Wohnen in Aachen - Lehrstuhl für Planungstheorie und

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Wohnen in Aachen - Lehrstuhl für Planungstheorie und
Wohnen in Aachen
Seminardokumentation
Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung
RWTH Aachen - Fakultät für Architektur
März 2006
Wohnen in der Stadt
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 2
Wohnen in Aachen
Seminardokumentation
Dipl.-Ing. Gisela Schmitt
Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung
RWTH Aachen – Fakultät für Architektur
redaktionelle Zusammenstellung: Kilian Schulte
Aachen, März 2006
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 3
Dieser Reader wird im Rahmen des Seminars
„Wohnen in der Stadt“ im Wintersemster 2005/
2006 herausgegeben.
Es sind die schriftlichen Ausarbeitungen der
SeminarteilnehmerInnen zusammengestellt,
die sich aus der Perspektive unterschiedlicher
Zielgruppen mit der Situation auf dem Aachener
Wohnungsmarkt auseinandergesetzt haben.
Gisela Schmitt, Aachen im März 2006
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 4
Inhalt
5
Das Seminar
7
Entwicklungstendenzen auf dem Aachener Wohnungsmarkt
19
36
Wohnverhätnisse von Migranten in Aachen
Wohnen Migranten anders?
51
72
Integration ausländischer Studierender in Aachener Wohnheimen
Wohnen – Studentenverbindungen in Aachen
85
97
Wohnformen für Senioren in Aachen
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Wohnbedarf im Alter
110
Barrierefreies Wohnen in Aachen – eine Wohnqualität?
132
152
Familien Eigenheime
Wir suchen ein Eigenheim
165
174
Stilvoll Leben im Herzen der Stadt – Barbarossapark Aachen
Life-Style Wohnen
183
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an
Wohnqualität?
200
Kein Dach über dem Kopf – Wie leben wohnungslose Frauen in Aachen?
220
Anhang:
Projektbogen – Stellwerk 60
Projektbogen – Hochbunker Köln-Nippes
Projektbogen – Wohnwerft Rheinauhafen-Köln
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Das Seminar
Wohnen in der Stadt – wie funktioniert der Wohnungsmarkt?
Inhalt
Wenn sich Stadtplaner und Architekten mit
dem Thema „Wohnen“ beschäftigen steht
zumeist das Haus oder die Wohnung aus
architektonischer, baulicher Sicht im
Zentrum der Betrachtung. In diesem
Seminar wurde eine erweitere Sicht auf das
Wohnen eingenommen:
•
•
unter ökonomischer Perspektive
die ‚Wohnung’ als ein ‚Marktobjekt’
betrachtet, das produziert, verkauft
und vermietet wird.
und
unter
soziologischer
Perspektive das ‚Wohnen’ als
‚sozialer
Prozess’
in
den
Vordergrund gestellt.
Den Studierenden sollte der Anwendungsbezug von ‚Marktmechanismen und
Wohnbedürfnissen’ zum eigenen Tätigkeitsfeld – dem ‚Planen und Bauen’ vermittelt werden.
Ablauf
Im ersten Teil des Seminars erhielten die Studierenden Einführungen in verschiedene
thematische Bereiche des Wohnens:
•
•
•
•
•
•
Wohnen - eine Begriffsklärung
Wohnungsmarkt – Preisbildung, Angebot und Nachfrage
Wohnbedürfnisse und Lebensstile
Wohnungsproduktion – Finanzierung und Kosten
Wohnungsversorgung und Wohnungspolitik
Wohnungswirtschaft und Wohnungsmarkt
Diese Einführungen wurden durch Beiträge verschiedener Experten aus der Praxis ergänzt.
•
•
•
•
Dipl. Ing. Tina Hörmann, BRR Forschungsprojekt, „Innovative Projekte im
Wohnungsbau“
Dr. Katrin Hater, BsP Aachen, „Neue Wohnformen“
Johann Körfer, Fachbereichsleiter Stadtverwaltung Aachen, „Der Wohnungsmarkt in
Aachen“
Dipl. Ing. Jörg Penner, GeWoGe Aachen, „Projektentwicklung eines innerstädtischen
Wohngebiets“
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Exkursion
Im Rahmen des Seminars fand eine Exkursion
nach Köln statt, die Eindrücke von unterschiedlichen Wohnbauprojekten vermitteln
sollte.
Im Anhang dieses Readers sind die besichtigten
Projekte kurz dokumentiert.
Seminararbeiten
In der zweiten Seminarphase wurde die
Wohnsituation unterschiedlicher Zielgruppen
unter dem Titel „Wohnen in Aachen“ von den
SeminarteilnehmerInnen untersucht.
Die
Ergebnisse
sind
im
Folgenden
dokumentiert.
Kilian Schulte
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 7
Entwicklungstendenzen des Aachener Wohnungsmarktes
Tim Pulina, Felix Osikominu
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Inhalt
Entwicklungstendenzen des Aachener Wohnungsmarktes
1
Einleitung
2
Entwicklungstendenzen
3
Gegenwärtige Situation
4
Szenario 2020
5
Besonderheiten in Aachen
6
Ziele
7
Strategien
8
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 9
1
Der Aachener Wohnungsmarkt
Die Entwicklungstendenzen des Aachener Wohnungsmarktes stehen im Zentrum unserer
Arbeit. Sie werden seit Jahrzehnten beobachtet, jedoch erst seit Anfang der 90 er Jahre
dokumentiert.
Die Kooperation und der gegenseitiger Austausch von Wissen zwischen den Städten und
den Gemeinden gehören zu den modernen, zukunftsorientierten Arbeitsweisen. Dies ist im
„Informationszeitalter“ nicht nur für Städte und Gemeinden wichtig, sondern gilt für die
gesamte Gesellschaft. Die Entwicklung der Gesellschaft ist für den Verlauf der
Entwicklungstendenzen maßgeblich.
Arbeitslosigkeit, demographischer Wandel, neue Familienstrukturen, um nur ein paar
wenige gesellschaftliche Faktoren zu nennen, sind wichtige Indikatoren zur qualifizierten
Bestimmung von Tendenzen des Wohnungsmarktes.
Die Handlungsspielräume für den Wohnungsmarkt werden immer enger. Der
Gestaltungsspielraum der kommunalen Politik und der Verwaltung wird immer kleiner.
Somit bedarf es zusätzlicher, neuer Wege, bei denen vorhandene Ressourcen genutzt und
Erfahrungen
und
Wissen
ausgetauscht
werden
müssen.
So
bilden
Wohnungsmarktbeobachtungen und Wohnungsmarktbarometer, Zusammenschlüsse von
Institutionen zur Gestaltung zukünftiger Perspektiven, Befragungen und Statistiken das
Grundgerüst für die Einschätzung einer chancenreichen Entwicklung des Wohnungsmarktes
in Aachen.
Abb.1
Abb.2
Die Ausarbeitung beschränkt sich auf die wichtigsten Bestandteile der aktuellen
Beobachtungen und Indikatoren. Der Verlauf der Entwicklungstendenzen zeigt jedoch eine
unabdingbare Integration von früheren Statistiken und Befragungen in den gegenwärtigen
Prozess. Außerdem behandelt sie die gesellschaftlichen, historischen und soziologischen
Grundlagen, Ziele und Auswirkungen, die für die Entwicklungstendenzen von großer
Bedeutung sind.
Utopien und Visionen der Vergangenheit, welche in der geschichtlichen Literatur begründet
sind, haben Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Viele von ihnen scheinen
fantasiereich und unrealistisch zu sein.
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Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 10
Abb. 3 und 4
In dem Kapitel „Szenario 2020“ möchten wir eine uns realistisch erscheinende Vision
aufführen, welche aufgrund der gegenwärtigen Tendenzen realistisch zu sein scheint.
2
Entwicklungstendenzen
Entwicklungstendenzen wurden in der Vergangenheit fast ausschließlich stichtagsbezogen
untersucht. „So wurden z.B. im Rahmen von Flächennutzungsplanverfahren
Wohnungsbedarfsprognosen
erstellt,
die
dann
Grundlage
für
die
Wohnbauflächenauswiesung waren. In der Regel sind die Wohnungsmärkte von externen
Gutachtern untersucht worden, die keine oder nur sehr geringe Kenntnisse über die
örtlichen Marktverhältnisse hatten. Üblicherweise wurden die Gutachten nach Fertigstellung
nicht mehr fortgeschrieben.“ (Kommunale Wohnungsmarktbeobachtung in NordrheinWestfalen (KomWoB) Beiträge aus Forschung und Praxis, Dokumentation der Starterkonferenz
vom Mai 1997, Düsseldorf)
Aus diesem Grund ließen sich Fehleinschätzungen nicht vermeiden. Beispielsweise wurde
der Wohnungsmarkt aufgrund von Wohnungsleerständen Ende der achtziger Jahre als
entspannt bezeichnet ohne eventuelle Zuwanderungen zu berücksichtigen. Demzufolge
blieb der soziale- und im besonderen der Miet- Wohnungsmarkt unberücksichtigt. Schon
bald wurde eine erhöhte Zuwanderung aus dem ehemaligen Ostblock verzeichnet und aus
der vorzeitig entspannt eingeschätzten wurde eine äußerst angespannte
Wohnungsmarktlage.
Fehlenden Kenntnisse und wenig differenzierte Einschätzungen hatten falsche
Entscheidungen in der Wohnungsmarktpolitik zur Folge. So gilt es gegenwärtig und
zukünftig vor allem die Veränderungen in der soziodemografischen Struktur der
Bevölkerung und der Haushaltsbildungsprozesse weitmöglichst mit in den Prozess der
Tendenzentwicklung einzubeziehen.
Die allgemeinen Entwicklungstendenzen zeigen aktuell eine negative Bevölkerungstendenz
aufgrund der demographischen Entwicklung. Weiterhin sind kleinere Haushalte,
alleinstehende und alleinerziehende Personen, zu erwarten. Somit wird die Zahl der
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Haushalte in den nächsten Jahren zunehmen und der Trend zur Verringerung der
Personenanzahlen in den Haushalten steigen. Aufgrund der Veränderung der Familien- und
Haushaltsverhältnissen und der Gesellschaftsordnungen wird ein höherer individueller
Raumbedarf benötigt.
In Folge dessen gilt es für die Kommunen und Gemeinden sich dieser Anforderung zu stellen
und sich mit dem Thema der zunehmenden Konkurrenz der Städte, beziehungsweise der
Siedlungsräume um Einwohner, auseinander zu setzten. Es liegt besonders im Interesse der
Kommunen Abwanderung zu verhindern und Zuwanderung beispielsweise durch soziale
Anreize zu motivieren. Die Stadt Aachen, im speziellen, wird in Zukunft einen Mangel an
Sozialwohnungen erleben, da durch auslaufende Bindungen in den nächsten zehn Jahren
ungefähr 8000 Wohnungen wegfallen werden. Zudem spielen finanzielle Aspekte eine
wichtige Rolle für die Stadt Aachen, da die allgemein schlechte Einkommenssituation der
privaten Haushalte zukünftig vermehrt durch Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe bestimmt wird.
Somit ist eine positive Entwicklung aufgrund der genannten negativen Ausgangslage zu
erwarten. Die Stadt Aachen versucht zudem durch den Verkauf und die Entwicklung von
attraktiven Gewerbeflächen neue Arbeitsplatzpotentiale zu erschließen und außerdem ihre
eigene Finanzlage zu verbessern. Trotz aller Versuche, auch im kulturellen und
wissenschaftlichen Bereich, geht die Bevölkerungsprognose für den Zeitraum bis 2020 von
einem Rückgang aus. Aachen setzt sich dem europäischen Wohnungsmarkt aus, was nach
den gegenwärtig, aufgeführten Tendenzen unabdingbar zu sein scheint.
3
Gegenwärtige Situation des Aachener Wohnungsmarktes
Instrumente und Methoden der Wohnungsmarktbeobachtung in Aachen
Die Gegenwärtige Situation des Aachener Wohnungsmarktes wird im regelmäßig
erscheinenden Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen kontinuierlich beobachtet und
dokumentiert. Diese kommunale Wohnungsmarktbeobachtung wurde 1998 im Rahmen der
Teilnahme am Modellversuch der Wohnungsmarktförderungsanstalt Nordrhein – Westfalen
(Wfa) begonnnen.
Der von dem Fachbereich Wohnen erstellte Bericht dient politischen Gremien, Akteuren auf
dem Aachener Wohnungsmarkt sowie überregionalen Institutionen als Entscheidungshilfe,
gleichzeitig wird er auch interessierten Privatpersonen zur Verfügung gestellt.
Der Bericht dokumentiert die Entwicklung des Aachener Wohnungsmarktes anhand
ausgewählter Wohnungsmarktindikatoren.
Die Wohnungsmarktindikatoren werden in Kommunale- und Bundesindikatoren
differenziert, die im Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen dargestellten Indikatoren sind
in der nachfolgenden Tabelle ersichtlich
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Abb.5
Im weiteren wird auf die Wohnungsmarktsituation und Trends, Wohnungsbedarf und –
nachfrage, Wohnungsangebot, Grundstücksmarkt, Mieten und Mietbelastung und
zukünftige Entwicklungen eingegangen. Der Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen stellt
die Situation des Aachener Wohnungsmarktes objektiv anhand der gewählten Indikatoren
dar, wird jedoch von der Verwaltung der Stadt Aachen erstellt und bietet daher auch die
Möglichkeit, dass Schlussfolgerungen subjektiv im Sinne der Stadt Aachen dargestellt
werden.
Weitere Erkenntnisse zum Aachener Wohnungsmarkt erlaubt das ebenfalls regelmäßig von
der
Stadt
Aachen
herausgegebene
Wohnungsmarktbarometer.
Das
Wohnungsmarktbarometer ist eine Umfrage unter Expertinnen und Experten auf dem
Aachener Wohnungsmarkt. Der Fragebogen des Wohnungsmarktbarometers 2004 setzt sich
aus statistischen Angaben, acht standardisierten Fragen zur Situation des Aachener
Wohnungsmarktes, sowie der Möglichkeit Kommentare und Anregungen frei zu treffen,
zusammen. Die Befragten können ihre Einschätzungen zur aktuellen Wohnungsmarktlage,
zur Wohnungsmarktlage im Vergleich zum Vorjahr, zur kurz- und -mittelfristigen
Wohnungsmarktentwicklung, zum Investitionsklima, zur Entwicklung des Investitionsklimas,
sowie zu Investitionshemmnissen wiedergeben.
Weitere Erkenntnisse zur Situation des Aachener Wohnungsmarktes erlaubt eine im Jahr
2002 erstmals durchgeführte Zeitungsanalyse. Wesentlich für die Zeitungsanalyse ist, dass
sie direkt am Markt stattfindet und so erlaubt Tendenzen, Entwicklungen und Probleme
unmittelbar zu erfassen.
Entwicklung des Mietwohnungsmarktes Angebotsseitig
Besonders der geförderte Mietwohnungsmarkt stellt sich derzeit problematisch dar.
Zusätzlich zu einem knappen Angebot, welches im Wohnungsmarktbarometer an einer seit
2000 konstant hohen Belegungsquote, sowie einer entsprechend niedrigen Leerstandsquote
dokumentiert ist, wird die Zahl der geförderten Wohneinheiten in den kommenden Jahren
um ein drittel abnehmen. Daher wird es zu einer weiteren Verschärfung auf diesem ohnehin
schon angespannten Marktsegment kommen. Dem gegenüber steht ein sonst entspannter
Wohnungsmarkt, der ein vielfältiges Angebot mittel- und hochpreisiger Mietwohnungen
bietet und sich daher mehr und mehr zum Mietermarkt entwickelt. Dennoch ist die auf Basis
von `Nullverbrauch´ ermittelte Leerstandsquote von 2,8 Prozent als unschädlich anzusehen.
Die im Aachener Mietspiegel dokumentierte Verschiebung des Angebotportfolios ist im
wesentlichen auf eine Standardanpassung durch umfangreiche Sanierungsmassnahmen im
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Altbaubereich zurückzuführen. Die günstige nur einfachen ausgestattete Altbauwohnung
verschwindet zusehends vom Markt.
Entwicklung des Mietwohnungsmarktes Nachfragerseitig
Einhergehend mit einer zur Zeit positiven Bevölkerungsentwicklung, hält auch in Aachen der
Trend zur weiteren Verkleinerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße weiter an. So ist die
Durchschnittshaushaltsgröße auf 2,09 Personen pro Haushalt im Jahr 2003 gesunken. Die
steigende Zahl von Singlehaushalten, sowie Alleinerziehender mit Kind bedingt diese
Entwicklung. Kleinere Haushalte und wachsende Bevölkerung führen zu einer Anspannung
des Marktes, welche sich maßgeblich auf den ohnehin schon angespannten geförderten
Mietwohnungsmarkt auswirkt.
Trotz der vorhandenen Remanenzeffekte, das bedeutet, dass man nicht automatisch in eine
kleinere Wohnung zieht weil sich der Haushalt verkleinert, führen diese Veränderungen auch
zu einem veränderten Raumbedarf. Grundsätzlich ist auch von einer Individualisierung des
Wohnungsbedarfes auszugehen, auf die der Markt mit einem breiten Angebot
bedarfsgerechter Wohnformen reagieren muss.
Die Bevölkerungsentwicklung weist weiterhin eine Veränderung der Alterstruktur auf. So
nimmt ähnlich zum Landestrend auch in Aachen der Anteil der Bevölkerung im Rentenalter
signifikant zu, woghingehend die Geburtenraten stetig sinken. Eine Aachener Besonderheit
ist der durch die Hochschulen ausgelöste hohe Studentenanteil.
Ausgehend von den im Landesvergleich hohen Arbeitslosenzahlen, hat der Aachener
Arbeitsmarkt sich in den Jahren 1997 bis 2003 sehr positiv entwickelt. Hier scheinen
Bemühungen der Stadt Aachen den Strukturwandel zum Technologiestandort zu vollziehen
sich auszuzahlen.
4
Szenario 2020
Eine zutreffend Marktprognose für die Situation des Aachener Wohnungsmarktes im Jahr
2020 kann niemand allgemein treffen. Auch wenn es immer wieder möglich scheint, genaue
Aussagen für die Zukunft zu treffen, so sehen wir diese eher als Glücksfall oder Zufall an, es
sei denn die Prognosen beziehen sich auf einzelne Faktoren, wie die demographische
Entwicklung. Diese Entwicklung lässt sich bedingt durch die Lage der Sache verhältnismäßig
weit Fortschreiben – ohne Mütter und Väter gibt es nach jetzigem stand der Technik auch
keine Kinder. Jedoch war Konrad Adenauer sich noch sicher: „Kinder kriegen die Leute
immer.“ Doch die Welt hat sich verändert! Waren 1950 noch 30 Prozent der Bevölkerung
jünger als 20 Jahre, sind es heute nur noch 20 Prozent. So wird die deutsche Gesellschaft
zusehends älter und wenn weder Geburtenraten, noch Zuwanderung erheblich steigen,
auch immer kleiner.
Immer wieder werden Szenarien jedoch auch mit beeindruckender Genauigkeit entwickelt.
So führt der jetzt gezielt begonnene Stadtrückbau in Teilen des Landes, zu genau jenen
`blühenden Landschaften´, welche die Politik (Helmut Kohl in seiner Fernsehansprache zur
Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der
Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1990) unmittelbar nach der Wende für unsere Heimat
prognostiziert hat.
Eine Grundlage für unsere Arbeit ist die Studie Deutschland 2020 vom Berlin Institut für
Bevölkerung und globale Entwicklung. Die Studie zeichnet sich dadurch aus, dass sie
sozidemographische und ökonomische Kennzahlen für die Situation Deutschlands in einem
22 Kriterien umfassenden Benotungssystem entwickelt und diese in einer Art Kartierung
graphisch lesbar aufbereitet. Die Darstellung besitzt eine Auflösung, welche es ermöglicht,
Kreise und Städte differenziert zu betrachten. Dies erlaubt im Weiteren ein Kriterien –
bezogenes Ranking.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 14
Abb.6
Paul Gans, Regionalforscher an der Universität Mannheim, spricht jedoch von einem
„kumulativen Schrumpfungsprozess“ und relativiert damit die Bedeutung eines auf
Einzelkennzahlen bezogenen Rankings.
Vielmehr entsteht ein dynamischer Teufelskreis. So zieht aus ökonomisch schwachen
Regionen zuerst die Jugend ab. Dieser Bevölkerungsverlust offenbart sich dann in sinkender
Nachfrage nach Gütern, weniger Nachfrage führt zu einem weiteren sinken des
Arbeitsplatzangebotes, da weniger Betriebe den geringeren Individualkonsum decken
können, dies geht einher mit sinkenden Steuereinnahmen, welche den öffentlichen
Handlungsspielraum weiter einschränken. So werden ökonomisch schwache Regionen
weiter geschwächt und die einhergehenden Effekte treten potenziert auf. Diese sehr
vereinfachte Darstellung soll verdeutlichen welche Dynamik sozialdemographische und
ökonomische Erosionsprozesse innerhalb einer Region entwickeln können und wie in letzter
Konsequenz sogar eine Grundversorgung mit Ärzten, Schulen, Verkehrseinrichtungen und
Einkaufsmöglichkeiten gefährdet sein können. Durch diese plakative Darstellung wird
ermöglicht, das Konkurrenzstreben der Städte zu verstehen und deutlich, warum Städte, die
nicht mit dieser Konkurrenz planen und arbeiten, sich der Gefahr aussetzten überholt zu
werden und 2020 bereits abgehängt zu sein.
Gemessen an ökologischen Kriterien, wie etwa dem Ressourcen- und Energieverbrauch
könnte man derzeit in Deutschland von Überbevölkerung sprechen. Jammern wir hier also
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nur auf hohem Niveau? Ist das Szenario soziodemographisch und ökonomisch erodierter
Regionen nur eine Modeerscheinung?
Sicher ist, dass wir in Zukunft nicht mehr so selbstverständlich von Bevölkerungswachstum
ausgehen können wie es beispielsweise noch in der Regierungszeit Konrad Adenauers
unzweifelhaft der Fall war.
Basierend auf der Annahme, dass es in 35 Jahren bereits ein Überangebot von ungefähr
125.000 Wohnungen im Land Nordrhein – Westfalen geben soll, stellen wir die Frage, ob
man eine Lösung für diese Situation finden kann. Ist es ein möglicher Ansatz die Stadt
Aachen, welche über annähernd gleich viele Wohneinheiten verfügt, zurückzubauen, oder
wird sich Aachen in der Konkurrenz der Städte behaupten können. Die zunehmende
Konkurrenz der Städte um Einwohner, wirft die Frage auf, wie Aachen seine Position
innerhalb des Konkurrenzfeldes ausbauen kann und was geschieht, wenn Aachen seine
Möglichkeiten nicht nutzt.
Wo steht Aachen im Jahr 2020? Welche Auswirkungen hat das beschriebene Schrumpfen auf
Aachen?
Die Studie „Deutschland 2020“ bewertet die Stadt Aachen mit der Gesamtnote 4,0. Die
Bildung sticht einzig mit einer glatten zwei positiv heraus. Bezogen auf
Familienfreundlichkeit und Flächenangebot sieht es mit den Noten 5,5 beziehungsweise 5,0
für Aachen eher düster aus. Dies verwundert jedoch nicht, wenn man zum Beispiel die
Möglichkeiten untersucht, welche Aachen bietet, den Traum vom Einfamilienhaus im
Grünen zu realisieren. Im Weiteren führt dies zu einer Diskrepanz zwischen Städten und
ihren umgebenden Kreisen, welche nicht nur bei Stadt und Kreis Aachen deutlich wird
sondern sich so auch in anderen Regionen abzeichnet.
Die Stadt als Arbeits- und Wirtschaftstandort mit entsprechenden Infrastruktureinrichtungen
und der umgebende Kreis als Lebensraum, wie es als Denkmodell der Suburbanisierung
propagiert wurde. Dem gegenüber steht die entvölkerte und entmischte Stadt, welche nur
noch den als „sozial – schwach“ gebrandmarkten Personenkreisen Lebensraum bietet, und
gleichzeitig in der Konkurrenz zu größeren „Megacities“ keinen Bestand hat.
Aachen als moderne und historisch bedeutsame Stadt, die Lebensraum für Familien bietet
und gleichzeitig über ein differenziertes Arbeitsplatz- sowie Infrastrukturangebot verfügt, ist
jedoch auch eine mögliche Vision.
Die Studie „Deutschland 2020“ kann nur als Orientierungshilfe, Trendbericht mit
Frühwarnfunktion und Anstoß zur Diskussion dienen
Abb.7
Forderungen müssen sein, dass Aachen attraktive Angebote, wie zum Beispiel Arbeitsplätze
schafft, um die große Zahl der Holschulabsolventen auch nach ihrem Studium in der Stadt zu
binden, sowie in der gesamten Stadt ein Kinder- und Familienfreundliches Umfeld schafft,
zielgruppenorientierte Wohn- und Gewerbeflächen in ausreichendem Maß bereithält.
Ebenso ist es jedoch auch unerlässlich, dass der Wohnungsmarkt weiterhin objektiv und
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vorbehaltsfrei beobachtet wird. So muss die zukünftige Wohnungspolitik bei einem starken
Nachfragerückgang, auch ohne Tabus über einen gezielten Stadtrückbau in
Problembereichen nachdenken können, wenn dadurch dass `Schreckenszenario´ einer
Leerstandspirale abgewendet wird.
Dieser Nachfragerückgang tritt ein, wenn die kleineren (mehr) Haushaltsgrößen, oder
Zuwanderung, die negative Bevölkerungsentwicklung nicht mehr ausgleicht.
5
Besonderheiten des Aachener Wohnungsmarktes
Ein charakteristisches Merkmal des Aachener Wohnungsmarktes ist die besondere Lage
Aachens am Nordrand der Eifel. Hierbei ist Aachen nicht nur in die auslaufende Natur
eingebunden, sondern gleichzeitig europäische Stadt direkt benachbart zu Belgien und den
Niederlanden. Die Lage am Nordrand der Eifel bedeutet jedoch nicht nur eine verklärt
wahrgenommene und dennoch nicht genutzte Nähe zur Natur, wichtig ist weiterhin die
große Bedeutung Aachens für das Umland. Aachen als Kaiserstadt, Kurbad und Bischofsitz
hat auch ein nicht unerhebliches historisches und kulturelles Format, das es gilt weiter zu
entwickeln.
Ein weiterer wichtiger Faktor in Aachen ist natürlich auch der eingangs erwähnte Rang als
Hochschulstandort, mit dazugehörigem Uniklinikum und weiteren Forschungs- und
Technologieeinrichtungen. Zusammenfassend bietet Aachen eine Menge einzigartiger
Faktoren, welche entwickelt und genutzt, Aachen auch in Zukunft als attraktiven
Wohnstandort halten.
Im Ostviertel, sowie Rote Erde schlummert jedoch auch noch viel ungenutztes Potential als
Lebensraum der Stadt Aachen, das es weiter zu aktivieren gilt. Hierfür ist es unerlässlich
etwaige soziale Konflikte zu entschärfen und den Bewohnern eine für Aachen angemessene
Wohnumfeldsqualität zu bieten. Es gilt jedoch darauf zu achten, bei einer eventuellen
Gentrifizierung, nicht unnötig soziale Umschichtungen vorzunehmen, um somit den
Menschen nicht den gewohnten Lebensraum zu entziehen.
6
Ziele
Das steuernde Eingreifen der Städte und Gemeinden ist für eine positive Entwicklung des
Wohnungsmarktes unabdingbar. So werden sie mit einer Vielzahl von neuen Aufgaben
konfrontiert, bei denen es stärker als bisher mit der privaten Wohnungswirtschaft zu
kooperieren gilt.
Die Verknüpfung von Wohnraumversorgung und Stadtplanung ist insbesondere in Hinblick
auf das Planungspotential entscheidend.
Das Planungsverfahren muss den kurzfristig hohen Bedarf an geförderten Mietwohnungen
beachten, um die Anzeichen stärkerer sozialer Probleme im öffentlich geförderten
Wohnungsbestand einzudämmen. Der Neubedarf an Sozialwohnungen, da durch
auslaufende Bindungen, wegen Ablauf der Nachwirkungsfrist und wegen planmäßiger
Tilgung für die nächsten 10 Jahre, annähernd 8.000 Sozialwohnungen wegfallen werden,
muss seitens der Kommune geregelt werden. Denn in Zukunft ist durch schlechtere oder
wegfallende Einkommenssituationen der privaten Haushalte, beispielsweise durch
Sozialhilfe oder Arbeitslosigkeit, ein großer Bedarf zu erwarten. Somit wird auch die
Sicherung preiswerten Wohnraumes in den Städten und Gemeinden eine übergeordnete
Rolle spielen, da der Wohnraum weiterhin bezahlbar sein muss. Demzufolge ist zu
überlegen, die Betriebskosten, beispielsweise die Müllgebühren, auf ein bezahlbares Level
herunterzufahren. Das Senken der Betriebskosten ist nicht nur aufgrund der sozialen
Faktoren wichtig, sondern auch ein Garant für eine hohe Flexibilität des Wohnungsmarktes.
Denn trotz einer in den Kernstädten oft rückläufigen Bevölkerungsentwicklung nimmt die
Zahl der Haushalte, hervorgerufen durch eine Abnahme der durchschnittlichen
Haushaltsgröße, in der Regel weiterhin zu. So gilt es das Verhältnis der untergebrachten
Haushalte zur Gesamtzahl der Wohnungssuchenden Haushalte zu verbessern. Die zu
erwartende demographische Entwicklung und damit verbundene Änderung der
Haushaltsstrukturen erfordert eine Anpassung des Wohnraumangebotes. Denn in Zukunft
vermehrt sich das Problem der Unterbringung problembehafteter Einzelfälle. In Großstädten
wird der Trend zum Single-Haushalt durch Faktoren wie überfrequentierte Hochschulen
oder die Steigerung der Anzahl verwitweter älterer Menschen weiter verstärkt. Diese
Tatsache erfordert die Entwicklung neuer Wohnungsbautypen, die Förderung
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zielgruppengerechten Wohnungsbaues und das Abbauen von Investitionshemmnissen für
die Wohnungswirtschaft. So liegt es im Interesse der Stadt Investitionsanreize zu schaffen,
um Zuwanderung zu motivieren und die Abwanderung von leistungsfähigen Haushalten zu
verhindern. Die verstärkte Bereitstellung und Mobilisierung von Wohnbauflächen,
insbesondere für den Eigenheimbau, die Entwicklung von städtischen Flächen, zu
annehmbaren Preisen, das Aktivieren von Nachverdichtungspotenzialen, das Stärken eines
intakten Wohnumfeldes, die qualitative Bestandsverbesserung einzelner Wohnungen, zur
langfristigen Sicherung der Vermietbarkeit oder zur Kosten- und Energieeinsparung, und die
Erschließung von Brachflächen sind dabei wichtige Aufgaben der Städte, der Gemeinden
und der Wohnungsbauwirtschaft.
Somit ist die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft aller genannten Akteure, ein
„Hand in Hand gehen“, ein wichtiger Faktor um Lösungen und neue Wege zu finden und um
die Entwicklung des Aachener Wohnungsmarktes positiv zu beeinflussen. Leider ist diese
Bereitschaft der Kommunen nicht immer uneingeschränkt nachvollziehbar, da die
wohnungspolitischen Landes- und Bundesvorgaben eine erhebliche Rolle für den lokalen
Wohnungsmarkt spielen. Die Kommunale Wohnungspolitik wird sich deshalb künftig
verstärkt als Dienstleistungs- und Kooperationspartner von Investoren und Wirtschaft
verstehen müssen.
7
Strategien
Aachen besitzt Potentiale, welche in strategischen Planungen von Kommunen, Gemeinden
und auch der Wirtschaft gestärkt und herausgearbeitet werden müssen. Der angesprochene
Wettbewerb zwischen den Städten, vor allem Zuwanderung zu motivieren und
Abwanderung zu verhindern, steigt unabdingbar. So müssen in Zukunft in erster Linie das
Profil der Stadt, nach Außen und Innen, verbessert und geschärft werden. Aachen soll nicht
nur in Teilbereichen stark sein, sondern im Gesamten ein zusammenhängendes Gesicht
ergeben. In den letzten Jahren entstanden somit neue Aufgabenbereiche in Kommunen, das
Stadtmarketing. Das Management der Städte scheint auch in der Stadt Aachen seinen
Anfang gefunden zu haben. So setzen sich zunächst interessierte Bürger, Initiativen,
Institutionen und Bereiche der Verwaltung zusammen, um die Basis eines Leitbildes zu
definieren. „Orientierung, Ziele und letztlich auch Verantwortung stehen unter dem Motto:
„Aachen, das sind wir alle.“ Das Zusammenleben aller Menschen in Aachen funktioniert nur
im sozialen Konsens. Die Politik ist darauf auszurichten, das solidarische Zusammenleben zu
stärken.“ (Stadt Aachen (2002): Europa. Eine Stadt macht Zukunft. Leitbild 2020, Aachen)
Nicht nur der soziale Konsens, sondern auch der allgemeine Konsens, die übereinstimmende
Zieldefinition, ist eine wichtige Grundlage zur Ideenfindung über die zukünftige Rolle, die
Aachen spielen soll.
„Der Konsens ist Richtschnur für das Handeln der Politik, der Verbände und Institutionen. Ein
erfolgreiches Leitbild besteht nicht nur aus Visionen, sondern auch aus Leitlinien, die
beispielhaft konkrete Handlungsschritte formulieren.“
(Stadt Aachen (2002): Europa. Eine Stadt macht Zukunft. Leitbild 2020, Aachen)
Das Leitbild 2020 wurde seit dem Jahre 2000 erarbeitet und dokumentiert die Möglichkeiten,
Potentiale und Ziele der Stadt Aachen unter Berücksichtigung der gegenwärtigen
finanziellen Situation. „Damit aus Visionen und Plänen in Zukunft Gegenwart werden kann.“
Anfängliche Visionen aus dem 8. Jahrhundert, als Aachen die Hauptstadt des Reiches von
Karl des Großen war, belegen deutlich die Fundamente eines gemeinsamen Europas der
Gegenwart. Somit ist der geschichtliche Hintergrund der Stadt Aachen, mit seinen
karolingischen Wurzeln und dem heutigen Dom, Anziehungsmagnet für zahlreiche Touristen
und Pilger aus aller Welt. So muss Aachen dieses Potential nutzen und seine geografische
Position, neben den Niederlanden und Belgien, nicht nur als Freizeitveranstalter für
Touristen, sondern auch Perspektiven als wirtschaftlicher Standort für Firmen zu stärken.
„Unternehmertum, Wohnortwahl, Einkauf und Freizeit, Zusammenarbeit zwischen
Hochschulen, Schulen, Kammern und Institutionen auch über die Grenzen hinweg sind für
uns Alltag und Kompetenz. Sie sind die lebendige Basis der Euregio Maas-Rhein, in der der
europäische Gedanke gelehrt wird. Aachen gilt schon jetzt überregional als Erfolgsbeispiel
für seinen erfolgreichen Strukturwandel.“
Länderübergreifende Arbeitsgemeinschaften, mit dem Ziel einen einheitlichen Wirtschafts-,
Sozial- und Verwaltungsraum zu verwirklichen, sind für den Erfolg der nachbarschaftlichen,
grenzüberschreitenden Kooperation verantwortlich. So sind bereits Anfänge gemacht
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worden, indem Entwicklungsgesellschaften gegründet wurden, welche sich mit den
kooperativen Aufgaben beschäftigen. Durch strategische Kooperation mit den
benachbarten Ländern können somit auch Faktoren für den lokalen Wohnungsmarkt besser
beeinflusst und kontrolliert werden. So ist nicht nur die überregionale
Wohnungsmarktbeobachtung
wichtig
für
eine
erfolgreiche
zukünftige
Wohnungsmarktplanung, sondern, gegeben durch die geografische Lage, auch eine
länderübergreifende Wohnungsmarktbeobachtung. Günstige Betriebskosten und
Wohnungsmarktangebote, zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Vergünstigungen
erleichtern geradezu die Entscheidung in Aachen zu arbeiten und beispielsweise in Belgien
zu wohnen. Es gilt dieser Motivation entgegenzuwirken und das Wohnen in Aachen einem
länderübergreifenden Vergleich anzupassen. Der länderübergreifende Vergleich im Bereich
der Hochschulen ist ebenso ein wichtiger Aspekt für die allgemeinen
Entwicklungstendenzen. Unter dem Motto „Wissen schafft Zukunft“ muss auch der
Hochschulsektor mit seinen Forschungseinrichtungen gestärkt werden. Denn die Universität,
mit der Funktion als Arbeitgeber, gilt als weiterer Anziehungsmagnet für Bevölkerung. Somit
gilt es in Zukunft auch Hochschulabsolventen stärker an Aachen zu binden. Aachen hat gute
Vorraussetzungen für eine positiven Entwicklung auch auf dem Wohnungsmarkt.
Geschichte, Traditionen, Wissen und Geografische Faktoren bilden die Basis für weitere
Leitbilder und Strategien. Wichtig ist nur ausdauernd und kontinuierlich an der Umsetzung
dieser Leitbilder zu arbeiten und durch Kommunikation eine breite Öffentlichkeit zum
mitmachen zu bewegen.
8
Quellenangaben
Stadt Aachen (2002): Zeitungsanalyse 2002. Aachen
Stadt Aachen (2004): Wohnungsmarktbericht 2004. Aachen
Stadt Aachen (2004): Wohnungsmarktbarometer 2004. Aachen
Stadt Aachen (2002): Europa. Eine Stadt macht Zukunft. Leitbild 2020. Aachen
Götz Hamann (2004): Wie Schrumpft man eine Stadt? Erschienen in: Die Zeit Nr. 45
28.10.2004
Klingholz, Kröhnert, van Olst; Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hg.) (2005):
Deutschland 2020 – Die demographische Zukunft der Nation. Dritte, überarbeitete Auflage
Köln
Kuhnert, Uhlig (Hg.) (2005): ARCH+ 173 „Shrinking Cities – Reinventing Urbanism“. Aachen
Schader-Stiftung (Hg.) (2001): Wohnwandel: Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des
Wohnens, Kongreß der Schader-Stiftung am 21. und 22. Mai 2001 in Mannheim. Mannheim
Wfa - Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen (1997): Kommunale
Wohnungsmarktbeobachtung in Nordrhein-Westfalen (KomWoB) - Dokumentation der
Starterkonferenz vom Mai 1997 in Düsseldorf. Düsseldorf
Statistisches Bundesamt Deutschland – www.destatis.de
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen – www.lds.nrw.de
Aktion Demographischer Wandel – www.aktion2050.de
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung – www.berlin-institut.org
Bildquellen
Deckblatt: Pieter Brueghel der Ältere; Der Turmbau zu Babel 1563, Kunsthistorisches
Museum (Wien)
Abbildung 1, 2, 5: Stadt Aachen (2004): Wohnungsmarktbericht Aachen 2004
Abbildung 3 und 4: Kuhnert, Uhlig (Hg.) (2005): ARCH+ 173 „Shrinking Cities – Reinventing
Urbanism“. Aachen
Abbildung 6: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung www.berlin-institut.org
Abbildung 7: Schader-Stiftung (Hg.) (2001): Wohnwandel: Szenarien, Prognosen, Optionen
zur Zukunft des Wohnens, Kongreß der Schader-Stiftung am 21. und 22. Mai 2001 in
Mannheim. Mannheim
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 19
Wohnverhältnisse von Migranten in Aachen
- der Einfluß des Wohnens auf die Lebenssituation von Migranten
Frank Brühne, Christian Brühne
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 20
Inhalt
Wohnverhältnisse von Migranten in Aachen
1
Einleitung
2
allgemeine Struktur- und Lagemerkmale von Migranten
3
der Wohnungsmarkt in Aachen
4
Das Quartier Aachen-Ost als Wohnungsteilmarkt
5
Fazit
6
Quellenangaben und Bildverzeichnis
7
Anhang
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 21
1
Einleitung
Die Vorgabe für die Themenstellung lautet „Ausländer-Wohnen anders?“. Deshalb befassen
sich die Abschnitte zwei und drei dieser Arbeit mit allgemeinen Begriffen und Merkmalen,
die es im Zusammenhang mit Migration und dem entsprechenden Ausschnitt des
Wohnungsmarktes zu klären gilt. Dabei werden die Zusammenhänge vom bundesdeutschen
Markt auf den Aachener Wohnungsmarkt heruntergebrochen, um im Anschluss den
Wohnungsteilmarkt Aachen-Ost genauer aus dieser Perspektive zu beleuchten, was dem
Fokus des gewählten Themas „Wohnverhältnisse von Migranten in Aachen“ Rechnung trägt.
In dieser Arbeit sollen langjährige persönliche Erfahrungen, die die Intention für die Auswahl
des Wohnungsteilmarktes Aachen-Ost darstellen, mit theoretischem Basiswissen,
empirischen Untersuchungen und Erfahrungsberichten weiterer Akteure miteinander derart
verknüpft werden, dass positive Synergien entstehen.
Als Vorbemerkung sei an dieser Stelle bereits erwähnt, dass es in dieser Arbeit aufgrund des
begrenzten Umfangs nicht möglich sein wird, dieses Thema erschöpfend zu diskutieren.
Dennoch stellen die ausgewählten Aspekte, die im Zusammenhang mit dem vorliegenden
Marktfokus angesprochen werden, die zentralen Ergebnisse der mehrwöchigen Recherchen
dar.
2
Allgemeine Struktur- und Lagemerkmale von Migranten
Um die Situation von Ausländern in unserer Gesellschaft einzuschätzen bedarf es einer
Analyse derjenigen Faktoren, die ihre Position in der Sozialstruktur begründen und somit
maßgeblich die Lebensbedingungen bestimmen. In diesem Abschnitt werden zunächst
einige grundlegende Begriffe geklärt, um im Anschluss daran maßgebliche Strukturdaten zur
ausländischen Bevölkerung für Deutschland und Nordrhein-Westfalen auswerten zu können.
Die Bedeutung der Ergebnisse für die Wohnsituation wird nach einer Darstellung der
Wohnfunktionen genauer beleuchtet.
Grundlegende Begriffe und Definitionen
Für die Beschreibung der Lebenssituation von Migranten bzw. Ausländern ist zunächst eine
genaue Eingrenzung des Begriffs „Ausländer“ notwendig, um unmissverständlich den
Personenkreis der Untersuchung zu spezifizieren. „Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher
im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist. Dazu zählen auch Staatenlose und Personen
mit ungeklärter Staatsangehörigkeit. Personen, die sowohl die deutsche als auch eine andere
Staatsangehörigkeit haben, gelten als deutsche Staatangehörige.“ (Holz, 2003, S.167)
Diese Definition ist für statistische Erhebungen in Deutschland grundlegend, und wird von
öffentlichen Institutionen und Verwaltungen verwendet. In der Wahrnehmung der
Bevölkerung kann sich allerdings ein anderes Bild ergeben und der Begriff „Ausländer“
weiter gefasst werden. Daher werden häufig auch jene Menschen als Ausländer bezeichnet,
die aufgrund ihrer Hautfarbe und religiösen bzw. kulturellen Zugehörigkeit eine
Andersartigkeit aufweisen. Menschen mit Migrationshintergrund, die bspw. in der zweiten
Generation im Aufnahmeland leben und bereits die Staatsangehörigkeit des
Aufnahmelandes angenommen haben, werden statistisch nicht mehr als Ausländer erfasst,
in der Wahrnehmung der Bevölkerung gelten diese jedoch häufig weiterhin als Ausländer.
Diese Situation kann dazu führen, dass Analysen statistischer Daten ein Bild erzeugen,
welches der eigenen Wahrnehmung widerspricht. An dieser Stelle sei die Verwendung des
Begriffs in seiner statistischen Bedeutung vereinbart.
Im Zusammenhang mit Migration und gesellschaftlicher Entwicklung fallen häufig Begriffe
wie Segregation, Marginalisierung und Integration, deren Inhalt für die vorliegende Arbeit im
Folgenden definiert wird.
Unter Segregation wird die „disproportionale Verteilung einzelner Bevölkerungsgruppen
über die Teilgebiete einer Stadt verstanden.“ (Friedrichs, 2002, S.349)
Integration wird als Einbinden einer Minderheit in eine größere soziale Gruppe verstanden,
wobei hier verschiedene Aspekte erfasst werden können. Neben sozio-kultureller Integration
kann auch ökonomische Integration als Teil der Integrationsbemühungen von Politik und
Verwaltungen identifiziert werden.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 22
Entscheidend für die Integration von ausländischen Mitmenschen ist deren Integrationswille
und -fähigkeit sowie die Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft (Eichener 1988, S.354).
Das Ergebnis einer ungünstigen Ausprägung dieser Faktoren kann die Marginalisierung sein.
Damit ist der Prozess gemeint, durch den bestimmte „Bevölkerungsschichten an den Rand
(margin) der Gesellschaft gedrängt werden und dadurch deutlich weniger am
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können“ (Wikipedia, 2006 ).
Um die Integrationsfähigkeit der Ausländer näher zu betrachten wird im folgenden
Abschnitt ein kurzer Überblick über ausgewählte Strukturdaten in Deutschland und
Nordrhein-Westfalen gegeben.
Strukturdaten für Deutschland und Nordrhein-Westfalen
Die Zuwanderung nach Deutschland
ist nicht konstant über den
Zeitverlauf. Seit Anfang der 1990
Jahre ist wieder ein positiver Saldo
feststellbar, also mehr Zu- als
Abwanderung von Ausländern zu
verzeichnen. Die Gründe für eine
Einwanderung in Deutschland sind
vielseitig und ebenso unterschiedlich
wie
die
Herkunftsländer
der
Migranten. Häufig sind kriegerische
oder andere Gewaltverhältnisse in
den Herkunftsländern die Ursache,
aber auch die Hoffnung auf bessere
Lebensverhältnisse
und
ein
gesichertes
Erwerbseinkommen
sowie ein sich entgrenzender Markt für Waren und Arbeitskräfte fördern und verschärfen die
räumliche Mobilität und erzeugen letztlich Migration. Heutzutage ist nicht mehr von der
reinen Arbeitsmigration auszugehen, wie sie zu Beginn der 1950´er Jahre auch rechtlich im
„Abkommen über die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte“ geregelt war. Gerade diese
Migranten bilden heute eine breite
Schicht in unserer Bevölkerung und
verfestigen ihre Position mit einer
zweiten Generation. Von den rund 7,4
Mio. Ausländern in Deutschland im
Jahr 2000 sind rund 58% unter 35
Jahren, und davon ca. 37,2 % in
Deutschland geboren. Die Grafik zeigt
ebenfalls die Zahlen für die restlichen
Altersgruppen. Hier wird deutlich,
dass die Gruppe der Ausländer in
Deutschland
nicht
nur
durch
Zuwanderung zunimmt.
Da der Anteil der ausländischen
Bevölkerung
an
der
Gesamtbevölkerung ständig wächst (zurzeit ca. 9%) wird auch die Forderung nach einer stärker
forcierten und gezielten Integration dieser Gruppe lauter.
Es stellt sich die Frage, ob diese Gruppe als ausreichend homogen angesehen werden kann,
um mit bestimmten Maßnahmen eine bessere Integration zu bewerkstelligen.
Welche Herkunftsländer sind in Deutschland besonders stark vertreten und bedürfen einer
gesonderten Behandlung?
Allerdings kann dies in dieser Arbeit nicht detailliert beantwortet werden, da diese
Untersuchung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Jedoch kann mit der Erkenntnis, dass mit verschiedenen ethnischen Abstammungen auch
verschiedene Vorraussetzungen verbunden sind, ein Beitrag für Integrationsbemühungen
geleistet werden. Dazu ein kurzer Überblick über die stärksten ethnischen Gruppen in
Deutschland.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 23
Die Türken machen rund 30% der in
Deutschland lebenden Ausländer aus,
und bilden damit die stärkste Gruppe.
Hierfür ist gerade die bereits
angesprochene
Anwerbung
ausländischer Arbeitskräfte in den
1950´er Jahren verantwortlich. Später
wurden von den Gastarbeitern, anders
als im Vorfeld beabsichtigt, häufig die
Familien nach Deutschland nachgeholt.
Wurde zunächst eine auf die
Mindestanforderungen
reduzierte
Wohnungsausstattung akzeptiert, um
möglichst
viel
Einkommen
ins
Heimatland senden zu können, erfolgte spätestens mit der Einwanderung der restlichen
Familie ein Wechsel der Ansprüche an Wohnraum. Die zweitgrößte Gruppe stammt aus dem
ehemaligen Jugoslawien, und ist hauptsächlich während des Krieges nach Deutschland
gekommen. Mit 8% und 5% folgen Italiener und Griechen. Die restlichen 47% verteilen sich
auf übrige Herkunftsländer.
Nicht weniger bedeutend als die ethnische und auch kulturelle Herkunft der Ausländer sind
weitere Faktoren, die ihre Lebensverhältnisse prägen. Die bereits angesprochene
Verweilabsicht, ihre berufliche Stellung und die Größer der Haushalte, in denen sie leben
dienen hier nur als Beispiel.
Die folgende Tabelle kann einen
kurzen Einblick in die Thematik
verschaffen (Statistisches Bundesamt
2004, S.577).
Sehr
deutliche
Unterschiede
zwischen Deutschen, Türken und
anderen zeigen sich hier gerade
beim
Einkommen,
der
Haushaltsgröße, der Wohnfläche pro
Person sowie der resultierenden
Zufriedenheit mit der eigenen
Wohnung.
Damit kann, stark verallgemeinert,
die These aufgestellt werden, dass
Ausländer
mit
geringerem
Einkommen ausgestattet sind, auf
kleinerem Wohnraum mit mehr
Menschen leben, und im Vergleich
zu Deutschen weniger zufrieden mit
ihrer Wohnsituation sind (s. Tabelle
1).
Betrachtet man die Situation in Nordrhein-Westfalen so ergibt sich ein identisches Bild der
gesonderten Stellung von Ausländern. Mit einem Ausländeranteil von knapp 12% bereits im
Jahr 1998 (ILS 2005a, S. 9) besteht auch in NRW das Problem der sozialen Integration von
Migranten. Eine Folge des Demografischen Wandels ist auch hier die zunehmende
Polarisierung gerade der städtischen Bevölkerung und daraus resultierende soziale und
ethnische Entmischung. Als Gründe werden Suburbanisierungstendenzen identifiziert, die
gerade dazu beitragen, dass finanziell benachteiligte Haushalte die benachteiligten
Wohnquartiere verstärkt nutzen (s. ILS 2005a, S.9f). Bei einer Arbeitslosenquote von knapp
22,8% im Juni 2004 bei den nichtdeutschen Erwerbspersonen (9,8% bei Deutschen) sind
Ausländer von dieser Situation überdurchschnittlich stark betroffen (ILS 2005b, S.5). Häufig
werden eine schlechtere Bildung und schlechtere Wohnverhältnisse als Ursache für eine
unterdurchschnittliche berufliche Stellung angeführt (Treichler 2002, S.74-81). Die Statistik
des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik von 1996 bestätigt die Aussage zur
Bildungsstruktur (LDS 1996, S. 203). Auch der Anteil der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten bei Ausländern entspricht nicht dem Ausländeranteil, sondern liegt mit 9,2%
für NRW deutlich unter dem Ausländeranteil von 12%. Hinzu kommt, dass „das
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 24
durchschnittliche Nettoeinkommen eines ausländischen Haushalts mit Kindern 27% unter
dem Durchschnittseinkommen der deutschen Haushalte mit Kindern liegt“ (Selle 1990).
Die vorangegangenen Ausführungen deuten auf eine Benachteiligung der ausländischen
Bevölkerung hin. Welche Bedeutung diese Vorraussetzungen für die Lebenssituation der
Migranten haben können, kann nach einer Darstellung der Funktionen des Wohnens
diskutiert werden.
Wohnfunktionen und Lebenssituation von Migranten
Die Lebenssituation von Migranten wird zu einem großen Teil auch von den
Wohnverhältnissen bestimmt. Die Integrationsfähigkeit ausländischer Bevölkerung ist
maßgeblich durch die Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten, Bildung und Freizeit sowie
rechtliche und politische Stellung geprägt. Die Bedeutung der Wohnverhältnisse als
Determinante und Dimension der Integration kann über die Funktionen des Wohnens
anschaulich beschrieben werden. Unter Wohnfunktionen versteht man jene „Funktionen, die
die Wohnung und das Wohnen für die Bewohner und ihre Lebenslage hat“ (Eichener 1988,
S.28). Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die wichtigsten Wohnfunktionen und
erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Schutzfunktion besteht im Schutz vor Witterung und Natur sowie Schutz der
Privatsphäre, der auch als Grundrecht verfassungsrechtlich gesichert ist. Durch
abgeschlossene Wohneinheiten ist dem Schutz der Privatsphäre bereits entsprochen. Der
Schutz vor Witterung kann jedoch in anbetracht schlechter Bausubstanz und bröckelnder
Fassaden sowie undichter Fenster nicht immer gewährleistet werden. Da Ausländer relativ
häufig in Wohnungen mit schlechterer Wohnqualität wohnen ist bei dieser
Bevölkerungsgruppe auch die Gefahr von Gesundheitsgefährdungen durch den
Wohnbereich am höchsten. Überdurchschnittliche Erkrankungshäufigkeit sowie
Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen scheinen dies zu bestätigen (s. Eichener
1988, S. 28).
Die Reproduktionsfunktion dient der Erhaltung und Erneuerung der physischen und
psychischen Arbeitskraft, die gerade bei Tätigkeiten mit hoher körperlicher Belastung und
Schichtarbeit zur Erholung notwendig ist. Da Ausländer relativ häufig derartigen Tätigkeiten
nachgehen, gleichzeitig mit mangelndem Wohnkomfort und wenig Platz wohnen, ist diese
Funktion zumindest stark beeinträchtigt (ebd. S.29f).
Die Sozialisationsfunktion betrifft das soziale Umfeld sowie Kontakt- und
Erfahrungsmöglichkeiten die durch die Lage der Wohnung bestimmt sind. Einstellungen und
Verhalten der Haushaltsmitglieder sowie der Nachbarschaft prägen die Kontaktfähigkeiten
der Bewohner. Die soziale und ethnische Zusammensetzung der Nachbarschaft ist
entscheidend für Konfliktpotentiale (ebd. S.29).
Die Bildungsfunktion betrifft die Möglichkeit zu schulischer und beruflicher (Weiter-)Bildung
sowie Medienkonsum. Eine zu kleine Wohnung, in der nicht jedes Haushaltsmitglied ein
eigenes Zimmer hat, ist mit fehlenden Rückzugs- und Arbeitsmöglichkeiten ausgestattet.
Ausländer leben relativ häufig in zu kleinen Wohnungen mit großen Haushalten, was die
häusliche Bildung gefährdet (ebd. S.29).
Die Zuordnungsfunktion betrifft die Zuordnung zu Schulen und anderen öffentlichen
Einrichtungen. Die räumliche Konzentration ausländischer Bevölkerung auf bestimmte
Stadtteile trägt wesentlich zur Bildungsproblematik bei, da sie zu hohen Ausländeranteilen
in anliegenden Schulen führt. Die neuere Gesetzgebung versucht dieses Problem
abzuschwächen (ebd. S.29).
Die Demonstrationsfunktion ist wohl eine der für Integrationswillen entscheidenden
Funktionen. Durch die Wohnung und das Wohnumfeld werden sozialer Status und
Zugehörigkeit geprägt. Problematisch ist hier vor allem die Übertragung von
Gebietsmerkmalen auf die Bewohnerschaft. Dies ist ein Quell für Vorurteile und
Diskriminierung von Ausländern (ebd. S.29). (Diskriminierungen sind auf dem
Wohnungsmarkt ohnehin schon zu beobachten. Beispielsweise spricht man von einem
Diskriminierungszuschlag, wenn Ausländer für Wohnraum in gleicher Ausstattung und Lage
mehr pro Quadratmeter zahlen müssen.)
Stark beeinträchtigt durch diese Probleme ist die Identifikationsfunktion. Mit einer schlecht
ausgestatteten Wohnung in ungünstiger Wohngegend kann man sich bestenfalls als
Angehöriger einer benachteiligten Minderheit identifizieren. Die Anerkennung der
Wohnung als Heim oder Heimat ist demnach häufig nicht gegeben, und trägt zu
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 25
entsprechendem Wohnverhalten bei. Zusätzlich verstärkt es die traditionell ethnischen
Bindungen und erschwert die Identifikation mit dem Einwanderungsland und somit die
Integration.
Die Wohnproblematik ist als Teil der Integrationsproblematik folglich nicht zu unterschätzen.
Manche Sozialökologen bezeichnen sie sogar als „Schlüssel“ zur Integration. Deutlich dürfte
nach vorangehenden Ausführungen allerdings sicherlich sein, dass die Wohnverhältnisse
ausländischer Bevölkerung mehr als nur eine Dimension des Integrationsproblems sind. Als
Integrationsdeterminante ist es eine zentrale Komponente der Sozialpolitik (ebd. S.30).
3
Der Wohnungsmarkt in Aachen
Die Stadt Aachen verfügt auf über 16000 ha Fläche, die zu knapp 24% durch Gebäude- und
Freiflächen genutzt sind, über 259 334 Einwohner am 31.12.2005 (s. Anfrage Stadt Aachen
2005). Neben der Bevölkerungsstruktur existieren weitere Faktoren, die den Wohnungsmarkt
beeinflussen. Im folgenden Abschnitt werden wichtige Wohnungsmarktindikatoren für die
Stadt Aachen untersucht. Anschließend können daraus resultierende soziale und
gesellschaftliche Herausforderungen identifiziert werden.
Bevölkerungsentwicklung in Aachen
Wie bereits erwähnt können in Ballungsgebieten immer häufiger Suburbanisierungsprozesse
beobachtet werden. Eine Folge ist der sogenannte „Back-wash-Effekt“, der das Ergebnis der
Suburbanisierung beschreibt. Es besteht die Gefahr, dass die Potentiale eines Gebiets
verloren gehen, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen in andere Bereiche wandern. Unter
der Annahme, dass gerade die ausländische Bevölkerung zu den sozial Schwachen gehört,
kann dieser Effekt auch in Aachen festgestellt werden. Die Ausländerquote stieg von 2002
mit 13,9% auf 14% am 31.12.2003 (Stadt Aachen 2003). Dies ist auf den positiven
Wanderungssaldo der Ausländer bei negativem Saldo der Deutschen zurückzuführen.
