Effizienzmessung mittels Randproduktionsfunktionen und linearer

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Effizienzmessung mittels Randproduktionsfunktionen und linearer
Erscheint in: A. Stepan, E. Fischer: Betriebswirtschaftiche Optimierung, 8. Auflage, Oldenbourg
Effizienzmessung mittels Randproduktionsfunktionen und linearer
Programmierung – Data Envelopment Analyse (DEA)
Das Konzept der Produktionsfunktion (siehe Abschnitt 1.2) hat den Nachteil, dass a priori Annahmen über die
Gestalt der Funktion gemacht werden müssen. Die Parameter der Funktion sind jedoch in den seltensten Fällen
analytisch herzuleiten, was ein großer Nachteil für das praktische Arbeiten mit Produktionsfunktionen ist. An die
Stelle parametrisch bestimmter Produktionsfunktionen treten daher in letzter Zeit zunehmend empirisch
ermittelte Randproduktionsfunktionen. Dazu wird eine minimal-einhüllende Hyperfläche über alle
Beobachtungen gelegt, wobei mindestens eine Beobachtung auf der gesuchten Hyperfläche liegen muss. Diese
Lösungsfläche stellt nun die Randproduktionsfunktion dar. Alle Punkte dieser Lösungsfläche, also auch lineare
Interpolationen benachbarter Punkte, werden als zulässige Input-Output Kombinationen angesehen.
Methodisch unterscheidet man in diesem Zusammenhang zwischen dem ökonometrischen Ansatz und dem
Ansatz der mathematischen Programmierung (DEA). Die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen beiden
Methoden können wie folgt zusammengefasst werden:
•
Ökonometrische Methoden sind parametrisch, basieren also auf der Spezifikation einer funktionalen
Form sowohl der zugrundeliegenden Technologie als auch der (In-)Effizienz, während die
Methoden der mathematischen Programmierung nicht-parametrisch sind und somit keine derartige
Spezifizierung erfordern.
•
Ökonometrische Methoden basieren auf der Trennung von Ineffizienz und Zufallseinflüssen
und/oder statistischen Messfehlern, während die Methoden der mathematischen Programmierung die
Abweichungen zwischen den Beobachtungen als gegeben hinnehmen, also diese Unterscheidung
nicht vornehmen. Erst in einem zweiten Schritt wird dann über die Ursachen der Abweichungen
(hier der relativen Ineffizienzen) geforscht (dann auch mit ökonometrischen Methoden).
Der von Charnes, Cooper und Rhodes [1978] publizierte Ansatz hat heute bereits weite Verbreitung gefunden. In
der Zwischenzeit sind bereits viele hervorragende einführende Lehrbücher, wie jenes von Cooper, Seiford und
Tone [2000], dem wir hier streckenweise folgen, Thanassoulis [2001] und Zhu [2003] erschienen und so weit
auseinander liegende fachspezifische Monographien wie jene von Bauer, Staat und Hammerschmidt [2006] für
Anwendungen im Marketing und von Jacobs, Smith und Street [2006] über Effizienzmessung im
Gesundheitswesen. Besonders wertvoll sind auch Homepages mit zahlreichen Beispielen und Übungsmaterial,
die auch kostenlose Software zur Verfügung stellen (siehe z. B. die Homepages von Ali Emrudznejad:
www.deazuone.com, von Holger Scheel: www.wiso.uni dortmund.de/lsfg/or/scheel/doordea.htm, oder die sehr
gut ausgestattete von Paul W. Wilson: www.clemson.edu/economics/faculty/wilson/Software/FEAR/fear.html).
1.1.1
Produktivität und Effizienz als Grundlagen eines
produktionswirtschaftlichen Benchmarkingprozesses
Produktivität wird als Quotient von Output zu Input gemessen (siehe Abschnitt 1.2) und als Kennzahl (Index,
Faktorproduktivität, u.ä.m) aufgezeichnet. Werden damit Lernfortschritte oder Arbeitsfortschritte im Zeitablauf
dokumentiert, spricht man von Zeitvergleich. Werden ähnliche organisatorische Einheiten verglichen, spricht
man von einem Betriebsvergleich. Die Analyse der Veränderungen im Zeitablauf oder der Unterschiede
zwischen produktiven Einheiten wird heute allgemein als Benchmarking bezeichnet und liefert Informationen
zur allfälligen Entscheidungsfindung über das künftige Design produktiver Einheiten. Für produktive Einheiten,
die autonom und verantwortlich Entscheidungen über ihre innere Organisation treffen können, hat sich die
Bezeichnung Decision Making Units (DMU) durchgesetzt.
Die maximal mögliche oder beobachtete maximale Produktivität (AP) einer DMU im Falle eines Outputs und
eines Inputs (SISO – single Input-single output) wird als Effizienz bezeichnet. Der Quotient aus Produktivität
und maximaler Produktivität wird als relative Effizienz einer DMU bezeichnet. Die relative Effizienz ist daher
eine dimensionslose Größe zwischen 0 und 1.
In der Regel existieren jedoch für einen bestimmten Output so viele Indizes wie Inputfaktoren involviert sind.
Man spricht daher von der Faktorproduktivität APij des i-ten Faktors für den j-ten Output eines technisch
möglichen Produktionsprogramms mit i = 1, ..., m und j = 1, ..., n .
Da diese verschiedenen Indizes als Faktorproduktivitäten keine dimensionslosen Größen sind, die zu einem
gesamten Produktionsindex zusammengezogen werden könnten, wird nach einem Index gesucht, der so wie im
SISO Fall eine dimensionslose Größe zwischen 0 und 1 ist, die die Gesamtproduktivität der Technologienutzung
zu einem bestimmten Zeitpunkt repräsentiert. Für die Beurteilung technischer Systeme behilft man sich mit dem
Wirkungsgrad, der die Energieeffizienz eines Systems angibt (abgegebene Energie/aufgewandter Energie) oder
in der Wirtschaft mit einigen wenigen SISO Größen wie der Arbeitsproduktivität (Output/Kopf oder
Output/Stunde), die nicht dimensionslos sind. Die Herausforderung besteht also darin, die von vielen
Entscheidungsträgern als natürlich empfundenen einfachen SISO Konzepte auf den realistischen Fall mit
multiplen Inputs und multiplen Outputs (MIMO) zu erweitern, mithin die MIMO Realität auf den SISO Fall
zurückzuführen, ohne (wesentliche) Inputs und Outputs zu vernachlässigen.
Farrell [1957] hat dies in seiner bahnbrechenden Arbeit über die Messung von Produktivität als erklärtes Ziel
seiner Bemühungen angegeben: ”It is the purpose of this paper to provide a satisfactory measure of productive
efficiency – one which takes account of all inputs and yet avoids index number problems and to show how it can
be computed in practice.” Das von ihm angesprochene „index number problem“ besteht in der Aggregation
mehrerer Faktoren zu jeweils einem, für die Beurteilung der DMU relevanten aggregierten Output und
aggregierten Input, um eine einzige, dann jedoch hochaggregierte dimensionslose SISO Kennzahl für die relative
Effizienz der Technologienutzung einer DMU zu bekommen. Da man Äpfel und Birnen nicht addieren darf,
muss man diese zu Obst, und da man Gemüse und Obst nicht addieren darf, diese zu Rohkost aggregieren, usw.
