Tarnen, Warnen, Täuschen

Transcription

Tarnen, Warnen, Täuschen
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
Tarnen, Warnen, Täuschen
Kompetenzprofil
I
I
I
I
I
I
I
I
Niveau: grundlegend, weiterführend
Fachlicher Bezug: Evolution, Ökologie
Methode: Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit
Basiskonzepte: Struktur und Funktion, Variabilität und Angepasstheit, Geschichte und
Verwandtschaft
Erkenntnismethoden: beschreiben, Phänomene erfassen, Hypothesen bilden,
Darstellungen verwenden und kategorisieren
Kommunikation: erklären, präzisieren, Fachsprache verwenden, Materialien auswerten
Reflexion: –
Inhalt in Stichworten: Körperfärbung, Tarn- und Warntracht, Farb- und Formanpassung,
Gegenschattierung, Gestaltauflösung, Parasitenhypothese, Tsetsefliege
Autorin: Dr. Christa Oebbecke
Methodisch-didaktische Hinweise
Tarnen und Warnen sind weitverbreitete Anpassungseigenschaften, die ihrem
Träger in gewissem Umfang Selektionsvorteile verschaffen. Eine Tarntracht ist
nur dann gegeben, wenn der Hintergrund ein ähnliches Muster aufweist. Eine
auffällige Signaltracht kann verschiedene Funktionen wie z. B. das Imponieren
von Artgenossen oder die Feindabschreckung haben. Anhand von Abbildungen können die Lernenden eigenständig die Zuordnung zu einer der Strategien treffen und begründen und zusätzlich auf das damit einhergehende Verhalten schließen (M 1).
M 2 befasst sich speziell mit der Bedeutung von Streifenmustern. Eine Entscheidung, welche Funktion den Streifen zukommt (Tarnung des Individuums bei Schwarm- oder Herdentieren bzw. Signaltracht bei Individuen) kann
ohne Kontext bzw. Hintergrund und Umgebung nicht gefällt werden.
Auf die Streifenfunktion bei Zebras wird schließlich im Rahmen der Parasitenhypothese näher eingegangen.
Zusätzliche Mediendateien finden Sie auf www.stark-verlagdigital.de unter „Zu meinen Digitalpaketen“ im digitalen Ordner
zu diesem Beitrag.
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
1
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
M1
Tarn- und Warntrachten im Tierreich
Ganz unterschiedliche Strategien dienen Tieren dazu, ihren Feinden zu entkommen, sich gegen Parasiten zu wehren oder leichter Beute zu greifen. Besondere Körperfärbungen und -zeichnungen haben sich entweder als Tarntracht entwickelt oder senden ein Signal als Warnung aus (Warntracht). Die
folgenden neun Abbildungen zeigen ausgewählte Beispiele für entsprechende
Phänomene aus dem Tierreich.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3: Hai
2
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
Evolution:
Infraspezifische Evolution
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
I. 1. 29
3
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
Abb. 4: Laubfrosch (Hyla
arborea)
Abb. 7: Spannerraupe
(Biston betularia)
4
Abb. 5: Wasserfrosch (Gattung Pelophylax)
Abb. 8: Raupe des Monarchfalters
(Danaus plexippus), giftig
Abb. 6: Zwerg-Seepferdchen
(Hippocampus bargibanti)
Abb. 9: Buckelzirpen
(Umbonia crassicornis)
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
Aufgaben
1 Ordnen Sie die in Abb. 1 und 2 dargestellten Tiere einer Ihnen bekannten
Tierklasse zu. Stellen Sie die Gemeinsamkeiten der in Abb. 2 gezeigten
Tiere heraus.
2 Geben Sie für alle in Abb. 1– 9 aufgeführten Arten an, ob sie eine Tarnoder Warntracht tragen. Benennen Sie jeweils den Adressaten der Tarnbzw. Warnfärbung.
3 Tarnung wird durch unterschiedliche Phänomene erreicht: durch Farbanpassung oder Formanpassung an die Umgebung, durch Gegenschattierung
oder durch Somatolyse (Gestaltauflösung). Erläutern Sie jeweils an einem
ausgesuchten, im Material gezeigten Beispiel diese Arten der Tarnung.
4 Begründen Sie, weshalb die Raupen des Monarchfalters (Abb. 8) aus einiger Entfernung schlecht zu erkennen sind. Deuten Sie ihr Aussehen sowie
das Aussehen des adulten Falters.
