China Treck nach Süden Matthias Kamp (Peking) 14.05.2010

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China Treck nach Süden Matthias Kamp (Peking) 14.05.2010
China
Treck nach Süden
Matthias Kamp (Peking)
14.05.2010
Steigende Kosten, Probleme mit Plagiaten und zunehmender Protektionismus
lässt manches ausländische Unternehmen über einen Umzug von China nach
Vietnam nachdenken.
Die Verlagerung der Produktion nach China ist
populär - jetzt zieht es europäische Unternehmen
nach Vietnam REUTERS
Die Fahrt zum Dong-An-Industriepark nördlich von Ho-Chi-Minh-Stadt ist beschwerlich.
Die Ausfallstraße der vietnamesischen Millionenmetropole ist mit Baustellen und
Schlaglöchern übersät, immer wieder bilden sich lange Staus. Zwischen den Autos
drängen sich hunderte Motorräder. Abgase und Staub machen das Atmen schwer.
Doch nach rund eineinhalb Stunden Fahrt lichtet sich das Durcheinander. Frisch
geteerte Straßen durchziehen Grünanlagen. Links und rechts stehen nagelneue
Fabrikhallen, eine amerikanische Spedition hat gerade ein Logistikzentrum eröffnet. Eine
Straße weiter hat vor kurzem die Fabrik des Unternehmens Schoeller Bleckmann (SBO)
die Produktion aufgenommen. Die Firma aus Österreich ist Weltmarktführer für
Präzisionsteile, die in Bohrköpfen für die Ölförderung verwendet werden.
Lohnkosten sind in Vietnam niedriger
"Wir haben uns China, Indien und Vietnam als mögliche Standorte für unsere neue
Fabrik angesehen", sagt Campbell Macpherson, Geschäftsführer bei SBO in Vietnam.
Am Ende fiel die Wahl auf Ho-Chi-Minh-Stadt. "Vor allem in China, aber auch in Indien
ist die Gefahr zu groß, dass unsere Produkte kopiert werden", sagt der Schotte. Rund 40
Mitarbeiter beschäftigt SBO in Vietnam. Im kommenden Jahr sollen es schon 130 sein.
Nicht nur die Angst vor Urheberrechtsverletzungen führt dazu, dass sich in letzter Zeit
immer mehr westliche Unternehmen gegen China und für Vietnam als Produkltionsoder Einkaufsstandort entscheiden. So sind die Lohnkosten in Vietnam um einiges
niedriger als beim großen Nachbarn im Norden. Etwa 70 Euro verdient ein
Fabrikarbeiter im Süden Vietnams. In der chinesischen Provinz Guangdong bei
Hongkong sind es im Durchschnitt 110 Euro. Die Krise hat an dem Gefälle wenig
geändert. Dazu kommt: Chinas Regierung hat vor eineinhalb Jahren Steuervorteile für
Exportunternehmen gestrichen. Zwar hat Peking die Hilfen auf dem Höhepunkt der Krise
letztes Jahr zum Teil wieder in kraft gesetzt. Viele Beobachter sind sich aber sicher,
dass die Behörden die Vorteile mit dem Anziehen der Ausfuhren wieder kippen werden.
Außerdem hat Peking in den vergangenen Jahren die Umweltvorschriften immer weiter
verschärft. Das Ziel der KP-Führer: Billighersteller wie Ledergerbereien,
Spielzeugproduzenten oder Shuhfabriken sollen abziehen. In Chinas entwickeltem
Osten mögen sich bitteschön High-tech-Firmen niederlassen.
Die Folge ist ein regelrechter Treck nach Süden. Die großen Schuhhersteller aus
Taiwan, die für westliche Marken wie Adidas, Nike oder Puma fertigen, haben in den
letzten Jahren immer größere Teile ihrer Produktion von China nach Vietnam verlagert.
Mehr als 30 Prozent seiner Sportschuhe bezog etwa Adidas im vergangenen Jahr aus
Vietnam. 2006 lag der Anteil noch bei 25 Prozent. Konkurrent Puma hat vor kurzem in
der Nähe von Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, sogar ein eigenes
Entwicklungszentrum eröffnet.
Dort bündelt der Konzern nun die Aktivitäten seiner rund 40 Lieferanten in Vietnam.
Auch andere Branchen setzen vermehrt auf das 80-Millionen-Einwohner-Land in
Südostasien. Der Werkzeughersteller Einhell aus Landau, der Deutschlands Baumärkte
unter anderem mit Akkuschraubern, Bandschleifern und Lötkolben beliefert, hat kürzlich
Teile seiner Produktion von China nach Vietnam verlegt.
Emsa, der Hersteller von Plastikgeschirr aus dem Münsterland, hat in Vietnam eine
Fabrik zur Produktion von Kunstsstoff-Blumentöpfen eröffnet.
Doch komplett ersetzen kann Vietnam China als Liefer- und Fertigungsstandort nicht.
"Große Mengen kann man immer noch am besten in China produzieren", sagt Jürgen
Kracht, Chef der Unternehmensberatung Fiducia in Hongkong, die deutsche Firmen
beim Markteintritt in Asien berät. Vor allem hapert es in Vietnam noch bei der
Infrastruktur und der Ausbildung des Personals.
Auch fehlt die ausgeprägte Zulieferindustrie, die den Süden Chinas auszeichnet. Doch
Chinas südlicher Nachbar bietet neben den niedrigeren Kosten auch andere Vorteile.
"Die Vietnamesen sind fingerfertiger als die Chinesen", sagt Kracht. Ein Vorzug, der
auch SBO bei seiner Fertigung von Präzisionsteilen zu gute kommt.