Willkommen in Uruguay

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Willkommen in Uruguay
Reisebericht Nichtswieweg
Willkommen in Uruguay
Von Buenos Aires reisen wir über den Wasserweg nach Uruguay. Dank unserer
Routenänderung schliessen wir dieses kleine Land nun in unsere Reise mit ein. Schnell wird
uns bewusst was uns um ein Haar entgangen wäre: Altertümliche Städtchen, menschenleere
Sandstrände, ein Erholungsparadies in den Thermen und ein Treffen mit dem Landyflüsterer.
Im Schnelltempo über den Rio de la Plata
Samstagmorgen, 5.30 Uhr, seit langem klingelt unser Wecker
wieder einmal. Bei uns geht es zu und her wie in einem
Bienenhäuschen. Unser ganzes Gepäck wird im Landy verstaut
und bald sind wir startklar, schliesslich wollen wir unser Schiff
nach Uruguay nicht verpassen, welches um 09.00 Uhr ausläuft.
Buenos Aires scheint um diese Uhrzeit wie ausgestorben und so
erreichen wir den Hafen schon innert kurzer Zeit. Bei Buquebus
erhalten wir dann auch die freudige Nachricht dass unsere
gebuchte Fähre aufgrund eines Defektes nicht fahrtüchtig ist und
sie uns deshalb auf die Neue High-Speed Fähre umgebucht
haben. Da sagen wir doch nicht Nein. Alles geht dann ruckzuck, unsere Pässe werden noch in
Argentinien abgestempelt, die Formalitäten fürs Auto können erst in Uruguay erledigt werden. Vom
Schiff aus blicken wir ein letztes Mal auf die Skyline von Buenos Aires bis sie dann ganz im Rio de la
Plata verschwindet.
Herzlich Willkommen in Uruguay
Knapp eine Stunde später erreichen wir schon das kleine Städtchen „Colonia del Sacramento“. Die
Zollbeamten prüfen ganz schnell unser Auto und heissen uns dann „Herzlich Willkommen in Uruguay“.
So freundlich wurden wir bislang noch nie empfangen. Mit diesen guten Voraussetzungen sind wir
richtig gespannt auf dieses kleine Land.
In „Colonia del Sacramento“ muss man sich einfach verlieben.
Alles ist so gemütlich, von Hektik keine Spur. Vom ersten Moment
an fühlt man sich wie in ein anderes Zeitalter versetzt. Enge, mit
Kopfsteinpflaster belegte Gassen, viele farbige Bauten sowie auch
kleine Steinhäuser mit altertümlichen Laternen, und natürlich noch
die Überbleibsel der Stadtmauer inklusive Zugbrücke sind
fantastische Merkmale welche den Charakter dieser Stadt prägen.
Hier hat man wirklich noch das Gefühl als ob gleich Robin Hood
vorbeireitet. Ebenso interessant finden wir die Bewohner. Die sind
ja noch viel verrückter nach dem MATE-Getränk als die
Argentinier. Die Gefässe sind bestimmt doppelt so gross und wenn sie zu dritt auf einem Moped
sitzen, wird dabei sicher noch der Krug herumgereicht – während der Fahrt versteht sich.
Wir fahren der Küstenstrasse entlang Richtung Montevideo. Die von unzähligen Palmen gesäumte
Strasse ist wirklich ein Traum. Alles wirkt für uns so sauber und gepflegt, als ob in den nächsten
Stunden die Fussball-WM hier stattfinden würde.
Montevideo – nicht am Sonntag!
Montevideo erreichen wir an einem Sonntag. Die Stadt scheint wie
ausgestorben. Eigentlich haben wir momentan auch genug von
Grossstädten und möchten nur in den berühmten „Fresstempel“ etwas
essen gehen. Da es jedoch schon etwas spät ist erwägen wir doch für
eine Nacht in der Stadt zu bleiben. Einen Übernachtungsplatz werden wir
bestimmt finden. Wir verlassen uns da ganz auf das Touristenbüro. Aber
oh weh, am Sonntag kommen doch keine Touristen nach Montevideo,
deshalb bleibt das Büro geschlossen. Nach einigem Hin und Her fragen
wir bei der Polizei nach, ob sie uns evtl. einen Stadtplan hätten und ob sie
für uns einen sicheren Standplatz wüssten. Na klar, das ist doch kein
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Problem. Der Beamte überlegt ganz schnell an welchen Strassen er keine Strafzettel verteilt und
zeichnet diese auf unserer Karte ein. Hier könnt ihr schlafen und müsst nichts bezahlen. Das war
vielleicht nicht gerade das was wir suchten, aber immerhin wussten wir anschliessend wo wir gratis
parkieren konnten und der Polizist war äusserst zuvorkommend. Auf der Suche nach einem
beaufsichtigen Parkhaus kurvten wir in der Stadt herum. Vergebens, denn alles war geschlossen. Die
wenigen Parkhäuser welche geöffnet hatten waren für uns zu niedrig. Es war hoffnungslos und in ein
Hotel wollten wir nicht gehen. Deshalb beschlossen wir Montevideo gleich wieder zu verlassen und
hinaus ans Meer zu fahren.