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
5
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
M2
Streifen und ihre Bedeutung
Wer kennt sie nicht – die quergestreiften Zebras, die in großen Herden durch
die afrikanischen Steppen ziehen? Weniger bekannt für ihr schwarz-weiß gestreiftes Muster sind die Seeschlange der Gattung Laticauda, die Raupe des
Eulenfalters oder bestimmte tropische Fischarten (z. B. Neonfische), die in individuenreichen Schwärmen auftreten.
Abb. 1: Zebras
Abb. 2: Tropischer Fischschwarm
Die Seeschlange Laticauda
Die Seeschlange Laticauda laticaudata, die etwa 140 cm lang wird,
kommt ausschließlich an den warmen Küsten des Indischen und
Pazifischen Ozeans vor. Wie andere Schlangen bewegt sie sich an
Land schnell und wendig. An das
Leben im Meer ist sie durch ihren
seitlich zusammengedrückten
Abb. 3: Seeschlange Laticauda
Schwanz, der also zu einem Ruderschwanz umgebildet ist, angepasst. Zum Atmen muss sie den Kopf mit
den Nasenöffnungen kurzzeitig über die Wasseroberfläche heben. Obwohl sie
ein geschickter Schwimmer ist, bleibt sie meist in Küstennähe, wo sie sich am
6
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
Strand sonnt. Ihre Nahrung besteht vorwiegend aus aalförmigen Fischen. Sie
gehört zu der Familie der Giftnattern und verfügt über ein ähnlich starkes
Nervengift wie die Kobra. Durch blitzschnelles Zustoßen wird es beim Biss in
die Beute gespritzt und lähmt und tötet das Opfer in etwa drei Minuten. Sobald die Gegenwehr der Beute erstirbt, verschlingt die Seeschlange das Beutetier vom Kopfe her.
Der Eulenfalter
Der Schmetterling Agarista agricola gehört zur Familie der Noctuidae (Motten). Anders als die
meisten Motten ist diese australische Art tagaktiv. Die Raupen
fressen unter anderem die Blätter
von Weinreben. Sie verpuppen
sich unter der Rinde, in morschem Holz oder im Boden.
Abb. 4: Raupe des Eulenfalters (Agarista agricola)
Der kontrastreich gefärbte
Schmetterling ist in Ruhe meist
mit dem Kopf nach unten an Baumstämmen zu finden, seine Zeichnung erinnert in dieser Stellung näherungsweise an ein Gesicht.
Zebrastreifen und ihre Bedeutung
Über die Funktion der Streifen bei Zebras gibt es zahlreiche Hypothesen. Die
herkömmliche Erklärung geht davon aus, dass die Körperformen, also die
Umrisse der Tiere durch die Streifen vor allem für den Hauptfeind, den Löwen, optisch aufgelöst werden (Somatolyse).
Eine neuere Theorie ist die Parasitenhypothese. Ihr zufolge ist der Adressat für
das Streifenmuster die Tsetsefliege (Abb. 6), die als Überträgerin von Trypanosomen, den Erregern der Schlafkrankheit bzw. der Nagana-Seuche (bei
Nutztieren), bekannt geworden ist. Tsetsefliegen orientieren sich beim Auffinden ihrer Wirtstiere rein optisch. Ihre Komplexaugen sind besonders gut
für das Bewegungssehen geeignet, Formen werden jedoch vor allem aus größerer Entfernung nur unscharf abgebildet. Während man bei den meisten
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
7
I. 1. 29
Evolution:
Infraspezifische Evolution
Säugetieren, die im Verbreitungsgebiet der Tsetsefliege leben, z. B. bei Elefanten, Büffeln, Löwen, Gnus, Antilopen, Gazellen und vielen Nutztieren Trypanosomen im Blut fand, wurden bei Zebras nur selten Trypanosomen nachgewiesen. Offensichtlich bleiben Zebras von Tsetsefliegen weitgehend verschont.
Abb. 5: Verbreitungsgebiete der Esel- und Zebraformen sowie der Tsetsefliege in Afrika
1 und 2: Wildesel, 3: Grevy-Zebra, 4: Steppenzebra, 5: Bergzebra, 6 und 7: weiter
südlich vorkommende Zebraformen, 8: Quagga († Ende des 19. Jh.)
8
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
Abb. 6: Porträt einer Tsetsefliege
Aufgaben
1 Geben Sie mit einer kurzen Begründung die Funktion der Streifen bei der
Seeschlange, der Raupe, den Fischen und den Zebras an.
