04-Gemischbildung (Diesel)

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4.3.5
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Bosch-Einspritzsystem Common Rail (CR) mit Piezo-Inline-Injektor
Dieses Common-Rail-System gehört zur 3. Generation. Es ist mit Piezo-Inline-Injektoren ausgerüstet.
Hinweis: Der Aufbau, die Wirkungsweise und die Überprüfung des CR-Einspritzsystems der ersten Generation mit Magnetventil-Injektoren für Pkw sind in Abschnitt
4.3.4 ausführlich beschrieben. Im Folgenden werden nur die Besonderheiten des CREinspritzsystems mit Piezo-Inline-Injektor erklärt.
Hochdruckregelung bei Common-Rail-Systemen
Bei dem Common-Rail-System der 1. Generation (siehe Abschnitt 4.3.4) ist die Förderleistung der Hochdruckpumpe so ausgelegt, dass die Versorgung bei Volllast und
hoher Drehzahl ausreicht und im Leerlauf bzw. Teillast ein Fördermengenüberschuss
besteht (maximaler Druck 1350 bar). Dieser zu viel geförderte Kraftstoff wird über das
Druckregelventil an der Hochdruckpumpe (oder Rail) zum Kraftstoffbehälter zurückgeführt. Nachteile: ein zu hoher Leistungsbedarf der Hochdruckpumpe und eine zu
starke Kraftstofferwärmung im Rücklauf.
Bei dem Common-Rail-System der 2. Generation wird der Raildruck niederdruckseitig über ein Mengenregelventil (Zumesseinheit) geregelt. Die Hochdruckpumpe fördert nur die Kraftstoffmenge, die der Motor tatsächlich benötigt. Durch diese Ausführung sinkt der Energiebedarf der Hochdruckpumpe, damit der Kraftstoffverbrauch
und die Kraftstofferwärmung.
Bei dem Common-Rail-System der 3. Generation, die mit Piezo-Inline-Injektoren
ausgerüstet ist, werden zur Druckregelung 2 Drucksteller eingesetzt (Bild 4.53). Neben
der Zumesseinheit an der Hochdruckpumpe wird zusätzlich ein Druckregelventil am
Rail wirksam.
Hochdruckregelung mit Mengenregelventil (Zumesseinheit)
Bei den Hochdruckpumpen ab der 2. Generation ist eine Verbesserung des Wirkungsgrades durch eine kraftstoffzulaufseitige (saugseitige) Mengenregelung erreicht worden. Hierbei wird der in die Pumpenelemente strömende Kraftstoff durch ein stufenlos
regelbares Magnetventil (als Zumesseinheit bezeichnet) dosiert. Dieses Ventil (Bild
4.54) ist statt des Druckregelventils (siehe Bilder 4.44 und 4.46) an die Hochdruckpumpe angebaut und passt die ins Rail geförderte Kraftstoffmenge dem Systembedarf
an. Die Ansteuerung des Magnetventils geschieht mittels eines pulsweitenmodulierten
Signals (PWM-Signals). Bei der Ansteuerung des Ventils wird der Kolben durch die
Magnetkraft betätigt. Er gibt, entsprechend seiner Stellung, einen unterschiedlichen
Zulaufquerschnitt frei. Mit dieser Mengenregelung wird der Leistungsbedarf der
Hochdruckpumpe gesenkt, sie fördert nur so viel, um den aus einem Kennfeld verlangten Raildruck zu erzeugen. Außerdem wird auch die maximale Kraftstofftemperatur verringert. Die Hochdruckpumpe ist gegenüber der Pumpe der ersten Generation
verstärkt worden und für den Druck bis zu 1600 bar ausgelegt.
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Gemischbildung und Verbrennung bei Dieselmotoren
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Bild 4.53 Bosch-Common-Rail-Kraftstoffanlage mit Piezo-Inline-Injektoren (Bosch)
1 Hochdruckpumpe mit Zumesseinheit
2 Kraftstofffilter mit Wasserabscheider und Heizung (optional)
3 Kraftstoffbehälter
4 Vorfilter
7 Piezo-Inline-Injektor
5 Rail (Kraftstoffverteilerrohr)
8 Druckregelventil
6 Raildrucksensor
9 Elektrokraftstoffpumpe
Hochdruckregelung mit Mengenregel- und Druckregelventil
Es hat sich gezeigt, wenn der Druck nur auf der Saugseite mit der Zumesseinheit eingestellt werden kann, dauerte bei schnellen Lastwechseln der Druckaufbau im Rail zu lang.
