einzelblock möglich wird und ausdrücklich erwünscht ist." Und
weiter: "Die Nutzungsarten, besonders am Potsdamer Platz, erscheinen in diesem Zusammenhang
besonders gelungen. [...] Positiv sind die Torsituationen herauszustellen. Dies gilt auch für die
Straßencharakteristiken der Straßentypen." (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umweltschutz 1991b, Preisgerichtsprotokoll, S. 8f.)
Tatsächlich hatten die Auslober ein Ergebnis erzielt, das per Ausschreibung vorgeben worden war:
eine formale Orientierung an der europäischen Stadt vor allem des 19. Jahrhunderts. Daß nicht die
139
Berliner Tradition, sondern die Tradition der europäischen Stadt zum Ausgangspunkt genommen
wurde, unterstrich auch Christoph Sattler selbst: "Die an Mailänder oder Madrider Maßstäbe
erinnernden, längs und quer gereihten, etwa zehnstöckigen Blöcke von 50 mal 50 mal 35 Metern
solle ein Netz von je 17,5 Meter breiten Straßen durchziehen; die angestrebte Zwei-zu-einsProportion von Volumen und Profil gewährleiste gute Belichtung und Belüftung; die
vorgeschlagene Parzellenstruktur vermittle zwischen der kleinteiligen Friedrichstadt im Osten und
dem großräumigen Kulturforum im Westen." (Dok. in Stegers Dritter Teil 1991)
Der preisgekrönte Entwurf enthielt auch eine nur um wenige Grad nach Süden hin verschwenkte
neue Potsdamer Straße. Diese Trassenführung hatte den Abriß eines großen Teils des eingetragenes
Baudenkmals Hotel Esplanade zur Bedingung, ein Vorhaben, das der Fachöffentlichkeit lange
verborgen blieb und später um so heftiger kritisiert wurde.
Auf der Grundlage des prämiierten Entwurfs von Hilmer und Sattler wurden von den Investoren
Realisierungswettbewerbe zu den verschiedenen Flächen um Potsdamer und Leipziger Platz
ausgeschrieben. Den ersten Schritt tat bereits im März 1992 die Daimler Benz AG, als sie für ihr
"Filetstück", den mit 67.000 Quadratmetern Fläche größten Teilbereich des Areals, der sich vom
Potdamer Platz bis zum Landwehrkanal und zur Philharmonie erstreckt, einen beschränkten,
internationalen Realisierungswettbewerb auslobte, zu dem sieben renommierte deutsche Büros,
darunter Kleihues, von Gerkan, Hilmer und Sattler sowie Ungers, und sieben ausländische Büros,
darunter Isozaki, Meier, Rogers und Holzbauer, eingeladen wurden.
In der Ausschreibung wurde der Kunstbegriff der "erlebbaren Traufhöhe" von 35 Metern
eingeführt, die um zwei Staffelgeschosse bis zur "absoluten Traufhöhe" gesteigert werden könnte.
Die Bebauung sollte sich, wie im Entwurf von Hilmer und Sattler vorgesehen, in drei Blöcke
aufteilen, die Trasse der alten Potsdamer Straße sollte respektiert und als öffentlicher Raum
wiedergewonnen werden. (Daimler Benz AG 1992, S.16ff.) Prämiiert wurde in diesem Verfahren
die Arbeit des Büros Renzo Piano, die zum Landwehrkanal hin eine Wasserfläche zeigte, in deren
Mitte ein Tunnelmund des geplanten Tiergartentunnels vorgesehen war. Die Organisation der
Baustruktur erfolgte in kleinteiligen Blöcken mit Atrien und zwischenliegenden Passageräumen, die
sich jeweils orthogonal an der Neuen Potsdamer Straße und der Linkstraße längs des ehemaligen
Potsdamer Personenbahnhofs orientierten. Über den Baukörper eines sich formal an den Bau der
Staatsbibliothek anlehnenden "Musicaltheaters" am südlichen Ende der alten Potsdamer Straße, der
ein als Piazza bezeichneter Platzraum vorgelagert ist, gelang unerwartet der städtebauliche
Übergang zur skulpturalen und selbstbezogenen Sechziger-Jahre-Bebauung des Kulturforums. Die
vertikale Staffelung sah die Ausbildung von drei Turmgebäuden vor: zwei etwa 80 Meter hohe
Baukörper an der Gabelung zwischen alter und Neuer Potsdamer Straße sowie am Landwehrkanal
als Teil des Bürokomplexes der Debis-Verwaltung und ein drittes etwa 60 Meter hohes Gebäude an
der Ecke Linkstraße.
Ebenfalls 1992 wurde auf der Fläche zwischen Neuer Potsdamer Straße und Bellevuestraße von der
Firma Sony ein Realisierungswettbewerb ausgelobt. Die Liste der eingeladenen Büros ließ bereits
im Vorfeld erkennen, daß bei diesem Projekt zuvorderst international geprägte Architektur und
weniger ein Auftakt zur Wiedergewinnung eines Stücks Berliner Stadtgeschichte erwünscht war.
Schlüssigerweise stellte das Büro Jahn, Chicago, den Siegerentwurf. Im Zentrum des dreieckigen
Gebäudekomplexes steht ein ellipsenförmiges Atrium nordamerikanischer Prägung, um das - wie in
der Ausschreibung gefordert - ein Sony-Konzernkomplex, weitere Büro- und Gewerbeflächen, ein
140
Hotel und das hier seit den achtziger Jahren nach einem Wettbewerbsentwurf von Hermann
Hertzberger geplante Filmhaus Esplanade angeordnet sind. Die vertikale Dominante wurde wie bei
den meisten anderen Entwürfen unmittelbar am zum Potsdamer Platz angesiedelt.
Besondere Kritik erfuhr das von Sony geforderte Atrium, das zu Recht als Konkurrenz zum
öffentlichen Raum der geplanten Straßen und des Potsdamer Platzes selbst aufgefaßt wurde. "Unter
dem Protektorat der traditionellen europäischen Stadt, die zur Abwehr der amerikanischen Stadt ins
Feld geführt wurde," so Fritz Neumeyer im "Tagesspiegel" vom 25. Oktober 1992, "wird nun
tatsächlich amerikanische Kommerzarchitektur reinsten Wassers gebaut werden: nicht in Gestalt
des Hochhauses, das der Straße an Lebendigkeit durchaus etwas zu bieten hat, sondern in Gestalt
der Shopping Mall, die ihre Funktionen von der Straße weg nach innen wendet und städtisches
Leben somit wie im Aquarium in glasgedeckten, abschließbaren Innenräumen aufnimmt."
Der Wettbewerbsentwurf des Büros Jahn präsentierte das amputierte Restgebäude des Hotels
Esplanade in einer Glasumrahmung als Lobbygebäude mit historischem Touch für eine moderne
Luxusherberge. In der im Frühjahr 1995 präsentierten Entwurfsüberarbeitung ist diese Haltung zu
einer aufdringlichen Überformung gesteigert. Die Firma Sony hat sich mittlerweile aus der aktiven
Entwicklung des Projekts zurückgezogen und diese dem minderheitsbeteiligten Unternehmen
Tishman Speyer Properties überlassen, einem Unternehmen, dem wir auch beim Projekt Lehrter
Bahnhof begegnen werden.
Als dritter der großen Entwickler am Potsdamer Platz stellte im Jahre 1993 die Firma ABB (Asea
Brown Boveri) den ebenfalls über einen Wettbewerb ermittelten Entwurf für ihre entlang der
Köthener Straße gelegene Baufläche vor, in den eine Tunnelrampe für den öffentlichen
Schienennahverkehr zu integrieren war. Geladen waren hierzu unter anderem die Büros Sawade,
Ortner & Ortner und Axel Schultes mit Charlotte Frank. Der erste Preis wurde dem Büro Giorgio
Grassi zuerkannt, das meist achtgeschossige, H-förmig organisierte Baukörper mit Rasterfassaden
in der dem Büro eigenen Architektursprache vorschlug. Nur an der der Stresemannstraße
zugewendeten, nördlichen Kopfbebauung wird der Baukörper durch ein dreigeschossiges
Sockelgeschoß akzentuiert und leicht überhöht. Schon wegen der anhaltenden Unklarheit über die
Erschließung des Platzes durch den öffentlichen Personennahverkehr wird sich die Realisierung
dieses Projekts verzögern.
Neben der kaum akzeptablen Vorgehensweise, privaten Entwicklern die Planung eines ganzen
Stadtviertels zu überlassen, und den jeweils projektinternen stadträumlichen und strukturellen
Problemen bleibt - abgesehen von der Anbindung nach Osten zur Leipziger Straße und
Wilhelmstraße - die Anbindung nach Westen eine stadträumliche Schwierigkeit. Die Baukörper des
Kulturforums wie der städtebauliche Gesamtentwurf besitzen einen selbstbezogenen, insulärskulpturalen Charakter. Bislang ist nicht erkennbar, ob es gelingt, diese Barriere zu überwinden.
Die Zauberformel der Scharoun-Anhänger, zur nachträglichen Realisierung einer historischen
Planungsidee angetreten, lautet: "Zu Ende bauen". Ob dies angesichts der völlig veränderten
Verhältnisse sinnvoll ist oder ob das Kulturforum durch Additionen zeitgenössischer Architektur
mit neuen Funktionen angereichert werden soll, ist weiterhin heiß umstritten. Auf alle Fälle muß es
weiter entwickelt werden, damit die Fläche der Zweckbestimmung eines "Forums" im Sinne eines
öffentlichen Stadtraumes gerecht werden kann. Die Diskussion um das "Weiterbauen" sollte
allerdings stärker aus städtebaulicher Perspektive geführt werden. Dabei muß von der durch
141
Scharoun entwickelten Vorstellung einer durch Schnellstraßen gegliederten "Stadtlandschaft"
Abschied genommen werden.
Insgesamt entfaltete sich am Projekt Potsdamer Platz eine öffentliche Auseinandersetzung, die sich
nicht nur auf Fragen der Architektur und des Städtebaus im engeren Sinne beschränkte, sondern in
der auch Fragen des Eigentums, des Verkehrs, des Nutzungsprofils, des Verhältnisses zwischen
Investor und öffentlicher Hand thematisiert wurden. Diese Qualität der Auseinandersetzung wurde
bei späteren Konflikten nicht mehr erreicht.
5.5.2. Bereich Spreebogen
Ein zweiter Schwerpunkt der Zentrumserweiterung West liegt im Spreebogen. Die deutsche Teilung
und der Mauerbau hatten hier eine räumliche und funktionale Brache hinterlassen, an der die
spärlichen Wiederbelebungsversuche der Nachkriegszeit abprallten. Erst nach dem politischen
Zusammenbruch der DDR konnte das Spreebogenareal an seine historisch geprägte,
stadtstrukturelle und nationale Bedeutung anknüpfen.
Mit der auf politischer Ebene getroffenen Entscheidung, wichtige Regierungsgebäude im
Spreebogenareal anzusiedeln, und der anschließenden Ausschreibung des "Städtebaulichen
Ideenwettbewerbes Spreebogen" im Juni 1992 gewann die Entwicklung des Gebietes an Dynamik.
Nunmehr war - nach dem Auftakt am Potsdamer Platz - der zweite Schritt eines neuerlichen
Anlaufs zur Zentrumserweiterung West getan.
Der Entwurf des Büros Schultes, der sich auch in der zweiten Wettbewerbsstufe durchsetzte und in
einer dritten Stufe überarbeitet wurde, löste sich aus der historisch geprägten und teilweise auch
diskreditierten Nord-Süd-Fixierung und stellte sich mit seiner Ost-West-Orientierung in die
Tradition von Ansätzen, wie sie etwa von Häring und Holzbauer/Stamm in den zwanziger Jahren
vorgeschlagen worden waren. Begünstigt wurde diese Herangehensweise durch den verbreiteten
Wunsch nach einem Symbol für das geforderte Zusammenwachsen von Stadt und Land, das der
Entwurf im Modell zweifellos bieten konnte. Das Projekt zieht eine 96 Meter breite lineare
Bandstruktur vom Stadtteil Moabit nach Mitte, die sich im Spreebogen von West nach Ost in die
Bereiche für das Bundeskanzleramt, ein öffentliches Forum und einen als Alsenblock bezeichneten
Baukörper gliedert, der als Erweiterung des Reichstagsgebäudes dienen soll. Südlich dieser
Bandstruktur ist das der ehemaligen Kongreßhalle vorgelagerte, den Gestus eines hellenistischen
Theaters aufnehmende Gebäude des Bundesrates angesiedelt.
Parallel zu diesem Verfahren wurde ein Wettbewerb zur Neugestaltung des Reichstages
einschließlich des unmittelbaren Umfeldes mit dem Reichstagspräsidentenpalais ausgelobt, zu dem
80 Arbeiten eingereicht wurden. Wie 1882 beim Wettbewerb zum Neubau des Reichstagsgebäudes
konnte sich die Jury zu keinem eindeutigen Votum durchringen und vergab gleichberechtigt drei
Preise in der ersten Preisgruppe, und zwar an die Architekten Santiago Calatrava, Pi de Bruijn und
Norman Foster. Deren Entwürfe sollten noch einmal überarbeitet werden. Die zu diesem Verfahren
entwickelten Vorgaben engten den Gestaltungsrahmen derart und auf neue Weise ein, daß die
bisherige Entwurfsarbeit vollkommen in Frage gestellt wurde. Der Text dieser Ausschreibung
forderte im Gegensatz zur Wettbewerbsausschreibung: "Der Umbau des Reichstagsgebäudes soll
mit geringer Eingriffstiefe erfolgen. Die Außenwände und die unmittelbar dahinterliegenden Bau142
und Raumstrukturen sollen soweit wie möglich erhalten bleiben." (Beratungsgesellschaft für
Stadterneuerung und Modernisierung 1993, S. 130)
Als souverän im Umgang mit den Gewaltigen des Bundestages erwies sich vor allem Norman
Foster, der zunächst eine weit ausladende, auf 25 Stützen ruhende Dachstruktur entworfen hatte.
Nun trat er mit zwei sehr bescheidenen und sich lernbereit und pragmatisch gebärdenden
Entwurfsvarianten an, die den spezifischen Interessen der Bundestags-Lobby entgegenkamen. Sein
Entwurf ließ die äußere Gestaltung des Reichstags weitestgehend unangetastet und schlug
Veränderungen nur im Inneren des Baukörpers vor. "Wir sind nicht der Ansicht," so Foster in seiner
Entwurfsbeschreibung, "daß es angemessen wäre, unseren ursprünglichen Entwurf einfach
abzuändern. Es ist vielmehr notwendig, noch einmal von vorne anzufangen - bei neuen
Ausgangspunkten. Die Punkte, von denen wir ausgehen, sind die internen Arbeitsabläufe im
deutschen Parlament und die historische Struktur des Reichstages. Wir haben diese Punkte
detailliert untersucht und dabei für beide Aspekte ein besseres Gespür und ein genaueres
Verständnis gewonnen." (Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung 1993, S.
132) Die Konzept- und Baukommission des Bundestages votierte im Sommer 1993 für die
Beauftragung von Foster und damit für dessen überarbeiteten Wettbewerbsbeitrag. Mit dieser
Entscheidung war der Streit über die äußere Gestalt aber keineswegs beendet.
Im Frühjahr 1994 wurde von der Bundesbaugesellschaft unter Vorgabe des städtebaulichen
Konzeptes von Axel Schultes ein Wettbewerb zu einem "Alsenblock" genannten Bürokomplex für
Bundestagsabgeordnete auf einer nördlich des Reichstags gelegenen Fläche ausgelobt. Dem
Realisierungswettbewerb war ein europaweit ausgeschriebenes Bewerberverfahren vorgeschaltet, in
dessen Folge 55 Architekten als Teilnehmer geladen wurden, darunter die Büros
Krüger/Schubert/Vandreike, Sauerbruch/Hutton, Böhm und Mäckler. Den ersten Preis in diesem
Verfahren errang das Büro Stephan Braunfels mit einer heiteren, nach Süden und Norden
geöffneten, die Büroflächen fassenden Kammstruktur, die sich dem strengen städtebaulichen
Entwurf von Schultes aber dennoch unterordnet. Der mittlere Bauteil nimmt die Sitzungssäle sowie
die Flächen für die Bundestagsbibliothek auf. Dem Baukörper ist zur Spree hin ein turmartiger
Halbzylinder vorgelagert, dessen ausgewiesene Büronutzung vom Preisgericht als Unternutzung
bemängelt wurde (Bundesbaugesellschaft Berlin 1994b, Preisgerichtsprotokoll, S. 11). Der
Haupteingangsbereich ist nach Westen auf einen mit Forum bezeichneten Vorplatz hin orientiert.
Da den Abgeordneten ähnlich wie bei der Bauplatzdiskussion von 1882 ein zusätzlicher Fußweg
von 50 Metern nicht zugemutet werden soll, fordert die Bundesbaugesellschaft eine Abwendung
vom westlich gelegenen "Forum" und eine Zuwendung zum Reichstag nach Süden hin.
Ende 1994 wurde auch der Wettbewerb zum Bundeskanzleramt entschieden. Diesem war wiederum
ein europaweit ausgeschriebenes Bewerbungsverfahren vorgeschaltet, nach dem 41 Büros zum
Wettbewerb geladen wurden, eine mittlerweise übliche Praxis bei den Projekten der
Hauptstadtplanung. Wieder einmal konnte sich die Jury zu keinem eindeutigen Votum durchringen,
vergab zwei erste Preise an die Büros Schultes sowie Krüger, Schubert und Vandreike und verschob
die endgültige Entscheidung auf die politische Ebene. Der Entwurf von Axel Schultes lehnt sich
von außen betrachtet an die Kammstruktur des Alsenblock-Siegerentwurfs von Stephan Braunfels
an und weicht die selbstformulierte scharfe städtebauliche Kante auf. Die über den eigenen
städtebaulichen Entwurf festgelegte Bebauungshöhe vermochte er - nach einer entsprechenden
Intervention des Bundeskanzleramtes - ebenfalls nicht mehr einzuhalten und projektierte einen
zwischen die 22 Meter hohen Verwaltungsbereiche positionierten, erhabenen Baukörper von etwa
143
40 Meter Höhe für den eigentlichen Leitungsbereich. Einer transparenten Lobby mit Blick auf einen
Ehrenhof schließen sich drei Bauteile mit Kabinettsälen und dem Kanzlerbüro an.
