Heinrichs goldiger Onkel

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Heinrichs goldiger Onkel
14
Kultur
HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG
DONNERSTAG, 21. JUNI 2012 · NR. 143
Der standhafte Künstler
VON M ICH A EL S TOEBER
Georg Baselitz, vor den ostdeutschen
Mächtigen früh in den Westen ge�ohen,
hält alle Künstlerkollegen, die in der DDR
geblieben sind, bis heute für „große Arschlöcher“. Ein Blick auf die Bilder des 1942
in Chemnitz geborenen Künstlers Michael
Morgner, der das Land nie verlassen hat
und bis heute in Chemnitz lebt, könnte ihn
leicht vom Gegenteil überzeugen.
Das Sprengel Museum breitet in einer
großen und verdienstvollen Ausstellung
das gra�sche Werk des Künstlers von den
frühen siebziger Jahren bis in die Gegenwart aus, und beim Studium der Blätter
wird schnell deutlich, dass hier einer von
Anfang an sich nicht hat vom Staat zu
propagandistischen Zwecken vereinnahmen lassen. Wer der Vorstellung folgt,
dass auch das Private politisch ist, erkennt, dass Morgner gerade in seinen persönlichsten Blättern hartnäckig Wider-
stand gegen die Doktrin des sozialistischen Realismus geleistet hat.
Wenn er in den siebziger Jahren Badefreuden am Ostseestrand in schwarzer
Tusche im Bild festhält, überzieht bereits
das gewählte Medium das Papier mit einer
endzeitlichen Melancholie, die quer steht
zu jedem kollektiven Optimismus. Auch
die ungewöhnlichen Blickwinkel der Blätter verfremden das Geschehen, etwa die
Vogelsperspektive in „2 Buhnen“ (1977).
Die Menschen wirken auf dem weit entfernten Strand wie Punkte, und der realistische Eindruck Morgners löst sich im
Werk in abstrakte Strukturen auf.
Dazu trägt in späteren Bildern verstärkt die Entdeckung der Lavage bei.
Als der sparsame Künstler einmal unzufrieden ist mit einer von ihm gefertigten
Tusche, will er das Blatt nicht vernichten,
sondern zieht es stattdessen einfach durch
Wasser. Das Ergebnis beglückt ihn: die
zauberische Verwandlung der Formen
Stiftung WRT, Tóth © VG Bild-Kunst
Wenn das Private politisch ist: Der Chemnitzer Künstler Michael Morgner in einer eindrücklichen Ausstellung im hannoverschen Sprengel Museum
Melancholisch: Morgners „Paar“ aus dem Jahr 1975.
und Farben durch das Auswaschen. Bis
heute hat er diese Technik beibehalten
und in großformatigen Blättern weiter
verfeinert. Das Auswaschen fügt dem
Planerischen der hervorragend entwickelten Kompositionen ein Zufallselement hinzu, das man im Werk Morgners
durchaus symbolisch lesen darf.
Als Vorstellung, dass wir Menschen
(und Künstler) trotz all unserer Fähigkeiten in der Gnade einer höheren Macht stehen. Auch das ist eine Idee, die der auf
dem Marxismus gegründete Staat nicht
schätzte, selbst wenn Morgner mit ihr
keineswegs missionieren ging. Aber er
lässt sie Bild werden. Vor allem als er bei
dem frühen Krebstod seiner Frau Dörte
menschliche Verletzlichkeit hautnah und
persönlich miterlebt. Ähnlich wie einst
Ferdinand Hodler das Verlöschen seiner
Frau in jeder Phase malte, hält auch er
das Sterben Dörtes in bewegenden und
eindringlichen Bildern fest, die sich jede
Flucht in die Abstraktion versagen. Morgner schaut genau hin. Das Martyrium seiner Frau aber erträgt er nur, weil er aus
dem christlichen Gedanken der Auferstehung heraus Kraft schöpft – so auch der
Titel eines seiner frühen Blätter.
Allerdings ist er mit seiner Kraft ein
Jahr nach dem Tod seiner Frau dann doch
so ziemlich am Ende. 1987 entsteht eine
Tusche von hohem Symbolgehalt, die für
den Künstler nach eigener Einschätzung
bis heute ein Schlüsselbild in seinem Werk
darstellt. Mit dem Pinsel schreibt Michael
Morgner „Ich kann nicht mehr“ auf das
Papier, um dann in einem weiteren Schritt
die Silhouette seines Kopfes darüber zu
legen. Von dem Satz bleiben dabei nur die
beiden Wörter „Ich nicht“ übrig. Aus dem
Eingeständnis der Schwäche ist ein Bild
des Widerstands geworden.
