komplexe web-anwendungen mit „struts”

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komplexe web-anwendungen mit „struts”
s c h we r p u n k t
ko m p l exe web-anwendungen mit „struts”
mehr zum thema:
www.sdm.de/research
von christian kamm und carsten klein
KOMPLEXE WEB-ANWENDUNGEN
MIT „STRUTS”
Das Open-Source-Framework „Struts” eignet sich gut für einfache, zustandslose WebAnwendungen. Für komplexe Anwendungen mit zustandsbehafteten Dialogen trägt dieser
Ansatz nicht. Zum einen bietet Struts keine Unterstützung für eine Zustandshaltung im
Dialog, zum anderen führt der naive Einsatz von Struts zu einer starken Vermischung von
Anwendungslogik und Technik. In dem Artikel wird gezeigt, wie man Struts um eine
Dialogschicht erweitert und damit auch komplexe Web-Anwendungen beherrschbar macht.
Die unterschiedlich schnellen Innovationszyklen von Fachlichkeit und Technik stellen ein Grundproblem in der Softwaretechnik dar: Während sich die technische
Basis in ständigem Wandel befindet, bleiben die Anwendungen in ihrem Kern oft
über Jahre hinweg stabil. Die Blueprints
der Produkthersteller (vgl. [Sad00],
[Kas00]) sind dabei wenig hilfreich. Sie
fokussieren zu sehr die gerade aktuellen
Technologien oder den Einsatz ihrer Produkte und beschränken sich meist auf die
Angabe von Anwendungstopologien.
Antworten auf diese Kernfrage des Softwaredesigns für betriebliche Informationssysteme bieten sie nicht.
Dabei hat Dave Parnas bereits 1972 die
passende Antwort formuliert: Software, die
sich unterschiedlich schnell ändert, wird in
unterschiedliche Module aufgeteilt (vgl.
[Par72]). Die Firma sd&m hat dieses
Grundprinzip von Parnas für betriebliche
Informationssysteme konkretisiert (vgl.
[Sie00], [Brö99]). Die Software-Blutgruppen stellen ein verlässliches Instrument
zum Erstellen und Bewerten von Softwarearchitekturen dar (siehe Kasten 1).
Die Kernaussage der BlutgruppenTheorie ist, dass man anwendungsspezifischen Code (A-Code) und technikspezifischen Code (T-Code) in der Architektur
strikt trennen sollte, um Erweiterbarkeit
und Wartbarkeit zu garantieren. Gerade
bei Benutzungsschnittstellen ist diese ATTrennung wichtig: Hier gibt es keinen
anerkannten technischen Standard, wie
z.B. SQL für Datenbanken. Stattdessen
gibt es eine Vielfalt von proprietären und
oft unausgereiften APIs für Benutzungsschnittstellen (UI-APIs), die sich in jährlichem Rhythmus ändern.
Bei einer zu starken Kopplung von Anwendung und UI-API muss bei einem
Wechsel der API nicht selten die ganze
Anwendung neu gebaut werden.
Für Web-Anwendungen mit Java sind
Java Server Pages (JSPs) und Servlets der
Stand der Technik. Das Open-Source-
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Framework Struts hilft beim Erstellen
web-basierter Anwendungen, indem es die
Trennung der Zuständigkeiten von Model,
View und Controller in der Architektur
etabliert (vgl. [Brow01], [Str02]). Ein
Vergleich verschiedener Web-Frameworks
findet sich unter [Bar02].
Im Folgenden skizzieren wir den
Leistungsumfang von Struts und stellen
die Stärken und Schwächen dieses
Frameworks dar. Anschließend zeigen wir,
wie man durch das Einführen einer technikneutralen Dialogschicht die Kopplung
zwischen Anwendung und JSP/Servlet-API
reduziert und damit in der Architektur an
Flexibilität gewinnt.
Was bietet Struts?
Struts ist ein Open-Source-Framework für
Web-Anwendungen, die auf JSP/ServletTechnik basieren. Struts wird im JakartaProjekt der Apache-Gruppe entwickelt
(vgl. [Str02]) und implementiert die
Model-2-Architektur (vgl. [Brow01]), eine
Variante des MVC-Patterns.
Aufwand und Nutzen
Das Struts-Framework bietet dem Nutzer
eine konfigurierbare Aktionssteuerung,
die eingehende HTTP-Anfragen auf
anwendungsspezifische Aktionen abbildet.
Diese Aktionssteuerung wird über eine
XML-Datei konfiguriert.