Der zweite Siegerentwurf kann eine gewisse Affinität zum neoimperialen Gestus italienischer
Prägung nicht ganz verhehlen. Krüger, Schubert und Vandreike nehmen die scharf gesetzten Kanten
des städtebaulichen Konzepts auf, formulieren die Leitungsbereiche als 36 Meter hohen Kubus, an
den sich nach Westen ein U-förmiger Hof zur Spree hin öffnet und nach Osten eine beinahe
quadratische Anlage mit Ehrenhof für die Verwaltungsbereiche anschließt. In der
Fassadengestaltung sind jeweils zwei Geschosse über ein Pfeilergerüst in Kolossalordnung
zusammengefaßt und durch weite, gebäudehohe Öffnungen zusätzlich gegliedert. Die
Kanzlerresidenz befindet sich auf der Westseite der Spree in einem kleinen Park.
5.5.3. Bereich Lehrter Bahnhof
Zu einem dritten, geschichtsträchtigen Schwerpunkt der Zentrumserweiterung West wurde das
Gebiet um den ehemaligen Lehrter Fernbahnhof. Hintergrund dieser Entwicklung war auch in
diesem Falle die übergeordnete Bahnhofsplanung. Im Juni 1992 beschloß die Bundesregierung das
sogenannte Pilzkonzept. Dieses Konzept sieht die Errichtung eines Fernbahnhofs im Bereich des
heutigen Lehrter Stadtbahnhofs vor, an dem sich die entlang der Stadtbahn geführte Ost-WestFernbahntrasse mit der durch einen Tunnel geführten Nord-Süd-Fernbahntrasse kreuzen soll. Diese
Planung widerspricht der traditionell dezentralen Berliner Eisenbahn- und Stadtstruktur, knüpft aber
zugleich an Zentralisierungskonzepte der Vergangenheit an. Abgelehnt wurde das dezentrale
Ringkonzept, das von einer starken fachlichen Opposition favorisiert wurde und hinsichtlich einer
ausgewogenen Zentrumsstruktur deutliche Pluspunkte aufwies.
Erschlossen werden soll der neue Berliner Zentralbahnhof - ein Begriff, den die Verantwortlichen
von Bahn und Politik eher vermeiden - in erster Linie durch den öffentlichen Schienennahverkehr,
während am zukünftigen "Südbahnhof" an der Papestraße Umsteigemöglichkeiten durch größere
Stellplatzflächen für den motorisierten Individualverkehr vorgesehen sind. Zunächst war die
Anbindung an den öffentlichen Schienennahverkehr über die Stadtbahn und eine neu zu schaffende
U-Bahnlinie vom Alexanderplatz über die Straße Unter den Linden nach Moabit geplant. Nachdem
dieser Planung jedoch gutachterlich (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz
1993b, S. 25) schon 1993 Unzulänglichkeit bescheinigt worden war, entschieden sich die politisch
Verantwortlichen nach langem Hin und Her für den Bau einer S-Bahnlinie vom Potsdamer Platz
über den Lehrter Bahnhof in Richtung Jungfernheide, die in der Vergangenheit schon einmal zur
Diskussion gestanden hatte. Die Realisierungschancen der geplanten neuen U-Bahnlinie sind
zweifelhaft, obwohl die Trasse bereits medienwirksam präsentiert, per Senatsbeschluß abgesegnet
und Finanzhilfe aus Bonn in Aussicht gestellt worden ist. Sie ist in ihrem östlichen Abschnitt
planungsrechtlich nicht abgesichert, und auch die Gesamtfinanzierung bleibt weiterhin unklar.
Fortgeschritten sind dagegen die Planungen für den Bahnhof selbst und das ihn umgebende neue
Stadtviertel. Grundlage aller Projekte im Areal zwischen Stadtbahntrasse und Spree war der gekürte
städtebauliche Entwurf von Axel Schultes, der in seiner Beschreibung formuliert hatte: "Unser
Vorschlag ist es daher, 'Stadt' dort zu machen, wo sie auch ohne Planung hineinwachsen würde: von
der Friedrich-Wilhelm-Stadt und von Moabit aus in das gesamte Areal zwischen Stadtbahn und
Spree. Auch der Hansa-Viertel-Ableger im Moabiter Werder sollte durch ein solides Stück Stadt
ersetzt werden." (Arbeitsgruppe Berlin-Wettbewerbe 1993, S. 46) Bereits im Herbst 1992 wurden
144
die Büros Kleihues sowie von Gerkan, Marg und Partner mit der Erarbeitung einer Bahnhofsstudie
unter Berücksichtigung des direkten baulichen Umfeldes beauftragt. Dabei wurde ein Erhalt des
unter Denkmalschutz stehenden Lehrter Stadtbahnhofs zwar intern diskutiert, aber wegen
angeblicher Undurchführbarkeit schnell verworfen. Der Ort sollte von lästigen Baukörpern befreit
werden. Der Denkmalschutz wurde wieder einmal grob mißachtet. Dabei hätte die Einbeziehung
des Stadtbahnhofs in das Konzept eine interessante Entwurfsaufgabe sein können. Die
Entscheidung fiel zugunsten einer Projektvariante des Büros von Gerkan, das eine in Ost-WestRichtung gekrümmte Bahnhofshalle vorschlug, die von zwei nord-süd-orientierten
Gebäudescheiben geschnitten wird. Der zunächst als Machbarkeitsstudie bezeichnete Entwurf
avancierte infolge der Entscheidungsschwäche der Bahn im Zusammenhang mit der Privatisierung
und Umstrukturierung nachträglich und unter selbst gesetztem Zeitdruck zum Realisierungskonzept
für den neuen Umsteigebahnhof.
Der Bahnhofsentwurf wurde im Sommer 1994 neben dem Schultes-Konzept Grundlage eines von
Tishman Speyer Properties organisierten zweistufigen, beschränkten Wettbewerbverfahrens, zu
dem unter anderem die Büros Dudler, Kleihues, Schultes, Ingenhoven und Ungers geladen wurden.
Wieder einmal waren im Vorfeld des Wettbewerbes die grundlegenden Zielsetzungen umstritten diesmal zwischen der Bahn und Berlin. Immerhin gelang es, die ursprünglich diskutierte bauliche
Dichte deutlich zu reduzieren, den Wohnungsanteil auf immerhin 30 Prozent festzulegen und die
Einzelhandelsflächen zu begrenzen.
Aus der ersten Wettbewerbsstufe wurden vier preiswürdige Arbeiten für eine zweite
Überarbeitungsphase ausgewählt. Schließlich empfahl Preisgericht im Dezember 1994 den Entwurf
von Ungers zur Realisierung. Ungers schlägt zwei nordöstlich und südwestlich des Bahnhofs
gelegene Solitärkörper vor, die - orthogonal zum Bahnhofsgebäude plaziert - Büro- und
Hotelflächen aufnehmen sollen. Zum Streitpunkt wurde die vorgeschlagene Umbauung des
Humboldthafens, die diesen in die Stadtstruktur einbinden soll, ähnlich einer städtebaulichen Geste,
wie sie von Martin Wagner bereits 1930 konzipiert worden war. Nördlich der Invalidenstraße wurde
dem Entwurf des Büros Dudler der Vorzug gegeben, das hier im Gegensatz zu Ungers nach innen
ausgerichtete, geschlossene Blockstrukturen vorsieht, die sich an der Heidestraße orientieren. Eine
Fortführung dieser Struktur nach Norden ist für den Zeitpunkt geplant, an dem der
Containerbahnhof für die zukünftige Trasse der B 95 freigeräumt sein wird.
5.6. Ausblick
Die gegenwärtigen Bemühungen zur Wiederbelebung der Zentrumserweiterung West haben erst gar
nicht den Versuch gewagt, aus den reichen und ernüchternden Erfahrungen der Vergangenheit zu
lernen. Gerade die Planungen in diesem Bereich der Stadt entpuppen sich als Musterfall einer
Retortenplanung, deren irritierendes und umstrittenes Symbol das immer wieder umgeplante, nordsüd-verlaufende Tunnelsystem ist.
Die drei Erweiterungsbereiche Potsdamer Platz samt Umfeld, Spreebogen und Lehrter Fernbahnhof
samt Umfeld wurden weitgehend als isolierte Projekte entwickelt, die nur sehr mühsam und
mangelhaft miteinander vernetzt werden können. Tatsächlich werden sie ja vor allem durch einen
alles andere als städtische Räume bildenden Tunnel verbunden. Natürlich ist die Frage berechtigt,
ob hier überhaupt eine Vernetzung angebracht ist. Das südliche geplante private Bürozentrum wird
vom nördlichen Bürozentrum am künftigen Zentralbahnhof durch den Tiergarten und eine staatliche
145
Regierungslandschaft getrennt, die ihrerseits einen nur beschränkten Passagencharakter hat und
haben soll. Nicht eine Fortsetzung des Zentrums, sondern eine Folge isolierter Areale ist
zwangsläufig die Konsequenz.
Auch zur bestehenden Stadt sind die Verknüpfungen äußerst unzureichend oder nicht angemessen
bedacht. Das Areal um den Potsdamer Platz wird vom historischen Zentrum vermutlich durch einen
öden Abschnitt der Leipziger Straße mit privaten oder staatlichen Büros abgeschnitten sein. Die
Verdrängungspotentiale des Großprojekts im Bereich des südlichen Tiergartenviertels sind nicht
geklärt worden. Das Spreebogenareal soll erst gar nicht mit dem historischen Zentrum in einer
unverkrampften Weise verbunden werden - die Debatte um die Verkehrsführung auf der ClaraZetkin-Straße ist nur ein Ausdruck dieser erwünschten Selbstisolierung. Die große symbolische
Geste des Schultes-Entwurfes als einer "Ost-West-Brücke" wirkt im östlichen Teil eher als formaler
Riegel, der die historische Nord-Süd-Verbindung der Luisenstraße in Frage stellt. Das Areal um den
Lehrter Bahnhof wird durch die historische Stadtraumbarriere der Charité vom historischen
Zentrum abgeschottet, die höchst bedrohlichen Verdrängungspotentiale für Moabit werden
heruntergespielt.
Die Projekte zur Zentrumserweiterung West werfen darüber hinaus eine Grundsatzfrage auf:
Braucht Berlin in absehbarer Zeit eine Zentrumserweiterung für Büroflächen, sind also die
vorhandenen Flächen im historischen Zentrum nicht ausreichend? Der Bedarf an Zentrumsflächen
wurde bereits in der Vergangenheit durch Politik und Planung immer wieder in grotesker Weise
überschätzt. Ist es nicht abzusehen, daß das Angebot der privaten Großprojekte die Entwicklung des
historischen Zentrums, besonders in seinem Ostteil, erheblich behindern wird? Sind diese Projekte
nicht wieder faktisch nur ein weiterer Trumpf in der jahrhundertelangen gegensätzlichen
Entwicklung der westlichen und der östlichen historischen Stadt, ein Trumpf zu Lasten des Ostens?
Welche Auswirkungen hätte eine zögernde Nachfrage auf die Projekte selbst? Wäre dann nicht eine
Stagnation am neuen Zentralbahnhof und eine gebremste Entwicklung am Potsdamer Platz zu
erwarten? Entsprechende Szenarien wurden nicht in Auftrag gegeben - eine der Unterlassungen der
Zentrumsplanung heute.
Schließlich bleibt die Frage nach den Folgen des neuen Lehrter Bahnhofs für das Zentrum. Würde
der Bahnhof wirklich als Zentralbahnhof funktionieren, dann entzöge er der traditionell wenig
hierarchisch geprägten Zentrumsstruktur eine ihrer Grundlagen. Zugleich würde die abseitige Lage
- die Abschottung zum historischen Zentrum wie zur Charlottenburger "City" - dramatisch fühlbar.
Neue, stadtzerstörerische Verkehrsprojekte würden zu neuen Konflikten Anlaß geben, weitere
historische Bauten und Anlagen wären bedroht. Auch hier erweist sich die Verkehrsplanung als die
problematischste und im Hinblick auf eine nachhaltige Zentrumsentwicklung am wenigsten
ausgewogene Planungsebene, als die Achillesferse der Zentrumspolitik.
146
6. Der Kampf um ein Leitbild für das Zentrum von Berlin
Bald sechs Jahre nach dem Fall der Mauer läßt sich langsam erahnen, wie das zukünftige Zentrum
Berlins aussehen wird, wer es besitzen, bestimmen, nutzen wird. Auf dem Papier jedenfalls ist das
offiziell erwünschte Bild zu bewundern, in Modellen sind die Dimensionen der Neubauten zu
erkennen. Der Weg zu diesen Modellen war mit Konflikten gepflastert, die bis heute
weiterschwelen. Von welchen Leitbildern haben sich die Verantwortlichen führen lassen? Wer nach
solchen Orientierungen sucht, wird schnell fündig: Zu unterscheiden sind vor allem zwei
"Leitbilder" - ein städtebauliches, die "kritische Rekonstruktion der Stadt", und ein bauliches, die
"Berlinische Architektur".
6.1. Kritische Rekonstruktion der Stadt?
Der Zusammenbruch der DDR hat nicht nur zu einem funktionalen Vakuum in weiten Bereichen
des alten Zentrums von Berlin geführt, er hatte auch ein planerisches Vakuum zur Folge: Die DDRPlanung wurde außer Kraft gesetzt, und eine neue Planung war nicht sofort verfügbar. Was tun angesichts des großen Investorenandrangs nach der Hauptstadtentscheidung für Berlin? Die
Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen ließ sich ein städtebauliches "Regelwerk"
erarbeiten, das dem baulichen Wildwuchs Einhalt gebieten sollte: das Leitbild der "kritischen
Rekonstruktion des Stadt". Dieses "Regelwerk", eine Art Kompendium einzuhaltender
städtebaulicher Grundsätze, sollte angesichts fehlender Planwerke durch eine Selbstbindung von
Politik und Verwaltung eine relative Verbindlichkeit erhalten und bei den Verhandlungen mit
privaten Investoren die zu beachtenden Rahmenbedingungen fixieren.
Die wesentlichen Prinzipien eines solchen Regelwerks waren bereits am 4. April 1990 als "Charta
für die Mitte von Berlin" vorgelegt worden. Die Verfasser dieser Charta bildeten eine kleine Gruppe
engagierter Fachleute aus Ost und West um Dieter Hoffmann-Axthelm, an der auch Bruno Flierl
mitwirkte: die Gruppe 9. Dezember.
Gegenstand des Regelwerks war zunächst die historische City - die regelmäßigen barocken
Stadterweiterungen der Dorotheen- und Friedrichstadt. Als Autoren fungierten die ehemaligen
Kreuzberger Protagonisten Dieter Hoffmann-Axthelm und Bernhard Strecker, die - anknüpfend an
einen Begriff und ein vorrangig gestalterisches Konzept von Josef Paul Kleihues, des früheren
Direktors der West-Berliner Internationalen Bauausstellung (Neubaubereich) - für den Pariser Platz,
den Bereich um den Bahnhof Friedrichstraße, den Spittelmarkt und schließlich für den gesamten
Bereich der Dorotheen-/Friedrichstadt und des Friedrichswerder 1992 eine städtebauliche
Konzeption im Auftrag der Senatsbauverwaltung entwickelten.
Was bedeutet aber "kritische Rekonstruktion des Stadt"? Im Vordergrund stand die Orientierung
jeder weiteren Zentrumsentwicklung am alten Straßennetz vor 1945, an den
historischen Baufluchten und damit an der typischen, im Laufe der Jahrhunderte sich verdichtenden
Blockstruktur. Die Blöcke wurden zweidimensional als Zusammenfassung von privaten Parzellen
betrachtet, dreidimensional als Resultat der Bauordnungen der Kaiserzeit - mit einer maximalen
Traufhöhe von 22 Metern. Darin erschöpfte sich das Leitbild der "kritischen Rekonstruktion" in
seiner Anfangsphase aber noch keineswegs. Es zielte auch auf eine Anknüpfung an frühere
Nutzungsstrukturen - etwa an das Universitätsviertel, das Medienviertel usw. Und diese
147
Anknüpfungsversuche sollten nicht am Schreibtisch erfolgen, sondern zusammen mit den Nutzern
vor Ort - allerdings mit klar ausgesprochener Distanz und Skepsis seitens der Autoren des
Regelwerks gegenüber den "unter DDR-Bedingungen implantierten Menschen"
(Strecker/Hoffmann-Axthelm 1992c, S. 32).
Ein solches Regelwerk war ein "West-Berliner" Leitbild, wenngleich sich in den achtziger Jahren
auch in Ost-Berlin eine Rückorientierung auf die historische Stadt angekündigt hatte. Es hatte die
Erfahrungen der Internationalen Bauausstellung als Hintergrund - im Bereich Altbau wie Neubau -,
Erfahrungen, die mit den Ost-Berliner Projekten des Nikolaiviertels, der Otto-Grotewohl-Straße
und der Friedrichstraße nur begrenzte Gemeinsamkeiten aufwiesen. Immerhin schien es im Kontext
allgemeiner Unsicherheiten einen Weg zu weisen, der auch in kritischen Fachkreisen des Westteils
der Stadt Anerkennung fand. Es korrespondierte im übrigen mit einem positiv besetzten
"europäischen Stadtmodell" und dessen Elementen "Haus, Block, Straße, Platz", einem Modell, das
vor allem in der Auseinandersetzung um die Gestaltung des Potsdamer Platzes erstmals eine große
Rolle spielte.
Konzeptionell war die "kritische Rekonstruktion" also durchaus ein richtungsweisender Ansatz. Sie
verdeutlichte, daß angesichts fehlender Plangrundlagen eine Orientierung gefunden werden mußte;
sie leistete zugleich einen Beitrag, den Streit um die weitere Entwicklung zu strukturieren; sie gab
keine deterministischen Lösungen vor, sondern ermöglichte eine Auseinandersetzung im Detail; sie
grenzte den DDR-Städtebau nicht von vornherein aus; sie sperrte sich nicht dem Einbezug aktueller
städtebaulicher und architektonischer Themen; sie vernetzte gestalterische und funktionale Aspekte;
und sie ermöglichte einen ost-west-übergreifenden Dialog. Kurz: sie war flexibel, komplex und
undogmatisch.
Im Rückblick stellt sich das Leitbild "kritische Rekonstruktion der Stadt" allerdings etwas
widersprüchlicher dar, als Ausdruck von Widersprüchen, die im Konzept angelegt waren, mit
diesem aber nicht notwendig verhaftet sind. Oder mit anderen Worten: das Konzept versprach
zunächst Flexibilität, die bald einer Dogmatisierung weichen mußte.