Bis zum 30. September im Sprengel
Museum Hannover.
Ein bisschen Wahnsinn
Das exzentrische Wunderkind Fiona Apple meldet sich zurück
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Ein Jude aus Hannover: Biografie erinnert an Salomon Heine
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Kenntnisreich, teils packend und in
elegantem Deutsch schildern die Autoren
Geist und Geld stehen oft in einem ver- die Biogra�e jenes Mannes, der bis heute
trackten Verhältnis zueinander: Beide im Schatten seines Neffen steht. Eines
wissen, dass sie dem jeweils anderen im Neffen, der ohne ihn heute vielleicht ein
Grunde überlegen sind, aber eigentlich Namenloser wäre, ein längst vergessener,
doch nicht. Vielleicht auch deshalb war verkrachter Künstler. In der Biogra�e
das Verhältnis zwischen Heinrich Heine graben Susanne und Jan Peter Wiborg
und seinem reichen Onkel Salomon Heine tief in der Familiengeschichte der Heines
nicht unkompliziert. „Wir leben zwar in – und sie werfen informative Seitenblicke
beständigen Differenzen, aber ich liebe auf deren Umfeld: die Hamburger Kaufihn außerordentlich“, schrieb Heinrich mannschaft, die Zeit der napoleonischen
Heine einmal. „Wir haben
Besatzung, die Juden zwiauch in Wesen u. Charakschen Anpassung und
ter viel Aehnlichkeit“, noAusgrenzung.
tierte er, „nur daß FortuDer Jude Salomon Heina ihn zum Millionär, und
ne hatte in Hamburg zwar
mich zum Gegentheil,
kein Bürgerrecht, doch
d. h. zum Dichter gemacht
gleichwohl gab er in seihat.“
ner Villa an der ElbchausSalomon Heine, der seisee glanzvolle Gesellnem Neffen das Studium
schaften, bei denen die
�nanzierte und ihn bis zu
Spitzen der Stadt sich verseinem Tod 1844 untersammelten (und Heinrich
stützte, ist seinerseits –
sich als armer Verwandwenn überhaupt – vor alter eher deplatziert fühllem durch einen Satz in
te). Auch als Wohltäter erErinnerung
geblieben:
warb er sich große Meri„Hätte der dumme Junge
ten: Er gründete das noch
was gelernt, brauchte er
heute existierende Israelinicht zu schreiben Bütische Krankenhaus, und
cher!“ Dabei hat der „golnach dem großen Stadtdige Onkel“, wie Heinrich
brand von 1842 engagierihn doppelsinnig nannte,
te er sich wie kaum jedurchaus verdient, nicht
mand sonst für den Wienur als Antipode seines Wohltäter, Mäzen, Millionär: deraufbau. Er p�egte ein
großen Neffen gewürdigt Der Bankier Salomon Heine.
schöpferisches und verzu werden, sondern als
antwortungsbewusstes
Person aus eigenem Recht. Die Journalis- Unternehmertum.
ten Susanne Wiborg („Die Zeit“) und Jan
Die Kluft zwischen Onkel und Neffe,
Peter Wiborg („Schaumburger Nachrich- zwischen dem frommen, reichen Mann
ten“) haben jetzt seine Biogra�e geschrie- der Tat und dem aufklärerischen, rebelliben.
schen Mann des Wortes blieb zeitlebens
Salomon Heine war ein Selfmademan. bestehen. Dennoch traf der Tod des OnGeboren wurde der Spross einer jüdi- kels den Dichter schwer. „Das Gehirn zitschen Kaufmannsfamilie 1767 in Hanno- tert mir im Kopf“, schrieb Heinrich Heiver. In der Calenberger Neustadt wuchs ne, als er in Paris davon erfuhr. „Obgleich
er in einem schmalen Fachwerkhaus in ich auf den Fall gefaßt war, erschüttert er
der Langen Straße 15 auf. Sein großer mich doch so tief, wie mich seit dem Tode
Bruder Samson, der Vater von Heinrich meines Vaters noch nichts bewegt.“ Nicht
Heine, war der älteste von sechs Söhnen. nur �nanzielle Bande, sondern auch
Früh verloren diese ihren Vater, der Fa- Blutsbande begründen eben besonders
milie drohte der Ruin. Mit 17 Jahren ging dauerhafte Bindungen.
