Vollstreckungshindernisse gem. §§ 775, 776 ZPO

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Vollstreckungshindernisse gem. §§ 775, 776 ZPO
Vollstreckungshindernisse gemäß §§ 775, 776 ZPO
I.
§ 775 Nr. 1 - Vollstreckungshindernde Entscheidungen
Dem Vollstreckungsorgan ist die (nicht notwendig vollstreckbare) Ausfertigung (beglaubigte Abschrift der Ausfertigung reicht nicht aus) oder die Urschrift (kommt für den Gerichtsvollzieher generell nicht in Betracht) einer vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung (Urteil oder Beschluss) mit nachstehendem Inhalt vorzulegen, wobei Klausel
und Zustellung nicht erforderlich sind:
1.
Aufhebung des Vollstreckungstitels
Beispiele:
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Nach Einspruch gegen Versäumnisurteil (§ 343 S. 2 ZPO);
Berufungsurteil;
Feststellung der Nichtigkeit eines Urteils;
Urteil im Nachverfahren (§§ 302 IV, 600 II ZPO);
Aufhebungen von Arresten/einstweiligen Verfügungen (§§ 923, 925-927, 936)
Abänderungsentscheidungen
aa)
Die Ermäßigung künftig fällig werdender Leistungen durch ein vorläufig
vollstreckbares Abänderungsurteil (§ 323 ZPO) nimmt dem früheren Titel im Umfang der Ermäßigung die Vollstreckbarkeit und bildet somit die
Grundlage für eine Einstellung.
bb)
Durch eine Abänderungsentscheidung, die mit "Aufhebung" des bisherigen Titels zu höheren künftig fällig werdenden Leistungen (Unterhalt)
verpflichtet, tritt der in ihm aufgehende bisherige Titel für bereits wirksam gewordene Vollstreckungsmaßnahmen nicht außer Kraft; insoweit
kommt keine Einstellung oder gar Aufhebung (§ 776 ZPO) in Betracht
(OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 859 f).
Für neue Vollstreckungsmaßnahmen hat jedoch der vorausgehende Titel
für die im neuen Titel geregelten Zeiträume seine Wirksamkeit verloren
(OLG Stuttgart Rpfleger 1985, 199 f).
2.
Aufhebung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Titels
In Betracht kommt die Regelung des § 718 ZPO.
Nicht hierzu gehört die Abänderung des Urteils allein hinsichtlich der Sicherheitsleistung, beispielsweise dahingehend, dass das Urteil jetzt nur noch gegen Sicherheitsleistung oder in einer anderen Höhe oder in einer anderen Art der Sicherheitsleistung vollstreckbar ist.
3.
Unzulässigkeitserklärungen der Zwangsvollstreckung,
z.B. gemäß der §§ 766, 767, 768, 770-774, 785 ZPO
Ist die Entscheidung, die die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, muss dem Vollstreckungsorgan
2
4.
die Erbringung der angeordneten Sicherheit seitens des Schuldners nachgewiesen
werden (LG Bonn MDR 1983, 850).
Einstellung der Zwangsvollstreckung,
z.B. gemäß der §§ 732 I, 765a, 766 ZPO.
Hierbei handelt es sich im Gegensatz zu den in Nr. 2 des § 775 ZPO genannten
Entscheidungen stets um endgültige Einstellungen der Zwangsvollstreckung.
Wichtig:
II.
Zugleich erfolgt gem. § 776 S. 1 ZPO die Aufhebung der bereits getroffenen
Vollstreckungsmaßregeln.
§ 775 Nr. 2 - Einstweilige Einstellung der ZV bzw. ZV nur gegen SiHL
Dem Vollstreckungsorgan ist in - nicht notwendig vollstreckbarer - Ausfertigung die gerichtliche Entscheidung (nur Urteil oder Beschluss) vorzulegen, aus der sich ergibt:
1.
Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung,
z.B. gem. §§ 104 Abs. 3 S. 2, 107 Abs. 3, 570 Abs. 2 u. 3, 707 Abs. 1 S. 1 1. Alt.,
719, 732 Abs. 2, 765a, 766 Abs. 1 S. 2, 769, 770, 771 Abs. 3, 813a, 924 Abs. 3 S. 2
ZPO.
