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Philipp Thalmann Kommunikation des Verwaltungsrates nach Innen und Aussen Nr. 122 der Reihe DISKUSSIONSPAPIERE des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen St. Gallen, April 2010 I Vorwort Art. 716a OR verpflichtet den Verwaltungsrat zur Oberleitung der Aktiengesellschaft. Dazu gehört auch die Festsetzung der Kommunikationspolitik und deren strategische Ausrichtung. Der Rahmen dieser Kommunikationspolitik wird durch eine Vielzahl staatlicher Vorschriften gesteckt. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit diesen Regeln und zeigt auf, wie eine solche Kommunikationspolitik bestimmt werden sollte. Die Arbeit ist an unserem Institut als Masterarbeit entstanden. Sie wurde von Prof. Dr. Roland Müller als Referent betreut. Es ist nicht üblich Masterarbeiten zu veröffentlichen. Die Qualität der Arbeit und die Aktualität des Themas erscheinen uns aber genügende Gründe, sie einer weiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auch für eine Masterarbeit gilt die akademische Freiheit. Es versteht sich daher von selbst, dass die in der Arbeit getroffenen Wertungen ausschliesslich die Meinung des Autors widergeben und das FAA nicht binden. St. Gallen, im April 2010 Prof. Dr. Thomas Geiser Direktor FAA II Inhaltsverzeichnis I Abstract ........................................................................................................................................................... I II Inhaltsverzeichnis ..........................................................................................................................................II III Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................................. V IV Literaturverzeichnis ................................................................................................................................... VII V Materialienverzeichnis................................................................................................................................ XII VI Internetquellenverzeichnis ....................................................................................................................... XIII 1 Einleitung......................................................................................................................................................... 1 1.1 Problemstellung .......................................................................................................................................... 1 1.2 Ziel ............................................................................................................................................................. 2 1.3 Methodik .................................................................................................................................................... 2 1.4 Begriffsbestimmungen ................................................................................................................................ 3 1.5 2 1.4.1 Kommunikation ............................................................................................................................... 3 1.4.2 Unternehmen .................................................................................................................................... 4 1.4.3 Unternehmenskommunikation (Corporate Communication) ........................................................... 5 1.4.4 Verwaltungsrat ................................................................................................................................. 8 1.4.5 Corporate Governance ..................................................................................................................... 9 Abgrenzungen ........................................................................................................................................... 10 Theoretischer Teil ......................................................................................................................................... 12 2.1 Einleitung zum theoretischen Teil ............................................................................................................ 12 2.2 Vorschriften zur Kommunikation ............................................................................................................. 12 2.3 2.2.1 Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht ............................................................................................ 12 a) Einführung ..................................................................................................................................... 12 b) Vorschriften ................................................................................................................................... 12 c) Ergebnis ......................................................................................................................................... 12 2.2.2 Arbeitsrecht .................................................................................................................................... 13 a) Einführung ..................................................................................................................................... 13 b) Vorschriften ................................................................................................................................... 14 c) Ergebnis ......................................................................................................................................... 14 2.2.3 Corporate Governance ................................................................................................................... 14 a) Einführung ..................................................................................................................................... 14 b) Vorschriften ................................................................................................................................... 15 c) Ergebnis ......................................................................................................................................... 17 2.2.4 Zwischenergebnis aus der Analyse der rechtlichen Kommunikationsvorschriften ........................ 18 Umsetzung der Kommunikation ............................................................................................................... 19 2.3.1 Einleitung ....................................................................................................................................... 19 2.3.2 Notwendigkeit einer strategischen Ausrichtung der Kommunikation ............................................ 19 2.3.3 Corporate Communication und Corporate Identity ........................................................................ 21 II 2.4 3 2.3.4 Die Umsetzung der Kommunikation durch den Verwaltungsrat im Einzelnen .............................. 22 a) Kommunikation den externen Stakeholdern gegenüber ................................................................. 22 b) Kommunikation der Belegschaft gegenüber .................................................................................. 25 c) Kommunikation an der Unternehmensspitze ................................................................................. 27 2.3.5 Schranken der Kommunikation ...................................................................................................... 31 a) Einleitung ....................................................................................................................................... 31 b) Strafrechtliche Schranken .............................................................................................................. 32 c) Arbeits- und datenschutzrechtliche Schranken ............................................................................... 32 d) Immaterialgüter- und wettbewerbsrechtliche Schranken................................................................ 33 e) Unternehmensinterne Schranken .................................................................................................... 34 Folgerungen aus dem theoretischen Teil .................................................................................................. 36 Praktischer Teil ............................................................................................................................................. 39 3.1 Untersuchungsziel .................................................................................................................................... 39 3.2 Methode .................................................................................................................................................... 39 3.2.1 Stichprobe ...................................................................................................................................... 39 3.2.2 Messinstrumente ............................................................................................................................ 40 3.2.3 Ablauf ............................................................................................................................................ 41 3.3 Untersuchungsgrenzen .............................................................................................................................. 41 3.4 Resultate und Diskussion .......................................................................................................................... 41 3.5 3.6 4 3.4.1 Einleitung ....................................................................................................................................... 41 3.4.2 Unternehmensinterne Vorschriften zur Kommunikation................................................................ 42 a) Existenz von Kommunikationsvorschriften ................................................................................... 42 b) Existenz von internen Weisungen zur Kommunikation nach Aussen ............................................ 44 3.4.3 Unternehmensinterne Bedeutung der Kommunikation .................................................................. 46 a) Kommunikation in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.............................................................. 46 b) Verbesserung der verwaltungsratsinternen Kommunikation .......................................................... 50 c) Ermittlung des Unternehmensimages bei den Stakeholdern .......................................................... 52 d) Bottom-up-Kommunikationswege in den Unternehmen ................................................................ 54 3.4.4 Umsetzung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften ............................................................. 56 a) Rechtliche Kommunikationsvorschriften und Unternehmenskommunikation ............................... 56 b) Probleme bei der Erfüllung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften .................................... 58 Interviews mit Kommunikationsfachleuten .............................................................................................. 58 3.5.1 Einleitung ....................................................................................................................................... 58 3.5.2 Resultate und Diskussion ............................................................................................................... 59 a) Sensibilisierung des Verwaltungsrats für die kommunikative Funktion ........................................ 59 b) Das Verwaltungsrats-Kommunikationsreglement .......................................................................... 60 Folgerungen aus dem praktischen Teil ..................................................................................................... 61 Zusammenfassung und Empfehlungen ....................................................................................................... 62 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................................................................ 62 III 4.2 4.1.1 Ergebnisse aus dem theoretischen Teil........................................................................................... 62 4.1.2 Ergebnisse aus dem praktischem Teil ............................................................................................ 63 4.1.3 Vergleich der Ergebnisse aus Theorie und Praxis .......................................................................... 64 Empfehlungen........................................................................................................................................... 65 4.2.1 Empfehlungen an Verwaltungsräte ................................................................................................ 65 4.2.2 Empfehlungen an Geschäftsleitungen ............................................................................................ 67 IV III Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AG Aktiengesellschaft allg. allgemein Art. Artikel AS Amtliche Sammlung des Bundesrechts Aufl. Auflage BankG Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (SR 952.0) BauAV Verordnung vom 29. Juni 2005 über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten (SR 832.311.141) BBl Bundesblatt Bd. Band BEHG Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995 (Börsengesetz, SR 952.0) BfS Bundesamt für Statistik BGE Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichtes BGer Schweizerisches Bundesgericht bspw. beispielsweise Bst. Buchstabe BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) bzw. beziehungsweise CEO Chief Executive Officer Diss. Dissertation d.h. das heisst DSG Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 (SR 235.1) etc. et cetera FER Fachempfehlungen zur Rechnungslegung gem. gemäss GL Geschäftsleitung GlG Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (SR 151.1) GU Grossunternehmen (250 oder mehr Vollzeitstellen) GV Generalversammlung HRegV Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 in der Fassung vom 1. Januar 2008 (SR 221.411) Hrsg. Herausgeber IAS International Accounting Standards i.d.R. in der Regel IFRS International Financial Reporting Standards insb. insbesondere KMU Kleine und mittlere Unternehmen (bis maximal 249 Vollzeitstellen) KR Kotierungsreglement der SIX Exchange Regulation vom 1. Juli 2009 V lit. litera m.a.W. mit anderen Worten M.E. Meines Erachtens m.w.H. mit weiteren Hinweisen MIS Management Information System MSchG Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (SR 232.11) MSchV Markenschutzverordnung vom 23. Dezember 1992. (SR 232.111) N Note(n) Nr. Nummer OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches 30. März 1911 (Fünfter Teil: Obligationenrecht, SR 220) RL Richtlinie(n) RLAhP Richtlinie der SIX Swiss Exchange betreffend Ad hoc-Publizität vom 29. Oktober 2008. RLCG Richtlinie der SIX Swiss Exchange betreffend Informationen zur Corporate Governance vom 1. Juli 2009. RLMT Richtlinie der SIX Swiss Exchange betreffend Offenlegung von ManagementTransaktionen vom 7. Januar 2005 RLR Richtlinie der SIX Swiss Exchange betreffend Rechnungslegung vom 29. Oktober 2008. ROCI Return on Communication Investment RS Rundschreiben RTVG Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 24. März 2006. (SR 784.40) S. Seite(n) SCBP Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, hrsg. von economiesuisse im Juli 2002, aktualisiert 2007 SHAB Schweizerisches Handelsamtsblatt SIX / SIX Exchange SIX Exchange Regulation (Schweizer Börse) SR Systematische Sammlung des Bundesrechts StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0) Stv. Stellvertretende(r) Swiss Code Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, hrsg. von economiesuisse im Juli 2002, aktualisiert 2007 Swiss GAAP-FER Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (2007), hrsg. von der Stiftung von Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (FER) SWX Swiss Exchange Regulation (Schweizer Börse, frühere Bezeichnung) u.a. unter anderem US-GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles usw. und so weiter u.v.m. und viele(s) mehr UWG Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241) Vgl. vergleiche VR Verwaltungsrat VRP Verwaltungsratspräsident VUV Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten vom 19. Dezember 1983. (SR 832.30) z.B. zum Beispiel vom VI IV Literaturverzeichnis BAER CHARLOTTE M. (Hrsg.). Verwaltungsrat und Geschäftsleitung. Ihre Tätigkeit und ihr Verhältnis zueinander. St. Galler Studien zum Privat- Handels- und Wirtschaftsrecht. Bd. 76. Bern 2006. (zit.: AUTOR, Corporate Governance). 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Dieses prägnante Zitat von IWAN RICKENBACHER 1 weist ganz allgemein auf die wichtige Funktion der Kommunikation hin. Freilich ist es in seinem Kontext zu sehen: RICKENBACHER bezieht die Aussage auf die Bedeutung der Kommunikation im Unternehmen und kommt in seinem Beitrag zum Schluss, dass Kommunikation Chefsache sei. In der Tat kann ein Unternehmen durch professionelle Kommunikation eine nachhaltige Reputation aufbauen, die es ihm ermöglicht, kritische Situationen besser zu überstehen und allfällig entstehende Schäden zu begrenzen. 1.1 Problemstellung Der Verwaltungsrat ist das oberste Leitungsorgan einer Aktiengesellschaft. Seine Aufgaben lassen sich in normative, strategische, finanzwirtschaftliche, personelle, führungsmässige und kommunikative Funktionen unterteilen. 2 Der Verwaltungsrat ist im Rahmen seiner Oberleitungsaufgabe mitunter für die Strategie des Unternehmens verantwortlich. Hierzu wird er durch das Obligationenrecht verpflichtet.3 Eine strategische Planung ist auch für den "Einsatz des kommunikationspolitischen Instrumentariums" notwendig. 4 Der Verwaltungsrat als das für die Strategie des Unternehmens verantwortliche Organ ist somit auch für die grundlegende Festsetzung der Kommunikationsstrategie verantwortlich. Unternehmen sind aufgrund von Rechtsvorschriften zur fortwährenden Kommunikation verpflichtet. Solche Verpflichtungen ergeben sich einerseits aus Vorschriften in Gesetzen oder Verordnungen und werden gelegentlich von der Rechtsprechung konkretisiert. Ein Unternehmen kann sich auch freiwillig dafür entscheiden, Regeln zu beachten, die von privaten Organisationen erlassen worden sind. Hierzu kann es aber auch verpflichtet werden, beispielsweise wenn es sich an einer Börse kotieren lassen will. Prominent sind im Bereich der juristischen Kommunikationsverpflichtungen Transparenz- und Publizitätspflichten für börsenkotierte Unternehmen. Andererseits kann sich ein Unternehmen auch selbst Vorschriften zur Kommunikation auferlegen. Solche können sich in Statuten, Organisationsreglementen oder anderen internen Weisungen finden. Kommunikation ist auch Gegenstand der Unternehmenskommunikation im betriebswirtschaftlichen Sinn. Vielen Unternehmen ist die sich in den letzten Jahrzehnten verändernde 5 und steigende Bedeutung der Unternehmenskommunikation bewusst geworden. Vorab kann bereits festgehalten werden, dass sich die Kommunikation eines Unternehmens keineswegs auf den rechtlich vorgeschriebenen Umfang beschränkt. Ein Unternehmen hat ein essentielles Interesse daran, seine Stakeholder über deutlich mehr und auch andere als rechtlich vorgeschriebene Inhalte zu informieren. Die Corpo- 1 2 3 4 5 RICKENBACHER, 223. FELDER, VR und Corporate Governance, 1008 ff. Art. 716a OR, vgl. dazu statt vieler: BÖCKLI, Aktienrecht, §13, Rz. 306. BRUHN, ESCH und LANGNER, Handbuch Kommunikation, 9 f., BRUHN, Integrierte Kommunikation, 89, 94. Vgl. BRUHN, ESCH und LANGNER, Handbuch Kommunikation, 5 ff.; BRUHN, Integrierte Kommunikation, 93. 1 rate Communication 6 ist nämlich die bedeutendste Möglichkeit für das Unternehmen, seine Reputation zu beeinflussen.7 In der Praxis zeigt sich, dass die kommunikative Aufgabe des Verwaltungsrats häufig vernachlässigt und in der Folge teilweise schlecht wahrgenommen wird. Dies bewiesen beispielsweise anlässlich der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 auch bekannte Grossunternehmen in der Schweiz. 1.2 Ziel Im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit ist einerseits aufzuzeigen, welche rechtlichen Vorschriften zur Kommunikation für den Verwaltungsrat bestehen. Zudem sollen Grundsätze für die Wahrnehmung der Kommunikationsaufgabe des Verwaltungsrats aus betriebswirtschaftlicher Perspektive aufgearbeitet werden: Wie sollte der Verwaltungsrat die Kommunikationsaufgabe organisieren? Wo bieten sich ihm Möglichkeiten, selbst aktiv in die Unternehmenskommunikation einzugreifen, um einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren? Für den praktischen Teil wurden Unternehmen zu den Themen Vorschriften, Bedeutung und Umsetzung der Kommunikation befragt. Mittels dieser Resultate und den Erkenntnissen aus den geführten Experteninterviews wird die Situation in der Praxis analysiert. Aus den theoretischen und praktischen Erkenntnissen werden jeweils Schlüsse gezogen und basierend darauf Empfehlungen für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen abgegeben. 1.3 Methodik Nachdem in einer Einführung ins Thema dem Leser die Problemstellung und die Zielsetzung der Arbeit näher gebracht worden sind, erfolgen eine Erläuterung der nötigen Begriffe im Hinblick darauf, wie sie in der vorliegenden Arbeit verstanden werden und die notwendigen thematischen Abgrenzungen. Anschliessend wird in einem ersten, theoretischen Teil untersucht, welche rechtlichen Vorschriften zur Kommunikation in der Schweiz existieren, die der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft zu beachten hat. Dabei werden Gesetze und Verordnungen unter Beizug von Rechtsprechung, aber auch private Regulierungen wie z.B. das Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange sowie der Swiss Code of best Practice for Corporate Governance untersucht. Der theoretische Teil beinhaltet insbesondere auch einen Blick auf betriebswirtschaftliche Aspekte der Kommunikationsaufgabe des Verwaltungsrats. Dabei steht die Umsetzung der Kommunikation im Zentrum. Beide Aspekte erlauben Feststellungen und Folgerungen. Im zweiten, praktischen Teil wird zunächst mittels einer Umfrage die praktische Relevanz der theoretischen Erkenntnisse geprüft. Mit den Ergebnissen werden sodann in Interviews Kommunikationsexperten konfrontiert. So wird eine Synthese aus theoretischen und praktischen Ergebnissen versucht, aus der weitere Erkenntnisse gewonnen werden. Schliesslich können Empfehlungen zur Kommunikation des Verwaltungsrats für die Praxis unterbreitet werden. 6 7 Zum Begriff vgl. Kapitel 1.4.3. SEEMANN, 121. 2 1.4 Begriffsbestimmungen 1.4.1 Kommunikation Kommunikation ist heute allgegenwärtig. Dies entspricht wohl ihrer heutigen Bedeutung. Dennoch ist es gerade angesichts des inflationären Gebrauchs des Begriffs 8 wichtig, eine klare Begriffsdefinition vorzunehmen. Der Begriff Kommunikation stammt aus dem Lateinischen9, wo ihm Bedeutungen wie gemeinsam, miteinander, gemeinsam machen, aber auch eine Mitteilung machen, zukommen. Duden umschreibt Kommunikation als Verständigung untereinander. Man unterscheidet beim Begriff Kommunikation zwei Aspekte: Einerseits den verhaltenswissenschaftlichen Aspekt, welcher besagt, dass Menschen die Fähigkeit und das Bedürfnis besitzen, in Beziehung zueinander zu treten und ihre Gedanken und Gefühle einander mitzuteilen. 10 Auf der anderen Seite steht der informationstheoretische Aspekt. Dieser untersucht die Übermittlung von Informationen unter technisch-naturwissenschaftlichen Aspekten. 11 Letzterer ist hier von Bedeutung, weshalb er im Folgenden genauer betrachtet wird. Einfacher Kommunikationsvorgang sowie wechselseitige Kommunikation 12 Mittels dieses einfachen, anschaulichen Modells dargestellt, ist Kommunikation der Vorgang der Übermittlung einer mit Information gefüllten Nachricht von A nach B. 13 Durch Kommunikation wird Informationsaustausch betrieben 14 und somit Wissen vermittelt 15. Der Kommunikationsbegriff ist also nicht mit jenem der Information gleichzusetzen: Diese ist vielmehr ein notwendiger Bestandteil des Kommunikationsprozesses. Somit sind mindestens drei Teile des Kommunikationsprozesses aus8 9 10 11 12 13 14 15 Gl.M. MAST, 10; SIX/GLEICH/GIMMLER, 21; LYCZEK, 17 f. Von lateinisch communicare, communicatio. VOLLMER/HOBERG, 37. VOLLMER/HOBERG, 37. Eigene Darstellung. Grau hinterlegt ist der einfache Kommunikationsvorgang, der ganze Kreislauf stellt die wechselseitige Kommunikation dar. Nach SIX/GLEICH/GIMMLER, 21. Diese Begriffserklärung ist enger und für die Zwecke dieser Arbeit besser geeignet als die bekannte Definition von SCHEITLIN, 30, wonach "Kommunikation (…) das Insgesamt aller Verhaltensweisen, durch welche menschliche Kontakte entstehen, sich beeinflussen und vertiefen lassen", sei. Zwar ist dieses Modell relativ einfach gehalten, aber immerhin sind sich die vielfältigen Definitionen über Kommunikation wenigstens über dieses einfache Modell einig (SIX/GLEICH/GIMMLER, 21). WATZLAWICK/BEAVIN/JACKSON, 30, welche die Begriffe "Kommunikation" und "Informationsaustausch" gleichsetzen. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 13. 3 zumachen: ein Sender, eine Information und ein Empfänger. 16 Der Sender ist die Person, welche die zu übermittelnde Information erzeugt. 17 Er wird auch als Kommunikator bezeichnet. 18 Der Empfänger ist die Person, welche die Information empfängt. 19 Er wird auch als Rezipient bezeichnet. 20 Was übermittelt wird, bezeichnet man als Botschaft, Information oder Nachricht; 21 es macht den Kommunikationsinhalt aus. 22 Bei wechselseitiger Kommunikation ergeben sich auf Seiten des Kommunikators sowie des Rezipienten jeweils Rollenwechsel, weshalb im Kommunikationsverlauf beide Kommunikator- und Rezipientenaktivitäten ausführen.23 Kommunikation findet auf vier Ebenen statt. Unterschieden werden die Sachebene (sachlicher Inhalt der Information), die Beziehungsebene (persönliches Verhältnis der miteinander kommunizierenden Personen), die Appellebene (wozu der Rezipient veranlasst werden soll) und die Selbstoffenbarungsebene (was der Kommunikator von sich selbst preisgibt). 24 Zum Senden und Empfangen von Botschaften werden entsprechende Mittel (Medien) benötigt. Bei direkter Kommunikation sind dies die beteiligten Personen selbst. Bei interpersonaler Kommunikation kommen materielle Kommunikationsmittel 25 hinzu und bei einer dritten Kategorie handelt es sich bei den Medien um die massenmediale Technologieinfrastruktur.26 Allgemein ausgedrückt kann als Zweck der Kommunikation die Lösung eines vorhandenen Problems angesehen werden. Erreicht wird dieser Zweck durch das eigentliche Ziel der Kommunikation, nämlich die Verständigung untereinander. 27, 28 1.4.2 Unternehmen Eine Legaldefinition des Unternehmens sucht man im Handelsgesellschaftsrecht vergeblich. Dennoch stellt das wirtschaftliche Unternehmen den eigentlichen Klammerbegriff hinter dem Handelsrecht dar. 29 Dieses regelt in erster Linie die Träger- und Entscheidungsorganisation eines Unternehmens und setzt somit die Existenz eines Unternehmens voraus, an einem eigentlichen Unternehmensrecht fehlt es aber. 30 Im Arbeitsvertragsrecht des Obligationenrechts findet sich der Begriff des Betriebs 31. Unter diesem ist die organisatorische Zusammenfassung der persönlichen, sachlichen und immateriellen Mittel zu verstehen, die der fortgesetzten Verfolgung eines arbeitstechnischen Zweckes dient und über die Befriedigung des Eigenbedarfs hinausgeht (…). 32 Der Begriff des Betriebs für sich allein ist aber für den Unternehmensbegriff wiederum zu eng gefasst, kann doch ein Unternehmen 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 Vgl. SIX/GLEICH/GIMMLER, 21. VOLLMER/HOBERG, 37. SIX/GLEICH/GIMMLER, 21. VOLLMER/HOBERG, 37. SIX/GLEICH/GIMMLER, 21. WATZLAWICK/BEAVIN/JACKSON, 30. SIX/GLEICH/GIMMLER, 21. Vgl. SIX/GLEICH/GIMMLER, 33. Vgl. SCHULZ VON THUN, 25 ff. Z.B. Briefe, Tafeln, Aufkleber, (private) Fotos etc. Kategorisierung nach SIX/GLEICH/GIMMLER, 21 f. UNGEHEUER, 31, insb. auch 35. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 118, nennen als Ziel die Beeinflussung des Adressaten durch den Informationsaustausch. Die Verständigung untereinander kann selbstverständlich auch hierzu dienen. Obige Umschreibung ist auf einem abstrakteren Niveau anzusiedeln als jene von DYLLICK/MEYER. NOBEL, Kommunikationsmanagement, 498. NOBEL, Kommunikationsmanagement, 498. Dieser Betriebsbegriff ist aber von jenem des Arbeitsgesetzes, welcher inhaltlich breiter gefasst ist, zu unterscheiden: GEISER, Kommentar ArG, Art. 1 ArG, N7 f. JACOBI, 9; BK-REHBINDER, OR 333 N2; ZK-STAEHELIN, OR 333 N5. 4 auch aus mehreren Betrieben bestehen. 33 Der Betriebsbegriff ist deshalb für die Definition des Unternehmensbegriffs, wie er in der vorliegenden Arbeit verwendet wird, zu erweitern und wie folgt zu skizzieren: Ein Unternehmen ist eine organisatorische Einheit, die der wirtschaftlichen (…) Zweckverfolgung dient. 34, 35 Der Unternehmensbegriff in dieser Arbeit beschränkt sich zudem auf Unternehmen führende Aktiengesellschaften. 1.4.3 Unternehmenskommunikation (Corporate Communication) Unternehmenskommunikation wird als Teil der Organisationskommunikation 36 verstanden, wobei der nicht-kommerzielle Sektor ausgeblendet wird. 37 Sie umfasst das Management von Kommunikationsprozessen zwischen der Unternehmung und den Stakeholdern.38 Dazu zählen alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird. 39 Die Unternehmenskommunikation dient dem Austausch des Unternehmens mit den Stakeholdern, wobei sie sich je nach Stakeholder in einer andern Arena 40, mit anderen Akteuren, Inhalten, Zielen Bedingungen und in einem anderen Umfang abspielt. 41 Es können vier Arten der Unternehmenskommunikation unterschieden werden: 42 ˗ 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 Mitarbeiterkommunikation umfasst alle Fälle des Informationsaustausches der Unternehmensmitglieder untereinander. Meist wird darunter die Information der Mitarbeiter im Sinne einer top-down-Kommunikation verstanden. Sie umfasst aber mehr, nämlich auch das Erarbeiten von Strategien und Organisationsstrukturen, die Herausbildung einer gemeinsamen Unternehmenskultur sowie auch Optimierungen, Weiterentwicklungen und Restrukturierungen der bestehenden Strukturen. 43 Diese Prozesse erfordern auch die bottom-up-Kommunikation. Die zentralen Ziele der Mitarbeiterkommunikation sind die folgenden: Durch gut informierte Mitarbeiter sollen die Koordinationsprozesse und damit auch alle anderen Abläufe optimiert werden. 