Aggregation ist also eine Bewertung einzelner Input- und Outputfaktoren mit jeweils einem Multiplikator, der es
erlaubt, die Faktoren addierbar zu machen. Das kann z. B. durch ausgehandelte Gewichtungen geschehen (wie in
Scoring-Modellen), aber natürlich können die Gewichte auch durch die tatsächlichen Preise der Outputs und der
Inputs ersetzt werden. Die Aggregation mittels ausgehandelter Gewichte spiegelt aber nur Machtverhältnisse der
Entscheidungsträger wider und die Aggregation mit Preisen führt zu einer Rentabilitätskennzahl, die etwas über
die ökonomische Effizienz einer DMU aussagt, aber wiederum nichts über die technische Effizienz, da nicht
nachvollziehbar ist, ob und inwieweit Marktmacht bei der Preisbildung für Outputs und Inputs von den einzelnen
DMUs bzw. den dafür Entscheidungsbefugten ausgeübt wurde oder hätte werden können. Ein rein
produktionswirtschaftliches Benchmarking-Konzept hat hingegen den Vorteil, dass nur objektiv erhebbare
physikalische Dimensionen als Daten nachgefragt werden – ganz wie beim Informationsniveau 1 in
Abschnitt 1.2.6 über die Prozessauswahl.
1.1.2
Das Konzept der Messung von Effizienz und von Ineffizienz mittels
Randproduktionsfunktionen
Zur Veranschaulichung des Konzepts betrachten wir die DMUs A bis H mit jeweils 1 Input und 1 Output
(Tab. 2.4. und Abb. 2.5) bzw. als Dreigüterfall mit 2 Inputs und 1 Output – vice versa (Tab. 2.5 und Abb. 2.6).
Das Ausmaß der Ineffizienz wird als Distanz der betrachteten DMU zum empirisch ermittelten effizienten Rand
gemessen. Die Richtung, in der gemessen wird, ist grundsätzlich offen. In der Literatur und für praktische
Anwendungen hat sich die radiale Messung der Effizienz durchgesetzt, der entweder eine Inputorientierung oder
eine Outputorientierung zugrunde liegt (für nicht radiale Effizienzmessung sei auf die eingangs angegebene
Literatur verwiesen). Die inputorientierte radiale Messung kann für den Dreigüterfall (2 Inputs und ein Output)
anhand eines Faktoreinsatzdiagramms dargestellt werden, in welchem der effiziente Output bzw. die effizienten
DMUs auf einer konvexen Isoquante abgebildet wird bzw. werden (siehe Abb. 2.6. und Diagramm 1 bei Farrell
[1957], S. 254]). Da die Isoquante den effizienten Rand der Randproduktionsfunktion repräsentiert, können
vergleichbare DMUs nicht zwischen Isoquante und Ursprung liegen, sondern nur auf oder über der Isoquante,
vom Ursprung aus betrachtet. Das Ausmaß der Ineffizienz einer DMU, z. B. jener von DMU H, wird entlang des
Radius von H durch den Ursprung gemessen. Infolge der Ineffizienz von H schneidet der Radius die Isoquante in
H1 , bevor er H erreicht. Farrell schlägt nun als Maß für die Ineffizienz den Quotienten OH1 OH vor, der für
effiziente Vergleichseinheiten maximal den Wert 1 annehmen kann1. Das Farrell'sche Ineffizienzmaß, bzw. die
radiale relative (In-)Effizienz gibt an, in welchem Ausmaß alle Inputfaktoren proportional zueinander verringert
1
Farrell [1957, S. 254] selbst verweist auf die Ähnlichkeit dieses Maßes mit dem von Debreu etablierten “coefficient of resource utilisation“
und Førsund und Sarafoglou [2002, S. 27] verweisen weiter darauf, dass dieses Maß die Inverse des Shephard’schen Distanzmaßes ist.
werden müssen, damit die ineffiziente DMU auf den effizienten Rand zu liegen kommt. Wegen der Anbindung
der Ineffizienz an ein Zuviel an Inputfaktoren spricht man von Inputorientierung.
Wir können jedoch einen Dreigüterfall auch outputorientiert betrachten (zwei Outputs, ein Input) und effiziente
konkave Outputisoquanten (Transformationsfunktionen) analysieren (siehe Abb. 2.7.). Dann gibt der in Analogie
zur Inputorientierung berechnete Grad an Ineffizienz an, in welchem Ausmaß jeweils die Outputs proportional
zueinander zu steigern sind, um den effizienten Rand der Transformationsfunktion zu erreichen. Um auch in
diesem Fall der relativen Effizienz die Zahl 1 zuordnen zu können, muss die relative Effizienz durch 0C 0C′
gemessen werden. Bei konstanten Skalenerträgen (Constant Returns to Scale – CRS), kann man sich im SISO
Fall graphisch leicht vergegenwärtigen, dass Inputorientierung und Outputorientierung zum gleichen Ergebnis
führen (siehe dazu in Abb. 2.5. die Punkte CI und CO für die Input- zw. Outputorientierung). Bei variablen
Skalenerträgen (Variable Returns to Scale – VRS) ist dies hingegen nicht zwingend der Fall. Hier kann relativ
häufig der Fall eintreten, dass die Effizienz einer DMU an unterschiedlich geneigten Segmenten der
Randproduktionsfunktion gemessen wird.
1.
Fallbeispiel: Ein Input, ein Output, konstante Skalenerträge
Um einen Einblick in die Methodik der DEA und ihre Anwendung zu geben, soll zunächst für den Fall eines
Inputs und eines Outputs eine Effizienzanalyse durchgeführt werden. Zu diesem Zweck wird zunächst für die in
Tab. 2.4. angegebenen 8 DMUs, die jeweils mit einem einzigen Input x den einzigen Output y erzeugen, die
Produktivität ermittelt. Die Ergebnisse sind der letzten Zeile von Tab. 2.4. zu entnehmen. Hier zeigt sich, dass
DMU A mit 0,9 die höchste beobachtete Produktivität aufweist.
Führt man eine Effizienzanalyse im Sinne eines Produktivitätsvergleiches durch, so ergibt sich über die Relation
tatsächliche Produktivität
höchste beobachtete Produktivität
(2.1)
die gesuchte relative Effizienz mit Werten zwischen Null und Eins. In unserem Beispiel weist DMU A die
höchste Produktivität auf. Die relative Effizienz von A beträgt somit 1 bzw. 100%, die relative Effizienz aller
übrigen DMUs wird über einen Vergleich der jeweils eigenen Produktivität mit jener von A ermittelt.