Zusätzlich übersteigt die Geburtenrate der Ausländer die der Deutschen, da mit 19,8% aller
Geburten 2003 (21% in 2002) ein größerer Anteil auf Ausländer fällt als dem
Bevölkerungsanteil entsprechend. Problematisch ist hier die Konzentration der
ausländischen Bevölkerung auf bestimmte Stadtbezirke. Besonders hohe Ausländeranteile
sind in den östlichen Stadtbezirken und der Innenstadt vorhanden. In Aachen-Ost liegt der
Stadtbezirk Panneshop mit 36,5% Ausländern und Rothe Erde mit 26,6% noch vor Ponttor
mit 24,3% in der Innenstadt (Anfrage Stadt Aachen 2005).
Ebenfalls bedeutend für den Wohnungsmarkt sind die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt.
In Aachen sind am 31.12.2004 rund 11,6% der erwerbsfähigen Bevölkerung ohne Arbeit.
Auffällig ist, dass die Arbeitslosenquoten in den Stadtbezirken mit hohen Ausländeranteilen
besonders hoch sind. Selbst innerhalb dieser Stadtbezirke liegt bei Ausländern eine höhere
Arbeitslosenquote vor als bei Deutschen (Anfrage Stadt Aachen 2005). Damit ist auch in
Aachen festzustellen, dass Ausländer im Durchschnitt mit niedrigeren Einkommen
auskommen müssen.
Die Demografische Entwicklung und die Arbeitsmarktentwicklung sind nur ein Teil der
Wohnungsmarkt beeinflussenden Faktoren. Auch die Anzahl der Sozialhilfeempfänger oder
die Anzahl geförderter Wohnungen im Bestand des gemeinnützigen Wohnungsbaus
spiegeln Entwicklungen des Wohnungsmarktes wider. Aufgrund der Komplexität dieses
Gebietes kann dies in dieser Arbeit nicht detaillierter untersucht werden.
Soziale und gesellschaftliche Herausforderungen
Der Wohnungsmarktbericht 2004 der Stadt Aachen zeichnet ein klares Bild der Entwicklung
des Wohnungsmarktes. Festzuhalten ist die Erkenntnis, dass eine adäquate
Wohnraumversorgung leistungsfähiger Haushalte sichergestellt werden muss, um weitere
Abwanderungen zu vermeiden. Gleichzeitig müssen qualitative Bestandsverbesserungen
erfolgen, um angesprochene Einschränkungen der Wohnfunktionen zu reduzieren. Die
prognostizierte Anspannung gerade im unteren Preissegment betrifft die ausländische
Bevölkerung nicht zuletzt wegen der höheren Konsumquote bei niedrigeren
Durchschnittseinkommen. Auch die steigende Anzahl wohnungssuchender Haushalte trägt
hierzu bei. Dabei ist auffällig, dass sowohl die Anteile der Singlehaushalte wie auch der
Haushalte mit mehr als 5 Personen stark gestiegen sind. Einem Bericht des ILS zufolge
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 26
besteht eine „deutlich verschlechterte
subjektive
Einschätzung
der
allgemeinen
und
der
eigenen
wirtschaftlichen Lage“ sowie „Sorge
um
den
Arbeitsplatz“
und
„zurückgehende
Zufriedenheit
bezüglich der sozioökonomischen
Chancen und Voraussetzungen“ (ILS
2005c). Es resultiert eine Gefährdung
bisheriger Integrationserfolge, denn
„Unzufriedenheit mit sozialen und
wirtschaftlichen Perspektiven macht
gerade junge Menschen anfällig für
radikale Ideen und Segregationsbestrebungen
und
kann
die
Integrationsbereitschaft
beeinträchtigen.
Erfüllen
sich
Integrationsund
Gleichbehandlungserwartungen nicht, kann dies in generelle Ablehnung der
Aufnahmegesellschaft umschlagen.“(ILS 2005c).
Aus dem Wohnungsmarktbericht 2004 geht ebenfalls hervor, dass eine
Wohnraumversorgungslücke entstanden ist, deren Ausmaß sich wohl vergrößern wird
(Wohnungsmarktbericht 2004, S.16). Neben der Situation, dass im unteren Preissegment
nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht, erschweren Diskriminierungen und
relativ hohe Warmmieten aufgrund stark gestiegener Nebenkostenanteile die
Wohnungssuche für Ausländer. Zusätzlich erzeugen die Hartz IV Gesetzgebung und
Mietpreisobergrenzen der Sozialämter einen steigenden Konkurrenzdruck im unteren
Preissegment. Die Situation wird sich dramatisch verschärfen, sobald der planmäßige
Wegfall der geförderten Wohnungsbestände in 2008 seinen Höhepunkt erreicht.
Um die Integration der Ausländer nicht zu gefährden, müssen sämtliche Quellen der
Benachteiligung simultan bearbeitet werden. Auf den Wohnungsmarkt bezogen sind dies
vornehmlich die Quellen der Segregation, die grob in drei Kategorien unterteilt werden
können. Dabei liegt eine Ursache der Segregation bei den Ausländern selbst. Wurde bisher
oft von einer Anspruchslosigkeit in Bezug auf Wohnqualität gepaart mit striktem Sparwillen
ausgegangen, liegen heute, nachdem die Rückkehrillusion offensichtlich verworfen wurde,
dennoch Mechanismen vor, die eine Versorgungslücke begünstigen. Die Wohnungssuche
bei Ausländern erfolgt aufgrund eines Orientierungsdefizits auch heute noch oft auf
informellem Weg. Vermehrt sich die Zahl der Makler mit Migrationshintergrund, die
Verständnis
für
Wohnbedürfnisse
haben
und
mit
denen
keine
Verständigungsschwierigkeiten vorliegen, so überwiegen dennoch soziale Kontakte bei der
Wohnraumvermittlung. Zusammen mit einem dringendem Wohnbedarf und niedrigem ProKopf-Einkommen kann dies unter anderem dazu führen, dass schlechte Wohnqualitäten
akzeptiert werden müssen. Entscheidend ist also den Zugang zu bestimmten
Marktsegmenten für Ausländer sicherzustellen. Dies kann unter anderem über multilinguale
Vermittlungsstellen erfolgen.
Aber auch bei den Vermietern liegen bestimmte Verhaltensweisen vor, die eine
Benachteiligung der ausländischen Bevölkerung begünstigen. Neben dem Rationalkalkül der
Wohnungsanbieter, welches in Kapitel 4 näher betrachtet wird, kann auch eine bestimmte
Belegungs- und Sanierungsstrategie im Ergebnis Segregation fördern. Der Begriff
Sanierungskarussell bezeichnet eine Belegungsstrategie, die dazu dient, höhere Erträge zu
erwirtschaften. Anstelle längst fälliger Sanierungsmaßnahmen wurde der Fortzug besser
gestellter Haushalte in Kauf genommen, da ausreichend Nachfrage das Angebot ausschöpfte
(s. Selle 1990, S.31).
Die frei gewordenen Wohnungen konnten trotz schlechter Zustände vermietet werden.
Wurden schließlich Sanierungsmaßnahmen aufgrund verschlechterter Vermietbarkeit
durchgeführt, so führte dies häufig wiederum zu einem Wechsel der Mieterschaft, da die
Mieten im Zuge der Sanierung entsprechend erhöht werden konnten, und die
Zahlungsfähigkeit der bisherigen Bewohnerschaft überstieg. Aus diesem vereinfacht
dargestellten Sachverhalt leitet sich die Forderung nach gemäßigter Sanierungs- und
Modernisierungstätigkeit ab. Sanierungen dürfen nicht völlig ausbleiben, um
Wohnqualitäten zumindest zu sichern, aber auch nicht die Zahlungsfähigkeit der Bewohner
übersteigen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 27
Die Zahlungsfähigkeit ist neben den Diskriminierungen und der Verknappung der unteren
Marktsegmente, die den Konkurrenzdruck auf der Nachfragerseite erhöhen, den
Marktbesonderheiten zuzuordnen. Dem steigenden Konkurrenzdruck könnte unter anderem
mit einer angepassten Belegungsstrategie der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften
entgegengewirkt werden.
4
Das Quartier Aachen-Ost als Wohnungsteilmarkt
In Aachen sind vor allem die Stadtbezirke Panneshop mit 36,5% und Rothe-Erde mit 26,6%
durch eine hohe Ausländerquote charakterisiert. Diese liegt damit deutlich über dem
Aachener Durchschnitt von 13,79%. Gleichzeitig liegt die Arbeitslosenquote in diesen
Bezirken bei über 15%. Beide Stadtbezirke zählen zum Quartier Aachen-Ost, dessen Image in
der Bürgerschaft der Stadt Aachen denkbar schlecht zu sein scheint.
In diesem Abschnitt soll deshalb zuerst anhand einer kurzen Situationsanalyse genauer
betrachtet werden, wie es zu diesem Negativimage des Quartiers kommt. Im Anschluss
daran wird der Wohnungsmarkt aus den Perspektiven der Anbieter- und Nachfragerseite
genauer beleuchtet und einige öffentliche Projekte bzw. Aktivitäten zur Verbesserung der
Situation in Aachen-Ost vorgestellt. (s. Anfrage Stadt Aachen 2005)
Situationsanalyse und Image
Das Stadtbild im Aachener Osten ist geprägt durch Geschoßbauten, die hauptsächlich aus
den sechziger Jahren stammen. Obwohl zahlreiche Gebäude in den achtziger Jahren saniert
wurden, besteht bei den meisten Gebäuden ein erhöhter Instandsetzungsbedarf.
Ein für jedermann sichtbares Indiz hierfür ist der Zustand zahlreicher Außenfassaden, welche
meist Risse aufweisen und häufig sogar bröckeln. Zusätzlich verfügen die Wohnungen
größtenteils über eine einfache Verglasung und eine Wärmedämmung des Objektes, die
dem heutigen Standard längst nicht mehr genügt. Bei der Besichtigung vieler Objekte viel zu
dem auf, dass die Treppenhäuser oft Spuren von Vandalismus aufweisen und nicht nur auf
der Strasse, sondern auch in den Häusern die Müllentsorgung nicht richtig funktioniert.
Die Wohnungen selbst sind nicht selten völlig überbelegt, d.h. dass die Anzahl der größeren
Haushalte, denen für die Personenzahl zu geringe Wohnflächen zur Verfügung stehen,
signifikant größer ist. (s. Anfrage Stadt Aachen 2005)
In Ergänzung zu der Situation, die bereits durch die Ausländerquote und die Arbeitslosenrate
deutlich wird, fügt sich das äußere Erscheinungsbild in ein Negativimage, welches über
mehrere Jahre innerhalb Aachens gewachsen ist. Dabei wird deutlich, dass dieses
Negativimage, welches wie dargestellt zumindest zum Teil auf Tatsachen beruht, meist mit
dem hohen Ausländeranteil in Verbindung gebracht wird und damit die Situation auf ein
„Ausländerproblem“ bzw. „Integrationsproblem“ reduziert wird. In den folgenden
Abschnitten soll nun versucht werden, diesen Zusammenhang näher zu beleuchten. Dabei
soll ermittelt werden, welche Investitionshemmnisse auf der Anbieterseite dazu führen, dass
ein derartiger Instandsetzungsrückstand entstehen konnte und welcher Zusammenhang mit
der Bewohnerschaft des Quartiers besteht, um Rückschlüsse auf ein eventuell bestehendes
oder sogar ursächliches Migrationsproblem ziehen zu können.
Das Kalkül der Anbieter und Investitionshemmnisse
Das Kalkül der Anbieter im Wohnungsmarkt ist ein Rationalkalkül, bei dem es letztlich um
Renditen bzw. Renditeerwartungen geht. Dabei geht es grob darum, dass die
Nettorückflüsse aus den Mietzahlungen zu einer Amortisation des investierten Kapitals oder
zumindest zu einer angemessenen Verzinsung desselben führen. Lässt man dabei einmal die
Kosten für eine eventuelle Finanzierung außen vor, so beschreibt der Begriff Nettorückfluss,
die Kaltmieteinnahmen zuzüglich der Nebenkostenzahlungen der Mieter (Warmmiete)
abzüglich der Wohngeldzahlungen des Vermieters. Diese Wohngeldzahlungen des
Vermieters beinhalten die Nebenkosten des Mieters, für die der Vermieter meist in
Vorleistung tritt, zuzüglich der Kosten, die er nicht auf seinen Mieter umlegen kann. Die
unten stehende Tabelle zeigt exemplarisch eine Wohngeldabrechnung.
Dieses Kalkulationsschema hilft, das Vorgehen eines Wohnraumanbieters nachvollziehen zu
können. Die umlagefähigen Kosten des Anbieters sowie die Heizkosten sind, wie bereits
erwähnt, die vom Mieter selbst zu tragenden „Wohnnebenkosten“. Dabei ist es in den
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 28
meisten Mietwohnungen derart geregelt, dass die Mieter monatlich eine sog.
Nebenkostenvorauszahlung leisten, die erst einmal mit den tatsächlich anfallenden Kosten
nicht viel gemeinsam hat, denn die eigentliche Abrechnung erfolgt meist erst am Ende des
Jahres. Dabei kann sich zum Jahresende eine Nebenkostennachzahlung oder eine Gutschrift
für den Mieter ergeben.
Wohnlastabrechnungen
Kostenarten
I. umlagefähige
Kosten
II. Heizkosten
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Stand:
01.03.2006
Whg. 1
für das
Wirtschaftsjahr
Allgemeinstrom
Müllabfuhrgebühren
Straßenreinigungsgebühren
Frischwasser
Abwasser/Schmutz
Abwasser/Regen
Hausmeister/Gartenpflege
Hausreinigung/Putzmittel
Kabelfernsehen
Gebäudeversicherung
Haftpflichtversicherung
12. Zwischensumme (I)
0,00 DM
13.
14.
15.
16.
siehe
anliegende
Abrechnung
erstellt durch
Unternehmen
X
Gasbezugskosten
Strom Heizung
Schornsteinfeger
Abrechnungskosten
17. individuelle Ablesekosten
18. Zwischensumme (II)
III. nicht
umlagefähige
Kosten
#
Summe umlagef. Kosten
20.
21.
22.
23.
24.
25.
WEG-Verwaltung Wohneinheiten
Versammlungskosten
Geldverkehr
Rundschreiben/Dokumentationen
Instandsetzungen/Anschaffungen
Zuführung Rücklage
0,00 DM
26. Zwischensumme (III)
0,00 DM
27. Abschlusssumme
0,00 DM
Tabelle 2: exemplarische Wohngeldabrechnung
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 29
Dieses Kalkulationsschema hilft, das Vorgehen eines Wohnraumanbieters nachvollziehen zu
können. Die umlagefähigen Kosten des Anbieters sowie die Heizkosten sind, wie bereits
erwähnt, die vom Mieter selbst zu tragenden „Wohnnebenkosten“. Dabei ist es in den
meisten Mietwohnungen derart geregelt, dass die Mieter monatlich eine sog.
Nebenkostenvorauszahlung leisten, die erst einmal mit den tatsächlich anfallenden Kosten
nicht viel gemeinsam hat, denn die eigentliche Abrechnung erfolgt meist erst am Ende des
Jahres. Dabei kann sich zum Jahresende eine Nebenkostennachzahlung oder eine Gutschrift
für den Mieter ergeben.
Es ist intuitiv einsichtig, dass der Vermieter zu Jahresbeginn eine sehr genaue Kalkulation der
zu erwartenden Nebenkosten erstellen muss, damit die von ihm verlangten
Nebenkostenvorauszahlungen deckungsgleich mit den tatsächlichen Kosten sind. Dies ist
wiederum nur sehr beschränkt möglich, da er das Verbrauchsverhalten der Mieter nur aus
Erfahrungswerten ableiten kann. Jedoch sind gerade Heizungs-, Frischwasser-, Abwasserund Regenwasserkosten alleine aufgrund verschiedenster Ausprägungen der Jahreszeiten
sehr wechselhaft. Damit bleibt für den Vermieter stets ein Restrisiko bezüglich eines
Zahlungsausfalls am Ende der Abrechnungsperiode, das er in sein Rationalkalkül aufnehmen
muss. Dies senkt tendenziell seine Erwartungen bezüglich der Nettoerlöse.
Speziell in Quartieren mit einem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen, wie es in Aachen-Ost
vorliegt, steigt das Risiko derartiger Zahlungsausfälle. Hinzu kommt, dass es in Aachen-Ost
einen sehr hohen Anteil an Haushalten gibt, deren Mieten und Nebenkosten vom Sozialamt
der Stadt gezahlt werden (s. Anfrage Stadt Aachen 2005). Dies bedeutet für den Vermieter
einen Mehraufwand, da die Zahlungen durch die Ämter mit zusätzlichen organisatorischen
Prozessen verbunden sind, die den Zahlungszeitpunkt nach hinten verschieben. Somit
verringert sich wiederum die erwartete Nettoeinnahme des Vermieters.
Die Kosten, die der Vermieter selber tragen muss, sind die nicht-umlagefähigen Kosten. Hier
ist vor allem der Punkt Instandsetzungen/Anschaffungen besonders interessant (s. Punkt 22
in Tabelle 2). Dies sind also Aufwendungen an denen die Mieter eines Objektes nicht
partizipieren und somit die Nettomieteinnahmen des Vermieters verringern. In einem
persönlichen Gespräch mit einer Vermieterin, die Objekte im Aachener Ostviertel anbietet,
wurden die Aufwendungen für die Beseitigung von Vandalismusschäden als zweitgrößter
Kostenpunkt nach den Zahlungsausfällen genannt (s. Interview mit Dorothee Lennartz).
Schon diese sehr grobe Darstellung der Besonderheiten in der Kalkulation der
Wohnraumanbieter im Aachener Ostviertel lässt zumindest den Schluss zu, dass die deutlich
verringerten Rückfluss- und damit Renditeerwartungen zu einer verringerten
Investitionstätigkeit führen. Da Investition eben nicht nur der Neuerwerb eines Objektes,
sondern auch, wie oben erläutert, die Instandsetzung der Objekte betrifft, ist hier ein
Erklärungsansatz für das Erscheinungsbild des Quartiers zu sehen.
Die Erfahrungen verschiedener Vermieter zeigen jedoch, dass ein Rückschluss auf die in
diesem Quartier lebenden Migranten eher unzulässig ist. Danach ist das Migrations- bzw.
Integrationsproblem nur mittelbar für die oben dargestellten Probleme verantwortlich. Die
Vermutung kann zwar nicht statistisch untermauert werden, aber die Erfahrungen zeigen,
dass das Migrationsproblem über seinen Einfluss auf das Image des Quartiers dafür
verantwortlich ist, dass prinzipiell nur „sozial schwache“ Haushalte oder Personen deutscher
Herkunft bereit sind in diesem Quartier zu wohnen und zu leben. Erst dieser Umstand führt
nach den Erfahrungen dazu, dass diese Stadtbezirke auch zu einem wirtschaftlichen
Brennpunkt mit den beschriebenen Folgen werden. (s. Interview mit Dorothee Lennartz)
Ob diese These überhaupt statistisch untermauert werden könnte, spielt für das individuelle
Anbieterkalkül ohnehin nur eine sehr untergeordnete Rolle, da hier die persönlichen
Erfahrungen einen denkbar großen Einfluss demgegenüber haben.
Die Situation der Nachfrager im Ostviertel
Zusätzlich zum bereits beschriebenen Mangel an Wohnraum, insbesondere bei größeren
Haushalten, sind die Ausstattungen der Wohnungen ein weiterer wichtiger Aspekt auf der
Nachfragerseite. Gilt generell für den deutschen Wohnungsmarkt, dass ausländische
Haushalte im Gegensatz zu deutschen über eine eher einfache Wohnungsausstattung
verfügen (s. Grafik 1), so lässt sich dies prinzipiell nicht auf den Stadtteil Aachen-Ost
übertragen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 30
Im Laufe der Recherche zu dieser Arbeit war es möglich 16 Whg. in der Düppelstraße in
Aachen Rothe-Erde zu besichtigen. Dabei ist deutlich geworden, dass es sich hier generell
um eine einfache Wohnungsausstattung handelt, also kein signifikanter Unterschied
zwischen deutschen und ausländischen Haushalten besteht. Allerdings handelt es sich hier
nicht um eine repräsentative Erhebung.
Wohnungsausstattung deutscher und ausländischer Haushalte
50
45
40
35
in %
30
Deutsch
25
Ausländer
20
15
10
5
0
gut
mittel
einfach
schlecht
Grafik 1: „Wohnungsausstattung deutscher und ausländischer Haushalte“ (s. Anfrage
Stadt Aachen)
Alleine diese beiden Aspekte stellen drei entscheidende Funktionen des Wohnens in Frage.
Zum einen kann der Wohnraum nur noch sehr beschränkt zur psychischen und physischen
Erholung
(Reproduktionsfunktion)
dienen
und
zum
anderen
fehlen
Separierungsmöglichkeiten, um eine schulische oder berufliche (Weiter-)Bildung
voranzutreiben (Bildungsfunktion). Zusätzlich bietet der Wohnraum nur noch sehr
eingeschränkte Möglichkeiten, soziale Kontakte zu Freunden, Bekannten und Nachbarn zu
pflegen (Sozialisationsfunktion). Dies gilt zumindest für den Empfang dieser sozialen
Kontakte in den eigenen „Vier Wänden“.
Aber auch die anderen Funktionen des Wohnens scheinen in Anbetracht der
Gesamtsituation in Aachen-Ost nicht komplett wahrnehmbar zu sein bzw. werden für die
Bewohner des Quartiers zu einem weiteren Problem. So fällt die Identifikation mit dem
eigenen Stadtteil als „Heimat“ allein aufgrund des Images sicher schwieriger
(Identifikationsfunktion).
Zuordnungsfunktion und Demonstrationsfunktion des gewählten Wohnumfeldes führen
dazu, dass zum einen die sozialen und ökonomischen Probleme mit in Schulen und
Kindergärten transportiert werden und damit der Segregationsgrad weiter steigt, sowie zum
anderen die Bewohner häufig mit einer Art Makel belegt werden aufgrund ihres Wohnortes.
Aus der wirtschaftlichen Perspektive stellt die Wohnungssituation die Nachfrager vor weitere
Probleme. So hat der niedrige Ausstattungsstandard oft zur Folgen, dass der Preis für den
Wohnraum weiter steigt, da die Nebenkosten, z.B. durch einfache Verglasung oder eine
schlechte Isolierung der Fassade, überdurchschnittlich hoch sind. Man spricht in diesem
Zusammenhang auch von der „Zweiten Miete“.
Eine weitere Verschärfung der Situation droht durch die neue Sozialpolitik. Als Stichwort ist
hier Hartz IV zu nennen, wodurch zwar einerseits den Sozialhilfeempfängern mehr
finanzieller Spielraum zur Verfügung steht, aber andererseits die Eigenverantwortung
dahingehend erhöht wurde, als das nun notwendige Anschaffungen für die Haushalte selbst
erspart werden müssen. Dies führt vor allem bei den Menschen, die eine 100%ige
Konsumquote haben, dazu, dass verschiedene Investitionen zur Sicherung der Wohnqualität
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 31
nicht getätigt werden können und langfristig die Gefahr der „Unterwohnung“ droht. Dies
wiederum endet nicht selten in der Kündigung des Mietverhältnisses seitens des Vermieters.
Außerdem zu nennen in diesem Zusammenhang ist die neue Anwendung der
Mietpreisobergrenzen oder auch die Begrenzung der Quadratmeterzahl durch die
Sozialämter. In der Praxis hat dies, in Verbindung mit der Problematik der „Zweiten Miete“,
häufig zur Folge, dass die Möglichkeit des Bezugs angemessenen Wohnraums gar nicht
besteht.
Zuletzt ist noch das Auslaufen der Bindungen der geförderten Wohnungen als weiterer
Unsicherheitsfaktor für die Mieter zu sehen.
So bleibt also in jedem Falle festzuhalten, dass die Wohnraumversorgung gerade im unteren
Preissegment des Wohnungsmarktes für das entsprechende Klientel mit immer größeren
Unsicherheiten behaftet ist, die letztlich, in Analogie zum Anbieterkalkül, für den Mieter
Zusatzkosten bedeuten.
Alle beschriebenen Punkte betreffen selbstverständlich nicht explizit die
Bevölkerungsgruppe der Ausländer. Für diese Gruppe kommt erschwerend hinzu, dass sie
häufig von weiteren individuellen Marktzutrittsbarrieren behindert werden. Zu diesen zählt
vor allem häufig das Sprachproblem, welches letzten Endes tendenziell für eine Zunahme an
Marktintransparenz verantwortlich ist. Kulturelle Unterschiede können zusätzlich für starke
Verschiebungen im Anforderungsprofil für den gesuchten Wohnraum sorgen und das
Angebot für passenden Wohnraum verknappen. Für das Aachener Ostviertel gilt jedoch,
dass hier eine stark ansteigende Anzahl von Maklern mit eigenem Migrationshintergtund zu
verzeichnen ist, die diese Umstände tendenziell abzuschwächen vermag (s. Anfrage Stadt
Aachen 2005).
In der Literatur wird häufig von Vorurteilen und Ablehnung gegenüber ausländischen
potentiellen Mietern berichtet. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem
„Diskriminierungszuschlag“, was nichts anderes als eine Mieterhöhung für ausländische
Mieter beschreibt (s. Kabis 2001).
Öffentliche Aktivitäten und Projekte
Im Rahmen des Programms „Stadtteilerneuerung Aachen-Ost“ gibt es seit mehreren Jahren
Aktivitäten und Projekte zur Verbesserung des Wohnumfeldes. An erster Stelle ist die
Einrichtung der Stadtteilbüros in der Elsaßstrasse und der Hüttenstraße zu nennen, deren
Akteure die Aufgaben der Ideensammlung zur Verbesserung der Situation im Viertel, das
Informieren über Möglichkeiten und Projekte in Aachen-Ost und der Beratung für
verschiedenste Probleme sind. Die Büros sollen als Anlaufstelle für die Menschen dieses
Viertel dienen und „eine Keimzelle für eine intensive Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger“ sein. (s. Stadt Aachen, 2006)
Exemplarisch seien zwei Projekte, die von den Stadtteilbüros begleitet bzw. durchgeführt
werden, genannt und kurz beschrieben. Eines der größten Projekte, die im Zusammenhang
mit der Stadtteilerneuerung Aachen-Ost durchgeführt wurden bzw. werden, ist die
Neugestaltung des Kennedy-Parks in diesem Viertel. Die zur Verfügung stehenden Mittel für
dieses Vorhaben belaufen sich nach Angaben der Stadt Aachen auf ca. 1 Mio. Euro.
Das sogenannte „Spielband“, welches von der Düppelstraße bis in den hinteren Teil des
Parks reicht, ist das Kernstück der Verbesserungsaktivitäten. Zum einen werden die Beläge
der Sportplätze erneuert und die Nutzungsmöglichkeiten der Anlage deutlich erweitert und
zum anderen neue Spielplätze für Kleinkinder im hinteren Bereich des Parks geschaffen.
Zusätzlich werden die Parkbänke ersetzt durch Sitzgelegenheiten ohne Rückenlehnen, um
den Alkoholkonsum im Park dadurch einzuschränken, dass ein dauerhaftes Sitzen auf den
Bänken unbequemer wird. Letztes Element dieses Projektes ist die Schaffung eines direkten
Zugangs vom angrenzenden Seniorenheim in den Park, der als Kirschblütenpark gestaltet
werden soll. (s. Stadt Aachen, 2006)
Ein zweites Projekt ist „Studies helfen Kids“, welches seit mehreren Jahren mit Erfolg
vorangetrieben wird. Dabei unterstützen Studenten der RWTH-Aachen Schüler der
Grundschule Düppelstraße und jugendliche Besucher des Josefshauses bei der Anfertigung
ihrer Hausaufgaben. (s. Stadt Aachen, 2006)
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 32
5
Fazit
Zum Abschluss gilt es also noch einmal allgemein festzuhalten, welche Problematiken zum
einen zu Investitionshemmnissen und zum anderen zur Gefährdung der
Wohnraumversorgung führt. Dies soll zusätzlich auf der Nachfragerseite aus der Perspektive
der Besonderheiten für Migranten als Marktakteure erfolgen.
Zentraler Punkt auf der Anbieterseite ist die reduzierte Renditeerwartung der Vermieter.
Diese stellen - neben anderen Gründen, wie der Mietgesetzgebung und den
Finanzierungsmöglichkeiten - den Hauptgrund für ein gehemmtes Investitionsverhalten der
Anbieter da. Jedoch kann in diesem Zusammenhang nicht von einem „Ausländerproblem“
gesprochen werden, d.h. einer generellen Häufung dieses Renditeproblems in Stadtteilen
mit hohem Ausländeranteil, sondern eher von einem nationalitätenübergreifenden Problem
von Quartieren mit besonders schwacher ökonomischer Struktur.
Für die Nachfragerseite gilt, dass die Wohnraumversorgung vor allem durch hohe
Warmmieten im unteren Preissegment, Arbeitslosigkeit (Hatz IV), Ghettoisierung, wenig gut
ausgestattete Wohnungen, Mietpreisobergrenzen der Sozialämter sowie auslaufende
Bindungen der geförderten Wohnungen gefährdet ist.
Neben dem niedrigen Pro-Kopf-Einkommen, spielt für Migranten das Problem der
Orientierung eine entscheidende Rolle, sei es aufgrund der Sprachbarriere oder der
Mangelnden Kenntnis des Wohnungsmarktes. Häufig führt auch die Dringlichkeit des
Wohnungsbedarfs eine wichtige Rolle für Fehlentscheidungen. Alle diese Aspekte führen
letztlich auch zur Segregation in Quartieren, wie es das Aachener Ostviertel darstellt. Zwar
konnten die Ursachen für Segregation speziell für dieses Viertel nur teilweise in der
Recherche für diese Arbeit Identifiziert werden, jedoch lassen die dargestellten Probleme (s.
Abschnitt 4.3) zumindest die Vermutung zu, dass die in der Literatur dargestellten
Segregationsgründe auch hier zutreffend sind.
Als Lösungsansätze sind die Schaffung von mehr Markttransparenz, die Überprüfung von
Stadterneuerungsstrategien
auf
Sozialverträglichkeit,
die
Umwandlungsund
Sanierungsförderung entsprechend der Zahlungsfähigkeit der Bewohner sowie die
dauerhafte Förderung der Integrationsbemühungen. (s. Selle 1990, S. 34-39)
6
Quellenangaben
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Analysen und politisch-praktische Maßnahmenvorschläge zur Eingliederung einer
gesellschaftlichen Außenseitergruppe (Kölner Schriften zur Sozial- und Wirtschaftspolitik;
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Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 33
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Wikipedia (2006): Marginalisierung (http://de.wikipedia.org/wiki/Marginalisierung
Zugriff am 05.02.2006)
6
Anhang
Interviewleitfaden
1.)
Angaben zum Vermieter
a.)
Staatsangehörigkeit
o deutsch
o türkisch
o jugoslawisch
o Andere
_________________________
b.)
Beruf
c.)
Erwerbsstatus
o erwerbstätig
o arbeitslos
o Rentner
d.)
Selbsteinschätzung
o Häufig Verständigungsprobleme mit Mietern
o Selten
o Nie
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 34
2.)
3.)
4.)
Angaben zum Objekt
a.)
Anzahl der selbst genutzten Wohneinheiten
b.)
Anzahl vermietbarer Wohneinheiten
c.)
Anzahl vermieteter Wohneinheiten
d.)
Größe der Wohnungen
Angaben über Hausbewohner
a.)
Wohnungsvermittlung gelang über…
o Makler
o Zeitung
o Mund zu Mund Propaganda
o Andere
__________________________
b.)
Ausländeranteil im Objekt
c.)
Belegungsstruktur
d.)
Einschätzung
o Starke Hausgemeinschaft
o Weniger Gemeinschaft im Haus
o Keine Gemeinschaft im Haus
e.)
Anzahl Personen pro Wohnung
f.)
Überbelegung der Wohnung
o Nicht toleriert
o Zum Teil geduldet
o Nicht anders regelbar
Angaben über wirtschaftliche Situation
a.)
Vermietbarkeit der Wohnungen aktuell
o Leicht möglich
o Mit Zeitverzögerung
o Schwerfällig
o Sehr schwerfällig
b.)
Vermittlungswege für Wohnungen
o Zeitungsanzeige
o Makler
o Plakat/Schild im/am Haus
o Andere
_______________________
c.)
Modernisierung des Objekts
o Gerade abgeschlossen
o In Planung
o Nicht notwendig
o Nicht finanzierbar
o Andere
_______________________
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 35
5.)
d.)
Instandsetzungen erfolgen
o Bei Bedarf
o Regelmäßig
o Weniger, wegen fehlendem Nutzen
o Andere
_______________________
e.)
Hauptgründe für Instandsetzungen/Reparaturkosten
f.)
Kostentreiber des Objektes
Ausländer und Integration
a.)
Einschätzung der Integration von Ausländern
o Gelingt in dieser Wohngegend
o Ist konfliktreich
o Gelingt nicht
o Andere
_______________________
b.)
Gründe für Probleme bei Integration
o Marktsituation
o Integrationswille Deutsche
o Integrationswille Ausländer
o Andere
_______________________
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 36
Wohnen Migranten anders?
Gülüzar Dabrock, Anna Gorski
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 37
Inhalt
Wohnen Migranten anders?
1
Einleitung
2
Begriffsbestimmungen
3
Wohnsituation der Migranten
4
Ursachen für die Unterschiede in der Wohnungsversorgung
5
Aachen-Ost als typischer Wohnstandort für Migranten
6
Bewertung der Wohnsituation von Migranten
7
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 38
1
Einleitung
Thema dieser Arbeit ist die Beschäftigung mit der Wohnsituation von Migranten und den
Ursachen ihrer spezifischen Wohnsituation. Grundlage der Untersuchung ist die These, dass
Migranten anders wohnen als Nicht-Migranten, dass dies allerdings in überwiegendem Maße
nicht aus ihren Wohnbedürfnissen resultiert, sondern Ausdruck ihrer sozioökonomischen
Situation und der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist.
Zur Untersuchung der These wird in einem ersten Schritt die Wohnungssituation der
Migranten dargestellt. Dabei werden sowohl die Wohnung und ihre Ausstattungsmerkmale
als auch die Wohnstandortbedingungen betrachtet. In einem zweiten Schritt werden
mögliche Ursachen für die Unterschiede in den Wohnverhältnissen der Migranten genannt.
Hier wird zum einen auf ihre sozioökonomische Situation und zum anderen auf
Diskriminierung und die Wohnbedürfnisse eingegangen
Im Anschluss an die allgemeine Betrachtung wird für den Stadtteil Aachen-Ost dargestellt,
wie sich diese Prozesse auf der lokalen Ebene darstellen.
In einem abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und einer
Bewertung im Hinblick auf die Integrationsleistung des Wohnungsmarktes unterzogen.
Methodisch werden überwiegend sekundärstatistische Angaben zu verschiedenen
Bevölkerungsgruppen verwendet. Diese beziehen sich häufig nicht auf Migranten als
Ganzes, sondern betrachten häufig Türken, Ausländer, also einzelne Untergruppen. Da
statistische Angaben zu Migranten als Gruppe jedoch nicht vorhanden sind und auch
Einzeluntersuchungen selten diese Gruppe in den Blick nehmen, muss versucht werden, aus
den Daten für die Teilgruppen Schlüsse für die Gesamtgruppe zu ziehen.
2
Begriffsbestimmungen
Migranten
Der Begriff der Migranten umfasst eine Vielzahl von Gruppen, deren gemeinsames
Kennzeichen ist, dass sie zugewandert sind bzw. von Zugewanderten abstammen,
unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. Daneben ist die Vorstellung einer nichtdeutschen
Herkunft wichtig, sei es bei den Migranten selbst oder bei der Mehrheitsgesellschaft.
Bis in die 1970er Jahre hinein hatte die Öffentlichkeit die angeworbenen Arbeitskräfte aus
dem Ausland als ‚Gastarbeiter’ bezeichnet. Dieser Bezeichnung lag die Annahme zugrunde,
dass die Arbeitskräfte nur vorübergehend als Gäste in deutschen Betrieben seien und nach
einigen Jahren wieder in ihr Heimatland zurückkehren würden. Die Amtssprache
verwendete von Anbeginn den rechtlichen Begriff ‚Ausländer’, der allerdings nur auf die
Staatsangehörigkeit abzielt. Bei der Analyse von Integrationsprozessen hat der rechtliche
Begriff des Ausländers entscheidende Nachteile: Angehörige nichtdeutscher Gruppen, die
die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, werden als ‚Deutsche’ erfasst; ihre
Integrationsprobleme mit der Einbürgerung sind jedoch in vielen Bereichen nicht gelöst.
Ausländer selbst bezeichnen sich lieber als ‚Migranten’ oder ‚Zuwanderer’. Jedoch sind auch
diese Begriffe nicht ganz zutreffend: das Merkmal des ‚Zuwanderns’ trifft nur auf die erste
Generation zu, aber nicht mehr auf die Nachfolge-Generationen, die in Deutschland geboren
wurden.
Integration
Grundlegend ist die Unterscheidung Lockwoods von Systemintegration und sozialer
Integration. Mit ersterer ist der Zusammenhalt und die konflikthafte Beziehung der
Teilsysteme Markt und Staat gemeint, die durch Recht und Geld reguliert werden. Die soziale
Integration bezieht sich auf die konflikthafte Beziehung von Akteuren – sowohl Individuen
als auch Gruppen – zueinander sowie zu gesellschaftlichen Teilbereichen und zur
Gesellschaft insgesamt. Ein Scheitern der Systemintegration bezeichnen wir als
Desintegration, ein Scheitern der sozialen Integration als Ausgrenzung (Janßen/Polat 2005:
3).
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 39
Bezüglich der sozialen Integration von Migranten bietet Esser ein differenzierteres Konzept
mit der Unterscheidung von vier Formen der Integration: Kulturation, Platzierung,
Interaktion und Identifikation. Kulturation bedeutet den Erwerb kognitiver Fähigkeiten, die
Individuen zur gesellschaftlichen Teilhabe benötigen. Platzierung ist die Einnahme sozialer
Positionen, deren Wertigkeit aus der Stellung in der Hierarchie des Arbeitsmarktes resultiert.
Interaktionen bezeichnen soziale Kontakte, die Teilnahme an sozialen Netzwerken sowie die
Partizipation in der Öffentlichkeit.
Identifikation behandelt die subjektive Verortung innerhalb der Gesellschaft. Diese vier
Dimensionen der Integration weisen vielfältige Wechselwirkungen auf. Ein Mindestmaß an
Kulturation ist Voraussetzung für eine Integration auf dem Arbeitsmarkt und hinsichtlich
sozialer Beziehungen. Auch sind Beziehungen zur Aufnahmegesellschaft, vor allem zum
Arbeitsmarkt oder aus anderen Kontexten entstandene, zum Erwerb von kognitiven
Fähigkeiten notwendig (Esser 2001: 8ff.):
Dieser Arbeit wird ein Integrationsbegriff zugrunde gelegt, der auf die gleichberechtigte
Teilhabe der Zuwanderer am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen
Leben unter Respektierung ihrer jeweiligen kulturellen Eigenart zielt. Dieses
Integrationsverständnis fordert vor allem eine deutlichere Wahrnehmung multiethnischer
Realitäten und betrifft demnach alle – Zuwanderer sowie Einheimische. Notwendige
Voraussetzungen für die Integration sind nicht nur die Bereitschaft zum Erwerb deutscher
Sprachkenntnisse sowie die Anerkennung der Grundwerte der Gesellschaft, sondern auch
Akzeptanz und Aufklärung der Aufnahmegesellschaft: der Schlüsselbegriff für den
deutschen Integrationsbeitrag liegt im psychologischen Bereich und heißt Zustimmung.
Aufgrund des ökonomischen Strukturwandels in den letzten Jahren verliert die gewerbliche
Arbeit als der zentrale Integrationsfaktor für die Systemintegration zunehmend an
Bedeutung: Zuwanderer haben auch derzeit nur erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt,
eine wachsende Zahl ist auf Transferleistungen angewiesen. Aus diesem Grund wird dem
Wohnungsbereich von verschiedener Seite eine größere Rolle bei der Integration
zugeschrieben (Schneider 2005: 12).
Ethnische Segregation
Segregation ist die ungleiche Verteilung von Bevölkerungsgruppen in der Stadt. Dies
geschieht über den Mark, Diskriminierung oder spezielle Wohnbedürfnisse. Zu
unterscheiden ist freiwillige und unfreiwillige Segregation.
Ethnische Segregation ist die ungleiche Verteilung ethnischer Gruppen in der Stadt, die nicht
durch die sozioökonomische Lage bestimmt ist.
Hohe Wohnkonzentrationen von einzelnen Gruppen und Schichten entstehen, weil
Individuen Nachbarn suchen, die ihnen hinsichtlich mehrerer Merkmale ähnlich sind. Je
geringer die soziale Distanz zu einer Gruppe ist, desto geringer ist auch die räumliche Distanz
zu ihr. Ethnische Kolonien können vor allem für neue Zuwanderer wichtige integrierende
Funktionen erfüllen: dort ann „kulturspezifische Sozialisation“ stattfinden, dort erhalten neue
Zuwanderer Orientierung nd „Neueinwandererhilfe“, aufgrund der Zugehörigkeit zur
eigenkulturellen Gruppe in einer fremden Umgebung ist es dort einfacher, die Persönlichkeit
zu stabilisieren und gemeinsam Altagsprobleme zu bewältigen (Heckmann 1992: 96). Dies
kann auch als funktionelle Segregation bezeichnet werden.
Bei allen Vorteilen für diese Handlungskompetenzen von Zuwanderern weist sozialräumliche
Segregation Gefahren auf, denn Kolonienbildungen deuten auf Instabilitäten und
Integrationsunfähigkeit er städtischen Gesellschaften, die zusätzlich zur sozialen
Ungleichheit auch ethnisch-klturell gespalten sind: Zuwanderer haben in den
großstädtischen Quartieren häufig Deutsche zu Nachbarn, die von sozialem Abstieg
betroffen oder deren berufliche Existenz und Wohnsituation prekär sind. Das
Aufeinandertreffen sozial und ökonomisch benachteiligter Gruppen, die sich ethnischkulturell unterscheiden, begünstigt das Entstehen von Konflikten. Eine solche Ethnisierung
sozialer und ökonomischer Probleme erschwert die Integration von Zuwanderern. Bei hoher
räumlicher Konzentration haben Migranten kaum Möglichkeiten zu interethnischen
Kontakten und Erwerb von Fertigkeiten, die im interethnischen Wettbewerb unverzichtbar
sind. Wen sich eine solche Segregation verfestigt, spricht man auch von struktureller
Segregation (Häußermann/Siebel 2001: 104).
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 40
3
Wohnsituation der Migranten
Die Wohnsituation der Migranten wird in zwei Kategorien untersucht. Die erste betrifft die
Wohnung selbst. Hier lassen sich Größe, Ausstattung und Zustand unterscheiden. Die zweite
Kategorie betrifft den Standort und umfasst materielle, soziale und symbolische
Ausprägungen des Wohnungsumfeldes.
Wie wohnen Migranten? – Qualität der Wohnung
Die Wohnsituation von Haushalten mit ausländischem Haushaltsvorstand, insbesondere von
"Gastarbeiterhaushalten", hat sich in Westdeutschland seit 1985 deutlich verbessert. Trotz
der Verbesserung ist der Abstand zu den Wohnbedingungen in Haushalten von Deutschen
kaum kleiner geworden. Tabelle 1 zeigt Wohnbedingungen für Haushalte mit deutschen und
ausländischen Haushaltsvorständen in Westdeutschland 1985 und 1998.
Man sieht in der Tabelle 1 deutlich, dass sich die Wohnsituation der Migranten von 1985 bis
1998 verbessert hat. Inzwischen verfügen fast alle Haushalte über ein Badezimmer. Die
Ausstattung mit Zentralheizungen ist bei Migrantenhaushalten im Vergleich zu 1985
deutlich besser geworden, im Vergleich zu deutschen Haushalten allerdings immer noch
unzureichend. Die Wohndichte, gemessen an der Wohnfläche pro Person, hat sich sowohl
bei den deutschen als auch bei türkischen Haushalten verbessert. Allerdings ist sie bei den
deutschen Haushalten stärker gestiegen als bei den türkischen, deren Wohnfläche pro
Person sich in den Jahren 1985 bis 1998 lediglich um durchschnittliche 3 m² erhöht hat. Das
gleiche Bild zeigt sich bei der Anzahl der Räume pro Person. Auch hier hat sich die
Wohnsituation der beiden Gruppen verbessert, während der Abstand zwischen den
deutschen und den türkischen Haushalten sich vergrößert hat.
Der Wohneigentümeranteil unter den Migranten ist von 8 % auf 13 % gestiegen. Dieser
Zuwachs ist vor allem auf den Kauf von Eigentumswohnungen durch türkische Haushalte
zurückzuführen. Der Abstand zur Eigentumsquote der Deutschen ist damit zwar kleiner
geworden, beträgt aber noch 25 Prozentpunkte.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 41
Der steigende Anteil an türkischen Wohneigentümern kann jedoch nicht uneingeschränkt
als Zeichen fortschreitender Integration interpretiert werden, da Bildung von
Wohneigentum auch Folge von Diskriminierungserfahrungen auf dem Wohnungsmarkt sein
kann und dann als einzige Möglichkeit erscheint, sich angemessen mit Wohnraum versorgen
zu können (Häußermann/Siebel 2001: 22).
Wo wohnen Migranten? – Wohnstandort
Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern sind das bevorzugte Ziel der Zuwanderung.
Fast die Hälfte aller Ausländer wohnte 1998 in Großstädten. Innerhalb der Großstädte
konzentrieren sich die Ausländer auf bestimmte Stadtteile. „In Köln wohnen drei Viertel aller
Ausländer in einem Drittel der Stadtteile, in Frankfurt ein knappes Drittel der Ausländer in
einem Siebtel der Stadtteile. 13 % der Einwohner Hannovers sind Ausländer“
(Häußermann/Siebel 2001: 36). Es gibt vier Quartierstypen in denen sich Migranten
konzentrieren:
1. innerstädtische, nicht-modernisierte Altbaugebiete:
Sie sind am stärkste vertreten und haben schlechte Wohnumfeldqualität und
Wohnausstattung (ohne Bad, ohne Zentralheizung). In großen Städten sind es häufig die
Sanierungs-(Erwartungs-)Gebiete, z.B. alte Vorortkerne, in kleinen Städten die alten
Stadtkerne.
2. alte Arbeiterquartiere:
Es sind meistens Industriestandorten oder heruntergekommene Werkssiedlungen, die
besonders von Emissionen belastet sind; sowie ehemalige Soldatenwohnungen auf
Konversionsstandorten.
3. umweltbelasteten Standorten (Mülldeponie, Verkehrslärm)
4. Großsiedlungen der späten 60er und frühen 70er Jahre:
Es sind meist Sozialwohnungen mit unattraktiven Bauformen (Hochhäuser). Hier gab es
Anfang der 80er Jahre Wohnungsleerstände, die die Wohnungsbaugesellschaften durch
Einweisung von Ausländern gefüllt haben. Sie liegen häufig an ungünstigen Standorten. Der
Trend, dass Migranten sich auf bestimmte Gebiete konzentrieren, hat sich noch verstärkt.
„Zwischen 1985 und 1992 sind die Anteile der Ausländer in den innerstädtischen Gebieten
und in den verdichteten Sozialwohnungsgebieten überproportional gestiegen“
(Häußermann/Siebel 2001: 37).
Unterschiede zwischen diesen Gebietstypen zeigen sich bei den unterschiedlichen
Betrachtungsdimensionen. So weisen die typischen Wohngebiete der Migranten auf der
sozialen Ebene allesamt Defizite auf. Auf der symbolischen Ebene sind diese Gebiete
insgesamt nicht beliebt, insbesondere innenstadtnahe Altbaugebiete, z.T. auch
Arbeiterquartiere bieten aber Identifikationsmöglichkeiten, die in den anderen Gebieten
eher fehlen. Auf der materiellen Ebene haben die innenstadtnahen Altbauquartiere häufig
eine gute Ausstattung mit sozialer Infrastruktur und Versorgungsgelegenheiten, während es
an Grünflächen für die Erholung fehlt. In den Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre findet
sich die umgekehrte Ausprägung, so dass insgesamt alle Strukturen Defizite aufzuweisen
haben, sich lediglich der Schwerpunkt der Defizite verschiebt. Insgesamt lässt sich also
sagen, dass Ausländer im Durchschnitt unter schlechteren Bedingungen wohnen als
Deutsche. Diese allgemein bekannten Tatsachen werden allerdings sehr verschieden
interpretiert: Zum einen werden sozioökonomische Gründe ins Feld geführt, zum anderen
werden diese Benachteiligungen als Ausdruck von Diskriminierung gesehen. Es wird als
drittes schließlich auch gesagt, die meisten Ausländer hätten gar keine höheren Ansprüche,
weil sie zu Hause unter noch schlechteren Bedingungen gewohnt hätten (seien also nichts
anderes gewohnt) bzw. weil sie gar keine besseren Wohnungen haben wollten, um
Mietkosten zu sparen für die Überweisungen nach Hause.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 42
4
Ursachen für die Unterschiede in der Wohnungsversorgung
Soziökonomische Gründe
In der Regel wird jemand, der weniger verdient, auch schlechter wohnen. In diesem Kapitel
wird dargestellt, ob Migranten weniger als Deutsche verdienen und inwieweit eine
Annäherung türkischer Migranten an die Arbeitsmarktintegration von Deutschen
stattgefunden hat.
Der Anstieg der Erwerbsquoten in den neunziger Jahren ist ausschließlich auf die
zunehmende Erwerbsbeteiligung deutscher Frauen zurückzuführen. Ihre Erwerbsquote stieg
um acht Prozentpunkte auf 64 Prozent, während sie bei den türkischen Frauen auf niedrigem
Niveau stagniert, so dass der ohnehin vorhandene Abstand zwischen türkischen und
deutschen Frauen in den neunziger Jahren gewachsen ist. Die höchste Erwerbsbeteiligung
besaßen türkische Männer 1989. Ihre Erwerbsquote ist in den neunziger Jahren um acht
Prozentpunkte gesunken (von 85 auf 77). Damit ist sie im Jahr 2000 niedriger als die
Erwerbsquote der deutschen Männer.
Wie man aus der Abbildung sieht, ist die Arbeitslosigkeit bei den Türken im Vergleich zur
Gesamtbevölkerung gewachsen. Die Arbeitslosenquote liegt Anfang der achtziger Jahre bei
3,5 Prozent und erreicht 1985 mit 8,7 den höchsten Wert und sinkt bis 1991 auf 6,0 Prozent.
Anfang der achtziger Jahr liegt die Arbeitslosigkeit unter den Türken bei 6,3 Prozent, wächst
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 43
innerhalb von drei Jahren auf 16,7 und sinkt dann bis 1990 auf 10,0 Prozent. Während die
Arbeitslosigkeit 1991 insgesamt noch gesunken ist, stieg die Quote unter den Türken bereits
wieder an.
In den neunziger Jahren startet sie Arbeitslosigkeit von einem höheren Niveau als in den
Achtzigern, wächst stärker an und geht nur minimal zurück. Insbesondere unter den Türken
nimmt sie im Vergleich zum gesellschaftlichen Durchschnitt zu. Vom Höchststand 1997 (24
Prozent) sinkt sie bei den Türken nur noch bis auf 20,2 Prozent im Jahr 2000. 2002 betrug sie
erneut 22,7 Prozent und übertraf den Durchschnitt von 10,5 Prozent um mehr als das
Doppelte.
Diese Grafik zeigt dass der hohe Anteil der un- und angelernten Arbeiter bei den männlichen
türkischen Beschäftigten tendenziell gleich geblieben ist, während bei den türkischen
Frauen ein schnellerer Wandel stattgefunden hat und die Angestelltenquote gestiegen ist.
Bei den türkischen Männern haben sich die Anteile zwischen 1980 und 1999 kaum verändert.
Der Abstand zu den deutschen Männern ist sogar gewachsen, da bei diesen der Anteil der
Angestellten von 34 auf 44 Prozent gestiegen ist. Auch die türkischen Frauen arbeiten 1999
noch zu 70 Prozent als un- und angelernte Arbeiterin. Aber das ist gegenüber 1980 ein
Rückgang von über 20 Prozentpunkten. Türkische Frauen und Männer sind in der Kategorie
der un- und angelernten Arbeiter extrem überrepräsentiert, nur ein Fünftel der deutschen
Frauen und ein Viertel der deutschen Männer fallen in diese Kategorie.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 44
Wie in den bisherigen Daten deutlich wird, sind Türken überdurchschnittlich häufig in den
unteren Segmenten des Arbeitsmarktes beschäftigt und sind häufiger arbeitslos. Tab. 2:
zeigt, dass sich der Abstand der Durchschnittseinkommen zwischen türkischen und
deutschen stark vergrößert hat. Lag der Verdienst türkischer Beschäftigten 1984 noch 230
unter dem durchschnittlichen Einkommen aller abhängig beschäftigten Deutschen,
verdienten sie 1997 bereits 525
weniger. Diese Entwicklung deutet auf einen
Ausgrenzungsprozess der türkischen Migranten hin, da sich sowohl ihr Einkommensniveau
verschlechtert hat, als auch der Abstand zu den Deutschen gewachsen ist. (Münz et al. 1997:
108).
Ein weiterer Aspekt bei der Betrachtung der Einkommenssituation stellt die Sozialhilfe bzw.
die Hilfe zum Lebensunterhalt dar. Die Abb. 4: stellt für die deutschen und türkischen Frauen
und Männer die Anteile derjenigen dar, die ihren Lebensunterhalt 1989 bzw. 2000
überwiegend aus Sozialhilfe bestritten haben. Die wachsende Armut in der türkischen
Bevölkerung und ein wachsender Abstand zu den Deutschen wird hier sichtbar, denn
während die entsprechenden Anteile bei den Deutschen stagnieren, wachsen sie bei
türkischen Frauen und Männern recht deutlich. Dabei muss noch berücksichtigt werden,
dass aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen Migranten häufiger ihnen zustehende
Sozialhilfe nicht in Anspruch nehmen. Deshalb ist die verdeckte Armut bei ihnen höher als
bei Deutschen 70 (Janßen/Polat 2005: 180).
Im Zusammenhang mit Integrations- und Ausgrenzungsprozessen kommt den
Arbeitsmarktkarrieren von Migranten eine zentrale Bedeutung zu. Ein positiver
Erwerbsverlauf bietet nicht nur materielle Ressourcen, die wiederum oftmals Voraussetzung
für eine erfolgreiche Eingliederung in andere Lebensbereiche sind, er spielt auch für die
soziale Positionierung und für das psychische Wohlbefinden eine zentrale Rolle.
Entsprechend
der
Erkenntnis,
dass
Migrantenhaushalte
ein
geringeres
Durchschnittseinkommen aufweisen und meist von der Arbeitslosigkeit betroffen sind,
sollten sie nach sozioökonomischen Betrachtungen im Vergleich zu Deutschen auf eher
preiswerte Wohnungen angewiesen sein. Ausländer gehören überwiegend zur Unterschicht
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 45
und verdienen weniger als der Durchschnitt der deutschen Staatsangehörigen. Daher
müssten Ausländer einen höheren Anteil ihres Einkommens für Miete aufwenden als
deutsche Staatsangehörige, denn je niedriger das Einkommen, desto höher ist in der Regel
die relative Mietbelastung (Engel'sches Gesetz). Ausländer wohnen deshalb angesichts ihrer
niedrigeren Einkommen in kleineren Wohnungen (Janßen/Polat 2005: 77).
Diskriminierung als Ursache
Neben den sozioökonomischen Gründen liegt die Vermutung nahe, dass Ausländer auch
durch Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden und dass sich auch
daraus Unterschiede in der Wohnungsausstattung und dem Wohnstandort ergeben. So gibt
es Erkenntnisse, dass Migranten Diskriminierungsaufschläge zu zahlen haben.
Die Mietbelastung der Ausländer lag 1978 mit 14 % unter dem Durchschnitt der deutschen
Staatsangehörigen (16 %), da die Ausländer schlechtere Wohnungen bewohnten. Betrachtet
man nämlich das Verhältnis von Mietpreis zu Wohnqualität, so zeigen sich relativ deutlich
sog. "Ausländeraufschläge", d.h. dass für die gleiche Wohnung Ausländer eine höhere Miete
als deutsche Staatsangehörige bezahlen müssen, Ausländer zahlen durchschnittlich 7
Pfennig mehr pro Quadratmeter als deutsche Haushalte, 1998 bereits 48 Pfennig pro
Quadratmeter. Nach den SOEP-Daten zahlen in Westdeutschland Deutsche im Durchschnitt
8,42 DM/m² Bruttokaltmiete, Ausländer 9,60 DM/m². 1998 zahlten annähernd 30 % der
ausländischen Haushalte in den alten Bundesländern über 14 DM/m², während nur 25 % der
Deutschen soviel für die Miete aufwenden mussten. So müssen Ausländer teilweise für
schlechtere Wohnungen höhere Preise zahlen. Dieser Sachverhalt liegt wahrscheinlich auch
dem ansonsten unlogischen Missverhältnis zugrunde, dass Ausländer durchschnittlich in
schlechter ausgestatteten Wohnungen leben, aber auch noch im Jahr 1998 eine
durchschnittlich höhere Bruttokaltmiete bezahlten (Häußermann/Siebel 2001:22).
Um den Einfluss der Diskriminierung zu schätzen, wurden Regressionsanalysen
durchgeführt, die es erlauben, den Einfluss einzelner Merkmale auf die Wohnfläche zu
isolieren. Dabei zeigt sich für alle betrachteten Indikatoren, dass es neben dem Einfluss des
Einkommens und weiterer Merkmale noch einen eigenständigen "Ausländer-Einfluss" gibt,
der auf eine Benachteiligung am Wohnungsmarkt hindeutet. So ist die Zahl der
bedarfsgewichteten Quadratmeter pro Person bei Ausländern unter sonst gleichen
Umständen um 15 m² kleiner als bei Deutschen.