Struts unterstützt bei der Entwicklung
von formularbasierten Oberflächen. So
werden z. B. Benutzereingaben automatisch aus der HTTP-Anfrage ausgelesen
und serverseitig in anwendungsspezifische
Formulare (ActionForms) übernommen.
Optional wird dabei eine formularbasierte
Validierung am Server durchgeführt.
Außerdem stellt Struts umfangreiche
Tag-Bibliotheken zur Verfügung, die das
Erstellen der JSPs vereinfachen. Diese TagBibliotheken bieten unter anderem
Unterstützung für Iteratoren, das Erstellen
und Manipulieren von JavaBeans und die
Internationalisierung von Meldungen.
d i e a u t o re n
Christian Kamm
(E-Mail: [email protected])
ist Berater bei der sd&m AG. Sein technisches Schwerpunktthema ist die
Konstruktion von grafischen
Benutzungsschnittstellen.
Carsten Klein
(E-Mail: [email protected]) hat
mehrjährige Erfahrungen in der Leitung
von Projekten und dem Design objektorientierter Systeme. Derzeit ist er
Wissens-Broker für Clientarchitekturen
bei sd&m Research.
Das Struts-Framework erwartet vom
Nutzer, dass er die Aktionssteuerung konfiguriert und die anwendungsspezifischen
Struts-Aktionen (Action) und StrutsFormulare (ActionForm) implementiert.
Struts ist ein schlankes Framework, das im
Wesentlichen aus sechs zentralen Klassen
besteht (siehe Abb. 1). Es etabliert eine gute
Trennung von Außen- und Innensicht,
sodass der Lernaufwand gering ist. Nach
zwei Tagen hat man Struts verstanden.
Dabei helfen die gut dokumentierten StrutsQuellen und die Beispielanwendungen.
Struts-Komponenten
Die zentrale Klasse von Struts ist das
ActionServlet. Es implementiert die
Aktionssteuerung der Anwendung. Das
ActionServlet nimmt alle eingehenden
HTTP-Anfragen der Anwendung entgegen,
führt die zugehörigen fachlichen Aktionen
(Action) aus, und leitet zu den JSPs weiter,
die die HTTP-Antwort erzeugen.
Bei Eingabeformularen (HTML-Forms)
werden vor dem Ausführen einer Aktion
die Benutzereingaben aus der HTTP-
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Was bietet Struts nicht?
Blutgruppen
Software, die sich mit verschiedenen Dingen gleichzeitig befasst, ist in jeder Hinsicht
schlecht. Ein Paradebeispiel dafür im Umfeld von Web-Architekturen ist der seitenzentrierte Ansatz. Eine JSP umfasst bei diesem Ansatz nicht nur Layout-Informationen
und die Dialogsteuerung, sondern auch noch Anwendungslogik, Datenbankzugriffe
und Fehlerbehandlung.
Die Idee der Zuständigkeitstrennung (Seperation of Concerns) kann man formalisieren: Jedes Softwaresystem befasst sich mit der fachlichen Anwendung, denn dafür
wurde es gebaut, und es verwendet eine technische Basis (Betriebssystem, Datenbank,
Verbindungssoftware), denn im luftleeren Raum kann es nicht laufen. Daher gehört
jede Komponente zu genau einer von vier Kategorien:
0-Software ist unabhängig von Anwendung und Technik. Beispiele sind
Klassenbibliotheken, die sich mit Strings und Behältern befassen, etwa die zum
C++-Standard gehörige „Standard Template Library” (STL). Sie ist ideal
wiederverwendbar, für sich alleine aber ohne Nutzen.
A-Software ist bestimmt durch die Anwendung, aber unabhängig von der
A
Technik. Anwendungsbestimmter Code kennt Begriffe wie „Fluggast”,
„Buchung” oder „Fluglinie”.
T-Software ist unabhängig von der Anwendung, aber bestimmt durch die
T
Technik: Ein solcher Baustein kennt mindestens eine technisches API wie JDBC,
JSP oder Servlet.
AT-Software ist bestimmt durch Anwendung und Technik: leider eine häufig
AT
anzutreffende Form. Sie ist schwer zu warten, widersetzt sich Änderungen,
kann kaum wiederverwendet werden und ist daher zu vermeiden, es sei denn,
es handelt sich um R-Software.
