Arbeit ist mehr als Geldverdienen

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Arbeit ist mehr als Geldverdienen
"Arbeit ist mehr als Geldverdienen"
BZ-INTERVIEW mit Inova-Geschäftsführer Peter Braun / Seit 15 Jahren werden Langzeitarbeitslose
im Kaufhaus trainiert.
Großer Andrang herrschte beim Tag der offenen Tür an den Kassen im Gebrauchtwaren-Kaufhaus Secondo in
Neustadt, das sein 15-jähriges Bestehen feiern konnte. Foto: Eva Korinth
Peter Braun Foto: Eva Korinth, akh
TITISEE-NEUSTADT. Seit 15 Jahren werden in der ehemaligen Wäschefabrik in der Jakobistraße in
Neustadt Langzeitarbeitslose beschäftigt, qualifiziert und erhalten individuelle Lebensberatung. Im
Mai 1997 startete der gemeinnützige Verein Inova. Geschäftsführer Peter Braun stellte sich im Interview den Fragen von BZ-Mitarbeiterin Eva Korinth.
BZ: Wie viele Langzeitarbeitslose erhielten in den 15 Jahren Starthilfe?
Braun: Da muss ich rechnen. Ich kann das an den Plätzen festmachen. Das sind Hunderte! Im Schnitt
waren es pro Jahr in Titisee-Neustadt 20 bis 30 Teilnehmer an den verschiedenen Maßnahmen.
BZ: Wie lange dauert so eine Maßnahme?
Braun: Anfangs dauerte ein Projekt ein Jahr lang, seit 2005 in der Regel ein halbes Jahr.
BZ: Was kann sich der BZ-Leser unter einem Projekt vorstellen? Wem nutzt es?
Braun: Ein Projekt ist der Versuch Langzeitarbeitslose, das heißt Menschen, die aus verschiedenen
Gründen, keine Arbeit finden können, an die Arbeitswelt heranzuführen
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Sie einige Gründe nennen?
Braun: Alter, fehlende Qualifikation, gesundheitliche Einschränkungen und Beeinträchtigungen.
Trotz derzeit geringer Arbeitslosenquote sind diese Arbeitnehmer nicht sehr gefragt. Gesucht sind
Fachkräfte.
BZ: Wie machen Sie Ihre Teilnehmer fit für den Arbeitsmarkt?
Braun: Unser Ansatz ist es, den Menschen, die erfahren haben, dass sie ohne Arbeit nichts mehr in
der Gesellschaft gelten, zu vermitteln, dass sie etwas leisten können und was sie tun müssen, um wieder dazuzugehören. Wir führen sie an die Arbeitswelt heran. Es ist schön, wenn man dann erlebt, wie
die Teilnehmer aufblühen. Denn Arbeit ist mehr als nur Geldverdienen.
BZ: Wie kommen Sie an Ihre Teilnehmer?
Braun: Die werden uns vom Jobcenter zugewiesen und sind meistens erst einmal nicht sehr begeistert.
BZ: Was lernen und üben Ihre Teilnehmer?
Braun: Wir vermitteln Schlüssel-, Sozialkompetenzen und Grundtugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, miteinander zu kommunizieren. Sie erhalten Stück für Stück mehr Verantwortung. Da wir
nach QM-Systems nach DIN ISO 9001:2000 zertifiziert sind, sind alle Arbeitsabläufe genau definiert
und können so für jeden einsehbar gut detailliert nachvollzogen werden. So lernt jeder beispielsweise
dieselben Handgriffe und Vorgehensweisen bei der Bedienung der Kasse. Das vermittelt Sicherheit.
BZ: Welche Arbeitsbereiche bieten Sie hier in Neustadt an?
Braun: Wir haben den Bereich Verkauf in unserem Gebrauchtwarenhaus Secondo und den Bereich
Dienstleistung. Bei letzterem werden gespendete Möbel abgeholt oder gekaufte bereitgestellt. Dann
haben wir noch den Bereich Aufbereitung, eine kleine Reparaturwerkstatt. Unsere Teilnehmer lernen,
wie ein Kaufhaus funktioniert, sie bekommen zudem Kundenkontakt.
BZ: Welche Projekte haben Sie gerade im Haus?
Braun: Derzeit läuft ein EU-gefördertes Projekt hauptsächlich für ältere Menschen, ab 50 plus und
mit Migrationshintergrund. Es beinhaltet die Bereiche Beschäftigung im Verkauf und Lager, praktische Qualifizierung mit begleitendem Unterricht. Da werden Grundkenntnisse in EDV vermittelt, Bewerbungen trainiert, Sprachkenntnisse verbessert und über unseren eigenen Sozialdienst auch Hilfe für
alle Lebenslagen gegeben.
BZ: Können Sie sagen, wie viele Ihrer betreuten Teilnehmer in Lohn und Brot gekommen sind?
Braun: Nein. Es ist oft so, dass manche nur kurzfristige Stellen bekommen. Wenn uns hin und wieder
ein Teilnehmer besucht, dann erfahren wir mehr. Und es ist schön zu erfahren, dass sie Jobs haben.
Unsere Arbeit lohnt sich.
BZ: Wie werden die Kosten der Maßnahmen gedeckt?
Braun: Für einen Teil der Kosten kommen wir mit dem Kaufhaus selbst auf, das muss durch die Umsätze erwirtschaften. Ein Teil der Projektkosten decken die, die die Projekte vergeben, beispielsweise
der Europäische Sozialfonds (EFS) und das Jobcenter. Hier müssen wir uns Jahr für Jahr neu bewerben.
PETER BRAUN (59)
ist von Beruf Schauwerbegestalter und Arbeitserzieher. Er ist Gründungsmitglied des Vereins Inova
e.V. Im Mai 1997 startete der Verein in Neustadt in der Jakobistraße. Bereits im September 1997 wurde das Second Hand Kaufhaus eröffnet. 2000 wurde in Umkirch das zweite Kaufhaus eingerichtet und
die Inova-Geschäftsstelle zog dorthin um. Braun ist Geschäftsführer und Mitbegründer, Joachim Walz
Vorsitzender des Vereins Inova.
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