Die entsprechende Entscheidung muss - anders als bei § 775 Nr. 1 (vgl. Gesetzestext) - nur erlassen, nicht auch vollstreckbar sein. Erlassen ist eine Entscheidung,
wenn sie aus dem internen Geschäftsgang des Gerichts zum Zwecke der Beförderung weggegeben worden ist, z.B. Übergabe an die Post bzw. den Gerichtswachtmeister (BFH NJW 1991, 1975).
Ist die Einstellung nur gegen Sicherheitsleistung des Schuldners erfolgt, muss deren
Erbringung dem Vollstreckungsorgan nachgewiesen werden. Einer Zustellung dieses Nachweises an den Gläubiger bedarf es nicht, weil kein Fall des § 751 ZPO vorliegt.
2.
Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nur durch Sicherheitsleistung des Gläubigers,
z.B. gem. §§ 707 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 709 S. 2, 719 Abs. 1, 732 Abs. 2, 769, 770,
771 Abs. 3 ZPO.
Die Zwangsvollstreckung darf dann nur fortgesetzt werden, wenn der Gläubiger
dem Vollstreckungsorgan durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde die Erbringung der Sicherheitsleistung nachweist und eine Abschrift dieser Urkunde dem Schuldner zugestellt worden ist oder gleichzeitig zugestellt wird (§ 751
Abs. 2 ZPO).
Getroffene Vollstreckungsmaßnahmen bleiben einstweilen bestehen, es sei denn,
ihre Aufhebung ist durch die Entscheidung ausdrücklich angeordnet worden (§ 776
S. 2 2. Halbs. ZPO).
3
III.
§ 775 Nr. 3 - Nachweis der Sicherheitsleistung oder Hinterlegung
Fälle der Sicherheitsleistung zur Abwendung der Vollstreckung: §§ 711, 712 Abs. 1,720a
Abs. 3 ZPO.
Der Nachweis muss durch eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO erbracht
werden, z.B. die Bescheinigung der Hinterlegungsstelle; eine öffentlich beglaubigte Urkunde genügt nicht. Bei der Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft genügt gegenüber
dem Vollstreckungsorgan der Nachweis, dass das Original oder eine beglaubigte Abschrift der Bürgschaftserklärung dem Gläubiger bereits zugestellt wurde. Ausreichend ist
aber auch, dass der Schuldner dem Gerichtsvollzieher das Original der Bürgschaftserklärung übergibt, verbunden mit dem Auftrag, die Bürgschaftsurkunde bzw. dessen beglaubigte Abschrift dem Gläubiger zuzustellen (LG Hagen DGVZ 1976, 31).
Hat der Schuldner zu einem Zeitpunkt gegen ein gem. § 890 ZPO vollstreckbares Verbot
verstoßen, nachdem er die ihm im Urteil zur Abwendung der Vollstreckung gem. § 711
ZPO nachgelassene Sicherheitsleistung erbracht hat, und hat der Gläubiger zu diesem
Zeitpunkt seinerseits noch keine Sicherheit geleistet (durch die die Sicherheitsleistung des
Schuldners hinfällig würde), so kann die Zuwiderhandlung nicht mit Ordnungsmitteln geahndet werden; denn gem. § 775 Nr. 3 ZPO lag infolge der Sicherheitsleistung zu diesem
Zeitpunkt kein vollstreckbarer Titel mehr vor (OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1990, 124).
Soweit die Sicherheitsleistung nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, sondern
als Voraussetzung für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt, liegt
kein Fall von § 775 Nr. 3 ZPO, sondern ein solcher des § 775 Nr. 2 ZPO vor (LG Berlin
Rpfleger 1971, 322).
Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt gem. § 776 S. 1 ZPO.
IV.
§ 775 Nr. 4 - Befriedigung/Stundung
Der Nachweis der vollständigen Befriedigung des Gläubigers - Hauptforderung einschließlich Nebenforderungen und Kosten - bzw. Stundung muss unmittelbar durch eine
öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO) oder durch das Original einer vom Gläubiger ausgestellten Privaturkunde (§ 416 ZPO) erbracht werden; die Privaturkunde muss vom Gläubiger am Schluss des Textes (vgl. BGH NJW 1991, 487) unterschrieben (Schreibmaschine bzw. Faksimilestempel genügen also nicht) oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet worden sein. Aussteller der Urkunde kann der Gläubiger, aber
auch ein in dessen Vertretung handelnder Dritter sein, der mit "i.V." oder sogar mit dem
Namen des Gläubigers unterschreibt.