Die Druckanpassung an die veränderten Lastbedingungen reagiert zu träge. Deshalb enthalten einige Common-Rail-Systeme neben der Zumesseinheit an der Hochdruckpumpe
zusätzlich ein Druckregelventil am Rail (siehe Bild 4.53). Mit diesem Zweistellersystem
werden die Vorteile der niederdruckseitigen Regelung mit der schnellen hochdruckseitigen Regelung kombiniert. Ein weiterer Vorteil besteht bei kaltem Motor. Durch die vom
Motorsteuergerät gesteuerte hochdruckseitige Regelung bei Kaltstart wird der Kraftstoff
erwärmt, so dass man oft auf eine zusätzliche Kraftstoffheizung verzichtet.
Piezo-Inline-Injektor
Der Bosch-Piezo-Inline-Injektor hat gegenüber dem Magnetventil-Injektor einige Vorteile, die im Folgenden genannt werden:
Es können während eines Einspritzzyklus mehrere Einspritzungen erfolgen, so z. B.
2 Voreinspritzungen, 1 Haupteinspritzung und bis zu 2 Nacheinspritzungen;
die Einspritzmengen der Voreinspritzung können deutlich verringert werden;
die zeitlichen Abstände zwischen den Voreinspritzungen können kürzer gewählt
werden;
der Bauraum ist kleiner und kompakter, weil der Piezosteller (Aktor) im Injektor
verbaut ist, dadurch ein geringeres Gewicht;
Dieseleinspritzsysteme mit elektronischer Regelung (EDC)
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Bild 4.54
Mengenregelventil/ Zumesseinheit (Bosch)
1 Stecker mit elektrischer Schnittstelle
2 Magnetgehäuse
3 Lager
4 Anker mit Stößel
5 Wicklung mit Spulenkörper
6 Topf
7 Restluftspaltscheibe
8 Magnetkern
9 O-Ring
10 Kolben mit Steuerschlitze
11 Feder
12 Sicherungselement
geringerer Kraftstoffverbrauch (etwa 3 %) und geringerer Schadstoffausstoß (etwa
20 %);
Steigerung der Motorleistung (um etwa 7 %).
Aufbau: Der Piezo-Inline-Injektor (Bild 4.55) besteht aus dem Piezosteller (Aktor) (3)
mit etwa 265…300 Schichten (aus z.B. Quarz oder Turmalin), dem hydraulischen
Koppler oder Übersetzer (4), dem Steuer- oder Servoventil (5) und der Einspritzdüse
(6).
Wirkungsweise: Die Düsennadel der Einspritzdüse wird bei dem Piezo-Inline-Injektor
über ein Servoventil indirekt gesteuert. Die jeweilige Einspritzmenge wird dabei über
die Ansteuerdauer des Ventils geregelt.
Ruhestellung: Im nicht angesteuerten Zustand befindet sich der Piezosteller in der
Ausgangsposition mit geschlossenem Servoventil (Bild 4.56 a). Das bedeutet, der
Hochdruckbereich ist vom Niederdruckbereich getrennt. Die Düsennadel wird durch
den im Steuerraum (3) herrschenden Raildruck geschlossen gehalten.