DMU
A
B
C
D
E
F
G
H
X
10
4
6
8
10
10
12
16
Y
9
2
4
6
8
4
6
10
0,9
0,5
0,667
0,75
0,8
0,4
0,5
0,625
1
0,556
0,741
0,833
0,889
0,444
0,556
0,694
55,6
74,1
83,3
88,9
44,4
55,6
69,4
y x
y x
max { y x}
in %
100,0
Tab. 2.4. Relative Effizienz für einen Input und einen Output (SISO)
Verglichen mit der besten beobachteten DMU A sind alle anderen untersuchten DMUs ineffizient, wobei F –
gemessen an A – die geringste relative Effizienz aufweist.
Stellt man diesen Fall eines Inputs und eines Outputs graphisch dar, indem man den Input auf der Abszisse und
den Output auf der Ordinate aufträgt, erhält man Abbildung 2.5:
14
12
10
Output
H
A
8
Randproduktionsfunktion
für konstante Skalenerträge
6
CO
CI
4
2
E
G
D
C
Randproduktionsfunktion
für variable Skalenerträge
F
B
0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Input
Abb. 2.5 Effizienzanalyse und Orientierung
Die Steigung der Geraden aus dem Ursprung durch den Punkt A mit den Koordinaten A (10 9 ) gibt die
Produktivität der DMU A wieder, die – wie bereits gezeigt – verglichen mit allen anderen beobachteten
Produktivitäten die höchste beobachtete Produktivität aufweist. Diese Gerade aus dem Ursprung durch den
Punkt A bildet somit die Randproduktionsfunktion, die auf Basis empirisch beobachteter Inputs und Outputs der
verschiedenen DMUs konstruiert werden kann. Stellte man die Produktivitäten aller übrigen DMUs ebenfalls in
Form einer Geraden durch den Ursprung graphisch dar, so hätten alle diese Geraden eine geringere Steigung als
jene durch den Punkt A. Damit wird deutlich, dass die Randproduktionsfunktion aus den sogenannten "best
result(s) observed in practice" [Farrell 1957, S. 255] gebildet wird, womit alle beobachteten DMUs letztendlich
auf oder unter der empirisch ermittelten CRS Randproduktionsfunktion liegen müssen.
Betrachtet man die Vorgehensweise bei der Ermittlung dieses relativen Effizienzmaßes genauer, so erkennt man,
dass dieses relative Effizienzmaß invariant gegenüber den verwendeten Maßeinheiten ist, d. h. das ermittelte
Effizienzmaß ist ein Skalar. Angenommen, beim Input handelt es sich um die Anzahl der Beschäftigten eines
Betriebes, dargestellt in Vollzeitäquivalenten, und beim Output handelt es sich um erzeugte Stahlseile, die in m
angegeben sind. Berechnet man die Produktivität von A, so erhält man folgenden Ausdruck:
9m
= 0,9 m je VZÄ .
10 VZÄ
Führt man dieselbe Berechnung für B durch, erhält man
2m
= 0,5 m je VZÄ .
4 VZÄ
Die Effizienzanalyse ergibt nun über den Quotienten
2m
9m
= 0,5 m je VZÄ 0,9 m je VZÄ = 0,556
4 VZÄ 10 VZÄ
ein dimensionsloses Effizienzmaß für DMU B in der Höhe von 0,556, d. h. 55,6%.
Das Ergebnis verändert sich bei einem Austausch der Maßgrößen nicht, wenn es sich um lineare
Transformationen handelt (z. B. cm anstelle von m).
2.
Fallbeispiel: Zwei Inputs, ein Output, konstante Skalenerträge
Angenommen, die DMUs A bis H benötigen zur Produktion einer Einheit des Outputs y die in Tab. 2.5.
angegebenen Inputs x1 und x2. Durch die Normierung des Outputs auf 1 wird der Fall konstanter Skalenerträge
unterstellt. Graphisch lässt sich dieser Fall wiederum anhand einer Isoquante illustrieren, indem auf der Abszisse
das Verhältnis x1 y und auf der Ordinate das Verhältnis x 2 y aufgetragen werden. Aus dieser Abbildung ist
ersichtlich, dass die DMUs A und B zur Erzeugung einer Einheit des Outputs y jeweils den geringsten
Faktoreinsatz benötigen. Der Produktionsmöglichkeitenbereich wird somit von der linearen Verbindung der
DMU A mit der DMU B, sowie den Ästen durch A bzw. B jeweils parallel zur Ordinate bzw. zur Abszisse,
begrenzt. Die so ermittelte Isoquante umhüllt den abschnittsweise linearen Produktionsmöglichkeitenbereich, der
in dieser Abbildung über der Isoquante, vom Ursprung aus gesehen, liegt. Die Effizienz bzw. Ineffizienz
einzelner DMUs wird wiederum über deren Abstand zur Isoquante ermittelt, wobei die Effizienz von A und B
natürlich jeweils 100% beträgt. Auf die besondere Situation der DMU F wird an späterer Stelle noch genauer
eingegangen. Die DMUs C, D, E, G und H liegen innerhalb des Produktionsmöglichkeitenbereiches, sie sind
somit ineffizient.
DMU
A
B
C
D
E
F
G
H
x1
1,00
2,00
1,50
1,40
1,25
2,50
2,00
1,60
x2
0,9
0,3
0,8
0,7
1,1
0,3
1,0
1,1
Y
1
1
1
1
1
1
1
1
100,0
88,2
97,4
81,1
100,0
68,2
72,8
Radiale DEA- 100,0
Effizienz in %
Tab. 2.5. Relative Effizienz für zwei Inputs und einen Output
Um das Ausmaß der Ineffizienz z. B. von DMU H zu ermitteln, wird in Analogie zum SISO Fall ein Fahrstrahl
aus dem Ursprung durch H gelegt (vgl. Abb. 2.7.). Dieser Fahrstrahl schneidet die Isoquante im Punkt H1
( 1,165 0,801 ), der auf der linearen Verbindung der DMUs A und B liegt. Dies bedeutet, dass die DMUs A und
B als Referenz-DMUs (sogenannte “peers“) für die Ermittlung der Effizienz von H herangezogen werden. Das
Ausmaß der Ineffizienz von H wird nun über den Quotienten
0H1 0H = 0, 728
gebildet, d. h. DMU H ist relativ zur Benchmark H1 (Schnittpunkt von 0H mit AB ) lediglich zu 72,8% effizient.
1,4
E
1,2
H
G
A
1
C
x2/y
0,8
D
0,6
0,4
B
0,2
F
0
0
1
2
x1/y
Abb. 2.6. Ausmaß der Ineffizienz von H
3
Das Ergebnis von 72,8% ist folgendermaßen zu interpretieren: DMU H wird zu 100% effizient, wenn H zur
Produktion einer Einheit von y künftig nur 72,8% von beiden Inputs, x1 und x2, einsetzt, d. h. Input x1 von 1,6
auf 1,165 und Input x2 von 1,1 auf 0,801 reduziert. Dann fällt H mit H1 zusammen und ist DEA-effizient.
Wie aus Tab. 2.5. ersichtlich ist, werden die DMUs A und B als zu 100% effizient ausgewiesen. Diese beiden
DMUs sind effizient im Sinne der Definition von Pareto-Koopmans: Eine DMU ist effizient, wenn die Erhöhung
eines Outputs zur Reduktion mindestens eines anderen Outputs bzw. zur Erhöhung mindestens eines Inputs führt
bzw. wenn die Senkung eines Inputs die Erhöhung mindestens eines anderen Inputs bzw. die Senkung
mindestens eines Outputs erfordert [vgl. Debreu 1951, S. 273-292, Koopmans 1951].
