der Feldsessel - Archetypen - Dinge für ein ganzes Leben

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der Feldsessel - Archetypen - Dinge für ein ganzes Leben
Datenblatt
KLINTS ‘SAFARI CHAIR’, 1933
der Feldsessel
Abb.: mit Canvas-Bezügen
Typologie, Beschrieb (Feldsessel)
Spezifikationen
Einfach zerlegbarer Armlehnsessel. Mit Gurt-Armlehnen
und mitwippender Rückenlehne; auch im Freien geeignet
Höhe
Breite
Tiefe
Sitzhöhe (am tiefsten Punkt)
Eschenholz-Rahmen (für Canvas- od. Ochsenleder-Bezug)
- naturfarben (transp. Klarlack)
- dunkelbraun (geräuchert)
Aufpreis CHF 200.-
80cm
57cm
57cm
34cm
Canvas-Bezug (Armlehne: immer Leder naturnaturfarben)
- beige (Leine nature)
- blau
- olivgrün (Farbreferenz siehe S.2, ‘Ottoman’)
Ochsenleder-Bezug
- naturfarben
- schwarz
(Armlehne: immer Leder naturfarben)
Aufpreis CHF 1300.Aufpreis CHF 1300.-
Bauweise
Vorteile, Nachteile
Holzstreben-Bauweise, gesteckt, verspannt. Gestell: Esche
verzapft. Sitz-, Rücken-Gespann: Canvas. Amlehnen: Ledergurt, natur. Mehrteilig geliefert. Made in DK by RudRas.
+ sehr bequem
+ weitgehend werkzeuglos zerlegbar
–/+ Selbstmontage
Konditionen (Sessel)
ab CHF 970.–
Preisgarantie und portofrei für ganze Schweiz
inkl. 8% MwSt.. Lieferfrist voraussichtlich 8 Wochen
Es gelten die AGB der Website www.archetypen.ch
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Archetypen
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Datenblatt
KLINTS ‘SAFARI CHAIR’
Feldsessel, Ottoman
Abb.: mit Leder-Bezügen
Typologie, Beschrieb (Ottoman)
Spezifikationen (Ottoman)
Der Ottoman ist mit dem Unterbau des Feldsessels bis
und mit Sitzhöhe identisch.
Gewicht
Höhe (= Sitzhöhe)
Breite
Tiefe
Eschenholz-Rahmen (für Canvas- od. Ochsenleder-Bezug)
- naturfarben (transp. Klarlack)
- dunkelbraun (geräuchert)
Aufpreis CHF 140.-
9.5kg
34cm
57cm
57cm
Canvas-Bezug
- beige (Leine nature)
- blau
- olivgrün
Ochsenleder-Bezug
- naturfarben
- schwarz
Aufpreis CHF 274.Aufpreis CHF 274.Abb. Ottoman:
links Canvas-Variante
mit hellem Gestell;
rechts Leder-Variante
mit dunklem Gestell
Konditionen (Ottoman)
ab CHF 750.–
Preisgarantie und portofrei für ganze Schweiz
inkl. 8% MwSt.. Lieferfrist voraussichtlich 8 Wochen
Es gelten die AGB der Website www.archetypen.ch
Hintergrund
KLINTS ‘SAFARI CHAIR’
Ursprung
Chronologischer Abriss
Herstell-Geschichte:
~1898: offizieller Roorkhee Campaign chair, britische Armee (1)
- 1904-1956: Zivil-Version Maples & Co., als Modell Nr.1761N (2)
~1917 (1928?): Wohnbedarf AG Version v. >Wilhelm Kienzle (3)
~1925: 851 Moreta, heute Reedition Zanotta, v. >Bernard Marstaller (4)
- 1933: klassischer ‘Safari chair’, RudRasmussen, v. >Kaare Klint
Modell-Entwicklung:
Klints ‘Safari chair’, der ausgereifteste aller Roorkhee-Versionen, wird
seit 1933 von RudRasmussen/ Kopenhagen unverändert hergestellt.