Diese Schlechterstellung von Ausländer äußert sich auf verschiedene Art und Weise. Man
unterscheidet Benachteiligung und Diskriminierung. Als Benachteiligung wird eine
unbeabsichtigte Schlechterstellung bezeichnet, die sich allein aus einer unterschiedlichen
Verhaltensweise einer Gruppe ergibt. Zum Beispiel wird als Benachteiligung von Ausländern
häufig genannt, dass bestimmte Vermieter ihrer Wohnungen über den Kleinanzeigenteil der
Lokalzeitung anbieten. Da Migranten in geringerem Maße Lokalzeitungen lesen, verfügen
sie über einen Informationsrückstand, der sich auf ihre Chancen nachteilig auswirkt, ohne
dass dieser beabsichtigt sei.
Diskriminierung hingegen kennzeichnet eine absichtliche Schlechterstellung einer
bestimmten Gruppe. Hier unterscheidet man institutionelle und individuelle
Diskriminierung. Bei der institutionellen Diskriminierung wird die Schlechterstellung durch
formelle Entscheidungsregeln verursacht, die sich die Institution setzt. So sind Migranten
häufig negativ von Quotierungen betroffen. Diese werden eingeführt, da eine Gefährdung
der ökonomischen Basis befürchtet wird, wenn ein Haus, eine Siedlung zu viele Ausländer
aufweist und dann „umkippt“. Individuelle Diskriminierungen dagegen sind einfach
Vorbehalte von Entscheidern, die nicht auf formellen Regeln basieren, sondern lediglich auf
persönlichen Vorurteilen oder Erfahrungen.
Diese Benachteiligungen und Diskriminierungen sorgen für eine Verringerung des Angebots
für die Migranten und bilden einen wesentlichen Kern darin, dass über diese
Angebotsverknappung auf der anderen Seite von Migranten höhere Preise verlangt werden
können.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 46
Wohnbedürfnisse
Untersuchungen über Wohnwünsche von Migranten sind äußerst selten. Die wenigen
Untersuchungsergebnisse hierzu stützen allerdings nicht die Vermutung, die sich aus der
besonderen Wohnsituation ergeben könnte, dass sie wesentlich andere Wohnwünsche als
Deutsche hätten. Die Wohnwünsche, sowohl bei Migranten als auch bei Nicht-Migranten,
sind stets davon geprägt, die eigene Wohnsituation um einen Schritt zu verbessern, und
zwar in Richtung eines gut ausgestatteten Eigenheims. „Die Ausländer befinden sich mit
ihrer Wohnrealität und dementsprechend auch mit ihren Wünschen zwar auf niedrigeren
Stufen als die deutschen Staatsangehörigen, aber sie stehen auf ein und derselben Leiter, die
letztlich ins großzügige, gut ausgestattete Eigenheim führen müsste“ (Häußermann/Siebel
2001: 17).
Die Unterschiede in den „realistischen“ Wohnwünschen der Migranten sind somit weniger
auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen, sondern beruhen auf einer anderen
demographischen und sozioökonomischen Situation. Sie hängen auch mit der
Aufenthaltsdauer zusammen. Unter Migranten mit sehr kurzer Aufenthaltsdauer ist der
Typus des jungen, männlichen, alleinstehenden und hoch mobilen Ausländers mit
niedrigem Einkommen sehr weit verbreitet. Solche Stadtbewohner messen der Wohnung im
Regelfall keinen hohen Stellenwert zu, sie spielt nur die Rolle einer Durchgangsstation, und
deshalb dominiert das Interesse an einer billigen, arbeitsplatz- und innenstadtnahen
Unterbringung, die die eigene Mobilität nicht behindert. (Häußermann/Siebel 2001: 17).
Auch die Sicherheit des Aufenthaltsrechts wirkt sich aus. Investitionen in langfristige
Konsumgüter wie eine Wohnung werden im Allgemeinen nur unternommen, wenn zum
mindest eine ewisse Dauer der Nutzung angenommen werden kann. Mit dem allmählichen
Übergang von iner reinen 'Arbeitsbevölkerung' zu einer 'Wohnbevölkerung' ab 1973 ändert
sich auch der Stellenwert der Wohnung bei den ausländischen Haushalten. Tendenzen der
Angleichung an der Standards der einheimischen Bevölkerung setzen sich deshalb erst
allmählich durch. Der Nachzug von Familienangehörigen macht mehr Fläche und Räume
sowie die technischen und räumlichen Voraussetzungen für eine eigene Haushaltsführung
notwendig (Häußermann/Siebel 2001: 17).
Janßen und Polat haben in ihrer Studie (2005) in Hannover zahlreiche Migranten, vor
allemTürken, zu ihren Wohnbedürfnissen bzw. zur Bewertung ihrer eigenen Wohnung bzw.
ihres eigenen Stadtteils befragt. Die eine Hälfte der Befragten wohnte in einem
innenstadtnahen Altbauquartier, die andere in einer Großwohnsiedlung der 60er/70erJahre.
Bezogen auf die Wohnung wurden z. T. recht bescheidene Wohnwünsche formuliert, wie
„…Heizung ist drinne, Fernsehkanäle kann ich Gucken, das reicht mir…“ (Janßen/Polat 2005:
117), die sich stark an der aktuellen Situation orientieren. Wenn eher Idealvorstellungen
angesprochen wurden, entsprachen ginge sie zumeist in Richtung eines klassischen
Einfamilienhauses: „…Wenn ich ins Haus reingehe, muss es unbedingt drei Stufen haben
und dann vor dem Haus muss eine Terrasse sein…“ (Janßen/Polat 2005: 127).
Bezogen auf das Wohnumfeld wurde in einem großen Maß die Nähe zur Familie als positives
Element hervorgehoben: „…Wir [die Familie] sind ja alle zusammen hier…“ (Janßen/Polat
2005:117), „…Warum wohn ich hier? […] weil meine Eltern auch hier wohnen…“
(Janßen/Polat 2005: 124) oder auch die soziale Eingebundenheit thematisiert: „…Seit ich
mich kenne bin hier gewesen […] wenn ich rausgehe, würde ich jedem Hallo sagen, weil ich
hier jeden kenne…“ (Janßen/ Polat 2005: 156). Dies bietet auf der symbolischen Ebene auch
ein hohes Potenzial zur Identifikation mit dem Viertel.
Auf der materiellen Ebene wird, insbesondere im innerstädtischen Altbauquartier, die gute
Versorgungsinfrastruktur hervorgehoben, mit einem Schwerpunkt auf der ethnischen
Ökonomie: „…Haben wir alles was wir gebrauchen, türkischen Laden, Gemüse, Obst,
Bäckerei haben wir…“ (Janßen/Polat 2005: 153), d.h. die Gebiete mit einer hohen
Konzentration in einer bestimmten ethnischen Gruppe werden von einem Teil der Befragten
als positiv gesehen, da zum einen die Nähe zur Familie da ist und zum anderen die nötige
Kundschaft für Spezialgeschäfte zusammenkommt, kritisiert wird häufig die Ausstattung mit
Grünflächen: „…ich würd auch lieber in Langenhagen wohnen, da ist es noch grüner und
ruhiger…“ (Janßen/Polat 2005: 124).
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 47
In der Großwohnsiedlung werden eher andere Aspekte erwähnt: „…Der Sommer ist hier
wunderschön, da gibt es so viele Parkanlagen, also da find ich‘s traumhaft…“ (Janßen/Polat
2005: 137), während verschiedene Dinge auch kritisiert werden, wie z.B. die Sauberkeit und
Ordnung: „…da liegen überall Glassscherben rum und der ganze Müll liegt auf der Straße…“
(Janßen/ Polat 2005: 141).
Ein Aspekt, der in mehreren Interviews zum Tragen kommt, betrifft auch die
Integrationschancen, die das Quartier für die eigenen Kinder bietet: „Das Verhältnis stimmt
nicht mehr, ne. Und dann sprechen die alle ihre Muttersprache, der Deutsche lernt bald
Türkisch, das wird ja andersrum…“ (Janßen/Polat 2005: 156), einer der Interviewten (ein
Türke) ist sogar wegen des hohen Ausländeranteils aus dem Altbauquartier in ein Viertel mit
geringerem Ausländeranteil gezogen: „…Wenn mein Kind jetzt rausgeht, dann trifft er sich
mit Andreas oder mit Christian […] aber nicht mit Ahmet, Mehmet. Aber in [….] trifft er sich
mit Ahmet…“ (Janßen/Polat 2005: 160).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wohnbedürfnisse der Migranten bezüglich der
Wohnung ähnlich sind wie bei den Deutschen, lediglich die andere sozioökonomische
Situation macht sich auf der Ebene der „realistischen“ Wohnwünsche bemerkbar. Für eine
massenhafte Affinität zu schlechten und billigen Wohnungen finden sich keine Hinweise,
insbesondere ist auszuschließen, dass Migranten gerne in schlechten Wohnungen leben.
Was den Standort betrifft, gibt es ein diffuses Bild: zum einen wird die Nähe der ethischen
Kolonie gesucht, um von dem vorhandenen Spezialangebot zu profitieren und die Nähe zur
Familie zu haben, zum anderen wird sie aber auch gemieden, weil insbesondere
Mittelständler um die Zukunftschancen ihrer Kinder fürchten, wenn sie in einem
„Ausländerviertel“ aufwachsen. Aber auch hier werden die positiven und negativen Aspekte
thematisiert, wie die Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des Wohnumfelds
zeigt.
5
Aachen-Ost als typischer Wohnstandort für Migranten
In Aachen findet sich auch das typische Verteilungsmuster einer westdeutschen Großstadt:
Es findet sich eine Konzentration von ausländischer Bevölkerung, hauptsächlich in wenigen
Statistischen Bezirken im Osten Aachens, d.h. es besteht eine starke Segregation. Der
Stadtteil Aachen-Ost wird tangiert bzw. durchzogen von Verkehrsachsen und liegt
eingezwängt zwischen Industriegebieten. Die Bebauung ist sehr dicht, so dass Aachen-Ost
als Typus des innerstädtischen Altbauquartiers bezeichnet werden kann.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 48
Die Umweltqualität ist in Aachen-Ost nicht so gut, insbesondere besteht ein erhebliches
Lärmproblem (Stadt Aachen 2005: Lärmkarte). Grünflächen sind mit den benachbarten
Friedhöfen und dem Park inmitten des Quartiers vorhanden. Der Zustand der Häuser ist
häufig schlecht, d.h. es besteht ein gewisses Instandhaltungs- und Modernisierungsdefizit.
Das Bild zeigt Häuser in der Hüttenstraße.
Detailliertere Untersuchungen über den Standort Aachen-Ost, was die Wohnbedürfnisse der
Migranten und die Gründe für ihre Wohnstandortwahl anbelangt, liegen nicht vor. Daher ist
davon auszugehen, dass die Verhältnisse ähnlich liegen wie im gesamt(west-)deutschen
Rahmen. Migranten wohnen in schlechten Wohnungen in schlechten Vierteln, z.T. liegt es an
ihrer sozioökonomischen Situation, z.T an dem Wunsch unter Migranten zu wohnen, aber zu
einem großen Teil auch an Diskriminierung in Teilbereichen des Wohnungsmarktes.
6
Bewertung der Wohnsituation der Migranten
Was eine Bewertung der dargestellten Wohnsituation anbelangt, sind die
Bewertungsmaßstäbe zentral. Zu bewerten ist unserer Meinung nach die Wohnsituation
anhand des Integrationsmaßstabs, d.h. in zwei Richtungen: einerseits die Wohnsituation als
Indikator für eine Integration, andererseits die Wohnsituation bezüglich ihrer Leistung für die
Integration.
Dabei ist nicht einseitig der Durchmischung das Wort zu reden, sondern auch Segregation
kann positive Wirkungen entfalten und ist als funktionale bzw. freiwillige Segregation nicht
unbedingt schlecht. Erzwungene Segregation hingegen ist immer ein Zeichen für eine
misslungene Integration. Deutlich wurde an der Analyse, dass es Segregation gibt und dass
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 49
sie sowohl freiwillige als auch erzwungene Ursachen hat. Der Anteil, den die einzelnen
Ursachen an der Gesamtverteilung haben, lässt sich hier nicht präzise bestimmen. Es lassen
sich lediglich die Ergebnisse im Hinblick auf die Integration bewerten.
Bezüglich der Wohnsituation als Maßstab für gelungene Integration ist vor allem die
Integration in den Arbeitsmarkt (als Systemintegration oder Platzierung) wichtig, da sie die
finanziellen Ressourcen bereitstellt, um sich eine angemessene Wohnung leisten zu können.
Hier zeigt die sozioökonomische Betrachtung die Probleme der Integration in diesem
Bereich auf, der sich dann auch in räumlicher Hinsicht widerspiegelt. Dieser Prozess ist aber
in erster Linie soziale Segregation und weniger ethnische. Die Wohnsituation kann aber auch
ein Maßstab für die soziale Integration oder die Interaktion sein, indem die schlechtere
Wohnsituation Ausdruck von Ausgrenzung und Diskriminierung ist. Dies macht sich dann
insbesondere an den höheren Mieten für schlechtere Wohnungen bemerkbar.
Die Integrationsleistung bzw. das Fehlen der Integrationsleistung ist vor allem bezüglich des
Wohnumfeldes relevant. Hier zeigt sich, dass eine ethnische Segregation, die mit einer
sozialen im gleichen Quartier einhergeht, d.h. die Viertel, in denen die Ausländer leben,
wohnen auch die armen Deutschen, ein Problem für die Kulturation, aber auch für die
Interaktion darstellt. Der Erwerb der kognitiven Fähigkeiten ist behindert, da in den
„schlechten“ Vierteln auch die Deutschen häufig nicht über die notwendigen Ressourcen
verfügen, so dass die Lernmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Auch die Interaktion ist in
solchen Vierteln ein Problem, da die Auseinandersetzung, die häufig auch konflikthaft ist,
eher aus einer sicheren Position heraus positiv angegangen wird, als wenn man selber sich in
einer prekären Lage befindet und der Migrant möglicherweise noch als Konkurrent (z.B. auf
dem Arbeitsmarkt) wahrgenommen wird. Als Ansatzpunkt für eine bessere Integration im
und über das Wohnumfeld bieten sich einerseits multikulturelle Wohnprojekte an, aber hier
gibt es zahlreiche Erfahrungen, u.a. aus dem Projekt des Multikulturellen Wohnparks
Köln,“…dass es mitunter schwierig ist, Migrantenhaushalte mit derartigen Angeboten zu
erreichen….Das Interesse an dem anspruchsvollen Konzept ultikulturellen Zusammenlebens
war nur schwer zu wecken…“ (Gottwald, Marc 2005: 22).
Vielversprechender scheinen Ansätze, die eher an den derzeitigen Gegebenheiten ansetzen.
so lässt sich zum Beispiel versuchen, über Maßnahmen zur Bildung von selbstgenutzten
Wohneigentum ein Abwandern der Mittelschicht der Migranten aus den Vierteln erreichen,
die in erheblichem Maße zu einer sozialen Stabilisierung der Viertel beitragen und als
„erfolgreiche“ Migranten auch über entsprechende Ressourcen verfügen, die
integrationsfördernd wirken. Hier ürde also ethnische Segregation als positives Mittel
eingesetzt, um den Effekten der sozialen Segregation entgegen zu arbeiten. Über eine
Erhöhung des Anteils selbstgenutzten Wohneigentums lässt sich häufig auch der
Erhaltungszustand der Häuser verbessern, so dass sich insgesamt der Eindruck solcher Viertel
verbessert
Wohnungsgesellschaften mit größeren Beständen, in denen sich problematische Tendenzen
zeigen, müssten aus einem gewissen Eigeninteresse heraus bemüht sein,
integrationsfördernd zu wirken. Durch die häufig vorkommenden Quotierungen wird dies
nicht erreicht, sondern hierdurch verknappt sich nur das Angebot mit der Folge höherer
Mietpreise für Migranten. Hier müssen die Wohnungsgesellschaften ihr klassisches
Rollenverständnis als reiner Anbieter einer Umhüllung zum Wohnen verlassen und mehr
zum aktivierende Beteiligten werden. Hier könnten über die Bereitstellung von
Räumlichkeiten etwa Kommunikationsprozesse angeregt werden und Teilhabe der Mieter an
der Gestaltung des Wohnumfeldes und bei der Austragung von Konflikten organisiert
werden u.ä. Dies verursacht sicherlich zunächst höhere Kosten, macht sich aber über die
Identifikation mit dem Wohngebiet auch in den Kosten bemerkbar (z. B. abnehmender
Vandalismus).
Diese möglichen Ansatzpunkte betreffen nur Teile einer Integrationsförderung.
Insbesondere die Systemintegration über die Arbeit kann der Wohnungsbereich kaum
leisten. Seinen Beitrag kann er bezüglich der anderen Integrationsdimensionen leisten, d.h.
indem über entsprechende Anreizsysteme versucht wird, die soziale Segregation nicht zu
stark werden zu lassen, ethnische Segregation ist hier nur dann ein Problem, wenn sie sich
mit der sozialen überschneidet. Des weiteren ist es möglich, über die Etablierung von
Kommunikationsräumen und Foren zum Austragen von Konflikten Kulturations- und
Interaktionsprozesse zu fördern und über die Teilhabe an der Wohnumfeldgestaltung auch
identifikationsstiftende Wirkungen zu erzielen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 50
„Künstliche“ Projekte scheitern häufig oder bleiben isolierte Inseln ohne Breitenwirkung,
sinnvoller ist hier ein Anknüpfen an den normalen Lebensverhältnissen, um Erfahrungen zu
gewinnen, die generalisierbar und breit einsetzbar sind.
7
Quellenangaben
DIW - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2001: Wohnsituation von Ausländern:
Trotz Verbesserung immer noch großer Abstand zu deutschen Haushalten (bearbeitet von
Clark, W.A.V und Drever, A. I.). Wochenbericht des DIW Berlin 30/01. http://diw.de, 22.2.2006
Esser, Hartmut 2001: Integration und ethnische Schichtung. Gutachten im Auftrag der
Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“.
Gottwald, Marc 2005: Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten - Erkenntnisse aus
Praxis und Forschung in: ILS (Hg.): Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten.
Erfahrungen, Ansätze, Strategien, Dortmund, S. 18-23
Häußermann, Hartmut/Siebel, Walter 2001: Soziale Integration und ethnische Schichtung –
Zusammenhänge zwischen räumlicher und sozialer Integration –Gutachten im Auftrag der
Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“, Berlin
Heckmann, Friedrich 1992: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation: Soziologie
interethnischer Beziehungen. Stuttgart
Janßen, Andrea/Polat, Ayça 2005: Zwischen Integration und Ausgrenzung –
Lebensverhältnisse türkischer Migranten der zweiten Generation, Oldenburg (zgl. Diss. an
der Carl-von- Ossietzky-Universität Oldenburg)
Münz, Rainer/Seifer, Wolfgang/Ulrich, Ralf 1997: Zuwanderung nach Deutschland:
Strukturen, Wirkungen, Perspektiven. Frankfurt/M
Schneider, Burghard 2005: Zukunftssicheres WohnLeben – Wohnbedürfnisse von
Migrantinnen und Migranten aus Sicht der Wohnungswirtschaft, in: ILS (Hg.):
Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten. Erfahrungen, Ansätze, Strategien,
Dortmund, S. 10-12
Seifert, Wolfgang 2001: Berufliche Integration von Zuwanderern in Deutschland. Gutachten
im
Auftrag
der
Unabhängigen
Kommission
„Zuwanderung“.
http://www.bmi.bund.de/Downloads/Seifert.pdf: 05.12.2005
Stadt Aachen 2005, , http://www.aachen.de, 12.12.2005
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Erwerbstätigenquoten, 1989 und 2000 - Anteil der Erwerbstätigen an den
Erwerbsfähigen (im Alter von 15-64)
Abb. 2: Arbeitslosenquote, 1980 – 2002
Abb. 3: Sozialversicherungspflichtig beschäftigte deutsche und türkische Männer und Frauen
nach Stellung im Beruf, 1980 und 1999 Abb. 4: Überwiegender Lebensunterhalt durch
Sozialhilfe, 1989 und 2000 – Anteil an Wohnbevölkerung
Abb. 5: Verteilung der Ausländischen Bevölkerung in den Aachener Statistischen Bezirken
und Stadtbezirken
Abb. 6: Karte von Aachen-Ost
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Wohnausstattung für Haushalte mit deutschen und ausländischem Vorstand
Tab. 2: Durchschnittseinkommen von Türken und Deutschen 1984 - 1997
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 51
Integration ausländischer Studierender in Aachener Wohnheimen
Josefine Beenken, Elisabeth Berner
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 52
Inhalt
Integration ausländischer Studierender in Aachener Wohnheimen
1
Einleitung
2
eigene Fragestellung
3
Befragungen Hochschule
4
Wohnheim Halifaxstraße
5
Wohnheim Walter- Eilender- Haus
6
Abschließendes Ergebnis
7
Offene Fragen und Handlungsmöglichkeiten
8
Persönliche Stellungnahme
9
Quellenangaben und Bildverzeichnis
10
Anhang
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 53
1
Einleitung
Was ist Integration?
Allgemeine Begriffsdefinition
Der Begriff „Integration“ lässt sich zunächst einmal ganz allgemein definieren. Das lateinische
Wort „Integratio“ bedeutet übersetzt „Wiederherstellung eines Ganzen“. Das heißt, dass mit
„Integration“ im Allgemeinen ein Prozess gemeint ist, bei dem einzelne Teile zu einer Einheit
zusammengefügt werden.
Soziologische Begriffsdefinition
In der Soziologie spricht man von „Integration“, wenn eine ganze Bevölkerungsgruppe oder
ein Individuum in das kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben einer
bestehenden Gemeinschaft eingegliedert wird.
Migrationssoziologische Theorien
In der BRD ist der Begriff „Integration“, insbesondere die Frage, wie sie abläuft und was sie
beeinflusst, spätestens seit der Gastarbeiteranwerbung der 50er Jahre ein viel diskutiertes
Thema. Zahlreiche Soziologen setzen sich seitdem zum Ziel, eine Theorie zum
Integrationsprozess von Migranten zu entwickeln, die der jeweils aktuellen
Integrationspolitik der europäischen Industrieländer als Reflexionsrahmen dienen kann.
Migrationstheorie nach Shmuel N. Eisenstadt
Nach der Migrationstheorie von Shmuel N. Eisenstadt (50er Jahre, Großbritannien) gibt es 4
verschiedene Integrationsprozesse, durch die die Immigranten in die Aufnahmegesellschaft
aufgenommen werden: Bei der „adaptiven Integration“ erlernen die Immigranten bestimmte
Rollen in der Aufnahmegesellschaft zu übernehmen, dass heißt, sie lernen, soziale Kontakte
zu knüpfen. Grundvoraussetzungen für den Erfolg dieses Prozesses sind eine entsprechende
Integrationsbereitschaft der Immigranten, sowie auf der Gegenseite die Bereitschaft der
Aufnahmegesellschaft. Die „instrumentale Integration“ dagegen zielt darauf ab, sich in
Rollen einzufügen, die dem wirtschaftlichen und beruflichen Fortkommen dienlich sind, sie
ist also rein zweckorientiert und setzt nicht voraus, dass Wertvorstellungen, die mit den
erlernten Rollen verbunden sind, übernommen werden. Die dritte Form der Integration ist
die „solidarische“. Sie beinhaltet die vollständige Identifikation und Solidarisierung mit den
zentralen Wertvorstellungen der Aufnahmegesellschaft. Die „kulturelle Integration“ steht in
engem Zusammenhang zur solidarischen Integration, weil hier die Wertvorstellungen der
Aufnahmegesellschaft nicht nur angenommen, sondern auch emotional zum Ausdruck
gebracht werden.
Laut Eisenstadt ist es nicht zwingend erforderlich, alle diese Prozesse zu durchlaufen. Tempo
und Richtung können differieren, wobei ein zu deutliches Ungleichgewicht wiederum zu
desintegrativen Tendenzen führen kann.
Assimilationstheorie nach Milton M. Gordon
Eine weitere, von Milton M. Gordon aufgestellte Theorie, ist die „Assimilationstheorie“ (60er
Jahre, Großbritannien). Hier wird der Begriff „Integration“ dem der „strukturellen
Angleichung“ gleichgesetzt, welche nur ein Teilprozess eines umfassenden
Assimilationsprozesses sei. Die Phase der „strukturellen Angleichung“, wird laut Gordon
dann erst gar nicht erreicht, wenn es nur zur Akkulturation kommt, dass heißt, dass sich die
zu integrierende Gruppe nur auf einer äußeren Verhaltensebene an die
Aufnahmegesellschaft anpasst. Die Bereitschaft, am sozialen Leben anderer ethnischer
Gruppen teilzunehmen, was die Integrationsphase kennzeichnet, bleibt allerdings aus.
Notwendige Vorraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss des Assimilationsprozesses ist
aber nicht nur die Bereitschaft des einzelnen, sondern ebenso die Politik der
Aufnahmegesellschaft, die Diskriminierungen verhindert und allen Bürgern gleiche Rechte
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 54
verschafft.
Gleichgewichtstheorie nach Hartmut Esser
In den Überlegungen von Hartmut Esser (80er Jahre, BRD), finden die oben beschrieben
Ansätze breite Berücksichtigung. Nach seiner Theorie beschreibt Integration einen Zustand
des Gleichgewichts, den ein Immigrant in einem angleichenden Lernprozess erreicht. Drei
Dimensionen beschreiben diesen Gleichgewichtszustand: Die „personale Integration“ äußert
sich als Zufriedenheit, dass heißt, dass empfundene Bedürfnisse und vorhandene
Möglichkeiten spannungsfrei nebeneinander stehen. Bei der „sozialen Integration“ befinden
sich die sozialen Beziehungen der Personen untereinander im Gleichgewicht. Mit
„systemischer Integration“ ist gemeint, dass verschiedene Gruppen zueinander in einem
gleichgewichtigen Interpendenzverhalten stehen. Genau wie Milton M. Gordon ist auch
Hartmut Esser der Ansicht, dass der Integrationsphase unbedingt eine Akkulturationsphase
vorausgehen muss, da ohne eine Anpassung an das äußere Verhalten auch keine strukturelle
Eingliederung möglich sei. Der erfolgreichen Integrationsphase folgt schließlich die
Assimilationsphase, die wiederum in verschiedene Teilphasen untergliedert wird und deren
erfolgreicher Abschluss durch Erreichen einer identifikativen Teilphase initiiert wird.
Fazit
Allen drei Ansätzen ist gemeinsam, dass Integration als ein Prozess verstanden wird, der
verschiedene Stufen erreichen kann und auf verschiedenen Ebenen abläuft. Während die
Ebenen von der Struktur und den Wertvorstellungen der Aufnahmegesellschaft vorgegeben
werden, sind die verschiedenen Stufen des Integrationsprozesses individuell anders, dass
heißt, dass Zeitpunkt und Intensität variieren können, wobei das Auslassen oder eine
ungleiche Gewichtung der Phasen zur Desintegration führen kann. Der Erfolg des
Integrationsprozesses wird sowohl von der Integrationsbereitschaft der involvierten
Parteien, als auch vom Ausmaß struktureller Differenzen innerhalb der Gruppen beeinflusst.
2
Eigene Fragestellung
Diese allgemeinen Theorien zu migrationssoziologischen Fragen finden auf
gesamtstädtischer Ebene Anwendung. Fraglich ist aber, wie das im Detail funktioniert und
ob diese Thesen auf alle Teilbereiche des gesellschaftlichen Gefüges übertragbar sind.
In unserer Seminararbeit wollen wir deshalb genauer beleuchten, wie sich ausländische
Studierende, die in Aachener Wohnheimen leben, integriert fühlen.
Zwei übergeordnete Fragestellungen gilt es deshalb zu untersuchen:
a. Was verstehen die einzelnen Akteure unter Integration und woran machen sie ihren Erfolg
fest?
b. Inwiefern beeinflusst die Wohnform den Integrationsprozess?
Um diese Fragen zu klären, haben wir die wichtigsten Akteure, die am Integrationsprozess
ausländischer Studenten beteiligt sind, zu diesem Thema befragt:
auf ausländischer Seite: Ausländervertretung (AV) und ausländische Studenten (Wohnheim)
auf deutscher Seite: Studentenwerk (STW) und deutsche Studenten (Wohnheim)
Vorgehensweise_ Methodik
Für alle Akteure wurde von uns zunächst ein individueller Fragebogen ausgearbeitet. Mit
einem Vertreter der Ausländervertretung und einer Mitarbeiterin des Studentenwerks
machten wir einen Termin aus, um unsere Fragen zu stellen, auf studentischer Seite haben
wir die Fragebögen an vier Tagen in zwei Wohnheimen an jeweils 20 Studenten verteilt und
am jeweils darauf folgenden Tag wieder eingesammelt.
Alle von uns Befragten sollten zum Einen angeben, was sie unter „Integration“ verstehen,
zum Anderen sollten sie uns Aufschluss darüber geben, ob das Wohnen in Aachener
Studentenwohnheimen diesem jeweiligen Verständnis von Integration gerecht wird bzw. ob
die Vorstellungen zu diesem Thema auf Seiten der ausländischen Studenten, der deutschen
Studenten sowie der Hochschule überhaupt miteinander vereinbar sind. Bei der Befragung
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 55
der ausländischen Studenten kam noch der Gesichtspunkt der „Wohnzufriedenheit“ hinzu.
Probleme der Befragungen und Anregungen für weiterführende Interviews
Als problematisch hat sich herausgestellt, dass wir die Fragebögen nur in deutsch an die
ausländischen Studenten verteilt haben: Es kam, wenn auch nur in einigen wenigen Fällen zu
Verständnisproblemen beim Durchlesen des Fragebogens. Beim nächsten Mal sollte deshalb
darauf geachtet werden, dass zumindest eine englische Version vorhanden ist.
Außerdem haben wir feststellen müssen, dass wir noch expliziter auf die Art und Weise der
Fragestellung hätten achten müssen, da ab und zu inhaltliche Missverständnisse auftraten.
Ziel der Befragungen
Durch die Befragungen und Interviews der unterschiedlichen Akteure (ausländische
Studenten, deutsche Studenten, Ausländervertretung und Studentenwerk) wollen wir
herausfinden, ob allgemeine Theorien zur Integration (vgl. Einleitung) hier anwendbar sind
und überhaupt ein Integrationsproblem in Aachener Wohnheimen besteht und wenn dies
der Fall ist, wie sowohl auf studentischer Seite als auch auf Seiten der Hochschule damit
umgegangen wird. Dabei ist es uns wichtig, sich aus unterschiedlichen Perspektiven diesem
Thema zu nähern, da eine Untersuchung von nur einem Standpunkt aus, dass Thema zu
einseitig beleuchten würde. Die Befragungen sind natürlich trotz unserer Bemühungen nicht
unbedingt repräsentativ; dafür hätten noch mehr Wohnheime und Akteure befragt werden
müssen, jedoch können die Ergebnisse unserer Arbeit durchaus eine Tendenz aufzeigen, die
richtungweisend sein kann.
3
Befragungen Hochschule
Studentenwerk
(der ausführliche Fragebogen ist dem Anhang zu entnehmen)
Stellvertretend für das Studentenwerk haben wir Frau Brigitte Jungheim befragt. Sie ist
Sachgebietsleiterin der Wohnraumvermietung.
Ergebnisse der Befragung
Für Frau Jungheim bedeutet Integration das „Einbinden einer Minderheit in eine größere
soziale Gruppe“. „Integration“ ist für das Studentenwerk ein wichtiges Thema. Es gibt für
diesen Bereich zwar keinen speziellen Ausländerbeauftragten im Studentenwerk, jedoch ist
Frau Jungheim selber im Januar 2005 für ihre außergewöhnliche Hilfestellung und
hervorragende Kooperationsbereitschaft bei der Betreuung der ausländischen Studenten
durch eine Organisation namens „Eurotürk“ geehrt worden. Auch gibt es in den
Wohnheimen keine spezielle Anlaufstelle des Studentenwerks, jedoch betont sie, dass die
studentische Selbstverwaltung der Wohnheime die meisten Probleme selber lösen kann und
das für nicht lösbare Probleme das Büro in der Turmstraße tägliche Sprechzeiten anbietet.
Von Seiten der Hochschule besteht daher aus ihrer Sicht weder eine mangelnde
Integrationsbereitschaft noch ein fehlendes Angebot für ausländische Studierende. Nach
Frau Jungheims Verständnis von „Integration“ findet in den Wohnheimen keine
ausreichende Eingliederung der ausländischen Studenten in das Gemeinschaftsleben statt.
Das liegt daran, dass sich die meisten Ausländer nicht integrieren lassen. Sie leben
Gemeinschaft lieber mit „ihren Leuten“ aus. Die Teilnahme an Partys und Versammlungen
sowohl von EU- Studenten als auch von Nicht- EU- Studenten ist sehr gering und auch
angebotene Ämter in den Wohnanlagen werden nicht genutzt (Netzwerk- AG/Betreuung
Kopierer/Amt des Haussprechers/Amt als Belegungsausschuss usw.).
Fazit
Für das Studentenwerk bzw. Frau Jungheim läuft der Prozess der Integration hauptsächlich
auf sozialer Ebene ab. Den ausbleibenden Erfolg führt sie ausschließlich auf die mangelnde
Bereitschaft der ausländischen Studenten, am gemeinschaftlichen Leben mit den deutschen
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 56
Studenten teilzunehmen, zurück. Auf Seiten der Hochschule und auf Seiten der deutschen
Studenten sieht sie keinen Verbesserungsbedarf.
Ausländervertretung (kurz „AV“)
Wer oder was ist die AV?
Die AV vertritt die Interessen ausländischer Studenten gegenüber der Hochschule, dem AStA
und den Behörden, um ihnen die Integration in Aachen bzw. in Deutschland zu erleichtern.
Aufgaben der AV:
-
Beratung bei der Einschreibung
Wohnungssuche
Krankenversicherung
Behördenangelegenheiten
Übersetzungen
Erstellung und Bereitstellung von Infomaterialien
Beistand bei rechtlichen Auseinandersetzungen
Hilfe bei der Einschreibung
Beratung bei ausländerrechtlichen Fragen
Initiator kultureller Veranstaltungen
Unterstützung der ausländischen Vereine
Veranstaltung von Seminaren und Konferenzen
Kooperation mit den Ausländerreferaten anderer Hochschulen
Zusammensetzung der AV:
Die AV besteht aus 9 ausländischen Studenten aus verschiedenen Nationen, die von
ebenfalls ausländischen Studenten gewählt werden. Diese 9 Mitglieder bestimmen
stellvertretend, wer das Ausländerreferat stellt. Die Stelle wird von mindestens 2 Personen
besetzt.
andere kooperative Einrichtungen:
Che- Haus:
Das Che- Haus ist ein wichtiges Kommunikationszentrum für ausländische Studenten. Es
dient der Begegnung ausländischer Studenten untereinander und mit ihren deutschen
Kommilitonen. Besonders für ausländische Erstsemester besteht hier die Möglichkeit, erste
wichtige Kontakte zu knüpfen. Besondere Themen, die im Che- Haus Berücksichtigung
finden, sind Meinungsvielfalt, Multikulturalität und Menschenrechtsrespekt.
INCAS (Interkulturelles Zentrum Aachener Studierender):
In diesem Zentrum arbeiten Studierende für ihre deutschen und ausländischen
Kommilitonen in Zusammenarbeit mit dem AAA (Akademisches Auslandsamt). Einmal in der
Woche wird ein Treffen im Che- Haus organisiert.
Befragung
(der ausführliche Fragebogen ist dem Anhang zu entnehmen)
Stellvertretend für die Ausländervertretung haben wir Herrn Alexis Kamewe befragt. Er ist
studentischer ehrenamtlicher Berater und beschäftigt sich besonders mit der
Hochschulpolitik und dem Ausländerrecht.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 57
Ergebnisse der Befragung
Unter „Integration“ versteht Herr Kamewe, in wie fern sich die Ausländer an die deutsche
Kultur anpassen und in einem fremden Land einleben. Die Arbeit der AV ist nicht nur auf die
Beratungsebene beschränkt. Sie organisieren viele Veranstaltungen, um die Studenten aus
dem Ausland zu informieren und zu beraten. Es gibt zum Beispiel regelmäßige
Informationsveranstaltungen über Auslandsrecht und Integrationsmöglichkeiten. Viele
Probleme, mit denen sich die ausländischen Studenten an Herrn Kamewe wenden, betreffen
den Bereich Wohnen. Es geht dabei meistens um Diskriminierungen oder um die
Vermittlung von Wohnangeboten. Herr Kamewe bedauert, dass die AV keinen direkten
Kontakt zu den Wohnheimen hat und würde es befürworten, wenn es in den Wohnheimen
einen Ansprechpartner der AV gäbe. Herr Kamewe findet es sehr erfreulich, dass der Service
der AV mit der Zeit immer häufiger von Studenten aus dem Ausland in Anspruch genommen
wird. Die Ursache für das Ausbleiben der Integration sieht Alexis Kamewe darin, dass von
Seiten der Hochschule und der Stadt noch nicht genug getan wird. Er hat sogar konkrete
Verbesserungsvorschläge, was die Universität tun könnte:
- Organisation von Diskussionsgruppen zum kulturellen Austausch und kennen lernen
der verschiedenen Kulturen;
- Probleme mit der Stadt vermeiden, damit die ausländischen Studenten sich besser
fühlen und sich auf ihr Studium konzentrieren können;
- Bevölkerung in Aachen sensibilisieren, so dass die ausländischen Studierenden mehr
Chance haben, eine Wohnung in Aachen zu finden;
- die Fakultäten auffordern, mehr ausländische Studierende als Hiwis einzustellen,
damit sie Berufserfahrungen sammeln können;
- die Aktivitäten von ausländischen Vereinen mehr unterstützen
Fazit
Für die Ausländervertretung bzw. Herrn Kamewe läuft der Integrationsprozess hauptsächlich
auf kultureller Ebene ab, dass heißt, dass der Erfolg der Integration davon abhängt, wie gut
dem ausländischen Studenten die Kultur und die Sitten des anderen Landes näher gebracht
werden und in wie fern dieser dazu bereit ist, sich darauf einzulassen. Den ausbleibenden
Erfolg führt er ausschließlich auf das beschränkte Engagement der Hochschule und der Stadt
zurück. Auf Seiten der Studenten, egal ob auf ausländischer oder auf deutscher Seite, sieht er
keinen Handlungsbedarf.
4
Wohnheim Halifaxstraße
(Die ausführlichen Fragebögen und die prozentualen Auswertungen sind dem Anhang zu
entnehmen)
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 58
Steckbrief
Anschrift
Baujahr
Bewohnerzahl insgesamt
Anteil ausländischer Studenten
meist vertretene Nation
Zimmer
Wohnfläche
Mietkosten
Ausstattung
Einrichtungen und Veranstaltungen
Belegung
besondere Belegungskriterien
Bewerbungsfragen
Halifaxstraße 81-85/Ahornstraße, 52074 Aachen
1993
307
18.79 %
China
_ 9 Einzelappartements
_ 10 Zweier- WGs
_ 6 Dreier- WGs
_ 62 Vierer- WGs
_ Zimmer in einer WG: ca. 16 m²
_ Appartement: ca. 30 m²
_ Zimmer in einer WG: 165 , zuzüglich Strom
(Heizungskosten und Warmwasser inklusive)
_ Einzelappartement: 215 , - zuzüglich Strom
(Heizungskosten und Warmwasser inklusive)
_ teilweise möbliert
_ Balkon
_ eigene Dusche/ WC, in Vierer- WGs je 1 Badezimmer für
2 Personen vorhanden
_ eigene Küche
_ Internet möglich
_ Sat- TV
_ Telefon
_ Aufenthaltsraum „Cafe 18“
_ Sport- /Fitnessraum
_ Kopierer
_ Waschküche
_ Werkstatt
_ Partys
_ Wohnheimsversammlungen
•nutzbar für die Allgemeinheit
•keine speziellen Veranstaltungen für ausländische
Studenten vorhanden
Die Belegung erfolgt nach Warteliste und
Vorstellungsgespräch
Warteliste aufgeteilt in:
_ männlich EU
_ männlich nicht EU
_ weiblich EU
_ weiblich nicht EU
_ Appartements
in jeder Vierer- WG muss mindestens 1 Nicht- EU- Student
wohnen
In den Bewerbungsunterlagen gibt es nur zwei Fragen, die
an ausländische Studenten gerichtet sein könnten:
Wie gut sprichst Du deutsch?
_ Muttersprache
_ fließend
_ gebrochen
Ich möchte in eine Wohngemeinschaft einziehen, weil:
_ es eine preiswerte Wohnform ist
_ gemeinsam leben mehr Spaß macht
_ ich einen Familienersatz möchte
_ mehr Leute = mehr Party
_ ich in meinen Mitbewohnern auch gute Freunde finden
möchte
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 59
Befragung Ausländer
Der Großteil der 20 befragten ausländischen Studenten ist männlich; das Durchschnittsalter
der Befragten beträgt 25 Jahre. Etwas weniger als die Hälfte stammen aus der EU, der andere
Teil kommt aus Nicht- EU- Ländern, wobei dieser Anteil sich ausnahmslos auf den asiatischen
Bereich bezieht. Der überwiegende Teil befindet sich in Deutschland, um hier sein Diplom zu
machen; die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 3 Jahre. Der überwiegende Teil
schätzt seine Sprachkenntnisse als gut oder besser ein, es ist aber auch ein Teil zu vermerken,
der sich selber ungenügende Sprachkenntnisse zuschreibt. Trotz der größtenteils positiven
Bewertung der eigenen Sprachkenntnisse, geben etwas weniger als die Hälfte der Befragten
an, Verständigungsprobleme zu haben. Die Mehrheit hat vom Studentenwerk über das
Wohnheim erfahren.
Die meisten der Befragten verstehen unter dem Begriff „Integration“ die Kultur, Sitten und
Traditionen der anderen kennen zu lernen und zu verstehen. Besonders wichtig ist ihnen
dabei, die fremde Sprache zu erlernen. Das Wohnheim handelt für die knappe Mehrheit zwar
im Sinne eines schnellen Integrationsprozesses, aber weniger als die Hälfte der Befragten
fühlen sich im Sinne ihres Integrationsverständnisses wirklich integriert.
Die überwiegende Mehrheit der Befragten wurde von seinen deutschen Mitbewohnern sehr
herzlich empfangen, abgewiesen wurde keiner, jedoch fühlen sich auch ein Viertel eher
gleichgültig empfangen.
Gemeinsame Aktivitäten beschränken sich ausschließlich auf gemeinsames kochen und
feiern, wobei nur ein geringer Anteil angibt, überhaupt etwas zusammen mit ihren
deutschen Mitbewohnern zu unternehmen. Es geben auch nur einige der Befragten an, dass
ihre Mitbewohner aufgeschlossen gegenüber ihrer Kultur und den Sitten ihres Landes sind.
Diskriminiert wurde jedoch noch keiner der Befragten und der größte Teil gibt an, dass die
Mitbewohner ihnen gegenüber hilfsbereit sind.
Bei der Fragestellung „Wie verhalten sich die Hausbewohner dir gegenüber?“ fällt die
Antwort geteilter Maßen aus: Aufgeschlossenheit und Gleichgültigkeit halten sich in etwa
die Waage, ein kleiner Anteil der ausländischen Bewohner empfindet das Verhalten der
Hausbewohner als abweisend. Ein etwa genau so großer Anteil wurde sogar schon einmal
diskriminiert.
Im Wohnheim Halifax gibt es keine speziellen Angebote für Ausländer. Die allgemeinen
Freizeitangebote, die das Wohnheim anbietet, werden aber von einem Großteil der
Befragten wahrgenommen, jedoch fällt die Bewertung des Angebots schlecht aus.
Bei der Befragung hat sich herausgestellt, dass es keinen Ansprechpartner vom
Studentenwerk oder der Ausländervertretung vor Ort für die ausländischen Studenten gibt.
Der Großteil der Befragten würde sich diesen Service aber wünschen.
Ausnahmslos alle Befragten wohnen freiwillig in der Wohnanlage Halifaxstraße und
empfinden es als vorteilhaft.
Die Miete beträgt durchschnittlich 25% des Einkommens der Befragten, womit die meisten
ohne Einschränkung absolut zufrieden sind. Bei der Frage nach der Zimmergröße und der
Lage des Wohnheims verteilten alle die Note „gut“ oder besser. Die Zufriedenheit bezüglich
der Ausstattung lag allerdings überwiegend nur im mittleren Bereich. Bei einer
Gesamtbewertung der Wohnanlage lag die Notenverteilung überwiegend im oberen
Bereich.
Fazit
Auffällig ist, dass die meisten ihre Sprachkenntnisse zwar als gut einschätzen, aber scheinbar
doch erhebliche Verständigungsprobleme haben. Das lässt die Vermutung zu, dass nicht
alleine die Sprache sondern auch die kulturellen und nationalen Unterschiede hierfür
ausschlaggebend sind.
Bei der Betrachtung der Frage nach dem Verständnis von Integration fällt auf, dass die
Begriffsdefinition der ausländischen Mieter eher in eine kulturelle Richtung geht. Sie
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 60
verstehen unter „Integration“ überwiegend das Kennen lernen der Sprache und der Kultur
eines anderen Landes.
Prägnant war ebenfalls, dass viele sich mehr Freizeitangebote und Service speziell auf
Ausländer bezogen wünschen. Diese Antworten lassen erkennen, dass akuter
Handlungsbedarf besteht.
Befragung Deutsche
Für die von uns befragten Deutschen bedeutet der Begriff „Integration“ im Prinzip die
Eingliederung von Ausländern in die Gemeinschaft, dass heißt das Ausmaß der Integration
wird in erster Linie daran festgemacht, in wie weit Ausländer soziale Kontakte zu Deutschen
geknüpft haben.
Ohne Ausnahme sind alle Befragten davon überzeugt, dass eine Integration in ihrem Sinne
im Wohnheim Halifaxstraße stattfindet.
Insgesamt geben die Deutschen an, Ausländern gegenüber aufgeschlossen und interessiert
zu sein, die Mehrheit glaubt sogar, dass sie von der Anwesenheit der Ausländer profitieren
kann. An erster Stelle stehen dabei das (Kennen-)lernen von Kultur und Sprache, Akzeptanz
und Toleranz. Gleichgültigkeit und Aufgeschlossenheit den Ausländern gegenüber sind etwa
gleich stark ausgeprägt.
Die Mehrheit der Deutschen findet, dass das Engagement nicht von ihnen, sondern von
Seiten der Ausländer ausgehen sollte. Sie erwarten, dass die Ausländer auf sie zugehen und
nicht anders herum. Nur wenige sind davon überzeugt, dass das Engagement von beiden
Seiten gleich groß sein sollte und nur eine Minderheit denkt, dass die Bemühungen von
Seiten der Deutschen ausgehen sollten.
Die von uns Befragten sind mehrheitlich der Meinung, dass die ausländischen Studenten zu
wenig Interesse, sowohl an der deutschen Kultur, als auch an einer Gemeinschaft mit
Deutschen zeigen und dass ihr Benehmen zu zurückhaltend ist.
Engagement von Seiten der Hochschule wird von den Deutschen nicht verstärkt erwartet.
Erasmusgruppen und Informationsveranstaltungen außerhalb des Wohnheims sind in ihren
Augen Hilfestellung genug. Viele empfinden es sogar als negativ, dass die Integration der
ausländischen Studenten zwanghaft erreicht werden soll (gemeint ist die Ausländerquote in
den
WGs).
Ein Großteil der Befragten, die meinen, es müsse mehr getan werden, glauben, dass dies im
Bereich der Gemeinschaft geschehen sollte. Genannt wird häufig, dass gemeinsame Sportund Kulturaktivitäten angeboten werden sollten und dass die Wohnform „gemischte WGs“
noch weiter gefördert werden sollte. In dieser Hinsicht gehen die Meinungen deutlich
auseinander.
Ein geringer Prozentsatz an Deutschen meint, dass es mehr Veranstaltungen speziell für
Ausländer (z.B. Sprachkurse) geben sollte und eine ebenso geringe Zahl führt als
Verbesserungsvorschlag an, dass die Deutschen von der Hochschule zu mehr Engagement
aufgerufen werden sollten (Aufklärung über Vorurteile, Ausländertutoren).
Fazit
„Integration“ bedeutet für die meisten, in eine Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Ihr
Ausmaß lässt sich daran festmachen, in wie fern Ausländer und Deutsche soziale Kontakte
zueinander haben.
Eine verstärkte Integrationsbereitschaft wird von den Ausländern selber erwartet. Die
Deutschen fühlen sich selber nicht so sehr berufen, sich in den Integrationsprozess aktiv
einzubringen.
Offen bleibt die Frage, weshalb die Deutschen die Integration als 100- prozentig gelungen
bezeichnen, wenn die Auswertung der anderen Fragen deutlich zeigt, dass sich
insbesondere die Ausländer nicht im Sinne des deutschen Integrationsverständnisses
verhalten.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 61
5
Wohnheim Walter- Eilender- Haus
Steckbrief
Anschrift
Baujahr
Bewohnerzahl insgesamt
Anteil ausländischer Studenten
meist vertretene Nation
Zimmer
Wohnfläche
Mietkosten
Ausstattung
Einrichtungen und Veranstaltungen
Belegung
besondere Belegungskriterien
Bewerbungsfragen
Rütscher Straße 165, 52072 Aachen
1968 (Sanierung 1991/ 1992)
247
40,43 %
China
274 Einzelappartements
12 m²
130
(Heizungskosten, Strom und Warmwasser inklusive)
_ teilweise möbliert
_ Dusche/ WC, Küche gemeinschaftlich
_ Internet (Uni- DSL)
_ Sat- TV
_ Telefon
_ Grillplatz
_ Fahrradkeller
_ Werkzeugverleih
_ CIP- Pool
_ Zeichenraum
_ Tischtennisraum
_ Kopierer
_ Waschküche
_ Werkstatt
_ Partys
_ Wohnheimsversammlungen
•nutzbar für die Allgemeinheit
•keine speziellen Veranstaltungen für ausländische
Studenten vorhanden
Die Belegung erfolgt nur nach Warteliste,
die aufgeteilt ist in:
_ männlich EU
_ männlich Nicht- EU
_ weiblich EU
_ weiblich Nicht- EU
20 Appartements reserviert für Ausländer
es gibt keine Fragen, die speziell an Ausländer gerichtet sind
Befragungen
Die gleiche Befragung wie in der Wohnanlage Halifaxstraße führten wir auch im WalterEilender- Haus durch. Um nicht den Rahmen der Seminararbeit zu sprengen, wollen wir uns
hier nur auf die wichtigsten Ergebnisse beschränken.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 62
Befragung Ausländer
Fast alle der von uns befragten ausländischen Studenten stammen aus asiatischen Ländern,
von denen wiederum mehr als die Hälfte ihre Sprachkenntnisse als sehr schlecht
einschätzen. Der Wohnraum im Walter- Eilender- Haus wurde dem Großteil der befragten
Ausländer über die Ausländervertretung oder das Studentenwerk vermittelt. Genau wie die
Bewohner der Halifax- Wohnanlage, verstehen auch die ausländischen Studierenden, die in
der Rütscher Straße wohnen, unter dem Begriff „Integration“ das Kennen lernen von Kultur,
Sprache und Traditionen des fremden Landes. Nur 20 % der Befragten fühlen sich in diesem
Sinne integriert und ebenso wenige glauben, dass in der Wohnanlage integrativ gehandelt
wird.
Der grundlegendste Unterschied zur Wohnanlage Halifaxstraße ist, dass die Ausländer im
Walter- Eilender- Haus ausschließlich in Einzelappartements untergebracht sind. Daher ist es
auch nicht verwunderlich, dass die Antworten auf Fragen, die das Gemeinschaftsgefühl und
gemeinsame Aktivitäten mit Deutschen betreffen, deutlich negativer ausfallen als bei den
Befragten der Halifax- Wohnanlage. Das Verhalten der Deutschen den Ausländern
gegenüber wird in der Rütscher Straße von den Ausländern selber als gleichgültig und
unaufgeschlossen bezeichnet.
Auch im Walter- Eilender- Haus gibt es keine Angebote, die sich speziell an Ausländer
richten. Allerdings besteht hier, was von den Befragungen in der Halifaxwohnanlage
abweicht, ein weitaus geringeres Interesse an solchen Angeboten. Eine über die
studentische Selbstverwaltung hinausgehende Unterstützung ist jedoch auch hier sehr
gewünscht. Zum größten Teil sind die Befragten mit dem Wohnheim Walter- Eilender- Haus
aber zufrieden. Als besonders positiv werden die geringen Mietkosten angegeben.
Fazit
Insgesamt haben sich bei der Befragung der ausländischen Bewohner des Walter- EilenderHaus ähnliche Ergebnisse ergeben wie bei der Befragung in der Wohnanlage Halifaxstraße.
Auch das Verständnis von „Integration“ ist nahezu deckungsgleich. Auffällig ist, dass die
Wohnform anscheinend entscheidend dafür ist, ob es überhaupt ansatzweise zu einer
Integration der ausländischen Studenten kommt.
Befragung Deutsche
Das Integrationsverständnis der von uns befragten deutschen Bewohner des WalterEilender- Hauses divergiert: etwa die Hälfte ist, genau wie es aus der Befragung in der
Halifax- Anlage hervorgegangen ist, der Meinung, dass „Integration“ bedeutet, in eine soziale
Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Bei der anderen Hälfte tendiert die
Begriffsdefinition, genau wie bei den befragten Ausländern, dahin, dass Integration
stattfindet, wenn man sich auf kultureller Ebene eingliedert. Einig sind sich aber alle
Befragten in dem Punkt, dass die Ausländer nicht erfolgreich integriert sind. Dies führen sie
aber weder auf ihr eigenes Verhalten, welches sie als gleichgültig einstufen, noch auf das
Engagement durch die Hochschule zurück. Noch offensichtlicher als im Halifax- Wohnheim
gehen die Deutschen davon aus, dass auf ausländischer Seite kein Interesse besteht,
integriert zu werden. Keinem Ausländer wird es verwehrt, sich zu integrieren, jedoch müssen
die dahingehenden Bemühungen allein von ihm ausgehen.
Fazit
Die Ergebnisse sind hier wieder denen der ersten Befragung sehr ähnlich. Anscheinend trägt
die Wohnform sehr stark dazu bei, dass diese Ergebnisse noch stärker in Richtung
Gleichgültigkeit und Desinteresse tendieren.
6
Abschließendes Ergebnis
Unsere Recherche hat insgesamt ergeben, dass die Definition des Begriffes „Integration“ auf
deutscher und auf ausländischer Seite divergiert.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 63
Sowohl die ausländischen Studenten als auch die Ausländervertretung sehen Integration als
einen Prozess an, der auf einer kulturellen Ebene abläuft. Das Ausmaß bzw. der Erfolg der
Integration hängt dabei gleichermaßen davon ab, wie groß die Bereitschaft und das
Interesse auf Seiten der Ausländer sind, die Sitten des anderen Landes kennen zu lernen und
in wie weit die Aufnahmegesellschaft sich dazu angehalten fühlt, dieses Interesse zu
unterstützen.
In diesem Sinne fühlt sich jedoch die Mehrheit der ausländischen Studenten nicht integriert.
Folgende Punkte könnten die Ursache hierfür sein:
Sowohl viele ausländische Studenten als auch die AV wünschen sich ein gesteigertes
Engagement seitens der Hochschule. Die Studenten würden sich wohler fühlen, wenn es im
Wohnheim nicht nur studentische Hilfe, sondern auch einen Ansprechpartner der AV oder
des Studentenwerks gäbe.
Ein weiterer Grund für das Ausbleiben von Integration könnte sein, dass die Ausländer
gegenüber den Deutschen ein anderes Verständnis von Gemeinschaft haben. Sie beurteilen
beispielsweise das Gemeinschaftsgefühl in einer Wohngemeinschaft zu 80 % als „gut“ bis
„sehr gut“, obwohl sie angeben, dass ihre Mitbewohner sich ihnen gegenüber gleichgültig
verhalten und auch kaum gemeinsame Aktivitäten unternommen werden.
Herausgestellt hat sich außerdem, dass die Wahl der Wohnform einen entscheidenden
Einfluss auf den Integrationserfolg hat, obwohl dieser in keinem der beiden Wohnheime
eingetreten ist.
Das Wohnen im Wohnheim beschreiben sie ausnahmslos als Vorteil, einmal was das PreisLeistungsverhältnis angeht, zum anderen erhoffen sie dadurch, Kultur und Sprache besser
kennen zu lernen. Sie geben aber nicht an, dass es für sie im Vordergrund steht, Kontakte zu
knüpfen, die darüber hinausgehen, dass sie von ihnen hinsichtlich ihres Verständnisses von
Integration profitieren könnten.
Auf deutscher Seite, damit sind sowohl die Studenten als auch das Studentenwerk gemeint,
herrscht jedoch ein anderes Verständnis von Integration vor. Die am häufigsten genannte
Definition spricht von Integration im Sinne von „Eingliederung in eine Gemeinschaft“. Vor
dem Hintergrund dieser Ansicht, empfinden die Deutschen das Verhalten der Ausländer als
zu passiv. Außerdem glauben sie, dass die Integrationsbereitschaft von der ausländischen
Seite aus größer sein sollte als auf ihrer Seite.
Der Wohnform „gemischte WG mit Ausländer- Pflichtanteil“ stehen sie mit gemischten
Gefühlen gegenüber. Einerseits denken sie, dass dies eine Wohnform ist, die für den
Integrationsprozess förderlich ist, andererseits glauben sie, dass gerade der Zwang, einen
Ausländer aufnehmen zu müssen, desintegrative Tendenzen mit sich bringen kann.
Die Unterbringung der Ausländer in Einzelappartements wird von den meisten als „genau
richtig“ beurteilt, da sie den Eindruck haben, dass diese Wohnform auch von den Ausländern
bevorzugt wird. Trotzdem sind sie sich im Klaren darüber sind, dass diese Wohnform sich
eher desintegrativ auswirkt.
7
Offene Fragen und Handlungsmöglichkeiten
Offen bleibt die Frage, ob die ausländischen Studenten überhaupt in „deutschem Sinne“
integriert werden wollen. Wir hatten nämlich eher den Eindruck, dass für sie das Studium,
das Erlernen der deutschen Sprache und das Erlangen von Kenntnissen bezüglich der
deutschen Kultur im Vordergrund stehen. Sie suchen eher weniger die Gemeinschaft im
Sinne von einer gemeinsamen Freizeitgestaltung. Diese praktizieren sie lieber unter
„Ihresgleichen“.