Das andere Südamerika
Uruguay besitzt eine der schönsten Küstenlinien Südamerikas.
Von der asphaltierten „Ruta Costanera“ gibt es zum Teil kleine
Abzweigungen direkt an den Strand. Vielfach wählen wir diese
Erdpisten und fahren so nur ein paar Meter vom Meer entfernt.
Fast einwenig interessanter als die Landschaft sind die riesigen
Villen-Anlagen der Reichen. Ein Haus ist schöner als das Andere,
hier könnte man glatt vergessen dass man sich immer noch in
Südamerika befindet.
Das wird uns auch bewusst als wir „Punta del Este“ erreichen. Ein
Luxushotel reiht sich ans Andere. Die Hochburg für reiche
Argentinier, Uruguayer und auch viele Europäer. Aber zu dieser Jahreszeit wirkt es auch hier wie
ausgestorben. Für uns ist es nett anzuschauen aber dort verweilen möchten wir nicht.
Wo schlafen wir wohl heute?
Erneut sind wir auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz. Auf der Karte finden wir eine Strasse
welche zu einer Lagune führt, vielleicht werden wir ja dort fündig. Auf dem gesamten Weg dahin gibt’s
jedoch ausser Sanddünen nichts wo wir uns niederlassen könnten. Wir erreichen das Ende der
Strasse. Zwar führt der Weg auf der anderen Seeseite weiter, doch eine Brücke gibt es nicht, nur eine
kleine Hütte. Wir waren gerade dabei unser Auto zu wenden als plötzlich jemand aus der Hütte kam
und uns herbeiwinkte: „Wollt ihr rüber auf die andere Seite?“ – „Ja sehr gerne, aber wie denn?“ „Ich
habe dahinten eine kleine Fähre, die bringt euch ans andere Ende.“ Wir schauen uns sein Boot mal
genauer an. Hmm, sieht nicht besonders vertrauenserweckend aus. Aber wir nehmen sein Angebot
dankend an. Während der kurzen Fahrt erzählt er uns von seiner
grossen Leidenschaft, des Münzensammelns. Ich krame schnell
im Auto herum und finde noch ein 50ig Rappenstück. Wir
schenken es dem Mann und er bekommt gleich leuchtende Augen.
Er meinte, genau das Stück fehlte ihm noch in seiner Sammlung.
An der anderen Seite angekommen, geht die Fahrt nun auf dem
Landstreifen zwischen Meer und der Laguna Garzón weiter. Kurze
Zeit später finden wir dann doch noch unser Traumplätzchen am
Ufer.
Auf der einen Seite hören wir das Rauschen des Meeres, auf der
Seeseite können wir die Sonne beobachten wie sie langsam hinter
dem Horizont versinkt. Dies wäre wirklich ein Platz zum länger Verweilen gewesen, aber leider macht
uns das Wetter einen kleinen Strich durch die Rechnung. Während der Nacht kommt Regen auf und
es kühlte stark ab. So entschliessen wir uns doch zur Weiterfahrt.
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Hinauf oder geradeaus?
Punta del Diabolo, der Teufelspunkt. Diesen Ort müsst ihr
unbedingt anschauen gehen, gab uns Willy noch als Uruguay-Tip
mit auf den Weg. Ein kleines Fischerdörfchen, kurz vor der
brasilianischen Grenze. Das machen wir. Das Dorf ist wirklich
herzig, wobei es heutzutage mehr vom Tourismus lebt als von der
Fischerei. Aber es gefällt uns und momentan scheint es sowieso
als ob wir die einzigen Touristen hier wären und haben deshalb
das Dorf fast für uns alleine. Wir spazieren an kilometerweiten
Stränden entlang bis hin zur Bucht von „Santa Teresa“.