Ist nach dem Inhalt des Titels oder aufgrund gesetzlicher Vorschrift (z.B. § 38 ff. EStG)
an einen Dritten zu leisten (z.B. bei Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung von Bruttolohn hinsichtlich der Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge), oder ist die
Forderung kraft Gesetzes auf einen Dritten übergegangen (z.B. gem. § 268 Abs. 3, § 426
Abs. 1 S. 2, § 774 BGB; § 94 SGB XII) und dem Vollstreckungsorgan dies nachgewiesen, so genügt eine entsprechende Privaturkunde des Dritten (LG Berlin DGVZ 1993,
27; LG Braunschweig DGVZ 82, 42).
Das Vollstreckungsorgan hat die Echtheit der Urkunde von Amts wegen zu prüfen und
sich bei Zweifeln beim Gläubiger (telefonisch) zu vergewissern. Lassen sich Zweifel
nicht zu Gunsten des Schuldners beseitigen, muss weiter vollstreckt werden.
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Die Befriedigung des Gläubigers kann durch Erfüllung oder Erfüllungssurrogate (z.B.
Leistung an Erfüllungs Statt, Erlass, Aufrechnung - soweit vom Gläubiger anerkannt, ansonsten § 767 ZPO für den Schuldner) erfolgen. Hierzu zählt auch der Fall, dass die titulierte Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner von letzterem aufgrund eines Titels
gegen den Gläubiger gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurde (RGZ 33, 290;
Zöller/Stöber § 775 Rn. 7); ferner der Verzicht des Gläubigers auf die Vollstreckung im
Rahmen einer Vollstreckungsvereinbarung (OLG Frankfurt/Main JurBüro 1991, 1554,
1555).
Ist die Befriedigung des Gläubigers nur teilweise erfolgt oder nur teilweise nachgewiesen, wird die Zwangsvollstreckung nur in entsprechender Höhe beschränkt. Bei der Stundung ist zu beachten, dass der Zeitraum der Stundung im Zeitpunkt der Vornahme der
Vollstreckungshandlung noch nicht abgelaufen sein darf.
Nicht unter § 775 Nr. 4 ZPO fallen materiell-rechtliche Einwendungen anderer Art wie
Rücktritt gem. § 503 II BGB, Anfechtung, Übergang des Anspruchs auf einen Dritten
(h.M.: OLG Frankfurt/Main DGVZ 1993, 91; LG Münster MDR 1964, Baumbach/Hartmann § 775 Rn. 13; MünchKommZPO/Schmidt § 775 Rd. 19; Zöller/Stöber § 775 Rn. 7;
a.A.: LG Köln MDR 1963, 688).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Befriedigung bzw. Stundung ist der Erlass des Urteils
(Verkündung gem. § 310 Abs. 1 ZPO, Verkündungsersatz durch Zustellung gem. § 310
Abs. 3 ZPO), bei einem Vollstreckungsbescheid die Zustellung des Mahnbescheides (LG
Kiel DGVZ 1983, 24; LG Stuttgart DGVZ 1953, 56; MünchKommZPO/Schmidt § 775
Rd. 20 Fn. 61; Thomas/Putzo § 775 Rd. 14; nach a.A. die Zustellung des Vollstreckungsbescheides, weil nur letzterer einen Vollstreckungstitel darstelle: StJ/Münzberg § 775 Rd.
16; Zimmermann § 775 Rd. 10). Bei Beschlüssen ist maßgeblich deren Existentwerden,
ansonsten die Errichtung des Vollstreckungstitels.
Getroffene Vollstreckungsmaßregeln bleiben einstweilen bestehen, § 776 S.2 1. Halbs.