In Bezug auf die Wohnform stellt sich somit die Frage, ob eine „Zwangsintegration“ wie sie
im Halifax- Wohnheim versucht wird, zu praktizieren, überhaupt von den Ausländern
gewünscht wird oder ob es nicht besser ist, sie wie im Walter- Eilender- Haus unterzubringen.
Handlungsbedarf besteht, besonders als Folge der divergierenden Begriffsdefinitionen darin,
die Kommunikation zwischen den einzelnen Parteien zu verbessern.
Es könnten beispielsweise regelmäßig Umfragen gemacht werden, die Bedürfnisse und
Erwartungen beider Seiten überprüfen und gegebenenfalls aufeinander abstimmen.
Außerdem sollte in den Bewerbungsunterlagen auch speziell auf Ausländer eingegangen
werden. So könnte überprüft werden, ob die von ihnen gewählte Wohnform überhaupt
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 64
ihren Wünschen gerecht wird oder ob sie sich nur aus einer Unkenntnis heraus für irgendein
Wohnheim beworben haben.
8
Persönliche Stellungnahme
Nach Meinung zahlreicher Soziologen besteht der Integrationsprozess aus mehreren Phasen
(vgl. Einleitung). Kulturelle Integration hängt nach ihrer Auffassung unweigerlich mit sozialer
Integration zusammen. In den Wohnheimen ist es offensichtlich zu dem Phänomen der
„Desintegration“ gekommen, welches aus einer ungleichen Gewichtung der
Integrationsphasen resultiert.
Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass ein Mittelweg gefunden werden muss, der die
verschiedenen Schwerpunkte, die die einzelnen Akteure in ihrer Begriffsdefinition setzen,
miteinander vereinbar macht. Außerdem müssen Bereitschaft und Engagement auf allen
Seiten zunehmen, um die divergierenden Vorstellungen überbrücken zu können.
Die Hochschule könnte sich zur Aufgabe machen, ausländische und deutsche Studenten für
das Integrationsverständnis der anderen Partei zu sensibilisieren, indem es ihnen
Verhaltensmöglichkeiten und daraus resultierende Vorteile aufzeigt.
9
Quellenangaben
Information über das Thema Integration:
„Soziologie der Migration“, Petrus Han, S. 300- 313
„Zuwanderer in der Stadt- Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik“,
herausgegeben von den Verbundpartnern „Zuwanderer in der Stadt“, S. 10
http://deutsche-kultur-international.de
http://www.integrationsbeauftragte.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Integration
http://www.integration.nrw.de
http://www.integrationsbeauftragter.nrw.de
http://deutsche-kultur-international.de
Informationen über das Wohnheim Halifax:
Broschüre: „Information der Wohnraumvermietung des Studentenwerkes Aachen“
http://www.halifax.rwth-aachen.de
Informationen über das Wohnheim Walter- Eilender- Haus:
Broschüre: „Information der Wohnraumvermietung des Studentenwerkes Aachen“
http://www.weh.rwth-aachen.de
Informationen über das Che Haus:
http://www.avh.rwth-aachen.de
Informationen über die Ausländervertretung:
http://www.av.rwth-aachen.de
http://www.stud.rwth-aachen.de
Informationen über die Bewerbungen:
https://ba.oph.rwth-aachen.de (Türme)
http://www.wohnheime.rwth-aachen.de (allgemein)
http://www.halifax.rwth-aachen.de (Halifax)
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10
Anhang
Interview mit Brigitte Jungheim, Sachgebietsleiterin Wohnraumvermietung
Wohnheimfakten:
Wie hoch ist der Ausländeranteil in den Wohnheimen Halifaxstr. und Walter- Eilender- Haus?
„Halifax = 18.79% und WEH = 40.43%.“
Welche Nation ist am stärksten vertreten?
„China.“
Nach welchen Kriterien erfolgt die Zimmervergabe, welche Voraussetzungen müssen die
ausl. Studenten erfüllen, um aufgenommen zu werden?
„Die ausl. Studenten müssen keine Voraussetzungen erfüllen (alle anderen
Studenten auch nicht).“
Wie werden die Zimmer verteilt: Zusammenfassung der Studenten nach Nationalität oder
bunt gemischt und zufällig?
„Bunt gemischt, es wird natürlich darauf geachtet, dass eine Nation nicht zu stark
auf der Etage bzw. im Wohnheim vertreten ist.“
Gibt es eine bestimmte Prozentzahl die für ausländische Studenten bei der Belegung
reserviert ist? Ist dies von Wohnheim zu Wohnheim unterschiedlich?
„Das Ziel ist nicht mehr als 25% Ausländeranteil in den Wohnanlagen zu haben. Dies ist
aber nicht zu realisieren. Der Ausländeranteil beträgt z. Zt. 36.65%, in einigen
Wohnanlagen bis zu 50.34%. Die ausl. Studenten bevorzugen grundsätzlich die
preiswerteren Zimmer.“
Angebot und Service der Wohnheime:
Gibt es besondere Angebote, die es den ausländischen Studenten erleichtern, sich in die
Gemeinschaft einzubringen?
„Es finden Etagenversammlungen, Hausversammlungen, Feste und Partys regelmäßig
statt. Die Teilnahme sowohl von EU- Studenten als auch von Nicht- EU- Studenten ist sehr
gering.“
Werden zum Beispiel Sprachkurse angeboten?
„Nein.“
Ist in den Wohnheimen ein spezielles Büro vorhanden, welches den Ausländern bei Fragen
zur Seite steht?
„So etwas gibt es nicht. Wir haben aber täglich Sprechstunde und die Haussprecher
helfen gerne bei Problemen.“
Werden gemeinschaftliche Veranstaltungen vom Studentenwerk organisiert, oder ist dies
ausschließlich eine wohnheimsinterne Angelegenheit?
„Es ist eine wohnheimsinterne Angelegenheit.“
Werden Konflikte, die sich in den Wohnheimen ereignen an Sie herangetragen und helfen
Sie bei der Konfliktbewältigung oder fällt das nicht in Ihren Aufgabenbereich? Wenn nein,
wer ist dafür zuständig bzw. gibt es überhaupt jemanden, der für dieses Problemfeld
zuständig ist?
„Die meisten Probleme werden intern geregelt über die Haus- und Etagensprecher. Wir
haben eine starke studentische Selbstverwaltung. Probleme, die dort nicht gelöst werden
können, werden an uns herangetragen und wir lösen die Probleme dann zusammen.“
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 66
Integration:
Was bedeutet für Sie „Integration“?
„’Integration’ bedeutet für mich, wenn eine Minderheit in eine größere soziale Gruppe
erfolgreich eingebunden wird.“
Beschreiben sie, wie auf der Basis ihres Verständnisses, die Integration in den Wohnheimen
abläuft? Empfinden Sie dies als gelungen?
„Die meisten ausländischen Studenten lassen sich nicht integrieren. Sie leben lieber
separiert und praktizieren gemeinschaftliches Leben nur mit ihren eigenen ‚Leuten’ (s.
Versammlungen, Feste usw.); auch angebotene Ämter in den Wohnanlagen werden nicht
genutzt (Netzwerk- AG/ Betreuung Kopierer/ Amt des Haussprechers/ Amt als
Belegungsausschuss usw.). Meiner Meinung nach findet in den Wohnheimen also gar
keine Integration statt.“
Ist Integration ein besonderes Thema im Studentenwerk insbesondere bei der
Wohnungsvermittlung? Gibt es für diesen Bereich einen speziellen Ausländerbeauftragten
im Studentenwerk?
„Einen speziellen Ausländerbeauftragten gibt es bei uns nicht, obwohl Integration
natürlich ein besonderes Thema ist; wir stehen jedem bei Problemen zur Seite.
Insbesondere für mich persönlich kann ich sagen, dass ich diesem Thema gegenüber sehr
aufgeschlossen bin: Im Januar 2005 wurde ich durch die Organisation ‚Eurotürk’ als ‚Stille
Heldin’ ausgezeichnet. Geehrt worden bin ich für die außergewöhnliche Hilfestellungen
und die hervorragende Kooperationsbereitschaft bei der Betreuung insbesondere der
ausländischen Studenten.“
Interview mit Alexis Kamewe, studentischer ehrenamtlicher Berater
Allgemeines Tätigkeitsprofil:
Was für Aufgaben hat die Ausländervertretung?
„Wir haben die Aufgabe, die Interessen ausländischer Studierender gegenüber der
Hochschule, dem AStA und den anderen Organen in Aachen zu vertreten, damit sie mehr
Erfolg im Studium haben können und sich hier in Aachen bzw. in Deutschland besser
integrieren. Wir bieten Beratungen zu allen konkreten Frage wie Wohnungssuche,
Versicherung, Behördenangelegenheiten, usw. an. Mehr Informationen bekommen Sie
auf unserer Webseite: www.av.rwth-aachen.de.“
Was sind speziell Ihre Aufgaben?
„Ich bin der Beauftragte von der AusländerInnen- Vertretung der RWTH- Aachen kurz
geschrieben ’AV’. Ich koordiniere die Arbeit bei der ’AV’ und beschäftige mich besonders
mit der Hochschulpolitik und dem Ausländerrecht.“
Hat die ’AV’ nur beratende Funktion oder ist sie auch aktiv tätig, indem sie zum Bespiel
Veranstaltungen organisiert?
„Unsere Arbeit ist nicht nur auf die Beratungsebene begrenzt. Wir organisieren viele
Veranstaltungen um die Studenten zu informieren und um zu helfen .Es gibt z.B.
Infoveranstaltungen über Auslandsrecht und Integrationsmöglichkeiten. Wir nehmen an
den Rektoratsitzungen, an den Sitzungen des Ausländerbeirats der Stadt Aachen und an
Gesprächrunden mit dem Oberbürgermeister teil.“
Was sind die häufigsten Probleme mit denen die ausländischen Studenten in Ihr Büro
kommen?
„Ihre Probleme werden in drei Ebenen aufgeteilt:
Rechtlich:
Sie haben Probleme bei der Visumsverlängerung.
Wohnen:
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 67
Es ist schwer für Ausländer eine Wohnung in Aachen zu finden, besonders auf dem
privaten Wohnungsmarkt wegen der Diskriminierung. Bei den Studentenwohnheimen ist
es auch etwas schwierig, da die Plätze begrenzt sind.
Arbeiten:
Genau wie beim Wohnen besteht auch hier für sie ein großes Problem aufgrund von
Diskriminierungen.“
Werden die Angebote der ’AV’ von zahlreichen Studenten aus dem Ausland genutzt?
„Damals nein, aber mit den steigenden Problemen werden wir jetzt direkt von den
Studenten aus dem Ausland angesprochen.“
Tätigkeiten im Bereich Wohnen:
Helfen Sie ausländischen Studierenden auch bei der Wohnungssuche?
„Ja, wir vermitteln die Anlaufstelle und informieren wenn wir Angebote haben.“
Haben Sie Kontakte zu den Wohnheimen?
„Leider nicht, da wir keinen Anspruch oder kein Recht haben, uns einzumischen.“
Kommen die Studenten oft wegen Problemen in den Wohnheimen zu Ihnen?
„Ja und sogar sehr oft. Wir versuchen dann mit dem Studentenwerk zusammen zu
helfen.“
Ist in den Wohnheimen ein spezielles Büro vorhanden, welches den ausländischen
Studenten bei Fragen zur Seite steht?
„Leider nicht .Es wäre wirklich schön, so ein Büro zu haben.“
Integration:
Was verstehen Sie unter „Integration“?
„Unter ‚Integration’ verstehe ich die Anpassung von Leuten aus verschiedenen Kulturen
und Ländern. Genauer gesagt, wie die Ausländer sich in Deutschland einleben.“
Beschreiben Sie, wie auf der Basis ihres Verständnisses, die Integration in den Wohnheimen
abläuft? Empfinden Sie dies als gelungen?
Dazu hat Herr Kamewe sich nicht geäußert.
Wer denken Sie, ist in den Integrationsprozess am meisten eingebunden?
„Ich denke, dass die Verantwortung bei der Hochschule und bei der Stadt liegt.“
Was sollte ihrer Meinung nach für die Integration von Seiten der Hochschule her getan
werden?
„Die Universität sollte folgendes tun:
Am besten Diskussionsgruppen zum Austausch zwischen den Kulturen organisieren,
damit die Ausländer die deutsche Kultur kennen lernen können.
Die Probleme mit der Stadt so gut es geht vermeiden, damit die Ausländer sich besser
fühlen und sich besser auf das Studium konzentrieren.
Die Bevölkerung in Aachen sensibilisieren, so dass die ausländischen Studierenden mehr
Chancen haben, eine Wohnung in Aachen auf dem privaten Wohnungsmarkt zu finden.
Die Fakultäten auffordern, mehr ausländische Studierende als Hiwis einzustellen, damit
sie Berufserfahrungen sammeln können.
Die Aktivitäten von ausländischen Vereinen noch mehr unterstützen.“
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 68
Fragebogen für ausländische Studenten (Halifax)
Allgemeine Daten/ Steckbrief:
• Geschlecht:
m 60%
w 40%
• Nationalität:
ukrainisch 5%
französisch 10%
chinesisch 40%
thailändisch 15%
koreanisch 30%
• Studienfach:
Informatik 30%
Biologie 30%
Kraftfahrtwesen 5%
Maschinenbau 35%
• Aufenthaltsdauer:
5 Jahre 50%
3 Jahre 30%
1 Jahr 20%
• Grund des Aufenthaltes:
Auslandssemester 15%
Studienarbeit 0%
Diplom 70%
Praktikum 0%
andere 15%
• Wie schätzt du deine eigenen Sprachkenntnisse ein? (1-6; 1= sehr gut, 6=
ungenügend)
sehr gut 15%
gut 55%
befriedigend 0%
ausreichend 10%
mangelhaft 0%
ungenügend 20%
• Hast du Verständigungsprobleme?
ja 40%
nein 60%
• Wodurch hast du von dem Wohnheim erfahren?
Freunde 35%
Hochschule 20%
Studentenwerk 45%
andere 0%
• Wohnst du in einem Einzelappartement, mit verschiedenen Nationen zusammen
oder nur mit Deutschen?
Einzelappartement 0%
mit Deutschen 80%
mit mehreren Nationen 20%
Integration:
• Was bedeutet für dich der Begriff „Integration“?
Die meisten der Befragten verstehen unter dem Begriff „Integration“ die Kultur und die
Sitten eines anderen Landes kennen zu lernen.
• Denkst du, dass in diesem Wohnheim im Sinne eines schnellen Integrationsprozesses
gehandelt wird?
ja 55%
nein 45%
• Füllst du dich nach deinem Verständnis von Integration integriert?
ja 30%
nein 70%
Soziales Umfeld:
a. direktes soziales Umfeld_ Mitbewohner:
• Wie bist du von deinen Mitbewohnern empfangen worden?
herzlich 75%
abweisend 0%
gleichgültig 25%
• Unternehmt ihr gemeinsam etwas?
ja 30%
nein 70%
• Wenn ja, was? (mehrfach Nennung möglich)
Kochen 65%
Party 20%
Gesellschaftsspiele 0%
Kino 0%
Fernsehen-/ DVD- Abende 0%
anderes 15%
lernen 0%
Kneipentour 0%
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 69
•
•
•
Sind deine Mitbewohner aufgeschlossen gegenüber deiner Kultur (z.B. Essen, Musik,
Sitten des Landes)?
ja 40%
nein 60%
Wurdest du schon einmal aufgrund deiner Nationalität von deinen Mitbewohnern
diskriminiert?
ja 0%
nein 100%
Sind deine Mitbewohner hilfsbereit; kannst du dich, wenn du Probleme hast, an sie
wenden?
ja 55%
nein 45%
b. weiteres soziales Umfeld_ Hausgemeinschaft:
• Wie verhalten sich die anderen Hausbewohner bei gemeinschaftlichen
Veranstaltungen (z.B. Partys) dir gegenüber?
aufgeschlossen 40%
abweisend 20%
gleichgültig 40%
• Wurdest du schon einmal diskriminiert?
ja 10%
nein 90%
• Wie bewertest du abschließend das Gemeinschaftsgefühl im Wohnheim in Bezug auf
ausländische Studierende? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend)
sehr gut 20%
gut 45%
befriedigend 15%
ausreichend 5%
mangelhaft 15%
ungenügend 0%
Freizeitangebot:
• Gibt es Angebote speziell für Ausländer?
ja 10%
nein 90%
• Wenn ja welche?
Sport 0%
Partys 0%
DVD- Abende 0%
Informationsveranstaltungen 10%
Lern- und Sprachgruppen 0%
Kochabende 0%
andere 0%
• Wenn ja, nutzt du diese?
ja 10%
nein 0%
• Nimmst du auch Angebote in Anspruch, die nicht speziell für Ausländer sind?
ja 65%
nein 35%
• Hast du Verbesserungsvorschläge?
mehr Angebote 25%
abwechslungsreichere Angebote 20%
integrativere Angebote 0%
anderes 0%
• Wie bewertest du das Freizeitangebot insgesamt? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend)
sehr gut 0%
gut 10%
befriedigend 20%
ausreichend 45%
mangelhaft 25%
ungenügend 0%
Ansprechpartner vor Ort (spezifische soziale Einrichtung/ Versorgung):
• Gibt es vor Ort einen Ansprechpartner von der Uni
ja 10%
nein 90%
• Wenn ja, nutzt du dieses Angebot?
ja 10%nein 90%
• Wie bewertest du den Service? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend)
Keine Nennung erfolgt
• Wenn es ihn nicht gibt, hättest du gerne diesen Service?
ja 65%
nein 0%
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 70
Wohnzufriedenheit:
• Empfindest du es als Vorteil, in einem Wohnheim zu wohnen oder war das für dich
nur eine Notlösung?
Vorteil 100%
Notlösung 0%
• Wie hoch ist die Miete im Vergleich zu deinem Einkommen?
Durchschnittlich 25%
• Bist du mit dem Preis- Leistungsverhältnis zufrieden?
ja 75%
nein 25%
• Bist du mit der Zimmergröße zufrieden? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend)
sehr gut 35%
gut 65%
befriedigend 0%
ausreichend 0%
mangelhaft 0%
ungenügend 0%
• Bist du mit der Ausstattung zufrieden? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend)
sehr gut 0%
gut 45%
befriedigend 55%
ausreichend 0%
mangelhaft 0%
ungenügend 0%
• Wie findest du die Lage der Wohnung? (1-6; 1= sehr gut, 6= ungenügend)
sehr gut 25%
gut 55%
befriedigend 15%
ausreichend 5%
mangelhaft 0%
ungenügend 0%
• Welche Note würdest du der Wohnung insgesamt geben? (1-6; 1= sehr gut, 6=
ungenügend)
sehr gut 25%
gut 60%
befriedigend 15%
ausreichend 0%
mangelhaft 0%
ungenügend 0%
Besondere Wohnwünsche_ Ansprüche:
• Werden deine Ansprüche befriedigt?
ja 80%
nein 20%
• Wenn deine Ansprüche nicht ausreichend befriedigt werden, in welchem dieser
Bereiche würdest du dir eine Verbesserung wünschen?
Veranstaltung 0%
Service 35%
Betreuung 0%
Wohnqualität 40%
Lage 0%
• Welche Note würdest du deinem Wohnheim insgesamt geben? (1-6; 1= sehr gut, 6=
ungenügend)
sehr gut 0%
gut 55%
befriedigend 40%
ausreichend 5%
mangelhaft 0%
ungenügend 0%
Fragebogen für deutsche Studenten (Halifax)
Integration:
•
Was verstehst du unter „Integration“?
Die meisten verstehen darunter die Einbeziehung von Ausländern in die Gemeinschaft,
Miteinander statt Nebeneinander
•
Auf der Basis deines Verständnisses von Integration, findest du, dass die Integration
in den Wohnheimen gelungen ist?
ja 100%
nein 0%
•
Wer muss sich bei dem Prozess der Integration deiner Meinung nach mehr
einbringen, die deutschen oder die ausländischen Studenten? Und warum?
ausländische Studenten 65%
deutsche Studenten 10%
beide 25%
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 71
Eigenes Engagement:
•
Empfindest du die Anwesenheit von Ausländern als positiv oder negativ?
positiv 35%
negativ 0%
egal 65%
•
Wie beurteilst du dein eigenes Verhalten gegenüber Ausländern?
aufgeschlossen 60%
gleichgültig 40%
abweisend 0%
•
Suchst du Kontakt zu den ausländischen Studenten?
ja 65%
nein 35%
•
Hast du das Gefühl, dass du von ihnen profitierst (Sprache, Kultur, etc.)? Wenn ja
inwiefern?
ja 90%
nein 10%
Kultur und Sprache, Akzeptanz und Toleranz lernen, Neues kennen lernen und den
Horizont erweitern.
Verhalten der ausländischen Studenten:
•
Wie beurteilst du die Eigeninitiative der Ausländer was ihre Integration betrifft?
zu wenig 60%
genau richtig 40%
zu viel 0%
•
Wie beurteilst du ihr Verhalten in der Gemeinschaft?
Streit suchend 0%
angenehm 35%
zurückhaltend 65%
Engagement der Hochschule:
•
Sollte deiner Meinung nach, mehr für die Integration von Seiten der Hochschule
getan werden? Und was?
ja 45%
nein 55%
Die Meisten haben als Verbesserungsvorschlag gemeinsame Sport- und Kulturaktivitäten
genannt, ebenso sollten die gemischten WGs gefördert werden.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 72
Wohnen – Studentenverbindungen in Aachen
Amelie Neusen, Sandra Bethke
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 73
Inhalt
Wohnen – Studentenverbindungen in Aachen
1
Einleitung
2
Die Situation auf dem Aachener Wohnungsmarkt
3
Die Sicht der Anbieter
4
Die Sicht der Nachfrager
5
Öffentliche Aktivitäten
6
Offene Fragen
7
Innovative Ansätze
8
Fazit
9
Quellenangaben und Bildverzeichnis
10
Anhang
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 74
1
Einleitung
Die Studentenverbindungen haben ihren Ursprung im Anfang des 19. Jahrhunderts und
noch heute prägen ihre oft großen und schönen Häuser die deutschen Studentenstädte.
In den Anfängen war das Verbindungsleben noch viel strenger und fester von studentischen
Pflichten geprägt. So stellte die Verbindung zur damaligen Zeit das einzige Organ dar, das
die Studenten gegenüber staatlichen Behörden und den damit verbundenen Rechten
vertrat. Neben Sinn und Zweck der Verbindung gab es auch die repräsentativen Zwecke, die
mit Hilfe der Studentenschaft erfüllt werden sollten. Es gibt die aktiven
Verbindungsstudenten, die „Füchse“, die passiven Verbindungsstudenten, die ihren
Pflichtteil schon erfüllt haben, sowie die so genannten „Alten“ Herren, die bereits fertige
Akademiker sind.
Im 19. Jahrhundert gab es Zeiten, in denen fast die Hälfte der Studentenschaft Mitglied in
einer Verbindung war. Diese Hochkonjunktur hat aus heutiger Sicht nachgelassen und somit
auch der Einfluss der Verbindungen auf das Studentenleben. Vielfach ist heutzutage sogar
eine ausgesprochen negative Resonanz verbunden mit dem Thema Studentenverbindung.
Um in Grundzügen ein Verständnis dafür zu bekommen, wie das Leben und damit
verbunden auch das Wohnen im Verbindungshaus funktioniert, ist festzustellen, dass die
studentischen Verbindungen nur durch den Zusammenhalt der aktiven Bundesbrüder mit
den „Alten Herren“, den examinierten ehemaligen Verbindungsstudenten funktionieren. Der
Student geht eine Art Lebensbund ein, der sowohl von sozialem, wie auch wirtschaftlichem
Interesse ist. Das heißt, dass man als junger Student davon ausgehen kann, dass ein großer
Teil des Lebensunterhalts und des Komforts auf der Unterstützung der „Alten Herren“
basiert. Von dieser profitierend, muss sich jeder verpflichten, ebenso einen bestimmten
Beitrag sein Leben lang für die nachkommende Studentenschaft zu zahlen. Der Vorteil dieser
finanziellen Regelung ist es, dass viele studentische Verbindungen im Laufe ihrer
Entstehungszeit große Verbindungshäuser bauen bzw. kaufen konnten. Diese Häuser sind
nicht nur als Orte des Zusammenlebens gedacht, sondern sollen auch
Repräsentationszwecken dienen. Viele Veranstaltungen, die in den Kalender eines
studentischen Verbindungsjahres gehören, finden dort statt. Dazu zählen Feste, Jubiläen,
Versammlungen, Vortragsveranstaltungen sowie Unternehmungen allgemeiner Art.
Die Studienarbeit, die im Rahmen des Seminars „Wohnen in der Stadt“ verfasst worden ist,
soll sich im Speziellen mit der Wohnqualität in Verbindungshäusern auseinandersetzen. Der
Schwerpunkt der Recherche und der damit verbundenen Umfrage liegt darin, dem Leser zu
zeigen, wie speziell die Qualitäten im Bereich des Wohnens in Verbindungshäusern
aussehen. Anhand der daraus resultierenden Schlussfolgerung ist es jedem Leser ermöglicht,
persönliche Vergleiche, bezogen auf die eigene Wohnqualität, zu ziehen.
Die Arbeit ist so aufgebaut, dass wir als erstes auf die jeweilige Institution im
Zusammenhang mit dem Aachener Wohnungsmarkt eingehen, um dort einen Überblick
über die Resonanz im Bezug auf das Wohnen in studentischen Verbindungen zu geben. Als
zweites gehen wir zunächst auf die Sicht der Anbieter ein, um dann in dritter Instanz auf die
Gruppe der Nachfrager schließen zu können. Zur Analyse der Anbieterseite stehen uns die
Umfrageergebnisse, sowie die Internetseiten der jeweiligen Verbindungen zur Verfügung.
Die Bewertung der Nachfragerseite basiert in erster Linie auf den Ergebnissen der unter den
Verbindungsstudenten ausgeteilten Fragebögen. Im nächsten Schritt haben wir die
öffentlichen Aktivitäten, offene Fragen sowie innovative Ansätze anhand der ausgeteilten
Fragebögen und einem Gespräch mit dem Heimvereinskassierer einer Verbindung
analysiert. Zu dem Zweck der Umfrage wurde von uns ein Viertel der in Aachen in
Studentenverbindungen lebenden Hochschüler befragt.
Im Anhang an die Studienarbeit legen wir unsere Untersuchungsergebnisse in Form von
Tabellen und Diagrammen bei.
In unserer Analyse legen wir ausschließlich unser Augenmerk auf die Verbindungen in
Aachen, die ein eigenes Haus besitzen und somit den Studenten die Möglichkeit einer
Unterkunft gewährleisten können.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 75
2
Die Situation auf dem Aachener Wohnungsmarkt
Die Recherche hat gezeigt, dass es in Aachen 35 Verbindungen mit eigenen Häusern gibt. Sie
sind alle stadtnah und zum größten Teil auch in Universitätsnähe gelegen.
Abb. 1
Wie die Karte deutlich macht, sind die meisten Häuser in guter bis gehobener Wohnlage zu
finden. So sind im Bereich des Lousbergs allein 12 Verbindungshäuser angesiedelt.
Von den ca. 36000 Aachener Studenten wohnen zurzeit laut unserer Umfrageergebnisse ca.
1,1% der Studenten auf Verbindungshäusern.
3
Die Sicht der Anbieter
Um ein Zimmer in einer Studentenverbindung zu mieten, sollte der Wohnungssuchende
nach Aushängen auf dem sog. „Schwarzen Brett“ im Hochschulbereich, im Internet sowie
nach Anzeigen im Wohnungsteil der örtlichen Presse Ausschau halten. Bei der Recherche
haben wir festgestellt, dass weder anhand der Aushänge, noch den Anzeigen in der
Aachener Zeitung genau festzustellen ist, dass es sich bei dem Anbieter um eine
Studentenverbindung handelt. Einzig eine Abbildung eines der Verbindungshäuser lässt bei
näherer Betrachtung vermuten, dass es sich dabei um eine Villa mit Fahne und damit
verbunden um eine Studentenverbindung handeln könnte. Diese Tatsache könnte ein
Hinweis darauf sein, dass wie schon anfangs erläutert, die Einstellung vieler Hochschüler zum
Leben in und mit der studentischen Verbindung eher skeptisch betrachtet wird und sogar zu
erhöhter Ablehnung geführt hat.
Die Internetportale der einzelnen Verbindungen sind sehr übersichtlich aufgebaut und
enthalten neben den Angaben zum Sinn und der Intention der jeweiligen Verbindung auch
Angaben zum Leben in der Gemeinschaft und auf dem Verbindungshaus. Der größte Teil der
Verbindungen wirbt auch über ihre Internetseiten für die Vermietung von Zimmern in ihren
Häusern.
Wenn sich ein Student dazu entschlossen hat in ein Verbindungshaus einzuziehen bleibt es
ihm ca. 1 Jahr, während seiner „Fuchsenzeit“ freigestellt, Mitglied der Verbindung zu werden.
Sollte er sich nach dieser Zeit jedoch dagegen entscheiden, muss er das Verbindungshaus
selbstverständlich verlassen.
Obwohl der größte Teil der studentischen Verbindungen schon aus geschichtlichen
Hintergründen Frauen die Mitgliedschaft verwehrt, gibt es in Aachen vier Verbindungen, die
auch Zimmer an Studentinnen vermieten.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 76
Untersucht man nun die Miete der einzelnen Verbindungen, kommt man schnell zu dem
Schluss, dass man dort für relativ wenig Geld eine sehr hohe Wohnqualität findet.
Durchschnittlich zahlen die Studenten auf Verbindungshäusern eine Warmmiete von 113,78
Euro bei einer durchschnittlichen Zimmergröße von 17,38 qm, das sind ca. 6,55 Euro/qm. Um
einen Überblick über das Preisleistungsverhältnis zu bekommen, haben wir zunächst die
Preise von Wohnungen, die ebenso in Stadt- wie in Uninähe gelegen sind verglichen. Dabei
stellte sich heraus, dass ein/e Student/in für eine Durchschnittswohnung von ca. 30qm im
Zentrum von Aachen ca. 9,67 Euro/qm Warmmiete bezahlt. Für 17,38 qm würde dies ein
Mietpreis von 168 Euro bedeuten. Hinzu kommt, dass der Student im Verbindungshaus
lediglich vertraglich für das eigene Zimmer bezahlt. Alle darüber hinaus gehenden
Leistungen sind in den zu Anfang erwähnten Subventionen, sowie in Anteilen in der
Raummiete enthalten. Dem Student entstehen außer Telefongebühren keine zusätzlichen
Kosten.
Wenn man sich die Jahre der Erbauung ansieht, stellt man fest, dass die meisten Häuser um
1935 entstanden sind. Alle befinden sich noch in sehr gutem Zustand und sind oft wenn
nicht ganz, dann zumindest in Teilen saniert. Fast alle Bauten verfügen über ein großes
Grundstück, das entweder einen schönen Garten oder einen Hof beherbergt, der ebenso
zum gemeinschaftlichen Raum gehört.
Die Häuser der studentischen Verbindungen in Aachen sind durchschnittlich 550qm groß.
Die allgemein zur Verfügung stehenden Quadratmeterzahlen der Häuser sind im Bezug auf
die durchschnittliche Bewohnerzahl für Studenten sehr hoch. So stehen jedem
Verbindungsstudenten durchschnittlich ca. 47,83qm Gesamtwohnfläche zu Verfügung.
Wenn man dies auf die Raummiete umrechnet führt das zu einer effektiven Warmmiete von
2,38 Euro/qm.
Da die studentischen Verbindungen großen Wert auf das gemeinschaftliche Leben legen,
haben wir dieses mit Hilfe der Umfrage näher untersucht. So stehen der Studentenschaft in
Verbindungshäusern durchschnittlich 272 qm zu Verfügung. Für jeden einzelnen Bewohner
bedeutet das 23,65 qm an gemeinschaftlichem Raum.
Zu den großräumigen Gemeinschaftsbereichen, die sich in fast allen Häusern finden, zählen
Aufenthaltsräume, große Küchen, Terrassen, Gärten, Sport- und Fitnessräume, sowie Lernund Veranstaltungsräume. Zusätzliche Freizeiteinrichtungen, die in den Angeboten
zwischen den Häusern variieren, sind Saunen, Billard- und Tischtennisräume, Bibliotheken,
TV – Räume, Waschküchen sowie Partykeller.
Das Zusammenleben wird zusätzlich gestärkt durch gemeinsame Aktivitäten
Vortragsveranstaltungen, Klausurvorbereitungen, Ausflüge und Partys.
wie
Darüber hinaus werden den Bewohnern von Verbindungshäusern viele Dienstleistungen zur
Wohnqualitätssteigerung angeboten, die bereits in den geringen Mieten von
durchschnittlich 6,55 Euro pro qm inbegriffen sind.
Unter der Rubrik „Sonstiges“ wurden Getränkedienste, Hausmeister,
Tageszeitungs-Abos
sowie
Haushälterinnen
aufgeführt.
Es
gibt
zusätzliche
Einrichtungsgegenstände, die im Haus vorhanden sind und ab dem Zeitpunkt des Einzugs
bereits ein vorhandenes Grundmaß an Wohnqualität bieten. Dazu zählten in der Umfrage,
Snack- und Getränkebars, Musikinstrumente, Grills, Computer, Kopierer sowie Beamer und
TV-Geräte.
Abschließend sei festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine gute Wohnqualität in
Verbindungshäusern grundsätzlich eine ganz andere ist, als beispielsweise in einem eigenen
Appartement oder einer einfachen WG. Durch die zusätzlichen Serviceleistungen, die jeder
Bewohner nutzen darf, ist das Preisleistungsverhältnis in keiner anderen studentischen
Wohnform so gut wie dort. Dabei ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass gerade zu
Anfang viel Initiative von den so genannten „Füchsen“ gefordert wird. So liegt es in ihrer
Hand die Aktivitäten zu organisieren und sich in ihrem Rahmen um die anfallenden Belange
der jeweiligen Verbindung zu kümmern. Neben diesen allgemeinen Tätigkeiten gibt es auch
Pflichten, die jedes Mitglied zu erfüllen hat. So ist es selbstverständlich, dass die jungen
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 77
Verbindungsmitglieder den Kontakt zu den „Alten Herren“ pflegen und auch die bereits
existierenden Kontakte zur Wirtschaft und Untenehmen für die Nachkommenden sichern. Zu
diesen Pflichten zählen die Pflege und Instandhaltung des Hauses sowie in einigen
Verbindungen das Erlernen des Fechtens, sowie das Erwerben des Jagdschein.
Im Folgenden werden wir eine der besuchten Verbindungen aus Aachen im Hinblick auf ihre
Anbieterseite genauer beschreiben.
Abb. 2
Die K.D.St.V.Kaiserpfalz zu Aachen ist eine von sechs Aachener Katholischen
Studentenverbindungen im Cartellverband. Das Verbindungshaus befindet sich auf der Hörn
in der Strasse Hexenberg 10. Das Haus besitzt 13 Wohneinheiten, wovon zurzeit 11 vermietet
sind. Die Zimmer haben eine Größe zwischen 15 und 25 qm. Die monatliche Miete liegt
zuzüglich 15 Euro Nebenkosten zwischen 80 und 100 Euro, je nach Zimmergröße. Jedem
Student stehen ein Fernsehanschluss, ein Internetzugang, sowie teilweise Waschbecken und
Balkon zur eigenen Verfügung. Grundsätzlich teilen sich 2 Studenten eine Toilette und auf
eine Dusche kommen ca. 6-7 Bewohner.
Zur weiteren Verfügung stehen den Studenten ein großer Aufenthalts-, sowie ein
Veranstaltungsraum, eine Theke mit angeschlossenem Raum, ein Fernsehraum, ein
Esszimmer, ein Saal, sowie eine große Terrasse, die zu Grillzwecken dienen kann.
Das Haus besitzt keinen Garten, jedoch einen Hof der Parkplätze für ca. 17 Autos bietet. Als
gemeinschaftliche Veranstaltungen werden von dieser Verbindung Vorträge, Rhetorikkurse,
Diplomatie- und Kooperationsveranstaltungen sowie Diskussionsrunden, Partys, Ausflüge,
gemeinschaftliche Essen, Lerngruppen, Sport und regelmäßige Stammtische organisiert. Die
Verbindung versteht sich gerade für die neuen Studenten als Erstsemesterhilfe und
Wegweiser für den neuen Lebensabschnitt.
Das gemeinschaftliche Leben in der Verbindung Kaiserpfalz lässt sich in der Kernaussage:
Religio, Scientia, Amicitia, Patria zusammenfassen. Diese Intention vertritt ein nach
Freundschaft und wissenschaftlichem Streben orientiertes Zusammenleben unter einem
Lebensbund, der auch noch nach dem Studium Bestand hat.
4
Die Sicht der Nachfrager
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 78
Nach der ausführlichen Beschreibung der Anbieterseite werden wir uns im Folgenden mit
der Nachfragerseite auseinandersetzen. Um eine genauere Übersicht zu gewinnen, wer in
Studentenverbindungen wohnt, sind wir so vorgegangen, dass wir ein Viertel der in Aachen
auf Verbindungshäusern lebenden Studenten befragt haben. Zu dem Zweck haben wir
zuvor einen Fragebogen erstellt, der sich eingangs mit den Angaben zur Person, zum Haus,
zum gemeinschaftlichen Wohnen, sowie dem privaten Wohnen befasst. Im zweiten Teil der
Umfrage haben wir Fragen speziell zur Wohnqualität gestellt. Dabei war es uns wichtig,
zwischen der Qualität des Hauses und der Gemeinschaft zu unterscheiden. Bezogen auf das
Haus fragten wir nach dem Raumprogramm sowie der Wichtigkeit der Lage für die Wahl
dieser Wohnform. Hinsichtlich der Gruppe interessierte uns das allgemeine Angebot an
Aktivitäten, sowie die Existenz eventueller Nutzungsgemeinschaften. Weiter befragten wir
die Bewohner nach den Serviceleistungen, sowie den bereits vorhandenen
Einrichtungsgegenständen, die die Wohnqualität zusätzlich sichern. Als letztes gingen wir
auf die Wohnqualität jedes einzelnen ein.
Das Durchschnittsalter der in der Verbindung wohnenden meist männlichen Studenten ist
22,56 Jahre. Dieses recht geringe Alter, lässt darauf schließen, dass die Fluktuation in
Verbindungshäusern sehr hoch ist und immer wieder neue Studenten einziehen. Aus der
Umfrage ging auch hervor, dass der Studienerfolg bei den meisten Studenten nicht ganz so
groß ist, als wenn man alleine lebt und sich ausschließlich der Arbeit und dem Lernen
widmen kann. Unterstützend zu dieser These lässt sich hinzufügen, dass der
Semesterdurchschnitt bei 4,3 liegt. Mehr als 40% der Studenten, die an der Umfrage
teilgenommen haben, sind im Studiengang Maschinenbau eingeschrieben. In Anbetracht
der Tatsache, dass die RWTH Aachen eine technische Universität ist, ist dies jedoch nicht
verwunderlich.
Jeder Wohngemeinschaft gehören durchschnittlich 11,5 Personen an. Diese zahlen bei einer
durchschnittlichen Zimmergröße von 17,38 qm eine Warmmiete von 113,78 Euro. Das
bedeutet für den Quadratmeter ein Grundpreis von 6,55 Euro.
Über die Hälfte der befragten Personen fand die Universitäts-/ und Stadtnähe neben der
guten Wohnlage ausschlaggebend für die Wahl dieser Wohnform.
Die verkehrstechnischen Anbindungen spielten nur eine untergeordnete Rolle.
Unter der Rubrik „Sonstiges“ wurden Einkaufsmöglichkeiten, die Nähe zu anderen
Verbindungen und eine ruhige Lage genannt.
Neben dem persönlichen Zimmer mit den eigenen Einrichtungsgegenständen gibt es ein
großes Angebot an gemeinschaftlich genutzten Gegenständen, die die persönliche
Wohnqualität bei geringen Kosten erhöht. Dazu zählen Fahrgemeinschaften,
gemeinschaftlich genutzte Autos, Fahrräder, Klaviere sowie andere Musikinstrumente.
Außerdem wurden genannt: Waschmaschinen, Computer, Faxgeräte, Beamer, Playstations,
Kicker, Billardtische oder Premiere - Abos.
Das besonders preiswerte Wohnen ( 6,55 Euro pro private qm incl. gemeinschaftliche qm )
sowie das hohe Maß an Gemeinschaftssinn sind bei fast allen Befragten ausschlaggebend für
die Wahl dieser Wohnform. Hinzu kommen der große Rückhalt, die vielen Kontakte, die
Studienstarthilfe sowie die vielen gemeinschaftlichen Aktionen, aber auch die
Nutzungsgemeinschaften.
Für fast alle Befragten bietet das Wohnen in der Verbindung genügend Freiraum für die
Privatsphäre.
Um die Wohnqualität noch steigern zu können kamen Vorschläge zur Aufwertung der
Häuser durch notwendige Reparaturen und der Steigerung der Sauberkeit, auch unter den
Bewohnern. Seltener gab es Vorschläge hinsichtlich „weniger Regeln“, „mehr Frauen“,
„größere Zimmer“ oder Luxusgüter, wie Whirlpool und Sauna.
Der Durchschnitt der Befragten würde der eigenen Wohnqualität eine Note zwischen sehr
gut und gut geben (1,89). Betrachtet man die Änderungsvorschläge und die Benotung der
Wohnqualität, so lässt sich feststellen, dass es eine Grundzufriedenheit unter den Bewohnern
gibt.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 79
5
Öffentliche Aktivitäten
Zu den Aktivitäten der Verbindungsbewohner gehört es vor allem das Ansehen der
Verbindung und deren Anliegen in der Öffentlichkeit zu vertreten. Hierzu zählen sowohl die
Darstellung und Umsetzung der unterschiedlichen Prinzipien einer jeden Verbindung (auch)
in der Öffentlichkeit, als auch die Neuwerbung von überwiegend männlichen Studenten (in
Aachen gibt es nur zwei Verbindungen die Frauen aufnehmen), die in die Verbindung
eintreten und meistens auch auf dem Verbindungshaus wohnen wollen.
Zur Umsetzung der Prinzipien ist zu sagen, dass jede Verbindung unterschiedliche
Schwerpunkte in ihrem Zusammenleben setzt. Für einige sind die Freundschaft, die
Verbindung zum Vaterland, die Wissenschaft oder die Religion Leitgrundsätze für ein
Miteinander innerhalb der Verbindung, für andere wiederum ein gemeinsames Interesse an
Sport, Musik oder Kunst. Viele Verbindungen verknüpfen diese Grundsätze auch mit
öffentlichen Auftritten, zum Beispiel bei offiziellen Wettkämpfen oder in mitgestalteten
Gottesdiensten, bei denen Vertreter der Verbindung „chargieren“, das heißt ihre Uniformen
und ihre verbindungseigenen Farben tragen, während sie sich bei einem Gottesdienst (der
von ihnen finanziell durch eine Spende unterstützt wird) im Altarbereich aufstellen.
Um Abiturienten oder Studenten auf die Verbindungen aufmerksam zu machen, wird vor
allem über das Internet, die Zeitung, Abiturientenmessen oder Mund zu Mund Propaganda
geworben und freie Zimmer „auf dem Haus“ angeboten.
Alle 35 Verbindungen in Aachen haben zusätzlich zu der Homepage ihres Verbandes, dem
sie angehören auch eine eigene Homepage, auf der sie sich und ihr Verbindungshaus kurz
vorstellen, einen Überblick über die Verbindungsprinzipien, Eintrittsvoraussetzungen,
gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen geben. Fast jede Verbindung bietet
Außenstehenden die Möglichkeit, bestimmte Veranstaltungen „auf ihrem Haus“ zu
besuchen, um sich in dem Verbindungshaus umsehen und die Mitglieder kennen lernen zu
können.
So bekommen diese Veranstaltungen, die eigentlich private Zusammentreffen der meist
aktiven Verbindungsstudenten sind, bei Besuch von Gästen einen öffentlichen Charakter. Es
werden ebenso regelmäßig Partys in den Verbindungshäusern veranstaltet, für die in der
Öffentlichkeit mit Plakaten und Flyern geworben wird, um ein möglichst großes Publikum zu
erreichen.
Auf diesen Partys sollen Bekanntschaften geschlossen und Vorurteile gegen Verbindungen
abgebaut werden. Zusätzlich werden durch die Einnahmen der Partys Anschaffungen für das
Verbindungshaus oder geplante gemeinschaftliche Unternehmungen finanziert.
Abb. 3
Auf Abiturientenmessen, die einmal jährlich stattfinden bauen die unterschiedlichen
Verbände der Verbindungen Stände auf, die wechselnd von verschiedenen Häusern betreut
werden. Dort können sich die einzelnen Verbindungen der nächsten Studentengeneration
als Hauptzielgruppe vorstellen. Es wird mit Informationsmaterial der Verbindungen und
deren Ansprechpartnern vor Ort versucht, Interesse der Besucher für diese Lebens-/ und
Wohnform zu wecken.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 80
6
Offene Fragen
Warum können Verbindungsstudenten bei einer Zimmer-Warmmiete von durchschnittlich
6,55 Euro/qm (aufs eigene Zimmer bezogen) oder einer effektiven Warmmiete von 2,38
Euro/qm (auf die pro Person verfügbaren Gesamtquadratmeter bezogen) so preiswert auf
einem Verbindungshaus wohnen?
Das Verbindungshaus gehört in der Mehrzahl der Fälle einem verbindungseigenem
Heimverein, der die Verbindung und ihre finanziellen Aspekte, sowohl die Einnahmen aus
den Mitgliedsbeiträgen der „Alten Herren“ ( Verbindungsstudenten mit einem
abgeschlossenen Studium) und Mieten der Hausbewohner als auch die Kosten/Ausgaben für
das Haus verwaltet.
Dieser besteht aus gewählten „alten Herren“ der Verbindung, die die Ämter des
Heimvereinsvorsitzenden und des Heimvereinskassierers besetzen.
Aus dem Gespräch mit dem Heimvereinskassierer einer Verbindung ergaben sich folgende
Antworten, die ein exemplarisches Beispiel über die finanzielle Lage und die
Zusammenhänge einer Verbindung zeigen:
In dieser Verbindung gab es im Jahr 2005 ca. 350 „alte Herren“, die jährlich einen Beitrag von
je ca. 220 Euro bezahlten. Diese 220 Euro splitten sich dann in drei Teilbeträge, von denen ca.
146 Euro an den Heimverein gehen. 28 Euro gehen an den Verband, in dem sich die
Verbindung befindet und 46 Euro gehen an den Altherrenvorstand, der das Geld der
Verbindung für Feste oder anfallende Kosten zur Verfügung stellt.Dabei ist der an den
Heimverein zu leistende Beitrag von 220 Euro relativ zu sehen, da diesen vollen Betrag nur
„Alte Herren“ entrichten müssen, die einen festen Beruf haben und sich diesen Beitrag
„leisten“ können. So werden „junge Alte Herren“ die gerade erst mit dem Studium fertig sind
und vielleicht noch keinen Job haben von diesem Betrag freigestellt oder müssen je nach
Anfangseinkommen einen geringeren Prozentsatz zahlen. So beliefen sich die
eingegangenen Gesamtbeiträge 2005 auf ca. 50000 Euro, die mit den Gesamtkosten für das
Haus annähernd übereinstimmen. Von diesen 50000 Euro stammen allerdings nur gut 8700
Euro aus Mieteinnahmen des Verbindungshauses. Vergleicht man diesen Betrag allein mit
den Gaskosten, die sich 2005 auf ca. 10400 Euro beliefen, kommt man zu dem Schluss, dass
die Mieteinnahmen nur rund 17,4% der Gesamtkosten decken und 82,6% über die
Altherrenbeiträge finanziert werden.Werden jetzt spezielle Reparaturen oder Anschaffungen
in dem Verbindungshaus nötig, bleibt nicht mehr viel Geld für diese übrig. In diesem Fall
können diese Anschaffungen oder Reparaturen nur getätigt werden, wenn Spenden „Alter
Herren“ geleistet oder ein Kredit aufgenommen wird. Aufgenommene Kredite müssen dann
durch die eingehenden Jahresbeiträge abbezahlt werden und ziehen Kürzungen an anderen
Stellen mit sich. Da der Heimverein als ein gemeinnütziger Verein eingetragen ist, kann er
eingehende Spenden steuerlich absetzen, darf diese Beträge aber nicht ansparen, sondern
muss sie umgehend in das Verbindungshaus investieren.
Nun stellt sich aber auch die Frage, was passiert, wenn mehrere „Alte Herren“ ihre Beiträge
nicht bezahlen können oder wollen?
In Anbetracht der Tatsache, dass nur rund 17,4% der Gesamtkosten des Hauses durch
Mieteinnahmen gedeckt sind, wäre eine Mieterhöhung nur ein Tropfen Wasser auf den
heißen Stein. Bei einer deutlichen Mietpreiserhöhung würde die Attraktivität des Wohnens
auf einem Verbindungshaus stark abnehmen. Nun lässt dies keine Rückschlüsse auf
nachlassende Mitgliederzahlen zu, aber dennoch wäre anzunehmen, dass sich einige junge
Männer dann zweimal überlegen würden, ob sie einer Verbindung beitreten sollen oder
nicht, da preiswertes, gemeinschaftliches Wohnen in einer guten Wohnlage kein zu
vernachlässigendes Kriterium bei der Wahl dieser Wohnform und dieses Lebensbundes ist.
Würde man andererseits die Jahresbeiträge der restlichen „Alten Herren“ anheben, bleibt die
Frage, ob diese bereit wären die Mehrlast auf sich zu nehmen, was ja auch einen erheblichen
finanziellen Mehraufwand mit sich bringen würde. Als letzte Möglichkeit bliebe noch ein
Kredit, der aber nicht abbezahlt werden könnte, da ja zu wenige Beiträge eingezahlt werden.
Würde die Zahlung der Beiträge aus irgendwelchen Gründen stoppen, wäre diese Wohnform
zum Scheitern verurteilt.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 81
7
Innovative Ansätze
Wie im Abschnitt „Offene Fragen“ bereits erwähnt, steht und fällt diese Art der
generationsübergreifenden Wohnform mit dem Pflichtbewusstsein und den finanziellen
Möglichkeiten der ehemaligen Bewohner, den „Alten Herren“. Bei Verbindungen ist das
Prinzip des Lebensbundes durch Freundschaften und gleiche Anliegen tief geprägt und die
Mitglieder sind in großem Maße bereit noch über ihre „aktive“ Burschenzeit hinaus die
neuen Generationen finanziell zu unterstützen. So besuchen viele „Alte Herren“ noch lange
Zeit nach ihrem Studium die eigene Verbindung zu Festen und Feierlichkeiten. Sie sind nicht
nur zu Stammtischen oder Vorträgen gern gesehene Gäste, mit denen man abends auch
schon mal das ein oder andere Bierchen an der Theke trinkt. Dieses altersunabhängige
Miteinander und das Lernen voneinander stärkt die Bindung innerhalb der Gemeinschaft nur
zusätzlich.
Abb. 4
In einigen Verbindungen gibt es Fonds, die eingerichtet werden, um in Not geratenen „Alten
Herren“ finanzielle Hilfe zukommen zu lassen.
Dieses Gefühl der Sicherheit innerhalb einer Gruppe verbindet die Mitglieder. Viele „Alte
Herren“ sind gerne bereit ihren Beitrag zu dieser Gemeinschaft zu leisten, solange es ihnen
finanziell möglich ist, mit der Gewissheit im Notfall von eben dieser Gesellschaft wieder
aufgefangen zu werden. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl eine Gruppe von jungen
Verbindungsstudenten zu unterstützen, in derselben Weise, wie sie selbst während des
Studiums unterstützt wurden.
Im Prinzip ist der Lebensbund mit der Verbindung und die Wohnform des
Verbindungshauses zu nehmen solange man studiert und zu geben sobald man eigenes
Geld verdient, ein sehr innovativer Ansatz, der sich seit Generationen in Verbindungen
bewährt hat und sich wahrscheinlich auch noch über viele Generationen bewähren wird.
Dieser Ansatz ist schwer auf andere Wohnformen oder Gruppen übertragbar, da sich in den
seltensten Fällen gemeinsame Interessen finden lassen, die auch ein Leben lang anhalten
und die Personen miteinander verbinden. Warum sollten ältere Menschen für jüngere
Generationen zahlen, die sie wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben gesehen haben? Dieses
setzt schon ein hohes Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe voraus, die
generationsübergreifend dieselben Prinzipien vertreten und nach ihnen handeln.
Abb. 5
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 82
8
Fazit
Zum Thema Wohnqualität in einem Verbindungshaus ist zu sagen, dass einem
Verbindungsstudenten mit 47,83 qm überdurchschnittlich viel Wohnfläche zu einem
Quadratmeterpreis zur Verfügung steht, der mit 2,38 Euro/Gesamtquadratmeter Warmmiete
weit unter dem Durchschnitt von 9,67 Euro/Quadratmeter Warmmiete liegt. Findet ein
Student eine Verbindung, die seinen Bedürfnissen und Neigungen entspricht und möchte er
dem Lebensbund dieser Verbindung auf Lebenszeit beitreten, so kann er während seiner
Studienzeit äußerst preiswert unter gleichgesinnten Freunden und Bekannten auf einem
Verbindungshaus wohnen.
Jedoch ist dieses Wohnverhältnis auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt um neuen,
jüngeren Verbindungsstudenten Wohnraum „auf dem Verbindungshaus“ bieten zu können.
Danach muss jeder Verbindungsstudent sich eine eigene Wohnung nehmen, oder sich zu
anderen Wohnformen zusammenfinden. Es handelt sich bei dieser Wohnform also um ein
zeitlich begrenztes, preiswertes Wohnen, das einem neuen Studenten den Studieneinstieg
und die Kontaktaufnahme zu anderen Studenten in meist fremden Städten fernab der
Heimatstadt
erleichtern
soll.
Dem
Bewohner
stehen
sowohl
besondere
Einrichtungsgegenstände wie z.B. eine Waschmaschine oder eine Sauna vom Zeitpunkt des
Einzuges im Haus zur Verfügung, als auch bestimmte Dienstleistungen wie z.B. einen
Putzservice, die bereits im geringen Mietpreis enthalten sind. Das Zusammenleben auf
einem Verbindungshaus wird durch festgelegte Regeln und Verhaltensweisen mitbestimmt,
um einen organisierten Ablauf des gemeinsamen Wohnens und der Formalitäten zu
gewährleisten. Der Bewohner eines Verbindungshauses hat viele Freiheiten, muss sich aber
an festgesetzte Regeln halten, sonst kann er nach mehrmaliger Verwarnung aus der
Verbindung und somit auch aus dem Verbindungshaus ausgeschlossen werden. Außerdem
wird er in keiner anderen Verbindung in Aachen mehr aufgenommen. Sollte ein Student sich
entscheiden einer Verbindung beizutreten, so hat er ein Jahr lang Zeit, sich während seiner
„Fuchsenzeit“ endgültig für oder gegen ein Verbindungsleben zu entscheiden, da er nach
dieser „Probezeit“ die Verbindung noch verlassen kann.
Da es sich um einen Lebensbund, mit einer Mitgliedschaft bis zum Tod handelt, sollte allein
der Aspekt des (preiswerten) Wohnens auf einem Verbindungshaus nicht der
ausschlaggebende Punkt für einen Beitritt in eine Verbindung sein.
Um abschließend einen kurzen Vergleich zu ziehen, ist zu sagen, dass Eigentums-/ oder
Mietwohnungen zwar auch einen gehobenen Standard bieten, aber bei weitem nicht an das
hervorragende Preis-Leistungs-Niveau eines Verbindungshauses heran kommen.
Studentenwohnheime gehören eher derselben Preiskategorie wie Verbindungshäuser an,
bieten aber nicht annähernd so viel Komfort und Platz für den einzelnen Student. So liegt der
Schnitt der gemeinsam genutzten Küchen, Duschen oder Toiletten durch die große Zahl der
Studenten in Wohnheimen wesentlich über dem einer Studentenverbindung.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass es wohl keine andere vergleichbare Wohnform für Studenten
gibt, in der diese so preiswert und doch komfortabel, in meist zentrumsnaher, gehobener
Wohnlage wohnen können.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 83
9.
Quellenangaben
Eine Umfrage unter 396 Verbindungsstudenten in 30 von 35 Verbindungen in Aachen.
Ein Gespräch mit dem Heimvereinskassierer einer Verbindung, die aus Datenschutzgründen
nicht namentlich erwähnt wird, über die Finanzierung eines Verbindungshauses.
www.baltia.de
www.franconia-aachen.de
www.marchia.de
www.makaria-cv.de
www.k.d.st.v.kaiserpfalz.de
www.bergland-aachen.de
www.ripuaria-aachen.de
www.carolingia.de
www.kstvwiking.de
www.pruthania.de
www.alania-breslau.de
www.grolu.de
www.corps-marko-guestphalia.de
www.corps-montania.de
www.corps-paleo-teutonia.de
www.corpsdelta.de
www.saxo-montania.de
www.corps-saxonis-berlin.de
www.corpsfranconia.de
www.promerania.de
www.db-alemannia.de
www.alania-aachen.de
www.burschenschaft-libertas.de
www.abteutonia.de
www.cheruscia-dresden.de
www.unitas-reichenstein.de
www.assindia.unitas.org
www.rhenopalatia-aachen.de
www.vdst-aachen.de
www.atv-aachen.de
www.westmark-aachen.de
www.corps-borussia-breslau.de
www.amvarion.de
www.sv.org
www.wingolf.org/aachen
www.rheno-borussia.rwth-aachen.de
www.adc-laetitia.de
www.butt-verein.de
www.avl.lu
www.cartellverband.de
Abbildung 1: Lageplan der Verbindungshäuser in Aachen
Abbildung 2: Verbindungshaus „Dreizehnlinden“ der K.D.St.V.Kaiserpfalz
Abbildung 3: Cocktailparty K.D.St.V.Kaiserpfalz
Abbildung 4: Stammtisch Mainzer Wingolf
Abbildung 5: Verbindungsprinzipien Uni-Heidelberg Studentenkarzer
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 84
10. Anhang
Interview am 28.Februar 2006 mit dem Heimvereinskassierer einer aus Datenschutzgründen
nicht genannten Verbindung über die Finanzierung eines Verbindungshauses
Frage: Wie viele „Alte Herren gibt es, die monatlich oder jährlich Beiträge bezahlen? Und wie
hoch ist dieser Beitrag?