Einspritzbeginn: Bei der Ansteuerung durch das Motorsteuergerät wird eine SollAnsteuerspannung von etwa 110…150 V vorgegeben. Dabei erfolgt die Bestromung
des Piezostellers (Aktors) pulsförmig. Der Spannungsanstieg wird im direkten Verhält-
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Bild 4.55
Piezo-Inline-Injektor (Bosch)
1 Kraftstoff-Rücklauf
2 Hochdruckanschluss (vom Rail)
3 Piezosteller (Aktor)
4 hydraulischer Koppler (Übersetzer)
5 Steuerventil (Servoventil)
6 Einspritzdüse
7 Spritzlöcher
nis in den Hub des Piezostellers umgesetzt. Das Servoventil (Steuerventil) verschließt
die Bypass-Bohrung (6) (Bild 4.56b). Über das Durchflussverhältnis von Ablaufdrossel
(2) und Zulaufdrossel (4) wird der Druck im Steuerraum (3) abgesenkt und die Düsennadel (5) von dem an der Druckschulter herrschenden Raildruck geöffnet. Die dabei
anfallende Kraftstoffsteuermenge fließt über das geöffnete Servoventil (1) in den Niederdruckkreis der Kraftstoffanlage ab.
Einspritzende: Um das Einspritzende einzuleiten, wird die Ansteuerung des Piezostellers (Akors) unterbrochen (Bild 4.56 c), d. h. der Piezosteller entladen (der Längenzuwachs aufgehoben). Das Steuerventil (1) gibt die Bypass-Bohrung (6) wieder frei und
verschließt danach den Abfluss in den Niederdruckkreis. Sobald der Druck im Steuerraum (3) hoch genug angestiegen ist, beginnt die Düsennadel sich in Richtung Sitz zu
bewegen, um den Einspritzvorgang zu beenden.
Hydraulischer Koppler im Piezo-Inline-Injektor
Ein wichtiges Bauteil im Piezo-Inline-Injektor ist der hydraulische Koppler (Bild 4.57),
der folgende Aufgaben übernehmen muss:
Dieseleinspritzsysteme mit elektronischer Regelung (EDC)
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Bild 4.56 Wirkungsweise des Steuerventils im Piezo-Inline-Injektor (Bosch)
a Ruhelage
4 Zulaufdrossel
1 Steuerventil (Servoventil)
b Einspritzbeginn
5 Düsennadel
2 Ablaufdrossel
c Einspritzende
6 Bypass-Bohrung
3 Steuerraum
Bild 4.57
Hydraulischer Koppler im Piezo-Inline-Injektor (Bosch)
1 Niederdruck-Rücklauf mit Druckhalteventil
2 Piezosteller (Aktor)
3 hydraulischer Koppler (Übersetzer)
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Übersetzung und Verstärkung des Piezostellerhubes,
Ausgleich eines eventuell vorhandenen Spiels zwischen Piezosteller und Steuerventil, das durch Wärmedehnung entstehen kann,
selbsttätige Sicherheitsabschaltung der Einspritzung im Fall einer elektrischen Fehlschaltung.
Wirkungsweise: Der hydraulische Koppler und der Piezosteller (Aktor) sind von Dieselkraftstoff umgeben, der unter einem Druck von 10 bar steht. Wird der Piezosteller
nicht angesteuert, dann steht der Druck im hydraulischen Koppler im Gleichgewicht
mit seiner Umgebung. Längenänderungen, die aufgrund von Temperatureinflüssen
auftreten, werden durch geringe Leckmengen über die Führungsspiele der beiden Kolben ausgeglichen. Dadurch kann immer eine Kraftkopplung zwischen Piezosteller und
Steuerventil erhalten bleiben.
Wird der Piezostellers angesteuert, dann wird dieser so lange mit einer Spannung
von 110…150 V beaufschlagt, bis das Kräftegleichgewicht zwischen dem Steuerventil
und dem Piezosteller überschritten wird. Dadurch steigt der Kraftstoffdruck im Kopplerinnenraum an, und eine geringe Leckmenge fließt über die Kolbenführungsspiele aus
dem Kopplerinnenraum in den Niederdruckkreis des Injektors ab. Nach dem Einspritzvorgang muss im Kopplerinnenraum die Fehlmenge wieder aufgefüllt werden.
Dies geschieht nun in umgekehrter Richtung über die Führungsspiele der Kolben durch
den Druckunterschied zwischen dem hydraulischen Koppler und dem Niederdruckkreis des Injektors. Das geschieht immer so schnell, dass noch vor dem nächsten Einspritzvorgang der hydraulische Koppler wieder vollständig gefüllt ist.