DMU F weist ebenfalls ein relatives Effizienzmaß von 100% auf, ist jedoch ein speziell zu betrachtender Fall.
DMU F könnte über eine (nicht-proportionale) Reduktion von x1 im Ausmaß von 0,5 bei Konstanz von x2
denselben Output produzieren, wie ein Vergleich mit DMU B verdeutlicht. F weist somit beim Inputfaktor x1
einen sogenannten Schlupf auf. Das über das Verhältnis von tatsächlicher Produktivität zu maximal möglicher
Produktivität ermittelte Effizienzmaß erfüllt somit nicht alle Bedingungen für das Vorliegen einer Effizienz im
Sinne von Pareto-Koopmans, es gibt nur eine schwache Effizienz, auch als Farrell'sche oder radiale Effizienz
bezeichnet, wider [vgl. Farrell 1957]. In dieser Einführung in die Methodik der DEA soll ein allfälliger Schlupf
als Artefakt der Konstruktion der Randfunktion als lineare Verbindung effizienter DMUs bzw. deren
Verlängerung in Form von Parallelen zur Abszisse und zur Ordinate sowie der Verwendung von endlichen
Stichproben (Beobachtungen) interpretiert werden. Schlupf wird hier insofern berücksichtigt werden, als
zusätzlich zum Farrell'schen Effizienzmaß allfällige Schlupfvariablen zusätzlich angeführt werden [vgl. Cooper,
Seiford, Tone 2000, S. 96ff].
3.
Fallbeispiel: Ein Input, zwei Outputs, konstante Skalenerträge
Nachdem zuvor die Vorgehensweise bei der inputorientierten Effizienzmessung illustriert wurde, soll nun kurz
die Ermittlung der relativen Effizienz im Rahmen der Outputorientierung dargestellt werden. Für die in Tab. 2.6.
dargestellten DMUs, die mit einem auf 1 normierten Input je zwei Outputs erzeugen, wird eine outputorientierte
Effizienzanalyse durchgeführt. Dazu werden zunächst in Abb. 2.6. die DMUs und der
Produktionsmöglichkeitenbereich und dessen Begrenzung in Form der Transformationskurve graphisch
dargestellt. Damit ist ersichtlich, dass sich der (effiziente) Rand des Produktionsmöglichkeitenbereiches als
lineare Verbindung der DMUs D, G und H ergibt, der (im Sinne der Definition von Pareto-Koopmans)
ineffiziente Rand entspricht der Parallelen zur Abszisse ausgehend von DMU D sowie der Parallelen zur
Ordinate ausgehend von DMU H. Der Produktionsmöglichkeitenbereich liegt somit unter der
Transformationskurve vom Ursprung her gesehen.
DMU
A
B
C
D
E
F
G
H
X
1
1
1
1
1
1
1
1
y1
1
2
3
4
5
6
7
8
y2
5
4
4
6
2
3
3
1
66,7
70,0
100,0
70,6
90,0
100,0
100,0
83,3
DEAEffizienz in
%
Tab. 2.6. Relative Effizienz für einen Input und zwei Outputs
Das Ausmaß der Ineffizienz, z. B. von DMU C, wird nun über den radialen Abstand der DMU C zur
Transformationskurve ermittelt, wobei dieser Fahrstrahl die Transformationskurve im Punkt C1 mit den
Koordinaten C1(5,7/4,3) schneidet. Das Ausmaß der Ineffizienz von C wird, um Werte zwischen 0 und 1 zu
erhalten, mit dem Quotienten
0C 0C1 = 0, 700
gebildet. DMU C ist lediglich zu 70% effizient, d. h. DMU C müsste beide Outputs um (1 0, 700) − 1 = 0, 429
also 42,9% erhöhen, damit C auf der Transformationskurve liegt, d. h. zu 100,0% effizient ist.
7
D
6
C1
A
5
B
4
C
y2/x
F
3
2
G
E
H
1
0
0
2
4
6
8
10
y1/x
Abb. 2.7. Ein Input, zwei Outputs; Ausmaß der Ineffizienz von C
1.1.3
Berechnung der Effizienz für multiple Inputs und multiple Outputs –
Effizienzanalyse mit Hilfe der DEA
In diesem Abschnitt soll nun das Basismodell der DEA in seiner allgemeinen Form für den MIMO Fall
vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um ein radiales CRS-Modell, nach seinen Autoren Charnes, Cooper
und Rhodes, die diesen Ansatz 1978 als CCR-Modell publizierten [vgl. Charnes, Cooper, Rhodes, 1978].
Durch die Vielzahl von Anwendungen mit Hilfe der DEA wurde dieses erste Modell in der Folge rasch
weiterentwickelt. Eine der ersten Erweiterungen des Modells betraf die Berücksichtigung variabler Skalenerträge
(VRS), welche zum sogenannten VRS-Modell führten. In Anlehnung an seine Autoren Banker, Charnes und
Cooper [1984] wird es heute häufig als BCC-Modell bezeichnet. Das BCC-Modell zählt ebenfalls zu den
radialen Modellen der Effizienzmessung.
In weiterer Folge werden wir von CCR und BCC Modellen sprechen.
2.11.3.1 CCR-Modell
In diesem Abschnitt wird zunächst a) die inputorientierte und dann b) die outputorientierte Betrachtungsweise
behandelt.
a) Inputorientierung
Soll die relative Effizienz von j = 1, ..., k, ..., n DMUs mit r = 1, ..., s Outputs y rj und i = 1, ..., m Inputs x ij
ermittelt werden, so lässt sich das Optimierungsproblem für die Ermittlung der Input- und Outputgewichte für
die k-te DMU folgendermaßen darstellen:
s
∑ u r y rk
=1
max rm
u r ,vi
∑ vi x ik
(2.2)
i =1
u.d.B.
s
∑ u r y rj
r =1
m
∑ vi x ij
i =1
≤1
j = 1, ..., n
(2.3)
u r , vi ≥ 0
(2.4)
Bei dieser Optimierung werden die Aggregationsgewichte ur und vi derart gewählt, dass die Produktivität der kten DMU maximiert wird. Damit das resultierende relative Effizienzmaß auf das Intervall 〈0, 1] beschränkt ist,
werden auch die Inputs und Outputs aller übrigen DMUs mit den für DMU k optimalen Input- und OutputGewichten aggregiert, und die resultierende Produktivität von k mit der maximalen Produktivität verglichen.
Weist danach die DMU k die höchste Produktivität auf, resultiert ein relatives Effizienzmaß von 100%. Um die
relative Effizienz aller n vergleichbaren DMUs zu ermitteln, ist der Optimierungsvorgang n mal durchzuführen.
Dies verdeutlicht, dass als Resultat für jede DMU spezifische Optimalgewichte erhalten werden.