Antwort: Es gibt momentan ca.350 „Alte Herren“ die jährlich einen Beitrag von insgesamt
ca.50000 Euro an den Heimverein bezahlen. “Junge Alte Herren“ die gerade ihr Studium
beendet und vielleicht noch keinen Job haben, werden von diesem Betrag freigestellt, oder
müssen nur einen geringeren Prozentsatz bezahlen.
Frage: Auf welche Summe belaufen sich die gesamten jährlichen Unterhaltskosten für das
Verbindungshaus?
Antwort: Die Kosten werden in etwa durch die Mieteinnahmen aus dem Haus und den
Altherrenbeiträgen gedeckt, sie liegen also ca. bei 50000Euro.
Frage: Welchen Anteil am Gesamtbetrag der Einnahmen haben die Mieteinnahmen?
Antwort: Die Mieteinnahmen lagen 2005 bei 8700Euro. Betrachtet man allein die Gaskosten
von 10400Euro sieht man, dass die Mieteinnahmen noch nicht einmal diese abdecken. Die
Mieten haben eher einen symbolischen Wert, da sie in Bezug auf die Gesamtkosten des
Hauses eher ein Tropfen auf den heißen Stein sind.
Frage: In wie weit werden die Beiträge in das Verbindungshaus gesteckt? Gibt es Rücklagen?
Antwort: Der Heimverein einer Verbindung ist als gemeinnütziger Verein eingetragen und
darf somit kein Kapital ansparen. Spenden können auch steuerlich abgesetzt werden. Alles
Geld, das an den Heimverein geht, wird in das Verbindungshaus investiert.
Frage: Was passiert, wenn Reparaturen oder größere Anschaffungen für das Haus benötigt
werden?
Antwort: Bei größeren Anschaffungen oder Reparaturen ins die Verbindung auf Spenden der
„Alten Herren“ angewiesen oder muss einen Kredit bei der Bank aufnehmen, der dann nach
und nach von den Beiträgen abbezahlt wird.
Frage: In wie weit ändern sich die Mieten, wenn die „Alten Herren“ ihre Beiträge nicht
bezahlen?
Antwort: Es würde nichts nützen die Mieten zu erhöhen. Die Mieten gehen im Vergleich zu
den Beiträgen so wenig ins Gewicht, dass sich eine Mieterhöhung kaum bemerkbar machen
würde.
Frage: Wie würde dieser fehlende Betrag ersetzt werden? Würden die Jahresbeiträge der
„Alten Herren“ erhöht?
Antwort: Das wäre eine Möglichkeit. Es stellt sich aber die Frage in wie weit die „Alten
Herren“ bereit wären, diese Erhöhung zu finanzieren. Ansonsten müsste an anderer Stelle
gespart werden.
Frage: Wie wurde die Finanzierung in früherer Zeit geregelt? Wurden schon immer Beiträge
bezahlt?
Antwort: Ja, soweit ich weiß, wurden schon immer Beiträge von den „Alten Herren“ bezahlt
oder Geldspenden geleistet.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 85
Wohnformen für Senioren in Aachen
Tanja Haberland, Miriam Uebber
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 86
Inhalt
Wohnformen für Senioren in Aachen
1
Einleitung
2
Seniorenheime
3
Beispiele
4
Fazit
5
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 87
1.
Einleitung
Vorwort
Mit diesem Referat zum Thema „Ab ins Heim – Die Seniorenresidenz“ für das Seminar
‚Wohnen in der Stadt’ wollen die Verfasser das heutige Angebot an Seniorenheimen einmal
genauer untersuchen. Es stellt sich die Frage: Entsprechen die Heime ihrem schlechten Ruf
oder sind sie heutzutage vielleicht mehr als nur eine unwürdige „Verwahranstalt“ für alte
Menschen?
Dazu definieren die Autoren zunächst, wer als Senior gilt und welche Wohnformen es
allgemein für alte Menschen gibt. In einem nächsten Schritt wird untersucht, was
Seniorenheime im Speziellen bieten (sollten), wie sie finanziert werden und wo und wie viele
es davon in Aachen gibt. Schließlich haben die Verfasser zwei Beispiele für umfangreich
ausgestattete Seniorenheime in Aachen herausgesucht und bezüglich Leitgedanken und
Grundsätze, Art und Umfang der Leistungen und Angebot der einzelnen Wohnformen
untersucht.
Definition: Senior
Der Begriff Senior umfasst im sprachlichen Sinn mehrere Bedeutungen. Zum einen
beschreibt der Begriff des Seniors einen älteren Menschen jenseits des Erwerbsalters, also ab
einem Alter von 65 Jahren. Mit dieser Definition wollen wir uns hier weiter beschäftigen.
Der Begriff beschreibt allerdings auch noch weitere Definitionen. Denn Sportler zählen zum
Beispiel schon ab einem Alter von ca. 30 Jahren zu den Senioren. Studenten in den USA
nennt man ab dem 7. Semester Senior. Und in der Kaufmannssprache bezeichnet der Senior
den älteren Teilhaber. Des Weiteren ist der Senior auch eine Amtsbezeichnung für leitende
Geistliche im evangelischen städtischen Kirchenwesen.
Wohnformen für Senioren in Aachen
In Aachen gibt es viele verschiedene Wohnformen für Senioren.
Die wohl bekanntesten Wohnformen sind die Alten-, Pflege- und Altersheime. In diesen
Heimen werden Senioren rund um die Uhr von Fachpersonal gepflegt und betreut.
Neben den Wohnformen der Heime gibt es in Aachen diverse alternative Möglichkeiten des
Wohnens für alte Menschen.
Darunter zählt zum Beispiel das betreute Wohnen. Diese Form des Wohnens ist den Heimen
nahe. Den Bewohnern werden medizinische, pflegerische und betreuerische Leistungen
geboten. Im Gegensatz zu den Heimen hat der Bewohner allerdings mehr Freiheiten, da er in
einer eigenen Wohnung lebt und somit selbständiger ist.
Des Weiteren gibt es für Senioren vom Sozialamt Wohnberechtigungsscheine, die den
Besitzern finanzielle Unterstützung bieten.
Auch der Wohnungstausch stellt eine adäquate Alternative dar. Bei diesem von der Stadt
betreutem Programm können Menschen ihre Wohnungen untereinander tauschen. Zum
Beispiel könnten ältere Leute, die auf dem Land leben ihre Wohnung mit einer jüngeren
Familie aus der Stadt tauschen, um somit besser an die Versorgungsmöglichkeiten der Stadt
angeschlossen zu sein.
Wenn der Senior in seiner eigenen Wohnung/Haus leben bleiben möchte gibt es auch die
Alternative der häuslichen Pflege. Hierbei wird der Patient zu Hause von mobilen Diensten
medizinisch versorgt und in seinem täglichen Leben unterstützt.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 88
Des Weiteren gibt es eine ganze Reihe von alternativen Wohnformen wie zum Beispiel
Senioren-Wohngemeinschaften, Telefonketten oder diverse Wohnprojekte für
gemeinschaftliches Wohnen für Jung und Alt.
Historischer Hintergrund
Heime für Senioren sind die bekanntesten und traditionellen Einrichtungen für ältere
Menschen.
Nach dem 2. Weltkrieg waren sie noch nicht mehr als `Verwahranstalten´.
Im Laufe der 60er und 70er Jahre wandelten sie sich in krankenhausähnliche Einrichtungen,
in denen Pflegebedürftige behandelt wurden. Doch viel mehr als eine medizinische
Versorgung wurde den Menschen nicht geboten.
Erst seit Beginn der 80er Jahre sind die Heime in erster Linie Wohnstätten, in denen die
Bewohner entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse gepflegt und versorgt werden und
sich wohl fühlen sollen. Es steht nicht nur die medizinische Versorgung im Mittelpunkt,
sondern der Aufenthalt im Heim wird als Serviceleistung für die Bewohner angesehen. Der
Gast soll zufrieden sein und sich wohl fühlen.
2
Seniorenheime
Definition Altersheim und Altenheim
Unter dem Begriff Altersheim versteht man grundsätzlich ein Heim, in dem ältere Menschen
leben und betreut werden.
Altenheime hingegen gehen noch darüber hinaus. Im Gegensatz zum Altersheim bieten sie
mehr Wohnraum für alte Menschen, zumindest ein gewisses Maß an Grundpflege und
zusätzlich gemeinnützige Einrichtungen zur Freizeitgestaltung der älteren Herrschaften.
Unterschiede zu anderen Wohnformen
Seniorenheime sind gemeinschaftliche Wohnstätten mit Pflege- und Freizeitbetreuung und
zudem eine Art „autarkes System“, also eine in sich abgeschlossene Einrichtung, in der die
Senioren alles bekommen, was sie benötigen (quasi ohne das Gelände zu verlassen). Der
Nachteil ist, die alten Menschen müssen ihr Zuhause verlassen und sich im hohen Alter noch
an neue Umstände anpassen.
Alternativ dazu gibt es Wohnformen für Alte, die eine selbstständige Organisation des
Alltags gewährleisten. Dadurch ist sichergestellt, dass die Senioren nicht aus ihrem
gewohnten Wohnumfeld gerissen werden beziehungsweise sie ihr Milieu selbst gestalten
können, also in ihre Gesellschaft integriert bleiben. Dazu gehören die private Wohnung, zu
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 89
der bei Bedarf ein mobiler Pflegedienst in Anspruch genommen werden kann und
Wohngruppen und -projekte im Sinne von betreutem Wohnen.
Altenheime in Aachen
Im Aachener Stadtgebiet gibt es 31 Senioren- und Pflegeheime. Teilweise unterliegen sie
privaten Organisationen oder wohltätigen Einrichtungen wie zum Beispiel der Caritas, dem
diakonischen Hilfswerk oder der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Größtenteils konzentriert sich ihre
Lage auf den Innenstadtbereich, wo eine gut ausgebaute Infrastruktur vorzufinden ist, und
auch an attraktiven Grünflächen wie dem Westpark oder dem Stadtpark, wodurch den
Bewohnern ein noch größerer Freiraum gesichert wird als die Einrichtung sie bieten kann.
Grundleistungen eines Heimes
Was genau leisten nun Heime? Da wären als erstes die Unterkunft in einem (Ein- oder
Mehrbett-) Zimmer und die Verkostung der Bewohner, sowie eine gewisse Grundpflege. Je
nach Anordnung eines Arztes kann auch eine spezielle Behandlungspflege beziehungsweise
rehabilitative und aktivierende Maßnahmen durchgeführt werden.
Außerdem gehört zu den selbstverständlichen Leistungen die soziale Betreuung der alten
Menschen. Zusätzlich werden vom Heim kulturelle Veranstaltungen angeboten, wodurch die
Bewohner ihre Freizeit gestalten können.
Finanzierung der Betreuungs- und Pflegekosten
Die monatlichen Kosten für Unterkunft, Verpflegung etc. werden von den Bewohnern selbst
getragen. Hierbei unterscheiden sich die meisten Heime im Preis-Leistungs-Verhältnis. Für
ein größeres Angebot an Speisen, größere Wohnräume und ähnliches verlangen die Heime
selbstredend mehr Geld.
Bezüglich der Pflegeleistungen bekommen die Senioren je nach Pflegestufe (1-3) Zuschüsse
durch die Pflegekasse.
Falls ein Bewohner nicht mehr für die Heimkosten aufkommen kann, werden seine Kinder
oder Angehörigen in die Pflicht genommen. Sollten auch diese die Unkosten nicht bezahlen
können, bezuschusst das Sozialamt den Heimaufenthalt.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 90
3
Beispiele
Seniorenpark Carpe Diem
Senioren-Park carpe diem Aachen
Robenstraße 19-31
52070 Aachen
Tel.: 0241/51541-0
eMail: [email protected]
Die Gesellschaft
Die carpe diem Gesellschaft für den Betrieb von Sozialeinrichtungen mbH wurde 1998 mit
Sitz in Erfurt gegründet.
Derzeit werden von der Gesellschaft fünf Einrichtungen in Aachen, Niederselters, Minden,
Wermelskirchen und Meissen betrieben. Für die Zukunft sind weitere Anlagen geplant.
Insgesamt verfügt carpe diem derzeit über ca. 500 Betten, 140 betreute Wohnungen, eigene
Gastronomie sowie physiotherapeutische Praxen. 460 Mitarbeiter sind zurzeit bei der
Gesellschaft angestellt.
Betriebskonzept und Ziele
Der Name der Gesellschaft ist auch Leitbild. Carpe diem… Nutze den Tag…, den Gästen soll
so viel Selbständigkeit wie möglich gegeben und so viel Betreuung wie nötig entgegen
gebracht werden.
Selbstverständlich stehen die Fürsorge, medizinische Versorgung, Betreuung und Pflege an
oberster Stelle, aber auch die Kommunikation untereinander und dem gemeinschaftlichen
Leben wird eine hohe Wichtigkeit beigemessen. Es soll keine Einsamkeit und Langeweile
geben.
Die Angebote des Heimes werden als Dienstleistungen gesehen. Daher wird auf der
Anbieterseite auch stets Wert auf gute Qualität und Leistungsfähigkeit gelegt.
Die Heime werden als offene Einrichtungen verstanden. Die Einbindung in das
Gemeinwesen, Kontakte zu anderen Gruppen, Vereinen, Kirchengemeinden, Schulen und
Kindergärten wird stets gepflegt. Es soll damit nicht nur die Kommunikation innerhalb des
Hauses unterstützt werden, sondern auch die Integration in das tägliche öffentliche Leben
wird hierdurch gefördert. Niemand soll einsam und abgeschottet in dem Heim leben,
sondern in den Alltag eingebunden sein.
Doch nicht nur der Alltag und die Pflege stehen im Vordergrund. Auch Krankheiten und das
Sterben werden als ein natürlicher Teil des Lebens angesehen. Diese Themen werden nicht
als Tabu behandelt, sondern offen angesprochen.
Standort
Der Standort wird am jeweiligen Ort so gewählt, dass er in zentraler Lage ist.
Die gute Verkehrsanbindung mit dem Auto und öffentlichen Verkehrsmitteln wird hierdurch
sichergestellt. Des Weiteren sollen alle Einrichtungen des täglichen Bedarfs fußläufig
erreichbar sein.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 91
Gebäudekonzeption
Jeder Seniorenpark der carpe diem besteht aus ca. 90-120 Pflegeplätzen und ca. 30
betreuten Wohnungen.
Der geschlossene Krankenhauscharakter soll vermieden und der Wohncharakter mehr in den
Vordergrund gestellt werden.
Die innere Struktur ist für die Stationäre- und Kurzzeit-Pflegeplätze sowie die betreuten
Wohnungen ausgelegt. Die gewählten Gebäudekonzepte variieren dabei zwischen den
Formen eines H´s, eines U´s, eines Y´s, eines I´s oder eines E´s. die verschiedenen Konzepte
ermöglichen eine gute Belichtung aller Zimmer und kurze Verbindungs- und
Erschließungswege.
Die Aachener Anlage
Lage des Aachener Hauses
Die Anlage liegt in Aachen direkt am Stadtgarten in direkter Nachbarschaft zum
Kongresszentrum. Es ist nahe gelegen zum Dom und der historischen Innenstadt.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 92
Aufbau der Anlage
Insgesamt beherbergt die Aachener Anlage 91 Pflegeplätze und 28 betreute Wohnungen.
Das Pflegeheim besteht aus dem Pflegebereich, den medizinischen und therapeutischen
Einrichtungen, Serviceeinrichtungen sowie einem Café.
Der Bereich ist nach dem Wohngruppenprinzip organisiert. Das bedeutet, dass jeweils 10
Appartements (10-12 Bewohner), in einer Wohngruppe zusammen leben. Die Bewohner
dieser Wohngruppe leben dort in einer Art Familie zusammen, teilen sich gemeinsame
Einrichtungen wie eine Tee-Küche und Wohnbereich, nehmen gemeinsam die Mahlzeiten
ein usw.
Der gesamte Pflegebereich ist ausgestattet mit Möbeln und diversen Pflegeeinrichtungen.
Allerdings können auf Wunsch auch die eigenen Möbel mitgebracht werden.
Jede Etage/Wohngruppe hat einen eigenen Schwestern-/Pflegestützpunkt. Die
Betreuerinnen sind konstant einer Gruppe zugeteilt, so dass auch sie in die Gruppe integriert
sind und eine familiäre Atmosphäre aufkommen kann.
Betreutes Wohnen
In der ganzen Anlage gibt es 28 betreute Wohnungen mit 42-61m² für 1- oder 2Personenhaushalte.
Die Wohnungen sind als eigene Wohnungen mit völliger Selbständigkeit organisiert.
Dennoch sind auch hier die Vollpflege und der gesellschaftliche Anschluss durch die direkte
Anbindung an das Haupthaus mit dem Pflegeheim und dem Restaurant garantiert.
Alle im Pflegeheim angebotenen Serviceleistungen, Einrichtungen und Angebote sind für
die Bewohner der betreuten Wohnungen mit inbegriffen.
Zusätzlich besteht bei Bedürfnis ein Anspruch auf die Aufnahme im Pflegeheim.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 93
Wohn- und Pflegezentrum St. Philipp Neri
Lage und Geschichte
Das Wohn- und Pflegezentrum Sankt Philipp Neri befindet sich im Westen der Stadt, auf der
Aachener Hörn (Johannes-von-den-Driesch-Weg 4).
Im Jahre 1968 wurde es zunächst lediglich als Seniorenheim gegründet und vier Jahre später
wurden Seniorenwohnungen eingerichtet, in denen seither betreutes Wohnen stattfinden
kann. Außerdem wurde ein Therapiebereich angelegt, der von da an physikalische Therapien
ermöglicht.
Etwas später, 1986, wurde die Anlage wiederum erweitert, diesmal um den Hospizbereich.
Denn die Bedeutung der Sterbebegleitung nahm immer mehr zu. 1998 richtete man in dem
Wohn- und Pflegezentrum dann die Tagespflege ein, um so auch eine tageweise
Pflegemöglichkeit bieten zu können.
Die bisher letzte Neuerung im St. Philipp Neri war dann 2002 die intensive Langzeitpflege, in
der nicht nur alte Menschen, sondern auch junge, schwerstbehinderte Menschen gepflegt
und betreut werden können.
Wer war Philipp Neri?
Der Namenspatron des Wohn- und Pflegezentrums Philipp Neri wurde 1515 in Florenz /
Italien geboren. In Rom studierte er Theologie und Philosophie und kümmerte sich fortan
um die Bedürfnisse der Armen und Kranken. Zudem widmete er sich der religiösen
Unterweisung der einfachen Leute auf der Straße. Nachdem er sein Studium beendet hatte,
wurde er Priester. Von nun an kümmerte er sich hauptsächlich um arme und kranke
Menschen. 1595 starb er in Valicella / Italien. Seitdem wird er als Heiliger verehrt, als der
„gute Philipp“.
Philipp Neri, nach Peter-Paul Rubens
Leitgedanke des Seniorenzentrums
„Denn wenn Gott mit uns ist, dann haben wir nichts zu fürchten.“ Dies ist ein Zitat des
Heiligen Philipp Neri und wurde zum Leitgedanken des Heims. Es drückt das Streben nach
einem würdevollen Dasein für die Menschen aus. Die Beschäftigten des Seniorenzentrums
setzen sich für eine optimale Betreuung und Pflege ein. Die Ziele sind, zum einen innerhalb
der Pflegeanstalt eine familiäre Atmosphäre zu schaffen und zum anderen den Kontakt zu
den Familien der Bewohner aufrecht zu erhalten.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 94
Katholizität und Toleranz
Wie oben bereits angemerkt, gründet sich das Heim auf den Grundsätzen des Oratoriums
des Heiligen Philipp Neri. Aufgrund dessen hat das Pflegezentrum einen katholischen
Hintergrund. Demnach werden in der Woche drei heilige Messen und zusätzliche Andachten
gehalten und ein eigener Hauspfarrer steht ständig zur Verfügung. Zusätzlich wird dieser
von Ordensschwestern in seiner Arbeit unterstützt.
Da nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten in dem Heim leben, wird auch einmal im
Monat ein evangelischer Gottesdienst angeboten.
Es werden jedoch nicht nur Christen in dem Heim aufgenommen. Mieter, Bewohner und
Gäste unabhängig von Glauben, Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit finden hier eine
Unterkunft und die optimale Pflege.
Leistungen
Welche genauen Leistungen beinhalten nun die einzelnen Einrichtungen innerhalb des
Wohn- und Pflegezentrums?
Als erstes wird das Seniorenheim betrachtet. Dort können alle Senioren aufgenommen
werden, wobei es keine Rolle spielt, ob sie gesundheitlich fit sind, gering pflegebedürftig
oder stark pflegebedürftig sind (Pflegestufen 1 bis 3). Sie wohnen in modern eingerichteten,
wohnlichen Zimmern, die einiges an Komfort bieten. Im Speisesaal bekommen die
Bewohner nicht nur normale, sondern auch diätetische und vegetarische Speisen. Zudem
können die Bewohner aus einer großen Vielfalt an therapeutischen Angeboten wählen:
Gymnastik und Bewegung (Krankengymnastik, Krankengymnastik auf neurophysiologischer
Grundlage, Manuelle Therapie, Schlingentisch-Therapie, Extension), Massagen und
Anwendungen (Ganzkörpermassage, Groß- u. Teilmassagen, Bindegewebs-Massage,
Unterwasser-Massage, Fango-Anwendung, Iontophorese, Fußreflexzonen-Massage, Heißluft,
Eisanwendung, Heiße Rolle) und Wellness- und Bewegungsbadangebote (Medizinische
Fußpflege, Krankengymnastik im Wasser, Aquafitness-Kurse, Verordnetes und freies
Schwimmen, Sauna).
Nach Angaben der Heimleitung ist das Heimangebot zu ca. 99 Prozent der 107 Plätze
ausgelastet.
Die Intensive Langzeitpflege des Pflegezentrums Philipp Neri beinhaltet quasi die gleichen
Angebote wie auch das Seniorenheim. Jedoch werden hier nicht hauptsächlich Alte betreut,
sondern vor allem junge beziehungsweise jüngere Menschen, die durch Unfälle oder
Krankheiten schwerstbehindert sind und somit Pflege und Betreuung rund um die Uhr
benötigen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 95
Das Hospiz ist für alle diejenigen gedacht, deren Krankheiten und Leiden in einem
Krankenhaus nicht mehr therapierbar sind und die sich in der letzten Lebensphase befinden.
Da die Angehörigen den Beistand oft nicht mehr allein leisten können, bemühen sich die
Angestellten und Mitarbeiter, die in sozialer und seelsorglicher Betreuung ausgebildet sind,
um eine würdevolle, fürsorgliche Sterbebegleitung. Dabei wird dafür gesorgt, dass die
Sterbenden anhand einer individuell ausgerichteten Schmerztherapie möglichst ohne
Leiden ihre letzten Tage und Wochen verbringen.
Das Hospiz ist derzeit zu ungefähr 50 Prozent belegt.
In die Seniorenwohnungen können sowohl Einzelpersonen als auch Paare einziehen. Alle
Wohnungen sind neben dem großzügigen Wohn- und Schlafbereich mit einer eigenen
Küche, einem Bad und einem Balkon oder Terrasse mit Blick ins Grüne ausgestattet. Die
meist sehr eigenständigen Bewohner können aber auch den Essensservice nutzen, wodurch
die Mahlzeiten direkt im Zimmer serviert werden. Bei Bedarf wird jederzeit in der Wohnung
pflegerische Hilfe angeboten. Auch besteht die Möglichkeit, die Wohnung regelmäßig
reinigen zu lassen oder die Hilfe eines Hausmeisters zu beauftragen.
Da sich die Seniorenwohnungen großer Beliebtheit erfreuen, sind sie zu mehr als 100
Prozent belegt und weisen eine lange Warteliste auf.
Die Einrichtung der Tagespflege ist für diejenigen älteren und hilfebedürftigen Menschen
vorgesehen, die noch in ihrer eigenen Wohnung leben, jedoch an einem oder an mehreren
Tagen der Woche tagsüber die Pflegeangebote des Heims nutzen möchten. Dazu gehört
auch der Transportdienst von und nach Hause.
Ein weiteres Pflege- und Betreuungsangebot des Seniorenzentrums Philipp Neri ist die so
genannte Kurzzeitpflege. Hier werden solche Senioren für einen Zeitraum von einigen
Wochen aufgenommen, die in der Regel zu Hause von Verwandten gepflegt werden, jedoch
in deren Abwesenheit (zum Beispiel Urlaub) auf andere Personen / Einrichtungen
angewiesen sind. In der Kurzzeitpflege erhalten sie die gleichen Betreuungs-, Pflege- und
Freizeitangebote wie die Bewohner des Seniorenheims.
Neben oben genannten Pflege- und Betreuungseinrichtungen bietet das Wohn- und
Pflegezentrum St. Philipp Neri den Bewohnern auch Freizeitangebote. Dazu gehören eine
modern ausgestattete Kegelbahn, ein hauseigener Friseursalon, musikalische
Animationsnachmittage und Filmvorführungen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 96
4.
Fazit
Die eingangs gestellte Frage, ob die Heime ihrem schlechten Ruf entsprechen oder ob sie
heutzutage vielleicht mehr als nur eine unwürdige „Verwahranstalt“ für alte Menschen sind,
lässt sich wie folgt beantworten: Zwar gibt es nach wie vor Heime, in denen die alten
Menschen aufgrund von Personal- und Qualitätsmangel eher „dahinvegetieren“. Jedoch
entwickeln sich viele Seniorenheime in eine neue, qualitäts- und serviceorientierte Richtung.
Es entstehen hotelartige Residenzen (siehe Carpe Diem).
Die im Heim lebenden Senioren sollen sich wohl fühlen und möglichst lange geistig und
gesundheitlich fit bleiben. Durch umfangreiche Pflegeangebote können die Bedürftigen
ihrer Pflegestufe entsprechend ausführlich behandelt und gefördert werden.
Diese Verbesserung schließen wir unter anderem aus dem demographischen Wandel. Da es
immer mehr Senioren in der Gesellschaft gibt, wird ihre Rolle in der Gemeinschaft
selbstverständlich auch immer wichtiger. Der Markt hat sie daher als potentiellen Kunden
längst erkannt und richtet das Angebot nach ihnen. Diesem Wandel folgt daher auch der
Wohnungsmarkt, der altengerechten Wohnungen und Heimplätze nun als Produkt und
Dienstleistung anbietet.
Allerdings muss man auch sagen, dass die Heime immer noch ein eher schlechtes Image
vermitteln. Die meisten Menschen sehen unweigerlich immer noch ausschließlich das
typische Pflegeheim, die Verwahranstalt, vor sich, wenn sie an Heime denken.
Sicherlich gibt es diese Typen der Heime auch immer noch, allerdings gibt es heutzutage
viele Alternativen hierzu. Auf der Angebotspalette gibt es nicht nur das eine `Musterbeispiel´
des Heimes, sondern viele verschiedene Wohnformen. Das Angebot reicht von hospizartigen
Sterbeheimen über krankenhausartige Pflegeheime bis hin zu hotelartigen Residenzen.
Der Kunde kann also seine Wohnform seinen Bedürfnissen anpassen.
Dennoch muss man auch hinzufügen, dass das Wohnen in einem residenzartigen
Seniorenheim auch eine Kostenfrage ist. Durch die vielen Angebote und die noblere
Ausstattung entstehen selbstverständlich höhere Kosten, die vom Bewohner,
beziehungsweise dessen Angehörigen, übernommen werden müssen. Senioren mit geringer
Rente und ohne Erspartes bleibt daher meist der Einzug in reguläre Heime, falls ein Leben in
der eigenen Wohnung nicht mehr möglich ist.
5
Quellenangaben
Informationen zu Wohnprojekten „gemeinschaftliches Wohnen“ für ältere Menschen in
Aachen
Leitstelle Älter werden in Aachen: Finanzielle Hilfen – Beratung und Bezuschussung
Leitstelle Älter werden in Aachen: Einrichtungen der Altenarbeit in Aachen 2005/2006
http://www.wpz-aachen.de/index.html
http://www.kliniken.de/pflegeheime/a-z/altenheim/Aachen-1.htm
http://www.senioren-park.de/Seiten/Frames/home.html
http://www.aachen.de
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 97
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den
Wohnbedarf im Alter
Annette Borycka, Sebastian Maußer
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 98
Inhalt
Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Wohnbedarf im Alter
1
Einleitung
2
Demographische Situation in Deutschland
3
Demographische Situation in Aachen
4
Überblick über Wohnungsangebote im Alter
5
Wohnungsnachfrage älterer Menschen
6
Wohnungsangebote vs. Wohnungsnachfrage in Aachen
7
Prognose des Wohnbedarfes in Aachen im Hinblick des demographischen Wandels
8
Fazit
9
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 99
1
Einleitung
Mit zunehmendem Alter ändern sich für viele Menschen die Wohnbedürfnisse. Besonders
bedingt durch Krankheit im Alter können sich viele Menschen nicht mehr selbst versorgen
und sind somit gezwungen, Dienstleistungen, welche das Wohnen erleichtern, in Anspruch
zu nehmen. Natürlich gibt es auch Menschen, die aufgrund von Einsamkeit ihre
ursprüngliche Wohnsituation verändern und sich auf andere Wohnformen einlassen.
Eine wichtige Bedeutung bekommt das Wohnangebot für ältere Menschen dann, wenn man
sich die demographische Entwicklung, die sich in Deutschland abzeichnet, vor Augen führt.
Deutschland altert schneller als fast alle Länder dieser Welt und hat eine der niedrigsten
Geburtenraten überhaupt. So wird das Medianalter der Deutschen, also jenes Alter, das die
Bevölkerung in zwei gleiche Gruppen von älteren und jüngeren Personen teilt, bis zum Jahr
2035 auf über 50 ansteigen.
Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch auf regionaler
Ebene, wie zum Beispiel in Aachen (1).
Aus diesem Grunde wird die Wohnsituation für ältere Menschen in den kommenden Jahren
eine der wesentlichen Handlungsfelder der Stadtentwicklung sein.
Das Ziel dieses Aufsatzes ist, einen Überblick über das Wohnangebot für alte Menschen in
Aachen, im Hinblick auf die demographische Entwicklung zu geben. Die weitere Arbeit
gliedert sich wie folgt: Abschnitt zwei beschäftigt sich mit der demographischen Situation in
Deutschland. Der dritte Abschnitt zeigt die demographische Situation in Aachen. Im vierten
Abschnitt wird ein allgemeiner Überblick über das Wohnungsangebot im Alter gegeben. Im
fünften Abschnitt wird die Wohnungsnachfrage älterer Menschen analysiert. Der sechste
Abschnitt stellt dem Wohnungsangebot die Wohnungsnachfrage in Aachen gegenüber
sowohl in qualitativer, als auch in quantitativer Hinsicht. Im siebten Punkt schließt sich der
Kreis. Es wird der Wohnbedarf in Aachen prognostiziert im Hinblick auf die demographische
Entwicklung. Die Arbeit endet mit einem Fazit.
2
Demographische Situation in Deutschland
In Deutschland findet eine extrem starke Alterung der Bevölkerung statt. Abbildung 1, in der
die Entwicklung des Medianalters der Deutschen dargestellt ist, verdeutlicht dies. Man sieht,
dass dieses Medianalter von heute bis zum Jahr 2035 von 40 auf 50 ansteigen wird. Im
internationalen Vergleich liegt Deutschland unter allen OECD-Ländern an vierter Stelle, was
Quelle: Sinn, 2003, S. 21.
das Medianalter betrifft. Für das Jahr 2035 sagen die Prognosen sogar, dass Deutschland
vermutlich das älteste Volk der Erde sein wird.
Die Ursache für diese Entwicklung liegt nicht ausschließlich in der zunehmenden
Lebenserwartung, da sonst die Bevölkerungszahl stark ansteigen müsste.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 100
Quelle: Sinn, 2003, S. 22.
Dies ist aber keineswegs der Fall. Abbildung 2 zeigt eine solche Projektion des
Bevölkerungsstandes: Nach dieser Projektion geht die in Deutschland ansässige Bevölkerung
bis zum Jahr 2050 um 12,5 Millionen Personen zurück. Nur die Zahl der Rentner wird absolut
und relativ steigen. (2) „Eine Bevölkerung schrumpft, wenn die Zahl der Sterbefälle die Zahl
der Geburten übersteigt.“(3) Es entsteht also ein Geburtendefizit, was auch die wesentliche
Ursache dieser raschen Alterung des Deutschen Volkes ist. Seit dem Einbruch der
Geburtenrate in den 60er Jahren liegt die
Anzahl der Geburten pro Frau weit unter dem
Bestandserhaltungsniveau (2,1 Kinder pro Frau) bei
1,4 Kindern. Bei einer Geburtenrate unter 2,1 wird die
nachfolgende Generation immer kleiner sein als ihre
Vorgänger.(4) Wenn die Mädchen dieser Frauen selbst
im geburtenfähigen Alter sind, wird die Anzahl der
Kinder weiter sinken, weil auch weniger potentielle
Mütter vorhanden sind. Dieser Prozess wird die
Geburtenzahlen noch weiter verringern.
Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der Sterbefälle
immer weiter zu. Dadurch wird das Geburtendefizit
immer größer. Die Zunahme der Sterbefälle ergibt
sich aus der Tatsache, dass die relativ geburtenstarken
Jahrgänge der heute 30-40jährigen in die hohen
Altersgruppen hineinwachsen. Wie in Abbildung 3
dargestellt, entsteht mit der Zeit eine immer weiter
aufgehende Schere zwischen der Zahl der Neugeborenen und der Gestorbenen.(5)
Wie dramatisch die demographische Trendwende verlief, wird durch einen Vergleich der
Alterspyramiden der Jahre 1910 und 2001 deutlich. Die aktuelle Bevölkerungsstruktur kann
nicht mehr mit der klassischen Bevölkerungspyramide verglichen werden, in der die
stärksten Jahrgänge die Kinder sind und die Zahl mit zunehmenden Alter aufgrund der
Sterblichkeit sinkt. Eine solche klassische Bevölkerungspyramide hatte das deutsche Reich
von 1910 (Abbildung 4).
Quelle: Statistisches Bundesamt, 2003, S. 30.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 101
Man sieht, dass im Jahre 2001 aus der Pyramide eine Art Tannenbaum geworden ist, dessen
dicke untere Äste bei einem Lebensalter von knapp unter 40 Jahren liegen. Diese Gruppe
wird in 30 Jahren um die 70 sein und allesamt im Rentenalter stehen, ohne dass ihr jüngere
starke Altersgruppen nachfolgen. Das ist das Problem.(6)
Es zeigt sich, dass Deutschland in Zukunft wegen seiner Kinderarmut schnell und nachhaltig
vergreisen wird. Wie die Situation für die Stadt Aachen aussieht soll im folgenden erläutert
werden.
3
Demographische Situation in Aachen
Die demographische Entwicklung in Deutschland zeigt sich auch in vergleichbarer Weise in
Aachen. In Aachen leben zur Zeit 257.348 Menschen. Das Durchschnittsalter in Aachen ist
seit 1987 von 38,8 Jahren auf 40,2 Jahre 2002 gestiegen. Die Bevölkerung insgesamt ist
innerhalb dieses Zeitraumes um 4,2% gestiegen. Das macht absolut einen Zuwachs von
10.297 Menschen (siehe Tabelle 1).
Darunter ist die Altersgruppe der über 65-jährigen überproportional um 14,9% gestiegen.
Waren es 1987 noch 35.839 Personen, sind es nunmehr 41.168. Die jüngste Gruppe (0-6
Jahre) dagegen ist kaum gestiegen (0,8%). Wie schon bei der demographischen Entwicklung
in Deutschland zu sehen war, ist auch hier die Gruppe der 35 - 45-jährigen die dominante
Altersgruppe. Mit bis zu 54% hat diese Altersgruppe in dem betreffenden Zeitraum Zuwachs
erhalten. Seit 1987 wuchs sie um 8.687 Menschen und zählt nun 24.536 Personen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 102
Quelle: Stadt Aachen, 2002/2003, S. 34.
Abbildung 5 bestätigt auch die Tendenz des Bevölkerungsaltersbaumes, den man in der
Bundesrepublik Deutschland vorfindet. Ins Auge fällt sofort die „Tannenbaumform“ mit den
dicken unteren Ästen der dominanten Altersgruppe. Das heißt, dass diese Gruppe in 30
Jahren allmählich in das Seniorenalter wechselt, welche dann zur stärksten Gruppe wird. Der
schmale Stamm, der die Gruppe der 0 – 20-jährigen darstellt, wird nach dieser Zeit in die
Gruppe der 35 – 45-jährigen wechseln. Es werden also der jetzigen starken Altersgruppe der
35 – 45-jährigen keine starken Jahrgänge mehr folgen, was dazu führt, dass sich die
Verteilung der Altersgruppen auch in Aachen grundlegend ändert. Aachen befindet sich
damit auch in einem Alterungsproblem und deswegen wird das Thema „Wohnen im Alter“
immer bedeutender. So wird zunächst ein Überblick über Wohnungsangebote und –
nachfrage im allgemeinen für alte Menschen gegeben, bevor das spezielle Angebot und die
Nachfrage für Aachen beschrieben wird.
4
Überblick über Wohnungsangebote im Alter
Das Wohnangebot für ältere Menschen hat sich in den vergangenen Jahren verändert.
Zwischen den Wahlmöglichkeiten, im Alter „zu Hause“ zu bleiben oder in eine der
traditionellen Sonderwohnformen, etwa der Umzug in ein Heim oder eine Altenwohnung,
haben sich zahlreiche neue Wohnangebote etabliert. Hier soll nun ein Überblick gegeben
werden: (7)
Altenheim
„Mit Altenheim bezeichnet der Volksmund (...) eine zur Unterbringung, Betreuung und Pflege
alter Menschen betriebene Heimeinrichtung.“(8) Sie stellen die traditionelle Form des
institutionalisierten Wohnens für ältere Menschen dar. Lange Zeit waren Altenheime mit
Mehrbettzimmern ausgestattet. Das hat sich geändert. Heute sind Ein- bis höchstens
Zweibettzimmer der Standard. In dieser Einrichtung wird eine Vollversorgung angeboten. Im
Vordergrund steht die stationäre Pflege alter Menschen. Zubereiten der Mahlzeiten,
Reinigung der Zimmer, medizinische Versorgung, Bildungs- und Unterhaltungsprogramm,
Sportveranstaltungen etc. sind
weitere Angebote. Die Palette an Angeboten ist sehr weitreichend und ist von Altenheim zu
Altenheim verschieden. Die Größe des Heims variiert zwischen 10 und über 100 Bewohnern.
Träger solcher Einrichtungen können Privatpersonen, Kommunen, Kirchen und karitative
Verbände sein.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 103
In der Gesellschaft hat das Altenheim ein schlechtes Image, da man häufig an ein
„Abschieben“ alter Menschen denkt. Aus diesem Grund werden häufig Euphemismen wie
zum Beispiel „Seniorenresidenz“ bevorzugt. Heutzutage haben sich fast alle Altenheime in
Altenwohn- und Pflegeheime oder sogar reine Pflegeheime gewandelt.
Pflegeheim
„Ein Pflegeheim ist eine Einrichtung, in der pflegebedürftige Menschen (meist alte,
schwerstchronisch kranke, geistig und/oder körperlich, schwerstbehinderte Menschen)
dauerhaft wohnen und rund um die Uhr gepflegt und versorgt werden.“(9) Hierbei steht die
Pflege im absoluten Mittelpunkt. Es handelt sich um eine spezialisierte Einrichtung. Sie ist
notwendig, da diese Menschen nicht über lange Zeiträume in Krankenhäusern
untergebracht werden können und auf der anderen Seite die traditionellen Altenheime mit
den speziellen Anforderungen der Pflege organisatorisch und personell überfordert sind.
Natürlich wird auch hier wie im Altenheim die Vollversorgung angeboten. In der Regel sind
diese Einrichtungen mit Zweibettzimmern ausgestattet, aufgrund organisatorischer und
sozialer Gründe (Bettlägerigkeit). Durch die stetig anwachsende Zahl dauerhaft
pflegebedürftiger alter Menschen kommt dieser Einrichtung eine wichtige Bedeutung zu,
was allein durch den Wandel der Altenheime in Pflegeheime deutlich wird.
Nicht nur alte Menschen können in einem Pflegeheim untergebracht werden. Es ist keine
Seltenheit, dass jüngere Menschen, zum Beispiel nach einem schweren Unfall, dauerhaft in
einem Pflegeheim untergebracht werden.
Altenwohnungen (Barrierefreies Wohnen)
Unter barrierefreiem Wohnen wird eine Wohnform verstanden, die neu gebaute
Wohnungen so herrichtet, dass alte Menschen diese Wohnungen ohne schwere Hindernisse,
in vollem Umfang nutzen können. Zu solchen Hindernissen gehören beispielsweise hohe
Stufen, steile Treppen zur und innerhalb der Wohnung sowie nicht genügend breite Türen.
Die Standards für solche Wohnungen sind in einer DIN-Norm festgeschrieben.
Hervorzuheben ist, dass die Altenwohnungen meistens öffentlich gefördert werden. So stellt
diese Form nicht nur ein Angebot für wohlhabende Personen dar.
Angepasste Wohnungen
Diese Form ist ähnlich dem barrierefreien Wohnen. Der Unterschied liegt darin, dass der alte
Mensch nicht seine bisherige Wohnung aufgeben muss. So werden die Normen des
barrierefreien Wohnens dazu genutzt, die Wohnungen der betroffenen Personen
umzubauen. Die selbstständige Lebensführung kann so im Alter erhalten bleiben.
Betreutes Wohnen
Beim betreuten Wohnen werden in unterschiedlicher Form altersgerechte Wohnangebote
und Betreuungsleistungen miteinander gekoppelt. Im Idealfall mietet ein Bewohner eine
barrierefreie und altengerechte Wohnung in einer Wohnanlage. Darüber hinaus muss ein
Paket von Grundleistungen des Betreuungsservices abgenommen werden, für die monatlich
eine Betreuungspauschale zu entrichten ist. Zu den Grundleistungen gehören Beratung und
Information der älteren Menschen und eine Notrufsicherung. Es können außerdem weitere
Leistungen, wie zum Beispiel Mahlzeiten, Reinigungs- und Pflegeleistungen, zusätzlich
gebucht werden.
Betreutes Wohnen zu Hause
Betreutes Wohnen muss nicht mit einem Umzug verbunden sein, sondern kann auch in der
gewohnten Umgebung stattfinden. Normalerweise wird mit einem Unternehmen ein
Dienstleistungsvertrag geschlossen. Es kann sich dabei um einen ambulanten Dienst, eine
Sozialstation oder einen Betreuungsverein handeln. Zu den Dienstleistungen gehören Pflege
und Betreuung, Beratung und Vermittlung, Alltagshilfen und Serviceleistungen und
Unterstützung im Haushalt. Pflege und Betreuung stellt den Kernbereich dar. So sind hier
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 104
einerseits Hilfe bei Körperpflege, Baden und Duschen, aber auch Leistungen wie
Medikamentenüberwachung, Spritzen geben, Wundversorgung oder Senioren-Haus-Notruf
zu nennen. Zu der Beratung und Vermittlung gehört vor allem Vermittlung von Massage,
Fußpflege oder Friseurhausbesuche. Die wichtigsten Alltagshilfen und Serviceleistungen
sind „Essen auf Rädern“, Ausflüge oder Begleitpersonen, wie zum Beispiel für Einkäufe.
Unterstützung im Haushalt wird besonders für Wäsche waschen, bügeln, kochen und putzen
in Anspruch genommen.
Wohnstift
Das Leben in einem Wohnstift ist vergleichbar mit betreutem Wohnen. Jeder Bewohner hat
eine eigene abgeschlossene Wohnung innerhalb der Wohnanlage. Die Wohngröße und –
räume sind vielfältig und individuell gestaltbar. Sie reichen von 1-Zimmer-Appartements bis
hin zu 3 1/2 –Zimmer-Wohnungen mit über 70 qm. Anders als beim betreutem Wohnen ist
hier die Abnahme von Betreuungs- und Dienstleistungen (z.B. Reinigung) Pflicht. Bei den
verschiedenen Angeboten wird darauf geachtet, dass eine hohe Qualität eingehalten wird.
Vor allem die Lage, Betreuung, Versorgung und Einrichtung sollen in Bezug auf Qualität und
Preis eher gehobenen Ansprüchen gerecht werden. Daher sind die Träger solcher
Einrichtungen meist Privatpersonen oder kommerzielle Vereinigungen.
Betreute Wohngemeinschaften
Betreute Wohngemeinschaften sind kleine Gruppen älterer hilfebedürftiger Menschen, die
zusammen in einer Wohnung oder einem Haus leben. Dabei hat jeder Bewohner einen
eigenen Schlafbereich. Ähnlich wie in einer Studenten-WG gibt es eine gemeinsame Küche
und noch weitere Gemeinschaftsräume, in denen das Gemeinschaftsleben stattfindet. Die
Pflegebetreuung erfolgt durch Betreuungspersonal, das entweder stundenweise oder
ganztägig zur Verfügung steht.
Integriertes Wohnen (Mehrgenerationenwohnen)
Bei dieser Wohnform leben verschiedene Generationen in größeren Wohnkomplexen
zusammen. Das Ziel besteht darin, dass sich die verschiedenen Generationen gegenseitig
helfen. So muss transparent gemacht werden, welche Unterstützung die jeweiligen
Bewohner benötigen. Mit dem integrierten Wohnen soll erzielt werden, dass es nicht zur
Vereinsamung kommt und dass Menschen Handicaps abbauen können. Begegnungsräume
und Fachpersonal helfen dabei, diese Ziele zu erreichen.
Selbstorganisierte Wohn- oder Hausgemeinschaften
Auch bei dieser Wohnform leben ältere Menschen zusammen unter einem Dach. Jeder der
Bewohner hat ein eigenes Zimmer oder auch Wohnung. Außerdem gibt es bei einer solchen
Gemeinschaft noch Räume, die von allen Bewohnern genutzt werden können. Die Wohnund Hausgemeinschaften werden meist von privaten Personen gegründet und geführt. Das
Gemeinschaftsleben organisieren die Bewohner in Eigeninitiative. Zusätzlich werden externe
ambulante Dienste in Anspruch genommen, um das Wohnen zusätzlich zu erleichtern.
Siedlungsgemeinschaften
Ausgangspunkt dieser Wohnform ist eine schon bestehende Siedlung. Denn es zeigt sich in
der Praxis, dass auch ganze Siedlungen mit der Zeit mit Alterungsproblemen konfrontiert
werden. Aus diesem Grund bieten Wohnungsbaugesellschaften oder SelbsthilfeInitiativgruppen unterstützende Dienstleistungen für ältere Menschen an. Das Ziel dieser
Wohnform ist die Förderung des generationsübergreifenden Zusammenlebens und der
Nachbarschaftshilfe.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 105
Altendorf
Das Altendorf wird auf einem separaten Gebiet errichtet. Die Wohnmöglichkeiten werden
dabei speziell an die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet. Ebenso wird das
Wohnumfeld, in dem auch ein altersgerechtes Freizeitangebot angeboten wird, angepasst.
Auch bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit ist ein entsprechendes Betreuungsangebot an Ort
und Stelle, so dass die betroffenen Personen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.
Wohnungstausch
Bei dem Wohnungstausch wird durch eine Vermittlungsstelle erreicht, dass ältere Menschen
ihre Wohnung mit jüngeren Menschen tauschen. Der Vorteil eines solchen Tausches liegt für
alte Menschen darin, dass sie eine Wohnung finden, welche zentraler gelegen ist. Ältere
Menschen benötigen auch nicht mehr eine Wohnung mit vielen Räumen. Durch den Tausch
kann auch erzielt werden, dass die Wohnung altengerecht ist. Für junge Menschen liegt der
Vorteil darin, dass sie zum Beispiel mehr Platz für ihre Kinder erhalten.(10)
5
Wohnungsnachfrage älterer Menschen
Nachdem ein Überblick über einzelne Angebote gegeben wurde, wird jetzt gezeigt, wie die
Nachfrage nach Wohnformen aussieht und sich weiter entwickeln wird.
Früher sah die Nachfrage alter Menschen nach Wohnungen noch anders aus. Generationen
lebten enger zusammen. Mehrgenerationenfamilien unter einem Dach waren die Regel,
nicht die Ausnahme. Die heutige Lebensform ist durch eine Singularisierung und
Individualisierung gekennzeichnet. Dies gilt auch für ältere Menschen. Die Praxis zeigt, dass
alte Menschen grundsätzlich keine anderen Wohnbedürfnisse haben als jüngere. Die
Priorität älterer Menschen liegt ebenfalls im unabhängigen und selbstbestimmten
Wohnen.(11) Möglichst lang in der vertrauten Umgebung leben zu können, ist das oberste
Gebot. Das Altenheim als Wohnform stößt heute auf eine sehr geringe Akzeptanz als noch
vor einigen Jahren. Umfragen belegen, dass 80 Prozent der Pflegebedürftigen an ein Leben
im Heim gar nicht denken mögen und häufig gegen ihren Willen im Heim sind.
Studien haben gezeigt, dass es aber auch eine wachsende Zahl umzugsbereiter älterer
Menschen gibt, die noch einmal etwas Neues wagen wollen. Untersuchungen der SchaderStiftung haben ergeben, dass 65% der Altershaushalte dazu bereit sind umzuziehen.
Allerdings nimmt die Bereitschaft mit steigendem Alter ab.(12)
Zunehmendes Interesse zeigt sich bei neueren Wohnformen, wie selbst gestalteten
Wohnformen. Dabei werden vor allem sozial- und altersgemischte Hausgemeinschaften
favorisiert. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität alter Menschen sollten die Angebote
entsprechend angepasst werden. Das bedeutet, dass die Wohnungen barrierefrei und
schwellenlos zugänglich sind und das Wohnumfeld entsprechend gestaltet wird (öffentlicher
Nahverkehr und Einkaufsmöglichkeiten) mit der Möglichkeit nachbarschaftlicher Kontakte
und des sozialen Austausches. Außerdem muss den langfristigen Anforderungen an Hilfe
und Pflege gerecht werden.(13)
Nachdem nun ein Überblick über das überregionale Angebot an Wohnungsformen für ältere
Menschen gegeben wurde und die Wünsche an ein Wohnen im Alter aufgezeigt wurden,
wird nun dargestellt, wie Angebot und Nachfrage in qualitativer und quantitativer Hinsicht
in Aachen aussehen.
6
Wohnungsangebote vs. Wohnungsnachfrage in Aachen
In der Stadt Aachen gibt es hauptsächlich neun Wohnformen für ältere Menschen. Dazu
gehören die klassischen Altenheime beziehungsweise Pflegeheime, Wohnstifte,
Altenwohnungen, welche barrierefrei gestaltet sind, angepasstes Wohnen,
Wohnungstausch, integriertes Wohnen, selbstorganisiertes Wohnen sowie die zwei
unterschiedlichen Formen des betreuten Wohnens.
Das Image der Altenheime verhält sich in Aachen in ähnlicher Weise wie auf überregionaler
Ebene. Ein Altenheim wird nur dann in Betracht gezogen, wenn es zur Pflegebedürftigkeit
kommt. So haben sich die Altenheime in Aachen überwiegend zu reinen Pflegeheimen
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 106
gewandelt. Laut Michael Hartges von der Leitstelle „Älter werden in Aachen“ ist es überaus
selten, dass Menschen, die nicht in großem Maße auf fremde Hilfe angewiesen sind, sich für
ein Wohnen in einem Altenheim entscheiden. In Aachen gibt es momentan 26 Altenheime
mit über 2.000 Bewohnern, darunter zwei Wohnstifte. Ein sehr großer Teil dieser Altenheime
ist vollständig belegt. Es ist also dort nur möglich über eine Warteliste einen Platz zu
bekommen. Einige Heime haben aber noch einzelne Plätze frei. So ist es kein Problem einen
Platz zu erhalten, wenn man kein bestimmtes Heim favorisiert.
Speziell auf die Bedürfnisse älterer Menschen umgebaute Wohnungen, sogenannte
Altenwohnungen, spielen in Aachen eine bedeutende Rolle. So werden Altenwohnungen
von der Stadt Aachen gefördert, wenn sich der Eigentümer dazu verpflichtet, diese 15 – 20
Jahre lang ausschließlich durch das Wohnungsamt der Stadt Aachen vermitteln zu lassen.
Für eine Altenwohnung ist es sehr wichtig, dass das Wohnumfeld stimmt. Haltestellen des
öffentlichen Nahverkehrs, Geschäfte für den alltäglichen Bedarf sowie Apotheken sollten in
unmittelbarer Umgebung sein. In Aachen gibt es ca. 2.000 Altenwohnungen, die ein
barrierefreies Wohnen ermöglichen.(14) Die Nachfrage an innenstadtnahen 2-3
Zimmerwohnungen mit guter Infrastruktur und altengerechten Kriterien ist sehr hoch.
Einzimmerwohnungen dagegen sind schwer vermittelbar.
Für einen großen Teil der älteren Menschen in Aachen stellt der Umzug im Alter, wie zum
Beispiel in eine Altenwohnung aber ein großes Problem dar. So ist es oberste Priorität, so
lange wie möglich zu Hause zu bleiben, so Michael Hartges von der Stadt Aachen. Wenn aber
ein Wohnen dort aufgrund von Hindernissen, zum Beispiel durch Schwellen oder Stufen,
unmöglich wird, hilft auch hier die Stadt Aachen weiter. So bekommen die Älteren
Hilfestellung bei der Überlegung, was in der Wohnung zu ändern ist, welche Hilfsmittel den
Alltag erleichtern, und es wird angeboten, mit Vermietern und Handwerkern zu verhandeln.
Außerdem kann bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten geholfen werden.
Um an eine altersgerechte Wohnung zu kommen, spielt für einen nicht unerheblichen Teil
der Menschen in Aachen ein „Wohnungstausch“ eine Rolle. Die Stadt Aachen hilft bei der
Organisation, der Vorbereitung und auch bei der Durchführung. Die Person, die einen
Wohnungstausch vornehmen möchte, meldet der Stadt die derzeitige Wohnung und den
Wohnungswunsch. Daraufhin wird dann eine entsprechende Tauschwohnung gesucht. Bei
allen Anträgen und der Durchführung des Umzuges werden die Älteren durch die Stadt
unterstützt. Die Nachfrage nach Wohnungstausch ist recht groß, so Michael Hartges. Seit
1997 konnte in etwa 600 Fällen ein Umzug erfolgreich abgewickelt werden. Zur Zeit sind ca.
350 Fälle aktiv suchend gemeldet.
Eine noch wenig vorhandene Wohnalternative für alte Menschen in Aachen ist das
gemeinschaftliche Leben und Wohnen mit verschiedenen Generationen (integriertes
Wohnen). So gibt es in Aachen das Projekt „Mit Freu(n)den unter einem Dach“. Hierbei
handelt es sich um eine selbstorganisierte Form integrierten Wohnens. Geplant wird das
Wohnprojekt in Aachen oder Umgebung in ökologischer Bauweise mit 12-15 Einheiten in
verschiedener Größe. Zur Zeit besteht die Projektgruppe noch aus einer kleinen Gruppe von
Männern und Frauen zwischen 45 und 70 Jahren. Zweimal monatlich trifft sich die Gruppe
und tauscht sich über ihre Vorstellungen und Wünsche über ein zukünftiges MiteinanderWohnen aus. Das Ziel der Gruppe besteht darin, „die Lebendigkeit der jungen und die
Weisheit und die Lebenserfahrung der alten Menschen zusammenzubringen.“(15) Neben
diesem vorgestellten Projekt, welches sich noch in Planung befindet, gibt es auch schon ein
realisiertes Projekt selbstorganisierten Wohnens, „Stadthaus statt Haus“, was innerhalb des
Vortrages von Frau Dr. Katrin Hater vorgestellt wurde.
Die wohl höchste Nachfrage nach Wohnmöglichkeiten im Alter in Aachen besteht nach den
zwei Formen des betreuten Wohnens. Das betreute Wohnen ohne Umzug in Aachen umfasst
15 Anbieter, die für ältere Menschen verschiedenste Dienstleistungen zur Verfügung stellen.
Neben den klassischen nachgefragten Dienstleistungen wie ein Notrufsystem oder
ambulante Pflegedienste besteht auch eine hohe Nachfrage darin, sich Lebensmittel nach
Hause kommen zu lassen oder eine Begleitperson für Spaziergänge zu haben. Aufgrund
dieser erhöhten Nachfrage nach Hilfestellung in der eigenen Wohnung baut die Leitstelle
„Älter werden in Aachen“ zusätzlich eine Datenbank auf, in der Geschäfte enthalten sind, die
bereit sind, Lebensmittel nach Hause zu liefern, und Friseure, die Hausbesuche machen.
Das betreute Wohnen in eigens dafür eingerichteten Häusern weist auch ein hohes Angebot
in Aachen auf. Zwölf Häuser gibt es in Aachen, in denen Ältere eine Wohnung beziehen und
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 107
an dem jeweiligen Betreuungsangebot teilnehmen können. Ein Großteil der Wohnungen der
Häuser für ein betreutes Wohnen wird öffentlich gefördert, so dass die Last für die älteren
Menschen nicht so hoch ist. Die Nachfrage ist in Aachen nach dieser Wohnform so hoch, dass
man zum Teil eine Wartezeit bis zu 2 Jahren auf sich nehmen muss, bis man einen Platz
bekommt, so Michael Hartges. Nur für frei finanzierte Wohnungen, die um die 1.000 Euro
Miete kosten, müsste man keine allzu große Wartezeit in Kauf nehmen.
Betreute Wohngemeinschaften, Siedlungsgemeinschaften und Altendorf sind Wohnformen,
die in Aachen nicht angeboten werden. Die Nachfrage nach Wohngemeinschaften ist sehr
gering, weil die älteren Menschen gerne eine eigene abgeschlossene Wohnung mit einem
eigenen Sanitärbereich haben möchten und sich eine studentenähnliche WG nicht
vorstellen können.