Tatsächlich waren ja die Dorotheen- und Friedrichstadt ein guter Ausgangspunkt, um das Leitbild
zu entfalten und zu erläutern. Dieser historische Citybereich war in seiner städtebaulichen
Grundstruktur noch weitgehend erhalten, in der DDR-Zeit wurde er - trotz mancher
grundrißverändernder Planungen - partiell respektiert (Unter den Linden und Platz der Akademie)
und nur im östlichen Bereich der Leipziger Straße und an der Otto-Grotewohl-Straße weitgehend
negiert. Das im August 1992 publizierte Gutachten "Städtebaulicher Strukturplan - Kritische
Rekonstruktion des Bereichs: Friedrichswerder, Friedrichstadt, Dorotheenstadt" von Dieter
Hoffmann-Axthelm und Bernhard Strecker schlug vor, den überkommenen Stadtgrundriß nicht
anzustasten und die Veränderungen der DDR-Zeit im Bereich der östlichen Leipziger Straße wieder
möglichst zurückzunehmen.
Dieses Gutachten wäre eine gute Diskussionsgrundlage gewesen. Leider war es aber nicht der
Ausgangspunkt einer Diskussion, sondern schon ihr Ende. Nach diesem Gutachten wurde das
Konzept vergröbert und dogmatisiert. Dabei spielten folgende Punkte eine Rolle:
* Der DDR-Städtebau wurde a priori als Störung der Stadt betrachtet; allein deren Form vor 1945
schien heilig. Deutlich wurde das zuerst an der östlichen Leipziger Straße. Obwohl diese SechzigerJahre-Neuauflage der Stalinallee eine geschlossene städtebauliche Figur darstellte und die
Forderung nach Mischung der Funktionen besser als viele westliche Zentrumsstraßen erfüllte,
wurde ein Bruch mit dieser Figur anvisiert. Da damit auch eine Reduktion der Fahrbahnen und so
des Kraftfahrzeugverkehrs verbunden war, schien ein solcher Rückbau auf den ersten Blick
wünschenswert. Die weitere Entwicklung hat aber gezeigt, daß der programmierte Rückbau der
148
Leipziger Straße ein Verständnis von kritischer Rekonstruktion verfestigte, das als Orientierung
allein die Verhältnisse vor 1945 duldete. Die kulturelle Diskriminierung der Leipziger Straße
läutete eine Phase der pauschalen Mißachtung des "modernen" DDR-Städtebaus ein, die im
konzeptionellen Abrißrausch am Alexanderplatz und Marx-Engels-Platz ihren Höhepunkt fand. Um
kein Mißverständnis zu erzeugen: Ein Rückbau von Fahrstraßen nicht nur in der Leipziger Straße,
sondern im gesamten Zentrum ist kurz- bis mittelfristig unerläßlich, doch ein solcher Rückbau
erfordert keineswegs zwingend Neubauten auf dem jetzigen Straßengelände.
* In der Praxis wurde das Konzept des Blocks als Zusammenfassung von privaten Parzellen nicht
weiter verfolgt. Das wieder ins Recht gesetzte Privateigentum wurde nicht zum Gegenstand
innovativer stadtpolitischer Gestaltungskraft. An Großinvestoren wurden teilweise ganze Blöcke
vergeben - zum einen wollten das die Investoren, zum anderen erleichterte das der öffentlichen
Hand die Arbeit. Ein Denken in Parzellen, so die These, wäre anachronistisch, der heutigen
Immobilienwirtschaft nicht angemessen. Eines ist aber gewiß: In anderen Großstädten müssen sich
die Investoren auch mit den verfügbaren, das heißt zumeist kleineren Flächen begnügen, und das
Zentrum von Berlin wird in einer Art und Weise "zeitgemäß" sein wie kein anderes großstädtisches
Zentrum in Europa - als Konglomerat von Großblöcken in jeweils einer einzigen Hand mit all den
Problemen der Monotonie in Gestalt und Funktion. Die Versuche insbesondere von Josef Paul
Kleihues, dieses Schlüsselproblem wenigstens gestalterisch durch eine Parzellensimulation mit
architektonischen Mitteln ("Baukastenprinzip") zu entschärfen, sind sicher begrüßenswert, führen
aber - falls keine eigentumsrechtliche Teilung folgt - bestenfalls zu einer gefälligeren Kulisse.
* Die angestrebte kleinräumliche Differenzierung der Nutzung wurde faktisch aufgegeben. Wieder
haben sich die Gesetze des Immobilienmarktes durchgesetzt: Die ersten Investoren haben nicht für
sich, sondern für noch zu findende Nutzer gebaut. Entsprechend schematisch war ihr bauliches
Konzept: hauptsächlich Büros des gehobenen Durchschnitts, garniert mit - hier griff das
Grobkonzept des Regelwerks - "Cafés" oder anderen gastronomischen Einrichtungen und einigen
wenigen Wohnungen (Zielvorgabe 20 Prozent). Damit wurde - nach der Aufgabe eines durch
Parzellen differenzierten Blocktyps - auch eine an differenzierte Nutzer adressierte Architektur
unmöglich. Ein Normmodell von "Tortenarchitektur" mußte das Ergebnis sein.
* Durch die richtige, aber einseitige Betonung der Traufhöhe von 22 Metern plus (weniger
vertretbaren) zwei weiteren zurückgesetzten Geschossen geriet das Bauen unter der Erde in eine
unkontrollierte Grauzone. Warum sollte das Prinzip der kritischen Rekonstruktion nur oberhalb der
Erde gelten? Jedenfalls wurde die Festsetzung einer das Höhlenwesen begrenzenden
"unterirdischen Trauflinie" unterlassen. Folge dieses Versäumnisses waren gesamtstädtisch nicht
akzeptable, überzogene bauliche Dichten, die den Interessen der Investoren entgegenkommen, ja
Hochhäuser, die in die Erde versenkt werden. Eine weitere Nebenwirkung wurde erst 1994 richtig
sichtbar: Eine die historischen Werte bei weitem übersteigende Dichte verstärkte treibhausmäßig
das Bestreben, die überkommenen Altbauten abzureißen und durch lukrativere Neubauten mit
weitaus höherer Geschoßflächenzahl zu ersetzen. Die absehbaren Abrißwünsche wurden auch nicht
durch eine Satzung schon im Vorfeld gebremst. Schließlich gab es noch ein weiteres Problem: die
Unzahl der Kfz-Stellplätze, die in den Tiefgeschossen verortet wurden. Diese großen, für das Auto
reservierten Zentrumsflächen werden unverträglich viel Autoverkehr ins Zentrum saugen.
* Damit ist ein weiterer Schwachpunkt benannt: das fehlende zukunftsweisende Verkehrskonzept.
Dies ist nicht so sehr der Bauverwaltung, sondern vor allem der Verkehrsverwaltung anzulasten.
Das Zentrum einer europäischen Großstadt von morgen wird keinen Platz mehr für den normalen
privaten Kfz-Verkehr von heute haben. Das Konzept der "kritischen Rekonstruktion" erlaubt eine
solche Interpretation, ja legt sie nahe. Der Streit um den Verkehr in der Straße Unter den Linden, in
der Leipziger Straße und zwischen diesen Hauptstraßen zeigt aber die Widersprüchlichkeit der
Positionen im Senat selbst. Eine Folge dieser Widersprüchlichkeit ist das Einfrieren des geplanten
149
Rückbaus der Leipziger Straße durch eine Neubauzeile. Damit ist ein zentrales Problem des
Leitbildes angesprochen: Das Regelwerk ist nicht politisch abgestimmt, es wird nicht von einer
breiten Mehrheit im Senat und Abgeordnetenhaus getragen, sondern spiegelt vor allem die Position
eines Ressorts wider - der Senatsbauverwaltung.
* Die politische Schwäche des Konzepts ist allerdings noch tiefgreifender. Es ist das Produkt eines
Verwaltungsauftrags und wurde von der Verwaltung in seiner Komplexität reduziert und
schematisiert. Das mag in den Handlungserfordernissen einer Administration begründet sein. Aber
ein städtebauliches Leitbild für das Zentrum einer Großstadt läßt sich nicht durch einen Auftrag
erstellen. Es setzt eine breite fachliche und öffentliche Debatte voraus, in der das Konzept zu
bestehen hat und in der es sich festigt - wenngleich mit Modifikationen. Diese unumgängliche
Debatte hat nicht stattgefunden. Dies ist um so gravierender, als es als "westliches" Konzept in
einen Konsensprozeß mit Bürgern und Fachleuten des Ostteils der Stadt hätte einmünden müssen.
Nun ist es sicher allzu einfach, wenn man die Schuld an diesen Versäumnissen allein der
Stadtpolitik und Verwaltung in die Schuhe schiebt, denn auch die Verbände und vor allem die
Universitäten haben ihre "Hausaufgaben" nicht gemacht.
Die eigentliche Krise des Konzepts offenbarte sich allerdings erst bei den Bauprojekten im Bereich
des "alten" Berlin. Historisch war das Zentrum von Berlin immer und fundamental vom Gegensatz
zwischen der eigentlichen City auf dem Boden der regelmäßigen barocken Stadterweiterungen und
der "zurückgebliebenen" Altstadt auf dem Boden und im Umfeld der mittelalterlichen Doppelstadt
Berlin-Cölln gekennzeichnet. Die Altstadt war seit Beginn der Kaiserzeit Gegenstand radikaler
Umgestaltungsplanungen, die nur zum Teil verwirklicht wurden. Ziel war immer gewesen, die
"rückständige" Altstadt strukturell der eigentlichen City im westlichen Teilzentrum anzupassen. In
der DDR-Zeit wurde diese alte Sehnsucht auf durchaus eigenständige Weise im Geiste der
sechziger Jahre materialisiert - wenn auch auf Kosten des alten westlichen Teilzentrums. Der große
Freiraum zwischen Alexanderplatz und Marx-Engels-Platz ist der markanteste Ausdruck dieser
DDR-Planung.
Was soll unter diesen komplizierten strukturellen Verhältnissen "kritische Rekonstruktion der (Alt)Stadt" heißen? Etwa Orientierung an der Zeit vor 1871 oder vor 1914 oder vor 1945, Orientierung
nur am realen Grundriß oder etwa an den Planungen eines Martin Wagners? Und was ist mit den
Schöpfungen des DDR-Städtebaus? Die Unsicherheiten sind kolossal, die Hilflosigkeit gebiert
Kahlschlagphantasien, die Legitimationen hinsichtlich des Umgangs mit dem Stadtgrundriß sind
äußerst dürftig.
Deutlich wurde das vor allem am Alexanderplatz und auf der Spreeinsel. Für beide Orte wurden
groß angelegte städtebauliche Ideenwettbewerbe ausgelobt - mit westlich dominiertem Programm,
mit westlich dominiertem Preisgericht. Das Ergebnis war - hinsichtlich der Kultur des Städtebaus niederschmetternd: Eine archaische Kahlschlagorientierung gegenüber den DDR-Bauten wurde
prämiiert, eine nüchterne Auseinandersetzung mit den Bauten unterblieb, Fachleute aus dem Osten
wurden ausgegrenzt, Bürger aus dem Osten nicht ernst genommen.
Eine Alternative zur Negation des DDR-Städtebaus im Bereich der ehemaligen Altstadt wurde
bereits zu Beginn der neunziger Jahre im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und
Umweltschutz erarbeitet. Der im Juni 1992 veröffentlichte Vorschlag für ein städtebauliches
Leitbild "Spreeinsel" der Arbeitsgemeinschaft Jahn,,Kny, Machleidt, Müller und Schäche stellt
einen bemerkenswerten Beitrag zum Thema "kritische Rekonstruktion der Stadt" dar. Empfohlen
wurde, an die historische Stadt anzuknüpfen, ohne die Zeugnisse der DDR in großem Maßstab
abzuräumen. Dies galt auch für den Palast der Republik und das Staatsratsgebäude. Selbst der
Freiraum zwischen Spree und Alexanderplatz sollte erhalten werden - wenn auch in seiner Breite
verkleinert. Zweifellos gibt es an diesem Konzept aus heutiger Sicht auch Kritikpunkte - so etwa
150
die schematische Nachverdichtung der Fischerinsel. Leider wurde aber auch dieser inzwischen
"historische" Vorschlag nicht zum Gegenstand einer breiten öffentlichen Diskussion.
Heute scheinen die Weichen stadtpolitisch unwiderruflich gestellt zu sein. Trotzdem repräsentieren
die Modelle des neuen Zentrums noch einen Papierstädtebau, der die ehemalige Altstadt im übrigen
weitgehend ausspart. Und manches wird - so bleibt zu hoffen - nicht so kommen, wie es die
Modelle verkünden. Dazu werden die regionalwirtschaftliche Situation beitragen, die Krise des
Büroraummarktes, dann die Sparzwänge der öffentlichen Hand, natürlich auch die Wahlen in Berlin
und nicht zuletzt der Protest der Fachleute und Bewohner. Daß im Zuge der zu erwartenden
Revision der Pläne auch das Leitbild der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" aufgegeben wird,
wäre nicht unsere Option und Hoffnung. Das Berliner Zentrum braucht ein städtebauliches
Regelwerk, das sich auf die vielfältigen Traditionen Berlins und der europäischen Stadt bezieht!
Nicht die Aufgabe, sondern die Weiterentwicklung des Leitbildes wäre das richtige Ziel: möglichst
weitgehende Einbindung auch des DDR-Städtebaus, offensive Orientierung auf einen Ost-WestKonsens, radikale Reduzierung des privaten Autoverkehrs sowie (dort, wo noch möglich) die
Festsetzung einer "unterirdischen Traufhöhe" und die kleinräumige Differenzierung von
Eigentums-, Nutzungs- und Sozialstruktur - das wären Essentials einer solchen Weiterentwicklung.
Vielleicht wird im Zuge einer solchen Qualifizierung auch ein neuer Begriff gefunden, der die
inzwischen etwas belastete "kritische Rekonstruktion der Stadt" ablöst bzw. in einem erweiterten
Konzept aufhebt.
6.2. Berlinische Architektur?
Deutlich jünger als das städtebauliche Leitbild "kritische Rekonstruktion der Stadt" ist die
Bestimmung eines architektonischen Leitbildes. Das hat seinen guten Grund: In der Hektik des
Berliner Zentrumsumbaus galt es zunächst, einen städtebaulichen Rahmen zu setzen. Die Frage
nach der baulichen Form folgte dann im Kielwasser der Bauprojekte. Daher grassiert erst seit 1993
ein neues, streitstiftendes Schlagwort in Berlin - die "Berlinische Architektur". Kaum ein Wort hat
die Fachwelt nach 1989 derart in Wallung versetzt wie dieses. Voraussetzung dafür war seine
Herkunft - aus den Büros der Senatsbauverwaltung, nicht aus den Salons der
architekturtheoretischen Diskussion.
Das Nachdenken über Berlinische Architektur ist sicher keine gänzlich neue Erscheinung. Die
Tradition einer solchen Reflexion ist aber weitgehend verschüttet, unterbrochen vor allem durch
den Siegeszug der "modernen" Nachkriegsarchitektur. Wer kennt denn heute mehr als die Titel der
berühmten Schriften der Architekturkritiker Karl Scheffler ("Berlin - Ein Stadtschicksal", 1910) und
Werner Hegemann ("Das steinerne Berlin", 1930), aber auch von Arthur Moeller van den Bruck
("Der preußische Stil", 1916/1931), dem Vordenker der konservativen Revolution in der Weimarer
Republik? Die Tradition des Nachdenkens über Berlinische Architektur ist methodisch wie
inhaltlich keineswegs homogen, sondern sehr vielfältig. So zielen Karl Scheffler und Werner
Hegemann eher auf eine Kritik der Berlinischen Architektur, während Arthur Moeller van den
Bruck die Entdeckung eines vorbildhaften preußischen Stils behauptet. Allen Denkern von gestern
ist aber eine relativ komplexe Argumentationsmethode eigentümlich: Architektur wird nicht aus
ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang isoliert, sondern als Ausdruck dieses Zusammenhangs
beschrieben. Berlin wird nicht nur als materieller Ort verstanden, sondern auch als Ort mit
gesellschaftlichen Besonderheiten, die sich in der Architektur widerspiegeln, als Ort, der auch
räumlich nicht isoliert werden darf, sondern einen größeren Raum, etwa Preußen, zumindest aber
Potsdam mit thematisieren muß. Damit ist die historische Rolle Berlins als Kolonialstadt
angesprochen.
Für die Architektur in Berlin und Potsdam während der Aufbauära des 18. Jahrhunderts war vor
allem der Widerspruch zwischen den Bauprogrammen der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und
151
Friedrich II. prägend: Den schlichten, in Reih und Glied aufgestellten Zweckbauten mit
Soldatenstuben wurden die prächtigen, oft nach Architekturlehrbüchern kopierten Fassaden an
Bauten, deren Zweckmäßigkeit dem schönen Schein untergeordnet wurde, entgegengesetzt. Beide
Programme hatten eines gemeinsam: Sie waren von oben verordnet, Resultate eines Kommandos,
mit Nachdruck oder Zuschüssen erzwungen. Anspruchslose Bescheidenheit und inszenierte
Prächtigkeit, die sich später in der Kaiserzeit zur aufdringlichen Parvenühaftigkeit steigerte - in
diesem Widerspruch entfalteten sich die Berliner Bautraditionen. Für die kultivierte Zwischenstufe,
so etwa das Resümee von Karl Scheffler, blieb in der ständig überformten Stadt des Ostens nur
wenig Raum. Berlin ist "so recht eine Hauptstadt der Halbbildung". Hier konnte sich keine
bürgerliche Mittelklasse mit differenzierter Kulturtradition entfalten.
Anders als bei den Denkern der Vergangenheit ist das Konzept der "Berlinischen Architektur" heute
das idealistische Produkt einer unzulässig vereinfachenden Methode, ein Kunstprodukt ohne solides
Fundament. Präsentiert wird eine Perlenkette genialer Architekten, die für das Bauen in Berlin
stehen sollen: etwa Friedrich Gilly, Karl Friedrich Schinkel, Alfred Messel, Peter Behrens, Ludwig
Mies van der Rohe, Max Taut, dazu die heutigen Architekten Josef Paul Kleihues, Hans Kollhoff
und Jürgen Sawade. Das bauliche Werk dieser Architekten wird mit einem Strauß wohlfeiler
Adjektive geschmückt, die das Berlinische verdeutlichen sollen - so etwa sparsam, einfach,
dauerhaft, nüchtern, zweckmäßig, spartanisch, karg und rational, unsentimental. Der
gesellschaftliche Kontext des Wirkens dieser Architekten bleibt im Dunkeln - etwa die Tradition
einer Kolonialstadt des Ostens, die Besonderheiten Preußens, die Eigenschaften der Herrscher und
der herrschenden Kaste. Die unzulässige Methode führt dazu, daß zwei wichtige, Berlin prägende
Gebäudetypen schlicht ausgeblendet werden: die Mietskaserne und der DDR-Plattenbau. Das
"Steinerne" der Berliner Architektur gerinnt angesichts dieser Schwäche zum Glaubenssatz. Noch
für Werner Hegemann war das "steinerne Berlin" kein erstrebenswertes Ziel, kein Problem der
Architektur, geschweige denn ein Thema des Fassadenmaterials, sondern ein Ergebnis des
verfehlten Berliner Städtebaus, ein Synonym für die verhaßte "größte Mietkasernenstadt der Welt".