ZPO. Widerspricht der Gläubiger der Einstellung, muss das Vollstreckungsorgan trotz
Vorlage der Urkunden weiter vollstrecken; dem Schuldner bleiben nur §§ 767, 769 ZPO
(h.M.: OLG Hamm MDR 1973, 857 = Rpfleger 1973, 324 sowie Rpfleger 1979, 431, 432
m.w.N.).
V.
§ 775 Nr. 5 ZPO - Einzahlungs- und Überweisungsnachweise
Voraussetzung ist die Vorlage eines Einzahlungs- oder Überweisungsnachweises einer
Bank oder Sparkasse, aus dem sich ergibt, dass der Schuldner den zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers erforderlichen Betrag (auch hinsichtlich der Kosten) zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen hat, z.B. ein
Kontoausdruck über die Abbuchung des Betrags, wenn er Empfänger und Empfangskonto
bezeichnet. Eine bloße Kopie oder Durchschrift eines Überweisungsauftrags nebst Eingangsstempel der Schuldnerbank reicht jedoch nicht aus, wohl aber eine Bankbescheinigung, die nicht nur den Erhalt des Auftrags, sondern auch dessen Ausführung be-stätigt.
Ein Einlieferungsschein über einen Wertbrief genügt den Anforderungen ebenfalls nicht.
Bemerkenswert ist der Wegfall des Wortes „Post“ im Gesetzestext. Der Gesetzgeber ging
offensichtlich davon aus, dass nach Umwandlung der Postscheckämter nunmehr Einzahlungen nur bei den Filialen der Deutschen Postbank erfolgen. Dem ist indes nicht so.
Nach wie vor werden Einzahlungen an den Schalterstellen der Deutschen Post AG quit-
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tiert und nicht nur von der Postbank. Bei letzterer wird nur eingezahlt, wenn der Gläubiger bei der Postbank ein Konto hat.
Im Wege der Auslegung dürften jedoch taugliche Einzahlungsbelege der Post ebenfalls
unter § 775 Nr. 5 fallen.
Nach der Neufassung des § 775 Nr. 5 ZPO ist der Zeitpunkt der Leistung unerheblich,
folglich dürften selbst „Uraltbelege“ als taugliche Nachweise ausreichen. Der Gesetzesbegründung lässt sich indes entnehmen, dass der Gesetzgeber nur Leistungen anerkennen
wollte, die nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erfolgt sind, um eine
inhaltliche Angleichung an § 767 II ZPO herbeizuführen. Die Streichung der Worte „nach
Erlaß des Urteils“ dürfte daher nicht dahingehend zu verstehen sein, dass jegliche zeitliche Beschränkung wegfallen sollte.
Getroffene Vollstreckungsmaßregeln bleiben einstweilen bestehen, § 776 S. 2 1. Halbs.
ZPO.
VI.
Allgemeines
1.
Folge der Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung ist, dass
die Zwangsvollstreckung erst gar nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden darf.
Abhängig vom Stand des Vollstreckungsverfahrens kann also ein Nichtstun des
Vollstreckungsorgans genügen (z.B. keine Verwertung der gepfändeten Sache; die
Zustellung eines erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unterbleibt).
Wurden künftige Vollstreckungsmaßnahmen bereits veranlasst, sind entsprechende
Gegenmaßnahmen zu ergreifen (z.B. Aufhebung eines Versteige-rungstermins
oder der Haftanordnung).
2.
Bei der Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten gem. §§ 828 ff ZPO
ändert die Einstellung der Zwangsvollstreckung nichts daran, dass der Drittschuldner nach wie vor nicht an den Schuldner leisten darf (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO Arrestatorium), andererseits darf der Drittschuldner nun nicht mehr an den Gläubiger zahlen (RGZ 128, 81, 83; MünchKomm ZPO/Schmidt § 775 Rd. 27;
StJ/Münzberg § 775 Rd. 26). Diese Rechtsfolge sollte dem Drittschuldner zusammen mit dem Einstellungsbeschluss durch Zustellung mitgeteilt werden, da der
Drittschuldner bei einer in Kenntnis der Einstellung erfolgten Zahlung an den Gläubiger nicht von seiner Leistungspflicht frei wird. Um einem Insolvenzrisiko des
Drittschuldners zu begegnen, empfiehlt sich zudem, einen Antrag auf Anordnung
zu stellen, dass der Drittschuldner die fällige Leistung für Gläubiger und Schuldner
zu hinterlegen
(§ 1281 BGB analog) oder an Gläubiger und Schuldner gemeinsam zu leisten habe (vgl. KG OLG Rspr. 35, 122; LG Berlin Rpfleger 1973, 63;
StJ/Münzberg § 775 Rd. 26).