Laut Michael Hartges könnten Siedlungsgemeinschaften in näherer Zukunft unter
Umständen zum Thema werden, wenn sich das Bundesland NRW dazu entschließen sollte,
diese zu fördern.
Das Altendorf hat eher einen negativen Klang und wird schon mal als „Altenghetto“
bezeichnet, in dem die alten Menschen abgeschoben werden.
Nachdem nun die aktuelle Situation in Aachen dargestellt wurde, wird nun gezeigt, wie sich
der Wohnbedarf in Zukunft aufgrund des demographischen Wandels entwickeln wird.
7
Prognose des Wohnbedarfes in Aachen im Hinblick auf den demographischen
Wandel
Angesichts des oben vorgestellten demographischen Wandels, der sich durch
Geburtenrückgang bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung abzeichnet, steigt als
Konsequenz auch die Pflegebedürftigkeit. Nach Statistiken liegt in Deutschland das Risiko
der Pflegebedürftigkeit bei den über 80jährigen bei 25%. Damit erhöht sich natürlich die
Nachfrage nach entsprechenden Wohnformen im Alter.(16) Deutschlandweit wird sich die
Zahl der benötigten Pflegeplätze von 470.000 bis zum Jahre 2050 um 600.000 erhöhen. Auch
für Aachen zeigt sich dieser Trend. Wie oben dargestellt wird die derzeitig starke Gruppe der
35-45jährigen in den nächsten Jahrzehnten in das kritische Alter kommen. Der verstärkte
Bedarf an Pflegeplätzen zeigt sich auch anhand der Entwicklung der Anzahl der Altenheime
in Aachen. So wurden seit dem Jahre 2002 drei zusätzliche Heime in Aachen errichtet. Ein
weiteres Heim für Richterich ist im Gespräch.
Außer der steigenden Lebenserwartung hat der Wandel der Lebensformen in Richtung
Individualisierung Auswirkungen auf die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen.
„Durch die Zunahme von Ein-Personen-Haushalten, den zahlenmäßigen Rückgang der
jüngeren Altersgruppen und die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen wird die Pflege
alter Menschen innerhalb der Familie in Zukunft immer weniger zu leisten sein.“(17)
Aufgrund dieser Entwicklung wird es in den nächsten Jahren zu einem erheblichen
Nachfragedruck auf die Wohnungsformen für ältere Menschen kommen. Besondere
Bedeutung kommt daher dem betreuten Wohnen zu. Aufgrund der hohen Nachfrage
entstehen in diesem Bereich große Handlungsfelder.
Es ist abzusehen, dass vor allem der Wohnungstausch in Aachen auf diese Entwicklung
reagieren wird. Schon heute kommen die Hälfte aller Anfragen von alleinstehenden älteren
Frauen mit einer steigenden Tendenz.
Im Bereich Altenwohnungen besteht dagegen jetzt schon ein Angebotsdefizit. Vor allem
rollstuhlgerechte Wohnungen sind bei weitem nicht ausreichend für die große Nachfrage.
Daher müssen die Angebote dieser Wohnungen und besonders auch der innenstadtnahen
Wohnungen deutlich erhöht werden.(18)
Als weitere Wohnform werden generationsübergreifende Wohnprojekte zunehmend
relevanter, da durch die Altersklassenverschiebung in der Bevölkerung die Menschen
gezwungen sein werden, die Situation im Alter frühzeitig abzusichern.
Zum Abschluss soll eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse gegeben werden.
8
Fazit
Auf den letzten Seiten konnte gezeigt werden, dass sich der Wohnungsmarkt für ältere
Menschen in einem starken Aufschwung befindet. So ist das Wohnungsangebot in den
vergangenen Jahren deutlich breiter geworden. Besonders ältere Menschen, die nicht
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 108
vollständig pflegebedürftig sind, benötigen immer mehr Betreuungsleistungen, da es heute
nicht mehr die Großfamilie unter einem Dach gibt, die solche Dienste übernehmen könnte.
Neben dieser Entwicklung verstärkt insbesondere die demographische Situation in
Deutschland und speziell in Aachen den immensen Nachfragedruck nach angepassten
Wohnformen im Alter. Die Anforderungen der älteren Menschen liegen im unabhängigen
und selbstbestimmten Wohnen. Ein Alten- beziehungsweise Pflegeheim ist für viele die
letzte Alternative, wenn ein selbständiges Wohnen nicht mehr möglich ist.
Die für die nähere Zukunft wohl bedeutenste Wohnform ist das betreute Wohnen ohne
Umzug. Denn so kann das Bedürfnis der älteren Menschen, in der vertrauten Umgebung
weiter leben zu können, erfüllt werden, indem umfangreiche Hilfsangebote durch mobile
Dienste bereitgestellt werden.
Interesse zeigen immer mehr ältere Menschen auch an ganz neuen Wohnformen wie das
selbstorganisierte Wohnen.
Die Untersuchung zeigt, dass die neue Herausforderung der Wohnungsanbieter darin
bestehen wird, den Anforderungen einer älter werdenden Nachfragerschaft zu genügen.
Diese Nachfrager werden in nächster Zeit zu einer immer wichtigeren Kundengruppe
werden. Deswegen kann man mit Weiterentwicklungen und neuen Projekten in Zukunft
rechnen.
9
Quellenangaben
Börsch-Supan, A. (2002): Mehr Zuwanderung? Zur Rolle des Auslands bei der Stabilisierung
der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland, DIW Vierteljahreshefte zur
Wirtschaftsforschung, Heft 2, 71. Jahrgang.
Hartges, M (2005): Kurzinformation Wohnungstausch in Aachen für die Veranstaltung am
21.06.05 „Alternative Wohnformen“ in Herzogenrath.
Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes NRW (1995): Neue Wohnformen für ältere
Menschen, MBW, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Düsseldorf.
Petersen, U. (2004): Hinter dem Horizont geht´s weiter... – Über neue Perspektiven des
gemeinschaftlichen Wohnens im Alter, wohnbund-informationen, Heft 2/2004.
Preiß/Stolarz (2003): Neue Wohnkonzepte für das Alter und praktische Erfahrungen bei der
Umsetzung, Zwischenbericht im Rahmen des Projektes „Leben und Wohnen im Alter“ der
Bertelsmann Stiftung und des Kuratoriums deutscher Altershilfe.
http://www.kda.de/files/wohnen/Wohnkonzepte1.pdf, Zugriff:17.01.2006
Sinn, H. (2003): Das demographische Defizit – die Fakten, die Folgen, die Ursachen und die
Politikimplikationen, ifo Schnelldienst, Heft 5, 56. Jahrgang.
Stadt Aachen - Sozialamt (2005): Einrichtungen der Altenarbeit in Aachen 2005/2006.
Statistisches Bundesamt (2003): Bevölkerung Deutschlands bis 2050 - Ergebnisse der 10.
koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung,
http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2003/Bevoelkerung_2050.pdf, Zugriff: 17.06.05.
Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Altenheim, Zugriff:17.01.2006.
Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Pflegeheim, Zugriff:17.01.2006.
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Medianalter der deutschen 1950-2050
Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland
Abbildung 3: Lebendgeborene und Gestorbene in Deutschland bis zum Jahr 2050
Abbildung 4: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland
Abbildung 5: Veränderung des „Bevölkerungsbaumes“ in Aachen 2002-1987
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 109
Fußnoten
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Vgl. Sinn, 2003, S. 21.
Vgl. Sinn, 2003, S. 20ff.
Statistisches Bundesamt, 2003, S.26.
Vgl. Börsch-Supan, 2002, S. 188.
Vgl. Statistisches Bundesamt, 2003, S.29.
Vgl. Sinn, 2003, S. 23.
Vgl. Preiß/Stolarz, 2003, S. 15ff.
Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Altenheim, 17.01.2006.
Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Pflegeheim, 17.01.2006.
Vgl. Stadt Aachen, 2005, S.38.
Vgl. Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes NRW, 1995, S. 2ff.
Vgl. Preiß/Stolarz, 2003, S. 8.
Vgl. Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes NRW, 1995, S. 2ff.
Vgl. Stadt Aachen, 2005, S.40.
Vgl. www.mit-freunden-unter-einem-dach.de.
Vgl. Wohnbund-Informationen, 2004, S. 4ff.
Vgl. Preiß/Stolarz, 2003, S. 7.
Vgl. Hartges, 2005, S. 3.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 110
Barrierefreies Wohnen in Aachen – eine Wohnqualität?
Philipp Tebart, Djana Tirai, Kilian Schulte
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 111
Inhalt
barrierefreies Wohnen in Aachen – eine Wohnqualität?
1
Einleitung
2
Betrachtung der Rahmenbedingungen
3
planerische Grundlagen des barrierefreien Bauens
4
barrierefreies Wohnen in Aachen
5
Quellenangaben und Bildverzeichnis
6
Anhang
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 112
1
Einleitung
Der Wohnungsmarkt befindet sich derzeit in einer Phase des Wandels. Früher galt es
Wohnraummangel zu beseitigen, die Nachfrage nach Wohnraum war deutlich größer als das
Wohnungsangebot. Viele Jahre galt daher der Erwerb von Immobilien als langfristig sichere
Geldanlage. Die Wertsteigerung der erworbenen oder neu gebauten Objekte war beinahe
garantiert.
Heute stellt sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt grundlegend anders dar. Der
Wohnraummangel ist mittlerweile behoben, Angebot und Nachfrage sind etwa gleich groß.
Der Markt ist ausgeglichen. Für die Nachfrager von Wohnraum ist diese Entwicklung beinahe
uneingeschränkt positiv. Sie haben große Auswahl bei der Wohnungssuche und sind folglich
nicht gezwungen allzu große Zugeständnisse beim Erwerb oder Anmieten von Wohnraum
zu machen. Die beschriebene Entwicklung stellt die Anbieter von Wohnungen hingegen vor
neue Herausforderungen. Sie müssen ihre Immobilien nun auf einem Markt positionieren auf
dem recht starke Konkurrenz herrscht. Um dies erfolgreich tun zu können, reicht es nicht
länger aus einfach nur quantitativ Wohnraum zur Verfügung zu stellen, heute stehen
vielmehr qualitative Aspekte von Immobilien im Fordergrund.
Einige Qualitätsmerkmale von Wohnraum, wie beispielsweise ausreichende Belichtung und
Belüftung des Wohnraums, das Vorhandensein von privatem Freiraum oder auch eine dem
Stand der Technik angemessene Ausstattung stellen allgemeine Wohnqualitäten dar.
Andere Qualitätsmerkmale sind nicht für jeden Nachfrager von gleichem Interesse, sie sind
zielgruppenspezifisch.
Die Ausrichtung von Wohnangeboten an den Interessen und Anforderungen spezieller
Zielgruppen gewinnt auf dem Wohnungsmarkt zunehmend an Bedeutung. Diese
Entwicklung führt zu einem stärker segmentierten Markt, zu differenzierteren Angeboten.
Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit einem dieser Teilsegmente, nämlich dem Thema
„barrierefreies Wohnen“, einem Teilbereich des Themenfeldes „barrierefreies Bauen“.
In diesem Kontext wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich Barrierefreiheit als
allgemeingültige Wohnqualität verstehen lässt. Ob es also eine zusätzliche für alle Menschen
nützliche und angenehme Bereicherung einer Wohnung oder eines Wohnhauses darstellt,
die von einem Großteil der Bevölkerung nachgefragt wird, oder ob es sich um eine spezielle
Anforderung an Wohnraum handelt, die insbesondere von älteren oder behinderten
Menschen nachgefragt wird.
2
Betrachtung der Rahmenbedingungen
Um die eingangs formulierte Frage beantworten zu können, muss geklärt werden welche
Anforderungen an Wohnraum ältere und behinderte Menschen haben, und ob und
inwiefern sich diese Anforderungen von denen der übrigen Zielgruppen unterscheiden.
Dieses Kapitel setzt sich daher intensiver mit den relevanten Zielgruppen auseinander.
Zielgruppen
Eine Definition beschreibt den Begriff Zielgruppe wie folgt: Eine Zielgruppe ist eine mehr
oder weniger genau bestimmte Menge von Marktteilnehmern, an die sich ein Angebot oder
eine Maßnahme im Marketing richtet. (vgl. www.Wikipedia.org)
Im Kontext dieser Arbeit sind zwei Zielgruppen von besonderer Relevanz - die Zielgruppe
der älteren Menschen und die Gruppe der Behinderten.
ältere Menschen
Wie ist also die Gruppe der älteren Menschen definiert? Die Einordnung von Menschen in
diese Zielgruppe ist sehr einfach, sie erfolgt lediglich über das Alter einer Person. Jeder
Mensch mit einem Alter von mehr als 65 Jahren fällt in die Kategorie der Älteren.
Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland, wird diese Zielgruppe in
Zukunft enorm wachsen und somit an Bedeutung gewinnen. Warum dies so ist wird im
Folgenden kurz erläutert.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 113
Seit knapp 30 Jahren ist die Bevölkerung Deutschlands rückläufig, das bedeutet, dass mehr
Menschen sterben als geboren werden. Grund für diese Entwicklung ist das niedrige
Geburtenniveau in Deutschland. Bis zum Jahr 2050 wird dies zu einer deutlich veränderten
Alterstruktur in der Bevölkerung führen, eine Überalterung der Gesellschaft ist die Folge.
Verdeutlichen lässt sich die grundlegende Veränderung der Verteilung der Altergruppen
anhand von statistischen Graphiken, der so genannten Bevölkerungspyramiden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Fakt, dass es 1950 etwa doppelt so viele
unter 20-Jährige wie über 60-Jährige gab, im Jahr 2050 wird es genau umgekehrt sein. (vgl.
statistisches Bundesamt, 9. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung)
Es ist davon auszugehen, dass diese Zielgruppe in Zukunft aufgrund ihrer Größe eine der
Hauptnachfrager von Wohnraum sein wird. Ihre Anforderungen an Wohnungen sind somit
von großer Relevanz.
Ältere Menschen sind oft in ihrer Mobilität eingeschränkt und verbringen daher sehr viel Zeit
in ihrer Wohnung und dem unmittelbaren Umfeld. Die Gestaltung dieser Räume ist somit für
sie von besonders großem Interesse.
Die höchste Priorität hat die Erhaltung einer möglichst großen Selbstbestimmung auch im
hohen Lebensalter. Um die Selbstständigkeit von älteren Menschen, insbesondere solchen,
die sich im hohen Lebensalter befinden, zu erhalten muss die Wohnung an die körperlichen
Restriktionen der Menschen angepasst werden. Treppen werden beispielsweise oft als sehr
mühsam empfunden oder führen zu der Angst zu stürzen. Eine ebenerdige Lage oder ein
Aufzug sind notwendig. Ein weiteres Beispiel für eine solche Anpassung ist das Badezimmer.
Übliche Badzuschnitte werden von älteren Menschen oft als beengend empfunden, weil sie
mehr Bewegungsraum benötigen. Darüber hinaus sind Griff- und Sitzmöglichkeiten
gewünscht. (vgl. Höpflinger, traditionelles und neues Wohnen; Schader Stiftung,
Ergebnisbericht)
Insgesamt lassen sich die Anpassungen des Wohnraums an die Bedürfnisse von älteren
Menschen als Wunsch nach Barrierefreiheit zusammenfassen.
Die Wohnwünsche von älteren Menschen nur unter dem Aspekt des barrierefreien Wohnens
betrachten, wäre jedoch zu eng. Eine Vielzahl anderer Wünsche sind ebenfalls entscheidend
für die Wohnqualität. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Wohnungsumfeld aus den
Betrachtungen ausgeklammert.
behinderte Menschen
Für die Gruppe der älteren Menschen gab es eine einfache Definition, die eine klare
Zuordnung von Menschen in diese Zielgruppe ermöglichte. Dies ist bei der Gruppe der
Behinderten nicht der Fall. Die Definitionen des Begriffs 'Behinderung', die in der
Rechtslegung und von offiziellen Organisationen verwandt werden divergieren zum Teil
beträchtlich.
Ein Definitionsansatz ist der im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, §3, Behinderung)
verwandte: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 114
für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft beeinträchtigt ist."
Auf dem europäischen Kongress "Die Stadt und die Behinderten" im März 1995 in Barcelona,
wurde folgende Definition von den unterzeichnenden Städten erarbeitet: "Das Wort
‚Behinderung’ ist ein dynamischer Begriff, das Ergebnis der Interaktion zwischen
individueller Begabung und umweltbedingten Einflüssen, die wiederum diese Begabung
prägen. Folglich sind das Gemeinwesen und das Sozialwesen dafür verantwortlich, dass sich
die Entwicklung der Bürgerinnen und Bürger zu den bestmöglichen Konditionen vollzieht,
was wiederum bedeutet, dass alle Ursachen vermieden bzw. beseitigt werden, die dieser
Entwicklung im Wege stehen oder sie verhindern"
Zu erkennen ist, dass der erste Definitionsansatz versucht, dem Umstand der Behinderung in
der notwendigen Komplexität fassbar zu machen, wohingegen der zweite Definitionsansatz
einen humanistischeren Standpunkt einnimmt, und damit eine spezifische Terminologie für
Behinderte, die natürlichen Teil der Bevölkerung darstellen, nicht als notwendig erachtet.
(vgl. www.Berlin.de und www.Baunetz.de)
Im Rahmen dieser Arbeit wird mit der Definition des Behindertengleich-Stellungsgesetztes
(BBG) gearbeitet, da diese maßgeblich für die Rechts-Legung in Deutschland ist.
Ähnlich wie die Gruppe der Älteren wächst auch Zielgruppe der Behinderten. Laut Statistik
(vgl. www.destatis.de Pressemitteilung) sind heute etwa 10% der deutschen Bevölkerung vor
dem Gesetz behindert, das entspricht einer Zahl von etwa 8,4 Millionen Behinderten in
Deutschland. Der überwiegende Teil dieser Personen sind schwer behindert, das heißt sie
haben einen Behinderungsgrad von mehr als 50%.
In den letzten 4 Jahren stieg diese Zahl um mehr als 3%. Diese Entwicklung liegt nicht zuletzt
an der demographischen Entwicklung in Deutschland. Die Bevölkerung altert, womit die
Hilfs- und Pflegebedürftigkeit zunimmt.
Die Anforderungen von Behinderten an die Gestaltung von Wohnraum sind sehr
unterschiedlich. Zurückzuführen ist dieses breite Spektrum auf die unterschiedlichen Arten
der Funktionseinschränkungen der Behinderten. Wie in der Definition des BBG bereits
formuliert werden drei Arten von Fähigkeitseinschränkungen unterschieden:
•
•
•
sensorische Funktionseinschränkungen (Sinneswahrnehmung)
kognitive Funktionseinschränkungen (Erkenntnis und mentale Verarbeitung)
motorische Funktionseinschränkungen (Bewegung)
Die ebenfalls den Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmen ist, nähern
sich die Lebensumstände von behinderten und nicht behinderten Menschen häufig an. (vgl.
Pfaff, Lebenslagen der behinderten Menschen)
Die Anforderungen von Behinderten an Wohnraum ähneln ebenfalls häufig denen der
Gruppe der älteren Menschen, für diese Zielgruppe ist die Barrierefreiheit von Wohnraum
häufig unverzichtbar.
Barrierefreiheit – eine Definition
Für die Begriffe der ‚Barriere’ bzw. der ‚Barrierefreiheit’ existieren zahlreiche Definitionen, von
denen sich nicht alle gleichermaßen für das Planen und Bauen eigenen. Im Kontext dieser
Arbeit wird mit den folgenden Begriffsdefinitionen gearbeitet (vgl. www.baunetz.de ):
Eine Barriere ist ein baulicher Umstand, der Menschen ganz oder teilweise von der
eigenständigen Wohnraumnutzung ausschließt, die anderen Menschen möglicherweise
zugänglich sind.
Mit Barrierefreiheit wird demzufolge ein Zustand beschrieben in dem niemand von der
Nutzung eines Raumes ausgeschlossen wird, bzw. niemand in seiner Nutzung behindert
oder eingeschränkt wird. Der Begriff der Barrierefreiheit wird ebenfalls im
Behindertengleichstellungsgesetz (BBG) und in den Rechtsvorschriften sowie Normen (DIN)
verwandt.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 115
Da sich der Zustand der Barrierefreiheit in der Praxis kaum verwirklichen lässt, wird dort oft
der Begriff ‚barrierearm’ gebraucht. Hierunter ist eine Annäherung an das Ziel der
Barrierefreiheit zu verstehen, die möglichst wenige Menschen ausschließt.
In der Architektenausbildung wird zumeist vom
„normalen“, gesunden Menschen ausgegangen.
Angesichts der zuvor genannten Statistiken, nach
denen im Schnitt jeder Zehnte Einwohner der
Bundesrepublik
Deutschland
einen
Behinderungsgrad von 50% oder mehr besitzt,
wird offenbar, dass es sich bei der Gruppe der
Menschen, für die barrierefreier Wohnraum
unverzichtbar ist, nicht um eine Randgruppe
handelt. Es erscheint daher ratsam, sich vermehrt
und
dezidierter
mit
den
Wohnraumgestaltungsanforderungen
dieser
Menschen auseinander-zusetzen.
3
planerische Grundlagen des barrierefreien Bauens
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den objektiven Vorgaben zum barrierefreien Wohnen,
also den, durch Gesetze und Normen festgesetzten, allgemeingültigen Planungs- und
Bauregeln. Ergänzt werden diese durch einen Katalog, der eine Übersicht über die
notwendigen Informationen bezüglich Planung und Ausstattung von barrierefreien
Wohnungen bietet.
Gesetzliche Grundlagen
Die grundlegende Verankerung des barrierefreien Bauens, im Sinne der Verantwortung der
Gesellschaft, allen Menschen die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu
ermöglichen, findet sich im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 3,
Absatz 3 (Grundrechte): „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Weitere Gesetze auf Bundes- wie Landesebene haben die Belange Behinderter zum Inhalt.
Zu nennen ist im diesem Kontext besonders das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), ein
Bundesgesetz, welches zum Ziel hat, die Benachteiligung behinderter Menschen zu
beseitigen und diesen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wie auch
eine selbst bestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
Die Umsetzung der Regelungen des BGG in das Landesrecht erfolgt über
spezielle
Gleichstellungsgesetze der Länder.
Normen und Regelungen
Es existiert eine Vielzahl umfangreicher Normen, die detaillierte Aussagen zu barrierefreien
Bau- und Planungsvorhaben machen. Diese Wichtigsten dieser Normen seien im Folgenden
kurz aufgeführt.
Die DIN 18024 (barrierefreies Bauen) macht Aussagen zur Einhaltung der Barrierefreiheit im
Rahmen allgemeiner, öffentlicher Bauaufgaben. Der erste Teil dieser Norm enthält
Planungsvorschriften zur Gestaltung von Straßen, Plätzen, Wegen sowie öffentlichen
Grünanlagen oder Spielplätzen. Im zweiten Teil derselben DIN sind Regelungen zur Planung
von öffentlichen Gebäuden und Arbeitsstätten verfasst.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist die DIN 18025 von wesentlich größerer Wichtigkeit,
da sie sich speziell mit dem Thema „barrierefreie Wohnungen“ auseinandersetzt. Diese Norm
gilt für die Planung und Errichtung von neuen Miet- und Genossenschaftswohnungen, sowie
sinngemäß für alle Bau- und Planungsaufgaben, die die Errichtung von barrierefreiem
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 116
Wohnraum zum Ziel haben. Ebenso wie die zuvor kurz beschriebene DIN 18024 ist auch
diese Norm in zwei Teile gegliedert. Sie unterscheidet zwischen rollstuhlgerechten und
allgemein barrierefreien Wohnungen.
Der erste Teil der DIN 18025 gilt für den Bau, die Planung und Einrichtung von
rollstuhlgerechten Wohnungen. Er enthält Regeln, die Rollstuhlbenutzern, auch solchen mit
Oberkörperbehinderungen, ermöglichen sollen alle zur Wohnung gehörenden Räume
problemlos befahren zu können. Ziel ist der Regelungen ist die Schaffung von
Raumsituationen, in denen sich Rollstuhlbenutzer möglichst selbstständig, und von fremder
Hilfe weitestgehend unabhängig, bewegen können. Deshalb müssen neben der eigenen
Wohnung grundsätzlich alle gemeinschaftlich nutzbaren Räumlichkeiten ebenfalls den
Anforderungen dieser DIN genügen. Wird im Rahmen dieser Norm der Begriff ’Rollstuhl’
verwandt, so ist stets der Elektrorollstuhl gemeint.
Teil 2 der DIN 18025 regelt die Planung, den Bau sowie die Einrichtung von allgemein
barrierefreien Wohnungen. Allgemein barrierefrei bedeutet, dass der Wohnraum für alle
Menschen, mit Ausnahme von Rollstuhlbenutzern, unabhängig und uneingeschränkt
nutzbar sein muss. Auch wenn dieser Teil der DIN ausdrücklich nicht die besonderen
Anforderungen von Rollstuhlbenutzern berücksichtigt, so müssen Wohnungen, die nach den
Regeln dieser Norm errichtet werden doch von Rollstuhlbenutzern besucht werden können.
Insbesondere folgende Personengruppen profitieren von den Regelungen der DIN 18025 :
Teil 2 (vgl. Barrierefreie Wohnungen - Leitfaden für Architekten)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
ältere Menschen und Kinder
Groß- oder Kleinwüchsige
Blinde und Sehbehinderte
Gehörlose und Hörgeschädigte
Gehbehinderte
Menschen mit sonstigen Behinderungen
Spätestens hier wird deutlich, dass ein sehr großer Teil der Bevölkerung Nutzen aus
barrierefreien Wohnungen ziehen kann, und dass es sich nicht, wie teilweise angenommen,
um eine Randgruppe handelt.
Die beiden genannten Normen, DIN 18024 und DIN 18025 sollen zukünftig in der neuen DIN
18030 zusammengefasst werden.
Je nach Bundesland sind diese Normen bauordnungsrechtlich verbindlich.
Katalog – Planung und Ausführung
In dem folgenden Katalog werden verschiedene Bereiche des barrierefreien Wohnens und
Bauens betrachtet und mögliche Lösungen für verschiedene Problemstellungen vorgestellt.
Das Spektrum der behandelten Themen reicht dabei von der Erschließung bis hin zu
gebäudetechnischen Anlagen. (vgl. www.nullbarriere.de, www.baunetz.de )
Zugang/Erschließung
Der erste betrachtete Teilbereich des
barrierefreien Bauens ist der Bereich des
Zugangs oder der Erschließung. Im Kontext
des barrierefreien Wohnens wird bei dem
Begriff ‚Erschließung’ oft zuerst an das
Verhindern von Stufen oder Treppen gedacht.
Die so genannte stufenlose Erreichbarkeit
einer
Wohnung
ist
besonders
für
Rollstuhlbenutzer unverzichtbar. Sie kann
durch den Einsatz verschiedener Mittel
gewährleistet werden. Die am häufigsten
verwandten sind Aufzüge oder Rampen,
wobei auch etliche andere Lösungen, wie
beispielsweise
Senkrechte
Lifte,
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 117
Hubplattformen oder Treppenlifte denkbar sind.
Die stufenlose Erreichbarkeit ist jedoch nicht der einzige Aspekt der Gebäudeerschließung,
den es bei der Schaffung von Barrierefreiheit zu berücksichtigen gilt. Auch die
Beschaffenheit von Treppen oder Türen ist für die Zugänglichkeit von Gebäuden
entscheidend. Bei der Gestaltung von Treppen ist die Anbringung entsprechender
Handläufen ebenso notwendig, wie ein Schutz gegen Abrutschen oder gut sichtbare, bzw.
tastbare Markierungen der Treppenstufen. Türen müssen in ihren Abmessungen so gewählt
werden, dass ein bequemes Passieren, auch für Rollstuhlbenutzer, möglich ist. Zu Beachten
sind auch geeignete Öffnungsmechanismen, auf die im Abschnitt Gebäudetechnik näher
eingegangen wird.
Ebenso wichtig wie die Zugänglichkeit ist die Nutzbarkeit von Räumen, die durch das
Einhalten von Bewegungsflächen gewährleistet wird. Die Abmessungen dieser Flächen
werden durch die Dreh-, bzw. Bewegungsradien
einer Person bestimmt. Dabei definiert der
Nutzer durch seine Anforderungen auch den
notwendigen Platzbedarf. Ein auf einen
Elektrorollstuhl angewiesener Mensch, benötigt
somit mehr Bewegungsflächen als ein nicht
gehbehinderter Mensch. Die exakten Maße der
Bewegungsflächen sind in den Normen
festgesetzt.
Orientierungshilfen sind insbesondere für
Menschen mit sensorischen Funktionsstörungen
notwendig. Unter dem Begriff ‚Leitsysteme’
werden alle Arten von Hilfen zur Orientierung zusammengefasst. Darunter fallen
beispielsweise Farbleitsysteme, Piktogramme oder Bodenindikatoren.
Wohnen und Schlafen
Die Berücksichtigung der Barrierefreiheit in Planung, Ausführung sowie Einrichtung in allen
zum Wohnen genutzten Räumen eines Gebäudes ist selbstverständlich von entscheidender
Bedeutung für die eigenständige und unabhängige Nutzbarkeit einer Wohnung durch ein
möglichst breites Personenspektrum.
Durch eine geeignete Disposition des Grundrisses lassen sich Funktionsabläufe räumlich
zusammenfassen und optimieren. Besonders für behinderte Menschen ist die Vermeidung
langer Wegstrecken innerhalb der Wohnung sehr wichtig. Flure sind somit bei der
Grundrissplanung, insbesondere von rollstuhlgerechten Wohnungen, wenn möglich zu
vermeiden.
Darüber hinaus muss der notwendige, je
nach
Behinderung
unterschiedliche,
Mehrflächen-bedarf eingeplant werden.
Dieser Bedarf ergibt sich aus den
notwendigen
Bewegungsflächen
und
daraus resultierenden Raumgrößen. In
einigen Fällen ist Anlage weiterer Räume,
wie beispielsweise Therapieräumen oder
häuslichen Arbeitsräumen, erforderlich.
Um den Belangen von Bewohnern mit
sensorischen
Funktionseinschränkungen
Rechnung zu tragen, sollte bei der
Grundrissgestaltung überdies eine klare
Struktur zur leichteren Orientierung
geschaffen werden.
Wohnungen, die nach DIN 18025 Teil 1
rollstuhlgerecht sind, muss im Eingangsbereich der Wohnung oder des Wohnhauses ein
Rollstuhl-wechselplatz geschaffen werden. Ein solcher Raum ermöglicht das Abstellen des
auf der Straße genutzten Rollstuhls und das Umsteigen in einen anderen, zumeist kleineren
und leichteren, Rollstuhl zur häuslichen Nutzung.
Die Belichtung von barrierefreien Wohnung sollte immer über Fenster mit geringer
Brüstungshöhe oder über raumhohe Fenster erfolgen, um Sichtbezüge für sitzende oder
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 118
kleine Personen in den Außenbereich zu ermöglichen. Diese Notwendigkeit wird
verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Augenhöhe des durchschnittlichen
Rollstuhlfahrers etwa 1,15m beträgt.
Arbeiten
Menschen mit Behinderungen sind oft in ihrer Mobilität eingeschränkt. Für sie ist daher die
Einrichtung eines Arbeitsplatzes in der eigenen Wohnung oft besonders wichtig. Wie zuvor
bereits angesprochen müssen die dafür notwendigen Räume bereits beim Zuschnitt der
Grundrisse eingeplant werden. Das reine Vorhandensein eines Arbeitsraumes ist oft
allerdings nicht ausreichend. Bei der Einrichtung und Gestaltung des Arbeitsplatzes müssen
die individuellen Anforderungen des Benutzers beachtet werden.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Anpassung von Arbeitsplätzen, die im Rahmen dieser
Arbeit nicht alle genauer betrachtet werden können. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht
dabei von der einfachen
Einhaltung bestimmter Maße
und Höhen bis hin zum Einsatz
differenzierter,
speziell
angepasster
Computerarbeitsplätze.
Pauschal lassen sich, von der
Einhaltung
bestimm-ter
Bewegungsflächen
einmal
abgesehen, keine Aussagen
über geeignete Arbeitsplatzanpassungen
treffen.
Die
individuellen Fähigkeiten des
Nutzers oder der Nutzerin sind
hier ausschlaggebend.
Sanitär/Küche
Bei der barrierefreien Gestaltung von Funktionsräumen, insbesondere Küchen und Bädern,
sind neben der Einhaltung der üblichen Mindestabstände und Bewegungsradien weitere
Besonderheiten zu berücksichtigen. Bei der Nutzung dieser Räume stehen die Installationen
und Einbauten im Mittelpunkt. Auf eine funktionale, den Bedürfnissen der Nutzer
angepasste, Ausführung ist daher zu achten. Die Anforderungen unterscheiden sich je
nachdem, ob nach DIN 18025 Teil 1 (rollstuhlgerecht) oder nach Teil 2 (barrierefrei) gebaut
wird.
Bei der Planung von Sanitärräumen sind in beiden Fällen
zahlreiche Griff- und Haltemöglichkeiten zu schaffen, Duschen
schwellenfrei zu gestalten, und leicht bedienbare, das heißt
einhändig nutzbare, griffige, Armaturen zu verwenden. Um Stürze
zu vermeiden sollten die Bodenbeläge rutschfest sein. Bei
rollstuhlgerechter Ausführung müssen darüber hinaus bestimmte
Griffhöhen eingehalten werden, eine Unterfahrbarkeit des
Waschtisches gegeben sein, und je nachdem, ob eine Dusche oder
Badewanne genutzt werden soll, ist auch diese den speziellen
Anforderungen, zum Beispiel durch den Einsatz eines Lifters,
anzupassen.
Wie sehr oft beim barrierefreien Bauen stehen bei der Gestaltung
von Küchen die individuellen Anforderungen des Nutzers im
Mittelpunkt. Die notwendigen Modifikationen an der Einrichtung
der Küche hängen daher sehr stark von dessen Fähigkeiten ab. Die
Möglichkeiten der Anpassung sind vielfältig und reichen von der optimierten Anordnung
von Geräten über die Verwendung höhenverstellbarer und unterfahrbarer Arbeitsflächen bis
zum Einbau spezieller optischer oder akustischer Signale.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 119
Gebäudetechnik
Unter dem Begriff Gebäudetechnik ist eine Vielzahl unterschiedlicher technischer Anlagen
zusammengefasst, durch die sich verschiedene Funktionen im Gebäude steuern lassen. Sie
ist ein essenzieller Bestandteil des barrierefreien Bauens. Durch den intelligenten Einsatz
geeigneter Technik lässt sich häufig auch in Gebäuden konventioneller Architektur eine
weitestgehende Barrierefreiheit erreichen. Eine besondere Bedeutung kommt ihr bei
Planungsaufgaben zu, bei denen bereits vorhandener, nicht den Belangen alter und
behinderter Menschen angepasster, Wohnraum barrierefrei gestaltet werden soll. Während
bei Neubauten schon in der Planungsphase mögliche Barrieren verhindert werden können,
müssen bei Umbaumaßnahmen bereits bestehende Barrieren oft mit Hilfe technischer Mittel
überwunden werden. Man denke hier nur an den Einsatz so genannter Treppenlifte, auf
deren Einbau in Gebäuden ohne Treppen verzichtet werden könnte.
Das Angebot technischer Mittel reicht von häufig verwendeten Elementen, wie speziell
gestalteten Fenster- oder Türgriffen über automatische Bedienelemente und motorisierte
Türöffner bis hin zu stark individualisierten Systemen zur Umfeldkontrolle, wie sie zum
Beispiel von Menschen verwendet werden, die auf eine verbale Steuerung angewiesen sind.
Außenbereich
Nicht nur im Innern eines Wohnhauses ist die Einhaltung der in der DIN 18025 formulierten
Regeln wichtig. Die Nutzbarkeit der Gebäudeaußenbereiche ist ebenso zu gewährleisten.
Auch bei der Planung der Freibereiche sollte eine stufenlose Erschließung selbstverständlich
sein. Wegeflächen müssen klar erkennbar begrenzt sein und sollten durch einen klaren
Verlauf die Orientierung erleichtern. Bei der Wahl der Bodenbeläge sollte darauf geachtet
werden, dass keine Rutschgefahr besteht und eine erschütterungsarme Befahrbarkeit mit
dem Rollstuhl gewährleistet ist.
Menschen mit Behinderungen nutzen sehr oft ihren PKW um ihre Mobilität zu erhalten. Ein
ausreichendes Stellplatzangebot in unmittelbarer Wohnungsnähe ist daher unverzichtbar.
Weiterhin muss bei der Anlage der Stellplätze auf die notwendigen Abstandsflächen und
Bewegungsradien zwischen den Wagen geachtet werden. Ein Rollstuhlfahrer benötigt zum
Beispiel etwa 1,5m Bewegungsraum zwischen seinem Fahrzeug und dem nächsten.
'Best Practices' – gebaute Beispiele
Dass die zuvor ausführlich diskutierten Normen und Gestaltungsregeln kein Hemmnis für
gute, moderne Architektur darstellen müssen beweisen die beiden im Folgenden
dargestellten Beispiele. (vgl. www.baunetz.de )
Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um ein im Jahr 2004 fertig gestelltes, komplett
rollstuhlgerechtes und barrierefreies Einfamilienhaus welches in Niedrigenergiebauweise
errichtet wurde.
Den Wunsch des Bauherrn nach einem großzügigen,
offenen und Licht durchfluteten Gebäude, welches
darüber hinaus auch noch den Anforderungen eines
Rollstuhlbenutzers genügen musste, setzte der
Münchener Architekt Florian Höfer in diesem Entwurf
eines zweigeschossigen Eigenheims um. In der Mitte
des Ortes Gstach am Chiemsee gelegen offenbart das
Gebäude die Philosophie des Architekten "sich nicht
hinter geschlossenen Mauern zu verstecken".
Die Erschließung des Hauses erfolgt über eine 17 m
lange, zweigeteilte Rampe, die den Eingangsbereich, die Schlaf-, Kinder- und Gästezimmer
im Erdgeschoss mit den offenen Arbeits- Wohn-, Koch- und Essbereichen im Obergeschoss
verbindet. Neben der Rampe, die als Haupterschließung dient, gibt es einen Aufzug, der
beide Obergeschosse mit dem Keller des Hauses verbindet.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 120
Die Fassade des Baus ist mit rot
lasierten
Lärchenholzpaneelen
verkleidet und von einer großzügigen,
keilförmig
aus-eschnittenen
Fensterfläche durchbrochen, durch
welche
die,
das
Gebäude
erschließende, Rampe in Szene gesetzt
wird. Die Belichtung aller Räume
erfolgt über raumhohe, 1,20 m breite
Fenstertüren, die gleichzeitig Zugang
zu einem allseits umlaufenden Balkon
gewähren.
Den Anforderungen des Bauherrn in
Punkto Barrierefreiheit wurde bei der
Einrichtung des Hauses durch die Einhaltung einer Griff- und Arbeitsflächenhöhe von etwa
70 cm, wie auch durch eine entsprechende rollstuhlgerechte Ausführung der Küche und
Arbeitsräume Rechnung getragen.
Als zweites Beispiel dient ein von den Karlsruher Architekten Kränzle + Fischer-Wasels
entworfenes und realisiertes Mehrgenerationenhaus in Darmstadt, bei dessen Konzeption
die Flexibilität in der Nutzung im Vordergrund der Planung stand.
2003 wurde das am Stadtrand von Darmstadt
gelegene Mehrfamilienhaus fertig gestellt. Zur
Straßenseite hin erscheint es äußerlich zunächst
als
langer
geschlossener
Kubus
aus
anthrazitfarbenen Ziegeln. Zum Garten hin
öffnet sich die Fassade und bietet großzügige
Ausblicke in die grüne Parklandschaft.
Interessant ist die Konzeption des Hauses. Was
sich zuerst als konventionelles Einfamilienhaus
darstellt
ist
eine
Kombination
dreier,
voneinander
unabhängiger
MaisonetteWohnungen, in einem Haus. Verbunden und gleichzeitig voneinander getrennt werden
diese Wohnungen durch geschosshohe Zwischenräume, die den Bewohnern als
Kommunikationsräume oder gemeinschaftliche Flächen zu Verfügung stehen.
Gemeinschaftlich genutzt wird überdies die Terrasse des Gebäudes, sowie eine im
Obergeschoss des Gebäudes verlaufende Loggia.
Die
planerische
wie
architektonische Innovation des
Entwurfs besteht in der Ausbildung
eines "Bau-astensystems" innerhalb
des
Gebäudes,
das
die
nachträgliche Modifikation der
Raumkonstellation sowohl in der
Horizontalen
wie
auch
der
Vertikalen ermöglicht. So kann auf
sich
verändernde
Familienstrukturen oder körperliche
Anforderungen reagiert werden.
Das
Gebäude
ist
komplett
barrierefrei gestaltet, schwellenfreie
Übergänge innerhalb des Gebäudes wie auch im Außenbereich erlauben die
uneingeschränkte Nutzung des Hauses durch alle Bewohner unabhängig von ihrer
gesundheitlichen Situation. Sogar ein nachträglicher Einbau von Aufzügen wurde in die
Planung mit einbezogen und durch die Schaffung großzügiger Lufträume ermöglicht.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 121
4
barrierefreies Wohnen in Aachen
In diesem Kapitel liegt der Fokus der Betrachtung auf der Situation des Wohnungsmarktes in
der Stadt Aachen. In diesem Zusammenhang wird sich mit Angebot und Nachfrage nach
barrierefreiem Wohnraum in Aachen, der Frage nach Rentabilität und Fördermöglichkeiten
auseinandergesetzt.
Marktsituation in Aachen
Eine wissenschaftlich gesicherte Aussage über die Situation auf dem Aachener
Wohnungsmarkt im Bezug auf barrierefreien Wohnraum lässt sich nicht treffen. Dies liegt an
der Tatsache, dass keine Studien über den Bestand an barrierefreien Wohnungen oder
Nachfrage nach solchen existiert. Im Rahmen dieser Arbeit wird versucht, aus den in
Interviews (siehe Anhang) ermittelten Aussagen verschiedener Experten die Situation vor
Ort abzuleiten und Entwicklungstendenzen zu beschreiben..
Zunächst einmal ist in diesem Kontext eine Besonderheit des Aachener Wohnungsmarktes
zu beachten. Anders als in vergleichbaren Städten in Nordrhein-Westfalen befinden sich nur
etwa 30% des gesamten Wohnungsbestandes in städtischer Hand. In vielen anderen Städten
ist das Verhältnis beinahe umgekehrt. Der weitaus größte Teil der Wohnungen in Aachen
(über 70%) gehört Privatpersonen oder freien Unternehmen. Bei der Betrachtung der
Situation in Aachen muss daher deutlich unterschieden werden zwischen öffentlichen,
städtischen Wohnungen und privat finanziertem Wohnraum.
Betrachtet man die Entwicklung der Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum im Hinblick
auf den öffentlich geförderten Wohnungsbau, so ist seit etwa 3 bis 5 Jahren eine Stagnation
zu erkennen. Erklären lässt sich diese Stagnation nach der Einschätzung von Experten
allerdings nicht mit einem Rückgang der Nachfrage sondern vielmehr mit der
Angebotssituation in Aachen. Das Angebot an barrierefreiem, behinderten-, oder
altengerechtem Wohnraum ist qualitativ deutlich zu gering. Auch qualitativ hochwertigere
Angebote sind derzeit noch weitestgehend zu vermissen. Die Nachfrage wird daher in
Aachen hauptsächlich durch privat finanzierte Projekte befriedigt. Von städtischer Seite aus
wird jedoch an einer Vielzahl unterschiedlicher Angebote gearbeitet. Neue, alternative
Wohnangebote für Senioren werden stark gefördert und zusätzliche speziell zugeschnittene
Betreuungsangebote geschaffen. Das Spektrum solcher Bemühungen reicht von der
Schaffung spezieller Wohnangebote für dementiell Erkrankte über Wohngruppenangebote
wie beispielsweise "Alten-WGs" bis zu betreuten Wohneinrichtungen, die ein eigenständiges,
selbstbestimmtes Wohnen bis ins hohe Alter hinein ermöglichen sollen.
Im Bereich der privat finanzierten Angebote ist in Aachen ein sehr starker Nachfragezuwachs
zu verzeichnen. Die Bautätigkeit im Bereich des alten- und behindertengerechten Wohnens
nimmt seit Jahren drastisch zu. Den Aussagen verschiedener Experten zur Folge wird in
Aachen im Bereich des Mehrfamilienhaus- bzw. Mietwohnungsbaus fast nur noch
barrierefreier Wohnraum geschaffen, da dessen Vermietbarkeit gegenüber nicht
barrierefreiem Wohnraum deutlich höher ist.
Im Bereich der Wohnangebote für Senioren werden heute fast nur noch moderne
Wohnkonzepte verfolgt, die die Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der Bewohner
in den Mittelpunkt stellen. Dem Bedürfnis älterer Menschen nach Kommunikation wird dabei
ebenso Rechnung getragen wie dem Wunsch nach Serviceleistungen und ärztlicher
Versorgung.
Kosten - Finanzierung - Rentabilität
Im Rahmen des Themas barrierefreies Bauen und Wohnen wird sehr oft die Finanzierbarkeit
solcher Projekte in Frage gestellt. In der Tat ist der finanzielle Mehraufwand nicht zu
unterschätzen. Je nach gewünschtem Ausstattungsgrad der Wohnungen liegt er zwischen
10 und 20% der gesamten Bausumme.
Ausgesprochen teuer ist der Umbau eines bestehenden Gebäudes nach den Belangen der
Barrierefreiheit. Soll eine echte Barrierefreiheit entstehen oder muss das Gebäude
rollstuhlgerecht werden, so bleibt als Lösung oft nur die Entkernung desselben. Im Fall der
Entkernung belaufen sich die Kosten für den Umbau auf 90-100% der Kosten für einen
vergleichbaren Neubau. Dies liegt zum Teil an den gegenüber dem Neubau deutlich
höheren Baunebenkosten. Die Rentabilität einer Umbaumaßnahme sollte also gründlich
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 122
geprüft werden. Grade bei Umbauten sind oft Kompromisslösungen notwendig und
sinnvoll.
Für Planer und Architekten ist das barrierefreie Bauen mit größerem Aufwand verbunden,
lässt sich jedoch, durch andere, höhere Abrechnungsmöglichkeiten kompensieren.
Die oben erwähnten 10 – 20% Mehrkosten, die der Bauherr zu tragen hat lassen sich
teilweise über Förderungen auffangen. Die Rentabilität von barrierefreiem Wohnraum ist
laut Aussage von Investoren durchaus gegeben, da sich für barrierefreien Wohnraum höhere
Mieten verlangen lassen und die Vermietbarkeit generell deutlich höher ist.
öffentliche Förderung
Bei der Förderung von barrierefreiem Wohnraum in Aachen wird zwischen zwei Varianten
unterschieden, der Neubauförderung und der Bestandsförderung.
Die öffentliche Neubauförderung erfolgt durch die Landesbank Nordrhein-Westfalen (LB
NRW) und beschränkt sich ausschließlich auf den Mietwohnungsneubau, auf bestimmte
Eigentumswohnungen und Miet-Einfamilienhäuser für kinderreiche Familien. Gefördert
werden Mietwohnungen, die zur Vermietung an Haushalte der so genannten
Einkommensgruppe A, die eine gesetzlich festgesetzte Einkommensgrenze nicht
überschreiten. Für die derart geförderten Wohnungen bestehen Belegungsbindungen von
15-20 Jahren. In dieser Zeit dürfen die Wohnungen nur an Bewohner der
Einkommensgruppen A und B vergeben werden. Die Finanzierung muss darüber hinaus zu
mindestens 20% in Eigenleistung erfolgen. Im Rahmen dieser Förderungen errichtete
Gebäude müssen barrierefrei gestaltet sein. Nicht barrierefreier Wohnraum wird nur noch in
besonderen Ausnahmefällen gefördert. (vgl. www.nrwbank.de)
Bei der Bestandsförderung wird der Umbau von konventionellem Wohnraum zu
barrierefreiem gefördert. In diesem Fall gibt es zusätzlich zur Förderung durch die
Landesbank Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit der weiteren Förderung durch die
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Selbst bei Maximalförderung bleibt jedoch ein
Eigenleistungsanteil von etwa 20-30% der Baukosten, der vom Bauherrn selbst zu tragen ist.
innovative Projekte in Aachen
Die Stadt Aachen fördert innovative Wohnprojekte und Experimente mit neuen
Wohnformen. Zwei dieser Projekte werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Bei dem ersten, im Jahr 2002 fertig gestellten, Projekt mit dem Namen "Stadthaus statt
Haus" handelt es sich um ein Wohnprojekt, das Mietwohnen mit Wohnen im Eigentum
verbindet. Ursprünglich vom Frauenbüro der Stadt Aachen ins Leben gerufen, wurde die
Idee später in einem Arbeitsforum weiterentwickelt. Die Ziele des Projektes sind
gemeinschaftliches Leben und generationsübergreifendes, Wohnen in der Stadt als
Alternative zu klassischem Altenwohnen. 15 Wohnungen und ein Gemeinschaftshaus
entstanden. Letzteres entspricht weitestgehend ökologischen Kriterien. So existieren
beispielsweise ein Blockheizkraftwerk und eine Photovoltaikanlage. Die Finanzierung
erfolgte über Privatpersonen und Zuschüsse des Landes NRW.
Unter dem Titel "Gemeinsam Wohnen von Alt und Jung" sind an der Vaalserstraße 26
öffentlich geförderte Wohneinheiten mit Gemein-schaftsräumen entstanden. Innovativ war
bei diesem Projekt unter anderem die frühe Beteiligung der Bewohner am Planungsprozess,
dies betraf sowohl die Gestaltung des Gebäudes, als auch der Außenbereiche. Im Zentrum
dieses Wohnprojektes stand das gemeinsame generationsübergreifende Zusammenleben.
Der Verein „gemeinsam Wohnen von Alt und Jung“ e.V. wurde im Rahmen dieses Vorhabens
gegründet und organisiert heute die Bewirtschaftung des Gemeinschaftsraumes, besitzt ein
Vorschlagsrecht bei Neuvermietungen und regt die Hilfen der Bewohner untereinander an.
Fazit
Der Wohnungsmarkt in Aachen ist definitiv nicht entspannt. Es existiert eine starke
Nachfrage, die derzeit weder durch städtisch-öffentliche noch durch private Angebote
befriedigt werden kann. Um in Zukunft gezielte Angebote schaffen zu können, sind
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 123
umfangreiche wissenschaftliche Studien zur Untersuchung der Marktsituation in Aachen
unerlässlich.
Obwohl die Planung, der Bau und die Ausstattung von barrierefreiem Wohnraum mit
zusätzlichem Aufwand verbunden ist, steht dieser Aufwand jedoch in keinem Verhältnis zur
Nachfrage. Hält man sich in diesem Kontext noch einmal die zukünftigen Entwicklungen vor
Augen, so ist es gesellschaftlich nicht zu verantworten in großem Umfang Wohnraum zu
schaffen, der den Anforderungen der Zukunft nicht gerecht wird. Wichtig ist auch zu
beachten, dass barrierefreier Wohnraum durch normale, nicht auf solchen Raum
angewiesene Menschen vollständig und ohne Einschränkungen genutzt werden kann –
barrierefreier Wohnraum ist somit deutlich vielseitiger nutzbar als herkömmlicher.
In Anbetracht der Wohnflächenentwicklung in Deutschland, also der pro Kopf als Wohnraum
genutzten Fläche, bei der ein deutlicher Trend zu immer größeren Wohnungen festzustellen
ist, fällt zukünftig der Flächenmehrbedarf für Barrierefreiheit zunehmend weniger ins
Gewicht.
Die eingangs gestellte Frage ob Barrierefreiheit eine allgemeine Wohnqualität sei, lässt sich
abschließend eindeutig bejahen.
5.0
Quellenangaben
Bayerisches Staatsministerium des Inneren, Oberste Baubehörde [Hrsg.] (1992): Barrierefreie
Wohnungen - Leitfaden für Architekten, Fachingenieure und Bauherrn, München, 1992
Höpflinger, François (2004):Traditionelles und neues Wohnen im Alter, Seismo-Verlag, Zürich,
2004
Österreichisches Ökologieinstitut; Kanzlei Dr. Bruck (2002): Total Quality - Planung und
Bewertung, o.O., 2002
Pfaff, Heiko (2004): Lebenslagen der behinderten Menschen - Ergebnis des Mikrozensus
2003, Wiesbaden, 2004
Schader Stiftung (1999): Ergebnisbericht zu einer qualitativen Untersuchung mit Bewohnern
der Nordweststadt Frankfurt zum Thema „Wohnen im Alter“, Frankfurt am Main, 1999
Stadt Aachen [Hrsg.] (2004): Statistisches Jahrbuch für die Jahre 2002/2003, Aachen, 2004
Statistisches Bundesamt (2000): 9. koordinierte Bevölkerungs-vorausberechnung
Statistisches Bundesamt (2004): „Lebenslagen der behinderten Menschen“ In: Wirtschaft und
Statistik, Heft 10, 2004, S.1181-1194
Links (Stand der Abfrage: Januar 2006)
www.nullbarriere.de
www.baunetz.de/infoline/barrierefreiesbauen/
de.wikipedia.org/wiki/Zielgruppe
www.berlin.de/SenGesSozV/lfbehi/011.php
www.destatis.de/presse/deutsch/pm2004/p5140085.htm
www.neue-wohnformen.de/Projekte.14.0.html
www.nrwbank.de
Bildnachweise
Alle Abbildungen wurden der Webseite www.baunetz.de entnommen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 124
6.0
Anhang
Kurzinterview
Fragenkatalog – Herr Körfer (Leiter des FB Wohnen der Stadt Aachen)
1.
Zur Marktsituation für barrierefreie Wohnungen in Aachen. Angesichts der
zunehmenden Alterung der Bevölkerung erwarten wir eine Zunahme der Nachfrage
von barrierefreien (oder altengerechten) Wohnungen. Können Sie einen solchen
Nachfragezuwachs in der Praxis erkennen?
Die Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum in Aachen stagniert seit 3-5 Jahren.
Jetzt ist es schwierig in diesem Zusammenhang die Daten der demographischen
Entwick-lung mit der beobachteten Situation übereinander zu bringen.
Der
Fachbereich Wohnen kümmert sich primär um gefördertes Wohnen (früher hieß
das Sozialwohnungsbau). Gesicherte Informationen habe ich nur über den
öffentlichen, geförderten Wohnungsmarkt. In Bezug auf
des
Sozialwohnungsbestand nimmt die Nachfrage von alten Menschen nicht
relevant zu. Ich vermute, dass dies jedoch an dem qualitativ wie quantitativ
mässigen Angebot in Aachen liegt. Da wenig Angebot existiert, richtet sich die
Nachfrage in Aachen diesbezüglich hauptsächlich an den privaten Wohnungsbau.
Auf diese Entwicklung reagiert die Stadt Aachen dadurch,
dass sie nur noch
barrierefreie Wohnungen fördert.
2.
In engem Zusammenhang mit der ersten Frage: Gibt es Studien (oder Daten) über
die Nachfrage von barrierefreien Wohnungen in Aachen?
Nein, gesicherte Studien liegen nicht vor. Es gibt in Aachen leider keine
ausführlichen Daten über den Bestand an barrierefreien Sozialwohnungen.
3.
Lässt sich ein Verhältnis von Angebot und Nachfrage in Aachen erkennen? Ist der
Markt für barrierefreie Wohnungen entspannt, besteht an Angebots- oder
Nachfrageüberhang... oder existiert vielleicht noch gar kein solcher Markt?
Der Markt ist definitiv nicht entspannt. Die Nachfrage ist da, sie kann aber
nicht
befriedigt werden. Wir entwickeln derzeit neue Förderprogramme, durch
die
neue Wohnformen gefördert werden. Das neuste Projekt trägt den Arbeitstitel
"neue Wohnformen". Hier wird Nachfrageforschung nach neuen
Wohnformen
wie z.B. dem Gruppenwohnen betrieben. In diesem Feld existiert durchaus
Nachfrage, wenn auch zu Zeit noch oft "wild."
Gibt es denn schon genauere Informationen über dieses Projekt?
Nein, noch nicht. Bislang existiert es erst als Entwurf.
4.
Gibt es in Aachen (einmal abgesehen von 'Heimplätzen') spezielle Wohnangebote für
Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind?
Es gibt die Projekte "Stadthaus - statt Haus" und "Freunde unter einem Dach."
Die meisten Angebote sind aber, wie bereits angesprochen, sind oft privat.
5.
Sind solche (oder weitere) Projekte/Angebote in Zukunft geplant? Also zum Beispiel
Wohnangebote für selbstständiges Wohnen im Alter.
Ja, natürlich sind solche Projekte geplant. Die Projektarbeit von der ich
sprach
hat zum Beispiel auch ein Förderprogramm für sozialen
Wohnungsbau
zum
Inhalt. Ein Thema ist dort das "selbstständige Wohnen bis
zur
Pflegebedürftigkeit."
6.
Gibt es in Aachen besondere Fördermöglichkeiten für den Bau von barrierefreien
Wohnungen - oder den Umbau zur Barrierefreiheit?
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 125
Es gibt in Aachen zwei Möglichkeiten zu Förderung von barrierefreiem
Wohnraum.
Zum
einen
gibt
es
die
Neubauförderung,
für
Mietwohnungsneubau, Zum anderen besteht die Möglichkeit der Förderung von
Umbau - die so genannte Bestandsförderung. Letztere wird durch
Landesdarlehen finanziert.
7.
Eine kurze Frage zum Heimangebot in Aachen. Gibt es in Aachen genügend
barrierefreien Wohnraum in Heimen, um den Bedarf decken zu können?
Ja, wenn man auf das bisher klassische Heimangebot, das heißt auf
Pflegekonzeptionen alter Prägung schaut. Dort existiert sogar ein
Pflegeüberhang. Spezielle, flexiblere Angebote haben deutlichen
Nachholbedarf.
Wir arbeiten zum Beispiel derzeit an Angeboten speziell für dementiell Erkrankte.
8.
Eine Frage zum Wohnberechtigungsschein. Hat jeder Mensch, der körperlich
beeinträchtigt ist Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein oder ist dieser
Anspruch ausschließlich von Einkommen der Person abhängig?