Bei diesem Optimierungsproblem handelt es sich um ein Problem der linearen Quotientenprogrammierung, das
mit Hilfe der sogenannten Charnes-Cooper Transformation in eine Aufgabe der Linearen Programmierung
transformiert werden kann [vgl. Charnes, Cooper 1962]. Bei der Transformation wird der Nenner von (2.2) auf
den Wert 1 normiert, indem eine Variable t definiert wird, die dem Kehrwert des Nenners in (2.2) entspricht:
m
t = 1 ∑ vi x ik
i =1
Multipliziert man Zähler und Nenner von (2.2) nun mit t, verändert sich der Wert des Bruches nicht.
Korrekterweise müssen jedoch für die zu optimierenden Variablen bzw. Multiplikatoren aus (2.2) bis (2.4) neue
Symbole geschrieben werden. Wir verwenden μr =tu r und ωi = tvi für die Reformulierung des Problems
[Cooper, Seiford, Tone, 2000, S. 71f.]. Die Transformation erweitert das Modell um eine zusätzliche Restriktion
(2.7) für die Normierung des Nenners in (2.2) und nach Reformulierung der Nebenbedingung (2.3 wird zu 2.6),
erhalten wir ein nunmehr lineares Optimierungsproblem. Das relative Effizienzmaß z lautet nun:
s
max z k : ∑ μr yrk
μr ,ωi
(2.5)
r =1
u.d.B.
s
m
r =1
i =1
∑ μr yrj − ∑ ωi x ij ≤ 0
j = 1, ..., n
(2.6)
m
∑ ωi x ik = 1
(2.7)
μr , ωi ≥ 0
(2.8)
i =1
(2.5) bis (2.8) wird in der Literatur als Multiplier-Form oder auch Value-based-Form bezeichnet. Als Ergebnis
erhält man das relative Effizienzmaß z sowie die optimalen Gewichte der einzelnen DMUs, die sogenannten
“multiplier“, die für die Aggregation der Input- und Outputdaten der DMUs erforderlich sind.
Entsprechend dem Dualitätssatz der Linearen Programmierung kann das Maximierungsproblem auch als
Minimierungsproblem formuliert werden (siehe Abschnitt 2.6). Das Minimierungsproblem wird als
Envelopment-Form bezeichnet und entspricht nachstehender Formulierung:
min θ
(2.9)
u.d.B.
n
θ ⋅ x ik ≥ ∑ λ j x ij
j=1
n
y rk ≤ ∑ λ j y rj
j=1
λj ≥ 0
i = 1, ..., m
(2.10)
r = 1, ..., s
(2.11)
(2.12)
Als Lösung der Envelopment-Form erhält man zur Variable z der Multiplier-Form idente Werte für die
Variable θ , die wiederum als relatives Effizienzmaß über den radialen Abstand der jeweiligen DMU zur
Randproduktionsfunktion Auskunft gibt. Die Werte für die sogenannten Dualgewichte λ j , geben über ihren
Index darüber Auskunft, mit welchen effizienten DMUs die k-te DMU verglichen wird, und informieren über
ihre Höhe über das Ausmaß dieser Gewichtung. In Abbildung 2.6. entsprechen die Streckenabschnitte für H1
zwischen A und B dem Eintrag der Werte für λA und λB für H in Tabelle 2.7.
Löst man die Multiplier-Form für jede der 8 DMUs (z. B. mit Hilfe eines Software Programms aus den eingangs
erwähnten Homepages), so erhält man als Ergebnis die nachstehend angeführten optimalen Gewichte:
DMU
Zielfunktionswert
ω1
ω2
μ1
(z)
A
1
0,4000
0,6667
1,0000
B
1
0,4000
0,6667
1,0000
C
0,8824
0,3529
0,5882
0,8824
D
0,9740
0,3896
0,6494
0,9740
E
0,8108
0,3243
0,5405
0,8108
F
1
0
3,3333
1,0000
G
0,6818
0,2727
0,4545
0,6818
H
0,7282
0,2913
0,4854
0,7282
Tab. 2.7. Ergebnisse der Multiplier-Form
Die Ergebnisse der Multiplier-Form bestätigen die Ergebnisse in Tab. 2.7. Die DMUs A, B und F werden als
effizient ausgewiesen, wobei sich die Ergebnisse für DMU F von jenen der DMUs A und B insofern
unterscheiden, als bei DMU F das Gewicht für den Inputfaktor 1, d. h. ω1 Null ist. (Die absolute Höhe der
Gewichte ist vom Maßstab der Faktoren abhängig und daher nur wenig aussagekräftig.)
Das Ergebnis aus Tabelle 2.7. ist wie folgt zu interpretieren:
Eine DMU ist Pareto-Koopmans effizient, wenn
1.
2.
der Zielfunktionswert 1 ist und
alle Aggregationsgewichte (Multiplikatoren) größer Null sind.
Dies bedeutet, dass die DMUs A und B jeweils effizient im Sinne der Definition von Pareto-Koopmans sind,
während DMU F nur effizient im Sinne der Definition von Farrell, d. h. lediglich schwach bzw. radial effizient
ist. F liegt zwar in Abb. 2.6. auf der Isoquante, die Strecke BF ist jedoch parallel zur Abszisse, so dass der
Input 1 für DMU F verglichen mit DMU B beträchtlichen Schlupf aufweist. Die DMUs C, D, E, G und H sind
ineffizient im ausgewiesenen Ausmaß. Die relative Effizienz von DMU H in der Höhe von 72,8% zeigt an, dass
mit den für H optimalen Gewichten eine andere DMU eine höhere Produktivität erzielt. DMU H könnte die
Produktivität erhöhen, wenn alle eingesetzten Inputs um 27,2% (100 − 27,8) reduziert würden.
Entsprechend dem Dualitätssatz der linearen Programmierung gilt: Existiert für das Multiplier-Problem eine
Optimallösung, dann existiert auch für die Envelopment-Form eine Optimallösung, wobei die Zielfunktionswerte
beider Programme identisch sind. Die Ergebnisse der Envelopment-Form sind in Tab. 2.8. zusammengefasst.
Ein Vergleich der Zielfunktionswerte der Multiplier-Form mit jenen der Envelopment-Form zeigt, dass diese
Werte erwartungsgemäß identisch sind. Im Rahmen der Envelopment-Form wird jedoch deutlich, dass die
ineffizienten DMUs C, D, E, G und H jeweils mit den effizienten DMUs A und B verglichen werden, wobei sich
jedoch Unterschiede in der Gewichtung ergeben. Betrachtet man wiederum die ineffiziente DMU H, so zeigt
sich, dass H stärker mit A vergleichbar ist als mit B, da das Dualgewicht λA mit 0,8350 wesentlich höher ist als
das Dualgewicht λB mit 0,1650. Vergleicht man dieses analytische Ergebnis mit der Abb. 2.6., so zeigt sich, dass
ein Fahrstrahl aus dem Ursprung durch den Punkt H bzw. H1 näher am Punkt A als am Punkt B liegt.