2 Beschreiben Sie kurz das Verbreitungsgebiet der Tsetsefliege in Afrika und
das Vorkommen von Zebras (Abb. 5).
3 Stellen Sie unter Verwendung der Abb. 5 und des Informationstextes eine
umfassende Hypothese über den Selektionsvorteil der Zebrastreifen auf.
4 Entwickeln Sie eine Hypothese, wie sich das Aussehen der Formen der
Pferdeartigen 7 und 8 (Abb. 5) mit Ihren Aussagen zu Aufgabe 2 und 3
(Verbreitung der Zebras und Bedeutung des Streifenmusters) vereinbaren
lässt.
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
9
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
Lösungsvorschläge
Tarn- und Warntrachten im Tierreich
M1
1 Zuordnung der abgebildeten Tiere:
• Abb. 1 A zeigt einen Knochenfisch (Phyllopteryx) aus der Verwandtschaft der Seepferdchen.
• Abb. 1 B stellt eine (Larve einer südamerikanischen) Heuschrecke (Apioscelis) dar.
Hinweis: Mit den Stabheuschrecken, denen sie ähnelt, ist Apioscelis nicht
verwandt. Sie lebt am Boden im dürren Gras. Das Seepferdchen Phyllopteryx lebt in Algenwäldern.
• Alle in Abb. 2 gezeigten Wesen ahmen die Gestalt eines Blattes nach:
A
B
C
D
2
(Blatt-)Schmetterling (Insekt)(Kallima)
Reptil (Rhampholeon)
Fisch (Monocirrhus)
Heuschrecke (Insekt) (Cycloptera)
Abbildung
Tracht
Bedeutung
1 , 2 , 4, 5, 6, 7, 9
Tarntracht
Schutz vor Fressfeinden
3
Tarntracht
Schwere Erkennbarkeit für Beutetiere
8, Monarchfalter
Warntracht
Signal an Fressfeinde, Farbanpassung
und Warnung vor Giftigkeit oder Ungenießbarkeit
3 Eine Tarnung durch Farbanpassung ist bei den Fröschen in den Abb. 4
und 5 zu erkennen. Die Färbung der Körperoberfläche entspricht weitgehend derjenigen der Umgebung, sodass sich die Tiere farblich nicht von
ihrer Umwelt absetzen und bei Bewegungslosigkeit nur schwer erkennbar
sind. Es steht zu vermuten, dass auch die nur schwarz-weiß dargestellten
Arten der Abb. 1 und 2 ebenfalls mit Tarnfarben versehen sind.
Einige Arten schützen sich (zusätzlich) durch eine Formanpassung und
entziehen sich so dem Beuteschema der Fressfeinde. Die Spannerraupe
10
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
(Abb. 7) erscheint wie ein kleiner Ast. Die Buckelzirpen (Zikaden) in
Abb. 9 wirken wie Stacheln und weisen keinen insektentypischen Umriss
auf. Die in Abb. 2 dargestellten Arten weisen die Form eines Laubblattes
auf. Das Seepferdchen in Abb. 6 ähnelt verzweigten Korallenstöcken.
Gegenschattierung liegt u. a. beim Hai (Abb. 3) vor. Tieren, die sich oberhalb des Hais bewegen, bietet sich der Blick auf die dunkle Oberseite des
Hais, die sich kaum vom dunklen „Untergrund“ des tiefen Wassers abhebt. Unterhalb des Hais schwimmende Fische nehmen die helle Unterseite des Hais wahr, die dem Helligkeitsgrad des Wassers und der Luft darüber entspricht. Durch diese Tarnung kann sich ein Hai seiner Beute nähern und wird von ihr nicht oder erst (zu) spät erkannt.
Unregelmäßige Körperzeichnungen wie z. B. die großen grünen und
braun-grauen Flecken des Laubfrosches in Abb. 4 lassen den Umriss eines
Tieres nicht klar erkennen. Er verschwimmt mit der Umgebung. Die Körpergestalt scheint sich aufzulösen, was als Somatolyse bezeichnet wird.
4 Die Raupen sind durch ihre Querbänderung auf den Blattoberflächen mit
starken Licht- und Schatteneffekten aus der Entfernung vermutlich kaum
auszumachen; ihr Streifenmuster stellt demnach eine Tarntracht dar. Aus
der Nähe erkennt man eine auffällige, kontrastreiche schwarz-weiß-gelbe
Streifung, die wie auch die orange-schwarze Flügelfärbung der adulten
Schmetterlinge als Signal- bzw. Warntracht ihre Fressfeinde abschrecken
soll. Raupen sind also von Weitem getarnt. Werden sie dennoch z. B. von
einem Vogel entdeckt, signalisiert die Warntracht dem sich nähernden
Fressfeind ihre Ungenießbarkeit.