44 Die Mitarbeiterkommunikation trägt auch zur Schaffung einer Unternehmenskultur bei. Diese soll dem Unternehmen ein "Gesicht" verleihen. Dies trägt dazu bei, dass bei den Mitarbeitenden ein "Wir-Gefühl" im Sinne einer Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen entsteht. Auch die Motivation und das Engagement, die Arbeitszufriedenheit und die Loyalität der Mitarbeiter und letztlich auch die Reputation des Unternehmens kann durch Mitarbeiterkommunikation positiv beeinflusst werden. 45 Durch gute Mitarbeiterkommunikation wird also ein Mehrwert für das ganze Unternehmen geschaffen. Zudem ist sie auch die Ba- So auch BK-REHBINDER, OR 319 N7. Vgl. BK-REHBINDER, OR 319 N7; JACOBI, 16 ff. Differenzierter (allerdings gleichwohl etwas abstrakt) lässt sich das Unternehmen im Sinne des neuen St. Galler Management-Modells definieren: "Das Unternehmen ist ein in Umweltsphären und Interaktionsthemen eingebettetes, den verschiedenen Stakeholdern fortwährend Beachtung schenkendes komplexes System von Prozessen, das von Ordnungsmomenten getragen wird und sich selbst ständig verbessert." Für das hier vorausgesetzte Begriffsverständnis kann diese Definition von Unternehmen durchaus als Ergänzung dienen. Diese bezieht sich nicht nur auf Unternehmen, sondern auf alle Organisationsformen und –typen sowie deren Kommunikationsprozesse. MAST, 11 (in Anlehnung an ZERFASS). MAST, 11. ZERFASS, 287; MAST, 12. Zum Begriff vgl. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 70 ff. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 120. Z.B. unterscheiden sich der Umfang und auch die Adressaten der Finanzkommunikation je nachdem, ob eine Gesellschaft börsenkotiert ist. Nach DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 120. EINWILLER, KLÖFER und NIES, Kommunikationsmanagement, 223; DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 121. Vgl. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 121; EINWILLER, KLÖFER und NIES, Kommunikationsmanagement, 227. Vgl. MAST, 252 ff.; EINWILLER, KLÖFER und NIES, Kommunikationsmanagement, 227 f. 5 ˗ ˗ ˗ 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 sis für erfolgreiche externe Public Relations: Eine uninformierte Belegschaft führt schnell zu einem inkonsistenten Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit.46 Marktkommunikation ist an die Kunden, Lieferanten und die Konkurrenz als externe Anspruchsgruppen gerichtet. 47 Sie orientiert sich in erster Linie an den Produkten und Dienstleistungen des Unternehmens und an den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen. 48 Ziel der Marktkommunikation besteht darin, die Nachfrage bestehender und potenzieller Kunden nach dem eigenen Angebot positiv zu beeinflussen und damit den Absatz von eigenen Produkten und Dienstleistungen mitunter mittels des Aufbaus eines Unternehmens- und Markenimages bei den Kunden zu fördern. 49 Dazu werden Mittel wie Verkaufsgespräche, Events, Foren, Sponsoring, Werbung etc. eingesetzt, um die betreffenden Stakeholder anzusprechen. 50 Finanzkommunikation (Investor Relations) betrifft die Beziehungen zu privaten und institutionellen Investoren, Finanzanalysten und Ratingagenturen. Es geht um "die strategisch geplante und zielgerichtete Gestaltung der Kommunikationsbeziehungen zwischen einem (…) Unternehmen und der Financial Community" 51. Mittels regelmässiger Bekanntgabe finanzieller und strategischer Informationen des Unternehmens an die Öffentlichkeit wird die Vertrauensbildung und die Erwartungssteuerung gegenüber den Finanzmärkten, die mangels Informationen über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens im Ungewissen wären, bezweckt. 52 Dazu werden Instrumente wie beispielsweise Geschäftsberichte, Quartalszahlen, Aktionärsbriefe, Werbung, Factbooks, Online-Dienste, aber auch persönliche Kontakte zu Investoren u.v.m. genutzt. 53 Letztlich soll damit der Unternehmenswert nachhaltig gesteigert 54 und die Attraktivität des Unternehmens als Investitionsobjekt gesteigert werden.55 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations) 56 stellt die Rolle und Funktion des Unternehmens in der Gesellschaft ins Zentrum. 57 Die Begriffsvielfalt zu Public Relations ist gewaltig 58 und der Begriff wird in der Praxis wie in der Theorie sehr unterschiedlich gefasst. 59 Mittels einer verständlichen und weit verbreiteten Definition lassen sich Public Relations als Management von Kommunikationsprozessen für Organisationen mit deren Bezugsgruppen umschreiben. 60 Etwas konkreter ausgedrückt kann man darunter die geplante, zielgerichtete Beziehungspflege zu allen relevanten internen und externen Ziel-/Personen-/Bezugs- und Dialoggruppen, 61 m.a.W. ständiges Werben um öffentliches Vertrauen, verstehen. 62 Ziel ist somit die Schaffung und Erhaltung von Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Akzeptanz für die Unternehmung. SZAMEITAT, 37; vgl. zur Thematik auch KRAUSS-WEYSSER, 26 ff. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 122. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 122. Nach DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 122. Vgl. ZERFASS, 300 f. ACHLEITNER, BASSEN und FIESELER, Kommunikationsmanagement, 263. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 122 f. Vgl. MAST, 307 ff. KIRCHHOFF, Praxishandbuch Investor Relations, 32. Nach MAST, 303 f. Die Begriffe "Public Relations" und "Öffentlichkeitsarbeit" können (schon deshalb, weil in dieser Arbeit nur Öffentlichkeitsarbeit von wirtschaftlichen Unternehmen betroffen ist; vgl. zur früheren Differenzierung KÖCHER/BIRCHMEIER, 12) synonym gebraucht werden: SZAMEITAT, 1; MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 9, KÖCHER, 2, SIX/GLEICH/GIMMLER, 236, m.w.H. Der aktuellen Lehre folgend wird in dieser Arbeit von "Public Relations" gesprochen. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 123. Es existieren allein in den USA über 2000 Definitionen: HARLOW, 36; KÖCHER, 2; KÖCHER/BIRCHMEIER, 12. RÖTTGER/DONGES, Handbuch Unternehmenskommunikation, 106. SZAMEITAT, 1; MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 23; ähnlich: BEKE-BRAMKAMP/SAMLAND, Handbuch Unternehmenskommunikation, 16. Insb. zur sozialen und politischen Umwelt. MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 313. 6 Unternehmenskommunikation kann sowohl aktiv wie auch reaktiv sein. Die aktive (oder agierende) Kommunikation bezeichnet die bewusste und gezielte Bekanntgabe von Informationen aus eigenem Antrieb heraus. Bei der reaktiven (oder reagierenden) Kommunikation erfolgt die Information seitens des Unternehmens erst als Reaktion auf Anfrage oder Aufforderung. 63 Diese beiden Formen sind nicht immer zu trennen, sondern können sich auch ergänzen. Seit einigen Jahren wird nämlich vermehrt eine dialogische Kommunikation im Sinne einer Interaktion mit den Kommunikationszielgruppen, d.h. ein Zusammenspiel von Push- und Pull- bzw. aktiver und reaktiver Kommunikation, gefordert. 64 Kommunikation im Unternehmen kann nach Innen und nach Aussen gerichtet sein. In der vorliegenden Arbeit betrifft Kommunikation nach Innen oder interne Kommunikation die Kommunikation zwischen dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung, intern im Verwaltungsrat, gegenüber den Mitarbeitenden65, aber auch der Generalversammlung als Organ 66 gegenüber. 67 Sie verfolgt den Zweck, bei den Adressaten Verhaltensweisen, Wahrnehmungen und Einstellungen auszulösen, die zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen. 68 Die Kommunikation nach Aussen ist an die externen Anspruchsgruppen gerichtet. 69 Zu diesen zählen die Kapitalgeber 70, die Kunden, die Konkurrenz, die Lieferanten, der Staat und auch die Medien sowie NGO's und letztlich die gesamte Öffentlichkeit, die mit dem Unternehmen in Kontakt treten kann. Ziel der Unternehmenskommunikation ist die langfristige Gestaltung der Beziehungen bzw. des Dialogs zwischen dem Unternehmen und den Stakeholdern mit dem Zweck, dem Unternehmen bei diesen eine positive Reputation zu verschaffen. Dies gelingt, indem das Unternehmen seine Ziele konsistent in der dafür geeigneten Weise an die verschiedenen Stakeholder kommuniziert. Letztlich kann hierdurch eine Corporate Identity71 aufgebaut werden: Diese entsteht durch das Zusammenwirken der Unternehmenskommunikation (Corporate Communication), dem Unternehmensverhalten nach Innen und Aussen (Corporate Behaviour) und dem Erscheinungsbild des Unternehmens (Corporate Design). 72 Der eigentliche Begriff der Unternehmenskommunikation ist ein betriebswirtschaftlicher. Die Unternehmenskommunikation spielt sich jedoch in einem rechtlich vorgegebenen Rahmen ab. Dennoch ist eine Unternehmenskommunikation unabdingbar, die im Umfang über den durch die rechtlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmen hinaus geht. 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 Vgl. dazu SCHEITLIN, 33. Vgl. dazu BRUHN, Integrierte Kommunikation, 91. DYLLICK/MEYER, Managementlehre, 121; SEEMANN, 87; EINWILLER, KLÖFER und NIES, Kommunikationsmanagement, 223 ff. Die Kommunikation den Mitarbeitern und der GV gegenüber kann aber auch als externe Kommunikation verstanden werden. Dahinter steht die Überlegung, dass eine Nachricht, sobald sie die Unternehmensspitze verlassen hat, nicht mehr vor der Aussenwelt geheim gehalten werden kann. Dieses praxisnahe Verständnis impliziert jedoch auch, dass die Unterscheidung der Kommunikation nach Innen und Aussen wie folgt gezogen werden muss: Kommunikation nach Innen findet zwischen VR und GL sowie VR-intern statt. Die Kommunikation nach Aussen ist diejenige zwischen der Unternehmensspitze (VR und GL) und den externen Stakeholdern, den Mitarbeitern sowie der GV. Die GV ist das oberste innere Organ: BsK-OR DUBS/TRUFFER, OR 698 N2. Nicht jedoch dem einzelnen Aktionär gegenüber. Vgl. SEEMANN, 87; EINWILLER, KLÖFER und NIES, Kommunikationsmanagement, 223 ff. Gl.M. SEEMANN, 87. Also insbesondere auch die (einzelnen) Aktionäre. Zum Begriff "Corporate Identity": MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 303. Nach der Formel "Corporate Communications + Corporate Behaviour + Corporate Design = Corporate Identity". Vgl. MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 303. 7 1.4.4 Verwaltungsrat Der Verwaltungsrat hat gemäss Art. 716 OR die Aufgabe, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen (…). Hierfür hat er weit reichende Kompetenzen: Er kann in allen Angelegenheiten Beschluss fassen, die nicht nach Gesetz oder Statuten der Generalversammlung zugeteilt sind. Somit ist grundsätzlich er für die Geschäftsführung zuständig. Das Obligationenrecht sieht in Art. 716b aber die Möglichkeit vor, dass der Verwaltungsrat die Geschäftsführung an einzelne Mitglieder oder an Dritte übertragen kann. 73 Dies ist ein Zeichen der grossen Flexibilität, welche die schweizerische Rechtsordnung in Bezug auf die Leitungsstruktur der Aktiengesellschaft erlaubt.74 Der Verwaltungsrat kann eine Geschäftsleitung einsetzen, die aus einzelnen seiner Mitglieder und/oder Dritten bestehen kann.75 Diese führt dann die Geschäfte des Unternehmens. Der Begriff der Geschäftsführung ist gesetzlich nicht definiert. Die Lehre 76 versteht darunter in einer sehr weiten Definition77 sämtliche auf die Verfolgung des Gesellschaftszweckes gerichteten Tätigkeiten. Die Geschäftsführung bezieht sich aber "nur" auf die operative Leitung der Gesellschaft. Die Verantwortung78 für die eigentliche Oberleitung verbleibt immer beim Verwaltungsrat. 79, 80 Dies umfasst das Festlegen der Strategie und der Unternehmenspolitik, die Wahl der Mittel und Ressourcen für die Zielerreichung sowie die Bemühung um das Gleichgewicht zwischen Mitteleinsatz und Zielen, der Erlass der dafür nötigen Weisungen und die Begleitung und Kontrolle der Zielerreichung der Handlungen der Geschäftsleitung. 81, 82 Durch die besonders wichtige 83 Liste der Kernkompetenzen 84 des Verwaltungsrats in Art. 716a OR werden dem Verwaltungsrat unübertragbare und unentziehbare Kompetenzen zugewiesen, welche ihn zum obersten strategischen Führungsgremium der Aktiengesellschaft 85 machen. Ohne Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis steht diese dem Verwaltungsrat gesamthaft zu. 86 Dies ist in der Praxis aber nur selten empfehlenswert. 87 Es sollte eine den Verhältnissen der jeweiligen Aktiengesellschaft angepasste Regelung getroffen werden. 88 Die Delegation der Geschäftsführungsbefugnis an eine Geschäftsleitung und die differenzierte Ausgestaltung der Kompetenzen der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder ist deshalb in der Schweiz die Regel. 89 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 Freilich hat dies in den Statuten vorgesehen zu sein und nach Massgabe eines Organisationsreglements zu erfolgen. BBl 1983 II 840, Ziff. 215.11; NOBEL, Corporate Governance, 25 f. Art. 716b Abs. 1 OR. Vgl. BsK-OR WATTER/ROTH PELLANDA, OR 716 N9; WEGMÜLLER, 92. WEGMÜLLER, 92. Der Verwaltungsrat muss die Oberleitung "wahrnehmen". Das bedeutet, dass er nicht alles selber tun muss, bei ihm liegt "nur" die Verantwortung. Die Ausarbeitung der Varianten und Vorlagen wird häufig an die Geschäftsleitung übertragen werden (BÖCKLI, Aktienrecht, §13, Rz. 303a); vgl. auch BÖCKLI, Kernkompetenzen, 32 f. Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1 OR. Nach WUNDERER, 101 f. ist der VR im strategischen Bereich immer die letzte Entscheidungsinstanz. BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 314b befürwortet deshalb auch ein Vetorecht des VR gegenüber den Beschlüssen der Geschäftsleitung. Obschon der Begriff der Oberleitung reichlich Diskussionen in der Literatur hervorgerufen hat, steht er inhaltlich wie oben umschrieben fest: BsK-OR WATTER/ROTH PELLANDA, OR 716a N4; BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 306 ff.; KAMMERER, 142 f.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, §30, N 31; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 142 f.; BAUEN/VENTURI, 160; ausführlich KRNETA, OR 716a N1177 ff. Die Ziffern 2. bis 7. sind Konkretisierungen des Oberleitungsbegriffs: BBl 1983 II 921 ff. Ziff. 332.3; BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 308; KRNETA; OR 716a N 1177; BsK-OR WATTER/ROTH PELLANDA, OR 716a N8. Die Ziffern 2. bis 7. sind Konkretisierungen des Oberleitungsbegriffs: BBl 1983 II 921 ff. Ziff. 332.3; BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 308; KRNETA; OR 716a N1177; BsK-OR WATTER/ROTH PELLANDA, OR 716a N8; KAMMERER, 138 f. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, §20 N19. WEGMÜLLER, 91. KRNETA, Einleitende Bemerkungen, N 14. Der Verwaltungsrat wird auch als "Führungs- und Exekutivorgan der Aktiengesellschaft" bezeichnet: WEGMÜLLER, 91. Art. 716b Abs. 3 OR. Vgl. hierzu SPRÜNGLI, 41 f. BAUEN/VENTURI, 155 f.; BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 299. Zu den verschiedenen Organisationstheorien für den Verwaltungsrat vgl. ROTH PELLANDA, Organisation des VR, 32 ff. BILAND, 63; HORBER, 48. 8 Als oberstes strategisches Führungsorgan hat der Verwaltungsrat die Gesellschaft auch nach Aussen zu vertreten.90 Die Vertretungsmacht gegenüber Dritten steht jedem Mitglied einzeln und im von Art. 718a Abs. 1 OR definierten äusserst weit gehenden Umfang 91 zu, sofern Dritte nicht Kenntnis über eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis erlangen. 92 Der Verwaltungsrat besteht mindestens aus einem Mitglied, dem Präsidenten. 93 Zumindest grössere Gesellschaften haben in der Regel weitere Verwaltungsratsmitglieder, wobei sich die Zahl der Verwaltungsratsmitglieder in der letzten Zeit meist verkleinert hat.94 Zudem ist ein Sekretär zu bezeichnen, welcher aber dem Verwaltungsrat nicht angehören muss. 95 Dem Verwaltungsratspräsidenten kommt als Vorsitzendem des Verwaltungsrats Cheffunktion zu. 96 Er ist nicht nur für die Vorbereitung und Leitung der Verwaltungsratssitzungen zuständig, sondern dafür verantwortlich, dass der Verwaltungsrat als Organ möglichst effizient und gewinnbringend im Interesse der Gesellschaft tätig ist. 97 Seine genauen Aufgaben im Einzelfall ergeben sich aber aus der jeweiligen Praxis, also den Statuten, dem Organisationsreglement, der Geschäftsordnung und den ungeschriebenen Gepflogenheiten der jeweiligen Gesellschaft.98 Das Rechtsverhältnis zwischen einem Verwaltungsratsmitglied und der Gesellschaft ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung99 und mit der herrschenden Lehre 100 als organschaftliches Verhältnis mit gesellschaftsrechtlicher und vertragsrechtlicher Komponente zu qualifizieren. Dem Verwaltungsrat kommt der Gesellschaft gegenüber im Sinne einer Verhaltensrichtlinie auch eine Sorgfalts-, Treue- und Gleichbehandlungspflicht zu. 101 1.4.5 Corporate Governance Es ist schwierig, den Begriff Corporate Governance ins Deutsche zu übersetzen und dessen Bedeutung zu klären 102, zumal auch heute noch unter Corporate Governance fast jeder etwas anderes versteht 103 und sich auch in der Literatur mannigfaltige Definitionen finden.104 Es ist deshalb sinnvoll, den Begriff Corporate Governance auf einem etwas höheren Abstraktionsniveau zu begreifen: Es geht um die Problematik von Macht und Kontrolle in komplexen Organisationen.105 Auf die Aktiengesellschaft übertragen betrifft dies die Ausübung einer angemessenen Kontrolle durch die Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft über die mit Macht ausgestatteten Organe wie Verwaltungsrat und Ge90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 Art. 718 OR. "Alle Rechtshandlungen, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann." Das schliesst nur jene Rechtshandlungen aus, die durch den Gesellschaftszweck ausgeschlossen werden. (BGE 95 II 442, E. 3; 116 II 320, E. 3.a; 111 II 284, E. 3. b; BsK-OR WATTER, OR 718a N3; BAUEN/VENTURI, 207; MEIER-HAYOZ/NOBEL, §21 N5; WEGMÜLLER, 93; BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 497; KRNETA, OR 718a, N1966). BsK-OR WATTER, OR 718 N10; BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 498; WEGMÜLLER, 94; KRNETA, OR 718a, N1980. Art. 707 Abs. 1 OR. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 8 f. Art. 712 Abs. 1 OR. KRNETA, OR 712, N505. KRNETA, OR 712, N505. BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 105. Die Umstände des Einzelfalls sind – insbesondere in Bezug auf ein existierendes Abhängigkeitsverhältnis z.B. im Fall einer zusätzlichen Arbeitnehmerstellung – zu berücksichtigen: BGE 130 III 213, E. 2.1; 128 III 129, E. 1. aa; 114 V 213, E. 4. e. BsK-OR WERNLI, OR 710 N9; MÜLLER, 40 f.; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 31 ff.; KRNETA OR 707 N276; BÖCKLI, Aktienrecht, §13 Rz. 88; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, §28 N9; GEISER/UHLIG, ZBJV 11/2003, 757 ff., 763. Art. 717 OR. Vgl. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 592; BÖCKLI, Aktienrecht, §14, Rz. 22. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 593; BÖCKLI, Aktienrecht, §14, Rz. 23; FORSTMOSER, Regeln, 9. Vgl. BÖCKLI/HUGUENIN/DESSEMONTET, 19, WUNDERER, 12 f. BÖCKLI, Aktienrecht, §14, Rz. 16; MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 593. 9 schäftsleitung. Die Corporate-Governance-Problematik bezieht sich primär auf Publikumsgesellschaften, bei denen Eigentum und Geschäftsleitung auseinander fallen106 und thematisiert damit die "Principal Agency-Problematik". 107 Der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance legt auf die Ausrichtung auf das Aktionärsinteresse, die Transparenz und die Entscheidungsfähigkeit und Effizienz auf oberster Unternehmensebene besonderen Wert. 108 Er beschreibt die Corporate Governance als folgende Leitidee: 109 "Corporate Governance ist die Gesamtheit der auf das Aktionärsinteresse ausgerichteten Grundsätze, die unter Wahrung von Entscheidungsfähigkeit und Effizienz auf der obersten Unternehmensebene Transparenz und ein ausgewogenes Verhältnis von Führung und Kontrolle anstreben." Es können bei der Corporate Governance durchgehend drei Ansätze ausgemacht werden: Leitlinien für das Verhalten der Unternehmensspitze, Strukturempfehlungen für die Ausschüsse des Verwaltungsrats sowie Empfehlungen zur Transparenz. 110 Diese Leitlinien führen zur Funktion der Corporate Governance, welche sich als doppelte umschreiben lässt 111: Einerseits ist sie die Spitzenverfassung der Unternehmensführung, in welcher eine sachgerechte Aufgabenfestlegung und zweckmässige Strukturierung bzw. Zusammensetzung der obersten Leitungsorgane erfolgt; andererseits regelt sie das Verhältnis der obersten Leitungsorgane zu den Aktionären und den übrigen Stakeholdern.112 1.5 Abgrenzungen Der Umfang einer Masterarbeit ist beschränkt. Wegen der Breite des bearbeiteten Themas lassen sich Einschränkungen und Abgrenzungen nicht vermeiden, da andernfalls der Rahmen der Arbeit gesprengt würde. Die Abgrenzungen im Einzelnen sind: 1. Es werden nur schweizerische Aktiengesellschaften betrachtet. Dies gilt insbesondere auch im Zusammenhang mit der Kotierung an der SIX Swiss Exchange. Es werden grundsätzlich auch keine ausländischen Rechtsvorschriften untersucht. 2. Bei den internationalen Rechnungslegungsstandards werden nur die IFRS berücksichtigt. Die US-GAAP und Swiss GAAP FER werden angesichts ihrer eher kleinen Bedeutung bei den an der SIX Swiss Exchange mit Beteiligungsrechten primärkotierten Gesellschaften 113 ausgeblendet. 3. Die Untersuchung im Rahmen des juristischen Theorieteils beschränkt sich auf Handels- und Dienstleistungsunternehmen unter Ausschluss der Unternehmen im Kredit- und Versicherungs- sowie Immobiliengewerbe. 4. Bezüglich Corporate Governance ist die Untersuchung auf den Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance beschränkt. 5. Der Beizug von Rechtsprechung beschränkt sich auf jene des Bundesgerichts. 6. Beim Thema Arbeitsrecht wird naheliegender Weise nur auf das privatrechtliche Anstellungsverhältnis eingegangen. Im Rahmen des Diskriminierungsverbots des Gleichstellungsgesetzes 106 107 108 109 110 111 112 113 FORSTMOSER, Regeln, 10. FORSTMOSER, Regeln, 10. BÖCKLI, Aktienrecht, §14 Rz. 35 ff. Ziff. 2.2 SCBP. BÖCKLI, Aktienrecht, §14 Rz. 9. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 594. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 594; vgl. auch BsK-OR WATTER/ROTH PELLANDA, OR 716a N12. In den Jahren 2007 und 2008 haben lediglich 17 Gesellschaften die US-GAAP und 52 bzw. 50 die Swiss GAAP FER angewendet, während jeweils über 190 Gesellschaften nach IFRS Rechnung legten. Vgl. die Website der SIX Exchange. 10 7. 8. 9. 10. 11. können von der Arbeitgeberin Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau getroffen werden; diese stellen keine Diskriminierungen dar. 114 Solche Massnahmen könnten auch kommunikativer Natur sein, 115 doch stehen eigentliche Kommunikationsmassnahmen nicht im Vordergrund.116 Es unterbleibt deshalb eine genauere Analyse der Bestimmung in Bezug auf Kommunikationsverpflichtungen. Auf den Personalverleih wird nicht eingegangen. Der Bereich SR 832.3 (Verhütung von Betriebsunfällen und Berufskrankheiten) wird nur summarisch behandelt. Das BehiG, das GUMG, das BGSA und die VOSA, das BG über die in die Schweiz entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die zugehörige Verordnung117 und auch GAV (sowie allfällige Allgemeinverbindlicherklärungen von solchen) werden nicht bearbeitet. Die Themen Krisenbekämpfung, Arbeitsbeschaffung sowie Arbeitslosigkeit werden nicht bearbeitet. Die Themen Schuldbetreibung und Konkurs werden nicht bearbeitet. Die Themen Steuern und Abgaben werden nicht bearbeitet. In den folgenden Bereichen (nach SR) wurden keine einschlägigen Vorschriften gefunden. Sie werden deshalb in der Arbeit nicht mehr erwähnt: 1 Staat – Volk – Behörden 4 Schule – Wissenschaft – Kultur 5 Landesverteidigung 6 Finanzen 7 Öffentliche Werke – Energie – Verkehr 9 Wirtschaft – Technische Zusammenarbeit 12. Nicht Teil der Untersuchung ist der Bereich der Haftungsfragen (insb. Organhaftung nach Art. 754 OR). 13. Der Frage nach der Klagbarkeit des Informationsanspruchs des Verwaltungsrats 118 wird nicht nachgegangen. 14. Immaterialgüter- und Lauterkeitsrecht wird nur summarisch behandelt. 15. Das Verwaltungsrats-Kommunikationsreglement ist insbesondere für Unternehmen im Handels- und Dienstleistungsbereich geeignet. Die branchenspezifischen Einschränkungen von Nr. 3 gelten auch bezüglich des Kommunikationsreglements. 16. Das Thema der Krisenkommunikation wird nur summarisch behandelt. Es handelt sich dabei um ein eigenes Thema, das im Rahmen dieser Masterarbeit, welche die Kommunikation des Verwaltungsrats im Allgemeinen behandelt, nicht ausführlich behandelt werden kann. 114 115 116 117 118 Art. 3 Abs. 3 GlG. Z.B. Weiterbildungen. Vgl. zum Ganzen: BGE 131 II 361, insb. E. 5; GEISER, Diskriminierung, 560 f.; STREIFF/VON KAENEL, OR 328 N9. SR 823.20 sowie 823.201. Vgl. DRUEY, 6 ff. 11 2 Theoretischer Teil 2.1 Einleitung zum theoretischen Teil Einerseits wird untersucht, welche Vorschriften zur Kommunikation für den Verwaltungsrat bestehen. Dazu werden juristische Regelwerke untersucht. Im Zentrum steht das Obligationenrecht. Es werden aber auch andere Gesetze und Verordnungen analysiert. Zudem werden auch Instrumente wie Regulierungen privater Organisationen daraufhin untersucht, ob sie Vorschriften für die Kommunikation des Verwaltungsrats enthalten. Konkret wird geprüft, welche Kommunikationsvorschriften wem gegenüber bestehen, was kommuniziert werden muss und wie das zu geschehen hat. Untersuchungsgegenstand ist grundsätzlich alles staatliche schweizerische Recht mit den in Kapitel 1.5 angegebenen Einschränkungen. Es werden nachfolgend aber nur jene Regelwerke erwähnt, welche effektiv auch Vorschriften enthalten. Andererseits wird auch analysiert, worin die Kommunikationsfunktion des Verwaltungsrats besteht und wie sie wahrgenommen werden sollte, um einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Dazu werden konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Verwaltungsrat selbst aktiv eingreifen kann, um die kommunikative Situation zu optimieren. 2.2 Vorschriften zur Kommunikation 2.2.1 Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht a) Einführung Unter dem Titel Gesellschaftsrecht wird untersucht, inwiefern das Recht der Aktiengesellschaft Vorschriften zur Kommunikation für den Verwaltungsrat enthält. Es werden verschiedene Regelwerke auf kommunikationsbezogene Vorschriften analysiert: In erster Linie geht es um die Art. 620 ff. des Obligationenrechts. Ergänzend wird Bezug genommen auf das Börsengesetz und die dazugehörigen Verordnungen, die Handelsregisterverordnung, die IFRS sowie das Immaterialgüterrecht. Ausführlich wird nur auf direkte Verpflichtungen des Verwaltungsrats zur Kommunikation eingegangen. Indirekte Verpflichtungen und solche, die nur in bestimmten freiwillig entstehenden Situationen zum Tragen kommen, werden nur summarisch behandelt. (…) b) Vorschriften (…) Dieses Kapitel wurde für die Printversion des Diskussionspapiers auf die Einleitung und das Ergebnis der Untersuchung gekürzt. c) Ergebnis Bereits im Gründungsstadium einer Aktiengesellschaft ist von ihrem (späteren) Verwaltungsrat ein beträchtlicher Kommunikationsaufwand zu betreiben. Erforderliche Auskünfte ans Handelsregister sind u.a. über den öffentlich zu beurkundenden Errichtungsakt, die Statuten, das VR-Protokoll über seine Konstituierung und den Nachweis, dass die VR-Mitglieder ihre Wahl angenommen haben, 12 usw. beizubringen. 119 Damit wird durch diese Pflichten zur Publizität bereits eine Grundtransparenz erreicht, indem der Verwaltungsrat Eckdaten der Gesellschaft durch Anmeldung im Handelsregister der Öffentlichkeit zugänglich macht. Diese Transparenz wird kontinuierlich weitergeführt, in erster Linie mittels des vom Verwaltungsrat zu erstellenden Geschäftsberichts. Die Rechnungslegungsvorschriften des OR und insbesondere auch die internationalen Rechnungslegungsstandards leisten hierzu einen wesentlichen Beitrag. Auch durch die Vorschriften bzw. Kompetenzen zur Oberleitung der Gesellschaft werden dem Verwaltungsrat diverse Kommunikationsverpflichtungen auferlegt. Diese äussern sich auf oberster Ebene durch die Pflicht, Weisungen zur Wahrnehmung der Oberleitung und (gegebenenfalls) ein Organisationsreglement zu erlassen. Im Gesetz finden sich überdies zahlreiche einzelfallbezogene Kommunikationsvorschriften für den Verwaltungsrat. 120 Vorgeschrieben wird jeweils, welche Inhalte kommuniziert werden müssen. Es ist auch geregelt, wem die Informationen zu kommunizieren sind. Die Adressaten sind die Aktionäre, das Handelsregister und damit die Öffentlichkeit. Mit der Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit wird zwar ein (zu) grosser Adressatenkreis informiert, diese Regelung macht aber durchaus Sinn. Damit wird erreicht, dass durch die Nutzung eines Informationskanals alle potenziell interessierten Adressaten erreicht werden. Eine einzelfallbezogene Regelung des Adressatenkreises wäre schwierig, höchst unökonomisch und demnach nicht sinnvoll. Es kann festgestellt werden, dass ein grosser Teil des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts die Unternehmenskommunikation in einem weiteren Sinne betrifft.121 Viele Kommunikationsvorschriften bezüglich Inhalt und Adressaten der Kommunikation bestehen, aber nirgends wird die Art und Weise der Kommunikation vorgeschrieben. Dennoch sind die korrekte Ausführung der Kommunikation und deren Organisation von höchster Wichtigkeit, wie z.B. Art. 152 StGB zeigt. Der Gesetzgeber legt dem Verwaltungsrat nahe, für eine gut organisierte Kommunikation zu sorgen, verzichtet aber darauf, eine Ordnung vorzugeben. 2.2.2 Arbeitsrecht a) Einführung An dieser Stelle wird untersucht, inwiefern das Arbeitsrecht in einem weiteren Sinne 122 Vorschriften zur Kommunikation enthält. Eigentlich wäre nach Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats zu suchen. Die Gesetze sprechen in den einzelnen Artikeln aber immer von einem Arbeitgeber und nie vom Verwaltungsrat. Deshalb richten sich die Verpflichtungen in erster Linie nach dem Wortlaut ans Unternehmen und nicht direkt an den Verwaltungsrat. Auch wenn das Gesetz Verpflichtungen für die Arbeitgeberin enthält, können auch diese, wie sogleich dargelegt wird, den Verwaltungsrat betreffen: In der vorliegenden Arbeit haben Arbeitgeberinnen immer die Rechtsform der Aktiengesellschaft. Die Kommunikation (strategischer Entscheide) geschieht bei Personen über ihre Organe – bei einer juristischen Person in Form der Aktiengesellschaft über den für die Festlegung der Strategie verantwortlichen Verwaltungsrat. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Bereits die Beabsichtigung einer Massenentlassung löst das Verfahren nach den Art. 335f f. OR aus. Diese Absicht 119 120 121 122 Vgl. Art. 16 ff. und 43 ff. HRegV. Vgl. dazu die Liste im Anhang. So auch NOBEL, Kommunikationsmanagement, 497. Damit ist gemeint: das Arbeitsvertragsrecht nach Art. 319 bis 362 OR; HArG und HArGV; insbesondere im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes auch das Arbeitsgesetz und die Verordnungen ArGV 1 bis ArGV 5, die VUV sowie das GlG und das DSG. Zudem das ATSG, das KVG und die KVV sowie das UVG und die UVV; schliesslich auch das BVG, das ZGB, das Mitwirkungsgesetz und das BBG. 13 kommt als Ausdruck eines strategischen Entscheids des Verwaltungsrats bei einer Aktiengesellschaft im Protokoll einer Verwaltungsratssitzung zum Ausdruck. Deshalb werden in diesem Kapitel alle Vorschriften zur Kommunikation für die Arbeitgeberin untersucht, wobei in der Präsentation des Ergebnisses eine differenzierte Analyse erfolgt. b) Vorschriften (…) Dieses Kapitel wurde für die Printversion des Diskussionspapiers auf die Einleitung und das Ergebnis der Untersuchung gekürzt. c) Ergebnis Es ist festzustellen, dass sich im Arbeitsrecht viele Vorschriften zur Kommunikation der Arbeitgeberin befinden. Es finden sich darin sowohl Vorschriften zur Kommunikation nach Innen wie auch nach Aussen. Das Gesetz verpflichtet die Arbeitgeberin teilweise direkt zur Kommunikation. 123 Mancherorts finden sich auch Situationen, in denen zwar keine explizite Verpflichtung zur Kommunikation für die Arbeitgeberin besteht, die Kommunikation jedoch Bedingung für das Durchführen der gesetzlich vorgesehenen Handlung ist. 124 In der Regel haben die Kommunikationspflichten aktive Kommunikation der Arbeitgeberin zum Gegenstand, meistens dem Arbeitnehmer gegenüber. Als weitere Adressaten der Kommunikation der Arbeitgeberin sind insbesondere Versicherungen und Kontrollbehörden zu nennen. Die meisten Vorschriften treffen nicht explizit den Verwaltungsrat, sondern die Arbeitgeberin als solche. Diese wird die Durchführung der Kommunikationsvorgänge an eine zuständige Stelle, z.B. die Unternehmenskommunikationsabteilung oder die Rechtsabteilung, delegieren. Dennoch ist der Verwaltungsrat in Einzelfällen selbst kommunikativ gefordert. Vorschriften, die ihn zur Kommunikation verpflichten, sind insbesondere in den Bereichen des Betriebsübergangs, der Kündigung von Geschäftsleitungsmitgliedern und bei Massenentlassungen zu finden. 2.2.3 Corporate Governance a) Einführung Der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance ist eine Empfehlung des Wirtschaftsdachverbandes economiesuisse aus dem Jahr 2002. Er richtet sich an alle Publikumsgesellschaften in der Schweiz, wobei ihm aber auch nicht kotierte Unternehmen Leitideen entnehmen können. 125 Ziel des Swiss Code ist es, einen gemeinsamen Kern der verschiedenartigen Bemühungen um eine Verbesserung von Corporate-Governance-Aspekten in der Schweiz herauszuarbeiten. Der Swiss Code enthält insbesondere Vorschriften für Aktionäre und die Generalversammlung sowie zu Aufgaben, Zusammensetzung und Ausschüssen des Verwaltungsrats. Da der Swiss Code von einer privaten Organisation erlassen wurde, können die Empfehlungen nicht gerichtlich durchgesetzt werden. Da die Einhaltung der Vorschriften aber über die Basel II-Verordnung auf die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens Einfluss haben, erfolgt eine gewisse Selbstregulierung durch den Kreditmarkt. Zudem 123 124 125 Z.B. Die Pflicht zur Mitteilung einer beabsichtigten Massenentlassung ans kantonale Arbeitsamt nach Art. 335g OR. Z.B. jeweils beim Abschluss des Arbeitsverhältnisses oder der Kündigung. Ziff. 2.1 SCBP (Präambel). 14 schreibt die SIX in ihrer Corporate-Governance Richtlinie 126, 127 im Anhang die einzelnen offen zu legenden Informationen bzgl. Kapitalstruktur, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, Entschädigungen, Beteiligungen und Darlehen, den Mitwirkungsrechten der Aktionäre, Inhalt allfälliger Kontrollwechselklauseln, Revisionsstelle und Informationspolitik vor. Wer sich zur Einhaltung des Swiss Code verpflichtet hat, muss sich entsprechend dem Grundsatz "comply or explain" an die enthaltenen Vorschriften halten, oder aber Abweichungen erklären. Ziel der Corporate Governance-Richtlinie ist die Verbesserung der Transparenz in Corporate Governance-Belangen. 128 Sie dient dabei sowohl dem Anleger- als auch dem Funktionsschutz und soll mittels verschiedener Schlüsselinformationen das Bewusstsein der der Richtlinie unterworfenen Emittenten sowie aktueller und potenzieller Investoren für die Bedeutung der Corporate Governance stärken, um letztlich das Ansehen des Schweizer Finanzplatzes zu stärken.129 Diese Informationen sind im Rahmen des Geschäftsberichts zu veröffentlichen. 130 Wegen der Zuständigkeit des Verwaltungsrats zur Erstellung des Geschäftsberichts werden die offen zu legenden Informationen als Pflichten des Verwaltungsrats betrachtet. Die einzelnen offen zu legenden Informationen werden im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich besprochen, es wird aber der Vollständigkeit halber auf sie hingewiesen. Es wird nun im folgenden Kapitel untersucht, ob und ggf. welche Vorschriften im Swiss Code für die Kommunikation des Verwaltungsrats bestehen. Vorab sei bemerkt, dass die Vorschriften teilweise sehr detaillierte Regelungen enthalten. Hier werden nicht alle ausführlich besprochen, aber zumindest thematisiert. Eine vollständige Liste der kommunikationsbezogenen Vorschriften im Swiss Code findet sich wiederum im Anhang. b) Vorschriften Bereits im ersten Teil mit Namen "Die Aktionäre" sind Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats zu finden. Sie betreffen die Vorbereitung, Organisation und Durchführung der sowie die nachträgliche Information über die Generalversammlung und generell die Beziehungspflege des Verwaltungsrats zu den Aktionären. Im Teil "Verwaltungsrat und Geschäftsleitung" werden die Tätigkeit und die Organisation des Verwaltungsrats sowie die verschiedenen Ausschüsse geregelt. Die Generalversammlung wird als Ort der Kommunikation benützt. Sie soll als oberstes Organ der Aktiengesellschaft ihre Aufgabe gut informiert erfüllen können. Das setzt voraus, dass der Verwaltungsrat die Aktionäre so informiert, dass diese ihre Rechte in Kenntnis der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen ausüben können. Dies beinhaltet auch Erläuterungen zu den Traktanden und Anträgen des Verwaltungsrats sowie die Bekanntmachung von eingegangenen Anträgen der Aktionäre.131 Die Gesellschaft muss den Aktionären die Teilnahme an der Generalversammlung durch frühzeitige und klare Festsetzung der Termine erleichtern. Der Verwaltungsrat hat zu diesem Zweck den Termin möglichst frühzeitig bekanntzugeben; ein allfälliger Stichtag für die Feststellung der zur Ausübung der Aktionärsrechte Berechtigten sollte nicht mehr als einige Tage vor dem Versammlungstermin liegen. 132 126 127 128 129 130 131 132 Im Wesentlichen gestützt auf Art. 8 Abs. 2 und 3 BEHG. Zwischen dem Swiss Code und der Corporate Governance-Richtlinie besteht ein enger Zusammenhang. Im Anhang zur Corporate Governance-Richtlinie werden allgemein all jene Informationen aufgeführt, die ein Unternehmen offen zu legen hat. Dazu gehören auch bestimmte, im Swiss Code festgelegte Corporate Governance-Standards (Ziff. 30 Swiss Code). Vgl. KPMG-Kommentar zur SWX-Richtlinie Corporate Governance, 4. KPMG-Kommentar zur SWX-Richtlinie Corporate Governance, 4. Vgl. Kommentar zur RLCG, Rz. 2. Art. 4 und 6 RLCG. Ziff. 3 SCBP. Ziff. 4 SCBP. 15 In der Versammlungsorganisation muss gewährleistet werden, dass die Aktionäre sich zu den Traktanden sachlich und konzis äussern können. Der Vorsitzende – zumeist der Verwaltungsratspräsident – benutzt seine Leitungsbefugnis dazu, die Ausübung des Aktionärsrechts zu gewährleisten, wozu er die Versammlung ausgewogen und zielgerichtet zu leiten hat. Dadurch sollen auch ausschweifende, sich wiederholende oder unnötig verletzende Voten vermieden werden. Bei zahlreichen Wortmeldungen kann der Vorsitzende die Redezeit angemessen einschränken. 133 Den Aktionären ist das Recht auf Auskunft und Einsicht 134 organisatorisch zu gewährleisten. Hierzu beantwortet der Vorsitzende die relevanten Fragen oder lässt sie durch die fachkundigen Personen bzw. die Vorsitzenden der Ausschüsse des Verwaltungsrats beantworten. Komplexe Fragen sind dem Verwaltungsrat frühzeitig vorzulegen, damit dieser eine Antwort bereitstellen kann. Schliesslich ist das Protokoll der Generalversammlung so rasch als möglich den Aktionären zugänglich zu machen. 135 Auch zwischen den Generalversammlungen bemüht sich der Verwaltungsrat um den Kontakt zu den Aktionären. Er hat diese während des Geschäftsjahres über die Entwicklung der Gesellschaft zu orientieren. Diesbezüglich bieten sich insbesondere schriftliche Berichte oder aber, in erster Linie bei bedeutenden Aktionären, persönliche Kontakte mit dem Verwaltungsrat an. In diesem Zusammenhang kommt aber dem Gleichbehandlungsgrundsatz 136 grosse Bedeutung zu. 137 Im zweiten Teil mit Titel "Verwaltungsrat und Geschäftsleitung" sind unter Bst. a in den Ziff. 9 ff. die Aufgaben des Verwaltungsrats skizziert. Ziff. 10 stimmt mit Art. 716a OR überein, Ziff. 9 konkretisiert diese Bestimmung und Ziff. 11 regelt den Fall der Delegation der Geschäftsführungsaufgabe an eine Geschäftsleitung (Art. 716b OR). Es wird deshalb hier auf die entsprechenden Ausführungen zum Gesellschaftsrecht verwiesen. 138 Ziff. 14 und 15 SCBP betreffen die Arbeitsweise und den Vorsitz des Verwaltungsrats. Sie beinhalten Vorschriften zur Kommunikation insbesondere innerhalb des Gremiums wie für kurzfristige Beratungen, Leistungsbesprechungen im Verwaltungsrat und die Verantwortung für den ordnungsgemässen Sitzungsablauf. Überdies kommt dem Verwaltungsratspräsidenten die Aufgabe zu, im Zusammenwirken mit der Geschäftsleitung für eine rechtzeitige Information des Verwaltungsrats über alle für die Willensbildung und die Überwachung erheblichen Aspekte der Gesellschaft zu sorgen. 139 Der Swiss Code geht damit deutlich über das Obligationenrecht hinaus, das nur davon spricht, dass der Verwaltungsrat Auskunft verlange könne: Es ist nach dem Swiss Code die Pflicht des Verwaltungsratspräsidenten und der Geschäftsleitung, von sich aus dem Verwaltungsrat rechtzeitig die notwendigen Informationen in einer übersichtlich aufbereiteten Form zu liefern.140 Die für ein Geschäft verantwortlichen Personen sollen an den Sitzungen des Verwaltungsrats möglichst selber anwesend, oder aber zumindest erreichbar sein. Auch damit wird mittels eines direkten Kontaktes ein optimaler Informationsaustausch im Hinblick auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats angestrebt. 133 134 135 136 137 138 139 140 Ziff. 5 SCBP. Art. 697 OR. Ziff. 6 SCBP. Art. 717 Abs. 2 OR; Ziff. 8 Abs. 2 SCBP. Dies gilt insbesondere für spezielle Kontakte zu einzelnen Grossaktionären. Vgl. Ziff. 8 SCBP. Vgl. Kapitel 2.2.1. Ziff. 15 SCBP. Vgl. Ziff. 15 SCBP; BÖCKLI, Soft law, 987; BÖCKLI, Checks and Balances, 36. 16 Ziff. 20 stellt eine weitere interne Kommunikationsvorschrift auf: Der Verwaltungsrat gibt sich mindestens einmal jährlich darüber Rechenschaft, ob die für ihn und das Unternehmen anwendbaren Compliance-Grundsätze hinreichend bekannt sind und ihnen dauernd nachgelebt wird. Die Verwaltungsratsausschüsse, die durch den Verwaltungsrat für bestimmte Sach- oder Personalbereiche zu ernennen sind, müssen Unabhängigkeitskriterien erfüllen. Sie haben bezüglich der analysierten Bereiche dem Verwaltungsrat gegenüber eine Berichterstattungspflicht. 141 Der Prüfungsausschuss bildet sich ein eigenständiges Urteil über die externe Revision, das interne Kontrollsystem und den Jahresabschluss. Er muss die Abschlüsse mit dem Finanzchef und dem Leiter der internen Revision sowie der externen Revision besprechen.142 Der Entschädigungsausschuss kümmert sich um die Entschädigungspolitik insbesondere auf der obersten Unternehmensebene. Er unterbreitet die Grundsätze für die Entschädigung der Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung dem Verwaltungsrat zur Genehmigung. 143 Im Anhang 1 lit. a zum Swiss Code finden sich detaillierte Vorschriften zur Tätigkeit des Entschädigungsausschusses. Ziff. 1 des Anhangs verpflichtet den Verwaltungsrat, über die Ausgestaltung des Entschädigungssystems für die Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sowie über die Leitlinien für die Ausgestaltung der beruflichen Vorsorge für die exekutiven Mitglieder beider Gremien Beschluss zu fassen. Über die Kompetenzen des Entschädigungsausschusses entscheidet der Verwaltungsrat, wobei er sich in der Regel die Genehmigung der Gesamtentschädigung der Geschäftsleitung und der Entschädigung ihres Vorsitzenden vorbehält. Lit. b betrifft das Entschädigungssystem im Speziellen. Der Verwaltungsrat gibt dem Entschädigungsausschuss die grundlegenden Elemente des Entschädigungssystems für die Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung vor. 144 Der Verwaltungsrat muss für die Generalversammlung jährlich einen Entschädigungsbericht erstellen.145 Schliesslich ist die Generalversammlung in geeigneter Form in die Debatte über das Entschädigungssystem einzubeziehen. Bezüglich des Verfahrens schlägt der Swiss Code zwei Varianten vor: Entweder erläutert der Verwaltungsratspräsident als Leiter der Sitzung oder der Vorsitzende des Entschädigungsausschusses den Entschädigungsbericht sowie das Entschädigungssystem und beantwortet Fragen. Die andere Variante besteht darin, dass der Verwaltungsrat eine Konsultativabstimmung über das Entschädigungssystem durchzuführen hat. Der Nominierungsausschuss schliesslich legt Grundsätze für die Auswahl von Kandidaten zur Zuwahl in den Verwaltungsrat bzw. für die Wiederwahl fest und bereitet die Auswahl nach diesen Kriterien vor.146 Der Geschäftsbericht muss Angaben zur Corporate Governance enthalten.147 Gemäss Art. 662 Abs. 1 OR wird dieser Bericht durch den Verwaltungsrat erstellt. Die Bestimmung wird in Ziff. 10 des Anhangs 1 konkretisiert. Diese Bestimmung verpflichtet den Verwaltungsrat, dafür zu sorgen, dass der Entschädigungsbericht das Entschädigungssystem der Gesellschaft gut verständlich darstellt. c) Ergebnis Im Swiss Code findet sich eine ganze Fülle von Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats. Es handelt sich dabei insbesondere um Konkretisierungen der gesetzlichen Vorschriften im Gesellschaftsrecht. Die einzelnen Artikel sind sehr detailliert abgefasst und regeln die vorgegebene 141 142 143 144 145 146 147 Vgl. Ziff. 21 f. SCBP. Ziff. 24 SCBP. Ziff. 25 SCBP. Ziff. 3 Abs. 1 SCBP. Ziff. 8 Anhang 1 SCBP. Ziff. 27 SCBP. Ziff. 30 SCBP. 17 Tätigkeit jeweils konkret, wobei viele kann-Vorschriften entsprechend dem Grundsatz "comply or explain" bestehen. Die Vorschriften beinhalten einerseits direkte Verpflichtungen des Verwaltungsrats zur Kommunikation, indem nämlich der Verwaltungsrat oder ein Ausschuss desselben verpflichtet werden, z.B. Besprechungen durchzuführen, Berichte zu erläutern oder Weisungen zu erlassen. Andererseits sind auch indirekte Verpflichtungen zur Kommunikation zu finden, nämlich dann, wenn der Verwaltungsrat ermächtigt oder verpflichtet wird, eine Aufgabe wahrzunehmen, für deren Durchführung der Erlass einer Weisung notwendig ist bzw. generell einen Kommunikationsvorgang seitens des Verwaltungsrats voraussetzt. Zudem findet sich noch eine weitere Kategorie von Kommunikationsverpflichtungen für den Verwaltungsrat. Dabei handelt es sich um Transparenzvorschriften, nämlich wenn der Verwaltungsrat Details über seine Zusammensetzung, seine Entlöhnung oder Beteiligungen der Öffentlichkeit preisgeben muss. Im Vergleich zum Gesellschaftsrecht finden sich hier aber auch Vorschriften, die nicht nur Inhalt und Adressatenkreis der Kommunikation, sondern teilweise auch deren Art vorschreiben. Besonders erwähnenswert scheint mir diesbezüglich Ziff. 15 SCBP zu sein. Auf dessen Inhalt wird im folgenden Kapitel 2.3.4 aus einer anderen Perspektive noch vertieft eingegangen. Es wird im Swiss Code in erster Linie zur Kommunikation nach innen (sowohl innerhalb des Verwaltungsratsgremiums als auch gegenüber der Generalversammlung) und in zweiter Linie nach Aussen (den einzelnen Aktionären; ferner der Öffentlichkeit gegenüber) verpflichtet. 2.2.4 Zwischenergebnis aus der Analyse der rechtlichen Kommunikationsvorschriften Bisher wurde untersucht, welche rechtlichen Vorschriften zur Kommunikation bestehen. Die Kommunikation eines Unternehmens beschränkt sich jedoch nicht auf das rechtlich Vorgeschriebene, sondern kennt auch andere, nicht durch das Recht motivierte Formen. Wie bei der Analyse der Gesetze und Verordnungen festgestellt werden konnte, finden sich sehr viele Vorschriften zur Kommunikation des Unternehmens im Allgemeinen, aber auch des Verwaltungsrats im Speziellen. 148 Diese beziehen sich jeweils auf den Sender (wer muss kommunizieren?), Inhalt (was muss kommuniziert werden?) und den Adressatenkreis (wem muss kommuniziert werden?). Vorschriften zur Art der Kommunikation (wie muss kommuniziert werden?) sind im staatlichen Recht keine zu finden, werden aber teilweise durch Corporate Governance-Empfehlungen aufgestellt. 149 Dem staatlichen Recht lassen sich also grundsätzlich keine Hinweise dazu entnehmen, wie die Kommunikation des Verwaltungsrats auszugestalten ist. Sämtliche Kommunikation des Unternehmens hat aber immer das Recht als Schranke zu beachten.150 Es ist somit Sache der einzelnen Unternehmen, 148 149 150 Die rechtlichen Kommunikationsvorschriften sind nach Grössenkriterien sowie nach Branche des Unternehmens zu differenzieren. Bei Grossunternehmen sind in der Regel eine oder mehrere Compliance-Abteilungen für die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zuständig. Bei kleineren bis mittelgrossen Unternehmen, die über keine Compliance- Abtei lung verfügen, muss die Einhaltung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften aber dennoch sichergestellt werden. Angesichts der Fülle der zu beachtenden Kommunikationsvorschriften ist es insbesondere in Publikumsgesellschaften, aber auch schon bei mittelgrossen Unternehmen praktisch unmöglich, dass der Verwaltungsrat alle seine Verpflichtungen selbst kennt und diese auch rechtzeitig wahrnimmt, die entsprechenden Beschlüsse fasst und den richtigen Inhalt an den richtigen Adressaten kommuniziert. Es ist also auch hier ein institutionalisiertes Kommunikationsmanagement für die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften nötig. Hierfür sei insb. auf Ziff. 15 SCBP verwiesen. Beim Swiss Code handelt es sich allerdings um private, nichtstaatliche Regelwerke, die sich in erster Linie an börsenkotierte Grossunternehmen richten, deren zumindest teilweise Beachtung aber auch für KMU förderlich sein kann. Darauf ist in den weiteren Ausführungen noch ausführlich zurückzukommen: Vgl. dazu Kapitel 2.3.5. 18 die Durchführung der Kommunikation im Rahmen der Marktkommunikation, der Mitarbeiterkommunikation, der Public Relations und der Investor Relations unter Beachtung der juristischen Vorschriften wahrzunehmen. 151 Diese Kommunikation wird grundsätzlich freiwillig durchgeführt, obschon natürlich auch ein nicht unbedeutender Zwang dazu durch die Konkurrenz erzeugt wird. Jedenfalls kann sich die Kommunikation eines Unternehmens nicht auf die rechtlich vorgeschriebenen Kommunikationsvorschriften beschränken. Vielmehr ist – zumindest in gewissen Bereichen – eine weit darüber hinausgehende, umfassendere Kommunikation notwendig. Die Kommunikation fällt als Aufgabe von strategischer Bedeutung auch in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsrats, welcher zumindest über die Grundsätze der Kommunikationsstrategie zu entscheiden und diese zu überwachen hat. Es ist deshalb danach zu fragen, wie der Verwaltungsrat diese Aufgabe wahrzunehmen hat. Dazu muss im Folgenden die Perspektive über das Recht hinaus erweitert werden. 2.3 Umsetzung der Kommunikation 2.3.1 Einleitung Ziel dieses Kapitels ist aufzuzeigen, dass die Kommunikation einer strategischen Ausrichtung bedarf und dass diese in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsrats fällt. Anschliessend wird auf den Zusammenhang zwischen der Corporate Communication und dem Aufbau der Corporate Identity eingegangen. Sodann wird analysiert, wie der Verwaltungsrat selbst im Kontakt mit den verschiedenen Stakeholdern zum Erfolg der einzelnen verschiedenen Bereiche der Kommunikation des Unternehmens beitragen kann. Schliesslich werden auch die Schranken, die für die Kommunikation zu beachten sind, dargestellt. 2.3.2 Notwendigkeit einer strategischen Ausrichtung der Kommunikation Im Rahmen seiner strategischen Führungsverantwortung ist es auch Aufgabe des Verwaltungsrats, die Grundlagen für die Kommunikationsstrategie zu bestimmen. 152 Die Bedeutung der strategischen Planung der Kommunikation hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert, insbesondere in den letzten Jahren markant zugenommen und ist zum Erfolgsfaktor für ein Unternehmen geworden 153. Darauf ist an dieser Stelle einzugehen. Die strategische Ausrichtung der Kommunikationspolitik, die Schaffung und Gewährleistung eines "in sich geschlossenen und widerspruchsfreien Kommunikationssystems" 154, sorgt für die mittelbis langfristige Schwerpunktlegung der Gesamtkommunikation des Unternehmens sowie den Einsatz der einzelnen Kommunikationsinstrumente.155 Die Strategie ist zwar nicht zwingend vom Verwaltungsrat selbst zu entwerfen. 156 Meist entscheidet er "nur" über eine Strategie, die ihm (möglichst un151 152 153 154 155 156 Dieses Ergebnis überrascht m.E. nicht. Aufgabe des Staats – und damit des Rechts – ist es nämlich, die notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, die das Wirtschaften ermöglichen. Es dürfen den Unternehmen nicht zu enge Vorgaben für die Ausgestaltung ihrer Tätigkeiten vorgeschrieben werden. Dies ist nach dem in der Schweiz vorherrschenden Wirtschaftsverständnis einer wettbewerbsorientierten Privatwirtschaft an die Privaten delegiert. Vgl. dazu VALLENDER/VEIT, 8. FELDER, Management Dossier VR, April 2007, 4, bezeichnet die kommunikative Funktion des Verwaltungsrats als eine der sechs VR-Funktionen. BRUHN, ESCH und LANGNER, Handbuch Kommunikation, 6. BRUHN, Integrierte Kommunikation, 94. BRUHN, Integrierte Kommunikation, 96. Vgl. dazu: BÖCKLI, Aktienrecht, §13, Rz. 303a. 19 ter Alternativen) vorgelegt wird. Dies gilt auch für Änderungen der Strategie. Freilich nimmt der Verwaltungsrat in aller Regel auch die Ausführung der Strategie nicht selbst wahr, er trägt "nur" die Verantwortung. Seine kommunikative Aufgabe beinhaltet zudem die Information, Kooperation und Erfolgsevaluation zwischen sich und der Geschäftsleitung, aber auch die Einführung von Konzepten zur Optimierung der Kommunikation nach Innen und Aussen und damit das Ziel der Sicherung der Unternehmensreputation. 157, 158, 159 In personeller Hinsicht wird die operative Umsetzung der Kommunikationsstrategie vom Verwaltungsrat in der Regel an die Geschäftsleitung delegiert. Der zuständige Leiter der Gesamtkommunikation ist von Vorteil deren Mitglied oder aber zumindest direkt dem CEO unterstellt.160 Die Durchführung der einzelnen kommunikativen Massnahmen fällt in den Verantwortungsbereich der jeweiligen Kommunikations-Fachabteilungsleiter. Von zentraler Bedeutung sind im Zusammenhang mit der strategischen Ausrichtung der Kommunikationspolitik drei Erkenntnisse: Das verfügbare Wissen erweitert sich heutzutage exponentiell. 161 Der Mensch sieht sich mithin auch in seiner Rolle als Stakeholder eines Unternehmens fast zwangsläufig einer Informationsüberflutung, die durch die "neuen Medien" noch deutlich verschärft wird, ausgeliefert. Damit geht gezwungenermassen der Umstand einher, dass der Mensch als Stakeholder eines Unternehmens jeder einzelnen Information immer weniger Aufmerksamkeit schenken kann. 162 Dennoch ist insgesamt ein gestiegenes Informationsbedürfnis bei den Unternehmensstakeholdern festzustellen: Die Stakeholder fordern vermehrt Möglichkeiten zur Kommunikationsinteraktion, zu einer dialogisch aufgebauten Kommunikation mit dem Unternehmen 163 und verlangen je länger je mehr nach langfristigen, strategischen Informationen über das Unternehmen. 164 Die Unternehmen stehen insofern auch unter einem massiven Rechtfertigungsdruck gegenüber der Öffentlichkeit, denn diese beobachtet die Unternehmen genau und reagiert im Falle von aus ihrer Sicht nicht genehmen Handlungen seitens des Unternehmens 165 unter Umständen mit harscher Kritik. 166 Hier kann die Kommunikation des Unternehmens einen starken Beitrag leisten. Dies stellt aber eine Herausforderung für die Kommunikationsstrategie dar, denn die Kommunikation mit den Stakeholdern sollte für beide beteiligten Parteien nutzenstiftend sein. Idealerweise werden nicht nur reaktiv die einzelnen 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 FELDER, Management Dossier VR, April 2007, 4. Dies beinhaltet auch die Überprüfung der Kommunikationsstrategie. Sinnvoll kann diesbezüglich ein Kommunikationscontrolling (Vgl. PIWINGER/PORÀK, 23) sein, welches durch die Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag die Ermittlung des ROCI ermöglicht. Auch diesbezüglich sei allerdings auf die entstehenden Schwierigkeiten bei der Messbarkeit hingewiesen. Immer noch scheint in der Praxis die Meinung verbreitet zu sein, dass mittels des Verfassens des Geschäftsberichts (Art. 662 OR) der Verwaltungsrat seine Kommunikationsaufgabe für das Unternehmen erfüllt habe. Auch die Literatur schweigt sich grossmehrheitlich über die Kommunikationsfunktion des Verwaltungsrats, abgesehen vom Thema des Geschäftsberichts, aus. Dem muss nur schon aufgrund der Erkenntnisse in Kapitel 2.2, aber auch aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen widersprochen werden: Der Geschäftsbericht ist ein Teil der Kommunikation bzw. der Kommunikationsstrategie. Der Verwaltungsrat ist aber für die gesamte Kommunikationsstrategie verantwortlich. Der Leiter Kommunikation muss zeitnah in die kommunikationsbezogenen Entscheidungsprozesse miteinbezogen wer den. Dafür arbeitet er in kommunikativen Fragen eng mit dem CEO und teilweise auch dem VRP zusammen. Viele Unternehmen sehen denn auch vor, dass der Leiter Kommunikation vom Verwaltungsrat bestimmt wird. Vgl. dazu auch das VR-Kommunikationsreglement im Anhang. RICKENBACHER, 211. Für quantitative Angaben vgl. BRUHN, ESCH und LANGNER, Handbuch Kommunikation, 6. Vgl. BRUHN, Integrierte Kommunikation, 91; PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 6. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 4 ff. Z.B. sozialer oder ökologischer Natur. PIWINGER/PORÀK, 11 f. 20 Informationswünsche der Stakeholder befriedigt, sondern das Unternehmen geht, strategisch geplant, aktiv auf die Stakeholder zu. 167 Die oben beschriebenen kommunikationsbezogenen Veränderungen sowie der Umstand, dass sich die Produkte unterschiedlicher Unternehmen heute aufgrund standardisierter Herstellungsprozesse immer ähnlicher werden, führt von einem Produktwettbewerb hin zu einem eigentlichen Kommunikationswettbewerb. 168 Unternehmen und ihre Produkte unterscheiden sich durch ihre kommunikative Positionierung im Markt. Zusätzlich bedarf es aufgrund der zunehmenden Komplexität der Kommunikationsprozesse einer besseren Ausrichtung der einzelnen Kommunikationsinstrumente auf die relevanten Zielgruppen. Hier ist auch der gezielte Einsatz von neuen technologischen Kommunikationsmitteln (Blogs, E-Mail-Newsletters, RSS-Feeds etc.) zu nutzen. Ob das Potenzial dieser Kommunikationsmittel ausgeschöpft wird, ist allerdings stark vom Gelingen der Einbindung in den bestehenden Kommunikationsmix abhängig. 169 All diese Entwicklungen setzen eine strategische Ausrichtung der Kommunikation voraus. Nicht geplante, situative Einzelfallkommunikation oder isolierte Produktkommunikation ist diesen Herausforderungen nicht (mehr) gewachsen. 2.3.3 Corporate Communication und Corporate Identity Die einzelnen Stakeholder eines Unternehmens haben naturgemäss unterschiedliche Werte und Bedürfnisse, jeweils ein eigenes Bild (Image) und unterschiedliche Eindrücke vom Unternehmen sowie auch eigene Wünsche an dieses. 170 Die Gesamtheit aller Stakeholder Images – das Stakeholder Capital 171 – gilt es für die Unternehmensleitung "anzulegen". 172 Ziel ist die Maximierung dieses Stakeholder Capitals. 173 Dazu müssen die Werte und Interessen der Stakeholder aber zuerst ermittelt werden, damit sie in die Grundsätze für das Unternehmenshandeln einfliessen können.174 Darauf basierend entsteht ein Unternehmens-Sollbild (Corporate Vision), welches sich vor dem Hintergrund einer grösstmöglichen Nutzenstiftung an den Interessen der relevanten Stakeholder zu orientieren hat. 175 Auf diese Weise kann vom Unternehmen gezielt stakeholdergerecht gehandelt werden. 176 In Kombination mit einer stakeholdergerechten Kommunikation kann bei den Stakeholdern das gewünschte Image des Unternehmens gestaltet (bzw. zumindest im beabsichtigten Sinn beeinflusst) werden. 177 Dazu wird das Wesen des Unternehmens durch die Integration der Stakeholderinteressen und deren Ansprüche in Prinzipien und Werte gefasst. 178 So wird bezeichnet, was das Unternehmen darstellen soll und ihm eine eigentliche Identität – die Corporate Identity – verliehen. 179 Diese Identität ermöglicht erst eine kohärente Corporate Communication ("mit einer Stimme zu sprechen", um ein konsistentes Image zu verbreiten) und ist ihrerseits Voraussetzung für eine klare Corporate Identity. 180, 181 Die Corporate 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 Vgl. NAEF, Management Dossier VR, Februar 2007, 11. Vgl. BRUHN, Integrierte Kommunikation, 89. Vgl. BRUHN, Integrierte Kommunikation, 92. Vgl. BRUHN, Integrierte Kommunikation, 1; SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 104. Begriff nach SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 94. In diesem Sinne SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 131. Vgl. dazu auch SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 133. Vgl. MAST, 104 ff., insb. 108 ff.; SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 115, 131; PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 3. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 107, 131; vgl. auch BRUHN, Lexikon, 17. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 131; vgl. auch MAST 108. Vgl. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 131. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 103. Vgl. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 103; vgl. auch BRUHN, Integrierte Kommunikation, 45 f. So SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 105, welche von einem sich positiv verstärkenden Regelkreis sprechen. Ähnlich auch BRUHN, Lexikon, 17. 21 Communication ist verantwortlich für die Steuerung der ganz- und einheitlichen Kommunikation des Unternehmens. 182 Orientieren wird sie sich hierfür an einer konsistenten Corporate Identity. 183 Je besser es gelingt, die Differenz zwischen der unternehmenseigenen Corporate Vision und den Stakeholder-Images zu verkleinern, desto erfolgreicher war die Corporate Communication. 184 Eine professionelle Kommunikation wiederum führt nachgewiesenermassen über ein besseres Image im Durchschnitt zu mehr wirtschaftlichem Erfolg. 