DMU
Zielfunktionswert
(θ )
Referenz- λA
DMUs
λB
s1−
s −2
s1+
A
1
A
1
0
0
0
0
B
1
B
0
1
0
0
0
C
0,8824
A, B
0,6765
0,3235
0
0
0
D
0,9740
A, B
0,6364
0,3636
0
0
0
E
0,8108
A, B
0,9865
0,0135
0
0
0
F
1
B
0
1
0,5
0
0
G
0,6818
A, B
0,6364
0,3636
0
0
0
H
0,7282
A, B
0,8350
0,1650
0
0
0
Tab. 2.8. Ergebnisse der Envelopment-Form
Die für DMU H optimalen Faktoreinsätze führen zu H1 und können nun auf zweierlei Art berechnet werden:
1.
über die Variable θ (H) = 0,7282 (Envelopment-Form) bzw. die Variable z(H) (Multiplier-Form). Der
Effizienzwert in der Höhe von 72,82% besagt, dass DMU H nur 72,82% der eingesetzten Inputfaktoren
verwenden darf, um effizient zu werden. Damit wird:
x1 (H1 ) = x1 (H) ⋅ 0, 7282 = 1, 6 ⋅ 0, 7282 = 1,165
x 2 (H1 ) = x 2 (H) ⋅ 0, 7282 = 1,1 ⋅ 0, 7282 = 0,801
2
über die Dualgewichte λA = 0,8350 und λB = 0,1650 . Die Dualgewichte zeigen, wie der Faktoreinsatz der
virtuellen DMU H1, d. h. einer effizienten DMU H, als Linearkombination des Faktoreinsatzes der
effizienten DMUs A und B berechnet werden kann:
x1 (H1 ) = 0,8350x1 (A) + 0,1650x1 (B) = 0,8350 ⋅1 + 0,1650 ⋅ 2 = 1,165
x 2 (H1 ) = 0,8350x 2 (A) + 0,1650x 2 (B) = 0,8350 ⋅ 0,9 + 0,1650 ⋅ 0,3 = 0,801
Betrachtet man DMU F, zeigt sich anhand der Ergebnisse für θ bzw. z, dass diese DMU als zu 100% effizient
ausgewiesen wird. Als Referenz-DMU wird jedoch nicht DMU F selbst, sondern DMU B ermittelt. Dies ist
darauf zurückzuführen, dass DMU B bei gleich hohem Einsatz von x1 um 0,5 weniger Einheiten von x2 einsetzt,
um denselben Output zu produzieren. Bei der Analyse der Variablen θ bzw. z ist somit darauf Bedacht zu
nehmen, dass es sich hierbei um schwache bzw. radiale Effizienz handelt. Informationen bezüglich allfälliger
positiver Schlupfvariablen, die als Indiz für sogenannte Mix-Ineffizienzen heranzuziehen sind, erhält man als
Ergebnis der Lösung der Envelopment-Form, wenn man das LP folgendermaßen formuliert:
min θ
(2.13)
u.d.B.
n
θ ⋅ x ik − si− = ∑ λ j x ij
j=1
n
y rk + s +r = ∑ λ j y rj
j=1
λ j , si− , s+r ≥ 0
i = 1, ..., m
r = 1, ..., s
(2.14)
(2.15)
(2.16)
Die Schlupfvariablen si− bzw. s +r geben dabei Auskunft über die erforderlichen nicht-proportionalen
Inputreduktionen bzw. über die erforderlichen nicht-proportionalen Outputerhöhungen (jeweils aufgrund von
schwacher Effizienz entlang der Randfunktion).
Dieses LP wird jedoch nicht in einer, sondern in zwei Phasen gelöst, um potentielle Probleme bei der Ermittlung
der Höhe der Schlupfvariablen zu vermeiden [vgl. dazu Coelli 1996, S. 13]. Zunächst wird das (erste) LP gelöst,
um den Optimalwert θ * zu ermitteln. Anschließend werden, basierend auf dem Optimalwert θ * , die
Schlupfvariablen über die Lösung des nachfolgenden LP ermittelt:
s
m
r =1
i =1
max ∑ s +r + ∑ si−
(2.17)
u.d.B.
n
si− = θ * ⋅ x ik − ∑ λ j ⋅ x ij
j=1
n
s r+ = ∑ λ j ⋅ y rj − y rk
j=1
i = 1, ..., m
(2.18)
r = 1, ..., s
(2.19)
λ j ≥ 0, s +r ≥ 0, si− ≥ 0
(2.20)
Mit der Lösung der Envelopment-Form in diesem zweistufigen Lösungsverfahren erhält man die erforderlichen
Informationen über allfällige nicht-proportionale Veränderung der Inputs und/oder Outputs (Tab. 2.8.).
DMU F weist somit als einzige einen positiven Schlupf bei der Variablen x1 auf, d. h. für DMU F ist zwar keine
proportionale Inputreduktion erforderlich, da F am Rand des Produktionsmöglichkeitenbereiches liegt, dennoch
ist eine nicht-proportionale Reduktion beim Inputfaktor x1 um 50% notwendig, damit DMU F am ParetoKoopmans effizienten Rand des Produktionsmöglichkeitenbereiches zu liegen kommt. Vergleicht man die
Optimallösung der Envelopment-Form mit jener der Multiplier-Form, so zeigt sich Folgendes: Ist eine der
Variablen μr oder ωi positiv, so ist die entsprechende Schlupfvariable in der Envelopment-Form Null und
umgekehrt. Ebenso können beide Null sein. Dieser Zusammenhang wird im Satz vom dualen Schlupf
(complementary slackness, siehe auch Abschnitt 4.3.1) zusammengefasst:
Sind ( μ r* , ωi* ) Optimallösungen des primalen und ( λ j* ,si−* ,si+* ) Optimallösungen des dualen LP, dann gilt:
ωi* ⋅ si−* = 0 und μ r* ⋅ s +r * = 0
(2.21)
Wendet man den Satz vom dualen Schlupf auf die Ergebnisse der DMU F an, lässt sich aus der Optimallösung
der Multiplier-Form Folgendes ablesen: da das Gewicht ω1 Null ist (Tab. 2.7), muss die Schlupfvariable s1−
(Tab. 2.8) positiv sein wie auch die Ergebnisse von Tab. 2.7 belegen.2 Betriebs- und Zeitvergleich können
nebeneinander durchgeführt werden, ebenso ist die Berechnung von Indices (Malmquist Index) möglich, mit
denen sich Jahresrandproduktionsfunktionen und Technologiesprünge vergleichen bzw. evaluieren lassen (siehe
dazu die Fallstudie für den Effizienzvergleich unter Spitälern [Stepan/Sommersguter-Reichmann, 2005 und
Sommersguter, 2000]).
b) Outputorientierung
Wählt man das outputorientierte Modell, so zielt man darauf ab, mit einem gegebenen Input einen maximalen
Output zu produzieren. Die Modellierung der Multiplier-Form und der Envelopment-Form erfolgt analog zur
Inputorientierung. Dabei ist zu beachten, dass der relative Effizienzwert v k ≥ 1 wird und daher zu
Vergleichszwecken der Kehrwert (1/vk) kommuniziert wird.