Salomon Heine völlig mittellos nach
Susanne und Jan Peter Wiborg: „Salomon
Hamburg, gründete ein eigenes Geldhaus
Heine“. Ellert und Richter Verlag. 184 Seiund avancierte als erfolgreicher Bankier
ten, 14,90 Euro.
zum „Rothschild Hamburgs“.
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men und sich konzentrieren, um die Schönheit zu erfassen.
Das muss man sich erst einmal leisten
„The Idler Wheel ...“ ist reduziert und
können. Sieben Jahre für zehn Songs, das minimalistisch, statt Piano steht die Persind sieben Monate für je fünf Minuten cussion im Vordergrund, auch weil Apple
Musik. Doch vielleicht ist Fiona Apple ge- das Album mit Schlagzeuger Charley
rade wegen ihrer Öffentlichkeitsabstinenz Drayton produziert hat. Mal sind es kleine
eine der wichtigsten Musikerinnen der Trommelwirbel, dann donnernde Pauken
USA: Sie gewann für den
oder ein einfaches Geklopfe
Song „Criminal“ und das Alauf dem Holztisch. „Daredebum „Tidal“ einen Grammy.
vil“ und „Periphery“ sind
Sie hat Hymnen für Generasolche Stückwerke: Die leisen
tionen von KunstwissenDrums bleiben lange im Ohr,
schaftsstudentinnen
gedas abgehackte Klavier ist
schrieben und schwebt mit
passgenau darauf ausgelegt,
ihrem Jazz-Art-Pop locker
Apple legt darauf noch ihre
über allen sonstigen popkultiefe Stimme. Die 34-Jährige
turellen Strömungen. „Der
nutzt sie als Teil der Percuseinzige Grund, warum es bei
sion: wechselt von Flüstern
mir sieben Jahre dauert, ist,
zum Crescendo, schreit, bellt,
weil ich einfach keinen Plan
haucht liebevoll ins Ohr, singt
habe“, sagt die 34-jährige
die weisen Worte mal melodiKünstlerin. Und das klingt
ös, dann wieder rhythmisch
aufrichtig.
gestückelt. In „Regret“ entIhr Plattenlabel Sony hat
lädt sich Wut und Groll in der
sich inzwischen davon verStimme, und das heisere Geabschiedet, Hörbares von
bell wirkt einschüchternd.
Apple vorgelegt zu bekom„Anything We Want“ ist
men. Und so fängt die Sper- Kauzig: Fiona Apple Sony dann wieder zuckersüß. Zum
rigkeit des vierten Albums
Ende gibt es die Belohnung
gleich beim Titel an (einmal Luft holen): fürs Durchhalten: „Hot Knife“, der mehr„The Idler Wheel Is Wiser than the Driver stimmige Kanon mit Apples Schwester –
of the Screw and Whipping Cords Will ein lockerer Liebesreigen.
Serve You More than Ropes Will Ever Do“
Fiona Apples Songs sind die einer kauziImmerhin 67 Wörter weniger als der bei gen, einsamen Frau mit emotionaler Tiefe.
der zweiten Platte „When the Pawn ...“.
Apple lebt in L. A., aus dem Haus geht sie
So wie es in den Musikabteilungen der nur, wenn der Hund sein Geschäft erledigt.
Kaufhäuser die Abteilungen „Easy Liste- Und so bleibt auch dieses Album ein Gening“ gibt, so müsste für Fiona Apple heimnis. Und es macht süchtig. Fiona App„Uneasy Listening“ erfunden werden. Es les Rhythmus ist selbstbewusst und in sich
ist Arbeit, sich durch das Album zu kämp- ruhend: So soll es sein, das ist zu hören. Da
fen. Man kann es nicht halb hören, nicht machen auch sieben Jahre Wartezeit
mal eben reinschnuppern. Das ist Musik nichts.
zum Hinsetzen, zum Booklet aufklappen,
Fiona Apple: „The Idler Wheel...“, Sony
die alten Sennheiser-Kopfhörer rauskra-