R-Software transformiert fachliche Objekte in externe Repräsentationen und
R
wieder zurück. Beispiele für externe Repräsentationen sind Zeilen einer
Datenbank-Tabelle, ein Bildschirmformat oder XML. R-Software kann häufig
aus Metainformationen generiert werden.
Diese fünf Kategorien formalisieren die Trennung der Zuständigkeiten nur auf der
obersten Ebene. Selbstverständlich sollte sich jede T-Komponente nur mit einer technischen API befassen und nicht gleichzeitig mit zwei oder drei; jede A-Komponente
sollte nur ein Anwendungsthema bearbeiten.
0
Kasten 1: Software-Blutgruppen
Anfrage in das zugehörige serverseitige
Formular
(ActionForm)
übertragen.
Optional werden die Benutzereingaben
validiert, sofern man die validate-Methode
der ActionForm entsprechend implementiert.
Die anwendungsspezifische Beschreibung der Aktionssteuerung erfolgt in der
Konfigurationsdatei struts-config.xml. Hier
wird in XML beschrieben, welche Aktion
für welche URI ausgeführt werden soll
und gegebenenfalls welches Formular serverseitig für die Benutzereingaben verwendet wird. Sowohl für Aktionen als auch
für Formulare stellt das Struts-Framework
Basisklassen bereit.
Jede Aktion liefert als Ergebnis ihrer
perform-Methode einen ActionForward an
die Aktionssteuerung zurück. Über diesen
ActionForward führt die Aktionssteuerung
den nächsten Verarbeitungsschritt aus. Die
Aktion beschafft sich den passenden
ActionForward über ein ActionMapping, das
zu einem symbolischen Namen einen
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zugehörigen ActionForward liefert. Ein
ActionForward kapselt den Pfad zu einer
beliebigen Ressource, die wiederum eine
Action sein kann. Verkettungen von
Aktionen werden somit möglich.
Dialogschicht
Struts unterstützt zustandslose Anwendungen. Komplexe Anwendungen zeichnen
sich jedoch gerade durch eine komfortable
Benutzerführung und ein Dialoggedächtnis
aus. Im Dialoggedächtnis werden bereits
getätigte Benutzerinteraktionen und
Dialogdaten verwaltet (vgl. [Kam01]).
Somit kann die Anwendung zustandsabhängig auf Benutzereingaben reagieren.
Dazu braucht man in der Architektur des
Systems eine ausgeprägte Dialogschicht,
wie sie in [Den91] beschrieben ist.
Struts kennt keine Dialoge, sondern nur
Aktionen. Diese sind zu fein-granular, um
die Fachlichkeit eines Dialogs abzubilden.
Sie sind also für die Modularisierung der
Dialogschicht nicht geeignet. Stattdessen
müssen dazu mehrere Aktionen gebündelt
werden, die miteinander kooperieren.
Diese Kooperation verlangt eine gemeinsame Datenhaltung. Die Daten in den
Aktionen zu halten (z. B. als MemberVariablen), ist deshalb nicht möglich, weil
Aktionen pro Anwendung nur einmal
instanziiert werden und keine exklusiven
Ressourcen einer Sitzung darstellen. Sie
müssen thread-sicher programmiert werden (vgl. [Str02], [Dav99], [Pel99]).
Daher wird zum Datenaustausch zwischen
Aktionen meist die HttpSession benutzt, in
deren Attributen sitzungsbezogene Daten
abgelegt werden können. Damit führt man
allerdings sitzungsglobale Variablen ein (die
Problematik globaler Variablen wurde bereits
in [Wul73] hinreichend erläutert). Als
Konsequenz droht schwer verständlicher und
schwer wartbarer Code.
Modelltransformation
Zur Trennung von Präsentation und
Dialog stellen sich einer Architektur für
Abb. 1: Struts-Komponenten und Blutgruppen
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Dialogbeschreibung mittels Interaktionsdiagrammen
Interaktionsdiagramme (IAD) sind eine Variante endlicher Automaten. Ein IAD ist
eine formale Spezifikation eines Dialogablaufs und kann zur Laufzeit von der
Dialogsteuerung interpretiert werden, d.h. es ist automatisch ausführbar.
Im Unterschied zu einem klassischen endlichen Automaten unterscheidet ein IAD
zwischen Aktionen und Zuständen. In einem Zustand wartet das System auf eine
Benutzeraktion bzw. ein Ereignis. Aktionen sind dagegen vom System ausführbare
Funktionen. Zwischen zwei Zuständen kann es beliebig viele Aktionen geben. Der
gesamte Weg von einem Zustand zum Folgezustand wird als Dialogschritt bezeichnet.