2
Es gibt natürlich auch die Möglichkeit einer degenerierten Lösung, dann ist der Schlupf nicht positiv, obwohl die Gewichte Null sind [vgl.
Portela und Thanassoulis, 2006, S. 131].
Die Multiplier-Form zur Ermittlung der relativen outputorientierten Effizienz v der k-ten Entscheidungseinheit
(vk) lautet wie folgt:
m
min v k : ∑ υi x ik
δ r ,υi
(2.22)
i =1
u.d.B.
s
m
r =1
i =1
∑ δ r y rj − ∑ υi x ij ≤ 0
j = 1, ..., n
(2.23)
s
∑ δ r y rk = 1
(2.24)
δ r ,υi ≥ 0
(2.25)
r =1
Der Zielfunktionswert vk (2.22) gibt das Vielfache der erforderlichen proportionalen Erhöhung der Outputs an,
damit die betrachtete DMU k zu 100% effizient ist. Da der Wert vk gleich oder größer 1 ist wird als (In-)
Effizienzmaß oft 1 vk kommuniziert. Die Gewichtungsfaktoren δ r und υi werden so gewählt, dass das
Verhältnis von Input zu Output minimiert wird.
Die Envelopment-Form lautet:
max η
(2.26)
η ,ϕ
u.d.B.
n
x ik ≥ ∑ ϕ j x ij
j=1
n
η ⋅ y rk ≤ ∑ ϕ j y rj
j=1
i = 1, ..., m
(2.27)
r = 1, ..., s
(2.28)
ϕj ≥ 0
(2.29)
und wird ebenso wie das inputorientierte Modell zweistufig gelöst, indem nachfolgendes LP gelöst wird:
max η
(2.30)
η ,ϕ
u.d.B.
n
x ik − t i− = ∑ ϕ j x ij
j=1
n
η ⋅ y rk + t r+ = ∑ ϕ j y rj
j=1
i = 1, ..., m
(2.31)
r = 1, ..., s
(2.32)
ϕ j , t i− , t +r ≥ 0
(2.33)
Das Ergebnis dieses zweistufigen Optimierungsproblems ist wie folgt zu interpretieren: Je höher der Wert η *
*
bzw. je geringer der Wert 1 η , umso ineffizienter ist die DMU.
2.11.3.2 BCC-Modell und Skalenineffizienz
Die Konstruktion der Randproduktionsfunktion unter der Annahme konstanter Skalenerträge (CCR-Modell)
basiert z. B. für den geometrisch leicht darzustellenden Fall eines Inputs und eines Outputs darauf, einen
Fahrstrahl aus dem Ursprung durch jenen Punkt zu legen, der die höchste beobachtete Produktivität aufweist.
Damit entspricht der Produktionsmöglichkeitenbereich einem Kegel, der von diesem Fahrstrahl und der Abszisse
begrenzt wird und dessen Spitze im Ursprung liegt. Die besondere Charakteristik der Annahme konstanter
Skalenerträge besteht darin: Handelt es sich bei einer DMU (x, y) um eine mögliche Aktivität, dann ist für jeden
positiven Skalar t die Aktivität (tx, ty) ebenso möglich. Diese Annahme wurde im Jahr 1984 von Banker,
Charnes und Cooper für variable Skalenerträge modifiziert. Die Randproduktionsfunktion wird ebenso wie jene
des CCR-Modells als lineare Verbindung effizienter DMUs konstruiert, wobei diese Randproduktionsfunktion
steigende, konstante und dann sinkende Skalenerträge aufweist.
Angenommen, die vier DMUs A, B, C und D benötigen zur Produktion eines Outputs y jeweils nur einen Input x
(Tab. 2.9. und Abb. 2.8.).
In der anschließenden Darstellung beschränken wir uns auf die inputorientierte Effizienzermittlung.
DMU
A
B
C
D
X
4
3
4
6
Y
6
3,5
3,5
8
y x
1,5
1,167
0,875
1,333
CCR
1,0000
0,7778
0,5833
0,8889
BCC
1,0000
1,0000
0,7500
1,0000
Tab. 2.9. Ein Input, ein Output
Berechnet man die Produktivität der einzelnen DMUs, so zeigt sich wiederum, dass A die höchste Produktivität
aufweist. Alle übrigen DMUs weisen eine Produktivität kleiner als 1,5 auf. Die Bildung der
Randproduktionsfunktion unter der Annahme konstanter Skalenerträge entspricht daher dem Fahrstrahl aus dem
Ursprung durch den Punkt A. Wie Abb. 2.8. verdeutlicht, ist unter der Annahme konstanter Skalenerträge A die
einzige DMU, welche als zu 100% effizient klassifiziert wird.
Abb. 2.8. CCR und BCC Randfunktion
Die Randfunktion unter der Annahme variabler Skalenerträge wird über eine lineare Verbindung der DMUs B,
A und D gebildet. Der Produktionsmöglichkeitenbereich wird somit von der abschnittsweisen linearen
Verbindung dieser DMUs gemeinsam mit einem möglichen Schlupf bei Input (Parallele zur Abszisse, ausgehend
von Punkt D) und Output (Parallele zur Ordinate, ausgehend von Punkt B) begrenzt. Somit sind unter der
Annahme variabler Skalenerträge die DMUs B, A und D effizient, während lediglich C als ineffizient
ausgewiesen wird.
Die Effizienz einer beliebigen DMU unter konstanten Skalenerträgen ist offensichtlich geringer bzw. maximal
gleich hoch wie jene, die unter den Bedingungen variabler Skalenerträge ermittelt wird. Der Grund dafür liegt
darin, dass die BCC-Randfunktion berücksichtigt, dass vorliegende Ineffizienzen auf verschiedene Ursachen
zurückzuführen sein können. Betrachtet man z. B. DMU B in Abb. 2.8., wird deutlich, dass B in einer
Umgebung des Produktionsmöglichkeitenbereiches agiert, in dem eine Erhöhung des Produktionsniveaus zu
einer überproportionalen Erhöhung des Outputniveaus führen würde. B produziert offensichtlich im Bereich
steigender Skalenerträge. Diese Entwicklung kann verdeutlicht werden, wenn man sich die Entwicklung und die
Lage sowohl der Durchschnittsproduktivität als auch der Grenzproduktivität graphisch veranschaulicht.
Abb. 2.9. Durchschnitts- und Grenzproduktivität
Bei dem in Tab. 2.9. dargestellten Fall eines Inputs und eines Outputs weist DMU A mit den Koordinaten ( 4 6 )
mit 1,5 die höchste Produktivität auf. Vergleicht man dieses Ergebnis mit Abb. 2.9., so wird ersichtlich, dass die
Durchschnittsproduktivität ( y x ) bis zu einem Inputniveau von x = 4 steigt und bei x = 4 ihr Maximum
erreicht. Gleichzeitig liegt die Grenzproduktivität bis zu einem Faktoreinsatz von x = 4 über der
Durchschnittsproduktivität, d. h. bei einer Steigerung des Inputniveaus erhöht sich der Output überproportional.