Der Erhalt eines Wohnberechtigungsscheins ist nur einkommensabhängig - bei der
Einkommensermittlung wird eine körperliche Beeinträchtigung
jedoch
mitberücksichtig.
9.
Im Vergleich mit anderen Städten in NRW - würden Sie sagen, dass Aachen
besonders innovativ mit dem Thema 'barrierefreies Wohnen' umgeht? Wenn ja,
warum?
Ich behaupt AC geht recht innovativ mit dem Thema "barrierefreies Wohnen" um,
erdreiste mich aber nicht zu behaupten, dass wir uns besonders von vergleichbaren
Städten abheben. Einige Städte haben uns gegenüber die Nase sogar ein klein wenig
vorn. Das liegt daran, das in AC 70% der Wohnungen im privaten Händen sind (was
sehr viel ist) - das heißt, dass die Stadt nur über 30% Wohnungen verfügen kann.
Daher gibt es in Aachen öfters größere Hemmnisse bei der Anregung innovativer
Projekte als in anderen Städten, da private Investoren nur selten soziale Projekte
unterstützen wollen.
Vielen Dank für ihre Zeit und das Interview!
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 126
Kurzinterview
Fragenkatalog – Armin Plischke (Plischke Lüring Architekten)
1.
Zur Marktsituation für barrierefreie Wohnungen in Aachen. Angesichts der
zunehmenden Alterung der Bevölkerung erwarten wir eine Zunahme der Nachfrage
von barrierefreien (oder altengerechten) Wohnungen. Können Sie einen solchen
Nachfragezuwachs in der Praxis erkennen?
Ja, die Nachfrage an barrierefreiem und altengerechtem Wohnen steigt
drastisch an. In Aachen werden momentan einige hundert
Wohneinheiten
neu
gebaut, viele davon auch rollstuhlgerecht. Wohnangebote wie betreutes Wohnen
oder Pflegeheime werden stark nachgefragt.
2.
Verändert sich ihre Auftragslage durch diese Entwicklung?
Nun, wir sind in erster Linie ein Büro, das sich auf Krankenhausbau
spezialisiert
hat, von daher haben wir schon immer auf Barrierefreiheit
achten
müssen.
Mittlerweile haben wir auch einige Aufträge akquirieren
können, bei denen es
sich um Wohnbau handelt. Bei diesen Aufträgen handelt es sich vollständig um
barrierefreien Wohnraum. Wir planen momentan auch ein Pflegeheim in Aachen.
3.
Werden "normale" Pflegeheime im Sinne von klassischen Altenheimen heute denn
noch nachgefragt?
Im Sinne klassischer Altenheime sicher nicht. Neue Planungskonzepte sind
mittlerweile die Regel. Heute ist es in der Planung üblich, die Wohnungen solcher
Wohnheime so zu organisieren, dass Wohngruppen entstehen.
4.
"Alten-WGs"?
Ja genau! Diese Alten-WGs sind sehr gefragt, und das bei den Bewohnern
und
Betreibern gleichermaßen. Die älteren Menschen wohnen zusammen, haben
Kontakten kommunizieren viel und bleiben zusammen weitgehend selbstständig,
da sie sich untereinander helfen. Der Erfahrung nach funktioniert das sehr gut, und
die Zufriedenheit der Bewohner mit dieser Wohnform ist recht hoch. Die Betreiber
sparen dann häufig Pflegepersonal, so dass diese Wohnformen oft finanziell
günstiger sind als klassische.
5.
Wo Sie grade das Thema 'Kosten' ansprachen - in Zusammenhang mit barrierefreiem
Bauen werden oft die entstehenden zusätzlichen Kosten genannt. Wie hoch sind die
zusätzlichen Baukosten von barrierefreiem Wohnraum gegenüber konventionellem?
Der finanzielle Mehraufwand ist nicht zu unterschätzen. Er liegt je nach
gewünschtem Ausstattungsgrad zwischen 10 und 20%. Ein Problem ist nicht nur der
finanzielle Mehraufwand, oft ist es auch eine Frage von räumlichem Mehrbedarf.
Besitzt ein Bauherr schon ein Grundstück, so möchte er auf diesem Grundstück etwas
realisieren, und je nach Zuschnitt oder Größe ist
der Flächenmehrbedarf schon
zu bedenken.
6.
Wie sehen Sie das Verhältnis von Umbaukosten zu Neubaukosten?
Umbau ist unglaublich teuer. Wenn ein bestehender Bau entkernt werden muss
belaufen sich die Umbaukosten auf 90-100% der Neubaukosten. Ich rate den
Bauherrn meistens zum Neubau. Die Baunebenkosten sind beim Neubau deutlich
geringer als bei Umbauten. So entfallen etwa die Umbauzuschläge für Architekten
und Fachplaner.
7.
Ist es für Sie als Architekt rentabel barrierefrei zu bauen? Erfordert das nicht
viel größeren Planungsaufwand.
einen
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 127
Höherer Planungsaufwand - hm, so würde ich es nicht ausdrücken. Natürlich ist
barrierefreies Bauen umfangreicher und erfordert mehr Planung - ein Mehraufwand
im finanziellen Sinn ist es jedoch nicht, da diese Bauaufgaben durch Honorarstufe 3
oder sogar 4 (statt Honorarstufe 2 wie beim üblichen Wohnbau) abgerechnet werden
können. Für uns speziell sind die Anforderungen ohnehin nicht entscheidend, da die
Komplexität barrierefreien Wohnraums in der Planung wesentlich geringer ist, als die
eines Krankenhauses. Es mag für Sie interessant sein, dass heutzutage etwa 10% der
Krankenhauszimmer rollstuhlgerecht sein müssen.
Mussten sie das nicht immer sein?
Nein, die Zimmer mussten natürlich entsprechend zugänglich sein, aber die
Nasszellen mussten beispielsweise keineswegs auf die Belange von Rollstuhlfahrern
zugeschnitten sein. Da heute aber die weniger schweren Fälle zunehmend schneller
aus den Krankenhäusern entlassen werden, bleiben dort oft nur die schweren Fälle und für die ist eine solche Ausstattung wichtig.
Vielen Dank für das Interview!
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 128
Kurzinterview
Fragenkatalog – Herr Hermanns (Projektentwickler, AMW Projekte GmbH,
Aachen)
1.
Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland ist eine starke
Zunahme der Nachfrage nach barrierefreien Wohnen zu erwarten. Wie sehen sie die
Marktsituation für barrierefreie Wohnungen (behinderten/altengerecht)? Gibt es
einen nennenswerten Markt?
Das Angebot in diesem Bereich ist viel kleiner als der Bedarf. Heute sollte man sollte
in aller Regel nur noch barrierefrei bauen.
2.
Wie schätzen Sie das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage ein?
Genaue Zahlen kenne ich nicht, aber Bedarf ist groß.
3.
Der Wohnungsmarkt ist momentan relativ entspannt. Stellen barrierefreie
Wohnungen Ihrer Meinung nach eine Marktnische dar – oder anders gefragt:
Glauben Sie, dass sich barrierefreie Wohnungen leichter vermieten/verkaufen lassen
als herkömmliche, nicht barrierefrei Wohnungen?
Ja die Vermietbarkeit barrierefreier Wohnungen ist definitiv deutlich größer als die
nicht barrierefreier Wohnungen.
4.
Wenn ja, sind barrierefreie Wohnungen rentabel?
Es entstehen meiner Ansicht nach keine großen Mehrkosten. Die Miete von
barrierefreiem Wohnraum ist um ca. 10-20% höher als die normaler Wohnungen.
5.
Gibt es besondere Voraussetzungen unter denen die Rentabilität gegeben, bzw.
nicht gegeben ist?
Außer örtlichen Faktoren, wie zum Beispiel die Bevölkerungs-zusammensetzung in
einer Stadt, existieren keine besonderen Voraussetzungen.
6.
Wie große sind Ihrer Meinung nach die Mehrkosten für barrierefreie Wohnungen /
Häuser in Vergleich zu nicht barrierefreien? (prozentual)
Die Mehrkosten belaufen sich auf etwa +3-5% der gesamten Baukosten.
7.
Lassen sich die Mehrkosten von barrierefreiem Wohnraum über Förderungen
auffangen, oder müssen sie vom Bauherrn (Mieter) getragen werden?
Das weiß ich nicht.
8.
Haben Sie Erfahrungen mit barrierefreiem Bauen gemacht? Welche sind das?
Wir bauen seit etwa 10 Jahren nur noch barrierefrei und haben damit beste
Erfahrungen gemacht.
9.
Welche Entwicklungen sehen Sie dies bezüglich in der Zukunft? Werden solche
Projekte zunehmen?
Ja, ganz deutlich. Es wird fast nur noch solche Projekte geben.
Ganz herzlichen Dank für dieses Interview!
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 129
Kurzinterview
Fragenkatalog – Nachfrager
Mirko, 20 Jahre
Behinderung:
Behinderungsgrad:
Orthopädische Hilfsmittel:
1.
Tetraspastik
100%
E-Rollstuhl
Was für einen Stellenwert hat die eigene Wohnung für Sie persönlich?
Sie hat einen sehr hohen Stellenwert. Für mich ist meine Ruhe und die Möglichkeit
mich zurückzuziehen sehr, sehr wichtig. Dadurch, dass ich oft auf Hilfestellung
anderer angewiesen bin, ist der Raum, den ich für mich allein habe unverzichtbar. Ich
kann mich bewegen wie ich will, habe meine Freiheit und störe niemanden.
2.
Was ist für Sie besonders wichtig an einer Wohnung?
Am wichtigsten ist die gute Lage innerhalb eines Versorgungszentrums, wo ich alles
um mich herum habe was ich brauche. Das macht mich ein Stück weit unabhängiger.
Wenn ich dann noch gut in meine Wohnung komme und mich in ihr schnell
bewegen kann, wäre ich sehr zufrieden. Eine eigene Terrasse wäre natürlich schön,
aber nicht unbedingt notwendig, wenn ich die Möglichkeit habe in der Nähe
spazieren zu fahren oder im Café
zu sitzen.
(Welche Kriterien sollten erfüllt werden, Bewerten Sie die genannten Kriterien mit
Schulnoten zwischen 1 und 6)
- großzügige Grundrisse / Wohnungszuschnitte
- Ausstattung der Wohnung (Gestaltung, Design…)
- gute Versorgungslage (Geschäfte, etc. in der Nähe)
- ruhige und sichere Wohnlage
- privater Freiraum (Garten - Balkon)
- Parkplatzangebot vor dem Haus
- Preis
3.
2
1
1
2
3
2
3
Was für Erfahrungen haben Sie bei der Suche einer Wohnung bzw. eines
Eigenheimes gemacht?
- war es einfach eine Wohnung zu finden?
- gab es Probleme ? wo lagen die Probleme?
Es ist definitiv nicht einfach, eine behindertengerechte Wohnung zu finden. Vor
allem in Innenstadtlage. Nicht nur wegen der oft alten Bauten in der Stadt. Auch
neuere Gebäude werden immer wieder ohne Aufzug geplant. Und wenn es einen
gibt, ist er viel zu klein.
Meine Eltern haben vor circa zehn Jahren selbst gebaut, damit sie endlich einen
Wohngrundriss nach eigenen Vorstellungen haben. Natürlich wegen mir. Das Haus
hatte im Erdgeschoss alles was ich brauchte. Das gemeinsame Wohnzimmer, ein
großes Bad, eine Wohnküche und mein Zimmer. Nach oben, die Treppen hoch
brauchte ich dann nicht mehr.
Leider sind wir vor zwei Jahren wieder umgezogen, weil die Kosten für meine Eltern
am Ende nicht mehr zu tragen waren.
Dann haben wir nach einer Mietwohnung gesucht. Aber wie schon gesagt, dass hat
nicht geklappt. Zwei bis drei Stufen sind schon irgendwie okay, aber mehr geht nicht.
Außerdem sind die Räume oft nicht groß genug, um sich dort einzurichten.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 130
Jetzt wohnen wir bei der Großmutter im Haus. Das geht auch. Mein Vater hat nur
kleine Umbauten, wie eine Rampe und ein verändertes Bad vorgenommen. Aber eng
ist es schon. Und in Randlage.
- wie haben Sie versucht eine Wohnung zu finden?
Zunächst haben wir in Zeitungen gesucht, dann auch mit Hilfe von öffentlichen
Stellen. Aber das meiste ging letztendlich über Bekannte.
4.
Wenn Sie Einfluss auf die Wohnungsmarktsituation in Aachen nehmen könnten, was
würden Sie ändern? Was würden Sie bestehen lassen?
Auf jeden Fall würde ich mehr Wohnungen in Innenstadt Lage anbieten.
Meinetwegen mehr Geld in Umbauten stecken und die Neubauten soweit wie
möglich befahrbar machen. Klar, dass man da Kompromisse machen muss, aber man
muss ja auch nicht alles haben. Ich habe lieber die Stadt vor der Tür.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 131
Kurzinterview
Fragenkatalog – Nachfrager
Sascha, 21 Jahre
Behinderung:
Behinderungsgrad:
Orthopädische Hilfsmittel:
1.
Spina Bifida
100%
E-Rollstuhl
Was für einen Stellenwert hat die eigene Wohnung für Sie persönlich?
Die eigene Wohnung ist für mich sehr wichtig. Es bedeutet Selbstständigkeit. Wenn
man behindert ist, ist diese leider nicht immer Selbstverständlich.
Außerdem ist die eigene Wohnung mein Freiraum und sie markiert einen neuen
Lebensabschnitt. Ich will in jedem Fall eine eigene Wohnung haben.
2.
Was ist für Sie besonders wichtig an einer Wohnung?
Ich finde es wichtig, dass die Wohnung groß und hell ist und dass ich im Umkreis die
Möglichkeit habe einzukaufen, zum Arzt zu gehen oder einfach und schnell den Bus
zu nehmen. Kurze Wege sind eigentlich immer wichtig. Auch in der Wohnung.
Außerdem wäre es schön, mal eine „stylische“ Wohnung zu haben.
Aber so was habe ich eigentlich noch nicht wirklich gesehen. Das ist natürlich auch
Geschmackssache.
(Welche Kriterien sollten erfüllt werden, Bewerten Sie die genannten Kriterien mit
Schulnoten zwischen 1 und 6)
- großzügige Grundrisse / Wohnungszuschnitte
- Ausstattung der Wohnung (Gestaltung, Design…)
- gute Versorgungslage (Geschäfte, etc. in der Nähe)
- ruhige und sichere Wohnlage
- privater Freiraum (Garten - Balkon)
- Parkplatzangebot vor dem Haus
- Preis
3.
1
1
1
2
3
2
2
Was für Erfahrungen haben Sie bei der Suche einer Wohnung bzw. eines
Eigenheimes gemacht?
- war es einfach eine Wohnung zu finden?
Es war auf jeden Fall immer schwer. Nach meiner Erfahrung behaupte ich, dass eine
barrieren- und schwellenfreie Wohnung mit guter Lage in der Innenstadt so gut wie
gar nicht zu finden ist.
Von Freunden und Bekannten weiß ich, dass alle eher in Randlage wohnen. Für mich
wäre das nichts.
4.
Wenn Sie Einfluss auf die Wohnungsmarktsituation in Aachen nehmen könnten, was
würden Sie ändern? Was würden Sie bestehen lassen?
Ich würde auf jeden Fall viel, viel mehr Wohnungen oder sogar Heime in der
Innenstadt anbieten. Es sollten auch viel mehr Wohnungen umgebaut werden,
wenn dass geht. Klar können Altbauten schlecht verändert werden. Aber es gibt ja
auch genügend neue Gebäude bei denen das kein Problem sein sollte.
5.
Gibt es für Sie Alternativen zu einer eigenen Wohnung? Welche Wohnformen wären
denkbar?
Nein. Für mich gibt es eigentlich keine. Ich brauche meinen Freiraum wie jeder Andere auch.
Wohngruppen oder Heime kommen eigentlich nicht in Frage, da ich nicht der Typ dafür bin.
Mit einem guten Freund könnte eine WG beziehen, aber das müsste ein wirklich guter sein.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 132
Familien Eigenheime
Eva Schiwietz
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 133
Inhalt
Familien Eigenheime
1
Einleitung
2
Familie
3
Wohnen im eigenen Haus
4
Fallbeispiel „Wohnen im Anna-Park“
5
Schlußbetrachtung und Ausblick
6
Quellenangaben und Bildverzeichnis
7
Anhang
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 134
1 Einleitung
Nach wie vor steht bei der Bevölkerung das möglichst freistehende Ein- bzw.
Zweifamilienhaus mit Garten als Wohnwunsch an oberster Stelle. Eine aktuelle Umfrage hat
ergeben, dass zusätzlich zu den bereits erfolgreichen Eigentümern rund 60% der Mieter
lieber in den eigenen vier Wänden wohnen würden, anstatt weiter zur Miete wohnen zu
1
bleiben. Überraschend scheinen diese Umfrage -ergebnisse allerdings nicht zu sein, denn
auch Werbeblöcke im Fernsehen propagieren ein Eigenheim mit Leitsätzen wie bspw. „Es
2
liegt in der Natur des Menschen ein Haus zu bauen – Miete zahlen nicht.“ Empfindungen
werden geweckt, die nicht nur den Wunsch nach einem eigenen Häuschen verstärken,
sondern zur Miete wohnen als etwas schlechtes, unnatürliches, ausbeuterisches und
ungerechtes darstellen.
Besonders ausgeprägt scheint der Wunsch nach einem eigenen Häuschen im Grünen bei
Familien mit Kindern zu sein. Seit Jahren bildet jedoch die Familie nicht die einzige
Nachfragegruppe am gesamten Immobilienmarkt. Das bürgerliche Familienmodell ist längst
nicht mehr als Norm zu sehen, denn auch dieses unterliegt einem Wandel. Beeinflusst von
politischen, ökonomischen und sozialen Veränderungen verliert die traditionell
vorherrschende, familienorientierte Lebensweise in der Gesellschaft an Dominanz. Neben
strukturell fortschreitenden Veränderungen in den Haushalts- und Familienkonstellationen,
bilden sich noch andere postmoderne Haushaltsformen und Lebensstile heraus.
Die größte Nachfragegruppe stellt jedoch weiterhin die Familie dar.
Unter dem Aspekt wie und wo unterschiedliche Nachfragegruppen wohnen, beschäftigt sich
die vorliegende Arbeit mit dem Thema „Familien und Eigenheime“. Vor diesem Hintergrund
lassen sich folgende Fragestellungen aufstellen: Was versteht man heute noch unter dem
Begriff Familie? Warum ist der Wunsch nach einem eigenen Häuschen mit Garten bei
Familien so ausgeprägt? Welche Motive stecken dahinter? Verspricht nur das Leben im
Umland oder auf dem Lande ein familien- und kinderfreundliches Wohnen? Welche Vorteile
oder Wohnqualitäten werden jungen Familien außerstädtisch geboten?
Das Ziel der Arbeit besteht darin, den Fragestellungen auf den Grund zu gehen und die
Ergebnisse mit einem geeigneten Fallbeispiel abzurunden.
Im Folgenden geht es im Abschnitt 2 um das Thema Familien, was man heute noch unter
diesem Begriff versteht und ob Bezeichnungen wie Kern- bzw. Normalfamilie noch Gültigkeit
haben. Es werden mitunter Familien- und Haushaltskonstellationen von früher und heute
durchleuchtet, sowie neue Haushaltsformen vorgestellt.
Das Thema Eigenheime wird in Abschnitt 3 erörtert und es werden kleine Hilfestellungen
bzgl. Kauf oder Erwerb eines Hauses geleistet. Der Gedanke im eigenen Haus zu wohnen und
die Kinder im eigenen sicheren Garten spielen zu lassen, wird dieser nur ein Gedanke, ein
Traum bleiben. Ist ein Traum vom eigenen Haus nicht auch die Sehnsucht nach Natur,
häuslichem Glück und einem intakten Familienleben. Welche Motive/ Faktoren veranlassen
besonders Familien sich den Traum vom eigenen Häuschen zu verwirklichen? Warum kann
dieser Wunsch meist nur in Umlandgemeinden verwirklicht werden? Aufgrund der
Fragestellungen lässt sich mitunter auch der demographische Wandel in den Städten und
damit die Suburbanisierung erklären, die natürlich aus dem Abwandern junger Familien ins
Umland resultiert.
Im Fallbeispiel „Wohnen im Anna-Park“ in Alsdorf findet die Ausarbeitung des Themas
Anwendung. Das ehemalige Zechengelände lag jahrelang brach und bildet heute mit einem
Park und einer familienfreundlichen Wohnanlage eine Heimat für viele Familien. Den
Abschluss dieser Arbeit bildet die Schlussbetrachtung.
2
Familie
Kern- bzw. Normalfamilie
Unter „Familie“ verstehen wir auch heute noch eine Konstellation, die von einem Paar und
3
einem oder mehreren Kindern gebildet wird, die ein Generationen -verhältnis bilden. Die in
unserem Verhältnis moderne Familie entstand erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts
und verbreitete sich durch die entwickelnden Industriegesellschaften. Vor der
Industrialisierung allerdings, d.h. um das 16. Jh. herum, gab es in der traditionellen
Gesellschaft schon eine bunte Vielfalt an sehr unterschiedlichen Familientypen mit sich
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 135
verändernden Familienformen und Erziehungsstilen. Die Rollen innerhalb der Familie waren
auch wenig separiert und ausgeprägt. Man konnte nur schwer die Rollen von Vater, Mutter,
Kind, Hausfrau, Erwerbstätigen, Rentner klar voneinander unterscheiden. Auch war kaum
eine zeitliche Abgrenzung der Phasen von Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter
deutlich. Die Aufgabe der Familie bestand darin, die wechselnden Anforderungen der
Umwelt zu verarbeiten und die Lebenspläne der Einzelnen innerhalb der Familie zu
organisieren.
Beeinflusst von ökonomischen, sozialen und politischen Veränderungen beschleunigte die
Industrialisierung die Suche nach neuen Familienmodellen. Neben modernen
Lebensgemeinschaften, die auch in Opposition zu Familienmodellen alter Prägung stehen
konnten, entwickelten sich zwei Hauptgruppen die die Bevölkerung teilten, nämliche die
„bürgerliche (Klein-) Familie“ und die Lohnarbeiterfamilie. Die zuletzt genannte besaß
keinerlei Eigentum und die Existenz der Familie war ausschließlich vom Arbeitseinkommen
abhängig, d.h. Frau und Kinder mussten auch arbeiten. Es gab weder Zeit für Erziehung und
Ausbildung noch Geld für eine Schulbildung. Das genaue Gegenteil dazu bildete die
bürgerliche Familie, die eine ökonomische Absicherung durch Eigentum besaß. Die Frau
erfüllte eine beaufsichtigende und zugleich emotionale Funktion, die ein besonderes
wohliges „Familienklima“ schaffen sollte. Außerdem konnte sie sich vollkommen der
Erziehung und Ausbildung der Kinder widmen und den bürgerlichen Luxus repräsentieren.
Für den Haushalt zuständig waren Dienstboten.
Mit der Industrialisierung und Herausbildung zweier Familien-Hauptgruppen gingen auch
die Veränderung der gesellschaftlichen Umwelt und die Funktionsweise der Familie einher.
Die Rollen von Kindern, Jugendlichen etc. begannen sich zu differenzieren. Mehr und mehr
Funktionen wurden auf gesellschaftliche Institutionen übertragen und machten den
4
Einzelnen unabhängiger vom Management der Familie.
Im 19. Jahrhundert näherten sich die zwei gegenteiligen Familienstrukturen an, aufgrund der
Auflösung des Dienstbotenverhältnisses. Somit war nun auch die bürgerliche Frau dazu
gezwungen allein oder mit Unterstützung von Haushaltshilfen materielle Hausarbeiten
erledigen. Trotz der formalen Angleichungen waren die Inhalte familiärer Beziehungen nicht
die gleichen. Bürgerliche Frauen bspw. hielten trotz nun körperlicher Arbeiten im Haushalt
weiterhin an Erziehungsinhalten und Beziehungsformen fest.
Dem bürgerlichen Familienmodell entspricht eine Familienform, die als Kernfamilie
bezeichnet wird. Im 20. Jahrhundert wird diese sog. Kernfamilie für kurze Zeit kulturell
dominierend und deshalb auch als „Normalfamilie“ betrachtet. Neben dieser Familienform
bildet sich mit der Zeit eine vielgestaltige neue, experimentierende und „postmoderne“
Lebensform von Erwachsenen und Kindern, die in der heutigen Zeit immer dominierender
wird. In der Politik allerdings wird immer noch die „Normalfamilie“ als normatives Leitbild
gesehen, obwohl auch sie inzwischen von einigen strukturellen Veränderungen geprägt ist.
Im Sinne einer vielgestaltigen neuen und „postmodernen“ Lebensform müssen einige Dinge
relativiert werden, bspw. dass es nicht zwangsläufig sein muss, dass Familie und Haushalt
5
eine Einheit bilden. Familienzusammenhang kann auch bestehen, wenn Kinder aus ihrem
elterlichen Haushalt ausgezogen sind. Ebenso können sich Elterngenerationen in einer
Familie in verschiedenen Beziehungsformen wieder finden, wie z.B. Patchwork- Familien,
Stieffamilien und Ein- Elternfamilien. Weitere Erscheinungen einer „postmodernen“
Lebensform sind das eine Familie nicht nur durch eine biologische, sondern soziale Mutterund Vaterschaft geprägt werden kann und diese nicht unbedingt in einer Ehe leben müssen,
sondern als Lebensgefährten.
Haushalts- und Familienkonstellationen
Die „Normalfamilie“ wie man sie normalerweise mit einem männlichen Ernährer, Hausfrau
und Kindern versteht (lt. bürgerlichem Familienmodel) ist in heutiger Zeit nicht mehr so
6
selbstverständlich. Die grundlegende Basis mit zwei Erwachsenen und Kindern ist
geblieben. Veränderungen lassen sich eher in biographischen Abläufen vorfinden durch
Verschiebung klassischer Abläufe, was mithin zu veränderten Familien- und
Haushaltskonstellationen führt. Auslöser sind neben dem in den 60er und 70er Jahren
beschleunigten wirtschaftlichen Wachstum, die sozialen Veränderungen in den west- und
mitteleuropäischen Gesellschaften gewesen. Mädchen und Frauen boten sich auf einmal
zahlreiche
neue
Arbeitsplätze
bspw.
in
privaten
und
öffentlichen
Dienstleistungsunternehmen und in der Konsumgüterindustrie. Neue Bildungs- und
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 136
Ausbildungsmöglichkeiten eröffneten sich ihnen und verbesserten einerseits nicht nur ihre
Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern trugen auch zur Veränderung ihrer Lebensentwürfe
bei.
Insgesamt stieg der Wohlstand im Sinne von Einkommen und Konsum der Bevölkerung, so
dass sich auch das Ehe- und Familienleben besonders von Gruppen wie den Arbeitern,
Angestellten und Beamten veränderte. Das Interesse an Freizeitmöglichkeiten, kulturellen
Wahlfreiheiten und der Wunsch nach sozialer Nähe wurden zunehmend bedeutender. Der
Anspruch der Menschen in Bezug auf ihre Wohnverhältnisse, ihr Essen, Kleiderauswahl und –
reinigung wurde immer anspruchsvoller. Haushalte aufgrund geringerer Kinderzahl wurden
immer kleiner, aber der Wunsch nach mehr Wohnraum wuchs. Auf der anderen Seite stieg
natürliche auch die durchschnittliche Belastung durch Hausarbeit aufgrund größeren
Wohnraums. Andererseits wurde die Hausarbeit durch Waschmaschinen, Staubsauger, Gas,
Strom, etc. erleichtert. So konnten verheiratete Frauen aufgrund weiterer Entlastungen, wie
geringere Kinderzahl, kürzere Stillzeiten, ausreichend Kindergartenplätze und Horte,
erwerbstätig sein bzw. ihre Erwerbstätigkeit nach einer Geburt wieder schnell aufnehmen.
Natürlich konnte man sich dadurch als Familie mehr bzw. einen gewissen Luxus leisten, den
eine frühere Familie und vor allen Dingen Hausfrau nicht im Entferntesten haben konnte.
Schönere Möbel, größeren Wohnraum, reisen in entfernte Länder, auf einmal war alles
möglich geworden. Besonders Frauen erlebten ihre Erwerbstätigkeit als sinnstiftend und
konnten sich entfalten, ihre Wünsche und Träume realisieren. Immer mehr ging der Wunsch
dahingehend sich im Beruf zu profilieren, mehr Kontakt mit Kollegen oder Kunden zu
pflegen und weniger Abhängigkeit vom eigenen Ehemann und weniger Isolation im
Haushalt. Immer mehr Frauen wählten den Weg der Erwerbstätigkeit und Unabhängigkeit,
begleitet von wachsender Gleichberechtigung in der Ehe. In der heutigen Zeit ist die
Mehrheit der weiblichen Bevölkerung berufstätig, manchmal sogar besser verdienend als der
Partner/ Ehemann. Aufgrund der Veränderungen der Lebensentwürfe durch bessere
Bildungsmöglichkeiten, Erwerbstätigkeit bis hin zu hohen einflussreichen Positionen in der
Berufswelt, erfolgen heutzutage Heirat und die Geburt der Kinder viel später. Die Phase der
Elternschaft verkürzt sich durch eine geringere Anzahl an Kindern und die Erwerbstätigkeit
7
von Müttern. Das „Klischee von der glücklichen kinderreichen Familie“ hat somit an
Gültigkeit verloren, denn immer mehr Paare stellen sich ein glückliches Familienleben mit
ein oder zwei Kindern vor. Nebenbei häufen sich natürlich auch Fälle, wo sich höher
qualifizierte Frauen zwischen Kind (somit Familie) und beruflicher Karriere entscheiden
müssen. Auch sollte man auf der anderen Seite Familien nicht aus den Augen verlieren, die
sozial schlechter gestellt sind und sich durch eine hohe Kinderzahl kennzeichnen lassen.
Stellt nicht gerade diese neue Entwicklung der Familienverhältnisse und die immer stärker
werdende Rolle der Frau einen Gegensatz zum bürgerlichen Familienmodell dar. Wie es
8
scheint, gerät das bürgerliche Modell unter „Legitimationsdruck“ .
Die Konstellation in der Familie und hauptsächlich zwischen Mann und Frau unterliegt mit
der Zeit immer stärker erkennbaren strukturellen Veränderungen. Mit wachsender
Selbständigkeit der Frau steigt die Angst des Mannes seine Privilegien und Autorität in der
Familie als Oberhaupt zu verlieren. Im Berufsleben geht es ebenso vor, denn die Konkurrenz
von weiblicher Seite wird zunehmend größer, auch im Bezug auf hohe Positionen. Viele
Männer sind dahingehend auch verunsichert, wenn eine Frau beruflich über ihnen steht und
Anweisungen gibt. In heutiger Zeit ist es soweit fortgeschritten, dass die Frau als
gleichberechtigter Partner sowohl im Privatleben, als auch im Berufsleben überwiegend
akzeptiert wird. Auf der anderen Seite sollte man natürlich auch nicht vergessen, dass es
noch Bevölkerungsteile gibt, die an einem bürgerlichen Modell festhalten und somit der
Mann noch das Oberhaupt der Familie darstellt. Meist zu verzeichnen ist dies bei älteren
Ehepaaren, sowie bei ausländischen Familien, die an ihrer Kultur festhalten.
Neue Haushaltsformen
Faktoren wie eine steigendes Wohlstandsniveau, technisch und strukturell sich weiter
entwickelte Produktions- und Arbeitsverhältnisse, eine erweiterte Frauenrolle und eine
zunehmende Bedeutung von Freizeit und kulturellen Wahlfreiheiten führen zu einer
„Enttraditionalisierung“. Dies bedeutet nichts anderes als das die traditionell orientierte
Lebensweise bei Einzelnen den verpflichtenden Charakter verliert. Zunehmender wird
dagegen die Wahlfreiheit in den persönlichen Lebensverhältnissen. Der Trend führt weg von
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 137
der Normalfamilie im Sinne des bürgerlichen Modells und hin zu Kleinfamilien (2 Erwachsene
und Kind/er) und sich neu bildenden postmodernen Lebensformen. Seit den 70er Jahren ist
in Deutschland ein Anstieg der Personen zu verzeichnen, die nicht in Kleinfamilien
zusammenleben. Unterschieden werden kann zwischen „alternativen Familienformen“ und
9
„nichtfamilialen Lebensformen“ .
Zu den „alternativen Familienformen“ zählen alle Haushalte, die als Ein-Eltern-Familien und
Alleinerzieher-Familien,
Stieffamilien,
Adoptivfamilien,
Pendler-Familien,
Lebensgemeinschaften (ohne Trauschein) mit Kind/ern und
Wohngemeinschaften mit Kind/ern leben. Diese Form der Familie bildet eine Differenz zur
Normalfamilie und ist kennzeichnend für Haushalte, in denen zumindest ein leibliches oder
soziales Elternteil mit mindestens einem Kind dauerhaft sorgend zusammenlebt. Die
„nichtfamiliale Lebensform“ zählt Singles, kinderlose Ehen, Lebensgemeinschaften ohne
Kinder, Paarbeziehungen bei getrennten Haushalten ohne Kinder, sukzessive Ehen nach
Scheidung und ohne Kinder, gleich-geschlechtliche Paare in Haushaltsgemeinschaften und
Wohngemeinschaften ohne Kinder.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass aufgrund der neuen Alternativen zur
Normalfamilie auch dementsprechend die Heiratsneigung einen Rückgang zu verzeichnen
hat. Als Ursache dafür zu nennen wäre einmal der Drang nach Unabhängigkeit von der
Versorgung durch Ehemänner durch die erhöhte Erwerbstätigkeit der Frauen und die
erhöhte Legitimität alternativer Familienformen und nicht familialer Lebensformen, wie der
Lebensgemeinschaft ohne Trauschein. Weitere Ursachen lassen sich in dem verbesserten
rechtlichen und sozialen Status außerehelich geborener Kinder und deren Mütter finden und
dem Drang nach Individualisierung. Das Streben nach Individualisierung ist in dem Sinne zu
verstehen, dass bspw. eine Ehe, die mit einer sozialen, materiellen und psychischen Bindung
einher geht als ein (Mobilitäts-) Hindernis in der Berufskarriere zu verstehen ist.
Die Individualisierungstendenzen in der Gesellschaft haben sich nicht nur auf
Einzelpersonen und Familien ausgewirkt, sondern tragen auch zu einer stärkeren
10
Individualisierung der Wohnung bei. Bedürfnisse nach Rückzug, Entfaltung und
Selbstdarstellung durch die Art der Wohnungseinrichtung, sowie die Arbeitsmöglichkeiten
innerhalb der Wohnung werden zunehmend wichtiger.
Allerdings resultiert durch die immer noch veraltete Wohnungspolitik ein großer Nachteil
hauptsächlich für die neuen Haushaltsformen. Das Problem besteht darin, dass der
Wohnungsbestand nicht entsprechend den Veränderungen in der Gesellschaft angepasst,
11
sondern weiterhin von einem „Leitbild des familiengerechten Wohnens“ geprägt wird.
3
Wohnen im eigenen Haus
„Aufwachsen im suburbanen Einfamilienhaus mit Garten,…als Jugendlicher in Untermiete in
die Innenstadt, wechselt nach der Heirat in eine innerstädtische Altbauwohnung und nach
der ersten Geburt des Kindes in eine Mietwohnung am Stadtrand, baut oder kauft mit dem
beruflichen Aufstieg ein suburbanes Einfamilienhaus, um nach Auszug der Kinder wieder in
12
ein Appartement in der Innenstadt zu ziehen.“ Man sollte sich fragen, ob ein solches
idealtypisches Muster heute noch Gültigkeit besitzt. Sicher gibt es heutzutage Familien, die
nach einem ähnlichen Muster vorgehen, jedoch wird dieser Anteil immer geringer aufgrund
vielfältiger Handlungsmöglichkeiten. Mit der Entstehung und Verbreitung neuer
Haushaltsformen und –typen verändern sich auch Verhaltensmuster.
Während die Familie eher ein Häuschen im Grünen anstrebt und damit einen Wechsel von
der Stadt ins Umland unternimmt, bevorzugen Paare ohne Kinder oder Alleinerziehende
eher die Stadt. Neben vielfältiger Infrastruktur bietet die Innenstadt zahlreiche Angeboten an
Freizeitaktivitäten, Ausgehmöglichkeiten, verschiedene Kulturen, u. v. m. Trotz neuer
Verhaltensmuster und den sich neu bildenden Haushaltsformen träumt immer noch ein
Großteil der Deutschen von einem freistehenden Einfamilienhaus. Eine Minderheit dagegen
strebt ein Doppel- oder Reihenhaus an. Die Realität sieht allerdings anders aus. Laut einer
Marktuntersuchung von Infratest im Auftrag verschiedener Institute, bspw. der LBS
Bausparkasse, stellte sich heraus, dass mittlerweile Eigentumserwerber häufiger als erwartet
eine kostengünstigere Alternative zum freistehenden Einfamilienhaus wählen. (siehe dazu
Abb.1 im Anhang) Etwa 20% aller Erwerber 1998 und 2000 entschieden sich für ein Doppeloder Reihenhaus und 34% dagegen für ein klassisches Einfamilienhaus. Für ein
13
Zweifamilienhaus bzw. ein Haus mit einer Anliegerwohnung entschieden sich etwa 18%.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 138
Die Entscheidung für eine kostengünstigere Alternative zum klassischen Einfamilienhaus hat
allerdings nichts mit Freiwilligkeit zu tun. Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen
möchten sich auch den Traum vom eigenen Häuschen mit Garten ermöglichen. Da reicht es
in finanzieller Hinsicht nicht immer für ein freistehendes Haus mit Garten aus.
Der Erwerb eines Hauses
Mehr als die Hälfte des deutschen Vermögens ist in Immobilien angelegt, das sind etwa 2
14
Billionen Euro . Im Jahre 2003, lag der Anteil der in Deutschland lebenden Bürger mit
Wohneigentum bei 52 Prozent (siehe Abb. 2 im Anhang). Verwundernswert ist dieser
15
Prozentsatz keinesfalls, denn „Miete ist Luxus, jeder Euro verloren“ . Im Laufe der Jahre
summieren sich die Zahlungen als Mieter, so dass man sich für das praktisch „aus dem
Fenster geworfene Geld“ leicht ein Häuschen hätte finanzieren können. Die folgende Tabelle
verdeutlicht bei einer 2,5% Preissteigerung der Miete pro Jahr, welche Summe an
Mietzahlungen langfristig betrachtet entsteht. (siehe zusätzlich Abb. 3 im Anhang)
Tab.1
mtl.
Kaltmie 10 Jahre
te
20 Jahre
30 Jahre
200,-
26.888,-
60.312,-
105.366,-
300,-
40.332,-
91.961,-
158.050,-
400,-
53.776,-
122.614,-
210.733,-
500,-
67.220,-
153.268,-
263.416,-
600,-
80.664,-
183.921,-
316.099,-
700,-
94.108,-
214.545,-
368.783,-
Quelle: http://www.baufi-nrw.de/mietpreisentwicklung.
Die Investition in ein Einfamilienhaus erfolgt nicht nur mit dem Hintergrund keine Miete
mehr zu zahlen und damit Kapital anzulegen. Weitere wesentliche Faktoren sind eine sichere
und kinderfreundliche Umgebung für die Kinder, mehr Wohnfläche als üblicherweise in
Mietswohnungen, Altersvorsorge und endlich sein eigener Bauherr zu sein.
Beim Erwerb eines Eigentums gibt es Unterschiede in der Hinsicht, ob ein privater Haushalt
als Bauherr tätig ist oder ein Bauträger baut.
Der vertraute Regelfall sieht vor, dass ein privater Bauherr ein Grundstück erbt oder kauft
und für sich ein freistehendes Einfamilienhaus durch das örtliche
Bauhandwerk im Eigenbau oder als Fertighaus errichtet. Dabei spielen noch Aspekte eine
Rolle wie, ob ein Architekt hinzugezogen wird oder nicht und ob man Gebrauch von Selbst-,
Verwandten- und Nachbarschaftshilfe macht. Der Beitrag von Architekten variiert jedoch, da
viele Haushalte Geld sparen möchten und sich lieber Hilfe aus dem Freundeskreis besorgen,
wie bspw. Maurer. Mit Nachbarschafts- und Verwandtenhilfe lässt sich auch eine Menge
sparen, denn so ist eine Beauftragung von teuren Baufirmen nicht nötig. Allerdings sollte
man Vorsicht walten lassen, da so etwas auch zur Schwarzarbeit ausarten kann und man in
dem Fall mit hohen Strafgeldern rechnen muss. Relevant beim Hausbau sind auch
städtebauliche Vorgaben der Erschließung und Gestaltung. Diese sind aber auf das Nötigste
beschränkt und erfolgen ohne langfristig verfolgtes Konzept.
Der weniger vertraute Regelfall sieht die Möglichkeit vor, ein Eigenheim von einem
Bauträger oder Generalübernehmer zu erwerben, was auch seine Vor- und Nachteile haben
kann. Oftmals sind die Angebote dieser günstiger, da sie dies durch Produktivitätsvorteile
erreichen, in dem bestimmte Haustypen mit geringen Modifikationen angeboten werden.
Der Kauf von einem seriösen Bauträger bietet dem Käufer stressfrei in ein meist
schlüsselfertiges Haus einzuziehen und erspart Ärger mit Behörden, Architekten oder
Handwerkern. Allerdings muss man vorab einen Vertrauensvorschuss leisten. Für jede
weitere vollbrachte Arbeit, wie Erdarbeiten, Rohbau etc., werden Raten der Gesamtsumme
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 139
des Kaufpreises fällig. Im schlimmsten Fall kann es natürlich sein, dass der Bauträger Konkurs
geht und nicht mehr leisen kann. Problematisch wird es da besonders bei Bauträgerfirmen
die als GmbH arbeiten, also als Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In dem Fall richtet sich
ein Anspruch im Konkursfall an eine Firma die nicht mehr existent ist und nicht an eine
Person. Bauträger leben in erster Linie nicht vom Verkauf ihrer Grundstücke, sondern vom
16
Erbringen der Bauleistungen. Die meisten Grundstücke werden deshalb mit einer
Baubindung angeboten und beim Verkauf verpflichtet man sich im Kaufvertrag, sofort oder
später von ihm ein Haus bauen zu lassen. Jedem Vertrag sollte dann eine ausführliche
Baubeschreibung zugrunde liegen, damit man auch weiß, welche Kosten im Preis enthalten
sind und welche nicht. Hat der Bau erst einmal begonnen, haben die Käufer praktisch nichts
auf der Baustelle verloren und dürfen dementsprechend den Handwerkern auch keine
Anweisungen geben. Wünsche bezüglich Gestaltung des Hauses, d.h. Raumaufteilung und
Innenausstattung, können immer beim Bauträger geäußert werden, der sie dann ohne
Probleme ausführen lässt. Sonderwünsche kosten beim Bauträger extra.
Am Ende der Bauphase einschließlich des Anschlusses aller nötigen Hausanschlüsse und
Geräte, kann der Käufer Eigenleistungen im Hinblick auf Malerarbeiten und ähnliches
erbringen, natürlich nur in vorheriger Absprache mit dem Bauträger. Bevor jedoch der Käufer
die Schlüssel in die Hand bekommt, erfolgt die Abnahme. Dabei wird ein Rundgang durchs
Haus meist mit einer bevollmächtigten Person des Bauträgers wie einem Architekten oder
dem Bauträger selbst durchgeführt. Es wird ein Protokoll erstellt und sämtliche Mängel
werden aufgenommen. Falls am Übergabetermin dem Käufer Mängel auffallen, vermerkt der
Bauträger dies und lässt es in den nächsten Tagen und Wochen noch beheben. Mit einem
Abnahmeprotokoll erkennt der Käufer verbindlich an, dass der Auftragnehmer das Objekt im
17
wesentlichen vertragsgemäß hergestellt hat. Garantiegewährleistungen haben Gültigkeit
für einen Zeitraum von drei Jahren.
Bevor man den Schritt wagt Eigenheimbesitzer zu werden, sollte man sich mit der
Kalkulation befassen. Es kann leicht passieren, dass man den Überblick verliert. Auch in
Bezug auf die Höhe des Kredites ist es ratsam über die Höhe der zukünftig auftretenden
Kosten Bescheid zu wissen, denn so lässt sich auch die Summe der Kreditaufnahme besser
einschätzen. Wie sich die jeweiligen Kosten prozentual verteilen lassen, wird in der
folgenden Grafik deutlich.
Abb.4
Quelle: ifs, Bonn (Bundesbauministerium, Broschüre: “Kostensenkung und
Verringerung von Vorschriften im Wohnungsbau.“)
Zur Vereinfachung sollte man auch eine Checkliste der anfallenden Kosten erstellen, die sich
unterscheiden lassen zwischen den Kosten die entstehen, wenn man ein Haus kauft oder
selbst baut. (siehe Abb.5 im Anhang)
Wohn- vs. Wunschhaus
Jeder dritte Mieter würde laut einer Emnid- Umfrage der BHW aus dem Jahre 2004 am
18
liebsten in den eigenen vier Wänden wohnen. Ein Großteil träumt von einem Häuschen mit
Giebeldach, Garage und Gartenzaun, doch für viele bleibt es ein Leben lang nur ein
„Wunschhaus“.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 140
Wohnen im eigenen Haus wird mit „häuslichem Glück, intaktem Familienleben, der
19
Sehnsucht nach Natur“ , Sicherheit, Unabhängigkeit, Freiheit und damit einer insgesamt
verbesserten Lebensqualität assoziiert. Eine solche Verbesserung der Lebensqualität
bedeutet gleichzeitig auch Gesamtzufriedenheit aller Familienmitglieder. Fern ab von
städtischem Lärm, Smog und der Hektik stellt ein Häuschen im Grünen den idealen
Ausgleich für Berufs- und Alltagsstress dar. Allein die verbesserte Wohnqualität durch
entsprechend größere Wohnverhältnisse, die geringen Lebenshaltungskosten, größere
Privatheit durch größere Distanz zur Nachbarschaft, die Nähe zu Grünflächen und
dementsprechend auch geeignete Wohn- und Spielverhältnisse für Kinder gehören zu den
Hauptgründen weswegen sich junge Familien für ein Häuschen entscheiden.
Allerdings verspricht ein Häuschen nicht nur eine schöne heile Welt, hinzukommen auch
Besorgnisse, wie eine langjährige Bindung und Verpflichtungen. Neben der Aufnahme eines
hohen Kredits bei einer Entscheidung für den Bau oder Kauf eines Eigenheims, muss damit
gerechnet werden für einen längeren Zeitraum „auf teure Konsumgüter und
20.
Freizeitaktivitäten zu verzichten“ Nicht alle Häuselbauer verfügen meist über größere
finanzielle Ressourcen. Da aber der Traum vom eigenen Haus so enorm ist, entschließen sie
sich zu einer sparsamen Lebensweise zugunsten einer verbesserten Wohnsituation. Ein
Eigenheim bedarf somit Sparsamkeit, Disziplin, Arbeitseinsatz und einer langfristigen
Planung. Natürlich gibt es auf der anderen Seite auch Haushalte, die sich beim Hauskauf
nicht einschränken und Verzicht üben müssen, um die Raten für ein Haus abzuzahlen. Sie
gehören dann entweder zum besser verdienenden Anteil der Bevölkerung oder wohnen
bereits in einem geerbten Häuschen.
Wer beim Hausbau mit anpacken kann, spart wiederum einiges an Geld. Mit dem Einzug ist
dann allerdings nicht direkt gesagt, dass man sich auf die faule Haut legen kann. Es müssen
an einem Neubau zwar keine Renovierungsarbeiten verrichten werden, dennoch fällt immer
etwas Arbeit im oder ums Haus an, ob es Gartenarbeit ist oder der Dachboden ausgebaut
werden muss. Vielleicht ist auch dies einer der Gründe wieso sich einige Menschen doch
eher für eine Mietswohnung entscheiden, denn bei Ausfällen wird jegliches auf den
Vermieter abgewälzt und man hat den Kopf frei. Es lassen sich noch einige Gründe finden,
weshalb ein Wohnhaus nur ein Wunschhaus bleibt. Diese wären einmal die Angst einen
Kredit aufzunehmen, seinen Arbeitsplatz zu verlieren aber hauptsächlich aufgrund der
hohen Grundstückspreise. Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn, liegt
Deutschland auf einem der hinteren Plätze, wenn es um die Quote der Eigenheimbesitzer
geht. Der deutsche Staat bemüht sich daher seit Jahren den Anteil der Eigentumsbesitzer zu
erhöhen, in dem er aufgrund seiner familien -orientierten Politik, Immobilienerwerber durch
Steuervergünstigungen und Eigenheimzulagen (bis Ende 2005) finanziell unterstützt.
Familien profitieren dementsprechend mehr als Verheiratete ohne Kinder.
Familien, die sich nun ihr Häuschen im Grünen ermöglicht haben, bezeichnen es auch nicht
immer als ihr Wunschhaus. Gründe mögen in der Architektur oder beim Standort liegen.
Vielleicht wollte man nicht noch einen höheren Kredit aufnehmen, um sich bspw. einen
Keller, einen größeren Garten oder einfach nur einen Kamin im Wohnzimmer leisten zu
können oder man hat einfach nicht das Grundstück bekommen was den eigenen
Präferenzen entsprochen hätte.
Bedürfnisse und Wünsche
Es gibt eine Vielzahl an Motiven und Bedürfnissen, die jungen Familien die Entscheidung für
ein suburbanes Einfamilienhaus mit Garten erleichtern. Besonders wichtig dabei sind eine
kinderfreundliche Umgebung und somit geeignete Wohn- und Spielverhältnisse für den
Nachwuchs. Dazu gehören neben Spielstraßen- und plätzen auch Wiesen vor der Haustür
und dementsprechend die Nähe zur Natur. Das eigene Häuschen mit Garten bietet einen Ort
der Ruhe und des Rückzugs. Man kann dem Staub, Lärm, Dreck, Berufsverkehr und der
alltäglichen Hektik, sowie abends dunklen Straßen und Gestalten entfliehen. Besonders nach
einem stressigen Arbeitsalltag in der Innenstadt stellt das Häuschen im Grünen bzw. im
Umland einen guten Ausgleich dar. Für manche kann so ein Garten mit seinen vielfältigen
Möglichkeiten auch den Jahresurlaub ersetzen. Familien verbinden mit einem Eigenheim
nicht nur eine gewisse Privatheit, sondern auch Freiheiten in Bezug auf Gestaltung von Haus
und Garten. Man ist sozusagen Herr im eigenen Haus, denn niemand kann einem
Vorschriften machen in Bezug darauf, wie man seine Wand streicht, den Garten bepflanzt
und ähnliches. Es ist wie ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit, dass ein Haus mit seinen
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vielfältigen Möglichkeiten bietet. Allein durch mehr Wohnraum entsteht bessere
Wohnqualität und Gesamtzufriedenheit aller Familienmitglieder, da auch jedes Kind sein
eigenes Zimmer hat. Es steht jedem genug Raum zur Verfügung, so dass man sich auch mal
ganz gut aus dem Weg gehen kann und jeder seinen privaten Rückzugsort hat. Daneben
können sich die Kleinen mal so richtig raufen oder austoben ohne dass es jemanden stört
oder ständig ein Nachbar vor der Tür steht um sich zu beschweren. Man hat eine gewisse
Distanz zum Nachbarn, die sich durch einen großen Garten oder Hecken zum Nachbarshaus
kennzeichnen lässt. Familien sehen einen Garten auch als Mittel zur Steigerung der
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Lebensqualität , der unter anderem ein Stück Natur ganz nah bringt. Man kann sich endlich
einen eigenen Basketballkorb oder eine Tischtennisplatte aufbauen, den Grill anwerfen
wann man möchte, aber auch Hobbygärtner können leicht auf ihre Kosten kommen.
Ein Eigenheim bietet vor allen Dingen Sicherheit in Bezug darauf, dass man nicht mit einer
Mieterhöhung oder Kündigung rechnen muss. Einen Kredit auf zu nehmen mag manchem
Sorge bereiten, da es sich um eine Belastung und langfristige Verpflichtung handelt. Jedoch
erfahren Familien finanzielle Unterstützung, indem sie bspw. vom Staat Kredite mit
günstigen Zinskonditionen erhalten. Bis Ende 2005 hatten Familien auch die Möglichkeit,
eine Eigenheim -zulage zu erhalten, die sich darin ergab, dass gewisse Pauschalbeträge auf
Ehegatten und pro Kind einmal jährlich ausgezahlt wurden. Eine Familie mit zwei Kindern
22
hätte so in acht Jahren bis zu 32.720 Euro erhalten können. Um noch einmal auf Kredite ein
zu gehen, sollte man bedenken, dass diese langfristig eine geringere Belastung darstellen als
Stadtmieten. Nach Abzahlen der Schulden bleibt mehr Geld zur Verfügung und man kann
sich zusätzliche Wünsche erfüllen. Das eigene Häuschen stellt für Familien somit nicht nur
eine Kapitalanlage bzw. Altersvorsorge dar, sondern auch eine gute Investition. Alles was
man in sein Häuschen investiert, egal ob eine Einbauküche oder Eckbadewanne, alles gehört
einem selbst und später als Nachlass den Kindern.
Mit dem Erwerb eines Hauses ist nicht automatisch gesagt, dass man sesshaft werden
möchte. Mit dem Wandel der Zeit wird auch das Heim bei vielen nur noch zu einer
Investition mit begrenzter Dauer. Laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom
25.11.2005, sieht knapp über die Hälfte der Deutschen den Kauf einer Immobilie als kurzoder mittelfristige Anlage. Vorbei sind die Zeiten, wo man ein Haus als ein „bis zum Tod
23
genutztes Domizil“ sah. Heutzutage erfordert vor allen Dingen die Berufswelt Mobilität.
Auch kann es vorkommen, dass man den Job wechselt und somit auch den Wohnort. Jedoch
besonders im Alter trennen sich über 60% der Menschen von ihrem Haus, da sie befürchten
24
„den Haushalt nicht mehr allein bewältigen zu können“ . Der Weg führt sie dann wieder in
die Großstadt zurück.
Aufgrund der Tatsache, dass ein Häuschen nicht mehr nur eine Investition für ein Leben lang
ist, baut man auch nicht mehr nur mit dem Gedanken ein Haus für ein Leben lang zu
schaffen, d.h. mit Keller und allen erdenklichen Ansprüchen. Vor einigen Jahren noch hat das
sog. „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ dazu geführt, dass Deutsche im Durchschnitt erst mit 38
25
Jahren Hauseigentümer wurden . Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr spät.
Neben den Wünschen für und ums Haus gibt es noch relevante Motive hinsichtlich der Lage
und des Standortes, denn beide bestimmen auch entscheidend den Wert des Projektes mit.
Relevante Faktoren sind die Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, Kindergartenplätze,
Schulen, ein familien- und kinderfreundliches Wohnumfeld, die regionale Umgebung und
die Entfernung zu öffentlichen Mitteln. Ein Wohnort sollte zwar auf der einen Seite Ruhe und
Erholung gewährleisten können, aber auf der anderen Seite auch nicht so weit von der
nächsten Stadt bzw. der Arbeitsstelle liegen.
Abwandern ins Umland
Seit Jahren zieht es junge Familien aus den hochpreisigen Kernstädten in Vororte oder
umliegende Dörfer. Gründe für die Suburbanisierung sind nicht in der Ablehnung der Stadt
als solche zu sehen, sondern eher in der Unmöglichkeit von Städten, die Wohnwünsche in
Bezug auf Wohngröße, Lage, Wohnumwelt, und Eigentum zu erträglichen Preisen zu
26
verwirklichen .
Nach Aussagen des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin ist die Akzeptanz der Stadt
27
weit höher, als die Umlandwanderung erscheinen lässt. Viele Umlandwanderer wären in der
Stadt geblieben, wenn sie bspw. ihren Wohnflächenbedarf bei gleichen Kosten in der Stadt
hätten realisieren können oder die Städte einfach kinderfreundlicher gestaltet wären.
Daneben ist noch nicht einmal die Auswahl der Grundstücke in den Städten besonders groß.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 142
Für ein Grundstück in der Stadt muss man üblicherweise mit dem doppelten Preis rechnen
als außerorts. Da ist es nur einleuchtend, wenn Familien sich für das größere Grundstück im
Umland entscheiden und trotzdem denselben Preis bezahlen. Neben dem Kostenfaktor und
der Wohngröße führen noch weitere Aspekte zu einem Abwandern ins Umland. Wohnungen
in den Städten werden vor allem von gut verdienenden jungen Singles nachgefragt und
Vermieter bevorzugen eher diese Gruppe als Familien mit Kindern. Hinzu kommt, dass
28
Familien die Vorzüge der Städte weniger nutzen können als Singles und Paare ohne Kinder.
Für Eltern ist ein spontaner Kinobesuch, der Weg in ein Restaurant oder Fitness-Center meist
nicht möglich, da sich immer die Frage stellt, wer auf die Kinder aufpasst. Familien finden
oftmals mit Kindern am Stadtrand oder auf dem Lande passendere Bedingungen für ihre
Lebensbedürfnisse. Der Wunsch von einem eigenen Haus mit Garten lässt sich hier für
Familien besser erfüllen. Die Kinder wachsen behütet im Grünen auf. Es steht eine
ausreichend große Wohnfläche zur Verfügung und die Lebenshaltungskosten sind
günstiger. Dabei muss man natürlich auch bedenken, dass für das Mehr an Lebens- und
Wohnqualität einige andere Dinge in Kauf genommen werden müssen, wie bspw. der
längere Weg zur Arbeit und damit die höheren Fahrkosten. Nachdem die eigenen Kinder nun
ausgezogen sind, genießen viele die Ruhe und angenehme Luft ihrer Umgebung. Vergehen
einige Jahre und man merkt, dass es mit dem Auto fahren nicht mehr so klappt, zieht es viele
wieder in die Innenstädte zurück. Somit werden neben einer guten Infrastruktur im Alter, ein
zu Fuß gut erreichbarer Arzt oder Einkaufsmöglichkeiten zunehmend wichtiger. Auch
möchte man im Alter wieder stärker am kulturellen Leben teilnehmen. Das Häuschen im
Grünen wird somit verkauft und mit dem Geld eine Eigentumswohnung in der Stadt
erworben oder alternativ seinen Hausbesitz an die Kinder vererbt und ein kleines
Appartement zur Miete genommen.