Der Vordruck im Piezosteller und Kopplerraum von 10 bar wird durch das Druckhalteventil (Bild 4.57, Pos. 1) im Rücklauf vom Injektor zum Kraftstoffbehälter
bestimmt. Wenn kein Vordruck herrscht, z. B. bei leerem Kraftstoffbehälter, wird das
Steuerventil nicht betätigt und kein Kraftstoff eingespritzt. Die Piezo-Inline-Injektoren
werden wieder durch Starten mit Starterdrehzahl gefüllt. Außerdem werden mit Hilfe
der Innentankpumpe über das Druckhalteventil die Injektoren entgegen der normalen
Kraftstoffflussrichtung gefüllt.
Piezo-Effekt
Der piezoelektrische Effekt wird bei bestimmten Kristallen (z. B. Quarz, Bild 4.58 a)
beobachtet. Werden diese Kristalle gestaucht oder gestreckt, dann werden entlang
bestimmter Kristallachsen an den Oberflächen der Kristalle elektrische Ladungen induziert (hervorgerufen). Diese elektrische Polarisierung entsteht dadurch, dass sich die
positiven und negativen Ionen im Kristall unter der Krafteinwirkung gering zueinander verschieben (Bild 4.58 b).
Wird dagegen an die Stirnflächen des Kristalls eine elektrische Spannung angelegt,
so wird der Piezo-Effekt umgekehrt. Die positiven Ionen werden im elektrischen Feld
in Richtung zur negativen Elektrode und die negativen Ionen zur positiven Elektrode
hin verschoben. Dadurch dehnt sich der Kristall je nach Richtung der elektrischen Feldstärke (Bild 4.58 c). Dieser Piezo-Effekt wird genutzt in: Piezo-Inline-Injektoren,
Quarzuhren, Sensoren zur Klopfregelung, Piezo-Feuerzeugen u. a.
Dieseleinspritzsysteme mit elektronischer Regelung (EDC)
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Bild 4.58
Schematische Darstellung des Piezo-Effektes (Bosch)
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Bosch-Radialkolben-Verteilereinspritzpumpe (VR..)
Die Radialkolben-Verteilereinspritzpumpe (Bild 4.59) kommt bei schnell laufenden
Dieselmotoren mit Direkteinspritzung zum Einsatz. Das Besondere dieser Verteilerpumpe ist ihre Schnelligkeit bei der Einspritzmengenbemessung (bei den derzeit verbauten neuen Anlagen auch mit Voreinspritzung) und Spritzbeginnregelung. Außerdem ist sie in der Lage, Drücke an der Einspritzdüse bis zu 1600 bar zu erzeugen. Am
Pumpengehäuse sind innen oder außen folgende Komponenten vorhanden:
Flügelzellen-Förderpumpe (1) mit Drucksteuerventil und Überströmdrosselventil,
Radialkolben-Hochdruckpumpe (4) mit Verteilerwelle und Auslassventil mit Rückströmdrossel,
Mengenmagnetventil (Hochdruckmagnetventil) (6),
hydraulischer Spritzversteller (5) mit Spritzversteller-Magnetventil,
Drehwinkelsensor (2) und
Pumpensteuergerät.
Hinweis: Das in diesem Abschnitt beschriebene Dieseleinspritzsystem mit der Radialkolben-Verteilereinspritzpumpe VR (auch als VP 44 bekannt) besitzt noch ein Motorund ein Pumpensteuergerät. Bei den derzeit verbauten neuen Anlagen sind die beiden
Steuergeräte zu einem Motorsteuergerät vereinigt.
Das Einspritzsystem (Bild 4.60) wird unterteilt in:
Kraftstoffanlage (Niederdruckteil),
Kraftstoffanlage (Hochdruckteil mit Radialkolben als Hochdruckerzeuger und Förderkolben und einem Verteilerkolben zur Kraftstoffverteilung auf die einzelnen
Auslässe),
elektronische Dieselregelung (EDC) mit dem Motor- und Pumpensteuergerät, den
Sensoren und dem Sollwertgeber sowie den Stellgliedern (Aktoren),
Peripherie mit z. B. Abgasrückführung und Turbolader.
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