Dieser Bereich wird als Bereich steigender Skalenerträge bezeichnet, in dem offensichtlich DMU B und C
liegen. Auf der anderen Seite liegt die Grenzproduktivität ab einem Inputniveau von x = 4 unterhalb der
Durchschnittsproduktivität, was wiederum bedeutet, dass eine Erhöhung des Inputniveaus zu einer
unterproportionalen Steigerung des Outputs führt. DMU D liegt als einzige DMU in diesem Bereich sinkender
Skalenerträge. Vereinfachend ausgedrückt kann man sagen, dass B und C eine zu geringe Betriebsgröße
aufweisen, während D eine zu große Betriebsgröße hat. A ist die einzige DMU, welche eine optimale
Betriebsgröße hat. Sie wird in der Sprache der DEA auch als sogenannte "most productive scale size" [vgl.
Banker 1984] bezeichnet.
Wird die Ineffizienz einer DMU über den Abstand zur CCR-Randproduktionsfunktion parallel zur Abszisse
ermittelt, so kann sich diese inputorientierte Ineffizienz somit aus einer Faktorverschwendung, der sogenannten
reinen technischen Ineffizienz und/oder auch einer vorliegenden Skalenineffizienz im Sinne einer suboptimalen
Betriebsgröße zusammensetzen. Abb. 2.8. verdeutlicht die Zusammenhänge: DMU A ist unter CRS zu 100%
effizient, d. h. bei DMU A tritt weder eine Faktorverschwendung auf noch wäre eine Erhöhung der Produktivität
über eine Erhöhung oder Senkung des Produktionsniveaus (der Betriebsgröße) möglich, da A im Bereich
konstanter Skalenerträge effizient produziert, d. h. auf der CCR-Randproduktionsfunktion liegt. DMU B ist unter
der Annahme konstanter Skalenerträge zu 77,8% effizient. Da B unter VRS effizient ist und somit auf der VRSRandproduktionsfunktion liegt, beträgt die reine technische Effizienz, d. h. die BCC-Effizienz, 100%. Die CCRund die BCC-Effizienz von DMU B werden somit graphisch wie folgt ermittelt (Abb. 2.8):
CCR B =
0R
0Q
= 0,778
(2.34)
BCCB =
0Q
0Q
=1
(2.35)
Die Ineffizienz (Skalenineffizienz) von B rührt also ausschließlich von einer, gegenüber A ungünstigen
Betriebsgröße, da B zu 100% rein technisch effizient, d. h. Teil der BCC-Randproduktionsfunktion ist. Die
Skalenineffizienz für B bestimmt sich aus:
Skalenineffizienz B =
0R
0Q
=
CCR
= 0,778
BCC
Der Vergleich von DMU B mit der CCR-Randproduktionsfunktion gibt somit Auskunft über den Abstand von B
zur virtuellen DMU B1, die auf demselben Outputniveau unter CRS produziert. Die Skalenineffizienz ist in den
meisten Fällen nicht von der Leitung der DMU zu verantworten, sondern zumeist von übergeordneten Stellen,
die die DMU strategisch positionieren und dimensionieren (z. B. Standortwahl, etc.).
Dieselben Berechnungen, die wir für die DMU B angestellt haben, können auch für die ineffiziente DMU C
durchgeführt werden. DMU C ist sowohl rein technisch ineffizient als auch mit einer suboptimalen
Betriebsgröße ausgestattet. Wie Abb. 2.8. verdeutlicht, wird die reine technische Effizienz von C bei
Inputorientierung über einen Vergleich mit der rein technisch effizienten DMU B ermittelt, da DMU B (zufällig)
einen Output in derselben Höhe produziert, während das Ausmaß der Skaleneffizienz basierend auf dem
Vergleich einer technisch effizienten DMU C, die in diesem Fall mit der DMU B zusammenfällt, mit einer
virtuellen DMU C1 die in diesem Fall mit B1 zusammenfällt, ermittelt wird.
Für den Zusammenhang zwischen technischer Effizienz, reiner technischer Effizienz und Skaleneffizienz gilt:
Technische Effizienz = Reine technische Effizienz x Skaleneffizienz
Wir erhalten:
CCR C = 0R 0P = 0,583
BCCC = 0Q 0P = 0, 75
Skalenineffizienz C = 0R 0Q = CCR C BCCC = 0, 778 (= Skalenineffizienz B)
Nachdem die graphische Analyse der reinen technischen Effizienz für den Fall eines Inputs und eines Outputs
dargestellt wurde, soll nun das inputorientierte BCC-Modell in seiner allgemeinen Form formuliert werden.
s
max ∑ μ r y rk − μ *
(2.36)
μ r ,w i r =1
u.d.B.
s
m
r =1
i =1
*
∑ μr y rj − μ − ∑ ωi x ij ≤ 0
j = 1, ..., n
(2.37)
m
∑ ωi x ik = 1
(2.38)
μr , ωi ≥ 0
(2.39)
μ * … unbeschränkt
(2.40)
i =1
Mit der Aufnahme der Variablen μ * in obiges Optimierungsproblem wird erreicht, dass das Abweichen einer
DMU von der optimalen Betriebsgröße über diese Variable ausgewiesen wird. Damit ist gewährleistet, dass mit
dem LP (2.36)-(2.40) lediglich das Ausmaß der reinen technischen Effizienz gemessen wird. Graphisch kann der
Wert der Variablen μ * über den Schnittpunkt der Tangente an die Umhüllende im betrachteten Punkt mit der
Ordinate eruiert werden. Abb. 2.10. veranschaulicht die Vorgehensweise.
Abb. 2.10. Konstante und variable Skalenerträge
Über den Wert der Variablen μ * kann abgelesen werden, in welchem Skalenertragsbereich eine DMU agiert: Ist
μ * Null, entspricht die Formulierung des BCC-Modells jener des CCR-Modells, d. h. die DMU agiert im
Bereich konstanter Skalenerträge. Ist μ * negativ, dann produziert die DMU im Bereich steigender
Skalenerträge. Liegt der Schnittpunkt der Tangente an die Umhüllende im betrachteten Punkt mit der Ordinate
im positiven Bereich, d. h. ist μ * positiv, dann agiert die DMU im Bereich sinkender Skalenerträge.
Nachdem ein LP mehrere Optimallösungen haben kann, ist sicherzustellen, dass μ * > 0 bzw. < 0 in allen
Optimallösungen bzw. = 0 in einer Optimallösung gilt.
Die Berücksichtigung variabler Skalenerträge bei der Envelopment-Form des inputorientierten BCC-Modells
führt zur Aufnahme der folgenden zusätzlichen Nebenbedingung in das Optimierungsproblem (2.13)-(2.16):
n
∑ λj = 1
(2.41)
λ j , si− , s+r ≥ 0
(2.42)
j=1
Mit der Einführung dieser Nebenbedingung wird die Einschränkung des Produktionsmöglichkeitenbereiches
unter der Annahme variabler Skalenerträge verdeutlicht, der zu einer Erhöhung der Anzahl effizienter DMUs
führen kann. Nebenbedingung (2.41) entspricht der Variablen μ * im Multiplier-Problem.