Benennung:
Kolonial-Armlehnstuhl, Indian chair, Safari Stuhl, Safari chair, African
chair, Cubic chair, und ursprünglich: Roorkhee chair Dieser wurde
nach dem Hauptquartier des britischen Indian Army Corps of Engineers benannt, das in Roorkhee, in den Vereinigten Provinzen in
India lag. Hier war auch ein Hauptpfeiler (mainstay)des Army und Navy
stores Nachschubs (catalog) stationiert, welche den Sessel konstruiert
haben dürften.
Vorläufer, Entstehungsgeschichte
Als seltenes positives Nebenprodukt des Kolonialismus und Militarismus gehört dieser Sessel zu jenen Dingen, die frei von stilistischer Gestaltungsabsicht geschaffen wurden – also grundlegend dienlich sind –
und so blindlings jene unvergängliche Struktur freilegten, die ewig ins
kollektive Gedächtnis eingeschrieben bleibt.
Seit jeher pflegten die Heere der Weltgeschichte ihre eigenen Lebensund Möblierungsstandards auszubilden; spartanisch, von höchster
Funktionalität und Güte. Schliesslich konnte sich niemand leisten, wegen
schlechter Infrastruktur leichtsinnig einen Krieg zu verlieren. Berühmtberüchtigt in der Weltgeschichte sind die Feldlager Cäsars oder Napoleon Bonapartes. Der kritische Faktor war dabei immer die Fähigkeit,
zusammengelegt, verstaut und leicht transportiert zu werden und
schnell wieder aufstellbar zu sein ohne Nägel, Schrauben oder Werkzeuge. Komponenten konnten mittels Scharnieren gefaltet oder zerlegt
werden und in Holz-Trans-portboxen verstaut werden. Leer dienten
diese wiederum während der Aufenthalte selber als Stau-Container für
andere Zwecke.
Zu Begin des 19. Jhd. begannen renommierte britische Möbelhersteller
wie Sheraton, Hepplewhite oder Chippendale viele Ihrer zivilen MöbelLinien auf die Bedürfnisse der britischen Offiziere zuzuschneiden (sog.
"Knock down"-Versionen), da deren wachsende Zahl im noch expandierenden Empire eine lukrative Klientele darstellte. Diese Möbel (sog.
‘campaign furniture’) orientierten sich an den Standards dessen, was
man in den Landgütern und Schlössern Englands vorfand, meist im
edwardinischen und georgianischen, zum Schluss viktorianischen Stil
gehalten, zumeist recht unpraktisch. Aber schliesslich entstammten
Offiziere der Oberklasse, und man wollte Heimweh , auch in den entlegendsten Ecken des Empire, wenn möglichste vorbeugen. Lange galt
die Devise: "Mobility is much less a concern than keeping up appearances."*2 Es schien undenkbar, anders zu wohnen als in England,
'whilst under canvas', wie die Redeweise ging. Anfänglich aus Walnuss
und Mahagoony gefertigt kamen bald exotischere Hölzer dazu, immer
zerlegbar und mit funktionell-eleganter Anmutung (z.B. Messing-beschlagenen Ecken, versenkbare Griffe etc.). Doch wie sich die britische
Armee in den damaligen Kolonien in mili-tärische Handlungen zu verstricken begann, die zunehmend schnelleres Agieren und Truppenverschiebungen auch auf rauhem Terrain verlangten – wie beispielsweise
während der Buren-Kriege an der Wende zum 20. Jhd. in Südafrika –
war nun Mobiliar gefragt, das leicht, schnell auf- und abbaubar, transportabel und zudem ausserodentlich stabil und auch auf unebenstem
Boden standfest sein sollte. Was Sitzmöbel anbelangte, sollte ein ingeniöser, kaum elf Pfund schwerer Sessel Abhilfe schaffen:
Dieser konnte alle diese Anforderungen auf sich vereinen, indem die
Enden der Querstäbe lediglich in die Bein-Bohrungen lose eingesteckt
waren; 2 Leder-Riemen, die auch als Arm- lehnen fungieren, halten die
Konstruktion zusammen, wobei die unteren, schmaleren Lederriemen
Gegenzug leisten. So entsteht ein in sich geschlossenes, elastisches
Kräftesystem, das Bodenunebenheiten elegant ausgleicht. Wenn jemand Platz nimmt, agieren Riemen und Stäbe unter Spannung und
bleiben starr an Ort, wodurch der Stuhl seine endgültige Stabilität gewinnt. Es verhält sich sogar so, dass je schwerer der Sitzende, desto
stabiler der Stuhl. In Kombination mit seiner frei drehbaren RücksitzLehne stellt der Sessel das denkbare Optimum zwischen Komfort und
Lastgewicht, bzw. Transportvolumen dar (verpackt misst er kaum 20cm
im Druchmesser bei 80cm Länge). Er lässt sich zudem innert Sekunden zerlegen – und wieder zusammenstecken. Weitere herausragende
Eigenschaften sind seine meist wetterfeste Machart (je nach Ausführung), sein praktisch unzerstörbares Naturell, und falls trotzdem mal
vom Blitz getroffen, simpel zu reparieren (einfach die betroffene Komponente auswechseln). Zudem ist der Sessel aufgrund seines geringen
Gewichts mühelos umzuplatzieren. Da er nicht nur in seiner Konstruktion, sondern auch in der Erscheinung einen ganz eigenen, zeitlosen
Reiz besass war es nur eine Frage der Zeit, dass er eine Wendung erfuhr und nun seinerseits in gewissen progressiven Interieurs der Oberschicht Einzug hielt: ab 1904 war das koloniale Möbel für die zivile Gesellschaft zurückübersetzt im damals vielbeachteten Katalog von Maple
& Co., London aufgeführt.
Es muss einer dieser Kataloge gewesen sein, der dem jungen dänischen Architekten Kaare Klint, der treibenden Kraft hinter der legendärem dänischen Möbelbewegung anfangs und Mitte des 20. Jhd.,
anfangs des Jahrhunderts in die Hände fiel und darin wohl den Roorkhee-Sessel mit den teils etwas stark gepfeilten Beinen sah – der ihm
danach nicht mehr aus dem Kopf gehen sollte. So kam es zu seinem
Entwurf des Safari chair für den dänischen Hersteller RudRasmussen,
einer kleinen, sehr feinen Tischlerei in Kopenhagen, die den Stuhl samt
Ottoman seit 1933 in unveränderter Form in mehreren Bezugsvarianten herstellt.
zum Autor
Kaare Klint (* 1888; †1954) gilt als wichtige Kraft hinter der Begründung der einflussreichen
modernen dänischen Möbelkunst. Gründervater und Professor der Möbelschule an der Königlichen Akademie der Feinen Künste in Kopenhagen 1924 beeinfusste er massgeblich
nachfolgende Gestalter wie Kjærholm und Mogensen. Während die radikale Moderne kulturelles Erbe ablehnte, fand Klint in den Proportionen und Konstruktionen der Klassik das
beste Fundament für neue Entwürfe. Er plädierte für ein kulturelles Kontinuum anstatt eines Bruchs mit der Tradition. Seine Entwürfe sind klarste, ausgefeilte Konstruktionen, die
menschlichen Proportionen aufnehmen und beste Materialien und Handwerkskunst zur
Schau stellen. So war es sein Anliegen, grundlegende Möbel zu entwickeln und zeigte sich
beeindruckt vom Handwerk der Shaker, das er als absolut funktionell und zeitlos einstufte.