Von Punta del Diabolo wären es nur noch 30 Kilometer zur
brasilianischen Grenze gewesen. Wir überlegen uns lange, ob wir noch den Norden Uruguays
anschauen gehen oder direkt die Fronten nach Brasilien wechseln. Bislang kennen wir nur die reiche
Küstenregion von Uruguay, aber es sieht bestimmt nicht überall so aus. Deshalb entschliessen wir
uns nordwärts zu fahren.
Noch em Rega schint d Sunna, noch em Schiffa do seichts, au in Uruguay
Die Landschaft im Norden sieht eigentlich überall ziemlich gleich aus. Viel Weideland, riesige Kuhund Schafherden, kleine Dörfer. Nach Treinta y Tres fahren wir zum Nationalpark „Quebrada de los
Cuervos“ was soviel wie Rabenschlucht heisst. Hier findet man eine seltene Art von Raben mit roten
Köpfen. Wir möchten mal wieder wandern und fahren deshalb dorthin. Am Parkeingang können wir
campieren. Der Parkwächter teilte uns schon mit dass wir uns einen guten Platz suchen sollen, diese
Nacht werde es ziemliche Niederschläge geben. Wir suchen Schutz unter ein paar Bäumen und
hoffen dass Petrus etwas nachsichtig ist. Nachdem ein ziemlich starker Wind aufkam der uns fast vom
Dach fegte, begannen auch die Niederschläge. Wir konnten beide während der Nacht kein Auge
schliessen, wir fühlten uns als ob wir unter den Wasserfällen von Iguazú liegen würden. Am Morgen
dasselbe. Es regnete wie aus Eimern. Die Prognosen für die nächsten Tage meldeten das gleiche
Wetter. Für uns ein Grund zum Aufbrechen, wir verschieben das Wandern auf unbestimmte Zeit.
Wir fahren und fahren während es regnet und regnet. Unser Landy kann die vielen Wassermengen
nicht mehr auffangen und es tropft innen etwa gleich viel wie aussen. Wir ziehen beide unsere
Schlechtwettermontur an, bewaffnet mit Tücher und Eimer. Abwechselnd versuchen wir beide uns
etwas trocken zu halten, aber es gelingt nur bedingt.
Gegend Abend fragen wir auf einer Estancia nach ob wir auf ihrem Land übernachten dürfen. Der
Knecht schaut uns etwas mitleidig an, wahrscheinlich müssen wir für ihn wie begossene Pudel
ausgesehen haben. Es war kein Problem und wir durften bleiben. Wir sassen innen, beide mit
Regenjacke und Kapuze ausgestattet und kochten uns etwas zu Essen. Hoffentlich hört es endlich auf
zu regnen und unsere Stossgebete bei Petrus werden erhört. Am nächsten Morgen wieder das
gleiche Bild. Also so könnte man ja wirklich bald einen Moralischen bekommen. Leider konnten wir
von den letzten Tagen keine Fotos machen, wahrscheinlich weil
wir keinen Unterwasserkit für unsere Kamera dabei haben.
Weiter geht’s, wir lassen uns nicht unterkriegen! 150km nördlich
kommen dann die ersten Sonnenstrahlen zum Vorschein. Wir sind
am Jubeln, wie wahrscheinlich Leute die in der Wüste leben und
das erste Mal Regen sehen. Nach unendlich langen vier Tagen
scheint das Unwetter vorüber. Aber die Auswirkungen sind auch in
der Natur nicht unübersehbar. Vieles ist unter Wasser, zum Teil
wurden ganze Gebiete überschwemmt.
In den Thermen von Arapey lassen wir die Seele baumeln
Frohen Mutes geht unsere Reise weiter Richtung Salto. Auf halbem Wege sehe ich einen Bauer ein
Kuhfell an einem Zaun aufhängen. Ich denke mir nicht viel dabei und schaue weiter zum Fenster
heraus, bis ich dann kurze Zeit später die frisch gehäutete, blutverschmierte Kuh am Strassenrand
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liegen sehe. Mir kommt fast die Galle hoch. Das Gleiche wiederholt sich dann ein paar Kilometer
weiter. Leider sieht man nicht immer nur schöne Sachen!