M2
Streifen und ihre Bedeutung
1 Die auffälligen schwarzen und weißen Streifen der Seeschlange stellen
ein Signal an Fressfeinde dar, die vor ihrer Giftigkeit warnen. Die geringere
Feindabwehr bedeutet für die poikilotherme Schlange eine enorme Energieersparnis.
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
11
I. 1. 29
Evolution:
Infraspezifische Evolution
Obwohl im Material keine Angaben zur Giftigkeit der Raupe vorliegen,
lassen die typischen Warnfarben zusammen mit den auffälligen kontrastreichen Streifen auf Inhaltsstoffe schließen, die giftig oder zumindest übel
schmeckend sind. Auch beim Schmetterling gehen von den Kontrastfarben
vermutlich deutliche Warnsignale an die Fressfeinde aus. Diese werden
zusätzlich noch durch die gesichtsähnliche Musterung abgeschreckt.
Durch seine Ungenießbarkeit zusammen mit der Warn- und Schrecktracht
hat sich Agarista agricola als tagaktive Motte eine neue ökologische Nische
erschlossen und sich so dem Konkurrenzdruck der anderen nachtaktiven
Motten entzogen.
Während Seeschlange und Raupe überwiegend als Einzelindividuen anzutreffen sind, handelt es sich bei den dargestellten Fischen und den Zebras
um Schwarm- bzw. Herdentiere. Da Raubfische direkt ein bestimmtes
Beuteindividuum fixieren, um es dann anzugreifen, könnte es beim Auseinanderstieben eines angegriffenen Schwarms für den Räuber schwierig
sein, in dem Durcheinander der vielen fliehenden Schwarmfische zu „zielen“. Das Fixieren eines einzelnen Fisches aus dem Schwarm wird durch
die Gestaltauflösung (Somatolyse) des Tieres im sich bewegenden Verband erheblich erschwert. Ähnlichen Schwierigkeiten ist ein Raubtier
beim Ausmachen und Fixieren eines Beutetieres innerhalb einer Zebraherde ausgesetzt.
Auffällige Streifen können also bei Einzeltieren als Warntracht fungieren,
bei Schwarm- oder Herdentieren durch die Auflösung der Umrisse eines
Einzelindividuums als Tarnung dienen.
2 Die Tsetsefliege ist im gesamten Waldgebiet Afrikas beheimatet und darüber hinaus bis zur Sahel-Zone im Norden Afrikas sowie nach Osten bis an
die Küste des Indischen Ozeans. Nord- und Westafrika sowie der äußerste
Süden Afrikas ist frei von Tsetsefliegen.
Zebras kommen fast ausschließlich im Verbreitungsgebiet der Tsetsefliege
vor. Allerdings leben auch südlich des Tsetsefliegen-Verbreitungsgebiets
Zebras (Nr. 7). Außerdem war dort einst das Quagga (8) verbreitet, das seit
Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet ist. Bei dieser Art beschränkte sich
12
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
Evolution:
Infraspezifische Evolution
I. 1. 29
die Streifung auf Kopf und Hals. Nördlich des Tsetse-Gürtels findet man
lediglich streifenlose Wildesel.
3 Aus der Distanz verschwimmen die Streifen des Zebrafells zu einem fast
einheitlichen Grau, vor allem bei niedrig stehender Sonne am Morgen und
Abend, also zur Hauptjagdzeit der großen Raubkatzen. Unterstützt wird
diese Tarnwirkung durch das Prinzip der Gegenschattierung. Die zum
Bauch hin schmaler werdenden schwarzen Streifen lassen den Bauch heller erscheinen. Inwieweit diese Tarnung gegenüber Raubkatzen mit ihren
leistungsstarken Linsenaugen wirkt, ist fraglich. Vermutlich ist jedoch die
gestaltauflösende Wirkung der Streifung bei den Komplexaugen der Insekten sehr effektiv. Die Komplexaugen eignen sich für das reine Formsehen nur schlecht. Gestreifte Einzeltiere sind für die Insekten möglicherweise nicht auseinanderzuhalten.