In der Grafik wird beispielhaft ein trivialer Kundenanzeigedialog spezifiziert.
Initialzustand des Dialoges ist die Kundensuche. Mit dem Benutzerereignis (virtuelle
Taste) suche wird die Aktion suche Kunden ausgelöst. Abhängig von der Anzahl
Treffer die zur Suchanfrage gefunden werden, verzweigt der Dialog zurück zur
Kundensuche (0 Treffer), zur Aktion lese Kunden (1 Treffer) oder zum Zustand
Kundenliste (1 Treffer). Im Zustand Kundenliste sind zwei Benutzerereignisse möglich:
neue Suche oder auswählen eines Kunden. Der Zustand Kundendetails erlaubt lediglich eine neue Suche.
Kasten 2: Interaktionsdiagramme
Benutzungsschnittstellen drei Aufgaben:
■ Modelltransformation
zwischen
Dialog-Modell (Dialogdaten) und
View-Modell (Präsentationsdaten)
■ Abbildung von Präsentations- auf
Dialogereignis (Ereignisabstraktion)
■ Abbildung von Dialogzustand auf
Präsentationssicht (View)
Diese Aufgaben werden in der StrutsArchitektur nicht explizit abgebildet.
Stattdessen muss sich jede Anwendung
implizit selbst um diese Aspekte bemühen,
was häufig in einer Vermischung von
Aufgaben resultiert und versteckte
Komplexität produziert.
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Unterstützung für Multi-Channeling
Immer häufiger sollen Anwendungen verschiedene Präsentationskanäle unterstützen (z. B. Web-Oberfläche und native
Oberfläche). Um Multi-Channeling in der
Architektur zu unterstützen, sollte man die
Essenz der Benutzerinteraktionen abstrakt
modellieren, ohne sich dabei auf die
konkrete UI-API (z.B. Servlet/JSP, Swing)
einzulassen. Dafür bieten sich z. B. Interaktionsdiagramme (IADs) bzw. UMLZustandsdiagramme an (siehe Kasten 2).
Im Design wird diese abstrakte Beschreibung der Benutzerinteraktionen durch eine
technikneutrale Dialogschicht abgebildet.
Anwendungen, die naiv mit Struts gebaut
werden, sind nicht multi-channel-fähig.
Zustandsbehaftete
Dialoge mit Struts
Bisher wurden sowohl die Stärken als
auch die Schwächen von Struts aufgezeigt.
Im Folgenden stellen wir mit QUI-Web
(Quasar User Interface für Web-Anwendungen) eine Erweiterung von Struts vor,
welche die Konstruktion zustandsbehafteter Dialoge mit Struts ermöglicht, ohne
dabei das Geheimnisprinzip durch sitzungsglobale Variablen zu verletzen.
QUI-Web ist Teil der sd&m-Standardarchitektur QUASAR, vgl. [Sie00].
Was bietet QUI-Web?
QUI-Web ist ein Toolkit für Web-Anwendungen, die auf JSP/Servlet-Technik basieren.
Die Implementierung von QUI-Web verwendet Struts. Bei der Entwicklung wurde großer
Wert darauf gelegt, ein schlankes und leicht
wartbares Toolkit zu erstellen: Insgesamt
besteht QUI-Web aus circa 40 Klassen und
Interfaces, die von Java-Entwicklern in zwei
Tagen leicht verstanden werden können. Als
wesentlichen Mehrwert gegenüber Struts etabliert QUI-Web eine technikneutrale
Dialogschicht, die von der JSP/Servlet-API
und von Struts unabhängig ist.
Die Dialogschicht ermöglicht es,
zustandsabhängig auf eintreffende Benutzerereignisse (Dialogereignisse) zu reagieren. Im Dialog werden die Interaktionen
des Benutzers mit der Anwendung abstrakt
modelliert, ohne dabei auf die Spezifika der
UI-API einzugehen. Als Modellvorstellung
dafür dient das von Denert in [Den91] eingeführte Interaktionsdiagramm, eine
Variante eines endlichen Zustandsautomaten (siehe Kasten 2).
Ein
Dialog
besteht
dabei
im
Wesentlichen aus Dialog-Aktionen und
Zuständen. Die Kernidee ist, dass Dialogzustände von der Präsentationsschicht
interpretiert und visualisiert werden.