185 Weil die verschiedenen Stakeholder immer unterschiedliche Images vom und Ansprüche an das Unternehmen haben, müssen sie im Hinblick auf die Schaffung einer Corporate Identity gezielt und individuell angesprochen werden. 186 Wenn dies gelingt, kann über die verschiedenen Stakeholder hinweg ein konsistentes Erscheinungsbild vom Unternehmen kreiert werden.187 Befürwortet wird deshalb in der Literatur eine integrierte Kommunikation, 188 die eine ganzheitliche Wahrnehmung der Kommunikationsaufgabe ermöglichen soll. Grundlegend kann vorab bemerkt werden, dass angesichts der oben erwähnten Punkte die Kommunikation auf transparente, glaubwürdige Weise geschehen und sich grundsätzlich auf essentielle Punkte, sog. Kernbotschaften 189, beschränken sollte. Letztlich geschieht sämtliche Kommunikation vor dem Hintergrund des Ziels der Schaffung von Vertrauen. Dieses stellt keinen Soft-Faktor, sondern einen harten wirtschaftlichen Faktor mit zentralen Auswirkungen auf den Erfolg des Unternehmens dar. 190 Generiert werden kann Vertrauen nur dann, wenn sämtliche vom Unternehmen ausgesendeten Kommunikationssignale "nicht nur verständlich, sondern unmissverständlich" sind und so die Informationsbedürfnisse aller Stakeholder logisch stringent befriedigen. 191 Im Folgenden sind die einzelnen Bereiche der Kommunikation, nach Stakeholdern geordnet, aufzugreifen. Es werden jeweils die Grundlagen gelegt und nach Potenzial für den Verwaltungsrat gesucht, wie dieser zur Optimierung der Kommunikation beitragen kann. 192 2.3.4 Die Umsetzung der Kommunikation durch den Verwaltungsrat im Einzelnen a) Kommunikation den externen Stakeholdern gegenüber Zunächst wird der Fokus auf die Gruppe der Partner 193 eines Unternehmens, die Lieferanten, Kunden und Kooperationspartner, gelegt. Während die Konkurrenten eines Unternehmens häufig sehr genau beobachtet werden, wird für die Pflege der Partnerkontakte vielfach zu wenig investiert.194 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 Vgl. dazu auch die "Formel" Corporate Communications + Corporate Design + Corporate Behaviour = Corporate Identity in Kapitel 1.4.3. Vgl. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 133; zur Notwendigkeit der integrierten Kommunikation vgl. FN 355. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 133. Vgl. SCHMID und LYCZEK, Kommunikationsmanagement, 132; in diesem Sinne auch STEGER, 21. ROLKE/KOSS, 33 ff., zum Zusammenhang von wirtschaftlichem Erfolg und Image auch SZAMEITAT, 127 ff. Vgl. statt vieler: PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 15. BRUHN, Kommunikationsmanagement, 516. Z.B. BRUHN, Integrierte Kommunikation, 1 ff.; BRUHN, Kommunikationsmanagement, 515 f., mit Verweisen; DUNCAN/MORIARTY, 4 ff., insb. 5; ESCH, 16 ff., insb. 18. So auch SEEMANN, 121. NAEF, Management Dossier VR, Februar 2007, 5. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 4. Konkrete Empfehlungen finden sich in Kapitel 4.2.1. Der Begriff "Partner" ist in diesem Zusammenhang enger als derjenige der Stakeholder zu verstehen. Es fallen nur die Kunden, Lieferanten und Kooperationspartner darunter. Vgl. RICKENBACHER, 214. 22 Nichtsdestotrotz stellen diese Partner eine qualitativ sehr gute – wenn nicht die wichtigste 195 – Wissensquelle für das Unternehmen dar. Wie es sich auch bei den Mitarbeitern eines Unternehmens anbietet, diese im Rahmen der Mitarbeiterkommunikation nicht nur top-down zu informieren, sondern aufgrund deren Wissens zur Optimierung des Informationsstands im Unternehmen aktiv in den Kommunikationsprozess zu integrieren, kann es durchaus auch sinnvoll sein, die Partner für die Zwecke des Unternehmens zu "aktivieren" und so deren Wissen verfügbar zu machen. So kann es in die strategische Lagebeurteilung einfliessen. Stakeholderanalysen sind eine Variante dafür. Da man mit den Partnern aber meist längerfristige Beziehungen pflegt, können auch regelmässige Partnerkontakte zur Wissensgewinnung institutionalisiert werden. Die Pflege der Partnerbeziehungen und damit die Kundenbindung kostet ein Unternehmen nämlich deutlich weniger 196 und ist insbesondere in stagnierenden Märkten 197 einfacher als die Akquisition eines neuen Partners. Aufgrund der Wachstumsziele wird das Management aber häufig den Fokus auf neue Märkte und Kunden legen, weshalb hier für den Verwaltungsrat die Gelegenheit besteht, einzugreifen und gegebenenfalls Gegensteuer im Sinne einer Berücksichtigung der "Partner-Aktivierung" zu geben. 198 Wenn der Verwaltungsrat – wozu er durchaus gut geeignet sein kann – selbst direkte Kontakte zu Partnern pflegen will, sollten diese aber einerseits in Absprache und Koordination mit dem Management geschehen199 und andererseits sind die Gleichbehandlungspflichten des Aktienrechts sowie der Corporate Governance 200 zu beachten. Instrumente für die Wissensgewinnung bei den Partnern stellen z.B. Umfragen zur Kundenzufriedenheit dar. Weiter kann zur Pflege der Partnerbeziehungen im Sinne einer Partnerbindung mittels Anlässen für Kunden, Lieferanten und Kooperationspartner beigetragen werden. Für gewisse Bereiche bieten sich allenfalls auch gemeinsame Workshops an. Schliesslich ist es bei vielen Unternehmen üblich, interessierte Stakeholder per E-Mail-Newsletter über Neuigkeiten zu informieren. Eine weitere Stakeholdergruppe wird unter dem Begriff Öffentlichkeit zusammengefasst. In diesem Zusammenhang soll darunter die über die Medien erreichbare Öffentlichkeit inkl. der Medien selbst, NGO's, aber auch der Staat 201 erfasst werden. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind jene der Public Relations und des Lobbyings 202. Letzteres dürfte sich für den Verwaltungsrat 203 bei Gelegenheit selbst zur eigenen Wahrnehmung anbieten und kann sogar zu einer von dessen Kernaufgaben werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Verwaltungsräte zu den Entscheidungsgremien und einzelnen Entscheidungsträgern in der Politik und Verwaltung Beziehungen pflegen. 204 Mittels gezielter, exklusiver für die Entscheidungsfindung relevanter sachlicher Information im richtigen Zeitpunkt kann durch Lobbying versucht werden, Entscheidungen von Behördenmitgliedern, Parlamentariern und auch Entscheidungsträgern in der Verwaltung im Sinne der Unternehmensziele positiv zu beeinflussen. Die Public Relations fallen in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsleitung205 und des entsprechenden Kommunikations- oder PR-Verantwortlichen. Der Verwaltungsrat wird kaum Gelegenheit haben, Public Relations selbst wahrzunehmen, ausser ein Mitglied verfüge über ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und könne so dazu beitragen, eine Botschaft des Unternehmens besonders glaubwürdig zu 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 So jedenfalls RICKENBACHER, 214. RICKENBACHER, 214. DITTRICH, 13. Vgl. RICKENBACHER, 214. RICKENBACHER, 214. Art. 717 Abs. 2 OR; Ziff. 8 Abs. 2 SCBP. Insb. Legislative und ggf. Exekutive von Gemeinde- bis Bundesebene sowie alle Instanzen der Verwaltung. Auch "Public Affairs" genannt; in Lehre und Praxis werden vielfältige Begriffe verwendet. Bzw. generell für Personen im Unternehmen, die unternehmensintern über die notwendigen Entscheidungskompetenzen und gegen aussen über die entsprechenden Kontakte verfügen. Vgl. RICKENBACHER, 216. Vgl. RICKENBACHER, 215 f. 23 verbreiten. 206 Hier gilt es insbesondere auch dafür zu sorgen, dass die Medien als sehr wirkungsvolle, schnelle und preisgünstige Kanäle für PR-Botschaften 207 optimal genutzt werden. Der Einfluss der Medien ist sehr hoch; schlechte Berichterstattung kann, selbst wenn sie unwahr ist, für ein Unternehmen rasch existenzbedrohend werden. Ziele für die Medienberichterstattung über das Unternehmen sind deshalb, eine faire und umfassende Berichterstattung sicherzustellen sowie den Bekanntheitsgrad und das Image des Unternehmens positiv zu beeinflussen. 208 Dafür können neben einer laufenden aktuellen alle relevanten Medien ansprechenden Informationsversorgung (das Unternehmen sollte aktiv auf die Medien zugehen 209) m.E. einzelne Spezialkontakte von Personen im Unternehmen zu Journalisten durchaus nützlich sein. 210 Der Verwaltungsrat kann allenfalls Kontakte zu Journalisten vermitteln. Zumindest muss er aber dafür sorgen, dass die Medienverantwortlichen sich der Wichtigkeit der professionellen, hartnäckigen und fairen Medienarbeit 211 bewusst sind, die nötigen Kontakte herstellen und pflegen 212. Gerade im Zusammenhang mit den Medien ist wegen deren grossen Schadenspotenzials für das Unternehmen auch auf ihre Überwachung hinzuweisen. Kommunikationsabteilungen sollten ein fortlaufendes Medienscreening betreiben. Dies beinhaltet das Durchsuchen der wichtigen Tageszeitungen und Online-Newsseiten auf Meldungen über das Unternehmen sowie die Überwachung von Fernsehen und Radio. Insbesondere aber auch bei neuen Kommunikationsformen wie Blogs, Social Networks und ähnlichem dürfte dringender Handlungsbedarf bestehen. 213 Zusammenfassungen dieser Medienscreenings können als Executive Summary dem Management (z.B. dem Leiter Unternehmenskommunikation) zugestellt werden. Die Regulierungsdichte im Bereich der Investor Relations ist hoch. Diverse Transparenz- und Publizitätspflichten sind gesetzlich oder in Verordnungen vorgeschrieben. 214 Deshalb bleibt kein Spielraum für das Unternehmen, vom geforderten Umfang der Finanzkommunikation nach unten abzuweichen. Vielmehr sollte die rechtlich vorgegebene Plattform bestmöglich genutzt werden, indem mehr und insbesondere besser als im geforderten Umfang informiert wird. Der Kapitalmarkt ist nämlich für die Bildung einer fairen Unternehmensbewertung, welche die tatsächliche Performance wiederspiegelt, auf transparente und möglichst vollständige Informationen angewiesen.215 Dem Verwaltungsrat kommt im Zusammenhang mit der Finanzkommunikation von Gesetzes wegen die Pflicht zur Erstellung des Geschäftsberichts 216 zu. Angesichts des steigenden Informationsanspruchs der Investoren und der geschrumpften Haltedauer der Anteile 217 stellen sich auch bei den Investor Relations erhöhte Anforderungen. Der Geschäftsbericht sollte deshalb nicht nur die rechtlich geforderten Minimalanforde206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 Bspw. Image-Werbung mit einem renommierten Umweltwissenschafter. Vgl. MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 177. Vgl. MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 178. Vgl. z.B. NAEF, Management Dossier VR, Februar 2007, 14 f. Gl.M. SZAMEITAT, 88. A.M. offenbar NOBEL, Rechtliche Aspekte, 354, der dazu rät, Spezialkontakte zu einzelnen Medien zu vermeiden. Dazu ist anzumerken, dass es die absolute Gleichbehandlung aller Medien angesichts deren Vielzahl gar nicht geben kann. Wer aber z.B. als Leiter Kommunikation oder Leiter der Media Relations regelmässig Kontakte zu einem Journalisten einer Tageszeitung unterhält, erhöht bspw. die Chancen, dass das entsprechende Medienunternehmen bei Gelegenheit eine Reportage über seine Unternehmung erwägt. MÜLLER/KREIS-MUZZULINI, 178. Vgl. auch NAEF, Management Dossier VR, Februar 2007, 9. Wohl ist es schwierig, die privaten Internetauftritte von Mitarbeitenden zu kontrollieren, da diese teilweise schwer zugänglich und meist auf ausländischen Servern gespeichert sind. Unternehmen verfügen diesbezüglich aber auch noch kaum über Richtlinien für die Mitarbeiter. Mittels einer Regelung könnte dieses Problem zumindest eingedämmt werden, indem den Mitarbeitenden beispielsweise auch in privaten Internetauftritten verboten wird, über Betriebsinterna zu sprechen. Vgl. dazu das Merkblatt im Kommunikationsreglement im Anhang. Vgl. dazu Kapitel 2.2.1 sowie z.B. PIWINGER, Praxishandbuch Investor Relations, 3; ACHLEITNER, BASSEN und FIESELER, Kommunikationsmanagement, 285; für einen Überblick: NOBEL, Kommunikationsmanagement, 497 ff. ACHLEITNER, BASSEN und FIESELER, Kommunikationsmanagement, 263. Art. 662 OR; vgl. dazu auch FORSTMOSER, Regeln, 33. Vgl. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 4. 24 rungen erfüllen. Vielmehr soll er sich durch eine transparente und verständliche Darstellung auszeichnen. 218 Eine transparente und umfassende Finanzberichterstattung (möglichst auch mit zukunftsgerichteten, nichtfinanziellen Werten 219) führt zu einem stabileren Aktionariat und bei börslich gehandelten Anteilen von Unternehmen dadurch zu einer geringeren Volatilität des Aktienkurses. 220 Zudem kann damit auch dem Problem der unterbewerteten Aktien, über das Managements immer wieder klagen, begegnet werden: Die Investoren können den Unternehmenswert nur richtig einschätzen, wenn ihnen die dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen. Jenes Management, das meint, sein Unternehmen sei unterbewertet, verfügt den Investoren gegenüber meist über einen Informationsvorsprung, da gewisse Informationen nicht kommuniziert werden (wollen).221 So können sich die Investoren mangels vollständiger Information kein objektives Bild vom Unternehmenswert machen. Deshalb trägt eine transparente, umfassende Finanzkommunikation auch zu einer objektiven Unternehmensbewertung bei. Der Verwaltungsrat kann im Rahmen seiner Verantwortung für den Geschäftsbericht entscheidend dazu beitragen. In der Praxis leitet der Verwaltungsratspräsident meistens auch die Generalversammlung. 222 Auch diese ist ein Instrument der Investor Relations 223 und bietet dem Verwaltungsrat eine gute Gelegenheit für persönlichen Kontakt zu den Investoren, denn anlässlich der Generalversammlung besteht die Möglichkeit zur ungefilterten, nicht durch Medien beeinflussten Kontaktaufnahme zu vielen – insbesondere auch privaten – Investoren. 224 Dieser Kommunikationschance kann sich der Verwaltungsrat anlässlich seiner Präsenz an der Generalversammlung gut bedienen. 225 Hinzuweisen ist abschliessend noch auf den Kommunikationskanal Corporate Website als Instrument der Kommunikation, das heutzutage absolut gängig und allen Stakeholdern gegenüber geeignet ist. 226 b) Kommunikation der Belegschaft gegenüber Dem gewandelten Bild von der Rolle der Mitarbeiter in einem Unternehmen wird eine reine top-down-Mitarbeiterkommunikation nicht (mehr) gerecht. Leitende und ausführende Tätigkeiten sind heute häufig nicht mehr klar voneinander abgrenzbar, sondern verschmelzen in einem dezentralen, aber ganzheitlichen Aufgabenvollzug. 227 Somit sind auch die Mitarbeiter aufgefordert, selbst mitzudenken und in einem angemessenen Rahmen aktiv mitzugestalten, mitzukontrollieren und somit auch Mitverantwortung für das Unternehmen zu übernehmen. 228 Dies setzt freilich gut informierte und motivierte Mitarbeiter voraus, die "sich selbst als Teilnehmer im Entscheidungs- und Kommunikationsprozess" 229 erkennen. Zu erreichen ist dies – zumindest in der Theorie – durch einen geeigneten Füh- 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 4 f. Z.B. die Innovationsfähigkeit, Forschungspipeline, Verankerung der Marke(n) bei der Zielkundschaft. Vgl. dazu PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 5. Dies führt freilich zu Schwierigkeiten bei der Messung des immateriellen Erfolges: Vgl. MAUL, Praxishandbuch Investor Relations, 163 ff. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 5. Vgl. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 4 ff. Vgl. Kapitel 2.2.1. Vgl. Kapitel 1.4.3; für Übersichten: MAST, 307 ff.; ACHLEITNER, BASSEN und FIESELER, Kommunikationsmanagement, 276 ff.; KIRCHHOFF, Praxishandbuch Investor Relations, 46 ff. Vgl. SCHMIDT/WOLFARTH, Praxishandbuch Investor Relations, 351; MAST, 310; ACHLEITNER, BASSEN und FIESELER, Kommunikationsmanagement, 280. MAST, 310. Für konkrete Empfehlungen vgl. Kapitel 4.2.2. ZERFASS, 243; EINWILLER, KLÖFER und NIES, 226. Vgl. EINWILLER, KLÖFER und NIES, 226; ZERFASS, 243 f. EINWILLER, KLÖFER und NIES, 226. 25 rungs- und Kommunikationsstil. 230 Bei der Mitarbeiterkommunikation kann diesbezüglich die Beachtung des Primats der innerbetrieblichen Öffentlichkeit 231 zum Erreichen dieses Ziels beitragen. Es ist nämlich nicht förderlich für die Motivation der Mitarbeiter und überdies ein Zeichen von Geringschätzung, wenn diese die Neuigkeiten über ihre Arbeitgeberin aus den Medien erfahren müssen. Mitarbeiter wollen möglichst schnell zukunftsgerichtete Informationen zu ihrem Unternehmen erhalten, denn sie sind sich durchaus bewusst, dass ihre Arbeitsstellen mit dem Wohlergehen des Unternehmens zusammenhängen. 232 Diese Überlegungen sind auch im Einklang mit den frühen Ansätzen der Theorien "X" und "Y" von MC GREGOR. 233 Bereits er lehnte den Führungsstil nach der sog. Theorie X ab. Er befürwortete einen solchen nach der Theorie Y, welche davon ausgeht, dass der Mensch von Natur aus leistungsbereit und von innen heraus motiviert ist. 234 Dies führt dazu, dass er – vorausgesetzt es werden am Arbeitsplatz motivierende Rahmenbedingungen wie mehr Selbstbestimmung, grössere Verantwortung und flexiblere Organisationsstrukturen geschaffen – aus eigenem Antrieb heraus diese Verantwortung auch übernehmen und Eigeninitiative entwickeln wird. 235 Der Mitarbeiter fühlt sich dann auch eher den Zielen des Unternehmens verpflichtet und wird deshalb auch zugunsten derselben handeln.236 Letztlich wird bei einer Integration in die Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse das bei den Mitarbeitern vorhandene Potenzial zugunsten des Unternehmens besser ausgenutzt. 237 Für die Kommunikation zwischen der Unternehmensspitze und den Mitarbeitern stehen viele Medien und Wege zur Verfügung. Zu differenzieren ist zwischen Aufwärts-, Abwärts- und Horizontalkommunikation.238 Früher standen top-down-Kommunikationswege wie Instruktionen und Anweisungen auf Merkblättern, Rundschreiben, Broschüren, dem Schwarzen Brett, der Mitarbeiterzeitung oder Filmvorführungen zwecks Mitarbeiterinformation sowie Betriebsversammlungen 239 im Zentrum. Die top-down-Kommunikation hat als Führungsinstrument selbstverständlich auch heute noch ihre Berechtigung. Direkte Kontakte im Rahmen von persönlichen Gesprächen mit Mitarbeitern oder sog. Management by Walking-around sind (früher wie heute) gute Möglichkeiten für die Horizontalkommunikation und die spezifische Aktivierung des Mitarbeiter-Wissenspools. Sie wirken im Übrigen für die Mitarbeiter motivierend, indem sie ihr Bedürfnis, gebraucht und ernst genommen zu werden sowie das Verlangen vieler Mitarbeiter, mit einflussreichen Menschen in Kontakt zu kommen, befriedigen. 240 Insbesondere die elektronischen Medien (unternehmenseigene Website und allfällige interne Netzwerke (Intranet), E-Mail-Informationen sowie ins Web gestellte Filme) haben heute stark an Be230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 Vgl. EINWILLER, KLÖFER und NIES, 225 f. Vgl. HILB, 183. Primat der innerbetrieblichen Öffentlichkeit bedeutet, dass keine Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, bevor nicht die Mitarbeiter informiert wurden. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 5. Vgl. MC GREGOR, 33 ff., 45 ff. Vgl. MC GREGOR, 47 f. Vgl. MC GREGOR, 56. Vgl. MC GREGOR, 56. Vgl. MAST, 258; MC GREGOR, 54; EINWILLER, KLÖFER und NIES, 225. Abwärtskommunikation dient der Informationsverteilung und nutzt die Medien der Mitarbeiterzeitung, Druckschriften, Schwarzes Brett, Betriebsversammlung, Firmenevent sowie das Mitarbeitergespräch. Aufwärtskommunikation dient der Kommunikation von unteren zu oberen Hierarchieebenen. Instrumente sind Mitarbeiterbefragungen, Vorgesetztenbeurteilungen, betriebliches Vorschlagswesen oder ein Beschwerdemanagement. Die Horizontalkommunikation schliesslich umfasst Formen der Kommunikation, die keiner der beiden anderen Formen eindeutig zuzuordnen sind. Kanäle dafür sind das Intranet, die elektronische Textkommunikation (E-Mail, Blog, Chat, SMS etc.), Management by Walkingaround sowie informelle Gespräche. Vgl. dazu EINWILLER, KLÖFER und NIES, 238 ff.; MAST, 254 ff. Heute ist allerdings eine Tendenz weg von isolierten Vorträgen durch die GL oder den VR hin zu Informationen mit anschliessenden Apéro oder Lunch für alle Mitarbeiter oder Informationen mit vorangehendem gemeinsamem Frühstück zu beobachten. Dies dient dem vermehrten Kontakt und Austausch zwischen den Mitarbeitern und dem Management. MAST, 259. 26 deutung gewonnen. Sie ermöglichen auf günstige Weise eine schnelle Information, die jederzeit wieder verfügbar ist und schaffen überdies auch gute Voraussetzungen für eine Aufwärts- und Horizontalkommunikation. Zu denken ist hierbei an Möglichkeiten wie auf (internen) Foren mit anderen Mitarbeitern und Mitgliedern der Geschäftsleitung zu diskutieren, organisierte Chats mit der Geschäftsleitung, Blogs des CEO's zu kommentieren oder den CEO (oder ggf. den Verwaltungsratspräsident) direkt per E-Mail zu kontaktieren oder auf ihr bzw. sein E-Mail zu antworten241. Im Rahmen der kommunikativen Aktivierung der Mitarbeiter mittels einer echt dialogisch orientierten, interaktiven Mitarbeiterkommunikation kann sich der Verwaltungsrat für die Implementierung und die Festlegung von Grundsätzen einer geeigneten Kommunikationskultur und des Einbezugs der Mitarbeiter einsetzen. So kann sich das Unternehmen günstig der Potenziale und des Wissens der Mitarbeiter bedienen und es wird obendrein für ein motivierendes Arbeitsklima gesorgt. Die Nutzung des Mitarbeiter-Wissenspools setzt aber bottom-up-Kommunikationskanäle voraus, die auch wirklich genutzt werden. Die Kommunikation und deren Kanäle sind der Grösse des Unternehmens 242 sowie der gewünschten Rollenverteilung zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung anzupassen. Nicht jeder Verwaltungsrat will eine aktive Rolle bei der Kommunikation mit der Belegschaft spielen. Er kann, was in der Praxis häufig vorkommt, die Durchführung der Mitarbeiterkommunikation auch an die Geschäftsleitung delegieren. Die entsprechende Regelung der Handhabung ist vom Verwaltungsrat festzulegen. Für kleine und zentral organisierte Unternehmen sind sodann eher direkte Kommunikationsformen geeignet, für dezentral organisierte und grosse Unternehmen können moderne Mittel wie Blogs, Podcasts oder Foren auf dem Intranet geeignet sein. Je nach Unternehmenskultur sind die geeigneten Mittel zu wählen. Derjenige, der dialogisch über mehrere Hierarchiestufen hinweg kommuniziert, muss sich aber immer der Gratwanderung zwischen Informationsbeschaffung und eigener Kompetenzausstrahlung den Mitarbeitern gegenüber bewusst sein. c) Kommunikation an der Unternehmensspitze Verantwortlich für die Lieferung aller notwendigen Informationen an den Verwaltungsrat sind der CEO und der Verwaltungsratspräsident.243 Der Präsident ist das Bindeglied zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat, aber auch er hat der Geschäftsleitung gegenüber einen Informationsrückstand. 244 Im Rahmen der Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat bestimmt deshalb im Wesentlichen der CEO, welche Information von welcher Qualität der Verwaltungsrat erhält. 245 Evident ist aber, dass ein gut informierter Verwaltungsrat für ein Unternehmen von zentraler Bedeutung ist. 246, 247 Nur so hat dieser Kenntnis von den strategisch wichtigen Vorgängen im und um das Unternehmen und kann er seine Entscheide auf der richtigen Grundlage fällen. Weil der CEO durch seinen Einfluss auf den Informationsfluss zum Verwaltungsrat auch die Güte von dessen Entscheidungen mitbestimmt, 248 ist es nicht angezeigt, dass der CEO entscheidet, welche und wie viel 241 242 243 244 245 246 247 248 Sofern keine Filterungs-Instanz vorgeschaltet ist. Vgl. NAEF, Management Dossier VR, Februar 2007, 11. BÖCKLI, Checks and Balances; 36; HILB, 180. MALIK, Checks and Balances, 49; BÖCKLI, Corporate Governance, 46. HILB, 179; MACUS, Checks and Balances, 51. Vgl. z.B. HÖHLER, Vertrauenskrise, 190. Zur besseren Integration des Verwaltungsrats ins Unternehmensgeschehen und der dadurch möglichen Verkleinerung der Informationsasymmetrie zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung postuliert BÖCKLI dessen Mitarbeit in Audit Committees sowie HILB und MALIK die Mitwirkung in Projekten von zentraler Bedeutung. Vgl. BÖCKLI, Corporate Governance, 49; HILB, 187; MALIK, 1997, 194. MACUS, Checks and Balances, 51; HILB, 179. 27 Information er dem Verwaltungsrat zukommen lassen will.249 Er muss vielmehr nach vorgegebenen Kriterien für den Informationsfluss zum Verwaltungsrat sorgen. Diesbezüglich hat der Verwaltungsrat (als Gremium) Grundsätze vorzugeben. Im Rahmen seiner Pflicht nach Art. 716a Abs. 2 hat der Verwaltungsrat denn auch für eine angemessene Berichterstattung an seine Mitglieder zu sorgen. 250 Wie sogleich gezeigt werden kann, ist dies aber nur in beschränktem Ausmass möglich. Der Informationshaushalt zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sowie im Verwaltungsrat selbst bedarf im Folgenden einer genaueren Betrachtung. Zu unterscheiden ist zwischen der periodischen Information des Verwaltungsrats einerseits und der einzelnen Information über wichtige Ereignisse andererseits. 251 Erstere erfolgt als systematisch geordnete Grundinformation 252 regelmässig in periodischen Abständen und in vergleichbarer Form; Inhalte sind z.B. die Jahresrechnung, kurzfristigere Erfolgsrechnungen, Informationen über Marktpositionen, Personal, Konkurrenz etc. 253 Eine Regelung bezüglich Inhalt und Fristen kann z.B. in einem Management-Informations-System getroffen werden.254 Die Information über wichtige Ereignisse betrifft ausserordentliche Vorfälle im und um das Unternehmen. Das Auswahlkriterium bestimmt sich nicht nach einem vorgegebenen Schema, sondern ist die Wichtigkeit des Ereignisses. 255 Wie DRUEY zutreffend feststellt, steht der Verwaltungsrat bezüglich der Definition der Wichtigkeit für die berichtspflichtigen Informationen zwingend vor einem informationsrechtlichen Dilemma: Wird der Massstab mittels einer harten Formulierung zu hoch angesetzt, besteht die Gefahr, dass gewisse Tatsachen durch die Maschen des gespannten Netzes fallen 256; wird der Massstab zu tief angesetzt, droht Information im Überfluss geliefert zu werden. 257 Gezwungenermassen wird der Verwaltungsrat weiche Formulierungen (z.B. mittels einer Formulierung wie "ausserordentliche Vorfälle", "für den Verwaltungsrat von Bedeutung" oder "wichtig") bezüglich der Umschreibung der mitteilungspflichtigen Tatsachen wählen müssen. Das bedeutet aber, dass der effektive Entscheid über die Mitteilung an die informierende Instanz delegiert wird.258 Dies führt letztlich dazu, dass die kontrollierte Instanz (Geschäftsleitung) die Information reguliert, die sie der kontrollierenden Instanz (Verwaltungsrat) zuführen will. Somit bleibt eine doppelte Unsicherheit: Einerseits besteht seitens des Verwaltungsrats Unsicherheit darüber, ob er (ob von der Geschäftsleitung beabsichtigt oder nicht) alle für ihn wichtigen Informationen erhält. Andererseits ist die Geschäftsleitung darüber im Unsicheren, ob sie ihrerseits dem Verwaltungsrat alle gewünschten Informationen zuführt. Diese Unsicherheiten können nicht gänzlich beseitigt werden. Es kann aber versucht werden, sie auf ein Minimum zu reduzieren. Dies kann nur dann gelingen, wenn einerseits durch den Verwaltungsrat möglichst klare Vorgaben 259 gemacht werden und andererseits ein Grundvertrauen zwischen den Gremien Verwaltungsrat und Ge- 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 Häufig werden gute Informationen sehr schnell und unverzerrt von der Geschäftsleitung an den Verwaltungsrat weitergeleitet, schlechte Informationen aber eher langsam und beschönigt kommuniziert: BÖCKLI, Corporate Governance, 46 f. So auch NOBEL, Kommunikationsmanagement, 508. Zudem ist die Geschäftsleitung natürlich verpflichtet, Fragen des Verwaltungsrats zu beantworten und von diesem verlangte Unterlagen herauszugeben: Vgl. Art. 715a OR. DRUEY, Informationspflichten, 11. Vgl. BÖCKLI, Corporate Governance, 46; DRUEY, Informationspflichten, 11, 12. Vgl. das MIS-Konzept im Anhang. DRUEY, Informationspflichten, 12. Z.B. wenn an eine bestimmte Kategorie von mitteilungsbedürftigen Ereignissen nicht gedacht wurde. DRUEY, Informationspflichten, 13. Vgl. zur Thematik DRUEY, Informationspflichten, 13 f. Solche Vorgaben können z.B. in einem Kommunikationsreglement für den VR, das der GL zur Kenntnis gebracht wird, festgehalten werden. Indem nicht nur bestimmt wird, dass die "wichtigen" oder "ausserordentlichen" Vorfälle dem VR zu melden sind, sondern neben diesen Grundsätze zur Umschreibung der Wichtigkeit (allenfalls aus der persönlichen Erfahrung) anschauliche Beispiele gegeben werden, in welchen Fällen eine Information gewünscht wird. So kann die Unsicherheit immerhin verkleinert werden. 28 schäftsleitung vorhanden ist. 260 Weiter bedarf es einer regelmässigen Kontrolle durch den Verwaltungsrat dahingehend, ob die an ihn gelieferten Informationen (insbesondere die über die periodische Berichterstattung hinausgehenden Informationen über wichtige Ereignisse) seinen Bedürfnissen und Vorgaben entsprechen. Nötigenfalls sind Änderungen zu veranlassen, weil die Handlungsfähigkeit des Verwaltungsrats bei schlechter Informationslage nicht mehr gewährleistet ist. Denn bezüglich der Verantwortlichkeit gilt, dass dem Verantwortlichen (also dem Verwaltungsrat) greifbare, aber nicht ergriffene Information zugerechnet wird.261 Essentiell ist hierbei auch, dass auch die Geschäftsleitung ihrerseits über die relevanten Vorkommnisse im Unternehmen informiert sein muss, um diese Informationen überhaupt filtern und gegebenenfalls an den Verwaltungsrat weiterleiten zu können. Deshalb müssen auch von der Geschäftsleitung Vorschriften darüber, was ihr zu kommunizieren ist, erlassen werden. Dabei gelten eine Stufe tiefer als beim Verwaltungsrat die gleichen, soeben skizzierten Grundsätze zur Informationsversorgung, aber auch die dadurch implizierten Ungewissheiten. Deshalb dürfte es sinnvoll sein, ein internes Kontrollsystem einzurichten.262 Denn nur wenn im Unternehmen bekannt ist, dass eingerichtete Kontrollen bestehen, kann an der Unternehmensspitze der Satz "no news is good news" gelten. 263 Die interne Kontrolle stellt einen wesentlichen Faktor für das Grundvertrauen zwischen Verwaltungsrat und Management dar, 264 denn sie kann dazu beitragen, dass schwerwiegendes Informationsversagen unterhalb der Geschäftsleitung von dieser und dem Verwaltungsrat frühzeitig erkannt wird. 265 Orientieren sollte sich die Kommunikationspolitik des Verwaltungsrats immer an den Grundsätzen der Vollständigkeit, Objektivität, Verständlichkeit und Rechtzeitigkeit. 