Archetypen
Archetypen
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Hintergrund
KLINTS ‘SAFARI CHAIR’
Wirkung
Palmarès
Bewertung
(Safari chair)
Permanente Sammlungen (Auszug);
- Klint erhielt für sein gesamtes Werk (inkl Safari chair) 1935 den
Großen Preis der Weltausstellung in Brüssel
Der Safari chair besteht aus einer grundlegenden Struktur, in der die
Scheidung von Struktur und Oberfläche nicht mehr möglich ist: beide
durchdringen sich zu einer sinnvollen urtypischen Form, die sich aus
reiner Notwendigekit und Nützlichkeit speist. Jedes Detail hat seinen
Grund und seinen Platz, die Raffinesse seiner Konstruktion zieht einen
in seinen Bann. Insofern nahm der unselige Rahmen des Schlachtfeldes die spartanischen, dem absoluten Funktionalismus verschriebenen
Prämissen moderner Gestaltung bereits vorweg – mit einer rigorosen
Lust am Minimum, welches das Spannungsfeld zwischen Sein und
Verschwinden öffnet, um Platz für anderes zu lassen. Abgelöst vom
martialischen Hintergrund geht von sog. Campaign furnitures generell
und dem Safari chair als gelungenster Umsetzung im Besonderen ein
ganz eigener betörender Reiz aus. Geprägt von Praktikabilität (Zerlegbarkeit, Zähigkeit und Einfachheit der Konstruktion) waren sie als erste
europäische Gestaltungs-Ansätze der Neuzeit befreit von überbordendem, Repräsentationssucht huldigendem Dekor. Im Gegensatz zu romantizistischen Motiven wirkte diese frei rekombinier- und oft stapelbare Möbelgattung purer und notwendiger – ja vielleicht auch abenteuerlicher und männlicher – sicher aber funktioneller.
Wirkung
Als rein utilitär motivierte Dinge erlebte der Sessel in der Moderne seine eigentliche Blütezeit und in dessen Protagonisten (z.B. M. Breuer,
Le Corbusier) seine innigsten Verehrer. Denn der moderne Geist lechzte nach den Ingredienzen Funktionalität, Leichtigkeit und Robustheit.
Und die bald auch in friedlicherer Mission reisende britische Oberschicht wurde zum Vorbild für ein Leben in Müssiggang, das die Vorlage zur späteren Safari- Camping- und Outdoor-Kultur lieferte. Der
Roorkhee chair (und natürlich genauso der Safari chair) waren mitunter
die ersten Sessel, die offen ihre Struktur zeigten. Sie inspirierten unzählige Gestalter zu Entwürfen, welche alle erdenklichen Variationen
durchspielten. Beispielsweise Marcel Breuer direkt zu seinem Wasily
chair B3 und den Faltsessel B4 (die Riemenarmlehne bildete hier offensichtlich die direkte Vorlage, beide > Tecta) und als ganzer Stuhl Le
Corbusier nachweislich zu dessen ‘Chaise à dos basculant’ (auch LC1
genannt, in Zusammenarbeit mit Eduoard Channeret und Charlotte
Perignand, > Cassina). Im weiteren wäre Finn Juhls 45 Chair (> Niels
Vodder) zu erwähnen. Alle Entwürfe, egal ob sklavisch dem Vorbild verhaftet oder unbefangener der Vorlage angenähert – keines reicht an
den ursprünglichen Entwurfe heran. Le Corbusier besass selber einen
Safari chair in seiner späteren Wohnung an der 24 Rue Nungesser-etColi, Paris (siehe Bilder René Burris, Magnum, 1959-1962). Der Safari
chair (als reifste Umsetzung des Roorkhe chairs) muss neben den
Shaker-Schaukelsühlen, Thonets Armlehnstuhl 209 und Le Corbusiers
Liege LC4 als eines der grundlegendsten und wichtigsten seriell gefertigten Möbelstücke der Neuzeit gelten.
Quellen:
*1 Thomas Heider, Markus Stegmann, René Zey: Lexikon Internationales Design. Rowohlt
Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1996; S. 166-167
*2British Campaign Furniture: Elegance under Canvas 1740-1914, Nicolas A. Brawer, 2001
- Arthur Rüegg, Schweizer Möbel und Interieurs im 20. Jhd, Basel 2002, S.342
- Britain's Portable Empire: Campaign Furniture of the Georgian, Victorian and Edwardian
Period. Katonah Museum of Art in New York, Teil der Ausst. kuratiert druch A. Brawer
Archetypen