Diese Visualisierung ist channel-spezifisch. Hierfür bietet bietet QUI-Web
Schnittstellen an. Die web-spezifischen
Implementierungen dieser Schnittstellen
bereiten die Präsentationsdaten in Form von
JavaBeans auf und legen sie als Attribute der
Anfrage ab. Die JSPs greifen beim Erzeugen
der Ausgabe auf die Anfragen-Attribute zu
und erhalten damit sowohl die benötigten
Nutzdaten (z. B. für das Befüllen von
Tabellen), als auch optional benötigte
Metainformationen (z.B. Regeln für die
clientseitige Validierung mit JavaScript).
Aufwand und Nutzen
QUI-Web erwartet vom Nutzer zusätzlich
zur Struts-Konfiguration, dass er die an-
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Abb. 2: Komponenten von QUI-Web und Blutgruppen.
wendungsspezifischen Dialoge implementiert bzw. über IADs deklariert. Dialoge
werden in der Initialisierungsphase der
Anwendung beim Toolkit registriert.
Außerdem implementiert der Nutzer die
anwendungsspezifischen Modelltransformatoren (IDialogToView) und registriert sie
beim Toolkit.
Zusammenfassend stellt der Nutzer pro
Anwendung die Klassen außerhalb der grau
hinterlegten Komponenten in Abbildung 2
zur Verfügung. Die Komponenten selbst
(QPresentation, QDialog) bekommt er zur
Verfügung gestellt. Diese enthalten vorgedachte Interfaces und Implementierungen (0und T-Code), die in jeder Web-Anwendung
wiederverwendet werden können.
Komponenten von QUI-Web
QUI-Web besteht aus den beiden
Komponenten QPresentation und QDialog.
QPresentation nutzt QDialog ausschließlich
über die Schnittstellen IDialogManager und
IDialogRead.
QDialog
macht
keine
Annahmen über QPresentation. Die Implementierung von QPresentation verwendet
Struts. Genau genommen verwenden ausschließlich die Klassen QuiServlet,
RequestListener und QuiForm Struts.
Die Kernidee der Struts-Nutzung spiegelt sich in der Klasse RequestListener
wider: der RequestListener ist eine StrutsAktion – die einzige Struts-Aktion, die in
der Präsentation benötigt wird. Alle eingehenden HTTP-Anfragen werden vom zentralen
QuiServlet
(Subklasse
von
ActionServlet) entgegengenommen und an
die Struts-Aktion RequestListener weitergeleitet. Dieser benutzt ein von der URI
abhängiges, anwendungsspezifisches, serverseitiges Formular für die Verarbeitung
der Eingabedaten.
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Die serverseitigen Formulare (QuiForm
und anwendungsspezifische Subklassen
davon) enthalten die Benutzereingaben
einer Anfrage. Da die Abstraktion von
Präsentationsereignis auf Dialogereignis im
Allgemeinen datenabhängig ist, führen die
Formulare diese durch. Die Methode zur
Ereignisabstraktion ist genau der Mehrwert
der QuiForm gegenüber der ActionForm.
Der RequestListener verarbeitet eine
Anfrage in folgenden Schritten:
1. Zunächst erfolgt die Synchronisation
auf die HttpSession; damit werden konkurrierende Anfragen eines Benutzers
sequenzialisiert. Anfragen unterschiedlicher Benutzer sind strukturell über
die verschiedenen Instanzen von
HttpSession entkoppelt und beeinflussen sich gegenseitig nicht.
2. Aus dem eingehenden Präsentationsereignis (HTTP-Request) wird das zugehörige Dialogereignis ermittelt; dazu
wird das in der Konfiguration deklarierte, spezifisch fachliche Formular benutzt.
3. Das Dialogereignis wird dem DialogManager
(DialogManager)
zur
Verarbeitung übergeben; hier erfolgt
die Loslösung von der Technik und der
Eintritt in die technikneutrale Dialogschicht. Der Dialog-Manager leitet das
Dialogereignis an den dafür zuständigen Dialog weiter. Ein Dialog besitzt
jeweils eine eigene Datenhaltung
(DialogModel)
und
reagiert
im
Allgemeinen zustandsabhängig auf das
eintreffende Dialogereignis mit der
Ausführung einer Dialog-Aktion
(DialogAction), in welcher der Aufruf
der Anwendungsfälle des Anwendungskerns erfolgt.