266 Vollständige Kommunikation liegt vor, wenn möglichst auch über Ursachen der jeweiligen Kommunikationsinhalte informiert wird, also die Informationen in ihrem Kontext kommuniziert werden.267 Die Vollständigkeit darf aber nicht zur Informationsüberflutung führen, sondern es bedarf einer Beschränkung auf die wesentlichen, entscheidungsrelevanten Informationen.268 Sodann müssen die Informationen in einer für den Empfänger verständlichen Sprache übermittelt werden. Dies setzt prägnante, klar gegliederte und logisch geordnete Informationen269 voraus, in denen die "wesentlichen Aspekte präzise und klar im Sinne von executive summaries dargelegt werden" 270. Schliesslich hat die Kommunikation der Information rechtzeitig zu erfolgen, denn die meisten Informationen erhalten ihren Wert erst durch die Kommunikation im richtigen Zeitpunkt.271 Die wesentlichen Informationen müssen zur rechten Zeit bei den richtigen Personen verfügbar sein. 272 HILB umschreibt diese Grundsätze als Inhaltsziel der Kommunikationspolitik des Verwaltungsrats.273 Bei diesem geht es – wie soeben dargelegt – um die Förderung der Informationstransparenz im Verwaltungsrat "durch gegenseitige, umfassende, wahrheitsgetreue und verständliche Information des Boards und der GL über die finanz-, marktleistungs-, personal- und umweltwirtschaftlichen Ziele, Probleme und Zusammenhänge des Unternehmens als 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 Vgl. MALIK, Checks and Balances, 49. DRUEY, 23. Ziff. 19 SCBP; BÖCKLI, Corporate Governance, 49, 53; BÖCKLI, Soft law, 989 f. BÖCKLI, Corporate Governance, 36. BÖCKLI, Corporate Governance, 36. BÖCKLI, Corporate Governance, 50 f. HILB, 182. Vgl. HILB, 182; in diesem Sinne auch BÖCKLI, Checks and Balances, 36. So auch FELDER, VR und Corporate Governance, 1011. Vgl. HILB, 182; so auch BÖCKLI, Checks and Balances, 36. BÖCKLI, Checks and Balances, 36. Vgl. HILB, 182. RICKENBACHER, 212; ähnlich auch MACUS, Checks and Balances, 53. HILB, 180. 29 Ganzes und aller wichtiger Organisationseinheiten" 274. Dieses Vorgehen steht auch im Einklang mit den Empfehlungen des Swiss Code. 275 Dahinter steht die Gewissheit, dass an der Unternehmensspitze (freilich nicht nur dort) Information die Basis allen Vertrauens 276 ist. Zwar ist ein vollständiges Vertrauen auch durch beste, transparente Kommunikation nicht herstellbar, wenn die menschlichen Voraussetzungen 277 dafür nicht gegeben sind. 278 Dem kann lediglich – aber immerhin – entgegen gehalten werden, dass die Verwaltungsräte als Mitglieder des obersten Organs der Aktiengesellschaft dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet sind und sie dieses nicht durch ihr persönliches, unprofessionelles Verhalten beeinträchtigen dürfen. Der Verwaltungsrat ist schliesslich kein "Kampfplatz von um die Macht streitenden Einzelfiguren", sondern bildet ein Team, das eine unternehmerische Aufgabe zu bewältigen hat. 279 Hierbei ist die "Schaffung einer (…) Vertrauens- und Lernkultur durch die ständige Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen innerhalb des Boards und der GL, zwischen Board und GL sowie zwischen einzelnen Board-Committees und GL-Bereichen", mit dem Ziel der konstruktiven Konfliktlösung, des Abbaus gegenseitiger Vorurteile und der Vermeidung von überflüssigen Auseinandersetzungen in höchstem Masse dienlich. 280 Dieser Prozess – für dessen Sicherung der Verwaltungsrat verantwortlich ist 281 – kann durch verschiedene Faktoren wie Machtkämpfe unter Wissensträgern, fehlendes Vertrauen und Betriebsblindheit sowie absichtliches "Nicht-Wissen-Wollen" 282 gehemmt werden. Aktive Zuhörfähigkeit und konstruktive Offenheit des Verwaltungsratspräsidenten und des Vorsitzenden der Geschäftsleitung sind hingegen förderlich.283 Letztlich wird ein solcher Dialog auch zum Abbau der Selbstblindheit der Mitglieder des Verwaltungsrats und zum Aufdecken existierender Probleme 284 beitragen und damit letztlich auch effizienteres Arbeiten ermöglichen. Dies ist das Beziehungsziel der Kommunikationspolitik des Verwaltungsrats. 285 Dazu ist auch empfehlenswert, dass sich vorerst der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung gegenseitig über wichtige Ereignisse informieren und geplante Massnahmen absprechen, bevor die Stakeholder informiert werden.286 Am besten wird man dem Ziel des Aufbaus einer Vertrauenskultur gerecht, wenn möglichst vollständig und transparent auf direkten Wegen kommuniziert wird: Die direkte mündliche Kommunikation ist "allen anderen Medien in ihrer Wirksamkeit überlegen"287. Spärliche Information hingegen ist ein Nährboden für Unsicherheit, Gerüchte und schlimmstenfalls gar Verschwörungstheorien 288. Eine Möglichkeit für eine möglichst weit gehende direkte Kommunikation sind überlappende Kommunikationsgruppen, die z.B. aus einem System von Verwaltungsrats-Geschäftsleitungs274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 HILB, 180; vgl. zur Kommunikationstransparenz auch HEMEL, 284. Ziff. 15 SCBP. BÖCKLI, Corporate Governance, 35, vgl. auch NAEF, Management Dossier VR, Februar 2007, 5. GRUNWALD, Vertrauenskrise, 198 f. nennt folgende Merkmale vertrauenswürdiger Personen (ungewichtete Reihenfolge; alle Kriterien sind kaum gleichzeitig erfüllbar): Verhaltenskonsistenz/Vorhersagbarkeit/Verlässlichkeit, Erfüllen von Versprechen, Fairness im Umgang mit anderen, Loyalität (Wohlwollen), moralische Integrität (Ehrlichkeit/Offenheit), Zuhören können, Diskretheit (Verschwiegenheit), Offenheit (offenes Reden über eigene Ideen und Einstellungen), Offensein gegenüber anderen Ideen und Meinungen, Fachkompetenz, physische Anwesenheit/Erreichbarkeit. Gl.M. BREYER-MAYLÄNDER, 21; HILB, 191. BÖCKLI, Corporate Governance, 38; so auch STAFFELBACH, Checks and Balances, 47. HILB, 180; ähnlich auch RICKENBACHER, 213 sowie MALIK, Neue Corporate Governance, 224. Vgl. BÖCKLI, Checks and Balances, 36; RICKENBACHER, 212. RICKENBACHER, 212; MALIK, Checks and Balances, 49; MALIK, Neue Corporate Governance, 222. Vgl. HILB, 181 sowie MALIK, Neue Corporate Governance, 222, welcher diese Faktoren als notwendig, nicht aber hinreichend qualifiziert. SPRÜNGLI, 146 ff.; HILB, 180. HILB, 180. HILB, 183. HILB, 183. BREYER-MAYLÄNDER, 21. 30 Kommunikationssitzungen, Geschäftsleitungs-Kommunikationssitzungen und GeschäftsleitungsBereichs-Kommunikationssitzungen bestehen. 289 So bricht der Kontakt zwischen diesen Gremien nie ab, womit die direkte Kommunikation permanent sichergestellt ist. Dies trifft insbesondere auf Sitzungen zu, bei denen die direkte physische Kommunikation von besonderer Bedeutung ist. Die Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen und andere Argumente einzubringen, ist nie grösser als beim direkten Gespräch. Da dies jedoch nicht immer möglich ist, sind auch andere Kommunikationsformen zu evaluieren. Als relativ gute Alternative zur direkten physischen Kommunikation kommen beispielsweise Telefongespräche sowie Telefon- und Videokonferenzen für Sitzungen in Frage. 290 Schliesslich wird ein immer grösserer Teil der Korrespondenz per E-Mail abgewickelt. Die diesbezüglichen Bedenken WARDS im Hinblick auf die technische Überforderung der Verwaltungsräte 291 dürften in den letzten Jahren grösstenteils obsolet geworden sein. Dennoch ist im Hinblick auf die Informationseffektivität gerade auch in Bezug auf die elektronischen Medien zu empfehlen, nur wirklich benötigte292, gut aufbereitete und nach dem one-page-Prinzip zusammengefasste 293 Information dem Verwaltungsrat zuzustellen. Diese Empfehlung wird – so einleuchtend sie sein mag – in der Praxis keinesfalls selbstverständlich beachtet, stellt doch die Information des Verwaltungsrats nach wie vor häufig ein ungelöstes Problem dar. 294 Der Swiss Code empfiehlt, dass der Verwaltungsrat aus seiner Mitte Ausschüsse einsetzt. Diese analysieren verschiedene bedeutende Sach- und Personalbereiche vertieft und erstatten dem Gesamtverwaltungsrat Bericht. Vom Swiss Code werden drei Ausschüsse empfohlen: der Prüfungs-, Entschädigungs- und Nominierungsausschuss. Denkbar wäre nun, dass Verwaltungsräte, die beim Thema Kommunikation Handlungsbedarf erkennen, einen Verwaltungsrats-Ausschuss für Kommunikation einsetzen. Ein möglichst mit kommunikativem Know-how zusammengesetzter Ausschuss kann die Etablierung eines Bewusstseins für das Thema im Gremium und dem ganzen Unternehmen vorantreiben, die Organisation der Kommunikation mit den nötigen Instrumenten (z.B. ein Kommunikationsreglement für den Verwaltungsrat) schaffen und dem Gremium unterbreiten. Der Ausschuss wäre auch geeignet, die Wahrnehmung der Kommunikationsaufgabe des Verwaltungsrats und die Kommunikation zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsebene zu überwachen. Schliesslich bedarf die Kommunikation an der Unternehmensspitze einer regelmässigen Evaluation, um Erfolge zu messen und Verbesserungspotenziale zu entdecken. 2.3.5 Schranken der Kommunikation a) Einleitung Für die Kommunikation bestehen auch Einschränkungen. Unternehmenskommunikation muss ganz allgemein wahrheitsgetreu, korrekt und nicht irreführend sein.295 Es darf nicht jede Information jederzeit jeder Person kommuniziert werden. Im Rahmen der Wahrnehmung seiner strategischen kommunikativen Aufgabe ist es Aufgabe des Verwaltungsrats, Grundsätze für die interne Auskunftsberechtigung für Informationen festzulegen. Überdies bestehen rechtliche Schranken. Die konkreten Kommunikationsschranken, die im Zusammenhang mit der Kommunikation zu beachten sind, werden im Folgenden untersucht. 289 290 291 292 293 294 295 Vgl. HILB, 183 ff. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, 227. WARD, 6. WARD, 7. Vgl. HILB, 182; BÖCKLI, Checks and Balances, 36. Vgl. BÖCKLI, Checks and Balances, 36. NOBEL, Kommunikationsmanagement, 497. 31 b) Strafrechtliche Schranken Auch im Strafgesetzbuch werden Kommunikationsverbote statuiert. Deren Zweck ist der Schutz von höher einzustufenden Rechtsgütern als die vermittelten Informationen.296 Verbote bestehen in Bezug auf Unternehmens-Geheimnisse, sogenannte Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse. Solches Wissen stellt im Unternehmen einen Wettbewerbsfaktor gegenüber der Konkurrenz dar und sollte im Unternehmen grundsätzlich vertraulich behandelt werden. Das Strafgesetzbuch statuiert demgemäss auch ein Verbot, Geschäftsgeheimnisse zu verraten oder anderweitig auszunützen. 297 Dieses gilt sowohl für Geheimnisse, die infolge vertraglicher als auch aufgrund gesetzlicher Pflicht bewahrt werden sollten.298 Eine weitere Kommunikationsschranke wird mittels des Bankkundengeheimnisses 299 aufgestellt. Dieses bezieht sich explizit auch auf Organe (wie z.B. den Verwaltungsrat) einer Bank. Das diesbezügliche Kommunikationsverbot für Organe, Angestellte, Beauftragte und Liquidatoren einer Bank erfasst alle Daten aus der Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Bank und kann nur in wenigen bedeutenden Fällen eingeschränkt werden.300 Die Vorschriften zur Verletzung des Berufsgeheimnisses konkretisieren Art. 162 StGB bezüglich verschiedener in diesem Kontext relevanter Berufe: Namentlich für Ärzte sowie Anwälte, Treuhänder sowie für zur Verschwiegenheit verpflichteten Revisoren und die in der medizinischen Forschung tätigen Personen bestehen Geheimnispflichten. 301 Solche Personen sind unter Strafdrohung dazu verpflichtet, Geheimnisse, die ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden sind, oder die sie in Ausübung ihres Berufs wahrgenommen haben, nicht zu offenbaren. Schliesslich sei noch auf die Vorschriften zu den Ehrverletzung 302 hingewiesen, welche bei jeglicher Kommunikation im Unternehmen (nach Innen wie nach Aussen) zu beachten sind. c) Arbeits- und datenschutzrechtliche Schranken Personen, die mit einem Unternehmen im Kontakt stehen, verfügen in gewissen Bereichen über spezielle Geheimhaltungsinteressen. Solche Personen können – wie sogleich darzulegen ist – sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Unternehmens sein und die Kommunikationsschranke kann auf einer gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage beruhen. Zunächst handelt es sich dabei um das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, welches die Arbeitgeberin zu respektieren und zu schützen hat.303 Sodann ist es dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht verboten, Geschäftsgeheimnisse, die er während seiner Tätigkeit für die Arbeitgeberin erfährt, Dritten mitzuteilen. Diese Schweigepflicht gilt in eingeschränktem Mass auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.304 Sie ist auch relevant für allfälliges Whistleblowing des Arbeitnehmers, welches nämlich grundsätzlich im 296 297 298 299 300 301 302 303 304 NOBEL, Rechtliche Aspekte, 263. Art. 162 StGB. Ein Beispiel für eine gesetzliche Geheimhaltungspflicht, die sich an die Arbeitnehmer eines Unternehmens richtet, stellt die arbeitsrechtliche Schweigepflicht gemäss Art. 321a Abs. 4 OR dar (Vgl. dazu sogleich unter d)). Art. 47 BankG. NOBEL, Rechtliche Aspekte, 268; z.B. bei Steuerbetrug. Art. 321 StGB; Art. 321bis OR. Diese sind leges speciales zu Art. 162 StGB. Art. 173 ff. StGB. Art. 28 ZGB; Art. 328 OR; diverse Vorschriften im öffentlichen Arbeitnehmerschutzrecht; vgl. dazu ausführlich Kapitel 2.2.1. Art. 321a Abs. 4 OR; vgl. dazu auch GEISER/MÜLLER, Arbeitsrecht, Rz. 353 f. Strafrechtlichen Schutz hierfür bieten die Art. 162 sowie 321 f. StGB. Vgl. dazu oben, Abschnitt b). 32 Widerspruch mit der Schweigepflicht steht. Die Verletzung kann aber unter gewissen Umständen gerechtfertigt sein. 305 Im Zusammenhang mit der Datenbearbeitung durch Unternehmen – sei es den Mitarbeitern oder anderen Stakeholdern wie z.B. Kunden oder Lieferanten gegenüber – sind auch die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 306 zu den kommunikativen Schranken zu beachten. Dabei ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Bearbeitung von Personendaten rechtmässig, nach Treu und Glauben sowie verhältnismässig erfolgen muss. Die Bearbeitung darf zudem nur für den bei der Beschaffung angegebenen Zweck erfolgen. Diesbezüglich ist zu beachten, dass z.B. bereits im Vorfeld von Betriebsübernahmen sowie M&A-Transaktionen stattfindender Datenaustausch in nicht anonymisierter Form (z.B. bei einer Due Diligence-Prüfung) auf Konformität mit dem Zweckbindungsgebot zu prüfen ist. 307 Der Datenbearbeiter hat sich zudem zu vergewissern, dass die bearbeiteten Daten richtig sind (d.h. die Umstände und Tatsachen, bezogen auf die betroffene Person, sachgerecht wiedergeben 308) und diese ggf. zu berichtigen. Dies ist auch für den Bearbeiter von Nutzen, denn einen solchen bringen ihm ohnehin nur richtige Daten.309 Daten müssen durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten geschützt werden und dürfen nur unter erschwerten Bedingungen ins Ausland bekannt gegeben werden. Dieses Erfordernis ist insbesondere für Fluggesellschaften von Bedeutung. Die USA 310 verlangen nämlich von den Fluggesellschaften (auch schweizerischen), welche die USA anfliegen, elektronischen Zugriff auf viele Passagierdaten. 311 In Bezug auf die Bekanntgabe solcher Daten ist die zunächst bestehende prekäre Rechtslage – die USA verfügen nicht über einen dem Schweizerischen Recht gleichwertigen Datenschutz 312 – etwas entschärft worden. Mittlerweile werden weniger Personendaten erhoben (und auch keine besonders schützenswerten Daten mehr), es besteht eine Zweckbindung der Daten, eine Beschränkung für deren Aufbewahrungsdauer sowie eine Information des Passagiers vor dem Flug. 313 Schliesslich sind unter diesen Punkt auch alle vertraglich vereinbarten Geheimnispflichten zu subsumieren. Solche können Verwaltungsräte, Mitarbeiter, Mitglieder der Geschäftsleitung und insbesondere auch Kunden und Lieferanten betreffen. d) Immaterialgüter- und wettbewerbsrechtliche Schranken Die Firma der Aktiengesellschaft (wie auch alle anderen Eintragungen im Handelsregister 314) muss die vom Gesetz vorgeschriebenen, wesentlichen Inhalte enthalten, der Wahrheit entsprechen, keinen Anlass zu einer Täuschung geben und darf auch dem öffentlichen Interesse nicht widersprechen. 315 Zudem muss die Rechtsform aus der Firma hervorgehen.316 Die Firma steht dem Berechtigten 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 Vgl. zur Thematik den Vorentwurf zum Schutz bei Meldung von Missständen am Arbeitsplatz (Art. 321abis OR); GEISER/MÜLLER, Arbeitsrecht, Rz. 364; NOBEL, Rechtliche Aspekte, 286 ff. Vgl. Art. 4 ff. DSG. Ergänzend ist im Übrigen auf Kapitel 2.2.2 zu verweisen. Vor dem Hintergrund von Art. 4 Abs. 3 DSG (sowie allenfalls Art. 328b OR; umstritten). Vgl. BsK DSG-MAURERLAMBROU/STEINER, Art. 4 DSG N19 f. BsK DSG-MAURER-LAMBROU/STEINER, Art. 5 DSG N5. Vgl. BsK DSG-MAURER-LAMBROU/STEINER, Art. 5 DSG N4. Vgl. den Transportation Security Act vom 19. November 2001. Vgl. BsK DSG-MAURER-LAMBROU/STEINER, Art. 6 DSG N21 f. BsK DSG-MAURER-LAMBROU/STEINER, Art. 6 DSG N21. Vgl. dazu BsK DSG-MAURER-LAMBROU/STEINER, Art. 6 DSG N22. Art. 26 HRegV. Art. 944 OR i.V.m. Art. 26 HRegV. Art. 950 OR. 33 zum ausschliesslichen Gebrauch zu, bei einer Beeinträchtigung dieses Rechts steht ihm die Unterlassungsklage offen und er hat (bei Verschulden) Anrecht auf Schadenersatz.317 Unternehmen verwenden fast immer eigene Marken. Diese müssen graphisch darstellbar sein, zudem sind die absoluten und relativen Ausschlussgründe zu beachten. 319 Es kann nicht jedes Zeichen als Marke geschützt werden. Wenn die Marke aber geschützt wurde, verleiht das Markenrecht dem Inhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen und darüber zu verfügen. Er kann überdies anderen verbieten, das Zeichen zu gebrauchen. 320 Ein Unternehmen, das eine Marke registriert, darf diese exklusiv nutzen und kann jedem anderen Unternehmen den Gebrauch verbieten. 318 Insbesondere bei der Werbung sind die Einschränkungen des UWG von Bedeutung. Dabei handelt es sich z.B. um das Verbot der Herabsetzung von Mitbewerbern durch irreführende, unrichtige oder unnötig verletzende Äusserungen, das Verbot der Verwendung unzutreffender Titel oder Berufsbezeichnungen, das Verbot von unzulässigen Vergleichen mit Mitbewerbern, das Verbot des besonders aggressiven Verkaufs, der Nachahmung und von irreführenden Angaben über sich selbst. 321 Zudem bestehen gemäss dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen Werbeverbote für Tabak, Alkohol, Heilmittel und medizinische Behandlungen, politische Parteien, religiöse Bekenntnisse sowie für Schleich- und unterschwellige Werbung. Überdies darf Werbung auch keine religiöse oder politische Überzeugung herabmindern, irreführend oder unlauter sein oder zu einem Verhalten anregen, welches die Gesundheit, die Umwelt oder die persönliche Sicherheit gefährdet.322 Im Bereich des Immaterialgüterrechts leistet das Recht also mittels reputationsbezogener Normenkomplexe einen Beitrag zum Reputationsschutz des Unternehmens. 323 e) Unternehmensinterne Schranken Diesbezüglich ist auf die Chinese Walls, die eine Trennung verschiedener Unternehmensteile sicherstellen sollen, hinzuweisen. 324 Der Begriff ist insbesondere in der Finanzwelt von Bedeutung. Bezweckt wird mit einer Chinese Wall die Trennung von Abteilungen eines Unternehmens mit unterschiedlichen Zielsetzungen. 325 Informationen dürfen dabei nicht von der einen Abteilung in die andere gelangen. Damit sollen Interessenkonflikte verhindert werden. Problematisch ist aber, dass wegen der thematischen Allgemeinzuständigkeit des Verwaltungsrats 326 an der Spitze, wo die Fäden zusammenlaufen, alle Informationen verfügbar sein müssen. Solchen Trennungsinstitutionen wird nach NOBEL rechtlich aber ohnehin nicht allzu viel Kredit gegeben. 327 Diesbezüglich ist auch das Verbot des Insiderhandels 328 zu beachten. Die Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung 329 kann allerdings z.B. bei einer Bank bereits dann verletzt sein, wenn Informationen, die unterhalb des Insiderwissens einzustufen sind, ausgenützt werden: "Das zivil- und aufsichtsrechtliche Gebot des Handelns nach Treu und 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 Art. 956 OR; vgl. dazu ausführlich VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, Rz. 790 ff. Art. 10 Abs. 1 MSchV. Art. 2 MSchG; Art. 3 MSchG; vgl. ausführlich zu den Ausschlussgründen VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, Rz. 567 ff. Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 MSchG. Art. 3 UWG. Vgl. Art. 2 UWG sowie 10 RTVG. NOBEL, Kommunikationsmanagement, 501. Vgl. dazu DRUEY, 18 ff. Z.B.: Abteilung A prüft den Abschluss eines Unternehmens, Abteilung B führt die Bücher des gleichen Unternehmens. Welcher vom Bundesgericht immer wieder bestätigt wurde: DRUEY, FN 43. NOBEL, Aktienrecht, 5 N56. Eine ausführlichere Analyse der Chinese Walls unterbleibt an dieser Stelle, da diese nicht in den thematisch zentralen Bereich fallen. Art. 161 StGB. Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG, Art. 10 Abs. 2 lit. d BEHG. 34 Glauben geht weiter als das zur Erfüllung des Straftatbestandes von Art. 161 StGB Verlangte. Eine Treuwidrigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine Bank Aktien verkauft, obwohl sie sich bewusst ist, dass ein erhebliches kursrelevantes Informationsgefälle zwischen ihr und denjenigen Kreisen besteht, welche tatsächlich Aktien kaufen." 330 Für gewisse Informationen bestehen also auch Verwertungsverbote. Hier ist überdies allgemein zu bemerken, dass gewisse sehr brisante Informationen auch nur ganz kleinen Personenkreisen – allenfalls auch unter Ausschluss des Verwaltungsrats – bekannt sein dürfen, um Undichtigkeiten und eine unerwünschte Verbreitung möglichst zu vermeiden. 331 Selbstverständlich dürfen solche Informationen auch nicht nach Aussen dringen. Wird dennoch ein falscher Inhalt kommuniziert, kann dadurch für das Unternehmen je nach preisgegebener Information Schaden entstehen. Weiter bestehen ganz allgemein auf allen Hierarchiestufen eines Unternehmens Kommunikationsschranken: Keine Stufe muss restlos alles wissen (auch nicht der Verwaltungsrat), sondern erhält optimaler Weise genau die für sie relevanten Informationen ohne unnötige Details. 332, 333 Die Informationsallokation hat nämlich letztlich vor dem Hintergrund des Effizienzgedankens zu geschehen. Der Verwaltungsrat kann für den Informationshaushalt an der Unternehmensspitze ein Funktionendiagramm der Auskunftsberechtigung festlegen. Zudem gibt er möglichst genau vor, welche Informationen ihm von der Geschäftsleitung zu liefern sind. Weitere Regelungen hat der Verwaltungsrat grundsätzlich nicht zu erlassen; seine Zuständigkeit dafür endet auf Stufe Geschäftsleitung. Das Problem der Grenzen der Kommunikation ist abschliessend auch noch aus einer anderen Warte zu beleuchten: Jede Information bedarf der Verarbeitung durch den Empfänger, um für diesen allenfalls einen Nutzen stiften zu können. Vor der Informationsverarbeitung ist aber unklar, ob durch diese überhaupt ein Nutzen gestiftet wird. 334 Wegen des bei verfügbarer Information meist bestehenden Angebotsüberhangs gegenüber dem Informationsbedürfnis 335 wird sich der Verwaltungsrat womöglich mit dem Problem der Überinformation konfrontiert sehen. Diesbezüglich bedarf es – wie DRUEY es umschreibt – des "Schutzes vor Information", 336 denn wie oben 337 erläutert, muss der Entscheid über die Wichtigkeit der Information an die informierende Instanz delegiert werden. Der Sender wird aber nicht immer optimal antizipieren, wie viel und welche Information er an den Adressaten weiterleiten sollte.338 Auch Leitlinien können nur abstrakt formuliert werden. Deshalb wird der Sender i.d.R. dazu neigen, zur Sicherheit lieber zu viel als zu wenig Information weiterzuleiten. Dadurch entsteht eine Überinformation des Verwaltungsrats, welche seiner Funktionswahrnehmung schadet: 339 Er wird dazu neigen, die Überinformation nicht oder nur beschränkt zu verarbeiten. 340 Mangels Verarbeitung kann der Verwaltungsrat seine Entscheide nicht mehr auf einer soliden Wissensgrundlage fällen, was zu unüberlegten oder gar falschen Entscheiden führen wird. Mithin wird so das Funktionieren des ganzen Unternehmens gefährdet, weshalb es auch aus Gründen des Funktionsschutzes 341 der Begren330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 Urteil des BGer 2A.230/1999, E. 6b. Vgl. DRUEY, 21. Vgl. DRUEY, 20 f. Vgl. dazu oben, Kapitel 2.3.4. DRUEY, 21. DRUEY, 21. Vgl. DRUEY, 21. Vgl. Kapitel 2.3.4. DRUEY, 21. DRUEY, 21. Überinformation verdrängt gute Information: DRUEY, 22. DRUEY, 21. 35 zung der Information braucht. Der Verwaltungsrat ist für die Organisation der Kommunikationsstrategie verantwortlich. Er hat deshalb Richtlinien für die ihn zu informierenden Instanzen vorzugeben. Die gelieferte Information sollte nach DRUEY für den Empfänger zur Verarbeitung zumutbar sein. 342 Dies ist aber eine sehr abstrakte Formulierung. In erster Linie muss massgebend sein, wie viele Ereignisse als wichtig eingestuft werden müssen und über welche deshalb informiert werden muss. Deren Häufigkeit lässt sich nämlich meist nicht planen. Die Informationen über die jeweiligen Ereignisse müssen dann in einer zumutbaren Form abgefasst werden. Eine gute Richtlinie dafür ist das Management Summary, das möglichst auf einer Seite konzentriert konzis und klar die essentiellen Informationen als Entscheidungsgrundlagen für den Verwaltungsrat präsentiert.343 Wegen deren beschränkt antizipierbarer Wirkung müssen die Vorgaben vom Verwaltungsrat aber regelmässig – so gut wie aufgrund des allenfalls eingeschränkten Informationsstandes möglich – auf ihre Zweckmässigkeit überprüft werden. Wichtig ist diesbezüglich auch, dass, sobald der Verwaltungsrat Unzulänglichkeiten bei seiner Information feststellt, die ihn informierende Instanz davon in Kenntnis setzen sowie Korrekturen anbringen und durchsetzen muss. 2.4 ˗ ˗ ˗ ˗ 342 343 344 345 346 Folgerungen aus dem theoretischen Teil Das staatliche Recht stellt viele Vorschriften zu Absender, Inhalt und Adressat von Kommunikationsverpflichtungen auf. Dem nicht staatlichen Swiss Code lassen sich noch mehr derartige Verpflichtungen, teils aber auch Empfehlungen zur Gestaltung der Kommunikation entnehmen. Sache des Unternehmens ist es, diese Verpflichtungen und alle darüber hinaus gehenden angezeigten Kommunikationshandlungen im Rahmen einer integrierten GesamtKommunikationsstrategie unter Beachtung der Kommunikationsschranken wahrzunehmen. Erkenntnisse zur Kommunikation des Verwaltungsrats, insbesondere jener zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sowie der verwaltungsratsinternen Kommunikation, lassen sich vor allem aus Überlegungen zur Corporate Governance gewinnen. Die Schaffung einer Vertrauensbasis an der Unternehmensspitze sowie gegen Innen wie auch gegen Aussen ist das oberste Ziel für die Kommunikation des Verwaltungsrats. Zentral ist dafür eine transparente Kommunikationskultur, welche die Ziele der Objektivität (sachlich richtig), Vollständigkeit (auch nach Ursachen fragend, aber nur die wesentlichen, relevanten Informationen enthaltend), Verständlichkeit (einfach344 und kurz, klar gegliedert und logisch geordnet) und Rechtzeitigkeit (so früh, dass Zeit für eine vernünftige Vorbereitung bleibt) verfolgt. Eine integrierte und nachhaltig konsistente Kommunikation ist glaubwürdiger als eine fragmentarisch und opportunistisch aufbereitete, die leicht manipuliert werden kann. 345 Bei einigen Unternehmen finden sich im Organisationsreglement Bestimmungen zur Kommunikation und teils auch zum Umgang mit Medien. Teilweise werden auch Zuständigkeiten festgelegt. Dies ist ein guter Ansatz. Allerdings fehlt meist eine detaillierte Zuständigkeitsliste oder ein Funktionendiagramm. Das Organisationsreglement enthält Bestimmungen zur Ordnung der Geschäftsführung, den Zuständigkeiten und den entsprechenden Aufgaben. 346 Darüber hinaus soll es gemäss BÖCKLI als weitere Inhalte Informationsrechte des Verwaltungsrats, eine interne Informationsordnung des Verwaltungsrats, Schranken für das Auftreten der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder gegenüber Medien und Dritten sowie die Ausgestaltung DRUEY, 22 f. Vgl. HILB, 182; BÖCKLI, Checks and Balances, 36. Möglichst fachjargon-frei. Vgl. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 17. Art. 716b Abs. 2 OR; VON MOOS-BUSCH, 76; BÖCKLI, Aktienrecht, § 13 Rz. 324 ff. 36 ˗ ˗ 347 348 349 350 351 352 des IKS enthalten können. 347 M.E. ist das Organisationsreglement nicht die geeignete Stelle, um eine sauber ausdifferenzierte Reglementierung für das Thema Kommunikation des Verwaltungsrats in der nötigen Tiefe und Breite erstellen zu können. 348 Wohl müssen im Organisationsreglement Bestimmungen zur Kommunikation enthalten sein. Diese sollten aber neben den absolut zentralen Grundsätzen, Aufgaben und Zuständigkeiten insbesondere auch einen Verweis enthalten, dass der Verwaltungsrat gestützt auf diese Bestimmung weitere Bestimmungen zur näheren Ausgestaltung der Kommunikation erlassen kann. Ein adäquates Mittel, wie der Verwaltungsrat seiner Aufgabe der Festlegung der Organisation nach Art. 716a OR bezüglich der Kommunikation nachkommen kann, ist der Erlass eines Verwaltungsrats-Kommunikationsreglements. 349 Ein solches soll einerseits Grundsätze für die Kommunikation des Verwaltungsrats gegen Innen und Aussen sowie auch des Unternehmens an sich (ein eigentliches Kommunikations-Leitbild) enthalten. Andererseits sollten darin auch genau definierte Zuständigkeiten für die einzelnen Bereiche der Kommunikation festgelegt werden, denn gerade diesem Aspekt wird in der Praxis häufig nur ungenügend Rechnung getragen. Auch Merkblätter und Checklisten in einem solchen Reglement sind sinnvoll (bspw. wie die Mitarbeiter sich bei Medienanfragen zu verhalten haben; Kommunikationskanäle und Handlungsanweisungen für Krisenfälle 350 etc.). Damit werden die Wege und Zuständigkeiten für die Kommunikation festgelegt und alle Kommunikationskanäle überwacht, situationsspezifische Kommunikationslösungen mit konkreten Handlungsanweisungen (und ggf. -optionen) erarbeitet, Entscheidungsprozesse vorbereitet und strukturiert sowie insbesondere auch Risiken vermieden oder zumindest minimiert.351 Daraus resultiert ein echter Effizienzgewinn. Von Vorteil ist auch, dass ein Reglement schriftlich abgefasst wird. Heute werden für die kommunikationsbezogenen Zuständigkeiten häufig mündliche Absprachen getroffen.352 Dies birgt aber die Gefahr, dass insbesondere in Krisen und Konfliktfällen Unsicherheiten bestehen können. Bei der Kommunikation nach Aussen kann der Verwaltungsrat in diversen Bereichen zur Optimierung der Kommunikation beitragen. Die theoretischen Feststellungen haben ergeben, dass der Verwaltungsrat in folgenden Bereichen die Situation optimieren und so in kommunikativer Hinsicht einen echten Mehrwert für das Unternehmen schaffen kann: ˗ Das Bewusstsein für die Wissensbeschaffung von den Unternehmens-Partnern kann gestärkt und ggf. (re)aktiviert werden. ˗ Lobbying bietet sich für den Verwaltungsrat je nach Situation und personellen Voraussetzungen zur eigenen Wahrnehmung an. ˗ Medienkontakte können ggf. vermittelt und selbst wahrgenommen werden. Zumindest muss aber für eine Wahrnehmung dieser Kontakte durch die operative Führung gesorgt werden. BÖCKLI, Aktienrecht, § 13, Rz. 331, Ziff. 4, 10 und 11. Auch BÖCKLI (Aktienrecht, § 13, Rz. 331, Ziff. 11) verweist immerhin für das interne Kontrollsystem auf die Möglichkeit eines separaten Reglements. Vgl. das Muster-Kommunikationsreglement im Anhang. Es handelt sich dabei um eine stark überarbeitete Version des Reglements gemäss Materialienverzeichnis. CARREL, 143: "In der Krise wird auch die Information oft zur Krise". Er empfiehlt deshalb für Krisenfälle Kommunikationskonzepte oder Strategien zur Krisenkommunikation, in denen Zuständigkeiten, Auskunftsrechte, Medienmonitoring usw. geregelt werden. Auch dazu kann ein VR-Kommunikationskonzept dienen, denn zumindest sollten diese wesentlichen Punkte zur Krisenkommunikation festgelegt werden. Vgl. dazu das VR-Kommunikationsreglement im Anhang. Vgl. dazu auch SCHMIDBAUER/KNÖDLER-BUNTE, 13. Vgl. dazu das Interview mit Beatrice Tschanz im Anhang. 