Dass der Adressat der Streifung nach der Parasitenhypothese die Tsetsefliege ist, wird durch zwei Befunde unterstützt: Zum einen stimmen die
Verbreitungsgebiete der Tsetsefliege und des Zebras weitgehend überein
(Ausnahme Nr. 7, s. u.). Zum anderen findet man bei Zebras im Unterschied zu anderen Säugetieren innerhalb des Tsetse-Gebietes nur selten
Trypanosomen im Blut. Das deutet darauf hin, dass Zebras deutlich seltener von den Trypanosomen übertragenden Tsetsefliegen gestochen werden. Der Selektionsfaktor für die Herausbildung der Streifung könnte
demnach die Tsetsefliege gewesen sein. Die Streifen sind nicht nur eine
Anpassung zum Schutz vor lästigen Insektenstichen, sondern auch vor der
durch Trypanosomen verursachten Nagana-Erkrankung.
4 Trotz fehlender Tsetsefliegen kommt in Südafrika eine Zebraform (Nr. 7)
vor. Auch lebte weiter südlich in Richtung Kap bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das Quagga. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass
während der Anpassung der Zebras im Süden andere Klimaverhältnisse als
heute herrschten. Ein niederschlagsreicheres Klima könnte auch hier das
Vorkommen der Tsetsefliege begünstigt haben und somit je nach Häufigkeit der Fliegen eine Streifenbildung der Zebras bzw. nur teilweise Strei-
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag
13
I. 1. 29
Evolution:
Infraspezifische Evolution
fenbildung beim Quagga als Anpassung bewirkt haben. Alternativ könnten
die Vorfahren der im Süden verbreiteten Zebras (7) bzw. der Quaggas vor
noch nicht allzu langer Zeit in diese Regionen eingewandert sein, sodass
die unter anderen Selektionsbedingungen entwickelten Streifen noch (teilweise) erhalten geblieben sind.
Literatur
Cerutti, H. (1999) „Von Tieren – Warum das Zebra Streifen hat“ NZZ Folio 09/99, Neue Zürcher Zeitung,
Zürich; http://folio.nzz.ch/1999/september/warum-das-zebra-streifen-hat
Desmond, M. (1991) „Warum hat das Zebra Streifen? Körpersprache und Verhaltensformen der Tiere“
Heyne Verlag, München, S. 11–16
Grzimek B. (Hrsg.) (1980) „Grzimeks Tierleben, Enzyklopädie des Tierreichs, Bd. 6 Kriechtiere“ dtv,
München, S. 441– 448
Reichholf, J. (1990) „Das Rätsel der Menschwerdung“ Zeichnungen von Fritz Wendler. dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
Remane, A.; Storch, V.; Welsch, U. (1976) „Evolution. Tatsachen und Probleme der Abstammungslehre“
Deutscher Taschenbuch Verlag, 3. erw. Aufl., München
Sommer, U. (1998) „Biologische Meereskunde“ Springer-Verlag, Berlin
Zrzavý, J.; Storch, D.; Mihulka, S.; Burda, H. (Hrsg.); Begall, S. (Hrsg.) (2009) „Evolution – Ein Lese-Lehrbuch“ Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, S. 263
Abbildungsverzeichnis
M 1, Abb. 1 und 2: Remane et al. (1976), S. 52
M 1, Folie (Monarchfalter): © Can Stock Photo Inc. / stevebyland
M 1, Abb. 4: Christian Fischer, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HylaArboreaSunbathing2.jpg,
lizenziert unter CC BY-SA 3.0
M 1, Abb. 5: © Can Stock Photo Inc. / sad
M 1, Abb. 6: © Can Stock Photo Inc. / Andaman
M 1, Abb. 7: Evanherk, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berkenspanner.jpg, lizenziert unter
CC BY-SA 3.0
M 1, Abb. 8: © Can Stock Photo Inc. / lucidwaters
M 1, Abb. 9: Marshal Hedin, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Umbonia_crassicornis_%28F._
Membracidae%29_%282532975946%29.jpg, lizenziert unter CC BY-SA 2.0
M 2, Abb. 1: © Can Stock Photo Inc. / JFJacobsz
M 2, Abb. 2: © Can Stock Photo Inc. / Satori
M 2, Abb. 3: Jens Petersen; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Laticauda_colubrina_Lembeh2.jpg,
lizenziert unter CC BY-SA 3.0
M 2, Abb. 4: © Ros Runciman of Yeranda at Barrington Tops
M 2, Abb. 5: Reichholf (1990), S. 100
M 2, Abb. 6: International Atomic Energy Agency, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tsetse-BKF3.jpg, lizenziert unter CC BY-SA 4.0
14
6251 Unterrichts-Materialien Biologie Sek. II Stark Verlag