Die "Berlinische Architektur" heute ist ein Konzept der Verkündigung von oben, nicht eines breiten
Konsenses, ein Konzept, das nicht durch das Feuer einer breiten Fachdebatte gegangen ist. Es ist im
wesentlichen das Ergebnis einer einzigen Tagung, die von der Senatsbauverwaltung am 15. und 16.
Juni 1993 unter dem Titel "Auf dem Wege zu einer Neuen Berlinischen Architektur?" im Rahmen
der Berliner Bauwochen veranstaltet wurde. Der Titel, so Senatsbaudirektor Hans Stimmann, "hatte
bewußt ein Fragezeichen" (1994a, S. 9). Die Ergebnisse dieser Tagung liegen als Publikation vor.
Sie zeigen, daß von einem Konsens über das Konzept einer "Berlinischen Architektur" selbst auf
dieser Tagung überhaupt nicht gesprochen werden kann. Dennoch wurde das Konzept nicht
modifiziert, sondern als Leitbild verordnet. Aus dem Fragezeichen wurde ein Ausrufezeichen. Eine
Kritik am Verkündigungskonzept richtet sich nicht nur an die Senatsbauverwaltung, sondern vor
allem an die übrigen Institutionen dieser Stadt, die im Konzert der Leitbildfindung eine Rolle
spielen müßten.
Das Konzept der "Berlinischen Architektur" heute ist ein westliches Konzept, das der
wiedervereinigten Stadt nicht angemessen ist. Ost-Berlin, die ehemalige Hauptstadt der DDR, ihre
Architektur und ihre Architekten kommen in diesem Konzept nicht vor, obwohl etwa das
Programm der "kritischen Aneignung wertvoller Architekturtraditionen" (Kurt Liebknecht 1951)
und sein herausragendes Resultat, die Stalinallee, als ein Vorläufer des heutigen Konzepts
betrachtet werden können. Aber auch das industrialisierte Bauen ist kein originäres Produkt der
DDR, sondern eine mögliche, wenn auch nicht notwendige Fortsetzung einer (nicht nur) Berliner
Traditionslinie. Auf der Tagung der Senatsbauverwaltung gab es nicht einmal im Ansatz eine
ernsthafte Auseinandersetzung mit der Architektur in Ost-Berlin nach 1945, Ost-Architekten
wurden erst gar nicht beteiligt. Ein solches Vorgehen dient nicht dem Zusammenwachsen der Stadt.
152
Die Argumente der Gegner des Konzepts der Berlinischen Architektur sind oft genauso unzulässig
vereinfachend wie die Argumente der Befürworter. Wenn etwa Heinrich Klotz von "Kollhoffs
Stadt" spricht, hat er dann wirklich vergessen, wem die Stadt gehört? Wenn er von der Monotonie
des Baublocks redet, meint er dann wirklich, daß vor allem die bauliche Form Monotonie gebiert?
Wenn wir die propagandistischen Bilder des attackierten Architektentrios Kleihues, Kollhoff,
Sawade nüchtern studieren, sehen wir dann - wie Klotz suggeriert - ein "Berlin der Vergangenheit"
oder gar "Anklänge an die faschistische Architektur"? Gerade der modische Verweis auf die
angebliche Faschismusverwandtschaft zeigt eine erschreckende Unkenntnis, ja Verharmlosung der
gesellschaftlichen Verhältnisse der nationalsozialistischen Zeit.
So bleiben auch die Gegner merkwürdig kurzatmig, sie verweisen ebenfalls auf eine Perlenschnur
genialer, wenn auch anderer Architekten, auch sie geizen nicht mit Adjektiven - zur Abwertung des
Konzepts der "Berlinischen Architektur". Erinnert sei an Begriffe wie "konservativ", "reaktionär",
"antiliberal", "latent nationalistisch", "antiamerikanisch", "politisch gefährlich". Bedenklich sind
hastige Wertungen, die nicht auf einer Analyse der Verhältnisse beruhen. Der vielfach bejubelte
Begriff "Neuteutonia" ist ein Höhepunkt dieser medial wirksamen Verflachung. Die Komplexität
eines Karl Scheffler und eines Werner Hegemann scheint heute unerreichbar. Doch halt: es gibt sie
noch - etwa in den Schriften von Bruno Flierl und Dieter Hoffmann-Axthelm. Um
Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht hier um die Methode der Argumentation, um die
Argumente muß weiter gestritten werden.
6.3. Ein Regelwerk für den Städtebau, eine Streitkultur fürdie Architektur
In Zukunft sollten zwei zu unterscheidende Aufgaben getrennt werden: zum einen das Ringen um
die präzisierende Definition von städtebaulichen, rahmensetzenden Regeln, zum anderen der Streit
um die architektonische Gestaltung der neuen Bauten in Berlin.
Die künftigen Regeln sollten städtebaulicher und nicht zugleich architektonischer Art sein.
Städtebauliche Regeln sind auch und gerade in Berlin heute unverzichtbar. Dazu gehört das Bauen
im städtischen Kontext, das Bauen an der Straße, im Block, auf der Parzelle; dazu gehört ein Streit
um die Traditionen der europäischen Stadt und die "kritische Rekonstruktion der Stadt"; dazu
gehört vor allem ein Streit um die bauliche Dichte, um die erforderliche funktionale, soziale und
bauliche Mischung sowie um die ökologischen Erfordernisse. Traufhöhen sind zweifellos ein nicht
zu unterschätzender Teil dieses Streites, aber nicht nur oberirdische, sondern auch unterirdische
Traufhöhen. Es geht also nicht in erster Linie um ästhetische Konzepte, sondern um das Konzept
von Stadt überhaupt, um die nachhaltige Weiterentwicklung der "Stadt als soziale Form". Darauf
verweist Dieter Hoffmann-Axthelm auch in "ARCH+" - im offenen Widerspruch zu anderen
Autoren in diesem Heft: "Wir müssen uns also erst einmal darüber streiten, wofür die Architektur
gebraucht wird." (1994a, S. 13)
Im Zentrum der Diskussion um eine neue Architektur in Berlin müssen vor allem die neuen
Bauaufgaben in dieser Stadt stehen: an der Peripherie das städtische, durchmischte Wohnen, im
Zentrum von Berlin das funktional gemischte Gebäude, das sich nicht als Solitär versteht. Es geht ja
gar nicht um eine Fortsetzung der widersprüchlichen Tradition des Berliner Geschäftshauses,
sondern um die Gestaltung einer wieder neuen Bauaufgabe: den Bau eines "gemischtgenutzten
Geschäftshauses" mit städtischen Einrichtungen und Wohnungen, eines Bautypus, der flexibel ist
für sich verändernde Nutzungsmischungen. Beim Ringen um die architektonische Gestaltung
müssen Experiment und Vielfalt möglich sein - im Rahmen der städtebaulichen Regeln. Daß dieses
Ringen um Gestaltung in einem gesellschaftlichen Kontext vor sich geht, dessen Mangel an solider,
konsensstiftender kultureller Tradition auf seiten der Politik wie der Bauherren durchaus an die von
Karl Scheffler geschilderten Zeiten erinnert, zeigt die Größe der Aufgabe. Die Stadtpolitik ist in der
Pflicht, auch architektonische Qualität einzufordern - bei allen Schwierigkeiten, Qualität zu
153
definieren. Es geht im übrigen aber nicht nur um Neubau, sondern auch um die Weiterverwendung
des Altbaus, um eine Strategie gegen den Abriß. Mit anderen Worten: der Streit um "Berlinische
Architektur" muß fruchtbar gewendet werden.
154
7. Perspektiven
Der historische Stadtraum ist ein relativ neues Thema, nicht nur der Berliner Städtebaudiskussion.
Die Wiederentdeckung des historischen Stadtraums beinhaltet die Absage an das Konzept eines
modernistischen Menschen, der sich nur durch ideelle und materielle Verschrottung des
Vergangenen emanzipieren kann; sie impliziert die Anerkennung des Menschen als "homo memor",
dessen Dasein die Erinnerung, die Verarbeitung des Gewesenen, die Transformation des
Überkommenen umfaßt.
Der Kultur des Respekts vor der historischen Stadt war in West-Berlin seit den achtziger Jahren
konsensfähig. Sie entstand in der Auseinandersetzung mit dem Städtebau der fünfziger, sechziger
und frühen siebziger Jahre und erhielt mit der 750-Jahr-Feier der Stadt zusätzlichen Rückenwind.
Diese Kultur hatte allerdings auch ihre Grenzen: Sie orientierte sich in erster Linie an den
Stadterweiterungen der Kaiserzeit, sie bezog sich vor allem auf Sanierungsgebiete, und sie war
nicht in dem Maße wie heute mit massiven Nutzungsansprüchen auswärtiger Akteure oder mit der
Aufmerksamkeit einer äußerst kritischen, überlokalen Öffentlichkeit konfrontiert.
Dies stellt sich hinsichtlich der Stadtmitte Berlins heute völlig anders dar. Das westliche Wissen um
das historische Zentrum ist in den letzten Jahrzehnten verkümmert, die Frage nach öffentlich zu
erstreitenden städtebaulichen Regeln hat sich erst gar nicht gestellt, und demokratische Verfahren
haben außerhalb der Sanierungsgebiete keine Tradition. Für die Keimformen einer vergleichbaren
östlichen Kultur war vor wie nach 1989 das Klima sehr ungünstig.
Es geht aber nicht nur um den Respekt für den historischen Stadtraum, sondern auch um die
Erfahrungen mit der Erneuerung dieses Zentrums, den Motiven, Zielen, Erfolgen und Mißerfolgen
der Planungen von gestern. Die Probleme des Zentrums wie die bevorzugten Orte der planerischen
Intervention heute sind nicht gänzlich neuartig, im Gegenteil: Hier zeigt sich eine erstaunliche
Persistenz. Unterschiedlich sind die jeweiligen zeitgenössischen Bewertungen einer Situation - und
deshalb auch die Problemlösungsstrategien.
Damit ist auch eine Antwort auf die Grundsatzfrage möglich: Was bringt uns die
Auseinandersetzung mit den Zeugnissen von gestern? Sie bringt natürlich keine aus der Geschichte
selbst abzuleitenden Rezepte, sie ermöglicht aber ein Erfahrungswissen, das mit den aktuellen
Anforderungen an eine bessere Stadt konfrontiert werden muß, an eine Stadt, die nachhaltige
Qualitäten in sozialer, kultureller, ökologischer und wirtschafticher Hinsicht besitzt. Jede
Generation muß ihre Interpretation der Geschichte vor dem Hintergrund aktueller, an den
Erfahrungen der Vergangenheit geschärfter Erfordernisse wieder neu finden. Welche Zielsetzungen
für ein Zentrum von morgen lassen sich aus dem Blick zurück ableiten?
7.1. Berlin - eine europäischen Stadt?
Jede europäische Großstadt ist durch spezifische historische Schichtungen geprägt, die das Bild, die
Erinnerungen an diese Stadt bestimmten, ihre Bekanntheit auch anderswo. Berlin ist zu Recht vor
allem als Stadt des späten 19. Jahrhunderts berühmt geworden, als Großstadt, die wie keine andere
Hauptstadt - abgesehen von Budapest - ihre Gestalt in der Kaiserzeit erhalten hat. Im historischen
Zentrum zeugte - bis zum Zweiten Weltkrieg - vor allem der Baubestand von dieser Blütezeit. Der
Stadtgrundriß der Berliner Mitte war dagegen wesentlich ein Produkt des Absolutismus: Das gilt
nicht nur für den regelmäßigen Grundriß der Dorotheen- und der Friedrichstadt, für den eher
unregelmäßigen Grundriß des Friedrichswerder, der Spandauer Vorstadt und der Königstadt, für die
Schloßlandschaft im Norden der Spreeinsel, ja die Form der Insel überhaupt, sondern auch 155
indirekt - für den Grundriß der damals vernachlässigten und daher partiell erhaltenen
mittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Cölln.
Der in der Zeit des Absolutismus gefestigte und später nur mehr modifizierte Zentrumsgrundriß
wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg, in der DDR-Zeit, teilweise - vor allem in der Altstadt durch radikal neue Grundrißfiguren überformt bzw. aufgelöst. Diese neuen Raumfiguren sind
zugleich das Zeugnis einer Besonderheit Berlins - Zeugnis der gespaltenen Stadt, Erinnerung an die
Hauptstadt des "kalten Krieges" zwischen Ost und West.
7.1.1. Das in Baublöcken organisierte Parzellensystem
Der regelmäßige Baublock war nur ein Element des historischen Grundrißspektrums, allerdings
eine besonders wichtige: In der durch Baublöcke gegliederten Dorotheen- und Friedrichstadt konnte
sich die City der Kaiserzeit am besten entfalten. Die eigentliche Entwicklungseinheit war aber nicht
der Block, sondern der Platz bzw. die Straße mit den angrenzenden Parzellen. Die bebaute Parzelle
unterschied eine Vorder- und eine Rückseite, sie erlaubte eine Schichtung der Nutzungen in
doppelter Richtung: einmal vertikal vor allem im Hauptgebäude an der Straße und horizontal in die
Tiefe des Blockes hinein.
Die städtische Entwicklung vollzog sich bekanntlich in einer sehr flexiblen Weise: Im Zuge der
Modifikation der Lagequalität einer Straße oder eines Platzes veränderten sich auch die Bebauung
und die Nutzung - aber nicht zum gleichen Zeitpunkt und nicht auf allen Parzellen. Diese
parzellenbezogene Entwicklung hatte zweifellos ihre Vorteile: Sie vollzog Veränderungen in einem
längeren Prozeß, vermittelte Kontinuität und Bruch, erleichterte die öffentliche Auseinandersetzung
um die Veränderung und damit auch Korrekturen, und sie machte den Bruch leichter erträglich. Vor
allem aber sicherte dieser Prozeß eine Erlebnisvielfalt infolge der kleinräumig erfahrbaren
"Ungleichzeitigkeit" des jeweiligen Zustandes - einer Ungleichzeitigkeit, die den nicht
gleichschaltbaren unterschiedlichen Perspektiven der jeweiligen Eigentümer und Nutzer der
Parzellen entsprach. Ein solcher Prozeß verzögerte die Konzentration von Parzellen und setzte einer
privaten Veränderung der Blockgrenzen und damit des Straßensystems nahezu unüberwindliche
Schranken.
Die letztlich positive Wirkung der Parzellenstruktur wurde durch die Herausbildung von Groß- und
Riesenparzellen in Frage gestellt. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Beanspruchung von
großen Flächen für herrschaftliche Funktionen - etwa für das Schloß, das Zeughaus, den Marstall.
Im 19. Jahrhundert wurden staatliche Institutionen zu Produzenten parzellenfressender
Großstrukturen: etwa die staatliche Bank auf dem Friedrichswerder, die Post in Alt-Berlin, die Stadt
mit ihrem Rathaus, das Justizwesen, die Ministerien, insbesondere das Kriegsministerium. Dagegen
waren private Investoren weniger erfolgreich: Das sich ausweitende Kaufhaus Hertzog auf der
Spreeinsel bildete eher eine Ausnahme. Die öffentliche Hand war der Vorreiter bei der
Überwindung des historischen Parzellensystems - für eigene Zwecke, aber auch als planende
Institution.
Insbesondere den Vertretern der städtebaulichen Moderne war die überlieferte Parzellenstruktur ein
Dorn im Auge: War sie doch ein Hindernis auf dem Weg zu einem autogerechten und rein tertiären
Zentrum, in dem alle Spuren der Ungleichzeitigkeit ausgelöscht sein sollten. Diese Tendenz zur
Gleichschaltung der Nutzung und zur Überwindung der Parzellenstruktur korrespondierte mit dem
Drang moderner Architekten, den parzellierten Block zu zerschlagen, die dialektische Einheit von
Vorder- und Rückseite zugunsten der verallgemeinerten Vorderseite aufzulösen. Im großen
Maßstab erfolgreich war dieses "moderne" Konzept erst in der DDR-Zeit, vor allem in den
sechziger Jahren.
Nach der "Wende" wurde die Parzelle als Element der Stadt und der Stadtproduktion
wiederentdeckt - vor allem durch die Arbeiten von Dieter Hoffmann-Axthelm. Die wünschenswerte
156
Reparzellierung der Zentrumsblöcke wurde aber nicht mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt im Gegenteil: Einzelnen Investoren ganz Blöcke zu überlassen, schien der öffentlichen Hand die
Arbeit der Zentrumsentwicklung zu erleichtern, sie ersparte sich eine komplexe
Koordinierungsarbeit und eine zweifellos schwierige Auseinandersetzung mit Investoren. Für die
erforderliche Korrektur dieser auch von der Senatsbauverwaltung erkannten krassen
Fehlentwicklung ist nach der Vergabe der meisten Grundstücke der Spielraum aber sehr eng
geworden.
7.1.2. Die Silhouette
Daß die jeweilige Breite einer Gebäudefront bzw. die Parzellenbreite die Erlebnisvielfalt einer
Straße prägt, steht außer Zweifel. Wie steht es aber mit der Höhe der Gebäude?
Die Silhouette der europäischen Stadt war stets ein unverzichtbares Markenzeichen, Maßstab und
Ausdruck städtischer Identität. Der Dom bzw. die Stadtpfarrkirche, dann die kleineren Kirchen der
Bettelordensklöster, die Tortürme der Stadtmauer und der Rathausturm prägten die Silhouette der
vorindustriellen Stadt. Die Gestalt dieser Silhouette wechselte im Laufe der Stadtentwicklung. So
erhielten die Türme im 18. Jahrhundert oft eine barocke Haube und im 19. Jahrhundert neogotische
Spitzen. Kuppeln traten neben die Türme. Selbst im späten 19. Jahrhundert wurde die
überkommene Höhen- und Bedeutungsstaffelung noch im Grundsatz gewahrt, wenngleich
Fabrikschlote die Türme ergänzten.