37 ˗ ˗ ˗ 353 354 355 Der Geschäftsbericht sollte übersichtlich und transparent dargestellt sein sowie mit grafischen Darstellungen und möglichst auch nichtfinanziellen Informationen ergänzt werden. Bei der Kommunikation nach Innen können Feststellungen in den folgenden Bereichen gemacht werden: ˗ Für die Mitarbeiterkommunikation wird ein gut ausgebautes top-down-Informationssystem als kommunikatives Führungsinstrument benötigt. Dies führt dazu, dass die topdown-Kommunikationswege (zwangsläufig) besser ausgebaut sind als die bottom-upKommunikationswege. Dennoch darf der Mitarbeiter-Wissenspool nicht vernachlässigt werden und sollte, wo sinnvoll, aktiviert werden. ˗ Die Regelung der Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat umfasst harte (Inhalt und zeitlicher Rahmen der periodischen Berichterstattung) wie auch weiche Faktoren 353. Die Regelung der harten Faktoren in einem MIS-Konzept bietet sich an. Damit wird Klarheit bezüglich der relevanten Daten (Grundsatz der Rechtzeitigkeit) und des inhaltlichen Umfangs (Grundsatz der Vollständigkeit) der Information des Verwaltungsrats durch die Geschäftsleitung geschaffen. Bezüglich der weichen Faktoren können lediglich Grundsätze und Beispiele vorgegeben werden, wann eine Information weitergereicht werden muss. Umso wichtiger ist die persönliche Klärung der informationstechnischen Bedürfnisse zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Das trägt zur Bildung einer Vertrauensbasis zwischen diesen beiden Gremien bei, welche nur durch eine transparente Kommunikationskultur erreicht werden kann. Die dafür zu beachtenden Grundsätze sind jene der Objektivität, Vollständigkeit, Verständlichkeit und Rechtzeitigkeit. ˗ Auch verwaltungsratsintern ist das Hauptziel (nicht nur) in kommunikativer Hinsicht die Schaffung einer Vertrauenskultur. Diese wird durch das Inhalts- 354 und Beziehungsziel 355 erreicht. Grundsätzlich ist der Leiter Kommunikation für die Vorbereitung und Durchführung der Massnahmen für die Kommunikation gegen Innen und Aussen verantwortlich. Punktuell übernehmen diese Funktion aber der CEO oder, je nach Unternehmenskultur, der Verwaltungsratspräsident. Kommunikation von wichtigen Ereignissen im Einzelfall. Transparente Information bestehend aus den Grundsätzen der Vollständigkeit, Objektivität, Verständlichkeit und Rechtzeitigkeit. Zwischenmenschliche Faktoren. 38 3 Praktischer Teil 3.1 Untersuchungsziel Im praktischen Teil werden die aus dem Theorieteil gewonnenen Erkenntnisse sowie weitere Fragen zur Kommunikation mittels einer Umfrage bei Schweizer Aktiengesellschaften auf ihre Bedeutung in der Praxis geprüft. Zusätzlich werden Experten zu den Umfrageergebnissen sowie zu einigen weiteren zentralen Gedanken dieser Arbeit befragt. Thematisch geht es bei der Umfrage in einem ersten Teil darum, nach Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats, die sich die Unternehmen selbst auferlegen (z.B. in ihren Statuten und Organisationsreglementen), zu forschen. Sodann wird auf die Thematik des VerwaltungsratsKommunikationsreglements eingegangen. Ziel ist herauszufinden, wie verbreitet solche Reglemente sind und welche Vor- und Nachteile sich Unternehmen von einem allfälligen Einsatz versprechen. 356 In einem dritten thematischen Teil werden verschiedene Aspekte der Aufmerksamkeit, welche die Unternehmen generell und der Verwaltungsrat im Speziellen der Kommunikation schenken, erfragt. Schliesslich wird im letzten Teil die Integration der rechtlichen Kommunikationsverpflichtungen in die Corporate Communication untersucht. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, Schlüsse im Hinblick auf die Situation in der Praxis zu ziehen und mögliche Verbesserungen vorzuschlagen. Hierzu werden auch die Erkenntnisse aus den Interviews mit den Kommunikationsfachleuten benutzt. 3.2 Methode 3.2.1 Stichprobe Die Zielgruppe (Grundgesamtheit) der Untersuchung sind Aktiengesellschaften in der Schweiz. Bezüglich der Grösse der Unternehmen wurde eine möglichst grosse Streuung angestrebt. Auf die Befragung von Mikrounternehmen wurde allerdings verzichtet. Kategorisiert werden können die befragten Unternehmen einerseits als KMU sowie andererseits als Grossunternehmen gemäss den Grössenklassen des Bundesamts für Statistik. 357 Danach haben KMU bis zu 249 Vollzeitäquivalente. Grossunternehmen haben 250 und mehr Vollzeitäquivalente. Eine genauere Unterteilung der KMU in kleine und mittlere Unternehmen 358 unterbleibt. Diese Unterscheidung lässt jeweils Vergleiche zu, ob Unterschiede bei den Resultaten bei KMU und Grossunternehmen bestehen. Interessant dürfte insbesondere sein, ob die Resultate der einzelnen Kategorien (KMU oder Grossunternehmen) voneinander stochastisch unabhängig sind, d.h. ob die Resultate sich aufgrund der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen voneinander unterscheiden. Dieser Frage wird jeweils nachgegangen. Die Stichprobe der angefragten Unternehmen wurde aus zwei Pools gesammelt. Einerseits wurde die Liste der Gönner des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitsrecht der Universität St. Gallen (FAA-HSG) benutzt, um die Umfrage an alle darin enthaltenen Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft zu senden (35 Anfragen, 14 Antworten). Ergänzend wurden 70 Kandida356 357 358 Die Frage nach dem Kommunikationsreglement wird angesichts der qualitativen Aspekte auch in den Experteninterviews thematisiert, weshalb die Diskussion in einem späteren Abschnitt im Rahmen der Diskussion der Ergebnisse der Interviews erfolgt. Vgl. http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/02/blank/key/01/groesse.html. Mikrounternehmen wurden nicht befragt. 39 ten aus dem Verzeichnis der grössten Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen nach Branchen der Handelszeitung zufällig ausgewählt (random sample 359) und angeschrieben (70 Anfragen, 12 Antworten). 360 Somit besteht die gesamte Stichprobe aus zwei Klumpenstichproben 361, 362. Insgesamt wurden 105 Unternehmen angeschrieben und es wurden 26 ausgefüllte Fragebogen zurückgesandt (n = 26). Das Verhältnis der zurückerhaltenen Fragebogen (8 von KMU; 18 von Grossunternehmen) entspricht nicht der Verteilung in der Realität, wo 99.4% der Unternehmen als KMU und nur 0.6% als Grossunternehmen gelten. 363 Somit besteht eine quotenmässige Überrepräsentation der Grossunternehmen in der Untersuchung gegenüber der Realität. Aufgrund der Teilung in KMU und Grossunternehmen ist jedoch ein relativer Vergleich der beiden Kategorien in methodisch korrekter Weise möglich. Die zurückgesandten Fragebogen wurden von Unternehmen diverser Branchen364 ausgefüllt. Die Antworten aus der Kategorie KMU stammen aus folgenden Branchen: verarbeitendes Gewerbe, Industrie (4); Energie- und Wasserversorgung (2); Handel, Reparatur von Automobilen und Gebrauchsgütern (1) sowie Kredit- und Versicherungsgewerbe (1). Bei den Grossunternehmen sind ausgefüllte Fragebogen aus folgenden Branchen zurückgesandt worden: verarbeitendes Gewerbe, Industrie (6); Energie- und Wasserversorgung (2); Handel, Reparatur von Automobilen und Gebrauchsgütern (1); Gastgewerbe (1); Verkehr und Nachrichtenübermittlung (1); Kredit- und Versicherungsgewerbe (5); Immobilienwesen, Vermietung, Informatik, Forschung und Entwicklung, Erbringung von Dienstleistungen für Unternehmen (1) sowie Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen (1). Vorliegend wird mit zwei Klumenstichproben gearbeitet. Die Stichproben entsprechen in Bezug auf die Kategorien allerdings nicht der Verteilung in der Realität. Es wurden auch mehr Grossunternehmen als KMU angeschrieben, weshalb in der Stichprobe schon von daher eine deutliche Überrepräsentation der Grossunternehmen gegenüber der Realität besteht. Zudem war die Rücklaufquote von den angeschriebenen Unternehmen in den einzelnen Kategorien unterschiedlich hoch. Die Klumpenauswahl war auch nicht zufällig, da nur eine beschränkte Anzahl möglicher Klumpen zur Verfügung stand. Die beiden Klumpen sind ihrerseits wiederum nicht repräsentativ zur Grundgesamtheit. Es entstehen deshalb mehrere Verzerrungen, weshalb die Resultate nicht für die Zielpopulation repräsentativ sind. Somit entsteht eine nicht probabilistische Stichprobe.365 3.2.2 Messinstrumente Die lancierte Umfrage besteht aus einem Fragebogen mit 9 Fragen zu vier Themenkreisen im Rahmen der Corporate Communication. Einige Fragen waren mit "ja" oder "nein" zu beantworten (dichotome Nominalskalierung 366) und teilweise bestand die Möglichkeit der offenen Fragenbeantwortung zur Erläuterung. Bei zwei Fragen konnte aus mehreren Antwortmöglichkeiten ausgewählt wer359 360 361 362 363 364 365 366 Vgl. BORTZ/DÖRING, 394 ff. Diese Liste teilt bezüglich der Grössenkriterien jedoch primär nach Umsatz und nicht nach Vollzeitstellen ein. Deshalb sind in dieser Liste auch diverse Unternehmen mit weniger als 249 Vollzeitstellen dabei. Z.B. verfügt eines der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen aus dieser Liste über 13 Vollzeitstellen. BORTZ/DÖRING, 394 ff., 481. Die beiden Klumpen überschnitten sich teilweise (minimal). Nachdem bei der grösseren Stichprobe (Liste der Handelszeitung) die Kandidaten zufällig ausgewählt wurden, waren aber keine Überschneidungen mehr vorhanden. http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/06/02/blank/key/01/groesse.html. Die Brancheneinteilung wurde gemäss der allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige NOGA des Bundesamts für Statistik vorgenommen. Vgl. BORTZ/DÖRING, 402. HIRSIG, 5.51 ff. 40 den, wobei bei einer dieser Fragen auch eine eigene Antwort gegeben werden konnte, bei der anderen hingegen nicht. Der Fragebogen ist wortlautgetreu im Anhang abgedruckt. 3.2.3 Ablauf Angeschrieben wurden 105 Unternehmen per E-Mail (87) und per Post (18). Die Unternehmen wurden im Begleitbrief darum geben, die Umfrage durch ein Geschäftsleitungs- oder Verwaltungsratsmitglied ausfüllen zu lassen. In den allermeisten Fällen wurde der Bitte entsprochen und die Umfrage durch ein Geschäftsleitungsmitglied, den Generalsekretär oder den Company Secretary oder Board Secretary ausgefüllt. Teilweise antworteten auch Mitglieder des Verwaltungsrats oder der Verwaltungsratspräsident selbst. Die Qualität der Antworten war demgemäss praktisch durchwegs hoch; teilweise wurden Erläuterungen zu einer allfälligen speziellen Firmensituation hinzugefügt. Insgesamt betrug die Rücklaufquote, nachdem jene Unternehmen, die nicht innert einer Frist von 2 Wochen geantwortet haben, mittels eines Erinnerungs-E-Mails erneut gebeten wurden, die Umfrage ausgefüllt zurückzusenden, 24.76% (insgesamt 26 Fragebogen mit verwertbaren Antworten wurden zurückgesandt). 367 Wo dies möglich war, wurde der Begleitbrief zum Fragebogen persönlich abgefasst. Zumindest wurde – bei Fehlen einer direkten Ansprechperson – das Unternehmen individuell angesprochen. In diesem Begleitbrief wurden die Personen nachdrücklich gebeten, an der Umfrage teilzunehmen und den Fragebogen auszufüllen. Auch wurde auf die vertrauliche Behandlung der erhobenen Daten hingewiesen. 3.3 Untersuchungsgrenzen Die Untersuchung ist auf Unternehmen in der Schweiz in der Rechtsform der Aktiengesellschaft beschränkt. Für die aus der Methode sich ergebenden Einschränkungen sei auf das vorhergehende Kapitel 3.2 (Beschreibung der Stichprobe, der Messinstrumente und des Untersuchungsablaufs) verwiesen. 3.4 Resultate und Diskussion 3.4.1 Einleitung Hier werden die einzelnen Fragen vorgestellt, deren Zweck skizziert und die Resultate diskutiert. 368 Bei den Antworten sind jeweils Angaben zur Gesamtzahl angegeben, da nicht immer alle Fragen beantwortet wurden. Die Reihenfolge der Fragendiskussion folgt den thematischen Gegebenheiten und nicht der Nummerierung im Fragebogen. Die Auswertung beschränkt sich in diesem Teil auf die quantitativen Untersuchungen. Qualitative Aspekte der erhaltenen Antworten werden im folgenden Kapitel 3.5 mittels der an Kommunikationsexperten gerichteten Fragen untersucht. Geprüft werden mit den erhaltenen Angaben jeweils zwei Fragen: 1. Weichen die beobachteten von den erwarteten Werten für die jeweilige Kategorie signifikant ab? 369 367 368 369 Ein solches Vorgehen empfehlen BORTZ/DÖRING, 256 ff. Der ganze Fragebogen findet sich im Anhang. Die ersten stellen die erhaltenen Antworten der Unternehmen dar, die letzteren stellen Werte dar, wie sie die Theorie nahe legt. 41 Zur Prüfung der Signifikanz der Abweichung wird der eindimensionale Chi-Quadrat-Test benutzt. Dieser ermöglicht den Untersuch von Werten von einer Merkmalsdimension auf 2 Ausprägungsgrade hin. 370 Wenn, was aufgrund des eher kleinen Stichprobenumfangs bei den erhaltenen Antworten von den KMU teilweise zutrifft, mindestens ein Wert der erwarteten Häufigkeit fe unter 5 angesetzt werden müsste, kann der eindimensionale Chi-Quadrat-Test nicht benutzt werden. 371 In solchen Fällen wurden die Kategorien KMU und GU, sofern inhaltlich rechtfertigbar, zusammengelegt. 372 Dies ist auch der Grund, weshalb bei den erwarteten Werten fe für die Berechnungen niemals der Wert 5 unterschritten wird, auch wenn ich eigentlich teilweise von einem stärker divergierenden Verhältnis ausgegangen wäre. Der Freiheitsgrad beträgt bei dieser Untersuchung 1 (df = 1). 373 Die Berechnungen für diese Frage wurden mittels des Programms "Microsoft Office Excel 2007" mittels der Funktion "Chitest" ausgeführt. Die berechneten Zahlen für die einzelnen Fragen finden sich im Anhang. 374 2. Sind die Werte für die beiden Kategorien voneinander stochastisch unabhängig? Die Berechnungsmethode dafür ist der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test. Er dient dazu, Untersuchungen mit 2 Merkmalsdimensionen auf 2 Ausprägungsgrade hin zu untersuchen. 375 Damit kann analysiert werden, ob die zwei untersuchten Merkmale (vorliegend das Merkmal "Unternehmensgrösse" (KMU oder GU) sowie das Merkmal "mit" bzw. "ohne" (Vorschriften, Weisungen etc.)) voneinander stochastisch unabhängig sind. Der Freiheitsgrad beträgt bei dieser Untersuchung 1 (df = 1). 376 Die Berechnungen finden sich jeweils im Anhang. Bei beiden Fragen werden jeweils eine Arbeitshypothese (H0) und eine Alternativhypothese (H1) aufgestellt. Wenn die beobachteten Abweichungen statistisch signifikant sind, ist H0 zugunsten der Alternativhypothese H1 zu verwerfen. 377 3.4.2 Unternehmensinterne Vorschriften zur Kommunikation a) Existenz von Kommunikationsvorschriften Die erste Frage war darauf gerichtet, ganz allgemein herauszufinden, ob und ggf. wo sich bei den befragten Unternehmen Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats finden. Die Frage wurde in der Annahme, dass vor allem bei KMU eine schlechte Sensibilisierung bestehen und deshalb kaum Vorschriften vorhanden sein dürften, gestellt (Annahme, dass 30% über keine Vorschriften verfügen). Bei den Grossunternehmen wurde davon ausgegangen, dass etwa bei gleich vielen Probanden 370 371 372 373 374 375 376 377 Vgl. HIRSIG, 5.51. Im Normalfall müssen bei diesem Test die Populationswerte bekannt sein. Vorliegend stehen diese aber nicht zur Verfügung. Dennoch wende ich das Verfahren an, um überprüfen zu können, ob die aufgrund der Lehre zu erwartenden Werte von der Praxis aufgenommen wurden. So werden anstelle bekannter Populationswerte die von der Lehre nahe gelegten Werte genommen. Dies rechtfertigt m.E. die Anwendung des eindimensionalen Chi-Quadrat-Tests auch ohne bekannte Populationswerte. Die Chi-Quadrat-Werte würden sonst ohnehin signifikant. Vgl. zum Vorgehen HIRSIG, 5.51 ff. Vgl. HIRSIG, 5.53. Der vom Programm gelieferte Wert bei Eingabe der Variablen fe und fb ist bereits der Signifikanzwert. Das Programm überspringt den Schritt der Berechnung des Chi-Quadrat-Werts. Vgl. HIRSIG, 5.70 ff. Vgl. HIRSIG, 5.71. Zum Vorgehen vgl. HIRSIG, 5.50 ff. 42 teilweise Vorschriften vorhanden sein dürften sowie nicht (Annahme, dass 50% über Vorschriften verfügen). ˗ ˗ ˗ Es sind 26 verwertbare Antworten eingegangen. Bei 3 von 8 KMU sowie bei 5 von 18 Grossunternehmen existieren überhaupt keine Vorschriften. Bei 5 von 8 KMU sowie bei 13 von 18 Grossunternehmen existieren Vorschriften: ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ Bei einem KMU sowie 2 Grossunternehmen sind Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats in den Statuten zu finden. Bei 5 KMU und bei 8 Grossunternehmen sind Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats im Organisationsreglement zu finden. 1 KMU und 1 Grossunternehmen haben Merkblätter für die Kommunikation des Verwaltungsrats. Weder bei den KMU noch bei den Grossunternehmen benutzt der Verwaltungsrat ein Kommunikationsreglement. Bei einem Grossunternehmen ist aber ein solches geplant. In einem KMU sind Vorschriften in Beschlüssen und Protokollen zu finden. Bei 3 Grossunternehmen sind Vorschriften in der Group Media Policy oder dem Board of Directors Charter zu finden. KMU 6 5 4 3 2 1 0 GU 15 10 erwartet erwartet 5 beobachtet beobachtet 0 mit ohne Vorschriften Vorschriften mit ohne Vorschriften Vorschriften Untersuchung 1: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass in der Kategorie Grossunternehmen in etwa gleich viele Unternehmen über Vorschriften verfügen wie nicht. Die Anzahl Probanden betrug 18. H0 bedeutet in diesem Fall, dass jeweils 9 Unternehmen überhaupt über Vorschriften verfügen und 9 keinerlei Vorschriften haben. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass es nicht gleich viele Grossunternehmen sind, die über Vorschriften verfügen wie solche, die nicht über Vorschriften verfügen. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat für die Grossunternehmen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Abweichungen vom erwarteten Wert zufällig zustande gekommen sind, 5.93% beträgt. Dies bedeutet, dass fast eine signifikante Abweichung der beobachteten Verteilung von der erwarteten vorliegt. Mangels Unterschreitung der 5-%-Grenze der Wahrscheinlichkeit kann aber nicht von einer signifikanten Abweichung gesprochen werden. Es kann deshalb zu 5.93% nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse zufällig zustande gekommen sind. Dieser Wert ist aber angesichts der kleinen Stichprobe schon relativ gut. Es kann also fast davon ausgegangen werden kann, dass die beobachtete Abweichung von der erwarteten Verteilung signifikant ist. Für die KMU ist kein eindimensionaler Chi-Quadrat-Test möglich, da der erwartete Wert für KMU ohne Vorschriften 5 unterschreitet (3). Es kann somit nicht geklärt werden, ob die Abweichung vom erwarteten Wert bei den KMU signifikant ist. 43 Untersuchung 2: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien voneinander stochastisch unabhängig sind. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU nicht ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über Vorschriften verfügt oder nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien zueinander in einem stochastischen Zusammenhang stehen. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über Vorschriften verfügt oder nicht. Der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test zur Untersuchung der stochastischen Unabhängigkeit hat in diesem Fall ergeben, dass die beobachtete Abweichung von der Arbeitshypothese H0 keine Signifikanz aufweist. Somit kann die Arbeitshypothese H0 nicht verworfen werden. Es muss vorliegend davon ausgegangen werden, dass die beobachteten Werte unabhängig von der Zugehörigkeit des Unternehmens zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen zustande gekommen sind. ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ b) Die Annahmen für die KMU (Annahme 30% haben Vorschriften, 70% haben keine Vorschriften) wurden somit deutlich übertroffen (Beobachtet: 62.5% haben Vorschriften; 37.5% haben keine Vorschriften). Auch bei den Grossunternehmen wurde die Annahme von 50% für Unternehmen mit Vorschriften deutlich übertroffen: Der beobachtete Wert für die Unternehmen mit Vorschriften beträgt 72.22%; nur 27.78% verfügen über keine Vorschriften. Allerdings ist einschränkend anzumerken, dass nur mit 94.07%-iger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass diese Ergebnisse zufällig zustande gekommen sind. Die beobachteten Werte sind somit knapp nicht signifikant. Über beide Kategorien betrachtet verfügen 69.23% der Unternehmen über Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats; 30.76% verfügen über keinerlei diesbezügliche Vorschriften. Es ist kein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit des Unternehmens zu einer Kategorie und der Tatsache, ob in einem Unternehmen Vorschriften existieren oder nicht, erstellt. Dies ist einigermassen überraschend, denn es wurde davon ausgegangen, dass insbesondere bei den KMU eine schlechte Sensibilisierung für das Thema "Kommunikation des Verwaltungsrats" vorhanden sein dürfte. Angenommen wurde weiter, dass bei den Grossunternehmen dem Thema ein etwas höheres Gewicht beigemessen werden dürfte. Dies ist der Fall, und zwar sogar in einem höheren Ausmass als erwartet. Die vielen Angaben zu anderen Dokumenten als den in der Umfrage vorgegebenen Alternativen (Statuten, Organisationsreglement, Merkblatt, VR-Kommunikationsreglement) lassen darauf schliessen, dass die Reglementierung der Kommunikation des Verwaltungsrats in den Unternehmen, die an der Untersuchung teilgenommen haben, durchaus einen hohen Stellenwert geniesst. Existenz von internen Weisungen zur Kommunikation nach Aussen Die dritte Frage lautete: "Bestehen in Ihrem Unternehmen interne Weisungen für die Mitarbeiter zur Kommunikation gegen Aussen? (Z.B. Mitarbeiter-Merkblatt)". Ziel war dabei, danach zu forschen, ob bspw. klare Richtlinien für Medienanfragen, Checklisten für Spontananfragen oder diesbezügliche Handlungsanweisungen bestehen. Medienanfragen können an jeden Mitarbeiter gelangen. Nicht jeder Mitarbeiter ist aber zur Auskunftserteilung qualifiziert und auch befugt. Ich bin davon ausgegangen, dass sich die Unternehmen der Brisanz dieser Fragen bewusst sind und deshalb in relativ vielen Unternehmen solche Merkblätter existieren (Annahme: 70% für KMU und GU). 44 - Es sind 25 Antworten eingegangen. Ein Unternehmen hat die Frage nicht beantwortet. Bei 3 von 8 KMU und 4 von 17 Grossunternehmen existieren keine Weisungen. Bei 5 von 8 KMU und 13 von 17 Grossunternehmen existieren Weisungen. KMU 6 5 4 3 2 1 0 GU 15 10 erwartet beobachtet mit Weisungen ohne Weisungen erwartet 5 beobachtet 0 mit ohne Weisungen Weisungen Untersuchung 1: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass 70% der Grossunternehmen über Weisungen verfügen und 30% nicht. Die Probandenzahl betrug 17. H0 bedeutet in diesem Fall, dass 12 Unternehmen über Weisungen verfügen und 5 nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht 12 Grossunternehmen über Weisungen verfügen und 5 nicht. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat für die Grossunternehmen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die beobachteten Abweichungen vom erwarteten Wert zufällig zustande gekommen sind, 59.45% beträgt. Damit liegt keine signifikante Abweichung von den erwarteten Werten fe vor. H0 ist deshalb nicht zu verwerfen. Für die KMU ist kein eindimensionaler Chi-Quadrat-Test möglich, da die Anzahl der KMU ohne Vorschriften den Wert 5 unterschreitet (3). Es kann somit nicht geklärt werden, ob die beobachtete Abweichung vom erwarteten Wert bei den KMU signifikant ist. Untersuchung 2: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien voneinander stochastisch unabhängig sind. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU nicht ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über interne Weisungen zur Kommunikation gegen Aussen verfügt oder nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien zueinander in einem stochastischen Zusammenhang stehen. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über interne Weisungen zur Kommunikation gegen Aussen verfügt oder nicht. Der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test zur Untersuchung der stochastischen Unabhängigkeit hat in diesem Fall ergeben, dass die Abweichung von der Arbeitshypothese H0 keine Signifikanz aufweist. Somit kann die Arbeitshypothese H0 nicht verworfen werden. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die beobachteten Werte unabhängig von der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen zustande gekommen sind. ˗ ˗ Die Annahmen für die KMU (Annahme 70% haben Weisungen; 30% haben keine Weisungen) wurden somit leicht unterschritten (Beobachtet: 62.50% haben Weisungen; 37.5% haben keine Weisungen). Bei den Grossunternehmen liegt der beobachtete Wert für Unternehmen mit Weisungen (76.47%) nahe beim erwarteten Wert von 70%. Sowohl bei den KMU als auch bei den Gross45 ˗ ˗ ˗ unternehmen bestehen häufig derartige Weisungen. Die Ausgangshypothese ist überdies angesichts der zu 59.45% zufälligen Abweichungen beizubehalten. Über beide Kategorien betrachtet verfügen 72% der Unternehmen über Weisungen; 28% setzen keine Weisungen ein. Die getroffene Hypothese, dass bei 70% der Unternehmen interne Weisungen zur Kommunikation nach Aussen vorhanden sind, wurde in etwa bestätigt. Es ist kein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Kategorie und der Tatsache, dass das Unternehmen über Weisungen verfügt, erstellt. Dieses Ergebnis widerspricht der Ausgangshypothese nicht. Offenbar sind sich die Unternehmen, die am Test teilgenommen haben, mehrheitlich der Vorteile des in der Literatur propagierten "Mit einer Stimme Sprechens" bewusst. Da die Corporate Identity von zentraler Bedeutung für die Wahrnehmung des Unternehmens in der Öffentlichkeit ist, sollten die Unternehmen, die keine diesbezüglichen Weisungen besitzen, dies überdenken und bei Bedarf handeln. 3.4.3 Unternehmensinterne Bedeutung der Kommunikation Mittels der folgenden Fragen werden verschiedene Aspekte angesprochen, die Aussagen über den Bereich der Bedeutung, die der Kommunikation im Unternehmen – in erster Linie durch den Verwaltungsrat – beigemessen wird. a) Kommunikation in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung Die vierte Frage war darauf ausgerichtet, in Erfahrung zu bringen, ob die Unternehmen im Verwaltungsrat das Thema Kommunikation traktandieren. Zudem wurde nach dem Einsatz von überlappenden Kommunikationsgruppen 378 gefragt. Daraus sollen Rückschlüsse darauf gezogen werden, inwieweit die Kommunikationsstrategie vom Verwaltungsrat das Unternehmen über die verschiedenen Hierarchiestufen durchdringt. Es wird bei der Untersuchung davon ausgegangen, dass 72% der Unternehmen (KMU und Grossunternehmen) Geschäftsleitungs-Kommunikationssitzungen abhalten, 28% hingegen nicht. Für die Geschäftsleitungs-Bereichs-Kommunikationssitzungen wird angenommen, dass nur 28% der Unternehmen (KMU und Grossunternehmen) solche kennen und 72% nicht, da diese in der Literatur nur selten vorgeschlagen werden. Bei der Frage nach der Traktandierung des Themas "Kommunikation im Verwaltungsrat" wurde bei den Annahmen differenziert: 50% der Grossunternehmen würden das Thema traktandieren; bei den KMU wurde der Prozentsatz derjenigen, die das Thema traktandieren, auf 25% geschätzt. ˗ ˗ ˗ ˗ 378 26 Antworten sind eingegangen. Bei 2 von 8 KMU und bei 10 von 18 Grossunternehmen werden GL-Kommunikationssitzungen abgehalten. 2 von 8 KMU und 6 von 18 Grossunternehmen halten GL-Bereichs-Kommunikationssitzungen ab. In 3 von 8 KMU und 8 von 18 Grossunternehmen wird das Thema Kommunikation im Verwaltungsrat periodisch / bei Bedarf traktandiert. Vgl. Kapitel 2.3.4. 46 KMU 7 6 5 4 3 2 1 0 GU erwartet beobachtet 14 12 10 8 6 4 2 0 KMU 7 6 5 4 3 2 1 0 erwartet beobachtet GU erwartet 14 12 10 8 6 4 2 0 erwartet beobachtet beobachtet KMU 7 6 5 4 3 2 1 0 GU erwartet beobachtet 12 10 8 6 4 2 0 erwartet beobachtet 47 Untersuchung 1: Bei der Frage 4a besagt die Arbeitshypothese H0, dass 72% der Grossunternehmen GeschäftsleitungsKommunikationssitzungen durchführen und 28% nicht. Die Probandenzahl betrug 18. H0 bedeutet in diesem Fall, dass 13 Unternehmen Geschäftsleitungs-Kommunikationssitzungen durchführen und 5 nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht 13 Grossunternehmen Geschäftsleitungs-Kommunikationssitzungen durchführen und 5 nicht. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat für die Grossunternehmen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die beobachteten Abweichungen vom erwarteten Wert zufällig zustande gekommen sind, 11.44% beträgt. Damit liegt keine signifikante Abweichung von den erwarteten Werten fe vor. H0 ist deshalb nicht zu verwerfen. Für die KMU ist kein eindimensionaler Chi-Quadrat-Test möglich, da der erwartete Wert für KMU ohne Vorschriften 5 unterschreitet (2). Es kann somit nicht geklärt werden, ob die beobachtete Abweichung vom erwarteten Wert bei den KMU signifikant ist. Bei der Frage 4b besagt die Arbeitshypothese H0, dass 72% der Grossunternehmen keine Geschäftsleitungs-Bereichs-Kommunikationssitzungen kennen und 28% solche kennen. Die Probandenzahl betrug 18. H0 bedeutet in diesem Fall, dass 13 Grossunternehmen keine solchen Sitzungen kennen und 5 solche Sitzungen kennen. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht 13 Grossunternehmen keine Geschäftsleitungs-Bereichs-Kommunikationssitzungen kennen und 5 solche kennen. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat für die Grossunternehmen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die beobachteten Abweichungen vom erwarteten Wert zufällig zustande gekommen sind, 60% beträgt. Damit liegt keine signifikante Abweichung von den erwarteten Werten vor. H0 ist deshalb nicht zu verwerfen. Für die KMU ist kein eindimensionaler Chi-Quadrat-Test möglich, da der erwartete Wert für KMU ohne Vorschriften 5 unterschreitet (2). Es kann somit nicht geklärt werden, ob die beobachtete Abweichung vom erwarteten Wert bei den KMU signifikant ist. Bei der Frage 4c besagt die Arbeitshypothese H0, dass 50% der Grossunternehmen das Thema Kommunikation im Verwaltungsrat traktandieren und 50% dies nicht tun. Die Probandenzahl betrug 18. H0 bedeutet in diesem Fall, dass in 9 Unternehmen das Thema im Verwaltungsrat traktandiert wird und in 9 nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht in 9 Unternehmen das Thema im Verwaltungsrat traktandiert wird und in 9 nicht. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat für die Grossunternehmen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Abweichungen vom erwarteten Wert zufällig zustande gekommen sind, 64% beträgt. Damit liegt keine signifikante Abweichung von den erwarteten Werten fe vor. H0 ist deshalb nicht zu verwerfen. Für die KMU ist kein eindimensionaler Chi-Quadrat-Test möglich, da der erwartete Wert für KMU ohne Vorschriften 5 unterschreitet (3). Es kann somit nicht geklärt werden, ob die beobachtete Abweichung vom erwarteten Wert bei den KMU signifikant ist. Untersuchung 2: Fragen 4a, 4b und 4c: Die Arbeitshypothese H0 besagt bei allen 3 Fragen, dass die Werte für die beiden Kategorien voneinander stochastisch unabhängig sind. Das heisst, dass davon ausgegangen wird, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU nicht ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über die entsprechenden Sitzungen verfügt bzw. das Thema im Verwaltungsrat traktandiert oder nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt bei allen 3 Fragen, dass die Werte für die beiden Kategorien in einem stochastischen 48 Zusammenhang zueinander stehen. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über Vorschriften verfügt oder nicht. Der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test zur Untersuchung der stochastischen Unabhängigkeit hat bei allen drei Antworten ergeben, dass die Abweichungen von der Arbeitshypothese H0 keine Signifikanz aufweisen. Somit kann die Arbeitshypothese H0 bei allen 3 Fragen nicht verworfen werden. Es ist vorliegend bei allen 3 Fragen davon auszugehen, dass die beobachteten Werte unabhängig von der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen zustande gekommen sind. ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ 379 380 Bei den KMU führen 25% der befragten Unternehmen GeschäftsleitungsKommunikationssitzungen durch; 75% verzichten darauf. Dies ist das diametrale Gegenteil der Annahme. Bei den Grossunternehmen beträgt der Prozentsatz der Unternehmen, die GeschäftsleitungsKommunikationssitzungen kennen, 55.56%. 44.44% führen keine solchen Sitzungen durch. Die Annahme wird hier leicht untertroffen. Da die Abweichungen zu 11.44% zufällig sind, ist die Ausgangshypothese beizubehalten. Bei den befragten Grossunternehmen ist die Quote der Unternehmen, die GeschäftsleitungsKommunikationssitzungen durchführen, ungleich höher als bei den KMU. Allerdings muss gemäss Berechnung dennoch von einer stochastischen Unabhängigkeit der Kategorien ausgegangen werden. Gesamthaft betrachtet halten 46.15% der befragten Unternehmen GeschäftsleitungsKommunikationssitzungen ab, 53.85% halten keine solchen ab. Insgesamt wird also dem Thema Kommunikation zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung keine allzu grosse Bedeutung beigemessen. Offenbar – und dies bestätigen auch die Experteninterviews379 – besteht hier eine schlechte Sensibilisierung für das Thema. Insbesondere während eines befriedigenden Geschäftsgangs sehe man kaum Anlass, die Kommunikation zu traktandieren. Dies ändert sich aber allenfalls sehr rasch, wenn die Ergebnisse nicht mehr befriedigen. 25% der befragten KMU halten Geschäftsleitungs-Bereichs-Kommunikationssitzungen ab, 75% halten keine solchen ab. Dies entspricht genau den Erwartungen. 33.33% der Grossunternehmen führen Geschäftsleitungs-Bereichs-Kommunikationssitzungen durch, 66.67% kennen solche Sitzungen nicht. Dies weicht vom erwarteten Wert (25% bzw. 75%) leicht ab. Die Ausgangshypothese ist hier überdies beizubehalten, denn die Abweichungen sind zu 60% zufällig zustande gekommen. Über beide Kategorien betrachtet halten 69.23% der Unternehmen keine solchen Sitzungen ab; 30.77% setzen solche Sitzungen ein. Offenbar sind solche Sitzungen nicht allzu bekannt, weder bei KMU noch bei Grossunternehmen. Das Thema Durchlässigkeit der Kommunikation und der Kommunikationsstrategie scheint (noch) nicht in der Praxis angekommen zu sein. Dafür sprechen, dass das Thema Kommunikation schon in den Geschäftsleitungen nur selten ständiges Traktandum ist 380 und auch das seltene Vorkommen von Geschäftsleitungs-Bereichs-Kommunikationssitzungen in der Literatur. Solche Sitzungen böten den Vorteil, dass eine Durchlässigkeit der Kommunika- Vgl. die Interviews mit Beatrice Tschanz und Christian Bretscher im Anhang. Vgl. das Interview mit Christian Bretscher. 49 tionsstrategie top-down sichergestellt und insbesondere auch bottom-up Rückmeldungen ermöglicht würden. ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ b) Im Verwaltungsrat wird bei 44.44% der Grossunternehmen das Thema Kommunikation periodisch traktandiert. 55.56% der Grossunternehmen traktandieren das Thema Kommunikation im Verwaltungsrat offenbar nicht. Dies entspricht in etwa der erwarteten Prozentzahl (je 50%). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Abweichung zu 64% zufällig zustande gekommen ist, weshalb die Ausgangshypothese beizubehalten ist. Bei den KMU traktandieren 37.5% das Thema Kommunikation im Verwaltungsrat, 62.5% jedoch nicht. Dies übertrifft bezüglich der das Thema traktandierenden Unternehmen die Erwartungen leicht (25% mit bzw. 75% ohne Traktandierung). Gesamthaft wird das Thema Kommunikation im Verwaltungsrat bei 42.31% der befragten Unternehmen traktandiert, bei 57.69% nicht. Auch im Verwaltungsrat scheint die Sensibilisierung für die Wahrnehmung der Kommunikationsaufgabe häufig schlecht zu sein. 381 Hier besteht Nachholbedarf: Nur wenn das Thema regelmässig traktandiert wird, kann die Kommunikationsstrategie ernsthaft wahrgenommen werden und insbesondere auch deren Erfolg evaluiert werden. Es ist bei allen drei Fragen kein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Kategorie (KMU oder Grossunternehmen) und den gegebenen Antworten erstellt. Verbesserung der verwaltungsratsinternen Kommunikation Die achte Frage ist auf das allfällige Bedürfnis des Verwaltungsrats, seine interne Kommunikation zu verbessern und diesbezüglich angewandte Massnahmen gerichtet. Es wurde davon ausgegangen, dass insbesondere bei KMU dem Thema Kommunikation des Verwaltungsrats und deren Verbesserung kaum Bedeutung beigemessen würde (Annahme: 25%). Bei den Grossunternehmen wurde die Sensibilisierung für das Thema auf 50% geschätzt. ˗ ˗ ˗ 381 Es sind 24 Antworten eingegangen. 2 Unternehmen haben die Frage nicht beantwortet. Bei 6 von 8 KMU und bei 14 von 16 Grossunternehmen besteht kein Bedürfnis, die VRinterne Kommunikation zu verbessern. Bei 2 von 8 KMU und bei 2 von 16 Grossunternehmen besteht das Bedürfnis, die VR-interne Kommunikation zu verbessern und es wurden dazu Massnahmen eingeleitet. Angesichts der Resultate (zwar mit geringer Aussagekraft), aber auch der Interviews mit Manfred Messmer und Christian Bretscher. 50 KMU GU 15 7 6 5 4 3 2 1 0 10 erwartet beobachtet Verbesserung 5 0 erwartet beobachtet keine Verbesserung Untersuchung 1: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass bei den Grossunternehmen 50% der Verwaltungsräte ihre interne Kommunikation verbessern wollen und 50% nicht. Die Probandenzahl betrug 16. H0 bedeutet in diesem Fall, dass 8 Unternehmen die verwaltungsratsinterne Kommunikation verbessern wollen und 8 nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht 8 Verwaltungsräte bei den befragten Grossunternehmen ihre interne Kommunikation verbessern wollen und 8 nicht. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat für die Grossunternehmen einen hoch signifikanten Wert (p<0.1%) für die Abweichungen von H0 ergeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die beobachteten Abweichungen vom erwarteten Wert zufällig zustande gekommen sind, ist somit äusserst gering. Für die KMU ist kein eindimensionaler Chi-Quadrat-Test möglich, da der erwartete Wert für KMU ohne Vorschriften den Wert 5 unterschreitet (2). Es kann somit nicht geklärt werden, ob die beobachtete Abweichung vom erwarteten Wert bei den KMU signifikant ist. Untersuchung 2: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien voneinander stochastisch unabhängig sind. Das heisst, dass davon ausgegangen wird, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU nicht ausschlaggebend ist, ob der Verwaltungsrat seine interne Kommunikation verbessern will oder nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien zueinander in einem stochastischen Zusammenhang stehen. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU ausschlaggebend ist, ob der Verwaltungsrat seine interne Kommunikation verbessern will oder nicht. Der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test zur Untersuchung der stochastischen Unabhängigkeit hat in diesem Fall ergeben, dass die Abweichung von der Arbeitshypothese H0 keine Signifikanz aufweist. Somit kann die Arbeitshypothese H0 nicht verworfen werden. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die beobachteten Werte unabhängig von der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen zustande gekommen sind. ˗ ˗ Die Annahmen für die KMU (Annahme: 25% wollen VR-interne Kommunikation verbessern) wurden somit bestätigt. (Beobachtet: 75% wollen nicht verbessern; 25% wollen verbessern). Bei den Grossunternehmen lag die Annahme von 50% für Unternehmen mit Verbesserungswunsch sehr deutlich neben den beobachteten Werten (11.11% wollen Verbesserung; 88.89% wollen keine Verbesserung). Aufgrund der hohen Signifikanz der beobachteten Abweichung von den erwarteten Werten ist davon auszugehen, dass der Zufall als Grund für die Abweichungen von den erwarteten Werten weitestgehend ausgeschlossen werden kann. 51 ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ c) Über beide Kategorien betrachtet beträgt die Quote der Unternehmen, die ihre VR-interne Kommunikation verbessern wollen, 16.67%. 83.33% wünschen keine Verbesserung. Es ist überdies kein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Unternehmenskategorie und der Tatsache, dass der Verwaltungsrat seine interne Kommunikation verbessern will, erwiesen. Die Resultate lassen m.E. drei Schlüsse zu: Eine mögliche Erklärung für die empirisch beobachteten Daten ist, dass über 80% der befragten Unternehmen über eine äusserst gut entwickelte interne Kommunikation im Verwaltungsrat verfügen. Eine weitere Erklärung ist, dass sich die Unternehmen der Notwendigkeit, die interne Kommunikation im Verwaltungsrat zu verbessern, nicht bewusst sind. Die dritte Erklärung ist, dass die Frage aufgrund sozialer Erwünschtheit 382 vermehrt nicht ehrlich beantwortet wurde. Dass die Frage falsch verstanden wurde, erscheint angesichts ihrer einfachen Formulierung als unwahrscheinlich. Zudem ist aufgrund meiner eigenen Erfahrungen bei den Kontakten mit den Unternehmen auch nicht damit zu rechnen, dass vermehrt nicht sachkundige Personen die Antworten gegeben hätten. Ein abschliessendes Urteil lässt sich nicht bilden. Dennoch legen die Ergebnisse zusammen mit den Erkenntnissen aus den Interviews 383 den Schluss nahe, dass die verwaltungsratsinterne Kommunikation offenbar meistens (zumindest ausserhalb von Krisenzeiten) gut funktioniert. Als Gründe dafür können eine zunehmende Professionalisierung insbesondere bei den Aufgaben des Verwaltungsratspräsidenten, aber auch die Existenz kleiner, persönlich überschaubarer Verwaltungsratsgremien angesehen werden. In solchen können infolge einer hohen Entscheidungseffizienz die meisten Probleme gleich direkt gelöst werden. Das bedeutet aber nun nicht, dass damit das Thema ad acta gelegt werden darf. Vielmehr bedarf es einer Sicherstellung der Beibehaltung dieser guten Praxis, z.B. im Sinne einer Selbstund Fremdevaluation. Abschliessend ist noch anzumerken, dass die erwarteten Werte zahlenmässig bestätigt wurden. Für die Werte wurde aber von einem falschen Grund ausgegangen. Ermittlung des Unternehmensimages bei den Stakeholdern Die fünfte Frage war auf die Ermittlung des Unternehmensimages bei den Stakeholdern ausgerichtet. Konkret wurden Wege, wie die Unternehmen ihr Image bei den Stakeholdern in Erfahrung bringen, erfragt. Diesem Thema wird in der Literatur sehr hohes Gewicht beigemessen und Stakeholderanalysen werden nachdrücklich empfohlen. Dementsprechend wurde davon ausgegangen, dass die Sensibilisierung dafür sowohl bei Grossunternehmen als auch bei KMU hoch ist. (Annahme: 75% ermitteln ihr Image). ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ 382 383 Es sind 25 Antworten eingegangen. 1 Unternehmen hat die Frage nicht beantwortet. 4 von 8 KMU und 2 von 17 Grossunternehmen ermitteln ihr Image bei den Stakeholdern nicht. 3 von 8 KMU und 15 von 17 Grossunternehmen ermitteln ihr Image mittels Umfragen bei (möglicherweise) relevanten Stakeholdern. Insgesamt ermitteln von den 25 befragten Unternehmen 6 Unternehmen ihr Image nicht, 19 ermitteln es. 1 von 8 KMU und 4 von 18 Grossunternehmen setzen (auch) andere Mittel ein: 1 Grossunternehmen erhebt Kundenfeedbacks, 1 Grossunternehmen führt persönliche Gespräche mit Kun- Vgl. dazu BORTZ/DÖRING, 232 ff. Vgl. die Interviews mit Beatrice Tschanz und Christian Bretscher. 52 den, 2 erstellen Medienspiegel, in einem KMU werden Dorf- sowie Kundenfeedbacks erhoben. KMU und GU 20 15 10 erwartet 5 beobachtet 0 Ermittlung des Images keine Ermittlung des Images Untersuchung 1: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass 75% der Unternehmen ihr Image ermitteln und 25% nicht. Um auch die KMU in die Signifikanzuntersuchung mit einbeziehen zu können, wurden die beiden Kategorien Grossunternehmen und KMU für diesen Test zusammengelegt. M.E. sind keine Gründe ersichtlich, weshalb bei den beiden Kategorien KMU und GU die erwarteten Werte unterschiedlich sein sollten, was dieses Vorgehen rechtfertigt. 384 Die Probandenzahl betrug 25. H0 bedeutet in diesem Fall, dass 18.75 Unternehmen ihr Image ermitteln und 6.25 dies nicht tun. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht 18.75 Grossunternehmen ihr Image bei den Stakeholdern ermitteln und 6.25 nicht. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat ergeben, dass keine signifikanten Abweichungen von den erwarteten Werten vorliegen. Die Abweichungen von H0 sind mit 90%iger Wahrscheinlichkeit zufällig zustande gekommen. H0 ist deshalb nicht zu verwerfen. Untersuchung 2: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien voneinander stochastisch unabhängig sind. Das heisst, dass davon ausgegangen wird, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU nicht ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen sein Image bei den Stakeholdern ermittelt oder nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien zueinander in einem stochastischen Zusammenhang stehen. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen sein Image bei den Stakeholdern ermittelt oder nicht. Der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test zur Untersuchung der stochastischen Unabhängigkeit hat in diesem Fall ergeben, dass die Abweichung von der Arbeitshypothese H0 sehr signifikant ist. Somit muss die Arbeitshypothese H0 zugunsten von H1 verworfen werden. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Werte abhängig von der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen zustande gekommen sind. ˗ ˗ 384 Insgesamt ermitteln 76% der Unternehmen ihr Image bei den Stakeholdern und 24% ermitteln ihr Image nicht. Dieses Ergebnis entspricht sehr genau der erwarteten Verteilung. Die Abweichungen sind überdies zu 90% zufällig zustande gekommen, sodass die Ausgangshypothese beizubehalten ist. Es ist ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Kategorie und der Frage, ob Unternehmen ihr Image bei den Stakeholdern ermitteln, erstellt. Zu diesem Vorgehen vgl. HIRSIG, 5.53. 53 ˗ ˗ ˗ d) Die getroffene Hypothese, dass ¾ der Unternehmen ihr Image bei den Stakeholdern ermitteln, wurde empirisch bestätigt. Dabei existieren Unterschiede zwischen der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU und Grossunternehmen. Die Grossunternehmen ermitteln ihr Image deutlich häufiger. Dieser Unterschied ist auf die Zugehörigkeit zu einer Kategorie zurückzuführen. Die Annahme, dass sowohl KMU als auch Grossunternehmen häufig ihr Image bei den Stakeholdern ermitteln dürften, was in Literatur und Lehre mit Nachdruck empfohlen wird, trifft in dieser Stichprobe zumindest auf die Grossunternehmen zu. Diese Erfahrungen machen auch die befragten Experten. Probleme können sich allerdings bei der Nutzung dieser Image-Ermittlung ergeben. Viele Unternehmen tendieren dazu, zwar ihr Image zu ermitteln, die erhaltenen Werte dann aber nicht zu nutzen.385 Hier kann der Verwaltungsrat Gegensteuer geben, denn wie gesehen lassen sich aus dem Wissen der Stakeholder für ein Unternehmen wertvolle Hinweise ziehen.386 Bottom-up-Kommunikationswege in den Unternehmen In der neunten Frage wird nach institutionalisierten Wegen für die bottom-up-Kommunikation gefragt. Solche dürften, wenn sie effektiv genutzt werden, einen guten Indikator für die fortgeschrittene Ausgestaltung der Mitarbeiter-Kommunikation in den Unternehmen darstellen, sind doch nach bisherigen Erkenntnissen die top-down-Wege häufig deutlich besser ausgebaut. 387 Bottom-up-Wege werden nämlich meist erst nach den top-down-Wegen etabliert. Davon ausgehend, dass die Erkenntnisse aus der Literatur auch auf die Stichprobe zutreffen dürften, wird davon ausgegangen, dass nur bei 25% der Unternehmen (KMU und GU) solche institutionalisierten Wege bestehen. - Es sind 25 Antworten eingegangen. 1 Unternehmen hat die Frage nicht beantwortet. 3 von 8 KMU und 3 von 17 Grossunternehmen verfügen über keine institutionalisierten bottom-up-Kommunikationswege. 5 von 8 KMU und 14 von 17 Grossunternehmen verfügen über institutionalisierte bottom-upKommunikationswege im Unternehmen. Diese sind wie folgt ausgestaltet: KMU: Intranet-Feedback; CEO-Chat; Mails an GL/CEO; spezielle Events; Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge anzubringen. Grossunternehmen: Whistleblowing-Vorschriften (IV); Townhall-Meetings (III); Verbesserungsvorschlagskonzept; MA-Beurteilungs- und Förderungsgespräch (II); CEO/GL-E-Mail (IV); Feedbackmöglichkeit bei MA-Schulungen; Informationsveranstaltungen der GL sowie der operativen Einheiten; MA-Umfragen (II); Frühstück mit CEO/GL; Get together with CEO-Veranstaltungen; Arbeitnehmervertretung trifft monatlich Leiter HR und mehrmals jährlich GL; MA-Vertretung / Betriebskommission (III); Speak-up-Kultur / bewusst offene Kommunikationskultur (III); MA-Befragungen; Internet-Blogs; Reporting-Corner-Hotline; Intranet-Feedbackmöglichkeit (II); spezielle MA-Veranstaltungen. 385 386 387 Vgl. das Interview mit Beatrice Tschanz. Vgl. Kapitel 2.3.4. Vgl. MAST, 257; EINWILLER, KLÖFER und NIES, Kommunikationsmanagement, 239. 54 KMU und GU 20 15 10 erwartet beobachtet 5 0 Mit bottom-up-Kanälen Ohne bottom-up-Kanäle Untersuchung 1: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass 25% der Unternehmen über institutionalisierte Wege zur bottom-upKommunikation verfügen und 75% nicht. Um auch die KMU in die Signifikanzuntersuchung mit einbeziehen zu können, wurden die beiden Kategorien Grossunternehmen und KMU für diesen Test zusammengelegt. In diesem Fall bestand m.E. kein Grund dazu, die erwarteten Werte pro Kategorie unterschiedlich festzulegen, was dieses Vorgehen auch im Hinblick auf ein aussagekräftigeres Resultat rechtfertigt. 388 Die Probandenzahl betrug 25. H0 bedeutet in diesem Fall, dass 6.25 Unternehmen über institutionalisierte bottom-up-Kommunikationswege verfügen und 18.75 nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht 6.25 Grossunternehmen über institutionalisierte bottom-up-Kommunikationswege verfügen und 18.75 nicht. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat ergeben, dass eine hoch signifikante Abweichung (p<0.1%) von den erwarteten Werten vorliegt. H0 ist deshalb zugunsten von H1 zu verwerfen. Untersuchung 2: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien voneinander unabhängig sind. Das heisst, dass davon ausgegangen wird, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU nicht ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über institutionalisierte bottom-up-Kommunikationswege verfügt oder nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien zueinander in einem stochastischen Zusammenhang stehen. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über institutionalisierte bottom-up-Kommunikationswege verfügt oder nicht. Der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test zur Untersuchung der stochastischen Unabhängigkeit hat in diesem Fall ergeben, dass die Abweichung von der Arbeitshypothese H0 nicht signifikant ist. Somit muss die Arbeitshypothese H0 beibehalten werden. Es muss vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Werte unabhängig von der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen zustande gekommen sind. ˗ ˗ 388 Die Annahmen für die Unternehmen (Annahme: 25% verfügen über institutionalisierte bottom-up-Wege) weichen sehr stark von den empirisch beobachteten Werten (76% verfügen über institutionalisierte bottom-up-Wege, 24% nicht) ab. Sie entsprechen gar dem Gegenteil der Erwartung. Die beobachtete Abweichung ist zudem hoch signifikant. Es ist kein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Kategorie und der Frage, ob Unternehmen über institutionalisierte bottom-up-Wege verfügen, erstellt. Zu diesem Vorgehen vgl. HIRISG, 5.53. 55 ˗ ˗ Die getroffene Hypothese, dass ¾ der Unternehmen über keine institutionalisierten bottom-upWege verfügen, wurde empirisch überhaupt nicht bestätigt. Es besteht offenbar bei den befragten Unternehmen eine hohe Sensibilisierung für das Thema Aufwärtskommunikation. Dies lassen nur schon die mannigfaltigen Arten, wie die Unternehmen ihre bottom-up-Kommunikation ermöglichen, erahnen. Anzumerken bleibt allerdings, dass hier nicht beurteilt werden kann, ob die Aufwärtskommunikationswege auch wirklich benutzt werden. Die Experten äussern sich diesbezüglich kritisch. Häufig bestünden bottom-up-Kommunikationswege, die aber aufgrund mangelnden Engagements der Mitarbeiter, falschen Autoritätsdenkens oder weil sie schlicht Alibiübungen darstellten, nicht benutzt werden. Beurteilt werden könnte die wirkliche Nutzung der bottomup-Kommunikation z.B. anhand der Führung eines firmeninternen Blogs mit Kommentarfunktion, in dem sich der CEO für alle Mitarbeitenden sichtbar mit seinen Absichten und Überlegungen äussert und sich so Anregungen und Kritik stellt. 389 3.4.4 Umsetzung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften a) Rechtliche Kommunikationsvorschriften und Unternehmenskommunikation Die sechste Frage ist auf die Integration der rechtlichen Kommunikationsvorschriften in die Corporate Communication ausgerichtet. Gefragt wurde nach der Einbindung der Beachtung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften in die Unternehmenskommunikation. Angesichts der in der Literatur sehr verbreitet geforderten integrierten Kommunikation, allerdings meist ohne Berücksichtigung der juristischen Seite der Kommunikation, wurde davon ausgegangen, dass eine Einbindung sowohl bei KMU als auch bei Grossunternehmen kaum verbreitet sein dürfte (Annahme: 25% verfügen über eine Einbindung). ˗ ˗ ˗ Es sind 25 Antworten eingegangen. 1 Unternehmen hat die Frage nicht beantwortet. 5 von 8 KMU und 2 von 17 Grossunternehmen haben die rechtlichen Kommunikationsverpflichtungen nicht in die Unternehmenskommunikation eingebunden. 3 von 8 KMU und 15 von 17 Grossunternehmen haben die rechtlichen Kommunikationsverpflichtungen in die Unternehmenskommunikation eingebunden. KMU und GU 20 15 10 erwartet beobachtet 5 0 Mit Einbindung 389 Ohne Einbindung Vgl. hierzu die Interviews mit Manfred Messmer, Beatrice Tschanz und Christian Bretscher. 56 Untersuchung 1: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass 25% der Unternehmen über eine Integration der Beachtung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften in die Unternehmenskommunikation verfügen und 75% nicht. Um auch die KMU in die Signifikanzuntersuchung mit einbeziehen zu können, wurden die beiden Kategorien Grossunternehmen und KMU für diesen Test zusammengelegt. 390 Die Probandenzahl betrug daher 25. H0 bedeutet in diesem Fall, dass 6.25 Unternehmen über eine Integration verfügen und 18.75 nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass nicht 6.25 Unternehmen über eine Integration verfügen und 18.75 nicht. Der eindimensionale Chi-Quadrat-Test hat ergeben, dass eine hoch signifikante Abweichung (p<0.1%) von den erwarteten Werten vorliegt. H0 ist deshalb zugunsten von H1 zu verwerfen. Untersuchung 2: Die Arbeitshypothese H0 besagt, dass die Werte bei den beiden Kategorien voneinander stochastisch unabhängig sind. Das heisst, dass davon ausgegangen wird, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU nicht ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen die Beachtung der rechtlichen Kommunikationsverpflichtungen in ihre Unternehmenskommunikation eingebunden hat oder nicht. Die Alternativhypothese H1 besagt, dass die Werte für die beiden Kategorien zueinander in einem stochastischen Zusammenhang stehen. Das heisst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder GU ausschlaggebend ist, ob ein Unternehmen über Vorschriften verfügt oder nicht. Der 4-Felder-Chi-Quadrat-Test zur Untersuchung der stochastischen Unabhängigkeit hat in diesem Fall einen hoch signifikanten Wert ergeben. Dies besagt, dass die beiden Kategorien nicht in einem unabhängigen Verhältnis stehen (wie dies H0 postuliert) und somit H0 zugunsten von H1, die besagt, dass eine Abhängigkeit besteht, verworfen werden muss. Es kann deshalb vorliegend davon ausgegangen werden, dass die beobachteten Werte abhängig von der Zugehörigkeit zur Kategorie KMU oder Grossunternehmen zustande gekommen sind. ˗ ˗ ˗ ˗ 390 Die Annahmen für die Unternehmen (Annahme: 25% verfügen über eine Einbindung) weichen sehr stark von den empirisch beobachteten Werten (72% verfügen über eine Einbindung, 28% nicht) ab, ja entsprechen fast dem diametralen Gegenteil der Erwartung. Die beobachtete Abweichung ist überdies hoch signifikant. Es ist ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Unternehmenskategorie und der Frage, ob Unternehmen über eine Einbindung der Beachtung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften in die Unternehmenskommunikation verfügen, erstellt. Dies hängt m.E. auch mit der Grösse der Unternehmen und den Konsequenzen für die jeweiligen Kommunikationsabteilungen zusammen. KMU, welche über keine Rechts- oder Kommunikationsabteilungen verfügen, können eine Integration demnach auch schlechter bewerkstelligen als Grossunternehmen. Die getroffene Hypothese, dass ¾ der Unternehmen die Beachtung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften nicht in die Unternehmenskommunikation integrieren, wurde somit empirisch überhaupt nicht bestätigt. Entgegen den Erwartungen, die aus der Literatur geschlossen wurden, verfügt zumindest die deutliche Mehrheit der Grossunternehmen über eine Integration und somit über eine gute Zusammenarbeit der Bereiche Corporate Communication und Legal. Diese Integration wird gemäss den Angaben der Unternehmen mittels Codes of Conduct, Guidelines, Group Disclosure Policies sowie Reglementen, welche auch die entsprechenden Zuständigkeiten definieren, sichergestellt. Diese breite Verankerung unterstreicht die hohe Aufmerksamkeit, welche die Grossunternehmen dem Thema beimessen. Zu diesem Vorgehen vgl. HIRISG, 5.53. 57 b) Probleme bei der Erfüllung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften Siebentens wurde nach Problemen bei der Erfüllung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften gefragt. Damit sollten Gründe für Probleme evaluiert und so Hinweise für Praxisempfehlungen zur Verbesserung der Situation ermöglicht werden. ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ 3.5 Sämtliche Unternehmen haben angegeben, keinerlei Probleme zu haben. Die Chi-Quadrat-Tests sind hier nicht möglich, da bei beiden Kategorien ein beobachteter Wert jeweils 0 beträgt. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass die erhaltenen Antworten wahrheitsgetreu abgegeben wurden. Deshalb ist es durchaus möglich, dass sämtliche Unternehmen wirklich keine Probleme mit der Beachtung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften haben. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse angesichts des extrem klaren Resultats verfälscht zustande gekommen sind. Bei der Fragestellung wurden keine Gegenmassnahmen getroffen. Die allenfalls heikle Fragestellung war direkt sichtbar. Ein Grund für das klare Ergebnis könnte sein, dass sozial unerwünschte 391 Antworten vermieden wurden. Somit besitzen die Antworten auf diese Frage m.E. nur eine beschränkte Aussagekraft. Es lassen sich daraus weder Probleme noch Lösungsvorschläge ableiten. Interviews mit Kommunikationsfachleuten 3.5.1 Einleitung Im Rahmen des praktischen Teils wurden auch drei Kommunikationsexperten befragt. Ziel war dabei insbesondere, die praktisch gewonnenen Erkenntnisse mit der Erfahrung von den in der Branche tätigen Personen zu vergleichen und so qualitativ zu ergänzen. Die schriftlichen Interviews sind im Anhang abgedruckt. Bei den Experten handelt es sich um Frau Beatrice Tschanz, Herrn Christian Bretscher und Herrn Manfred Messmer. ˗ ˗ ˗ 391 392 Beatrice Tschanz war in den 1970-er Jahren Journalistin bei Ringier und später als stellvertretende Chefredakteurin bei der Zeitschrift Annabelle. Mehrfach hatte sie seit 1987 bis 2003 Führungspositionen im Kommunikationsbereich von verschiedenen bekannten Schweizer Unternehmen inne. 392 Seit 2003 ist Frau Tschanz selbständige Kommunikationsberaterin und engagiert sich für Non-Profit-Organisationen. Sie hat derzeit auch mehrere Verwaltungsratsmandate inne. Christian Bretscher ist Jurist und arbeitet seit 1992 als Kommunikationsberater. Er ist Gründer und Partner von bretscher+partner und berät in dieser Funktion Führungskräfte aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Kultur in Kommunikationsfragen, insbesondere im strategischen und konzeptionellen Bereich. Auch er ist in mehreren Verwaltungsräten tätig. Manfred Messmer gründete 1986 die messmerpartner Public Relations AG, eine Agentur für strategische Kommunikationsberatung. Er berät Führungskräfte und Verwaltungsratspräsidenten von national und international tätigen Unternehmen und Institutionen. Zuvor war er während zwölf Jahren als Journalist tätig, u.a. als stellvertretender Chefredakteur einer Tageszei- Vgl. zur sozialen Erwünschtheit BORTZ/DÖRING, 232 ff. Schweizweite Bekanntheit erlangte Frau Tschanz durch ihre professionelle Krisenkommunikation bei der SAir Group beim Absturz einer Swissair-Maschine in Kanada im Jahr 1998. 