3.
Nach erfolgter Einstellung bzw. Beschränkung darf die Zwangsvollstreckung nur
dann fortgesetzt werden, wenn das Vollstreckungshindernis nicht mehr besteht.
Das ist in § 775 Nr. 1 u. 2 ZPO der Fall bei Fristablauf gem. §§ 769 Abs. 2 S. 2,
815 Abs. 2 S. 1 ZPO (Fortsetzung von Amts wegen) sowie bei einer die
Unzulässigerklärung bzw. einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufhebenden Entscheidung; in den Fällen des § 775 Nr. 3 ZPO beim Nachweis der
Rechtskraft oder einer die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erlaubenden, vom
Gläubiger erbrachten (vgl. § 751 Abs. 2 ZPO) Sicherheitsleistung (Fortsetzung nur
auf Antrag des Gläubigers).
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In den Fällen des § 775 Nr. 4 u. 5 ZPO ist die Zwangsvollstreckung fortzusetzen,
wenn der Gläubiger dies unter Bestreiten der behaupteten Befriedigung/Stundung
verlangt oder der Stundungszeitraum abgelaufen ist. Dem Schuldner bleibt dann
nur, seine materiell-rechtlichen Einwendungen der Befriedigung/Stundung mit der
Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO geltend zu machen und ggf. eine
einstweilige Einstellung gem. § 769 ZPO zu erreichen (LG Frankfurt/Main DGVZ
1989, 42 m.w.N.).
4.
Ein Verstoß gegen § 775 ZPO führt nur zur Anfechtbarkeit, nicht zur Unwirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahmen. Rechtsbehelfe: § 766 ZPO bei Vollstreckungsmaßnahmen, § 11 Abs. 1 S. 1 RPflG/§ 793 ZPO bei Entscheidungen.
VII. § 776 ZPO - Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln
Die Vorschrift regelt die Folgen von Vollstreckungsmaßnahmen, die bei Einstellung bzw.
Beschränkung der Zwangsvollstreckung bereits erfolgt waren. Diese sind von dem jeweils
zuständigen Vollstreckungsorgan in den Fällen des § 775 Nr. 1 u. 3 ZPO aufzuheben. Erst
dadurch wird die Verstrickung des Pfandgegenstandes beseitigt (z.B. Entfernung des
Pfandsiegels durch den Gerichtsvollzieher oder den Schuldner, soweit dieser dazu ermächtigt wurde, vgl. § 171 GVGA; das Vollstreckungsgericht hebt durch zuzu-stellenden
Beschluss den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder die Haftanord-nung auf;
Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses durch das Prozessgericht, § 888 ZPO).
Wird die der Aufhebung zugrunde liegende Entscheidung bzw. der Aufhebungsbeschluss
seinerseits aufgehoben, lebt die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht wieder auf (allg.
Meinung, vgl. BGH NJW 1976, 1453). Folglich kann für den Gläubiger ein Rangverlust
i.S.v. § 804 III ZPO eintreten.
Eine Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt ferner dann, wenn der Gläubiger
den Vollstreckungsauftrag zurücknimmt, einen Pfandgegenstand freigibt, einen Antrag
gem. § 887 ff ZPO zurücknimmt oder die Aufhebung des Pfändungs- und
Uberweisungsbeschlusses beantragt.
Da in den Fällen des § 775 Nr. 2 ZPO (soweit nicht ausnahmsweise in der Entscheidung
die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme angeordnet wurde) sowie des § 775 Nr. 4 u.
5 ZPO die Zwangsvollstreckung lediglich eingestellt wird, die bisherigen Vollstreckungsmaßnahmen also bestehen bleiben, kann der Schuldner deren Aufhebung nur
durch entsprechenden Antrag des Gläubigers oder durch Klage gem. § 767 ZPO und
Nachweis der entsprechenden Entscheidung gem. §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO erreichen.