Wir erreichen Salto, von wo wir einen Abstecher zu den Thermen
von Arapey unternehmen. Diese Luxus-Resort Anlage war genau
das was wir nach den letzten Tagen brauchten. Bei den Thermen
gibt es auch einen Campingplatz, welcher auf dem gleichen Areal
wie der Hotelkomplex liegt. Wir geniessen den Luxus in vollen
Zügen, sogar Kabelfernsehanschluss gleich ins Zelt ist hier
Standard. Das Auto wird innen mal wieder gewaschen, in der
Fahrerkabine hat sich nach den letzten Tagen jede Menge
Schlamm angesammelt. Roger nutzt diese Zeit auch um das Auto
durchzuchecken. Obwohl wir in Buenos Aires in der Garage waren
und dort einige Sachen erledigen konnten, fanden sie das eigentliche Problem unserer Geräusche im
Auto nicht heraus. Unsere letzte Hoffnung setzen wir auf Chris, doch mehr darüber im letzten Teil.
Ein kleiner Einblick in unseren Reisealltag mal anders, aus Arapey
Es ist Morgen, so gegen 10 Uhr. Wir sind gerade aufgestanden und ich möchte noch die feuchte
Wäsche aufhängen, welche wir während der Nacht im Auto verstauten. Es dauert nicht lange und
während dem Befestigen merke ich wie mich eine Videokamera durch einen Hosenschlitz beobachtet.
Ich schaue tief in die Linse und schon tönt es von meinem Gegenüber:“ De dónde son ustedes?“
Nein, das darf doch nicht wahr sein. Ich bin noch gar nicht auf Konversation eingestellt und habe noch
nicht einmal einen Kaffee getrunken. Aber den netten Herrn scheint dies nicht zu stören. Also lasse
ich mich darauf ein und frage ihn, ob er von Argentinien kommt. Er bejahte und dann ging’s los; er war
nicht mehr zu bremsen. Nach etwa 2,5 Stunden verabschiedete er sich von mir und machte sich auf
den Weg seine Frau zu suchen, die schon lange Zeit vorausgegangen ist. Jetzt freue ich mich
erstmals auf einen Kaffee, nein, Roger hat in der Zwischenzeit schon heisses Wasser gekocht und wir
gehen gleich zu „Mate“ über. Kurze Zeit später kommt ein älteres Pärchen auf uns zu. Ihnen ist
aufgefallen dass wir „Mate“ trinken. Sie fragen uns etwas und wir verstehen nur Bahnhof. Das sind
bestimmt Brasilianer. Wir erklären ihnen dass wir leider kein Portugiesisch sprechen aber sie meinen
das macht nichts. Es ist wirklich lustig aber irgendwie konnten wir uns sehr gut mit ihnen unterhalten.
Sie fragten uns auf Portugiesisch, wir gaben auf Spanisch Antwort. Nach ein paar Stunden sassen wir
zu Viert in ihrem Wohnwagen, erst eine Brasilien-Karte, dann die ganze Weltkarte auf dem Tisch
ausgebreitet. Sie gaben uns viele Tipps und luden uns am anderen Tage zum Essen ein, aber da
hatten wir schon die nächste Verabredung. Der Tag ging so schnell vorbei, gekommen sind wir zu
nichts. Dafür ergaben sich wieder sehr unterhaltsame Bekanntschaften.
Wir treffen Chris, unseren „Landyflüsterer“
Chris lernten wir vor einigen Monaten in Südargentinien kennen. Ausschlaggebend für unser
Zusammentreffen war damals dass er ebenfalls einen grünen Landrover 109 wie der Unserige besass
und wir deshalb mit ihm ins Gespräch kamen. Leider sehr spät kommen wir auf die Idee ihn betreffend
unseres Problems zu kontaktieren. Beim E-Mailverkehr stellt sich dabei heraus, dass er ganz in
unserer Nähe ist. Das wäre zu perfekt. Er befindet sich momentan in den Thermen von
Gualeguaychu, etwa 250km südlich und wartet dort auf uns.
Gesagt, getan! Während rund vier Tagen nahmen Chris und Roger
das Fahrzeug auseinander und prüften es auf Herz, Niere und
Lunge. Mittlerweile kennt Roger jede Schraube an unserem
Fahrzeug und hat gelernt wie wir uns in den unmöglichsten
Situationen zu helfen wissen. Das mahlende Geräusch haben sie
unterdessen auch herausgefunden, es kam von der Handbremse
und war eine Kleinigkeit. Aber wie soll man darauf kommen?
Wir verbrachten wirklich vier tolle und vor allem auch interessante
Tage zusammen. Lieber Chris, für uns bleibst du immer der
Landyflüsterer schlechthin, vielen Dank für deine Hilfe. Dies war
das Beste was wir tun konnten. Auch wenn vielleicht der Weg nach Buenos Aires nicht den
gewünschten Erfolg brachte, dafür lohnte sich das Treffen mit ihm in jeder Hinsicht umso mehr.
Team Gaucho
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