58 tung, Korrespondent in New York für Schweizer Tageszeitungen und Chefredakteur zweier Wochenzeitungen. Er ist auch selbst als Verwaltungsrat tätig. 3.5.2 Resultate und Diskussion An dieser Stelle werden zwei zentrale Themen im Bereich Verwaltungsrats-Kommunikation diskutiert. Die restlichen aus den Antworten der Experten gewonnenen Erkenntnisse wurden bereits in den Diskussionen der Ergebnisse der Umfrage und im theoretischen Teil verwertet. a) Sensibilisierung des Verwaltungsrats für die kommunikative Funktion Die Experten wurden nach ihren Erfahrungen zur Sensibilisierung der Verwaltungsräte für das Thema Kommunikation befragt.393 Es lässt sich eine Zweiteilung des Themas ausmachen: Einerseits geht es darum, wie gross das Bewusstsein der Verwaltungsräte für das Thema ist. Andererseits ist auch die praktische Umsetzung zu betrachten. Die meisten Verwaltungsräte (zumindest jene der Grossunternehmen) sind sich offenbar grundsätzlich der Wichtigkeit und strategischen Bedeutung der Kommunikation bewusst. Dennoch sind bei der Umsetzung starke Defizite auszumachen. Die generelle strategische Planung wird zwar wahrgenommen, aber in Bezug auf die Verantwortung für die Organisation der Kommunikation nicht selten unterschätzt und vernachlässigt. Insbesondere werde Kommunikation als Pflicht – ja gar als Hypothek – wahrgenommen und nicht als Chance empfunden. Wenn aber Kommunikation als Kür und nicht als Pflicht 394 verstanden würde, böte dies im Sinne einer aktiven Chancenwahrnehmung Gelegenheit, für das Unternehmen auf kommunikative Art einen Mehrwert zu schaffen. Mit diesen Aussagen im Einklang stehen auch die Resultate aus der Umfrage. Bei mehr als der Hälfte der Verwaltungsräte (und auch der Geschäftsleitungen) wird das Thema Kommunikation nicht regelmässig oder überhaupt nicht in den Sitzungen traktandiert. Die seriöse Wahrnehmung der kommunikativen Aufgabe des Verwaltungsrats bedürfte aber nicht nur eines einmaligen Entscheids über die Strategie und der Delegation der Ausführung an die Geschäftsleitung, sondern auch einer regelmässigen Reflexion und Erfolgsevaluation durch den Verwaltungsrat. Unsicherheiten bestehen nämlich insbesondere auch bei den Zuständigkeiten. Der Verwaltungsrat tendiert häufig dazu, die Kommunikation auf die Geschäftsleitungsebene zu delegieren (meist an den CEO nach dem Motto: "Kommunikation ist Chefsache"). Insofern besteht zwar immerhin eine klare Regel. Häufig sind die Zuständigkeitsabsprachen aber nur mündlich festgelegt und es fehlt eine schriftliche Ordnung. Dies kann insbesondere dann, wenn (aus welchen Gründen auch immer) die Solidarität zwischen den Mitgliedern schwindet, zu Problemen führen. Zudem tendieren Verwaltungsräte dazu, mit der Delegation das Thema als gänzlich abgeschoben zu betrachten. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass mangels genügender Beschäftigung mit dem Thema unklar ist, in welchen Fällen der Verwaltungsrat selbst eingreifen und die Federführung übernehmen sollte. Gelöst oder zumindest stark optimiert würden diese Probleme beispielsweise mittels eines Kommunikationsreglements für den Verwaltungsrat. 395 Wer in guten Zeiten bewusst ein gutes Image vom Unternehmen aufbaut – und eine gut organisierte Kommunikation leistet hierzu wie gesehen ei- 393 394 395 Im Folgenden wurden die gewonnenen Erkenntnisse aus den Interviews mit Manfred Messmer, Beatrice Tschanz und Christian Bretscher verwendet. Vgl. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 14 f. Vgl. sogleich sowie Kapitel 2.4 und das Muster-Kommunikationsreglement im Anhang. 59 nen grundlegenden Beitrag – kann in schwierigen Zeiten davon profitieren (oder aber muss sich spätestens dann Rat von Aussen holen). 396 b) Das Verwaltungsrats-Kommunikationsreglement Ein Kommunikationsreglement für den Verwaltungsrat dient dazu, die Grundsätze für die Kommunikation festzulegen und enthält ein Kommunikationsleitbild. Das Reglement legt personelle Zuständigkeiten fest und enthält von Vorteil Handlungsanweisungen für kritische Situationen. Es ist aber kein strategisches Kommunikationskonzept. Die Diskussion dieses Themas beinhaltet die an die Unternehmen gerichtete Frage nach Vor- und Nachteilen eines Kommunikationsreglements für den Verwaltungsrat sowie den Einbezug der Expertenmeinungen. 397 Mit einer Frage im Fragebogen wollte die Idee eines Verwaltungsrats-Kommunikationsreglements, unabhängig davon, ob die befragten Unternehmen selbst ein solches verwenden, aus praktischer Sicht auf Zustimmung oder Ablehnung geprüft werden. Keines der befragten Unternehmen verwendet allerdings ein solches Reglement. Die Rücklaufquote war bei dieser Frage niedriger als bei den übrigen Fragen. Die Antworten nannten insbesondere den Vorteil der definierten Zuständigkeiten und des "Vorbereitet Seins". Als Nachteile wurden meist die Gefahr einer Überregulierung und mangelnder Flexibilität genannt. Alle Experten wiesen darauf hin, dass solche Reglemente in der Praxis überhaupt nicht verbreitet seien. Angesichts des insbesondere bei KMU schlecht verbreiteten Bewusstseins für die Bedeutung der Kommunikationsfunktion des Verwaltungsrats ist auch nicht erstaunlich, dass kein KMU ein Kommunikationsreglement für den Verwaltungsrat verwendet. Demnach dürften für die KMU Vorteile eines solchen Reglements schon bei der mit der Einführung zusammen hängenden Beschäftigung des Verwaltungsrats mit dem Thema zu finden sein. Zudem stellt die Festlegung der Zuständigkeiten einen grossen Vorteil dar, denn insbesondere wenn KMU von Krisen unvorbereitet getroffen werden, sind sie ohne klare Regelung kaum in der Lage, rasch und professionell zu reagieren. Ihnen fehlt nämlich nur schon auf operativer Ebene eine Kommunikationsabteilung mit dem nötigen Fachwissen, die das Management und den Verwaltungsrat in kommunikativer Hinsicht unterstützen könnte. Grossunternehmen, insbesondere börsenkotierte, verfügen hingegen immer über strategische Kommunikationskonzepte und eigene Kommunikationsabteilungen. Deshalb dürften hier durchschnittlich eine bessere Vorbereitung, vor allem aber auch bessere Handlungskompetenz auf operativer Ebene für plötzlich eintretende Krisenfälle bestehen. Trotzdem kann ein Kommunikationsreglement auch bei Grossunternehmen, insbesondere im Hinblick auf schriftlich klar fixierte Zuständigkeiten und Checklisten für Handlungsabläufe in Krisen, Vorteile bringen. Es ist aber immer darauf zu achten, dass das Reglement genau auf die Unternehmenssituation und –bedürfnisse zugeschnitten ist. Dem Argument, ein Reglement bewirke eine mangelnde Flexibilität, kann, wo nötig, mit entsprechenden Ausnahmeregelungen begegnet werden. Wo dies nicht sinnvoll ist, braucht es auch keine Flexibilität. Auch die Gefahr der Überregulierung erscheint als kaum relevant: Die derzeit eben gerade nicht bestehende (oder schlecht umgesetzte) Regulierung bedarf überhaupt erst einer grundsätzlichen Regulierung. Dies würde ein Kommunikationsreglement ermöglichen. Auch weitere Nachteile sind m.E. vom Einsatz eines Kommunikationsreglements für den Verwaltungsrat nicht zu befürchten. 396 397 Die Professionalität muss natürlich auch dann beibehalten werden. Dies ist schwierig, und zwar nicht nur für Kleinbetriebe, wie dies die anschaulichen Beispiele schlechter Kommunikation von Grossbanken in der Anfangsphase der Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 zeigten. Vgl. für die Aussagen in diesem Kapitel b) generell die Interviews mit Manfred Messmer, Beatrice Tschanz und Christian Bretscher im Anhang. 60 3.6 ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ 398 399 400 Folgerungen aus dem praktischen Teil Die Sensibilisierung für die kommunikative Aufgabe ist bei den Verwaltungsräten sehr unterschiedlich. Einerseits bestehen natürlich Unterschiede bei den Verwaltungsräten der verschiedenen Unternehmen, andererseits aber auch bezüglich der verschiedenen Aspekte der Kommunikation. Generell kann gesagt werden, dass das theoretische Bewusstsein für die Wichtigkeit bei den meisten Verwaltungsräten vorhanden ist. Bei der Vorgabe der Kommunikationspolitik und insbesondere der eigentlichen Wahrnehmung der Kommunikationsfunktion sind aber häufig Defizite auszumachen. Es besteht mithin Handlungsbedarf bei der Umsetzung. Insbesondere sind auch Kommunikationsleitbilder auf Stufe Verwaltungsrat kaum verbreitet. 398 In der Regel existieren Kommunikationskonzepte nur auf operativer Ebene, die aber meist einseitig aus Marketing-Optik geprägt sind. Dabei würde gerade ein Leitbild ermöglichen, den Unternehmenseigenheiten angepasste Grundsätze für die Kommunikation aufzustellen. Auch ein Kommunikationsreglement für den Verwaltungsrat würde umsetzungstechnische Vorteile 399 bringen. Dennoch sind solche Reglemente kaum verbreitet. Die meisten Unternehmen verfügen lediglich über knappe Vorschriften zur Kommunikation des Verwaltungsrats im Organisationsreglement. Dies ist m.E. ungenügend. 400 Systematisch müsste verbessert werden, dass in den Gremien Verwaltungsrat und Geschäftsleitung das Thema Kommunikation regelmässig besprochen wird. Eine situative ad hoc-Besprechung je nach Bedarf genügt dem Erfordernis der strategischen Planung und Durchführung der Kommunikation nicht. Auch eine Evaluation des Erfolgs der Kommunikation ist unabdingbar. So können z.B. durch ein Kommunikationscontrolling oder mit Stakeholderbefragungen oder Imageanalysen wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Diese müssen dann aber auch verwertet werden. Nur so können die ermittelten Erkenntnisse in die Corporate Vision (Leitbild) und die operativen kommunikativen Massnahmen einfliessen. Dies wiederum setzt die regelmässige Traktandierung des Themas Kommunikation voraus, und zwar auf den Ebenen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Die meisten befragten Unternehmen verfügen über institutionalisierte bottom-upKommunikationswege. Die deutliche Mehrheit ermittelt auch ihr Image bei den Stakeholdern. Demnach besteht – eine effektive Nutzung der Instrumente vorausgesetzt – bei den meisten Unternehmen eine gute Sensibilisierung für die Möglichkeit der Aktivierung der Wissenspools der Mitarbeiter sowie der Unternehmenspartner. Die kommunikative Funktion des Verwaltungsrats ist von grundlegender Bedeutung. Dennoch wird bei vielen Unternehmen diesem Umstand insgesamt noch zu wenig Rechnung getragen. Die verwaltungsratsinterne Kommunikation funktioniert meist gut. Die Sensibilisierung für die eigentliche Kommunikationsfunktion des Verwaltungsrats wird in der Mehrheit der befragten Unternehmen von den Verwaltungsräten und auch Geschäftsleitungen aber nur ungenügend wahrgenommen. Vereinzelt werden Kommunikationsleitbilder von Verwaltungsräten zwar eingeführt, sind dann aber toter Buchstabe. Die wichtigsten: Orientierung, fixierte Zuständigkeiten, "Vorbereitet sein" für Krisen etc. Vgl. Kapitel 3.5.2 b) sowie das Kommunikationsreglement im Anhang. Vgl. dazu Kapitel 2.4. 61 4 Zusammenfassung und Empfehlungen 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 4.1.1 Ergebnisse aus dem theoretischen Teil ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ 401 402 403 404 Das staatliche Recht enthält viele Kommunikationsvorschriften für Unternehmen und auch für den Verwaltungsrat. Es regelt den Sender, Inhalt und Adressaten der Kommunikation. Hinweise und Vorschriften in Bezug auf die Art der Kommunikation sind aber nur vereinzelt in privaten Regelwerken wie dem Swiss Code zu finden. Es ist die Aufgabe des Verwaltungsrats, im Rahmen seiner Verantwortung für die Strategie auch die Kommunikationspolitik des Unternehmens zu bestimmen. In der neueren Literatur wird durchwegs eine integrierte Corporate Communication gefordert. Eine solche ermöglicht die ganzheitliche Wahrnehmung der Kommunikation durch das Unternehmen, was wiederum ein konsistentes Erscheinungsbild zu verbreiten erlaubt. So kann eine kohärente Corporate Identity zur Positionierung des Unternehmens bei den Stakeholdern aufgebaut werden. Voraussetzung für den Aufbau einer Corporate Identity, welche die Stakeholder "akzeptieren", setzt die Analyse der Umwelten und Stakeholder voraus. Erst wenn die Bedürfnisse der Stakeholder bekannt sind, können diese in die Kommunikationsplanung einfliessen und kann die Unternehmenskommunikation auf die Stakeholder ausgerichtet werden. Es sind jedoch keine Empfehlungen in der Literatur über eine Integration der juristischen Seite der Kommunikation in die Corporate Communication zu finden. Bei der Kommunikation mit den Stakeholdern ist jeweils zu entscheiden, welche Informationen an welche Stakeholder gelangen sollen und dürfen. Anzustreben ist eine auf die Zielgruppen ausgerichtete Kommunikation. Jedenfalls ist auch bei der Kommunikation mit den Stakeholdern Objektivität, Transparenz, Verständlichkeit und insbesondere auch Nachvollziehbarkeit sowie richtiges Timing essentiell.401 Für die Kommunikation im Verwaltungsrat ist eine von Vertrauen geprägte402, offene Kommunikationskultur, die vollständige und objektive, transparente, verständliche und rechtzeitige 403 Kommunikation beinhaltet, gefordert. So können Effizienzsteigerungen im Gremium erzielt werden. Auch die Kommunikation zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung beinhaltet Herausforderungen. So muss der Informationsfluss zwischen den beiden Gremien rechtzeitig gewährleistet werden. Die Informationen sollten sich auf das Wesentliche beschränken, aber dennoch alles Entscheidungsrelevante beinhalten. Der Verwaltungsratspräsident dient hierfür als Bindeglied. Vorgaben über zu kommunizierende Inhalte und einzuhaltende Termine kann ein MIS-Konzept enthalten. Wenn der Verwaltungsrat selbst direkte Stakeholder-Kontakte pflegen will, hat dies in Absprache mit dem Management und unter Beachtung der juristischen Vorschriften zur Gleichbehandlung der Aktionäre zu geschehen. Die Stakeholder – insbesondere die Partner 404 eines Unternehmens – eignen sich gut als Wissensquellen für ein Unternehmen. Deren Wissen kann bei Bedarf im Rahmen von Umweltana- Vgl. HILB, 182, HEMEL, 284 f. Vgl. HEMEL, 285. Vgl. HILB, 182. Zum Begriff vgl. FN 360. 62 ˗ ˗ ˗ lysen, Analysen der Kommunikationsarenen, Stakeholderanalysen sowie der Pflege der Stakeholderkontakte institutionalisiert genutzt werden. Wenn das Management dies wegen seiner Orientierung auf neue Märkte und Kunden vernachlässigt, kann hier für den Verwaltungsrat Handlungsbedarf bestehen. Auch unternehmensintern kann allfällig vorhandenes Wissen der Mitarbeiter aktiviert werden, um es so für das Unternehmen nutzbar zu machen. Hierzu trägt eine motivierende Arbeitsatmosphäre, in der die Mitarbeiter selbst mitdenken, in angemessenem Rahmen Verantwortung übernehmen und so betriebliche Abläufe mitgestalten können, bei. Voraussetzung hierfür sind jedenfalls gut informierte Mitarbeiter, die über die Unternehmensabläufe und aktuellen Geschehnisse im Bild sind. Unbedingt ist der Grundsatz der innerbetrieblichen Öffentlichkeit zu beachten. Dienlich für die Kommunikation des Verwaltungsrats, deren Überwachung und Evaluation könnte auch die Ernennung eines Verwaltungsratsausschusses für Kommunikation sein. Schliesslich hat die Kommunikation diverse Schranken, seien diese gesetzlicher, vertraglicher oder aber strategischer Natur, zu beachten. 4.1.2 Ergebnisse aus dem praktischem Teil ˗ ˗ ˗ 405 Das generelle Bewusstsein der Verwaltungsräte für die Bedeutung der Kommunikation ist in den letzten Jahren offenbar stark angestiegen. Dennoch sind insbesondere bei der Umsetzung Defizite auszumachen. Dies mag damit zusammenhängen, dass noch zu wenig Kommunikations-Know-how in den Verwaltungsräten vertreten ist. Selten ist Kommunikationskompetenz ein Kriterium für die Zusammensetzung der Verwaltungsräte. Kommunikationsreglemente und Kommunikationsleitbilder für den Verwaltungsrat werden in der Praxis (noch) kaum verwendet. Dennoch bieten sie klare Vorteile: Die Organisation und die Grundsätze der Kommunikation werden schriftlich festgehalten, es werden die Zuständigkeiten festgelegt und mittels Handlungsanweisungen ist man auch für Krisen gerüstet. Dieses Rüstzeug sollte unbedingt während guter Zeiten aufgebaut werden, damit in Krisenzeiten sicherer Boden betreten werden kann. Dies ist aus folgendem zentralen Grund notwendig: Manager sind es sich aus ihrem Alltag gewohnt, Situationen in erster Linie gemäss ihrer ökonomischen Bedeutungen und Konsequenzen einzuschätzen. Dies gilt auch in Bezug auf Kommunikationsinhalte. Ein Manager wird deshalb nur selten fähig sein, in einer Krise sofort auf transparente Weise eine negative Sachlage ehrlich zu kommunizieren. 405 Wie mittels der Auswertung der Fragen aufgezeigt werden konnte, ist die kommunikative Sensibilisierung bei den befragten Unternehmen sehr unterschiedlich in Bezug auf einzelne Teilbereiche der Kommunikation: ˗ Die Mehrheit der befragten Unternehmen besitzt Vorschriften zur Kommunikation. Diese sind bei vielen Unternehmen im Organisationsreglement zu finden. Diejenigen Unternehmen, die über keine Vorschriften verfügen, treffen wohl mündliche Absprachen und ad hoc-Entscheide. ˗ Gut zwei Drittel der Unternehmen haben Weisungen für ihre Mitarbeitenden zur Kommunikation nach Aussen. Offenbar sind sich die meisten Unternehmen der Wichtigkeit des einheitlichen Auftritts und der Gefahr, dass Betriebsinterna nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten, bewusst. DAUB, 116. 63 ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ Die Mehrheit der befragten Unternehmen traktandiert das Thema Kommunikation nicht regelmässig im Verwaltungsrat und auch nicht in der Geschäftsleitung. Hier besteht klar Nachholbedarf: Erst eine regelmässige Traktandierung ermöglicht eine ernsthafte Wahrnehmung der Kommunikationsstrategie und eine Evaluation des Erfolgs der Gesamtkommunikation und der eingesetzten kommunikativen Massnahmen. Geschäftsleitungs-Bereichs-Kommunikationssitzungen werden selten benutzt. Die verwaltungsratsinterne Kommunikation funktioniert in den meisten Gremien gut und es besteht kaum Verbesserungsbedarf. Die klare Mehrheit der befragten Unternehmen ermittelt ihr Image bei den Stakeholdern. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Imageermittlung als "nice-tohave-Instrument" alibimässig eingeführt wird und gar keine effektive Nutzung der Resultate erfolgt. 406 Hierzu konnte die Umfrage natürlich keine Resultate liefern. Auch über bottom-up-Kommunikationskanäle verfügt eine klare Mehrheit der befragten Unternehmen, insbesondere die Grossunternehmen. Auch hier besteht das Problem, dass nicht beurteilt werden kann, ob die Kanäle auch effektiv genutzt werden und nicht einfach des guten Gewissens der Unternehmensführung wegen eingerichtet werden. Die Mehrheit der befragten Unternehmen hat die Beachtung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften in die Corporate Communication eingebunden. 4.1.3 Vergleich der Ergebnisse aus Theorie und Praxis ˗ ˗ ˗ ˗ 406 407 408 409 Sowohl für die Kommunikation nach Innen wie auch nach Aussen, aus theoretischer wie praktischer Sicht ist (neben weiteren) das grundlegende Ziel der Transparenz der Kommunikation 407 durch Beachtung der Grundsätze der Vollständigkeit, Objektivität, Verständlichkeit und Rechtzeitigkeit der Information als Leitlinie zu beachten. Die Grundsätze für die beiden Bereiche der Kommunikation sind weitgehend die gleichen und es drängt sich keine Trennung der Kommunikation zwischen den Bereichen Innen und Aussen auf. Lediglich eine situative Abstimmung ist nötig. Die Kommunikation nach Innen und Aussen sollte demnach als aufeinander abgestimmte Einheit wahrgenommen werden. Die Lehre fordert (insbesondere seit der Lancierung der Corporate Governance-Diskussion) die Schaffung einer Vertrauenskultur im Gremium Verwaltungsrat. Die diesbezüglichen Forderungen scheinen von der Praxis aufgenommen worden zu sein und von immer mehr Verwaltungsräten bewusst gelebt zu werden. 408 Es zeichnet sich in den letzten Jahren offenbar eine starke Professionalisierung der Verwaltungsratstätigkeit ab. Da das staatliche Recht keine Vorschriften über die Art der Kommunikation des Verwaltungsrats aufstellt, liegt es an den Unternehmen, sich selbst Vorschriften vorzugeben. Viele Unternehmen versuchen dieser Aufgabe nachzukommen, indem im Organisationsreglement Vorschriften aufgestellt werden. M.E. genügt dies nicht für eine Regelung der umfangreichen kommunikativen Aufgabe des Verwaltungsrats. 409 Vielmehr bedürfte es eines Reglements für die Kommunikation des Verwaltungsrats. Die integrierte Kommunikation ist heute in der professionellen Praxis Standard. Interessant ist insbesondere auch angesichts der Expertenmeinungen, dass die befragten Unternehmen mehr- Vgl. dazu die Interviews mit Manfred Messmer und Beatrice Tschanz. In diesem Sinne auch FELDER, VR und Corporate Governance, 1011, welcher vom VR als dem transparenzverantwortlichen Gremium spricht. Vgl. die Umfrageergebnisse und das Interview mit Beatrice Tschanz. Vgl. Kapitel 2.4. 64 ˗ ˗ ˗ ˗ 4.2 heitlich eine Integration der rechtlichen Kommunikationsverpflichtungen in die Corporate Communication vornehmen oder zumindest über eine funktionierende Zusammenarbeit der Bereiche Legal und Corporate Communications verfügen. Der Kommunikation zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung wird angesichts ihrer Wichtigkeit für die strategische Entwicklung der Kommunikation in der Praxis noch zu wenig Bedeutung geschenkt. Hier sind insbesondere die Verwaltungsratspräsidenten gefordert. Bezüglich des Einbezugs der Mitarbeitenden stellen die befragten Unternehmen verschiedenste Wege zur bottom-up-Kommunikation zur Verfügung. Damit leisten sie den Empfehlungen in der Literatur Folge. Wichtig ist dabei, dass diese Kanäle auch effektiv genutzt werden. Auch die Imageermittlung bei den Stakeholdern wird vermehrt vorgenommen, wie dies die Literatur fordert. Allerdings ist auch hier die praktische Umsetzung sicherzustellen. Nur so können die gewonnenen Ergebnisse Nutzen stiftend eingesetzt werden. Abschliessend lässt sich aufgrund aller gewonnenen theoretischen und praktischen Erkenntnisse der Schluss ziehen, dass die Kommunikation des Verwaltungsrats ein Gebiet ist, in dem das Recht an seine Grenzen stösst. Illustriert wird dies nur schon dadurch, dass sich im staatlichen Recht keine Vorschriften zur Art und Weise der Kommunikation des Verwaltungsrats finden. Es liegt somit an den Unternehmen, sich selbst Vorschriften zu geben. Mittels der Etablierung von Vorschriften ist eine rechtliche Verpflichtung der betroffenen Personen möglich. Dabei ist aber von Bedeutung, dass rechtliche Vorschriften bei der Kommunikation des Verwaltungsrats in zweifacher Hinsicht nur einen Teil seiner kommunikativen Aufgabe vorgeben können. Erstens ist die Umschreibung der "weichen Faktoren" 410 bzgl. der Informationslieferung von der Geschäftsleitung zum Verwaltungsrat nur abstrakt möglich. Bezüglich des Entscheids über die Meldung ist zwingend eine Delegation an die Geschäftsleitung nötig. Zweitens ist das Erreichen des Beziehungsziels 411 der Kommunikation des Verwaltungsrats in erster Linie nicht rechtlich regelbar, sondern vom erfolgreichen Zusammenwirken der beteiligten Personen abhängig. Empfehlungen 4.2.1 Empfehlungen an Verwaltungsräte ˗ ˗ 410 411 412 Die Kommunikation sowie deren Organisation und strategische Planung sind Aufgaben des Verwaltungsrats. Es lohnt sich deshalb zu prüfen, ob im Verwaltungsrat genügend Kommunikationskompetenz vorhanden ist. Je nach Ergebnis kann es sinnvoll sein, Kommunikationskompetenz als Kriterium für die Zusammensetzung des Verwaltungsrats zu etablieren. Jedenfalls ist der Einsatz eines Verwaltungsrats-Kommunikationsreglements sinnvoll, und zwar grundsätzlich unabhängig von der Unternehmensgrösse. 412 Damit lassen sich die Grundsätze der Kommunikation, ein Kommunikationsleitbild, definierte Zuständigkeiten und Handlungsanweisungen für besondere Situationen (wie z.B. für die Kommunikation in bestimmten Krisenfällen) festlegen. Die Sicherstellung der Information zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat kann über ein MIS-Konzept geschehen, das den inhaltlichen und zeitlichen Rahmen für die Information des Verwaltungsrats festlegt. Darüber hinaus sollte der Verwal- Z.B. das Kriterium der Wichtigkeit von Vorfällen, bei dessen Vorliegen die entsprechenden Vorkommnisse dem VR zu melden sind. Vgl. dazu Kapitel 2.3.4. Zum Begriff vgl. Kapitel 2.3.4. Abgesehen von Spezialfällen wie z.B. Ein-Mann-AG's. 65 ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ ˗ 413 414 415 416 417 tungsrat regelmässig prüfen, ob die ihn erreichenden (insbesondere die über die periodische Berichterstattung hinausgehenden) Informationen über wichtige Ereignisse seinen Bedürfnissen und Vorgaben entsprechen. Bei Bedarf sind zwingend Änderungen zu veranlassen, da die Handlungsfähigkeit des Verwaltungsrats bei schlechter Informationslage nicht mehr gewährleistet ist. Denn bezüglich der Verantwortlichkeit ist zu beachten, dass dem Verantwortlichen (also dem Verwaltungsrat) greifbare, aber nicht ergriffene Information zugerechnet wird.413 Ein Verwaltungsrats-Ausschuss für Kommunikation ermöglicht die effiziente Analyse bestehender kommunikativer Probleme, die Ausarbeitung von Kommunikationsgrundsätzen, die Etablierung eines Kommunikationsreglements für den Verwaltungsrat (inkl. der Vorgabe von Handlungsanweisungen und Checklisten für firmenspezifische Spezialsituationen) und schliesslich auch die Überwachung und Evaluation der Kommunikation. Es kann sich auszahlen, wenn das Unternehmen über die normale, aktive Medieninformation hinaus spezielle Kontakte zu Medien pflegt. Als Verwaltungsrat kann man bei Gelegenheit entweder selber Kontakte zu Journalisten pflegen oder solche vermitteln. Zumindest sollte man dafür sorgen, dass auf operativer Ebene (z.B. durch den Leiter Kommunikation) der Kontakt zu gewissen Medien bewusst gepflegt wird. Nur der Verwaltungsrat kann sicherstellen, dass die eingerichteten bottom-upKommunikationskanäle von der Geschäftsleitung effektiv genutzt werden. Er sollte sich regelmässig darüber Rechenschaft ablegen lassen. Gleiches gilt auch für die Verwertung der aus den Stakeholderanalysen gewonnenen Daten. Eine jährliche Überprüfung wäre dienlich. Die Stakeholder eines Unternehmens identifizieren sich immer mehr mit "Repräsentanten" desselben. Es hat demnach für das Unternehmen eine positive identitätsstiftende Wirkung, wenn in der Öffentlichkeit immer die gleichen Personen 414 für das Unternehmen auftreten. Der Verwaltungsrat sollte den Leiter der Gesamtkommunikation in Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung bestimmen. Der Verwaltungsrat entscheidet auch über die allfällige Zugehörigkeit dieses Leiters zur Geschäftsleitung und über die Modalitäten dessen Berichterstattung an den Verwaltungsrat. Zumindest ist er direkt dem CEO zu unterstellen. Der Geschäftsbericht fällt zwingend in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsrats. Absolut zentral ist eine transparente, verständliche Darstellung. Diese hat zunehmend noch an Bedeutung gewonnen, denn bereits beim Anschein von Intransparenz oder bei einer unverständlichen Darstellung entsteht bei den Adressaten Misstrauen. 415 Nach Möglichkeit kann im Geschäftsbericht auch über nichtfinanzielle wesentliche Informationen, die das Geschäftsmodell prägen, berichtet werden. 416 Dienlich für die Darstellung sind Grafiken und insbesondere auch eine Übersicht über zentrale Kennzahlen, die ein rasches Auffinden von gesuchten Werten erleichtert. 417 Gestalterisch ansprechende und grafisch unterlegte Geschäftsberichte kosten Geld, sie können sich aber durchaus auszahlen. Nötig sind im einzelnen Unternehmen eine individuelle Abwägung von Aufwand und möglichem Ertrag sowie eine Erfolgsanalyse. DRUEY, 23. Bzw. bei kleineren Unternehmen, wo dies möglich ist, jeweils die gleiche Person. Dies kann z.B. der CEO oder der VRP sein: NAEF, Management Dossier VR, Februar 2007, 8. Selbst dann, wenn objektiv richtig und nicht bewusst irreführend oder verschleiernd berichtet wird. Vgl. PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 16. So auch PEDERGNANA/MÜLLER, Management Dossier VR, Dezember 2007, 18. 66 4.2.2 Empfehlungen an Geschäftsleitungen ˗ ˗ ˗ Zur Aktivierung der Partner- und Mitarbeiter-Wissenspools lohnen sich die Unternehmensimageermittlung bei den Stakeholdern sowie die Etablierung von bottom-upKommunikationskanälen. Beide Instrumente müssen genau auf die Situation des Unternehmens und die jeweiligen Bedürfnisse des Managements zugeschnitten sein, um effektiv genutzt werden zu können. Im Sinne eines Nachhakens kann bei sinnvollen Anregungen auch direkt persönlich nachgefragt werden. Sofern Probleme bei der Beachtung der rechtlichen Kommunikationsvorschriften bestehen, würde es sich anbieten, durch die Abteilungen Legal und Corporate Communications eine Liste sämtlicher rechtlicher Kommunikationsverpflichtungen des Unternehmens zusammenzustellen zu lassen. Eine Ordnung nach terminlicher Fälligkeit (im Sinne einer Agenda) und/oder nach Thema (im Sinne eines Nachschlagwerks) wäre möglich. Grundsätzlich beschränkt sich die Unternehmenskommunikation auf Kernbotschaften. Erst dem Stakeholder, der bewusst weitere Information wünscht, sollen diese zugänglich gemacht werden. Der Zugang zur Mehrinformation muss aber einfach sein, die verfügbaren Informationen übersichtlich geordnet und der Transparenz halber so vollständig wie möglich sein. Gerade hier ist es angezeigt, Möglichkeiten zur interaktiven Kommunikation zu schaffen, um die Effekte der Pull-Kommunikation 418 auch nutzen zu können. Die Corporate Website bietet sich – da von jeder potenziell interessierten Person sehr schnell von überall aus zugänglich – hervorragend als Kommunikationskanal an. Der steigenden Bedeutung des Internets gerecht werdend und der Informationsüberflutung entgegen wirkend ist eine einfache und übersichtliche, aber doch professionelle Gestaltung der Website sehr wichtig. 419 Ziel muss es sein, dass sich neben dem sofort zugänglichen Überblick (Stichwort Kernbotschaften) auch Links für spezielle Stakeholder (z.B. Investoren, Medien), die zu einem grossen Informationspool führen, finden. Die Gesamtverantwortung dafür liegt beim Leiter Kommunikation. Hinweis: In der vorliegenden Printversion sind keine Anhänge, auf die im Text teils Bezug genommen wird, abgedruckt. Die Anhänge sind über das Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitsrecht, FAAHSG, erhältlich. Sie können per Email bei [email protected] bestellt werden. 418 419 Zum Begriff: BREYER-MAYLÄNDER, 76; BRUHN, Integrierte Kommunikation, 91. Dies ist keineswegs selbstverständlich, wie ich bei der Recherche für die Umfrage auf den Websites der befragten Unternehmen festgestellt habe. 67