4. Ist die Dialogschicht fertig mit der
Verarbeitung des Dialogereignisses,
wird der ViewManager damit beauftragt,
die
Präsentationsdaten
(ViewModels) zu ermitteln. Dazu ist für
den
sichtbaren
Dialog
ein
Modelltransformator (DialogToView)
registriert, den der ViewManager
benutzt. DialogToView interpretiert den
Zustand des Dialogs, transformiert
das Dialog-Modell in die aktuell für
die Präsentation benötigten ViewModelle (JavaBeans) und fügt diese
der HTTP-Anfrage hinzu.
5. Der RequestListener leitet die Anfrage an
eine in der Konfiguration festgelegte
Layout-JSP weiter: Diese stellt die Rahmenseite der Ausgabe dar; sie definiert
das Layout und inkludiert die gerade
benötigten Views. Die konkret zu inkludierenden JSPs sind ebenfalls in einem
View-Modell hinterlegt (vgl. [Gea00]).
Die Schnittstellen der wichtigsten Komponenten sind in Listing 1 dargestellt.
Mehrwert für den Nutzer
Gezähmtes Struts
Ein Mehrwert von QUI-Web liegt im
Nutzungskonzept der Struts-Aktionen.
Statt die Dialoglogik und die Anwendungsfallaufrufe in den StrutsAktionen zu implementieren (AT-Software), verwendet QUI-Web genau eine
Struts-Aktion
als
serverseitigen
RequestListener, einer zustandslosen technischen Klasse (T-Software). Hier erfolgen
die Loslösung von Struts und der Eintritt
in die zustandsbehaftete, technikneutrale
Dialogschicht.
In
der
Methode
perform
des
RequestListener erfolgt:
■ die Loslösung von der Servlet-API,
■ das Restaurieren und Suspendieren des
Sitzungsgedächtnisses,
■ die Synchronisation paralleler Anfragen eines Benutzers,
■ die Abstraktion vom Präsentationsereignis zum Dialogereignis,
■ der Eintritt in die technikneutrale
Dialogschicht,
■ das Erstellen der View-Modelle aus
den Dialog-Modellen und
■ das Erzeugen der Ausgabeseite durch
eine ActionForward.
Abschirmung vor der UI-API
Die Servlet/JSP-API ist die technische UIAPI der serverseitigen Präsentationsschicht. Sie wird in bestimmten Teilen der
Präsentationsschicht verwendet: die JSPs
und alle struts-behafteten Teile in der
Architektur verwenden sie.
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Interfaces für die Dialogschicht
public interface IDialogEvent {
public Symbol getEventId();
public Map
getEventParams();
public Symbol
getSourceDialogId();
public Symbol
getTargetDialogId();
public int
getDialogVersion();
}
public interface IDialogManager {
public void
processDialogEvent(IDialogEvent event);
public Symbol
getVisibleDialog();
public IDialogRead
getDialogRead(Symbol id);
public void
releaseDialogData();
}
public interface IDialogManagerIntern {
public void doDialogSwitch(Symbol sourceDialogId,
Symbol targetDialogId, Map params);
}
public interface IDialog {
public void
processDialogEvent(IDialogEvent event);
public RC
leave(Map params);
public void
enter(Map params);
public void
releaseDialogData();
public IDialogRead
getDialogRead();
}
public interface IDialogAction {
public Symbol execute(IDialog dialog, IDialogData data, Map params);
}
Interfaces für die Präsentationsschicht
public interface IQuiForm {
public IDialogEvent getDialogEvent();
}
public interface IViewManager {
public void putViewModels(IDialogManager dialogMgr, IRequest request);
}
public interface IDialogToView {
public void putViewModels(IDialogManager dialogMgr, IRequest request);
}
Interfaces für das Sitzungsmanagement
public interface IRequest {
public ISessionMemory getSessionMemory();
public Object
getViewModel(Symbol key);
public void
setViewModel(Symbol key, Object view);
}
public interface ISessionMemoryManager {
public void
initSessionMemoryManager(IQuiFactory
quiFactory, Map params);
public ISessionMemory getSessionMemory(Object session);
public void
suspendSessionMemory(Object session);
}
public interface ISessionMemory {
public IDialogManager getDialogManager();
}
Listing 1: Interfaces von QUI-Web
Alle übrigen Komponenten werden von
der UI-API nicht infiziert. Vorraussetzung
dafür ist die Abstraktion von der
HttpSession und dem HttpServletRequest,
die wir durch die beiden Interfaces
ISessionMemory und IRequest erreichen.
Beide Interfaces sind mit Implementierungen hinterlegt (T-Software).