Die Traufhöhe von 22 Metern ist das vielleicht bedeutendste Merkmal des Berliner Städtebaus der
Kaiserzeit, also der Zeit, die Berlin - neben der Nachkriegszeit - am stärksten formte. Aber schon
vor dem Ersten Weltkrieg läßt sich ein ökonomischer Druck feststellen, der eine insgesamt höhere
bauliche Dichte des Zentrums einfordert. Dieser Druck äußerte sich in der architektonischen
Forderung nach einer Überschreitung der baupolizeilich zugelassenen Traufhöhe, vor allem aber im
"Schrei nach dem Turmhaus". Insbesondere die Vertreter der städtebaulichen Moderne sahen in der
überkommenen Silhouette den Spiegel einer überholten, schlechten Zeit. Sie wollten nicht mehr die
Gestalt der alten Türme ändern, sondern diese in den Schatten stellen - vor allem durch Bürotürme
des Großkapitals. Bei aller Faszination, die die US-amerikanischen Großstädte ausübten - eine
ähnlich chaotische Konfiguration von Wolkenkratzern wollten sie aber in den deutschen
Großstädten nicht zulassen. Das städtebaulich geordnete Hochhaus war die Antwort auf die eigene
Vergangenheit wie die amerikanische Gegenwart. Diese programmatische Antwort zeitigte in der
Weimarer Republik allerdings nur relativ bescheidene praktische Folgen - etwa am Alexanderplatz
oder am Potsdamer Platz.
Die Hoffnung auf eine städtebaulich geordnete Plazierung von Hochhäusern war, wie die weitere
Entwicklung zeigt, angesichts der ökonomischen Mechanismen der Bodenordnung und
Parzellenverwertung vergebens. In Europa können wir verschiedene Reaktionen auf diese
Erfahrungen beobachten: In den Großstadtzentren etwa von Paris, Wien und Rom, also von
selbstbewußten Städten, in denen die Frage der Bedeutung der Stadtsilhouette für die Stadtidentität
nicht mehr dauernder Diskussion bedarf, wurde auf den Bau von Hochhäuserrn verzichtet. Ein
zweites Modell ist Moskau, wo gleich nach dem Zweiten Weltkrieg der zumindest kurzfristig
erfolgreiche Versuch praktiziert wurde, eine städtebaulich geordnete Konfiguration von
Hochhäusern zu bauen, die die alte Silhouette in den Schatten stellen sollte. Diese Praxis einer
traditionalistischen Moderne setzte allerdings die politischen Verhältnisse der Stalin-Zeit voraus, sie
wurde später durch neue, städtebaulich nicht mehr vertretbare Hochhäuser konterkariert. Und
schließlich gibt es noch das Modell London, die partielle Zerstörung einer klassischen europäischen
Silhouette durch ein Gewirr von Hochhäusern. Die Londoner Entwicklung hat aber sicher mehr mit
den gesellschaftspolitischen Verhältnissen der Thatcher-Ära zu tun als mit einem städtebaulichen
Konzept. Berlin schließlich hat sich - was das historische Zentrum betrifft - erst in der DDR-Zeit
und vor allem seit den sechziger Jahren von der historischen Traufhöhe verabschiedet, ohne die
157
beabsichtigte und durch die realsozialistischen Verhältnisse theoretisch mögliche neue
städtebauliche "Ordnung" durch höhere Gebäude in nachvollziehbarer Form zu erreichen.
Berlin sollte sich angesichts der europäischen Erfahrungen in die Reihe Paris, Wien und Rom
einordnen. Als im wesentlichen durch das späte 19. Jahrhundert geprägte Hauptstadt ist der
ortsspezifisch zu differenzierende Respekt vor der historischen Traufhöhe und Höhenstaffelung
unverzichtbar zur Wahrung der städtischen, historischen Identität. Darüber hinaus hilft dieser
Respekt auch, eine Hyperzentralisierung des Gesamtzentrums im Gefüge der verschiedenen
zentralen Gebiete der Region Berlin zu vermeiden. Eine allgemeine Beschränkung der
Bebauungsdichte im Zentrum - mit einem ortsspezifisch zu konkretisierenden Spektrum der
Geschoßflächenzahl von 3,0 in Anlehnung an den § 17 Absatz 1 der Baunutzungsverordnung bis
maximal 4,0 - wäre sinnvoll gewesen und ist es auch heute noch. Die Beschränkung der Dichte
wird durch eine maximale (ober- wie unterirdische) Traufhöhe unterstützt.
7.1.3. Stadtstraße und Stadtplatz
Die für die europäische Stadt so wichtige und konstitutive Stadtstraße ist nicht nur als formales
Gliederungselement des Stadtgrundrisses von Bedeutung, sondern vor allem auch als Sozialraum.
Damit ist die Aufgabe einer Straße bzw. eines Platzes angesprochen, zwischen verschiedenen
Teilen der Stadt zu vermitteln bzw. als Bühne bestimmter sozialer Gruppen und Nutzungen zu
dienen. Ein zentraler öffentlicher Raum lebt aus seinen Fernbezügen wie Nahbezügen. Der
Alexanderplatz etwa war Umschlagplatz des öffentlichen Nahverkehrs aus dem Berliner Norden
und Osten, er war aber zugleich Ausdruck und Bühne seines näheren Hinterlandes, der Gegend
hinter dem Alexanderplatz, des weiteren Scheunenviertels. Die Vitalität des Potsdamer Platzes
gründete sich auf seine Bezüge zu den bürgerlichen Wohngebieten des Westens und seine Nähe zu
den großen Kaufhäusern und Hotels.
Die Planer der Moderne in den späten zwanziger Jahren wollten diese Besonderheiten aufheben durch standardisierte Plätze aus einem Guß. Die Durchsetzung des verkehrsgerechten
Architekturplatzes scheiterte damals allerdings - nicht zuletzt an den Widrigkeiten des
Parzelleneigentums. Lebendige, komplexe Großstadtplätze können nicht von einer Entwurfshand zu
einem fixen Zeitpunkt architektonisch projektiert werden, ihr Nutzungsangebot darf nicht aus einem
oder aus wenigen Investoreninteressen abgeleitet sein. Da hilft auch die künstliche Mischung der
Funktionen und der architektonischen Form im nachhinein nur noch wenig. Der europäische
Großstadtplatz hat nichts mit der privat kontrollierten "Centerworld" an den Peripherien zu tun, mit
den Einkaufszentren, Bürozentren und Freizeitzentren, wo sich der öffentliche Raum in riesige
Autostellplätze verflüchtigt hat.
Auch die aktuelle Zentrumsplanung hat die Besonderheiten der einzelnen öffentlichen Räume nicht
angemessen berücksichtigt. Sämtliche Großprojekte - der Alexanderplatz, die Friedrichstraße, der
Potsdamer Platz, der Lehrter Bahnhof sowie vor allem das Parlaments- und Regierungsviertel am
Spreebogen - wurden als insuläre Projekte angesehen, deren Verknüpfung durch urbane öffentliche
Räume mitnichten gewährleistet ist. Dazu kommt der Versuch der Entwertung von Straßen durch
private Malls oder Passagen parallel zum öffentlichen Raum - etwa bei den
"FriedrichstadtPassagen" und am Potsdamer Platz. Die europäische Stadt definiert sich nicht in
erster Linie durch Architektur, sondern durch den Stadtraum. Gegen die nordamerikanische,
verschwenderisch in monofunktionale Flächen segmentierte Stadt, deren Vermittlung über das
Automobil erfolgt, steht die europäische Tradition und Erfahrung der Vernetzung zentraler Straßen
und Plätze über ein Kontinuum öffentlicher Räume, die nicht nur verschiedene Nutzungen erlauben,
sondern auch unterschiedlichen sozialen Gruppen offen stehen. Die muß auch die Berliner
Zentrumsplanung berücksichtigen.
158
7.1.4. Europäische Stadt - ein kultureller Kampfbegriff
Das Konzept der "europäischen Stadt" suggeriert einen Gegensatz zwischen US-amerikanischer und
europäischer Großstadt. Aber damit werden die Verhältnisse diesseits wie jenseits des Atlantiks
unangemessen vereinfacht. Heute vom Konzept einer europäischen Stadt zu sprechen setzt einen
kulturellen Bruch mit modernen Konzeptionen voraus, die nicht unbedingt als US-amerikanisch
bezeichnet werden können, auch wenn darin zweifellos US-amerikanische Verhältnisse verarbeitet
wurden. Diese Konzeptionen umfaßten die Visionen vom geordneten Wachstum des
Automobilverkehrs und von der geordneten Verteilung der Hochhäuser. Vor diesem Hintergrund ist
die "europäischen Stadt" ein kultureller Kampfbegriff, kein analytischer Begriff. Denn manche
Elemente des Modells der "amerikanischen Stadt" hat die europäische Stadt im Zuge ihres
Niederngangs selbst hervorgebracht: Öffnung des Zentrums für den Automobilverkehr,
Ausradierung aller Nicht-City-Zonen im Zentrum, Zerstörung des überkommenen Gleichgewichts
städtischer Lagen, Beseitigung der historischen Zeugnisse, Ignoranz gegenüber öffentlichen
Räumen und deren Reduktion auf funktional verödete Architekturräume, Abkehr von der Parzelle
zugunsten des Baublocks in einer Hand, Zerstörung der Höhenverhältnisse der Stadtsilhouette,
Peripherisierung zentraler Funktionen in monofunktionale "Centers".
7.2. Besonderheiten des Berliner Zentrums
Das Berliner Zentrum hat einige Besonderheiten, die es von anderen Zentren unterscheiden und
deren Kenntnis für eine verantwortungsbewußte Zentrumsplanung und -gestaltung heute
unverzichtbar ist. Dazu gehört in erster Linie die Kombination von absolutistischem Stadtgrundriß
und dominanter kaiserzeitlicher Bebauung, die von den Zeugnissen der gespaltenen Stadt
städtebaulich wie baulich überformt wurde. Dazu zählt weiter die ausgeprägte polyzentrale Struktur
der Gesamtstadt, die nach der Spaltung Berlins durch die Festigung zweier Hauptzentren noch
einmal verstärkt wurde. Was die innere Struktur des historischen Zentrums anbelangt, so sind in
erster Linie der historische Gegensatz zwischen östlichem und westlichem Teilzentrum, dann die
nicht-zentralistische Struktur des Zentrums sowie die herausgehobene Bedeutung gestalterisch wie
funktional differenzierter Ost-West-Hauptstraßenzüge und schließlich die konkrete Form der
Hauptstadtverortung hervorzuzuheben.
7.2.1. Der Gegensatz zwischen östlichem und westlichem Teilzentrum
Die wichtigste Besonderheit des historischen Zentrums war der Gegensatz zwischen dem
erstrangigen westlichen Teilzentrum, der eigentlichen City, und dem zweitklassigen,
"zurückgebliebenen" östlichen Teilzentrum. Beide Teilzentren hatten ihre Schlüsselplätze: das
westliche den Potsdamer Platz, das östliche den Alexanderplatz. Historische Voraussetzungen der
gegensätzlichen Entwicklung waren insbesondere die Westorientierung des Stadtschlosses
spätestens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, die Anlage der wichtigsten Bahnhöfe der Stadt am
Rande des westlichen Teilzentrums und das sozial unterschiedliche Hinterland der beiden
Teilzentren - der bürgerliche Westen zum einen und der proletarische bis subproletarische Osten
und Nordosten zum anderen.
Die Gegensätzlichkeit zwischen westlichem und östlichem Stadtzentrum spiegelte sich im
Stadtgrundriß, in der Parzellenstruktur, den Bauten, der Bewohnerschaft und den Nutzergruppen
wider. Besonders zugespitzt war dieser Gegensatz im Herzen des Gesamtzentrums, auf der
Spreeinsel - hier aber als Nord-Süd-Gegensatz. Seit der Kaiserzeit bemühten sich Stadtplaner und
Politiker, diesen Gegensatz durch einen radikalen Kahlschlag und eine Modernisierung des
östlichen Teilzentrums aufzulösen. Diese Versuche waren bis zum Zweiten Weltkrieg nur sehr
fragmentarisch erfolgreich. Nach dem Krieg modifizierte die DDR den historischen Gegensatz auf
ihre Weise: durch strategische Vernachlässigung der Dorotheen-/Friedrichstadt, der ehemaligen
City, sowie durch die nahezu spurlose Beseitigung der überkommenen Reste der Altstadt sowie
159
durch den Aufbau eines modernen, realsozialistischen Stadtzentrums auf der leergeräumten Fläche
des ehemaligen östlichen Teilzentrums.
Nach 1989 wurde das Rad der Geschichte wieder zurückgedreht, die ehemalige City feierte eine
eindrucksvolle Wiederkehr, das in der DDR-Zeit aufgewertete östliche Teilzentrum fiel in seine
Zweitrangigkeit zurück. Diese Verschiebung war kein Ergebnis der Stadtplanung, sondern des sich
an den historischen Verhältnissen orientierenden Marktes. Für das östliche Teilzentrum sind keine
vergleichbaren Investorenprojekte zu verzeichnen wie für das westliche - mit Ausnahme natürlich
des Megaprojektes Alexanderplatz. Doch bei diesem Projekt wurden die alten Fehler der letzten 100
Jahre wiederholt: Ziel war nicht eine Weiterentwicklung des "Platzes des Ostens", sondern ein
Retortenprojekt, das mit dem Umfeld radikal bricht und nur als Brückenkopfprojekt, als
importierter "Platz des Westens" betrachtet werden kann.
Gegenüber der Vorkriegszeit haben sich natürlich die sozialen Verhältnisse, die sich mit dem
Berliner "Osten" und dem Berliner "Westen" verbinden, erheblich verändert. Daß sie aber in
veränderter Form weiter existieren, kann niemand ernsthaft bestreiten. Heute repräsentiert das
östliche Teilzentrum das ehemalige Ost-Berlin, während das westliche Teilzentrum - die künftige
City - als neuer Vorposten von West-Berlin bzw. des "Westens" gelten muß. Das östliche
Teilzentrum sollte nicht bis zur Unkenntlichkeit kolonialisiert und assimiliert werden, sondern als
solches weitergebaut werden - nicht in Fortschreibung der Zweitrangigkeit, sondern als
Anerkennung einer komplexen Tradition mit durchaus eigenen, oft verborgenen Qualitäten. So
findet sich im östlichen Teilzentrum ein besonderer Edelstein, dessen Entstehungsgeschichte
freilich weniger rühmlich ist: der große Freiraum zwischen Palast der Republik und S-Bahnhof
Alexanderplatz mit der Marienkirche und dem Fernsehturm. Dieser Edelstein muß aber noch
geschliffen werden, um das Gesamtzentrum wirklich bereichern zu können.
Die Spreeinsel ist der Übergangsraum zwischen westlichem und östlichem Teilzentrum, und es
kann nicht verwundern, daß gerade hier die Auseinandersetzung um die künftige Prägung besonders
erbittert geführt wird. An der Spreeinsel wird sich die Fähigkeit der herrschenden Kräfte Berlins
erweisen, eine Ost-West-Verständigung herbeizuführen und keine Ostkolonisation. Eine
Verständigung kann aber nicht eine Fortschreibung des Status quo bedeuten: Der Erhaltung
wichtiger baulicher Zeugnisse der DDR-Zeit muß eine städtebauliche Neuordnung folgen, die den
historischen Gegensatz zwischen herrschaftlichem Norden und stadtbürgerlichem Süden zeitgemäß
interpretiert.
7.2.2. Ein Zentrum ohne zentralen Punkt
Das für die Zentrumentwicklung bedeutendste städtebauliche Erbe ist die nicht-zentralistische
Struktur des Zentrums, die zwar schon in der mittelalterlichen Doppelstadt angelegt war, die aber
vor allem in den historischen Neustädten bzw. deren Gittergrundriß ihre ausgereifte Form gefunden
hat. Die alte Friedrichstadt kannte - abgesehen vom Gendarmenmarkt - keine herausgehobenen
Plätze und Straßen. Die Friedrichstadterweiterung modifizierte diese Struktur durch die Betonung
der stadtauswärts führenden Hauptstraßen - der Friedrichstraße und der Leipziger Straße.
Zusammen mit der Prachtstraße Unter den Linden war damit die besondere Struktur der
regelmäßigen barocken Stadterweiterungen geschaffen. Diese Struktur wurde durch keinen
zentralen Platz beherrscht, sondern mit peripheren Plätzen innerhalb der Stadttore (Quarré - Pariser
Platz, Oktogon - Leipziger Platz, Rondell - Mehringplatz) bereichert, die die drei herausgehobenen
Straßen noch einmal städtebaulich akzentuierten.
Dieser Grundriß ermöglichte in der Kaiserzeit eine relativ gleichwertige Verteilung zentraler Lagen,
sperrte sich also gegen die Aufwertung weniger und die Abwertung vieler Lagen; damit spiegelte er
Verhältnisse wider, die der Dynamik einer Großstadtcity angemessen waren. Es ist vor allem diese
überkommene flexible Struktur, die die Dorotheen- und Friedrichstadt trotz des Verlustes der
Bahnhöfe wieder zum Kernbereich des Berliner Zentrums machen wird. Wichtigste Prämisse jeder
160
städtebaulichen Konzeption muß es daher sein, die Schaffung hyperzentraler Punkte innerhalb oder
am Rande des Zentrums zu verhindern. Nur so kann die positiv zu bewertende Grundstruktur des
Berliner Zentrums weiterentwickelt werden. Das bedeutet in städtebaulicher Hinsicht eine relativ
gleichwertige Dichte und in stadtgestalterischer Hinsicht den Verzicht auf das antiquierte Konzept
von Hochhäusern, die die benachbarten Gebäude überragen.
7.2.3. Die großen Ost-West-Hauptstraßenzüge
Bei der Stadtgründung Berlins leistete eine bedeutende mittelalterliche Fernstraße Geburtshilfe, die
in Höhe des Mühlendamms die Spree passierte. Innerhalb der mittelalterlichen Stadt führte dieser
Straßenzug von der Gertraudenstraße über den Mühlendamm zur Spandauer und Oderberger Straße
und passierte dabei eine Reihe von Plätzen. Dieser mittelalterliche Hauptstraßenzug wurde in der
absolutistischen Zeit durch die Leipziger Straße zwischen Spittelmarkt und Leipziger Platz
verlängert.
Erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde ein zweiter Ost-West-Hauptstraßenzug
geschaffen, nachdem die Allee Unter den Linden in der Kaiser-Wilhelm-Straße eine Fortsetzung
nach Osten gefunden hatte. Allen weiteren Versuchen, zwischen diesen beiden Ost-WestHauptstraßenzügen noch einen dritten anzulegen - in Höhe der Jägerstraße oder der Französischen
Straße - scheiterten bis zum Zweiten Weltkrieg.
Nach 1945 wurde die überkommene Struktur der Hauptstraßen stark modifiziert - dem nördlichen
Hauptstraßenzug entsprach im Süden eine autogerechte Transitzone, die zwischen Spittelmarkt und
Alexanderplatz jede Aufenthaltsqualität vermissen ließ. Im Zuge dieser Modifizierung wurde die
ehemalige Königstraße (heute Rathausstraße) zum Fußgängerbereich, an ihrer Nordseite erstreckt
sich seither der große Freiraum um den Fernsehturm. Zentrumsplanung bedeutete seit der frühen
Kaiserzeit bis zur DDR-Zeit vor allem: Ausbau der großen Ost-West-Hauptstraßenzüge in Profil
und Zahl. Dieser Ausbau sollte dem steigenden Verkehr mehr Raum verschaffen.