Technikneutrale Dialogschicht
QPresentation nutzt QDialog über die beiden
schmal
gehaltenen
Schnittstellen
IDialogRead und IDialogManager. Die
Kopplung zwischen Präsentation und
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Dialog ist damit minimiert. Die Anwendung ist von der UI-API abgeschirmt.
Da die gesamte Dialogschicht technikneutral ist, kann sie für verschiedene GUIChannels verwendet werden (MultiChanneling). Über diese Schicht können
sowohl zustandslose als auch zustandsbehaftete Dialoge realisiert werden. Für
zustandsbehaftete Dialoge bietet QUIWeb verschiedene Mechanismen zum
transparenten Management von Sitzungsdaten, die weiter unten beschrieben werden.
Dialog und IAD-Interpreter
Für die Implementierung eines Dialogs stehen dem Nutzer von QUI-Web verschiedene Wege offen: Entweder implementiert er
die
Dialogschnittstellen
(IDialog,
IDialogRead) eigenständig oder er verwendet eine vorgefertigte IAD-Dialogimplementierung (0-Software). Im letzteren Fall
wird der Dialogablauf über eine IADBeschreibung in XML deklariert und über
einen IAD-Interpreter zur Laufzeit ausgeführt.
Die Nutzung der IAD-Dialogimplementierung erfordert keine Implementierungsvererbung. QUI-Web verfolgt stringent
den Toolkit-Ansatz und benutzt keine
Vererbungsbeziehungen zwischen Toolkit
und Toolkit-Nutzer (vgl. [Broy02]).
Der Mehrwert des IAD-Verfahrens
besteht darin, für jeden Dialog eine
geschlossene Darstellung des Dialogablaufs zu besitzen. Dies erleichtert das
Verständnis und die Wartbarkeit der
Anwendung wesentlich. Zusammen mit
der Beschreibung der Struts-Aktionssteuerung hat man damit die gesamte
Dialogdynamik deklarativ beschrieben. Das
IAD-Verfahren eignet sich für 80% der
Dialoge. Für Sonderfälle bleibt dem Benutzer
über die manuelle Dialogimplementierung
der User-Exit erhalten. Die Koordination der
verschiedenen Dialoge der Anwendung
übernimmt der DialogManager. Diese 0Komponente koordiniert Dialogwechsel und
führt Buch über den sichtbaren Dialog im
Kontext einer Anfrage.
Modelltransformation und
Ereignisabstraktion
Technische
Präsentationsereignisse
(HttpServletRequests) werden in der
QuiForm auf technikneutrale Dialogereignisse abgebildet (Ereignisabstraktion). Die
Regeln dazu werden von der Anwendung
definiert und beim Toolkit registriert. Die
Dialogschicht verarbeitet ausschließlich
Dialogereignisse; damit bleibt sie technikneutral.
In der QuiForm findet die Modelltransformation für die Dateneingabe statt:
Präsentationsdaten werden auf Dialogdaten
abgebildet. Die Modelltransformation für
die Datenausgabe geschieht in den anwendungsspezifischen Implementierungen von
IDialogToView. Hier werden abhängig vom
aktuellen Dialogzustand die Daten des
Dialogmodells
extrahiert
und
in
Präsentationsdaten konvertiert (JavaBeans).
Zusätzlich zu den Nutzdaten wird im
Präsentationsmodell auch Metainformation
für den Aufbau der View-Hierarchie (vgl.
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[Gea00]) und für clientseitige Validierung
abgelegt.
technischen Aspekt nicht kümmern, denn
sie bekommt davon nichts mit.
Sitzungsmanagement und -gedächtnis
Zwei zentrale Aspekte des Sitzungsmanagements sind:
Erkennen technischer Navigation
Jede zustandsbehaftete Web-Anwendung
muss auf technische Browser-Navigation
(Back-Button, History Bookmarks, parallel geöffnete Browser-Fenster) semantisch
korrekt reagieren. QUI-Web stellt als
Basisfunktionalität
einen
einfachen
Mechanismus zum Erkennen technischer
Navigation auf Dialogebene bereit. Die
Anwendung entscheidet, wie fachlich korrekt darauf zu reagieren ist.
Dazu wird das Dialog-Modell eines
Dialoges versioniert. Bei jedem Schreibzugriff wird die Versionsnummer erhöht.
Die Dialogversion wird als verstecktes
Feld in die JSP eingebaut und zum Client
geschickt. Über diesen Versionszähler
können Konflikte erkannt werden.