Von außerordentlicher Bedeutung für die Zukunft des Berliner Zentrums ist die künftige Gestaltung
der beiden großen Ost-West-Straßenzüge zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz sowie
zwischen Alexanderplatz und Pariser Platz. Diese Aufgabe wurde bislang noch allzu selten im
Zusammenhang gesehen, erörtert und geplant. Da diese Straßenzüge für die Vernetzung des
gesamten historischen Zentrums entscheidend sind, wäre ein abgestimmtes Rahmenkonzept
erforderlich, das eine Reurbanisierung der Straßen anvisiert - durch eine gestalterische und
funktionale Verbesserung des öffentlichen Raumes sowie eine Reduzierung des ruhenden und
fahrenden Kfz-Verkehrs.
Bislang beziehen sich Planungen und Gutachten dagegen eher fragmentarisch und isoliert auf die
Straße Unter den Linden mit dem Pariser Platz, die östliche Leipziger Straße, die Gertraudenstraße
mit Spittelmarkt oder die Grunerstraße. Im Zusammenhang mit den Hauptstraßenzügen sind
insbesondere noch zwei komplexe gestalterische Hauptaufgaben zu bewältigen: die Qualifizierung
des großen Freiraums zwischen Palast der Republik und S-Bahnhof Alexanderplatz sowie die
Restituierung des historisch wichtigsten stadtbürgerlichen Hauptstraßenzuges von Berlin, der
Straßen- und Platzfolge zwischen Potsdamer Platz und Alexanderplatz.
7.2.4. Die Hauptstadt Deutschlands
Hauptstadt Berlin - das weist nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die - nicht immer heitere Vergangenheit. Der Blick zurück zeigt: Berlin war seit der Barockzeit durch eine Dezentralität der
Regierungsstandorte gekennzeichnet. Diese Situation war kein Ergebnis planerischer Bemühungen,
im Gegenteil: Sie verfestigte sich trotz aller Anstrengungen zur zentralistischen "Rationalisierung".
Die entsprechenden Planungen, vor allem in der Weimarer Republik, scheiterten letztendlich an den
161
gesellschaftlichen Verhältnissen. Der privatisierte, über Parzellen vermittelte Bau und Umbau der
Stadt erschwerte die ressortorientierte räumliche Konzentration ungemein.
Die Hauptstadtfunktionen waren daher in der Vergangenheit relativ stadtverträglich verteilt. Doch
die historische Standortentwicklung barg bereits eine große Gefahr in sich: die Tendenz zur Bildung
von stadträumlichen Barrieren, die die Struktur des Zentrums insgesamt bedrohen. Die Geschichte
der Hauptstadt Berlin ist auch eine Geschichte der Barrieren von Regierungsfunktionen in der Stadt.
Die Zwingburg der Hohenzollern wurde im 15. Jahrhundert zur Sicherung der Herrschaft über die
Bürgerstadt errichtet, blieb aber von dieser sicherheitshalber durch einen Wassergraben
abgekapselt. Die Lage des Herrschaftsbaus war von außerordentlicher strategischer Bedeutung: Das
Schloß wurde außerhalb der Doppelstadt plaziert, aber an der Stelle, die die Herrschaft über Berlin
und Cölln optimal sicherte. Zur wichtigsten Straße des bürgerlichen Berlin hielt es Abstand. Damit
stellte es sich zugleich ins Abseits der Hauptverkehrsstraßen. Das änderte sich auch nach Anlage
der Straße Unter den Linden nicht, im Gegenteil: Das Schloß bildete eine Art Riegel zwischen der
neuen Dorotheenstadt und der Bürgerstadt im Osten. Erst der Durchbruch der Kaiser-WilhelmStraße in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, dem auch ein Teil des Schloßbereichs geopfert
wurde, beendete diese Situation.
Das Schloß als Sitz der Herrschaft über Stadt und Land erwies sich bereits während des
Aufschwungs Berlins nach dem Dreißzigjährigen Krieg als zu klein. In der Barockzeit begann die
Auslagerung herrschaftlicher Funktionen in die Stadt, oder genauer: in die westlichen barocken
Stadterweiterungen. Diese Auslagerung führte bald zu einer neuen Konzentration von
Herrschaftsfunktionen am westlichen Rande der erweiterten Stadt: im Bereich der Wilhelmstraße.
Zunächst entwickelten sich die neuen Behördenstandorte nur langsam, häufig im Zuge einer
gleitenden "Zweckentfremdung" der Palais führender Beamter.
Die sich im 19. Jahrhundert verfestigende Konzentration von Ministerialfunktionen an der
Wilhelmstraße stellt sich auf den ersten Blick als geradezu klassische stadträumliche Barriere dar,
die die Verknüpfung der City mit den Stadterweiterungen der Kaiserzeit im Westen behinderte. Auf
den zweiten Blick erscheint diese Barriere nicht ganz so problematisch, grenzte sie doch
hauptsächlich an einen nicht verstädterten Bereich, den Tiergarten, den ja zwischen Pariser Platz
und Leipziger Platz keine Straße in Ost-West-Richtung mehr querte. Dazu kam, daß diese Barriere
von den beiden wichtigsten Ost-West-Straßenzügen des Zentrums gekreuzt und damit
"durchbrochen" wurde: der Straße Unter den Linden und vor allem der Leipziger Straße.
Nach dem Sturz des Kaiserreiches hatte sich die Wilhelmstraße endgültig - so schien es jedenfalls funktional wie räumlich vom Schloßareal abgenabelt. Die Altstadt von Berlin war nun im
wesentlichen von Regierungsfunktionen geräumt. Trotz aller Zentralisierungspläne der
Zwischenkriegszeit für einen neuen Regierungsstandort im Westen der City änderte sich an der
Struktur der Regierungstandorte grundsätzlich nichts mehr: Die Wilhelmstraße war weiterhin die
zentrale Herrschaftsachse des Deutschen Reiches - in der Weimarer Republik und, erheblich
aufgeplustert, im "Dritten Reich".
Auch die Spaltung Berlins brachte nur wenig Bewegung in diese Verhältnisse. Der (West-Berliner)
Spreebogen, seit dem Bau des Reichstags gewichtiger neuer Standort für staatliche Institutionen verwaiste. Die alte Herrschaftsbarriere Wilhelmstraße blieb - wenn auch weniger im
veröffentlichten Bewußtsein und räumlich stark reduziert - ein wichtiger Standort für
Regierungsfunktionen in der DDR. Bemerkenswert war dagegen die Rückkehr von zentralen
staatlichen Einrichtungen in den Dunstkreis des ehemaligen, abgerissenen Hohenzollernschlosses:
Staatsratsgebäude, Außenministerium, Gebäude des Zentralkomitees der SED und - in geringerem
Maße - Palast der Republik bildeten ein neues Herrschaftsforum. Durch die Rückkehr des
Regierungszentrums auf die Spreeinsel wurden die Verhältnisse umgedreht. Orientierte sich das
Schloß städtebaulich - quasi mit dem Rücken zur Bürgerstadt - in Richtung Westen, so markierte
162
das neue Herrschaftsforum der DDR den Abschluß der neuen sozialistischen Stadt gegen Westen;
vor allem das Außenministerium signalisierte als überhöhter Bauriegel das Ende des modernen
Zentrums, hinter dem die weithin vernachlässigte alte City vor sich hin dämmerte. Damit war eine
zweite stadträumliche Barriere geschaffen.
Nach der "Wende" ergab sich die kuriose Situation, daß die Besetzung des weiteren Schloßareals
durch Schaltstellen der DDR die neuen Verhältnisse der Bundeshauptstadt mitbestimmen sollte durch die Kontinuität zwischen dem Bodeneigentums des DDR-Staates und jenem der neuen
Bundesrepublik. Die Tatsache, daß der Bund als Erbe der DDR-Herrschaftsflächen diese wieder für
Regierungsfunktionen nutzen wollte, blieb im übrigen außerhalb aller offiziellen Diskussion. Um
Kontinuität und Bruch in der Architektur und Stadtgestalt wurde heftigst gestritten, das Eigentum,
auch wenn es ein reines DDR-Vermächtnis ohne historische Tradition darstellte, war hingegen
materiell wie ideologisch offenbar so gewichtig, daß sich daran keine Diskussion zu entzünden
wagte.
Als Folge der deutschen Vereinigung war Berlin daher mit der Existenz zweier potentieller
Hauptstadtbarrieren konfrontiert: der alten, stadträumlich aber geschrumpften Barriere der
Wilhelmstraße, die durch den Wohnungsbau an der Otto-Grotewohl-Straße (heute wieder
Wilhelmstraße) ein neues Profil erhalten hatte, und der neuen Barriere auf der Spreeinsel, die sich
vom Lustgarten bis zum Mühlendamm breit machte. Lange vor Beginn der Diskussion um die
Unterbringung von Ministerien und des Bundespräsidenten war dieses Problem offensichtlich.
Zwei Barrieren, womöglich verstärkt durch neue Anforderungen an Raumzuwachs und Sicherheit,
konnte das Berliner Zentrum nicht verkraften. Darüber bestand Konsens - in Berlin wie Bonn. Doch
was war zu tun? Hier stritten sich die Verantwortlichen. Notwendig war es zunächst, die Barrieren
zu durchlöchern. So war eine Verbindung der stadtbürgerlichen Funktionen der Wilhelmstraße nach
Norden wie Süden hin zu sichern. Auf der Spreeinsel galt es, den Riegel zu lockern. Die Breite
Straße könnte durch einen radikalen Rückbau mittelfristig wieder eine lebendige,
parzellenvermittelte Straße erster Qualität werden. Die überkommene Bebauungsinsel westlich des
ehemaligen Bauministeriums bildet bereits heute einen Ansatzpunkt für ein gestaltreiches und
multifunktionales Zentrumsquartier. Im Bereich des ehemaligen Werderschen Marktes kann wieder
eine durchmischte Stadt gebaut werden. Schließlich gibt der geplante Wiederaufbau der
Schinkelschen Bauakademie der Hauptstadt die einzigartige Chance, wenigstens einen gewichtigen
Teil des Gebäudes wieder der Wissenschaft zu widmen - am besten einer wiedergegründeten
Bauakademie mit ausdrücklichem Bezug zur Tradition und Zukunft der europäischen Stadt. Die
kleinteilige Zerstückelung der potentiellen Barrieren ist aber nur eine Seite der großen
stadträumlichen Aufgabe, die Stadt Berlin zur Bundeshauptstadt zu qualifizieren. Notwendig ist
weiter die Sicherung und Fortentwicklung des historischen doppelten "Durchbruchs" städtischer
Hauptstraßen, der die negativen Wirkungen von Barrieren begrenzen kann: Regierungsfunktionen
sollten weder den "Linden" noch der Leipziger Straße ihren Stempel aufdrücken.
Inzwischen - nach der Aufgabe der kostspieligen Planungen für umfangreiche Regierungsneubauten
- scheint zumindest ein Weiterwuchern der historischen Barrieren gestoppt. Doch die finanziell
erzwungene "Behutsamkeit" könnte trügerisch sein: Offen bleibt, was aus den nach aktuellem
Planungsstand nicht mehr bebauten, zunächst aber für Regierungsneubauten vorgesehenen Flächen
werden soll. Offen bleibt, wie lange die aktuelle Sparfassung Bestand haben wird. Offen bleibt, wie
die großen Ost-West-Hauptstraßen - die potentiellen Stadtbreschen durch die Regierungsbarrieren gestaltet werden sollen: als Autotrassen oder als Stadtstraßen. Offen bleibt vor allem auch, wann die
Bundesregierung ihre starre Haltung aufgibt, nach der die Erdgeschoßbereiche der langen Fronten
von Regierungsbauten nicht für Läden und andere städtische Dienstleistungseinrichtungen genutzt
werden dürfen. Eine solche Haltung widerspricht den Regeln der Stadtbaukunst. Die Standorte
staatlicher Einrichtungen drohen auch weiterhin als Barrieren das Zentrum zu belasten.
163
7.2.5. Das bauliche Erbe
Bei der Entwicklung und Planung des Zentrums wurde zu keiner Zeit große Rücksicht auf das
bauliche Erbe genommen. Dies galt für die Zeit des Absolutismus, das frühe 19. Jahrhundert und
die Kaiserzeit. Das galt insbesondere für die Konzeptionen der städtebaulichen Moderne, aber auch
für die Planungen der Natinalsozialisten. Folge dieser Entwicklung war eine weitgehende
Zerstörung der Qualitäten des Zentrums.
Diese Ignoranz hatte durchaus verständliche Ursachen, die mit den Besonderheiten einer östlichen
"Kolonialstadt" zusammenhängen: so etwa mit dem Fehlen eines stabilen, Traditionen
begründenden wie bewahrenden Mittelstandes, mit der Existenz einer wenig selbstbewußten
herrschenden Klasse, die ihre Stadt immer wieder als rückständig betrachtete und mit dem Kopieren
anderer Kulturen Geltung zu beanspruchen suchte, letztlich auch mit einem - nüchtern betrachtet eher bescheidenen Bestand an herausragenden Bauwerken. Man vergleiche nur die Marienkirche
und die Nikolaikirche mit dem Dom, der Katharinenkirche und der Gotthardtkirche in Brandenburg
an der Havel! Selbst die absolutistischen Herrscher konzentrierten letztlich ihren Ehrgeiz eher auf
Potsdam und verjagten einen Baumeister wie Schlüter. Lediglich in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts kann Berlin mit den Werken Schinkels europäische Geltung beanspruchen wenngleich keineswegs als einzige deutsche Stadt. Und auch die Pläne und Werke Schinkels
setzten oft die Mißachtung der überkommenen Stadt voraus und wurden später selbst nicht immer
respektiert.
Und die Kaiserzeit, die in baulicher Hinsicht das Zentrum prägende Epoche? Kaufhaus Wertheim
und Hotel Adlon, Dom und Reichstag sind zweifellos beeindruckende Bauten - aber zum Teil auch
Zeugnisse eines wenig gefestigten kulturellen Fundaments. Die "goldenen zwanziger Jahre"
schließlich erzeugten eine Flut von Papierprojekten, haben aber im Zentrum nur wenige
architektonische Spuren hinterlassen. Über alle politischen und gesellschaftlichen Brüche hinweg
blieb lediglich das herrschende städtische Bewußtsein stabil, in einer Stadt zu wirken, die nicht auf
der Höhe der Zeit ist, die erst auf diese Höhe gebracht werden muß - ohne große Rücksicht auf das
Überkommene, das ja nur Rückständigkeit verkörperte. In der grenzenlosen Geringschätzung der
Altstadt Berlins fand dieses Bewußtsein seinen prägnantesten Ausdruck.
Nach 1989 feierte dieser Mangel an Selbstbewußtsein seine elementare Wiederauferstehung. Von
neuem schämte sich die herrschende Klasse ihres Zentrums, besonders der Bereiche, die seit den
sechziger Jahren in der DDR umgebaut worden waren; von neuem sah sie ihre Stadt nicht gleichauf
mit der eingebildeten Konkurrenz von London und Paris; von neuem sollte durch den Import von
Stadtmodellen der Anschluß an die Weltspitze geschafft werden, und von neuem galt das
Überkommene als Zeichen der Rückständigkeit und wurde zur Disposition gestellt. Inzwischen ist
aber eine solche Haltung nicht mehr so eindeutig dominant, die Gegenposition einer selbstbewußten
Anerkennung der - durchaus widersprüchlichen - eigenen Tradition Berlins hat an Boden
gewonnen. Das Modell einer "europäischen Stadt" orientiert auf eine Stadt, die ihre Geschichte in
der Zukunft bewahrt.
Heute geht es um eine ausgewogene Erhaltung der historischen Stadt in ihren Strukturen und
Bauten vor 1945 wie auch um eine Weiterentwicklung erhaltungswürdiger Zeugnisse des DDRStädtebaus. Ziel muß es sein, Geschichte ablesbar zu belassen, die überkommene Stadt nicht zu
ignorieren, sondern weiterzubauen. Das erfordert auch eine politische Stärkung der Denkmalpflege.
Die Existenz einer strukturell nicht gebremsten und politisch nicht eingeschüchterten
Denkmalpflege ist eine wichtige Voraussetzung für den fachlichen und politischen
Abwägungsprozeß, der helfen könnte, die verflachende Konzeption von "kritischer Rekonstruktion
der Stadt" zu überwinden.
Durch die Zulassung einer überzogenen, unerträglichen Baudichte hat der Druck in Richtung Abriß
der wenigen überkommenen Bauten aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg dramatisch
164
zugenommen. Bis heute vernachlässigt die Stadtpolitik den Schutz dieser Bauwerke, der durch
geeignete Instrumente der Stadtplanung und des Denkmalschutzes dringend sichergestellt werden
muß. Notwendig ist aber nicht nur die fürsorgliche Erhaltung historischer Gebäude und Stadträume,
sondern auch eine gestalterische Unterordnung neuer Gebäude unter den Maßstab der historischen
Stadt, das heißt Respekt vor der Berliner Traufhöhe, Respekt vor den Baulinien, weitestmögliche
Berücksichtigung der Parzellenstruktur. Dies gilt insbesondere für die Dorotheen-/Friedrichstadt
mit ihrem noch weitgehend vorhandenen historischen Straßen- und Blockgefüge.
Nun war die Geschichte 1945 nicht zu Ende. Eine Weiterentwicklung des Zentrums von Berlin muß
sich auch mit den baulichen und städtebaulichen Hinterlassenschaften der DDR-Zeit
auseinandersetzen, nüchtern und vorurteilsfrei, mit dem Ziel einer weitgehenden Einbindung dieser
Zeugnisse der deutschen Geschichte in die Stadt von morgen. Doch was können die Kriterien einer
vorurteilsfreieren Beurteilung sein? Zumindest zwei können gegenwärtig schon benannt werden.
Zum einen ist die Gebrauchsqualität der jeweiligen Bauten und Räume für das künftige
gesamtstädtische Zentrum zu prüfen, eine Frage, die nur durch umfassende sozialräumliche Studien
unter Einbezug der betroffenen Bürger angegangen werden kann. Damit verknüpft ist zum anderen
die Frage nach der städtebaulichen Kohärenz und historischen Bedeutung der jeweiligen
Stadträume.
Zu unterscheiden wären hier zunächst Stadträume, bei denen die städtebaulichen Bemühungen in
der DDR-Zeit zu einem gewissen Abschluß gekommen sind. Dazu zählen etwa die Allee Unter den
Linden, der östliche Abschnitt der Leipziger Straße, die Fischerinsel, der Alexanderplatz, der
Freiraum zwischen Alexanderplatz und Spree, der Platz der Akademie (heute Gendarmenmarkt),
das Nikolaiviertel und die Otto-Grotewohl-Straße (heute Wilhelmstraße). Dann zweitens Räume,
bei denen trotz großer Anstrengungen dieser Abschluß in der DDR-Zeit infolge ständig sich
ändernder Rahmenbedingungen nicht oder nicht mehr erreicht werden konnte - etwa die
Friedrichstraße, aber auch der Marx-Engels-Platz (jetzt Schloßplatz). Und drittens Räume, die keine
besonderen städtebaulichen Anstrengungen erfahren haben, so etwa der Leipziger Platz, der Pariser
Platz, ja große Teile der ehemaligen Dorotheen-/Friedrichstadt, dann der Bereich zwischen MarxEngels-Platz und Fischerinsel, die Gebiete zwischen Karl-Liebknecht-Straße und Stadtbahntrasse
bzw. zwischen Rathausstraße und Spree. In der Spandauer Vorstadt finden sich Beispiele für
Stadträume aller drei Kategorien. Zur ersten ist ohne Zweifel die Sophienstraße zu rechnen.
Ausgangspunkte einer "kritischen Rekonstruktion der Stadt" im Sinne der Wiederherstellung des
Stadtgrundrisses vor 1945 sollten in erster Linie die Räume der zweiten und dritten Kategorie sein.
Dabei muß die Besonderheit jedes einzelnen Ortes berücksichtigt werden. Während am Schloßplatz
über die Neuformung des barocken Stadtraums unter Einschluß von Staatsratsgebäude und Palast
der Republik nachgedacht wird, müßten im Bereich zwischen diesem Platz und der Fischerinsel
neue, kleinteiligere Strukturen geschaffen werden, die eine abwechslungsreiche Nutzungsfolge auch
längerfristig sichern helfen. Besondere Aufmerksamkeit und Behutsamkeit erfordert der Umgang
mit den Stadträumen der ersten Kategorie. Vor allem hier muß vorab eine Untersuchung der
Gebrauchsqualität in gesamtstädtischer Perspektive - wie etwa bei der Fischerinsel geschehen erfolgen. Nach einer solchen Prüfung wären die erhaltens- bzw. entwicklungswerten
städtebaulichen Anlagen durch geeignete planungs- bzw. denkmalschutzrechtliche Instrumente zu
schützen, etwa durch den Erlaß von Erhaltungsverordnungen in Verbindung mit der Ausweisung
geschützter Baubereiche nach dem Baugesetzbuch bzw. dem Denkmalschutzgesetz Berlin.
Die Frage des Umgangs mit den Zeugnissen der DDR berührt aber nicht nur im engeren Sinne
städtebauliche, sondern auch allgemein geschichtliche Fragen. Die Geschichte der Spaltung ist die
Besonderheit Berlins, die weltweit die größte Aufmerksamkeit erfahren hat. Diese Geschichte darf
nicht wieder - wie in erheblichem Maße die Geschichte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
- durch Abrisse und Neubauten städtebaulich entsorgt werden.
165
7.3. Ein stadtverträglicher Zentrumsverkehr
Ohne das historisch völlig neue Phänomen des Massenverkehrs des 19. Jahrhunderts wäre keine
City möglich gewesen. Dieser Massenverkehr war bis zum Zweiten Weltkrieg in erster Linie ein
schienengebundener öffentlicher Personenverkehr. Die Zentren des Verkehrs - die zentrumsnahen
Fernbahnhöfe sowie die Knotenpunkte der Straßenbahn-, S-Bahn- und U-Bahnenlinien - fungierten
als Motoren der Citybildung.
Der wichtigste Beitrag zur Entwicklung eines nicht-zentralistischen Zentrums war im 19.
Jahrhundert die Anlage dezentraler Bahnhöfe der Fernbahn, Stadtbahn und U-Bahn. Auch heute
sollte die öffentliche Hand bei der Produktion der Verkehrsinfrastruktur die relativ gleichwertige
Stadtstruktur des Zentrums nicht verletzen. Das gilt in erster Linie für die Planung neuer
Fernbahnhöfe. Ein einziger zentraler Superbahnhof im Bereich des Lehrter Bahnhofs wäre nicht nur
stadtökologisch bedenklich, sondern auch mit der nicht-zentralistischen Struktur des Zentrums
unvereinbar. Hier wäre ein Bahnhofssystem wünschenswert, das den Lehrter Bahnhof nicht
allzusehr über die weiteren geplanten IC-Bahnhöfe stellt. Auch die Anlage neuer U-Bahnen darf die
Zentralität einzelner Punkte, etwa des Potsdamer Platzes, nicht über Gebühr erhöhen. Flankiert
werden sollte das Schnellbahnsystem durch ein Verkehrsmittel, das in ganz besonderer Weise
Berliner Verkehrstradition verkörpert: die Straßenbahn. Ihre Wiedereinführung auch im Zentrum
wäre eine Maßnahme, die die nicht-zentralistische Struktur des Zentrums wirkungsvoll
unterstreichen könnte.
Historisch gesehen war die Verknüpfung des Zentrums mit der übrigen Stadt immer ein Problem.
Paradebeispiel dafür war das Nadelöhr Potsdamer Platz. Seit den späten zwanziger Jahren
versuchten die Planer, dieses Problem durch eine Öffnung des Zentrums für den Automobilverkehr
zu lösen. Heute wissen wir, daß sowohl der fließende als auch der ruhende Kraftfahrzeugverkehr
mit den überkommenen europäischen Großstadtzentren nicht vereinbar ist. Die Vision der
zwanziger Jahre von einer geordneten Anpassung der europäischen Stadt an den wachsenden
Automobilverkehr ist gescheitert. Die internationalen Erfahrungen mit der autogerechten Stadt
lassen den Schluß zu, daß überhaupt nur ein autoarmes Zentrum, das den motorisierten
Individualverkehr drastisch reduziert und dem Schienenverkehr wieder absoluten Vorrang gibt,
stadtverträglich ist. Nur durch eine solche Zielsetzung kann eine Polarisierung der Lagen je nach
Autoverkehrsbelastung vermieden werden. Berlin ist in dieser wichtigen Frage erstaunlich
rückständig. Die realistische und zukunftsorientierte Option eines autoarmen Zentrums darf nicht
weiter durch falsche Weichenstellungen blockiert werden. Mittelfristig impliziert das den Verzicht
auf jede Verkehrsbündelung in irgendeiner Straße des Zentrums und auf jede Massierung von KfzStellplätzen innerhalb des Zentrums. Das bedeutet auch den Rückbau der beiden Ost-WestHauptstraßenzüge zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz sowie Alexanderplatz und Pariser
Platz. Nach Abschluß der großen Bauarbeiten im Zentrum sollten nur noch diese beiden
Straßenzüge über zwei Fahrspuren in jede Richtung verfügen, wovon eine Bussen, Taxis und - in
der Leipziger Straße - Straßenbahnen vorbehalten sein sollte. Die übrigen Straßenzüge könnten
zumindest mittelfristig den Autos, vor allem dem Wirtschafts- sowie dem Ver- und
Entsorgungsverkehr, zugänglich bleiben, aber nur auf einer Fahrspur pro Richtung. Gleichzeitig
wäre das Parken für Einpendler im Zentrum - wie in westdeutschen Großstädten auch - zu
erschweren. Eine große Bedeutung kommt dabei der von der Senatsbauverwaltung geplanten
Beschränkung der maximal möglichen Stellplätze bei Neubauprojekten zu.
7.4. Aufbau neuer Identitäten
Das Zentrum einer europäischen Stadt ist auch heute noch - trotz aller gegenteiligen Behauptungen
- mehr als ein Ortsteil neben anderen. Einige Orte, Gebäude, Denkmale und Namen des Zentrums
sichern die Identität der Gesamtstadt für ihre eigenen Bürger wie für die Besucher der Stadt - ja
sogar für diejenigen, die diese Stadt nie besuchen werden. Für West-Berlin waren die Ruine der
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und das Europa-Center am Breitscheidplatz identitätsstiftende
166
Bauten, für Ost-Berlin der Fernsehturm am nahegelegenen Alexanderplatz. Gesamt-Berlin wurde
schon immer durch das Brandenburger Tor symbolisiert.
Seit dem Umbruch des Jahres 1989 wurden immer wieder neue Identifikationspunkte des
historischen Zentrums entdeckt, verkündet, vermarktet: so der Potsdamer Platz, die Friedrichstraße,
der Alexanderplatz, der Pariser Platz und vor allem der Bereich um das ehemalige Berliner
Stadtschloß. Bei Gebäuden ist die Liste etwas kürzer: Neben dem Brandenburger Tor und dem
Schloßphantom finden sich allenfalls noch der Dom oder das Berliner Rathaus. All diese
Orientierungsversuche beziehen sich auf Orte und Bauten, die bereits vor 1945 existierten. Straßen
und Plätze, deren bauliche Form heute in keiner Weise mehr an die Zeit vor 1945 erinnert, werden
zumindest namentlich wiederhergestellt, etwa die Wilhelmstraße und - angesichts des aktuellen
Stadtraums ein abwegiger Schritt - der Schloßplatz. Auch bei der Erörterung der
Denkmallandschaft bleiben die Denkmäler der DDR-Zeit zumeist unberücksichtigt, ihnen wird oft
unreflektiert jede Denkmalwürdigkeit abgesprochen.
Dabei würe zunächst zu prüfen, welche Ost-Berliner Beiträge aus der DDR-Zeit in ein künftiges
Spektrum identitätsstiftender Orte, Gebäude und Namen zu integrieren sind. Unter den Gebäuden
wäre zuallererst der Fernsehturm zu nennen, dessen Bau zwar auch ideologisch begründet war,
dessen Nutzung und Gestalt aber einer Aneignung durch Gesamt-Berlin wenig im Wege steht. "Die
alles überragende, aber durchaus nicht herrschaftssüchtige Dominante der Stadt", so Bruno Flierl
schon 1990, "ist der Fernsehturm. Er ist für Ost-Berlin zum Stadtsymbol geworden wie der
Eiffelturm in Paris. Er wird als ein solches Symbol auch in Berlin bestehen können, zumal er von
überall her in der ganzen Stadt zu sehen ist." (S. 32) Dennoch hat das offizielle Berlin offenbar
unsägliche Schwierigkeiten, den Fernsehturm positiv zu würdigen, während der Einzelhandel und
andere privaten Akteure - insbesondere ein am Fuße des Turms arbeitender privater Fernsehsender längst die potentielle Bedeutung dieses Bauwerks erkannt haben.
Bereichert wird die Reihe potentiell identitätsstiftender öffentlicher Räume zweifellos durch den
großen Freiraum zwischen Palast der Republik und S-Bahnhof Alexanderplatz. Um seine
Qualitäten zu entfalten, ist aber eine gestalterische Weiterentwicklung erforderlich. Auch im
Umgang mit diesem Freiraum hat sich die Stadtpolitik bislang etwas schwergetan.
In der Frage der Umbenennung von Straßen und Plätzen wären mehr Gelassenheit, Ruhe und
Nachdenken, mehr Ost-West-Vermittlung wünschenswert. Warum sollten die Namen Clara-ZetkinStraße, Niederkirchnerstraße, Rosa-Luxemburg-Straße und Rosa-Luxemburg-Platz sowie KarlLiebknecht-Straße nicht erhalten bleiben? Und der Schloßplatz sollte zumindest auf den Stadtraum
vor dem Staatsratsgebäude und dem Neuen Marstall begrenzt werden.
Auch die noch vorhandenen Denkmäler der DDR-Zeit sollten nicht einem vorschnellen Bildersturm
zum Opfer fallen. Das gilt insbesondere für das Marx-Engels-Denkmalsensemble, dessen konkreter
Standort im Kontext der gestalterischen Weiterentwicklung des großen Freiraums überprüft werden
könnte. Von ganz außerordentlicher Bedeutung ist aber ein anderes Denkmal des historischen
Zentrums, einst ein Monument von größter städtebaulicher Bedeutung für Berlin: das Denkmal des
"Großen Kurfürsten" von Andreas Schlüter, welches früher auf der Langen Brücke stand und bis
1945 an die Perspektive einer Ostorientierung des Schlosses, einer Aufwertung der Königstraße zur
"via triumphalis" des preußischen Königtums, erinnerte. Diese Statue verkörperte die
herrschaftliche Pracht der Residenzstadt auch östlich des Schlosses, in der östlichen Altstadt. Die in
der Geschichte vielfach geschundene Altstadt von Berlin hat ein Recht auf die Rückführung dieses
1952 im Ehrenhof des Charlottenburger Schlosses aufgestellten Juwels, auf einen neuen Standort
östlich der Spreeinsel.
Eine besondere Schwierigkeit stellt die Restitution öffentlicher Räume dar, die in der DDR-Zeit
ausgelöscht oder vernachlässigt wurden, zur Identitätsstiftung des Zentrums aber in der
Vergangenheit wesentlich beigetragen haben und als solche im gesellschaftlichen Gedächtnis weiter
präsent sind. Nach der städtebaulichen Entkernung in der DDR-Zeit sind die weiten Stadträume
167
manchen Ost-Berliner Bürgern vertraut geworden, während West-Berliner eher den Bildern der
historischen Fotobände nachtrauern. Dennoch sollte ein öffentlicher Diskurs zur kritischen
Rekonstruktion verschwundender Plätze eingeleitet werden. Dies ist im übrigen keineswegs nur ein
Thema des Städtebaus im engeren Sinne, sondern auch der Stadtwirtschaft, der Stadtgesellschaft,
der Stadtidentität. Wo eine kritische Rekonstruktion berühmter Plätze und Straßen der
Vergangenheit nach Abwägung aller Gesichtspunkte möglich ist, sollte sie auch erfolgen. Das gilt
etwa für den Werderschen Markt, den Schinkelplatz, den wirklichen (und nicht den heute so
genannten) Schloßplatz, den Spittelmarkt, den Hausvogteiplatz, den Petriplatz, den Cöllnischen
Fischmarkt, den Molkenmarkt. Gerade diese öffentlichen Räume prägten die nicht-zentralistische
Struktur des Zentrums, sie waren Adressen von Rang, die heute nicht ohne Not ad acta gelegt
werden sollten.
7.5. Schutz der Cityrandzonen
Die Expansion der City hat immer wieder zu problematischen Verdrängungseffekten geführt, die
allerdings auch gewollt oder zumindest in Kauf genommen wurden. Das betraf insbesondere die
einfachen Bewohner und Gewerbetreibenden in der Altstadt und in den Vorstädten im Norden und
Osten des Zentrums. Ziel der seinerzeit geplanten Verdrängung war die Beseitigung der
kleinteiligen Grundriß-, Parzellen-, Haus-, Sozial- und Nutzungsstruktur zugunsten
monofunktionaler, von Bewohnern befreiter Großbauten auf Großparzellen zwischen
autogerechten, breiten Straßen. Diese Verdrängungsstrategie war keineswegs immer erfolgreich,
wie die Verhältnisse etwa im Fischerkietz oder in der Spandauer Vorstadt bis 1945 zeigen.
Heute gilt - angesichts der Erfahrungen mit "modernisierten" Zentren - der städtebauliche
Grundsatz der möglichst kleinteiligen und ökologisch tragfähigen Funktionsmischung
einschließlich des Wohnens auch in zentralen Lagen. Daher sind ganz andere Strategien als in der
Vergangenheit erforderlich. So bedarf die Berliner City einer eindeutigen räumlichen Begrenzung,
um die Cityrandgebiete, die von der Entwicklung der City besonders bedroht sind, etwas zu
schützen. Solche Cityrandgebiete sind etwa die Spandauer Vorstadt/Königstadt, die westliche KarlMarx-Allee und die Luisenstadt. Für diese Gebiete ist eine rigorose Schutzpolitik notwendig:
städtebaulicher Denkmalschutz, sozialer Milieuschutz und die Förderung der Initiativen vor Ort.
Eine Begrenzung des Zentrums impliziert zugleich eine Absage an die Konzeption eines
Citybandes zwischen dem historischen und dem Charlottenburger Zentrum. Cityinduzierte
Verdrängungsprozesse müssen eingedämmt werden. Nicht-zentrale Stadtteile dürfen nicht der
Cityexpansion geopfert werden. Das erfordert weiter eine Bestimmung subzentraler
Entwicklungsgebiete, wie sie etwa unter dem Stichwort "Ringstadt" diskutiert werden, aber auch
die stadtteilverträgliche Förderung vorhandener und neu zu schaffender Subzentren, insbesondere
im Ostteil der Stadt. Unbedingt miteinbezogen werden müssen weitere subzentrale Standorte in der
Region, am äußeren Autobahn- und Schienenring, vor allem an den Berührungspunkten dieser
beiden Ringe.
Daß zum Schutz von Cityrandzonen klassische planungsrechtliche Instrumente allein nicht
ausreichen, zeigt vor allem die Geschichte der Spandauer Vorstadt. Dieser Stadtteil war in der
Vergangenheit durch eine städtebauliche Barriere zwischen der Dorotheenstadt und der Spandauer
Vorstadt relativ geschützt. Folgerichtig zielten die Strategen der zerstörerischen Erneuerung der
ungeliebten Vorstadt auf das Aufbrechen dieser Barriere. Dazu kamen Versuche, an strategischen
Randpunkten Brückenköpfe der Tertiärisierung zu errichten - so am Oranienburger Tor, am
Hackeschen Markt und im Hinterland des Alexanderplatzes, am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz.
Angesichts der heute allgemein akzeptierten Zielsetzung, die Spandauer Vorstadt strukturell zu
erhalten, müssen solche Brückenkopfprojekte als Vorboten der Umstrukturierung unbedingt
vermieden werden. Die neuere Entwicklung im Bereich des ehemaligen Passage-Kaufhauses
(Tacheles) und bei den Hackeschen Höfen kommt diesem Ziel entgegen. Das bedrohlichste Projekt,
das Megaprojekt Alexanderplatz, scheint durch die Überproduktionskrise an Neubauflächen und die
enormen unrentierlichen Kosten allein für die unterirdische Neuordnung zumindest kurzfristig
168
entschärft. Über die Zukunft des Kernbereichs der städtebaulichen Barriere zwischen der Spandauer
Vorstadt und der City, die Linse im Spreebogen nördlich der Dorotheenstadt, ist noch nicht
abschließend entschieden worden. Für die ehemalige Friedrich-Engels-Kaserne, früher Artilleriebzw. Kaiser-Alexander-Kaserne, wurden nach der "Wende" mehrfach Flächenansprüche
angemeldet - seitens der Museumsinstitutionen, aber auch seitens der Humboldt-Universität. Auch
als provisorischer Regierungsstandort kam das Gelände ins Gespräch. Die heikle städtebauliche
Lage dieses Filetgrundstücks des Berliner Zentrums wurde bislang allerdings noch nicht
hinreichend gewürdigt.