Die Versionierung pro Dialog erlaubt es
dem Benutzer, mehrere Dialoge parallel zu
bearbeiten – in jeweils eigenen BrowserFenstern.
■ das Aufrechterhalten der logischen
Verbindung über mehrere C/S-Interaktionen hinweg und
■ das Verwalten von sitzungsbezogenen
Anwendungsdaten.
Der erste Punkt wird vom ServletContainer auf Basis von Cookies/URLRewriting geleistet (vgl. [Dav99]).
Über das Interface HttpSession bietet die
Servlet-API auch die Möglichkeit zur
Ablage von Sitzungsdaten. Nutzt man diesen Mechanismus naiv, so werden die
Sitzungsdaten für die gesamte Sitzungsdauer im Hauptspeicher des ServletContainers gehalten.
Serverlast und die Menge der anfallenden Sitzungsdaten in der Anwendung fordern hier einen Designabwägung zwischen
Ressourcenverbrauch (Hauptspeicher)
und Performanz (Zugriffszeit). Um zu verhindern, dass diese Designabwägung die
Architektur dominiert, versteckt man die
Entscheidung hinter einem geeigneten
Interface und entscheidet an zentraler
Stelle über die Implementierungsvariante.
Die Idee ist einfach: Jeder HttpSession wird
ein Sitzungsgedächtnis (ISessionMemory)
zugeordnet. Diese Zuordnung wird vom
SessionMemoryManager hergestellt und verwaltet.
Die Methode suspendSessionMemory
erlaubt unter anderem folgende Implementierungsvarianten:
■ Die Methode besitzt einen leeren
Rumpf, d. h. das Sitzungsgedächtnis
bleibt die gesamte Sitzungsdauer über
im Hauptspeicher.
■ Das Sitzungsgedächtnis wird in eine
Datei serialisiert oder in die Datenbank geschrieben.
■ Das Sitzungsgedächtnis wird in einen
String serialisiert und als verstecktes
Formularfeld zum Client ausgelagert.
Der Aufruf von suspendMemory fügt sich
an zentraler Stelle in die QUI-Architektur
ein. Die Anwendung muss sich um diesen
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Zusammenfassung
QUI-Web ist eine Erweiterung des StrutsFrameworks
für
komplexe
WebAnwendungen. Bestehender Struts-Code
wird dabei nicht verändert. QUI-Web bietet gegenüber Struts als Mehrwert:
■ ein Dialogkonzept, das auch zustandsbehaftete Dialoge ohne die Verletzung
des Geheimnisprinzips ermöglicht,
■ die Trennung zwischen Technik
(JSP/Servlet) und Anwendungslogik
(Dialog) sowie
■ ein transparentes Sitzungsmanagement
mit flexiblen Implementierungsvarianten.
Neben den bereits vorgestellten Features –
wie dem Erkennen von technischer
Navigation und der effizienten Dialoggestaltung mit Hilfe von Interaktionsdiagrammen – bietet QUI-Web noch
zusätzlich eine eigene Validierungskomponente für die Prüfung von Benutzereingaben und ein durchgängiges Konzept zur
Fehlerbehandlung.
Bei einer großen Anzahl von Dialogen
(mehr als 40) bietet sich ein Generatoransatz an, um die notwendige Produkti-
vität im Entwicklungsprozess zu erzielen.
View, View-Modell und Modelltransformation lassen sich deklarativ beschreiben. Aus dieser Beschreibung werden die
JSPs und Java-Klassen generiert.
Dieser Generatoransatz hat sich in
Projekten bei der Firma sd&m bewährt.
Für QUI-Web existiert derzeit kein
Generator. Dies stellt den nächsten Schritt
in der Weiterentwicklung des Toolkits dar.
■
Literatur & Links
[Bar02] Baracuda – Surveying the
Landscape (siehe http://barracuda.enhydra.
org/cvs_source/Barracuda/docs/landscape.html)
[Brö99] P. Brössler, J. Siedersleben,
Software Technik, Hanser, 1999
[Brow01] S. Brown, R. Burdick, Professional JSP, 2nd Ed., Wrox Press, 2001
[Broy02] M. Broy, J. Siedersleben, Objektorientierte Programmierung und Softwareentwicklung: Eine kritische Einschätzung,
in: Informatik Spektrum, 25, S. 3-11, 2002
[Dav99] J. Davidson, D. Coward, Java
Servlet Specification, v2.2, Sun Microsystems Press, 1999
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