7.6. Mehr Nüchternheit, mehr Bescheidenheit, mehr Realismus
Berlin war in der Vergangenheit hinsichtlich der Zentrumsplanung alles andere als bescheiden. Die
Planer waren geradezu trunken in ihrer Annahme eines grenzenlosen Zentrumswachstums, für das
immer neue Gebiete erschlossen werden müßten. Dies gilt nicht nur für die Zeiten des Kaiserreiches
und des Nationalsozialismus, sondern auch für die wenig prosperierende Ära der Weimarer
Republik. Die Wachstumsannahme hat sich in jedem Falle als Illusion erwiesen. Nach dem Zweiten
Weltkrieg mußte sich das doppelte Berlin für Jahrzehnte mit zwei sehr geschrumpften
Zentrumsbereichen begnügen.
Seit der Wende des Jahres 1989 verfiel die Stadtpolitik und Stadtplanung erneut in eine maßlose
Wachstumseuphorie. Insbesondere nach der Entscheidung für die Bundeshauptstadt Berlin wurde
ein exorbitanter "Nachholbedarf" an Büroflächen und Einzelhandelsflächen erwartet; Architekten
zeichneten ihre Hochhauswälder für diesen fiktiven Bedarf, und private Investoren ließen sich von
diesem Fieber anstecken, sie nahmen den erwarteten Boom für bare Realität und kauften in den
Euphoriejahren 1991/92 zu entsprechenden Preisen. Besonders verhängnisvoll wirkte sich eine
Fehlentscheidung aus: die Zulassung von Baudichten, die das historische und stadtverträgliche Maß
bei weitem übersteigen. Dieser historische Fehler wird zu einer grundlegenden Schwächung der
überkommenen polyzentralen Struktur Berlins führen: Den vorhandenen Subzentren wird
Entwicklungspotential entzogen, die Charlottenburger City wird ohne Not geschwächt, dem
geplanten Ringstadtprojekt, der bestechendsten Idee zur Zentrumsentwicklung der Nachwendezeit,
wird die erforderliche Entwicklungschance genommen. Die bisherige Planung droht ein
kopflastiges Zentrum zu zu fördern, wie es Berlin noch nie gekannt hat, ein Übermaß an
Geschoßflächen, das der Stadt schadet,ob diese nun in erheblichem Umfang leerstehen oder alle in
Betrieb gehen.
Angesichts dieser Fehlspekulation nahezu aller Akteure muß eine Ernüchterungsplanung trotz der
bestehenden Restriktionen eingeleitet werden. Einige der bisherigen Empfehlungen ermöglichen
Schritte in Richtung einer maßvolleren Zentrumsplanung: so etwa die Begrenzung der baulichen
Dichte, die Bewahrung des baulichen Erbes, auch aus der DDR-Zeit, der Schutz der
Cityrandgebiete und die Orientierung auf ein autoarmes Zentrum. Auch stadtökologische
Gesichtspunkte müssen stärker Berücksichtigung finden - etwa durch Förderung von Maßnahmen,
die das Stadtklima verbessern und zur Energieeinsparung beitragen.
Eines Ernüchterungsschubes bedürfen vor allem jene Planungen, die die Qualitäten des historischen
Zentrums am stärksten in Frage stellen. Zu diesen größten potentiellen Fehlplanungen müssen
infolge ihrer überzogenen Baudichte, ihrer Wirkungen auf die überkommene Stadt bzw. ihrer
Autoorientierung folgende Projekte gerechnet werden:
* das Megaprojekt Potsdamer Platz, das wie kein anderes Projekt die Ignoranz gegenüber dem
Parzellensystem und die Überschätzung des Bedarfs an Zentrumsflächen zum Ausdruck bringt;
* das Megaprojekt neuer Alexanderplatz mit seinen Hochhäusern, das dem Konzept, den "Platzes
des Ostens" weiterzubauen, entgegensteht und das die nahegelegenen Quartiere der Spandauer
Vorstadt und an der Karl-Marx-Allee bedroht;
169
* das Projekt eines potentiellen Superbahnhofs mit einem weiteren neuen, abgeschotteten
Zentrumsbereich aus der Retorte, das die feine, wenngleich nicht einfach wiederholbare
Balance des historischen Bahnhofssystems über alle Gebühr in Frage gestellt;
* das Projekt eines äußerst umstrittenen Tunnelsystems zwischen den beiden
Retortenprojekten Potsdamer Platz und Lehrter Bahnhof;
* das Beharren auf wenig zentrumsgerechten Ost-West-Hauptstraßen in der Tradition der
autogerechten Stadtplanung der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit.
Das beispiellose Kahlschlag- und Geschichtsentsorgungsprojekt am ehemaligen Marx-EngelsPlatz hat dagegen bereits eine erste, wohltuende Ernüchterung erfahren - erinnert sei an den
"Verzicht" auf den Abriß des Staatsratsgebäudes, an die Infragestellung des Abrisses des
Palastes der Republik und an die konzeptionelle Verlagerung des Außenministeriums auf den
Friedrichswerder.
7.7. Organisation und Verfahren der Zentrumsplanung
Die politische Abstimmung, Organisation, der Instrumenteneinsatz und das Verfahren der
Zentrumsplanung müssen nach den vorliegenden Erfahrungen noch einmal hinterfragt
werden. Der Blick in die Geschichte zeigt allerdings, daß die Rolle der Stadt Berlin beim
Zentrumsumbau immer sehr schwach gewesen ist - schwach gegenüber den privaten Akteuren
in der Kaiserzeit, schwach gegenüber den diktatorischen Einmischungen des Staates in der
nationalsozialistischen Zeit, aber auch in der DDR-Zeit. Die Bemühungen um eine starke
städtische Zentrumsplanung sind kläglich gescheitert. Dagegen garantierten die
Bauordnungen der liberalistischen Ära wenigstens die Disziplinierung privater Akteure, die
allerdings im wesentlichen auf eine maximale Traufhöhe, Hofgröße und damit Baudichte
begrenzt war. Dieses Mindestregelwerk gestattete immerhin die Sicherung eines relativ
gleichgewichtigen Zentrums im Rahmen einer polyzentral sich erweiternden Stadt. Heute
muß das Regelwerk dieses Typs bewahrt und um weitere Aspekte ergänzt werden.
Ein zentrales Durchführungsproblem war und ist die Fragmentierung der öffentlichen
Administration. Waren schon Abstimmungen innerhalb einer Verwaltung mühsam, so
steigerten sich die Schwierigkeiten, wenn mehrere Verwaltungen sich einigen mußten.
Zugespitzt wurden die Situation durch parteipolitische und - quer zu den Parteien fachpolitische Konflikte. Letztere entfalteten sich weniger zwischen der Senatsverwaltung für
Bau- und Wohnungswesen und der für Stadtentwicklung und Umweltschutz als zwischen
diesen beiden Verwaltungen und der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe. Die
verschiedenen, von unterschiedlichen Verwaltungen betreuten Projekte entwickelten so in der
Regel ein Eigenleben, das für eine Steuerung des Zentrumsumbaus wenig hilfreich ist. Das
galt auch und in besonderer Weise für das Ringen um eine Verkehrslösung für das Berliner
Zentrum. Wenig beachtet wurden die Folgewirkungen der einzelnen Projekte, die Wirkungen
auf das jeweilige Umfeld, die Wirkungen auf die vorhandene wie die geplante polyzentrische
Struktur der Stadt. Schließlich bleibt auf die prekäre Lage der Berliner Denkmalpflege
hinzuweisen, die in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz bislang
nicht gerade eine fürsorgliche Heimstatt gefunden hat.
Die politische und fachliche Konkurrenz der Verwaltungen untereinander hat daher den
Nachteil, daß konkurrenzbedingte Profilierungsstrategien das Konfliktpotential aufbauschen
und die öffentliche Hand im Verhältnis zu den privaten Akteuren schwächen. Sie hat aber den
Vorteil, daß Konflikte nach außen hin eher bekannt und damit durch die städtische
Öffentlichkeit auch besser beeinflußt werden können.
Das Problem eines fehlenden Zielkonsenses der Berliner Senatsverwaltungen läßt sich in
einer großen Koalition aufgrund der unterschiedlichen Grundsatzpositionen nicht angemessen
lösen. So war es und wird es kaum möglich sein, in einer solchen politischen Konstellation
das Konzept der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" in einer flexiblen Form für den
gesamten Senat verbindlich zu machen.
Ungeachtet aller politischen Differenzen muß die Organisation der Verwaltung aber auch
fachlich modifiziert werden. Angesichts des politischen Zwangs zur Verkleinerung des Senats
sollte auf ein eigenständiges Verkehrsplanungsressort verzichtet werden. Auch und vor allem
die städtische Verkehrsplanung muß in eine Gesamtplanung des öffentlichen Raums
eingebunden werden. Daher sollte sie mit der Stadtentwicklungs- und Umweltplanung
zusammengelegt werden. Zugleich muß ernsthaft überlegt werden, ob die Unabhängkeit und
Schlagkraft der Denkmalpflege nicht - zusätzlich zu einer Reform des Berliner
Denkmalschutzgesetzes - durch eine Verortung beim Kultursenator gestärkt werden kann. Ob
ein Superressort Bauen und Wohnungswesen, Stadtentwicklung und Umweltschutz sowie
Verkehrsplanung wirklich wünschenswert wäre, muß erst noch im Detail geprüft werden. Auf
alle Fälle müßte ein solches Superressort mit wirksamen, aufwendigen Beiratsstrukturen
ausgestattet werden, die weiterhin eine Transparenz der Konfliktlagen ermöglichen und auch
oppositionellen Standpunkten Raum geben.
Die bisherige Form der Zentrumsplanung - städtebauliche Ideenwettbewerbe, Gutachten,
feinkörnige Hauptstadtplanung - hat wesentlich zu einer Verständigung über Einzelfragen der
weiteren Entwicklung des Zentrums beigetragen, zugleich aber zwei grundlegende Probleme
offengelegt: Die für jedes Zentrum konstitutive Vernetzung der einzelnen Projektstandorte
wurde aufgrund der fragmentierten Vorgehensweise vernachlässigt, die Zentrumsstruktur der
Region Berlin geriet aus dem Blickfeld, und die Verfeinerung einer Ressortplanung - der
Hauptstadtplanung - barg die Gefahr in sich, andere Belange - etwa der Universität, des
Wohnens, der Kultur - strukturell zu benachteiligen. Inzwischen scheint diese Gefahr aber
gebannt.
Erstrebenswert wäre in jedem Falle ein ressortübergreifender Rahmenplan, ein
Zentrenentwicklungsplan, der Haupt- und Subzentren in Abstimmung auch mit dem Land
Brandenburg thematisiert, der den - gesamtstädtisch betrachtet - unverträglichen Druck auf
das historische Zentrum planerisch abzubauen versucht und der mit einem Kfzminimierenden Gesamtverkehrskonzept verknüpft wird. In diesen Zentrenentwicklungsplan
wäre die Hauptstadtplanung einzubinden. Ein solcher Plan müßte von einer koordinierenden,
politisch gestärkten Stabsstelle erstellt werden, die sich zwar mit den konkurrierenden
Positionen der beteiligten Sektoralverwaltungen auseinandersetzt, dieser Konkurrenz aber
selbst entrückt ist. Die Stabsstelle müßte ihrerseits mit einem Entwicklungsträger
zusammenarbeiten, dessen Aufgabenfeld zu erweitern wäre.
Neben der Rahmenplanung wäre eine verbindliche Bauleitplanung für die zentralen
Entwicklungsflächen wünschenswert, die zumindest die bauliche Dichte, die
Nutzungsmischung und die Stellplatzflächen festzulegen hätte. Für die Cityrandgebiete
schließlich sollten Erhaltungverordnungen angewendet werden. Insgesamt wäre ein
Planungsverfahren zu verfeinern, das ausreichend flexibel und transparent ist und das die OstBerliner Interessen gebührend berücksichtigt.
171
7.8. Ein Zentrum mit Profil!
Die Wiederbelebung des Berliner Zentrums ist weit mehr als eine städtebauliche Aufgabe im
engeren Sinne. Welche Funktionen hat das Zentrum zu erfüllen, und wie sollen diese
Funktionen räumlich verteilt werden? Diese Kernfragen haben Stadtplanung und Stadtpolitik
in historischen Wendezeiten des großstädtischen Berlin immer wieder beschäftigt - so 1871,
als Berlin Hauptstadt des Deutschen Reiches wurde, so vor dem Ersten Weltkrieg, als die
Erfahrungen mit der liberalistischen Citybildung vorlagen, so in der Weimarer Republik und
in der nationalsozialistischen Zeit, so vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit, und
schließlich nahezu während der gesamten DDR-Zeit. Nur heute werden diese Fragen kaum
gestellt oder unzulässig - auf die Funktion Regierungssitz - verkürzt.
Bis 1945 war das Berliner Zentrum durch ein charakteristisches Nutzungsprofil geprägt. In
den einzelnen Zonen dominierte oft eine bestimmte Nutzung, ohne daß diese Zonen in der
Regel monofunktional verödeten. Das Einkaufsviertel, das Vergnügungsviertel, das
Bankenviertel, das Regierungsviertel, das Hotelviertel, das Zeitungsviertel, das
Konfektionsviertel waren mehr oder weniger präzise im Zentrum verortet. In der DDR-Zeit
wurde dieses Nutzungsprofil weitgehend zerstört, ohne daß ein gleichwertiger Ersatz
entwickelt wurde. Das Zentrum verkümmerte funktional. Ähnliches gilt - vor dem
Hintergrund gänzlich anderer gesellschaftlicher Verhältnisse - für das West-Berliner Zentrum.
Heute muß sich Berlin bewußt werden, daß die das Zentrum vor 1945 prägenden Funktionen
in einem erheblichen Umfang in andere Städte der alten Bundesländer verlagert wurden, und
daß deren Rückkehr nur in bescheidenem Umfang stattfinden wird. Die lauthals verkündete
Parole "Dienstleistungsmetropole Berlin" war eher ein Wunschtraum, hatte allerdings eine
kolossale Wirkung auf Immobilienentwickler. Diese nahmen die Parole für bare Münze und
bereiteten den Bau neuer Dienstleistungsräume in erheblichem Umfang vor. Ihre Projekte
zeichneten sich angesichts der realen Profillosigkeit des Berliner Zentrums durch eine
einzigartige funktionale Monotonie aus: Sie offerierten in erster Linie "luxuriöse"
Büroflächen, dann Einzelhandelsflächen, angereichert mit etwas Kultur, Gastronomie und
Wohnungen. Mit einem solchen Angebot wird zwar dem Konzept rein monofunktionaler
Zonen entgegengetreten, durch die immer gleichen Flächen für unbekannte Nachfrager wird
aber eine neue Gleichartigkeit erzeugt. Notwendig wäre dagegen die Förderung eines
Nutzungsprofils für das Berliner Zentrum, das von einer neuen Sensibilität und
Bescheidenheit getragen wird. Universitätsviertel, Museumsinsel, Regierungsstandorte,
Wohngebiete, Einkaufsstraßen, "Kulturmeile" Oranienburger Straße, Zeitungsviertel - die
Ansätze einer solchen Profilierung sind ja vorhanden, bei den neuen Retortenprojekten am
Potsdamer Platz, Alexanderplatz und am Lehrter Bahnhof wird sie sich allerdings als
ungeheuer schwierig erweisen.
Schließlich ist mit Werner Sewing grundsätzlich zu fragen, ob nicht das Festhalten an dem
Konzept einer "Geschäftsstadt" mit überwiegender, gleichgeschalteter Büronutzung überholt
ist, ja der Idee einer europäischen Stadt mit ihrer Mischung von Funktionen und vielfältigen
Lebensformen letztlich widerspricht. Sicher, die Überproduktion von Büroraum ist
rezessionsbedingt, aber es ist auch mittelfristig unwahrscheinlich, daß massenhaft
"Headquarters" nach Berlin strömen werden. Dazu ist fraglich, ob sich die immer wieder
bestätigte Spekulation, daß sich nach einer längeren Durststrecke die erforderliche Nachfrage
wieder einstellen werde, auch uneingeschränkt für den Büromarkt der Zukunft gilt. Vor
diesem Hintergrund muß es als Versäumnis gewertet werden, daß bislang keine größeren
Experimente mit "variablen Bauten" gewagt wurden, "die unterschiedliche Wohn- oder
Bürogrundrisse zulassen" (Sewing 1995), Bauten mit einer Flexibilität, wie sie bislang
lediglich die "Mietskaserne" aufwies.
172
Die funktionale Bedeutung eines Zentrums gründet sich allerdings nicht nur auf ein räumlich
differenziertes Funktionsprofil. Erforderlich ist weiter der Aufbau eines überregionalen
Aufgabenspektrums. In bezug auf Berlin war das nach 1871 vor allem die Hauptstadtfunktion
in all ihrer Komplexität. Nach 1918 begann die unbescheidene Suche nach Megafunktionen,
die für Berlin eine Nummer zu groß waren - so der Traum der zwanziger Jahre von der
Weltstadt Berlin, dann der nationalsozialistische, mörderische Anspruch auf die
Welthauptstadt Germania. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Berlin - diesmal unfreiwillig die Hauptstadt des kalten Krieges. Nach 1989 schien der wiedervereinigten Stadt eine Rolle
auf den Leib geschrieben: die der Vermittlerin zwischen West- und Osteuropa. In dieser
äußerst schwierigen, aber eminent bedeutsamen Rolle hat Berlin bisher eher versagt - man
denke nur an die Auseinandersetzungen über den "Polenmarkt", an die mageren Ergebnisse
des kulturellen Austauschs mit osteuropäischen Städten, an das vorherrschende Schweigen
der städtischen Öffentlichkeit zum Krieg in Tschetschenien. Das offizielle Berlin blickt
weiterhin hauptsächlich nach Westen, tendiert dazu, seine Augen in Richtung Osten zu
verschließen. Sicher, die Euphorie der späten achtziger Jahre hat sich verflüchtigt, die Märkte
des Ostens sind schwierig, und die Demokratien des Ostens nicht immer überzeugend. Doch
die Rolle einer Mittlerin zwischen Ost und West ist ja keine Aufgabe nur für
Schönwetterperioden. Und wurde die Entscheidung für Berlin als Hauptstadt nicht auch und
gerade mit dieser wichtigen Rolle legitimiert?
173
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