Insgesamt betrachtet reagiert die Bevölkerungsentwicklung der Städte auf den Effekt der
Suburbanisierung mit einer Stagnation und Rückläufigkeit. Es ist ein demographischer
Wandel zu verzeichnen, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt. Eine der
Komponenten ist die zunehmend rückläufige Bevölkerungszahl, wie bereits erwähnt auch
aufgrund einer Abwanderung bestimmter Einkommensgruppen ins Umland. Weitere sind
die Alterung der Bevölkerung, die Internationalisierung durch hohe internationale
29
Zuwanderung und die Bildung kleinerer Haushalte . Mit der Abwanderung bestimmter
Einkommensgruppen (v. a. junger Familien) gehen den Städten nicht nur Steuerzahler
verloren. Es wird mit der Zeit in vielen Stadtvierteln eine negative Dynamik zunehmend
30
sozialer Monostrukturen heraufbeschworen , weswegen die abwandernden Gruppen für
einen sozialen Ausgleich von Bedeutung sind.
Solange die Stadt nicht entsprechende Maßnahmen gegen die Stadtflucht unternimmt,
indem sie auf Bedürfnisse junger Familien eingeht, wird die Stadt-Umland-Wanderung
weiter fortbestehen.
4
Fallbeispiel: „Wohnen im Anna-Park“
Die Stadt Alsdorf, mit ihren rund 48.000 Einwohnern, lässt sich als Mittelstadt bezeichnen
und liegt im Mittelpunkt der Region Aachen – Lüttich – Maastricht und ist ein Teil des Kreises
Aachen. Alsdorf ist über zahlreiche tragende Verkehrs -achsen in die Region und darüber
hinaus eingebunden. Neben einer guten Anbindung an die Bundesautobahn, verfügt die
Stadt über Busverbindungen in die Großstadt Aachen und die Nachbarkommunen
Aldenhoven, Eschweiler, Baesweiler, Herzogenrath, Jülich, Stolberg, Übach-Palenberg,
Würselen, sowie die Nachbarländer Belgien und die Niederlande. Mit den Buslinien sind auch
Zugverbindungen im Nah- und Fernverkehr zu erreichen und seit dem 11. Dezember 2005
gibt es in Alsdorf Anna-Park einen Anschluss an die Euregiobahn, die zwischen Stolberg,
Eschweiler, Aachen, Herzogenrath, Alsdorf und Heerlen pendelt.
Die Stadt selbst wurde jahrzehntelang vom Steinkohlebergbau geprägt. EBV (=Eschweiler
Bergwerks- Verein) war der größte Arbeitgeber der Stadt. Die letzte Schachtanlage im Revier
Emil Mayrisch wurde am 18.12.1992 geschlossen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 143
Abb.6
Quelle: http://www.alsdorf.de
Wohnanlage „Anna-Park“
Nach der Schließung der Zeche „Anna“ (1992), lag eine bedeutende Fläche von etwa 50 ha in
31
32
der Innenstadt brach. Unter der Devise die Innenstadt aufzuwerten und das Gelände in die
Stadtstruktur einzugliedern, beschloss man das ehemalige Zechengelände zu sanieren. Die
EBV AG von der Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) entwickelte in Zusammenarbeit
mit der Stadt Alsdorf das Anna Areal.
Im Jahre 1995, erfolgte der Aufkauf der Fläche durch Grundstückfonds NRW. Nach dem
Beschluss des städtebaulichen Rahmenplans 1996, wurde ein landschafts-planerischer
Realisierungs- Wettbewerb eröffnet. Es wurden Vorschläge zur Gestaltung, zur Einbindung
ins Stadtgefüge, zum Umgang mit der komplexen Altlastenproblematik und mit der
bergbaulichen Geschichte ermittelt. 2001/02 wurde eine Parkanlage mit etwa 11ha Fläche an
der Stelle der ehemaligen Kokerei „Anna“ und ihrer Nebenanlagen realisiert. Sie ist als eine
Erinnerung der Geschichte des Ortes bewusst künstlich gestaltet worden, wobei als zentrales
Element die erhöhte Rasenfläche (7ha) mit einem Spielplatz zu nennen ist. Mittlerweile bietet
der Park neben einem großen Spielbereich auch Sportmöglichkeiten und eine hohe
Aufenthaltsqualität.
Dort wo früher das ökonomische Herz einer ganzen Stadt schlug, stehen heute ein
Einkaufszentrum, das sog. Anna-Park-Center, sanierte ehemalige Bergbaugebäude, ein
Wohngebiet und der Anna-Park. Der Park unterteilt das Gelände und sorgt so für eine grüne
Note mitten in der neuen Siedlung. Das Neubaugebiet sieht eine aus Gewerbegebiet und
33
Wohnbebauung zusammengesetzte Mischbebauung vor. Gegenüber dem Wohngebiet
und getrennt durch den Park, soll zukünftig auf über 45.000 qm ein moderner Gewerbe- und
Dienstleistungspark entstehen. Der Park trennt beide Gebiete und bildet so das „Herz“ des
Anna-Geländes.
Abb.7 Quelle: http://www.gquadflieg.de
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 144
Bislang wurde eine Wohnbebauung durch den Investor und Generalübernehmer G.
Quadflieg GmbH realisiert, unter der Bauleitung eines Architekten. Das Projekt „Wohnen auf
dem Anna-Gelände“ verzeichnet bisher eine gute Entwicklung, da der Verkauf der Häuser
schnell voran schreitet und es weiterhin genügend Nachfrage gibt. Viele Neubürger finden
auf dem Anna-Gelände ihre neue Heimat, wobei ein Großteil aus Aachen kommt. Eine
Spezialausgabe der Super Sonntag vom 12. Februar 2006 beschreibt in dem Artikel „Eine
Erfolgsstory wird fortgesetzt“ die Entwicklung des neuen Wohngebietes Anna-Park seit
nunmehr drei Jahren als äußerst positiv. Weiterhin wird davon berichtet, dass nicht nur die
Lage im Stadtgefüge stimmt, sondern auch das Angebot der aktuellen Nachfrage nach
kleineren, preiswerten Grundstücken entspricht. (s. Abb.8 im Anhang)
Das Projekt „Wohnen im Anna-Park“ in Alsdorf ist insgesamt betrachtet ein geeignetes
Exemplar für familiengerechtes und kostengünstiges Wohnen zu sehen, wie man
nachfolgend sehen wird.
Typ Einfamilienhaus
Im Anna-Park gibt es eine Unterteilung des Wohngebietes in vier Bauabschnitte. Jeder
Bauabschnitt enthält einen anderen Typ an Einfamilienhäusern, von freistehenden Häusern,
über Doppelhaushälften bis hin zu Reihenhäusern. Daneben sind zusätzlich, zwischen den
Bauabschnitten und dem Park, Stadthäuser mit je acht Eigentumswohnungen und
Wohngrößen von 69 bis 147qm geplant. Aufgrund der geringen Nachfrage nach
Eigentumswohnungen wurde vorerst ein Stadthaus realisiert.
Abb.9
Quelle: http://www.gquadflieg.de
Der erste Bauabschnitt (Abb.9) der Einfamilienhäuser wurde am 16.05.2003 mit einer
Grundsteinlegung begonnen und enthielt eine Planung von 27 moderne Einfamilienhäuser
als Doppelhaushälften und einer freistehenden Haushälfte mit Dachterrasse und
Solartechnik. Anfang September 2004 wurde die erste Doppelhaushälfte nach Stattfinden
einer Abnahme mit dem Kunden abgegeben.
Die Wohnfläche der Häuser beträgt etwa 130qm und die Grundstücke variieren zwischen
137 und 225qm. Der Kaufpreis beträgt hier 145.000 incl. Grundstück zzgl. Sonderwünsche.
(Grundrisse im Anhang Abb.10-12)
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 145
Abb.13
Quelle: http://www.gquadflieg.de
Am 30.09.2003 fand der Spatenstich zum 2. Bauabschnitt statt, mit dem Vorhaben 21
Einfamilienhäuser als Doppelhaushälften (Abb.13) mit Brennwert- und Solartechnik zu
errichten. Neben moderner Architektur und ökologischer Haustechnik, bieten die Häuser
eine Wohnfläche von etwa 130 qm. Je nach Wunsch und finanziellen Möglichkeiten kann
zwischen einer Grundstücksfläche von 211 bis 337qm gewählt werden. Der Preis für ein Haus
incl. Grundstück beträgt ab 159.797 zuzüglich jeglicher Extrawünsche. Die Fertigstellung
erfolgte bereits 2004. Währenddessen wurde im Juni desselben Jahres der Verkauf des
100sten Hauses gefeiert. (s. Abb.14 im Anhang)
Abb.15
Quelle: http://www.gquadflieg.de
Baubeginn des 3. Bauabschnittes erfolgte 2004, wonach 30 Einfamilienhäuser als
Reihenhäuser (Abb.15) gebaut werden sollten. Mittlerweile sind einige Häuser bereits
verkauft und bewohnt. Andere dagegen befinden sich noch in der Fertigstellung oder
werden bereits von den Käufern zum Einzug vorbereitet. Ausgestattet sind die 130qm
großen Energiesparhäuser mit Brennwert- und Solartechnik. Auch hier sind die
Grundstücksgrößen wählbar zwischen 153 bis 228qm. Die Reihenhäuser betragen incl.
Grundstück und Garage ab 147.908 .
Mit dem Bau des vierten Bauabschnittes wurde Anfang diesen Jahres begonnen. Geplant
sind freistehende Einfamilienhäuser mit einer Wohnfläche von 160qm und einem
Grundstück in Südlage von 375qm. Das Motto lautet „Wohnen zur Sonne mit Blick auf den
Park“.
Aufgrund der großzügigen und gut belichteten Raumaufteilung sind die über vier Ebenen
34
großen Häuser für Familien mit 2-3 Kindern geeignet.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 146
Wohnqualitäten vs. Wohnpräferenzen
Die hohen Grundstückspreise der Großstadt Aachen veranlassen viele junge Familien ins
Umland zu ziehen. Das Wohngebiet „Anna-Park“ lässt sich da als ein gutes Beispiel
heranziehen, da es auf der einen Seite zum Umland einer Großstadt gehört, auf der anderen
Seite aber keineswegs benachteiligt wird, da sich dieses in der Innenstadt einer Mittelstadt
befindet. Viele ehemalige Aachener finden hier ihre neue Heimat. Es gibt natürlich Vor- und
Nachteile, die das Neubaugebiet mit sich bringt. Bedeutend für jeden zukünftigen
Hausbesitzer sind Faktoren bzgl. Lage und Standort, wie eine gute Verkehrsanbindung, das
Wohnumfeld, die regionale Umgebung, Entfernung zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen
und Einkaufsmöglichkeiten. Inwiefern diese auf das Anna-Gelände zu treffen wird im
Weiteren erörtert.
Nachteilig kann es sein, dass der überwiegende Teil der Bewohner seinen Arbeitsplatz in der
Großstadt hat und pendeln muss. Auf der anderen Seite kann man über die Infrastruktur
nicht klagen, denn es gibt gute Anbindungen ob mit dem Auto, den Buslinien oder der
Euregiobahn. Die Aachener Innenstadt lässt sich in 20 Minuten mit dem Auto und etwa 30
Minuten mit Bus und Bahn erreichen. Vom Anna-Park selbst lassen sich alle wichtigen
Einrichtungen gut zu Fuß erreichen. Der Kindergarten grenzt direkt an das Wohngebiet an.
Grund- und Weiterführende Schulen befinden sich etwa 1-3 km entfernt. Zum Einkaufen
kann man in das auf der ehemaligen Zeche befindliche Einkaufszentrum Anna-Park-Center,
wo es vom Bäcker bis zum Schuhgeschäft alles nötige zu kaufen gibt. Ein paar Meter weiter
befindet sich die Bahnhofstraße, die eine Einkaufsstraße mit weiteren Geschäften darstellt.
Neben den wichtigen Infrastruktureinrichtungen bietet die Innenstadt noch Highlights wie
den bekannten Cinetower mit zwei Kneipen und einem Club, auch buchbar für private
Events. Darüber hinaus gibt es in Alsdorf eine Vielzahl an Kultur- und Freizeitangeboten. Die
Stadthalle als kulturelles Zentrum lockt mit Aufführungen von Musicals,
Theaterveranstaltung, Auftritten von bekannten Comedy-Stars und diversen Messen. Ein
Bergbaumuseum bietet Gruben-Geschichte zum Anfassen und ein Stück weiter gibt es schon
die nächste Erholungsanlage mit kostenfreiem Tierpark-Besuch. Auch gibt es diverse Vereine
denen man sich anschließen kann, wobei besonders wert auf Sportvereine gelegt wird.
Bekannt ist in der Region vor allem das Sport-Forum, in dem bereits ein wichtiges
Tennisturnier stattfand. Außerdem gibt es in der Nähe des Anna-Geländes auch ein
Hallenbad zur sportlichen Betätigung oder zum Relaxen.
Aus einer Kommune, die einst vom Bergbau dominiert wurde, entwickelt sich ein moderner
35
Standort. Weitere Pläne umfassen eine Neugestaltung des Innenzentrums, d.h. des
ehemaligen Bahnhofs, der bald in die Nähe des Anna-Geländes verlagert wird. Auch wird
Alsdorf als Wirtschaftsstandort immer interessanter und neue Arbeitsplätze entstehen. Neue
Bürger können sich auch gern bei ihrer Arbeitsplatzsuche auf diesen Standort beschränken,
denn neben der Arzneimittelindustrie, CD-Herstellung und Automobilindustrie gibt
zahlreiche andere Unternehmen.
Die neuen Bewohner der Anna Park Siedlung können wie schon gesehen von zahlreichen
Angeboten und Einrichtungen der Stadt profitieren.
Neben den Vorzügen der Innenstadt hat auch das Anna-Gelände seinen Bewohnern einiges
36
zu bieten. Der Anna-Park als „grüne Oase“ lädt zum Spaziergang ein und ist der ideale Ort
zum Erholen fern ab von städtischem Lärm, Smog und der Hektik. Besonders vorteilhaft
bietet sich der Ausblick auf den Anna-Park für die Fronthäuser, deren Gärten und Terrassen
zum Park liegen. Außerdem wird jährlich ein Feuerwerk vom Park aus gestartet was ein
weiteres Highlight für die Bewohner darstellt. Im Grunde genommen bietet Alsdorf seinen
alten und neuen Bürgern attraktive Lebensräume im Sinne aller genannten Vorzüge.
Besonders für junge Familien mit Kindern ist das Wohnumfeld optimal.
Der Park mit seinen Wiesen vor der Tür, einem Spielplatz und einem Fußball- und
Basketballplatz bietet eine kinderfreundliche Umgebung. Hinzu kommen noch bereits
realisierte oder geplante Spielstraßen und ein großer zusätzlicher Spielplatz in mitten des
Wohngebietes.
Neben der Lage und dem Standort gibt es noch weitere Motive für die Entscheidung ein
Haus im Anna-Park zu erwerben, wie eine verbesserte Wohnqualität durch entsprechende
größere Wohnräume (130-160qm). Da die Häuser für 2-3 Kinder konzipiert sind, ist es auch
kein Problem, dass jedes Kind sein eigenes kleines „Reich“ bekommt. Familien haben eine
gewisse Privatheit durch größere Distanz zum Nachbarn. Zwar sind die Häuser als
Doppelhaushälften konzipiert, aber eine Terrassentrennwand, ein Zaun und Hecken bieten
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 147
genug Privatsphäre. Freiheiten bietet auch ein schlüsselfertiges Haus, denn es bleiben noch
genügend Freiräume, um die Innenräume und den Garten frei zu gestalten. Je nach Wunsch
kann man sich ein Saunahäuschen, einen Geräteschuppen in den Garten stellen oder einen
kleinen Teich anlegen. In der Gestaltung des Gartens gibt es natürlich auch kleine Vorgaben
der Stadt Alsdorf. In der Hinsicht dürfen die Gärten nur mit einer bestimmten Zaun-Höhe
umzäunt werden, um doch einigermaßen einheitlich zu wirken. Bei einem freistehenden
Haus hat man diesen Nachteil nicht und kann sich bei der Gartengestaltung frei entfalten. Ein
weiteres Motiv für Familien ist die Tatsache, dass die Kinder auch viel Freiraum haben und
sich so richtig austoben können, ohne das mal ein Nachbar von unten oder oben ständig vor
der Tür steht, um sich zu beschweren. Auch Sicherheit und Altersvorsorge spielen eine große
Rolle. Sicherheit in Bezug darauf, dass man weder mit einer Kündigung oder Mieterhöhung
rechnen muss. Einen Kredit aufzunehmen bereitet manch einem vielleicht Sorgen, aber
genauso muss man auch Miete zahlen. Den Menschen wird begreiflich wie viel sie sonst an
Miete zahlen müssten und legen das Geld dann lieber in Immobilien an. Raten für einen
Kredit unterliegen keiner Erhöhung, sondern bleiben langfristig konstant. Auch die
Eigenheimzulage, die ab dem 01.01.2006 abgeschafft worden ist,
hat wahrscheinlich auch viele bewogen, sich diese noch in letzter Minute zu sichern und den
Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Ein weiteres Motiv bildet der derzeit niedrige
Hypothekenzins.
Abb.16
Quelle: Bundesverband Deutscher Banken, Hausfoto OKAL
Die Immobilie bietet aufgrund dieser Tatsachen auch eine Altersvorsorge. Ist der Kredit
erstmal abbezahlt, kann man genauso gut auch das Haus wieder verkaufen und es wird
sicher auch aufgrund der guten Lage eine Wertsteigerung erfahren. Im Alter lässt es sich hier
aber auch ganz gut leben, denn alle Einrichtungen sind gut zu Fuß erreichbar und so ist man
auch nicht auf das Auto angewiesen. So ist es nicht gesagt, dass man ein Haus für ein Leben
lang kaufen und sesshaft werden muss. Einige der Eigentümer erwerben ein Doppel- oder
Reihenhaus auch mit dem Bewusstsein sich später vielleicht doch noch den Traum von
einem freistehenden Haus zu erfüllen.
Insgesamt betrachtet bietet die Wohnanlage Anna-Park seinen neuen Bewohnern eine sehr
gute Wohnsituation im Hinblick auf familienfreundliches Wohnen, die Nähe zur Natur, Lage
und Standort und genug Wohnraum für alle Familienmitglieder. Besonders entscheidend ist
jedoch das Argument ein kostengünstiges und schlüsselfertiges Energiesparhaus als
Eigenheim zu erwerben.
5
Schlussbetrachtung und Ausblick
Das Ziel dieser Ausarbeitung lag darin, zu erörtern weshalb der Wunsch nach einem
Eigenheim besonders bei Familien so ausgeprägt ist, welche Motive sich dahinter verstecken
und warum sie den Weg ins Umland wählen.
Deutlich wurde, dass mit dem wirtschaftlichen Wachstum der Industriestaaten und
steigendem Wohlstand der Bürger, sich auch Familien und Haushalts-
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 148
Konstellationen verändern. Diese zeigen sich in veränderten biographischen Abläufen. Somit
ist das bürgerliche Familienmodell nicht mehr als Norm zu sehen. Frauen streben mehr nach
Unabhängigkeit und Selbständigkeit, möchten sich im Beruf profilieren und mehr soziale
Nähe erfahren. Der Mann als das sog. Oberhaupt der Familie verliert aufgrund der
erweiterten Frauenrolle nach und nach seine Privilegien und Autorität als Oberhaupt. Mit
Veränderung der Konstellationen in Bezug auf Haushalt und Familie steigt gleichzeitig der
Wunsch nach mehr Lebensqualität in Bezug auf Leben und Wohnen. Abläufe wie Heirat und
Geburt der Kinder erfolgen später. Haushalte aufgrund der geringen Kinderzahl werden
immer kleiner. Der Wunsch nach mehr Wohnraum steigt, denn mehr Wohnfläche bedeutet
auch mehr Lebensqualität.
Junge Familien ziehen aus den hochpreisigen und umweltbelasteten Großstädten ins
Umland, weil sie neben mehr Wohnraum, geringeren Lebenshaltungskosten auch ein kinder
– und familienfreundliches Wohnen erwarten. Mit dem Besitz eines Eigenheims verbindet
man Freiheit, Sicherheit und Privatheit. Weiter Motive sind eine gute Verkehrsanbindung,
gut erreichbare Einrichtungen, sowie geeignete Wohn-und Spielverhältnisse.
Allerdings ist ein Trend zu verzeichnen in Hinblick auf die Wohndauer. Früher war es üblich,
dass Familien beim Hausbau oder Kauf besonders auf Annehmlichkeiten wie einen Keller
gelegt haben. Im Hinterkopf hatte man das Ziel, sich ein Haus für ein Leben lang zu schaffen.
Heute legen Familien mehr Wert auf Mobilität und erwerben ein Haus für einen bestimmten
Lebensabschnitt. Es muss sich dabei nicht immer um ein freistehendes Einfamilienhaus mit
Garten handeln. Genauso gut kann es auch eine kostengünstigere Alternative sein, wie eine
Doppelhaushälfte oder ein Reihenhaus.
Warum den überhaupt noch Miete zahlen, wenn das gezahlte Geld doch nur in einen „Topf
ohne Boden“ fließt? Genauso gut kann man das Geld auch anlegen und in Bezug auf das
Alter vorsorgen, indem man sich für ein Eigenheim entscheidet. Besonders jetzt lohnt es sich
noch einen Kredit aufzunehmen, da der Hypothekenzins ein geringes Niveau zu verzeichnen
hat. Wer schnell war, konnte sich noch bis Ende des Jahres 2004 die Eigenheimzulage sichern
und so wiederum Geld sparen. Momentan lässt sich noch an günstige Kredite vom Vater
Staat gelangen, denn dieser vergibt Kredite an Familien mit geringerem Einkommen zu
einem Prozentsatz von 0,5.
Neben den Vorteilen für ein Eigenheim gibt es natürliche auch Nachteile, wie die Angst
einen Kredit aufzunehmen oder die langfristige Bindung. Nicht immer bringt ein Eigenheim
Idylle und heile Welt mit sich. Natürlich muss man sich auch einschränken, auch schon vor
dem Erwerb, da erstmal eine bestimmte Höhe an Eigenkapital angespart werden muss. Hat
man dann endlich seinen Wunsch realisiert, kommen immer wieder Kosten hinzu. Man muss
auf der anderen Seite bedenken, dass das Sparen und sich Zurückhalten in Bezug auf
Konsum auch Gutes für sich hat. Denn endlich besitzt man etwas eigenes, dass mit noch
mehr Investitionen an Wert gewinnt. Ist erstmal der Kredit abbezahlt, kann man sich
zurücklehnen mit dem Bewusstsein etwas erreicht zu haben und nie mehr Miete zahlen zu
müssen.
Auch Städte leiden unter dem Wunsch junger Familie ein Haus mit Garten zu erwerben,
denn damit ist automatisch das Abwandern ins Umland verbunden. Dennoch wird die Stadt
als solche nicht abgelehnt. Gründe für die Suburbanisierung liegen eher in der
Unmöglichkeit der Städte, Wohnwünsche in Bezug auf Wohngröße, Lage, Wohnumwelt und
Eigentum zu erträglichen Preisen zu verwirklichen. Folglich hat die Bevölkerungsentwicklung
der Städte
eine Stagnation und Rückläufigkeit, aber auch zunehmende Alterung zu verzeichnen. Mit
Abwanderung bestimmter Einkommensgruppen gehen nicht nur Steuerzahler verloren,
sondern auch Gruppen, die für einen sozialen Ausgleich von Bedeutung sind.
In Zukunft wird es jedoch tendenziell Haushalte verstärkt wieder in die Städte ziehen. Mag es
aus dem Grund sein, dass sich von städtischer Seite mehr bemüht wird jungen Familien
bessere Lebensverhältnisse zu bieten. Auch wird sich vieles aufgrund der immer weiter
verändernden Haushalts- und Familienkonstellationen in Bezug auf Lebensverhältnisse und
Wünsche ändern. Der Anteil alternativer postmoderner Lebensgemeinschaften wird noch
weiter ansteigen und somit auch die Kernstädte füllen, denn gerade diese Haushaltsformen
werden bzgl. ihrer Wünsche und Präferenzen die Innenstädte weiterhin bevorzugen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 149
6
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anteil Eigentumserwerber versch. Haustypen (1998 u. 2000)
Abbildung 2: Zuhause in den eigenen vier Wänden
(Anteil der Bürger mit Wohneigentum 2003)
Abbildung 3: Mietausgaben. Jeder Euro ist verloren!
Abbildung 4: Verteilung der Kosten für ein Einfamilienhaus
Abbildung 5: Checkliste Kaufvorhaben
Abbildung 6: Alsdorf in der Euregio-Maas-Rhein
Abbildung 7: Lageplan „Anna-Gelände“
Abbildung 8: Zeitungsanzeige: „Eine Erfolgsstory wird fortgesetzt“
Abbildung 9: Foto „Doppelhaus im Anna-Park“ – 1. Bauabschnitt
Abbildung 10: Grundriss Erdgeschoss
Abbildung 11: Grundriss Obergeschoss
Abbildung 12: Grundriss Dachgeschoss
Abbildung 13: Skizze „Doppelhaus“ – 2. Bauabschnitt
Abbildung 14: Lageplan – 2. Bauabschnitt
Abbildung 15: Skizze „Reihenhäuser“ – 3. Bauabschnitt
Abbildung 16: Effektivzins für Hypothekendarlehen bei fünfjähriger
Zinsfestschreibung (Durchschnittswerte jeweils am Jahresende)
Fußnoten
1
TNS Emnid Umfrage (siehe auch LBS-Research).
Werbespot der LBS Bausparkasse; Produkt: Bausparvertrag.
3
Macha, 2
4
Häußermann; Siebel (1991), 81
5
Macha, 2
6
Schneider; Spellerberg 1999, 50
7
Sieder 1985, 243
8
Sieder 1985, 241
9
Sieder 1985, 243
10
Schneider; Spellerberg 1999, 25
11
Schneider; Spellerberg 1999, 24
2
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 151
12
Schneider; Spellerberg 1999, 24
Umzugsratgeber.net
14
Haak 2000, 20
15
Haus & Markt, 1
16
Haak 2000, 68
17
Ruh 2000, 67
18
Haus & Markt
19
Harlander (2001), 11
20
Schneider; Spellerberg 1999, 131
21
Familie.de (2005), 1
22
Haus & Markt
23
Hoch (2005)
24
Hoch (2005)
25
Planet Wissen, 1
26
Herlyn; Herlyn 1979
27
Difu, 2
28
Avisdirekt, 1
29
Bucher; Schlömer 2005, 122
30
Herlyn; Herlyn 1979
31
Werkstatt Stadt, 1
32
Stadt Alsdorf
33
Capture-mm.de
34
G.Quadflieg GmbH
35
Stadt Alsdorf
36
Stadt Alsdorf
13
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 152
Wir suchen ein Eigenheim
Juliana Karoff, Jan in der Beek
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 153
Inhalt
Wir suchen ein Eigenheim
1
Einleitung
2
Strukturierungsmöglichkeiten der Nachfrager
3
Eigenheim
4
Eigenheimsuche auf dem Aachener Immobilienmarkt
5
Fazit und Ausblick
6
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 154
1
Einleitung
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Angebote von Eigenheimen auf dem Aachener
Immobilienmarkt für eine bestimmte Nachfragergruppe zu finden.
Wir analysieren in Kapitel 2 zunächst die möglichen Nachfragergruppen anhand bekannter
Studien, um uns auf eine Gruppe zu konzentrieren. Dafür ist es notwendig, die Nachfrager
mit Hilfe einer Typologisierung in homogene Cluster aufzuteilen.
Ferner befassen wir uns mit dem Begriff (Kapitel 3.1) und den Motiven für den Erwerb
(Kapitel 3.2) des Eigenheims.
Letztlich untersuchen wir, ob eine derartige Gruppe problemlos als Nachfrager eines
Eigenheims auf dem Immobilienmarkt auftreten kann und ob ein entsprechendes Angebot
existiert. Dafür filtern wir Suchkriterien heraus. Bei der Suche beschränken wir uns zudem auf
die Angebote in der Zeitung, im Internet und auf Angebote von Immobilienmaklern.
2
Strukturierungsmöglichkeiten der Nachfrager
Die Aufteilung von Nachfragern in bestimmte Cluster und die herkömmliche Aufspaltung
der Bevölkerung in Klassen und soziale Schichten ist nicht geeignet, da sich die heutige
Gesellschaft
weitaus
vielschichtiger
darstellt
und
diese
Betrachtungsweise
dementsprechend nicht mehr ausreichend ist.
Folglich befassen wir uns mit alternativen Strukturierungsmöglichkeiten.
Nachfrager strukturiert nach Spellerberg’s Lebensstilgruppen
Eine Möglichkeit der Gruppenbildung stellt die Abgrenzung nach Lebensstilen dar. Der
theoretische Kerngedanke des Lebensstilkonzeptes nach Zapf ist:
„Lebensstile lassen sich als begrenzte Anzahl sichtbarer Verhaltensarrangements
ausmachen, in denen in einer mobilen Wohlfahrtsgesellschaft die Trends der
Individualisierung, Egalisierung, Kompetenzsteigerung usw. zu neuen Ordnungsmustern
aufeinander abgestimmt werden. Lebensstile sind transitorische Ordnungsmuster bei
abnehmenden Zumutungen und steigenden Wahlmöglichkeiten“ .
In weiterführenden Untersuchungen kamen Schneider und Spellerberg zu den, hier
dargestellten, Ergebnissen für die Typologisierung von Nachfragern. Bei der Untersuchung
wurden für Westdeutschland mit Hilfe einer Clusteranalyse neun Lebensstilgruppen
festgelegt. In Tabelle 1 werden die Lebensstilgruppen in Westdeutschland mit den
jeweiligen Anteilen der Gruppe an der Gesamtbevölkerung abgebildet.
Tab. 1: Lebensstilgruppen in Westdeutschland (1996)
Quelle: Schneider, Spellerberg (1999). S.104
In Tabelle 2 und 3 sind die wesentlichen Charakteristika der neun Lebensstiltypen
zusammengefasst.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 155
Tab. 2: Spellerberg-Lebensstilgruppen nach ausgewählten Kategorien
Quelle: Studienarbeit „Zukunft Wohnen“ am Borgschenhof in Duisburg-Friemersheim,
Architekturconsulting, Altbaumodernisierung, Strategische Bestandsentwicklung. (2005)
Abb.22
Schneider und Spellerberg haben zudem die Wohnungsnachfrage unterschiedlicher
Lebensstilgruppen im Hinblick auf Wohnstandort, Wohnumfeld, Haustyp, Eigentum und
Größe der Wohnungen untersucht, was für unsere spätere Suche von Vorteil ist.
Nachfrager strukturiert nach der SINUS-Milieu Studie
Aus der Sinus Milieu Studie lässt sich eine weitere Möglichkeit ableiten, heterogene
Nachfrager in möglichst homogene Cluster aufzuteilen.
Dabei werden klassische soziale Indikatoren wie Beruf oder Einkommen durch qualitative
Daten der Werteorientierung und Grundeinstellung erweitert. Das Ergebnis der Kombination
von sozialer Lage, die von der Unterschicht bis zur Oberschicht reicht, und der
Grundorientierung, von traditionell bis modern, wird in zehn unterschiedlichen Milieus
beschrieben: Konservative, Traditionsverwurzelte, DDR-Nostalgische, Etablierte, Bürgerliche
Mitte, Konsum-Materialisten, Postmaterielle, Moderne Performer, Experimentalisten und
Hedonisten. Diese werden in der Abbildung 1 noch einmal veranschaulicht.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 156
Abb. 1: Sinus-Milieus in Deutschland
Quelle: Studienarbeit „Zukunft Wohnen“ am Borgschenhof in Duisburg-Friemersheim,
Architekturconsulting, Altbaumodernisierung, Strategische Bestandsentwicklung. (2005)
Abb.21
Vergleich beider Studien
Beide Studien bieten die Möglichkeit sich von dem traditionellen Klassen- und
Schichtenmodell abzuwenden, und die Nachfrager anhand anderer Kriterien als der
jeweiligen Klassenzugehörigkeit in Cluster einzuteilen.
Die SINUS – Studie gliedert die heutige Gesellschaft nach sozialer Lage und
Grundorientierung. Diese führt zu einer strukturierten und verständigen Typologisierung
und zu Gestaltungsmöglichkeiten für das zielgruppenspezifische Marketing.
Spellerberg’s Einteilung in Lebensstilgruppen hingegen erlaubt die Schlussfolgerung auf
bestimmte Wohnformen, Wohnwünsche und Umzugspläne, welche sich für unsere Suche
nach einem Eigenheim als geeigneter herausstellt.
Unsere weiteren Untersuchungen stützen sich daher auf den Ansatz von Spellerberg.
Konzentration auf eine Nachfragergruppe
Wie bereits erwähnt, konzentrieren wir uns im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf die
Lebensstilgruppen Studie von Spellerberg.
Für die Suche nach einem Eigenheim auf dem Aachener Immobilienmarkt konzentrieren wir
uns nachfolgend auf eine einzige Lebensstilgruppe, um nachfragerspezifisch Angebote zu
finden.
Zur Ermittlung dieser Nachfragergruppe haben wir 3 Auswahlkriterien subjektiv
herausgefiltert, um die Menge an Lebensstilgruppen zu reduzieren. Diese sind das
Einkommen, das Wunschumfeld und der prozentuale Anteil an Mietern bzw. Eigentümern.
Das Auswahlkriterium des Einkommens wählten wir, um eventuelle Finanzierungsprobleme
der Nachfrager von vornherein auszuschließen. Tabelle 2 zeigt, dass dem zu Folge die
Gruppen 7, 8 und 9 aus unserer Auswahl herausfallen.
Die Suche in Aachen bezieht sich auf das Kerngebiet, da wir Alternativen zum klassischen
Eigenheim im Grünen suchen wollen. Das Wunschumfeld muss somit zeigen, für welche
Lebensstilgruppe die Stadt als Wohngegend interessant ist. In den Ausführungen von
Schneider/Spellerberg präferieren die Gruppen 2 und 5 ein Leben in der Stadt. Somit fallen
die restlichen Gruppen 1, 3, 4 und 6 aus der engeren Betrachtung heraus.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 157
Der Eigentümer- und Mieteranteil gibt uns nun die Möglichkeit, aus den verbleibenden
Gruppen diejenige heraus zu wählen, die nach Schneider/Spellerberg den größten
Eigentümeranteil und den geringsten Mieteranteil besitzt. Der Eigentümeranteil bei der
Lebensstilgruppe 2 ist im Vergleich zur Gruppe 5 um 18% höher und der Mieteranteil ist um
18% niedriger. Somit fällt bei diesem Kriterium die Lebensstilgruppe 5 heraus.
Nach diesen subjektiv ausgesuchten Kriterien konzentrieren wir uns im Folgenden auf die
Lebensstilgruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig aktive’ als Nachfrager. Bei
umgekehrter Reihenfolge der Kriterien würde sich eine andere Lebensstilgruppe ergeben.
Die ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig aktive’ Lebensstilgruppe ist eine der
auffälligsten Gruppen. Es handelt sich um junge Großstadtmenschen, die ein hoch über dem
Durchschnitt liegendes Bildungsniveau und Einkommen besitzen. 75% dieser Menschen sind
ledig, nur 8% leben mit Kindern zusammen. In der Freizeit stehen Theaterbesuche,
Weiterbildung, Beschäftigung mit dem Computer, eigene künstlerische Aktivitäten und
Freunde, mehr im Vordergrund als bei anderen Gruppen. Der persönliche Alltag wird als
vergleichsweise genussvoll und zwanglos beschrieben, wenig geprägt durch Familienleben
oder materielle Einschränkungen. Abwechselung spielt eine wichtige Rolle.
3
Eigenheim
Zur Erläuterung des Begriffs Eigenheim wollen wir die Formen sowie die Motive für den
Erwerb eines Eigenheims herausstellen.
Formen des Eigenheims
Als typische Form des Eigenheims wird in der Bundesrepublik Deutschland fast immer das
Einfamilienhaus genannt. Es ist im Bewusstsein der überwiegenden Mehrheit wie in der
Realität identisch mit dem Eigenheim.
„Ein Einfamilienwohnhaus, kurz auch Einfamilienhaus ist ein Gebäude welches als Wohnhaus
für eine einzelne Familie dient und daher nur eine Wohnung enthält, jedoch trotzdem
mehrstöckig konstruiert sein kann. Man unterscheidet zwischen dem freistehenden
Einfamilienwohnhaus, der Doppelhaus-Hälfte und dem Reihenhaus.
Einfamilienhäuser können hinsichtlich der Qualität von unterschiedlicher Ausgestaltung sein
(z.B. Siedlungshaus, Villa, Landhaus).“
Das Einfamilienhaus ist sehr stark mit gewissen Grundthemen, wie Familie, Kinder, eigene
Kindheit und der Verwirklichung eines Lebenstraums verbunden. Besondere Qualitäten des
Einfamilienhauses sind die große Wohnung mit vielen Zimmern, Freiflächen und
Spielmöglichkeiten, die schöne Umgebung und das Gefühl von Intimität. Die Möglichkeit zur
Selbstbestimmung, die Einflussnahme auf Grundriss und Gestaltung, Eigenleistungen beim
Bau/Umbau, Unabhängigkeit, Freiheit, materielle Sicherheit, volle Verfügbarkeit über das
Wohnobjekt und Prestige führen dann zu dem Wohnstatus Eigenheim.
Die Darstellung dieser mit dem Einfamilienhaus assoziierten Qualitäten zeigt deutlich, dass
diese nicht zwangsläufig nur das Einfamilienhaus bieten kann.
Ferner können auch andere Haustypen und Wohnformen die Qualitäten eines
Einfamilienhauses als Eigenheim besitzen.
Folglich stellt eine Wohnung, verstanden als „eine Anzahl von Räumen innerhalb eines
festen Gebäudes die zu Wohnzwecken dienen und die selbständige Lebensführung
ermöglichen“, eine weitere Form des Eigenheims dar. Eine spezielle Form der
Eigentumswohnung ist beispielsweise ein Loft, welches als umfunktionierter Lager- oder
Industrieraum durch aufwendige Renovierung und Modernisierung entsteht.
Letztlich sind abgeleitet von den Grundformen des Einfamilienhauses und der
Eigentumswohnung zahlreiche Varianten des Eigenheims denkbar.
Motive für den Erwerb von Eigenheimen
„In den Wortbestandteilen ´eigen´ und ´Heim´ fließen Assoziationen zusammen, die
offensichtlich tiefe Sehnsüchte berühren und eine große Attraktivität auf die meisten
Menschen ausüben.“
Oft spielt der Bau oder der Erwerb eines Eigenheims eine große Rolle in der Lebensplanung
vieler Menschen. Hierfür werden unter Umständen große Einschränkungen, sei es im
Konsumverhalten oder in der Freizeitgestaltung, freiwillig in Kauf genommen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 158
Das Eigenheim bietet in erster Linie die Möglichkeiten sich aus den Abhängigkeiten einer
Mietwohnung zu lösen. Der Eigentümer ist unkündbar und frei in der Gestaltung seiner
Wohnräume. Im Gegensatz zur Mietwohnung wird kein Eigentümer oder Verwalter Einfluss
auf etwaige Entscheidungen nehmen. Beispielsweise ist er nach Verlassen der Wohnung
nicht gezwungen, diese auch in den ursprünglichen Zustand zurück zu versetzen. Das eigene
Haus ist somit für viele ein Symbol der persönlichen Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit.
Andere wiederum sehen in einem Eigenheim in erster Linie eine Kapitalanlage Mit den damit
verbundenen Ratenzahlungen vermehrt man nun sein eigenes Vermögen und nicht mehr
das fremder Personen.
Der Erwerb des Eigentums ist auch ein Schritt des wirtschaftlichen Handelns, indem man aus
dem Mieterstatus in den des Eigentümers aufsteigt. Hierbei sei angemerkt, dass das selbst
genutzte Eigentum nicht unbedingt eine wirtschaftliche Anlage sein muss. Im Vergleich der
Investitionskosten mit anderen Anlageformen bzw. einer Lebensversicherung können diese
durchaus rentabeler sein als die selbst genutzte Immobilie.
In einer in den 60er Jahren durchgeführten empirischen Untersuchung sind Motive und
Bedeutung von Hauseigentum untersucht worden.
„Dabei zeigten sich verschiedene Einflüsse auf die Motivation, selbst Hauseigentümer zu
werden: die Erfahrung der Kindheit, die schlechten Erfahrungen mit Vermietern,
Unzufriedenheit mit der Mietwohnung bzw. mit der eingehenden Rücksichtnahme auf
andere Mieter, die symbolische Identität von Familie und Eigenheim, das immer wieder
geäußerte Verlangen nach Unabhängigkeit und Sicherheit, und schließlich der Wunsch nach
´vitalerem Wohnen´, d. h. nach mehr Freifläche und Abstand zu Nachbarn, damit man sich
ungenierter Ausleben kann.“
Zudem können Motive und Einstellungen zum Erwerb eines Eigenheims je nach
Nachfragergruppe bzw. nach dem Einkommen durchaus unterschiedlich sein. Für die
Menschen mit geringerem Einkommen ist es von besonderer Bedeutung, aus dem
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter herauszukommen. Das
Unabhängigkeitsmotiv ist hier ausschlaggebend. Prestigegründe spielen bei dieser
Nachfragergruppe eine untergeordnete Rolle.
4
Eigenheimsuche auf dem Aachener Immobilienmarkt
Im folgenden Kapitel suchen wir für die Lebensstilgruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte,
vielseitig Aktive’ ein Eigenheim im Aachener Kerngebiet. Auch wollen wir herausfinden, ob
und wenn ja, welche Angebote an Eigenheimen auf dem Aachener Immobilienmarkt speziell
für diese Nachfrager bestehen.
Kriterien für die Suche nach einem Eigenheim
Um strukturiert die Suche nach einem Eigenheim für unsere Nachfragergruppe beginnen zu
können, wollen wir einige Suchkriterien aufstellen. Außerdem stellt sich die Frage, ob diese
Gruppe überhaupt ein Eigenheim erwerben möchte oder ob die Miete einer Wohnung
interessant ist.
In Kapitel 3.2. wurden die wesentlichen Motive für den Erwerb eines Eigenheims
herausgestellt. Für die Nachfragergruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig Aktive’
kommen wir zu folgenden Ergebnissen:
Aus Sicherheitsgründen wird diese Nachfragergruppe kein Eigenheim erwerben. Vielmehr
spielen bei dieser Gruppe Prestigegründe und der Wunsch nach Freiheit in der Gestaltung
der eigenen vier Wände eine wichtige Rolle. Der Erwerb eines Eigenheims als Kapitalanlage
in Form eines Mehrfamilienhauses ist für diese Nachfragergruppe von keiner Bedeutung. Die
Miete einer Wohnung ist nicht vollkommen ausgeschlossen, wenn diese Wohnform
bestimmte Kriterien erfüllt, die auch für den Erwerb eines Eigenheims relevant sind. Wir
werden jedoch verstärkt den Immobilienmarkt und Mietobjekte nur am Rande betrachten.
Aufstellung der Suchkriterien
Primär werden wir nach einer Wohnform suchen, die bestimmte Charakteristika der
Nachfragergruppe unter Zuhilfenahme von Suchkriterien berücksichtigt. Diese Suchkriterien
haben wir anhand der Beschreibungen der Lebensstilgruppen von Schneider und
Spellerberg und den verschiedenen empirischen Untersuchungen subjektiv abgeleitet.
Wie in Kapitel 2.4. deutlich geworden ist, strebt diese Gruppe ein Leben in der Innenstadt
bzw. in kurzer Distanz zum Zentrum an. Kennzeichnend für diese Nachfragergruppe sind ein
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 159
über dem Durchschnitt liegendes Einkommen, ein hohes Bildungsniveau, das Streben nach
Abwechslung, das politische Engagement und Freizeitaktivitäten wie z. B. Theaterbesuche.
Nur acht Prozent dieser Gruppe haben Kinder oder leben mit Kindern zusammen.
Das erste Kriterium bei der Suche nach einem passenden Eigenheim, ist die Lage des
Eigenheims. Freizeitaktivitäten wie Theaterbesuche, Freunde und auch das hohe
Abwechslungsbedürfnis dieser Nachfragergruppe zeigen, dass durch ein Leben in der Stadt
diese Aktivitäten sehr gut durchgeführt werden können. Aachen stellt zudem mit 247.740
Einwohnern, zahlreichen kulturellen Angeboten und Bildungsmöglichkeiten eine attraktive
Stadt für diese Gruppe dar.
Nun stellt sich die Frage, welcher Haustyp dieser Nachfragergruppe zusagt. Schneider und
Spellerberg haben in empirischen Untersuchungen herausgefunden, dass das Wunschhaus
ein Ein- oder Zweifamilienhaus ist. Zwar ist auch das Mehrfamilienhaus als Wohnform
denkbar, „allerdings ist zu erwarten, dass diese Gruppe Aktivitäten entwickelt, um ihren
Wohnwunsch zu erfüllen.“ Folglich konzentrieren wir uns bei der Suche nach einem
Eigenheim auf diesen Haustyp.
Das dritte Suchkriterium ist die Wohnfläche. Da es sich bei der arbeits- und
erlebnisorientierten vielseitig aktiven Lebensstilgruppe „um eine junge, moderne und
finanziell besser gestellte Gruppe handelt und die Kosten der Einrichtung nur von
untergeordneter Bedeutung sind, ist zu vermuten, dass Trendorientierung und
Selbstdarstellung wichtig sind.“ Mit einer großen Wohnfläche und einer großzügigen
Einrichtung kann dies erreicht werden. Bei der Suche nach einem Eigenheim können wir
selbstverständlich nur das Kriterium Wohnfläche mit einbeziehen.
Anhand dieser Kriterien suchen wir im nächsten Kapitel ein Eigenheim für diese
Lebensstilgruppe auf dem Aachener Immobilienmarkt.
Angebote auf dem Aachener Immobilienmarkt
Auf dem Aachener Immobilienmarkt treten verschiedene Anbieter von Eigenheimen auf. Bei
der Eigenheimsuche werden im Wesentlichen die Medien Zeitung und Internet sowie der
direkte Kontakt zu Immobilienmaklern genutzt. Diese drei Möglichkeiten werden wir
hinsichtlich ihrer Angebote mit Hilfe der im Kapitel 4.1. dargestellten Kriterien Lage, Haustyp
und Wohnfläche untersuchen.
Hinsichtlich des Kriteriums der Lage im Stadtraum haben wir den inneren Bereich des
äußeren Stadtringes als optimale Wohnlage für unsere Lebensstilsgruppe festgelegt. Dieses
Kriterium steht bei unserer Suche an erster Stelle. Die bevorzugte Wohnform, 1-2
Familienhaus, ist zunächst einmal zweitrangig. Das letzte Kriterium, eine ausreichend
vorhandene Wohnfläche (über 100m2), hat eine selektierende Funktion der untersuchten
Immobilienangebote.
Angebote in der Zeitung
Wir beschränken uns bei der Suche auf die Samstagsausgabe der Tageszeitung ‚Aachener
Nachrichten’. Die Ergebnisse beziehen sich nur auf eine Samstagsausgabe der Zeitung und
würden bei längerfristiger Untersuchung möglicherweise geringfühig abweichend. Die
Betrachtung der Mittwochsausgabe ist zu vernachlässigen, da die Anzahl der Angebote zu
gering ist.
Im Folgenden wird das Immobilienangebot der Stadt Aachen mit Hilfe der einzelnen
Suchkriterien kurz dargestellt.
Die genaue Auswertung der Zeitungsannoncen in Tabelle 4 vom 22.01.2006 zeigt, dass es
kein Angebot für ein Ein-/Zweifamilienhaus auf dem Aachener Immobilienmarkt für unsere
Nachfragergruppe im Kerngebiet gibt. Auffallend bei der Suche war jedoch, dass es
unzählige Angebote an Einfamilienhäusern im Umland Aachens gibt. Diese sind aber für
unsere Betrachtung nicht von Bedeutung.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 160
Tab. 4: Angebote an Eigenheimen
Auswertung der Immobilienanzeigen aus der Samstagsausgabe der Aachener Nachrichten
am 21.01.2006
Um nicht frühzeitig unseren Horizont zu schließen, wollen wir nun die Suchkriterien
verändern, um überhaupt Angebote finden zu können.
Dazu weisen wir den Suchkriterien unterschiedliche Prioritäten zu.
Alternative 1: Die Lage im Kerngebiet der Stadt hat oberste Priorität, jedoch muss auf
alternative Wohnformen (im Vergleich zum Ein-/Zweifamilienhaus) zurückgegriffen werden.
Unter Beachtung dieser Einschränkung haben wir verschiedene Eigentumswohnungen (über
100m2) finden können, jedoch beschränkte sich diese Angebotszahl ebenfalls auf nur
wenige Möglichkeiten in der Innenstadt (siehe Tabelle 4) Ein konkretes Beispiel sei in
Abbildung 2 gegeben.
Abb. 2: Immobilienangebote in der Aachener Zeitung
Quelle: Aachener Nachrichten, 22.01.2006
Eine weitere Möglichkeit wäre das Ausweichen auf den Aachener Wohnungsmarkt, um
weitere Angebote im Kerngebiet ausfindig machen zu können. Hierbei ist wieder wichtig,
dass alle Suchkriterien (Lage, Haustyp und Wohnfläche) erfüllt sein müssen. Der
Wohnungsmarkt wird hier jedoch nicht näher betrachtet.
Alternative 2: Der gewünschte Haustyp hat oberste Priorität und die Lage im Stadtraum wird
auf bestimmte Bereiche ausgedehnt.
Hierzu erweitern wir den bevorzugten Kernbereich auf umliegende Stadtbereiche, wie Abb.
3 zeigt.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 161
Abb. 3: Karte mit eingeteilten Stadtbereichen
Bei dieser Erweiterung kommen wir schnell zu zahlreichen Angeboten für unsere
Nachfragergruppe.
Letztlich wird deutlich, dass die zweite Kompromisslösung die Auswahlmöglichkeiten enorm
vergrößert und für die Nachfragergruppe keine wesentlichen Nachteile entstehen. Alle
Ausweichmöglichkeiten befinden sich nämlich in direkter Stadtnähe, so dass alle Aktivitäten
und Anforderungen der Lebensstilgruppe dennoch gewährleistet sind.
Angebote im Internet
Der schnelle und unkomplizierte Zugang zu zahlreichen Homepages von Haus-/Wohnungsangeboten (sowohl zum Kauf als auch zur Miete) war für die Suche im Internet kennzeichnend. Die vielfältigsten Angebote fanden wir auf der Website www.immobilienscout24.de.
Nicht überraschend ist die fast identische Verteilung der Eigenheimanzahl bzgl. Haustyp und
Lage (wie bei der Suche in der Zeitung). Tabelle 5 verdeutlicht dies:
Tab. 5: Angebote an Eigenheimen
Auswertung der Immobilienanzeigen von der Internetseite: http://www.immobilienscout.de
am 21.01.2006
Somit kommen wir bei der Untersuchung der Internetangebote zu den gleichen Ergebnissen
wie bei den Zeitungsangeboten.
Angebote eines Immobilienmaklers
Ebenfalls wollten wir die Angebote eines Immobilienmaklers in die Suche unserer
Nachfragergruppe einfließen lassen. Im Internet konnten wir zahlreiche Immobilienmakler
festmachen, jedoch waren die Angebote untereinander nahezu identisch. Zudem haben wir
in der Zeitung zahlreiche Angebote von Immobilienmaklern gefunden und verweisen hier
auf die Ergebnisse der Zeitungsauswertung.
Angebote der Stadt Aachen
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 162
Auch die Stadt Aachen tritt als Anbieter auf, jedoch bezieht sich dies nur auf den reinen
Grundstücksmarkt. Zudem bevorzugt die Stadt bei der Vergabe der Grundstücke Familien,
welche in einem speziellen Auswahlverfahren ausgesucht werden. Da nur 8% unserer
Lebensstilgruppe Kinder haben, können wir diese Möglichkeit in unserer Arbeit
vernachlässigen.
Ergebnisse
Der Vergleich der Angebote zeigt, dass es viele Eigenheimangebote im Aachener Umland
gibt. Je näher man bei der Suche im Stadtzentrum nach Angeboten forscht, desto stärker
reduziert sich die Anzahl passabler Möglichkeiten für die von uns betrachtete
Lebensstilgruppe.
Die Nutzung der Suchkriterien Innenstadtlage, Haustyp und Wohnfläche schränkte die
Anzahl an Angeboten erheblich ein. Zwar haben wir letztlich ein paar Angebote in der
Aachener Innenstadt gefunden, jedoch wollten wir nach nur so wenigen möglichen
potenziellen Objekten unsere Suche noch nicht beenden.
Durch leichte Ausweitung der Suchkriterien ließen sich sofort mehrere Angebote in die
Betrachtung mit einschließen, die vorher durch zu eng gesetzte Kriterien eliminiert worden
waren.
Entweder befanden sich diese Angebote dann in Gegenden der Nähe des InnenstadtBereichs oder es waren andere Haustypen, die dann aber wieder in der Innenstadt zu finden
waren.
Der Artikel ‚Triumph der City’ stellt den Trend dar, dass mehr und mehr Leute ein Eigenheim
in der Stadt zu suchen. Er unterstützt unsere Ergebnisse dahingehend, dass immer noch
deutlich mehr Angebote an Einfamilienhäusern in Randgebieten existieren als dass es
alternative Wohnformen in den Zentren gibt. Zudem macht der Artikel auf einen
interessanten Aspekt aufmerksam. Stadtplaner waren jahrzehntelang davon überzeugt, dass
Familien lieber in Vorstädten leben und dementsprechend quasi in Vororte verbannt worden
sind. Nun sollen Mittelständler durch ambitionierte Wohnprojekte im Zentrum gehalten
werden. Daneben weist der Artikel darauf hin, dass sich Wohnungsunternehmen darauf
einstellen, innerstädtische Areale, die brachliegen, in Wohngebiete zu verwandeln. Hiermit
wird deutlich, dass Stadtplanungsexperten sich den neuen Trends stellen wollen und eine
Erweiterung des Angebotsspektrums zu erwarten sein kann.
Bei der Suche nach einem Eigenheim ist es absolut notwendig, die auf dem ‚Papier’
ausgesuchten Objekte zu besichtigen, da bekannterweise viele Objekte bei der näheren
Betrachtung trotz der vorherigen Erfüllung bestimmter Suchkriterien aus der weiteren
Untersuchung herausfallen. Bei unserer Suche haben wir letztlich 2 in Frage kommende
Eigenheime im Kerngebiet Aachens ausführlicher betrachtet.
Unter Bezugnahme unserer subjektiv ausgesuchten Kriterien (Lage, Haustyp und
Wonhfläche) für die Lebensstilgruppe ‚Arbeits- und Erlebnisorientierte, vielseitig Aktive’,
stellt das Wohnbauprojekt Barbarossapark in der Pontstraße ein sehr gutes Angebot dar. Es
liegt mitten in der Aachener Altstadt, einkaufen oder Theaterbesuche sind problemlos zu
Fuß möglich, es gibt Eigentumswohnungen, die den Standard eines Einfamilienhauses
besitzen und die Wohnflächen sind gigantisch. Da unsere Lebensstilgruppe über ein sehr
hohes Einkommen verfügt (Tab. 2) ist die Finanzierungsfrage in diesem Fall nicht von
Bedeutung. Folglich wäre dies ein passendes Wohnungsangebot für die von uns
ausgewählte Gruppe.
Abb. 4: Barbarossapark in der Pontstraße, Aachen
Quelle: URL: http://www.immobilienscout24.de
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 163
5
Fazit und Ausblick
Die Angebote auf dem Aachener Immobilienmarkt sind durchaus zahlreich, jedoch konnten
wir speziell für unsere Nachfragergruppe zuerst sehr wenige Angebote ausfindig machen.
Wir stellten fest, dass auffallend viele Einfamilienhäuser im Aachener Umland angeboten
werden. Dies bestätigt zum einen das oben bereits erwähnte Verständnis von Eigenheim
und Einfamilienhaus im Grünen sowie Häußermann’s Aussage über die „überwältigende
Präferenz für das Einfamilienhaus“ . Zum anderen unterstreicht der Artikel im Spiegel dieses
Untersuchungsergebnis dahingehend, dass sehr lange Zeit Familien quasi in die Vorstädte
verbannt wurden und sich erst langsam wieder ein Trend für urbanes Wohnen entwickelt.
Obwohl auch andere Wohnformen ähnliche oder auch dieselben Qualitäten aufweisen,
scheint die Mehrheit der Deutschen in der Form des Einfamilienhauses das Synonym für das
Eigenheim zusehen.
Für den Aachener Immobilienmark gilt: Um für unsere Nachfragergruppe aus einem Pool
von Angeboten ein passendes Eigenheim zu suchen, haben wir durch Ausweitung der von
uns vorab gesetzten Suchkriterien sehr viel mehr Angebote an Eigenheimen im Kreis Aachen
ausfindig gemacht. Die Ausweitung bezog sich zum einen auf die Lage des Eigenheims und
zum anderen auf alternative Formen des Eigenheims, wie zum Beispiel der
Eigentumswohnung, im Gegensatz zum klassischen Einfamilienhaus.
Angebote sind nach Ausweitung der Suchkriterien reichlich vorzufinden, jedoch ist die
Mehrzahl der Angebote doch vorzugsweise das Haus am Stadtrand.
Letztlich haben wir ein Objekt inmitten der Altstadt Aachens, welches nur hinsichtlich des
Kriteriums Haustyp leicht verändert wurde, gefunden.
Als Argument für die geringere Anzahl an Eigenheimen in den Stadtzentren, im Vergleich
zum Umland, kann nicht die bereits abgeschlossene Bebauung in den Städten oder das nicht
vorhandene Bauland genannt werden. Großstädte wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt
machen es vor – Stadtplaner entwickeln neue Projekte auf brachliegendem Land oder
führen aufwändige Renovierungsaktionen durch, um die Menschen wieder in die Städte zu
locken und ihr Bedürfnis nach Urbanität zu befriedigen.
Für den Immobilien-Markt der Zukunft bedeute dies: Es müssen innovative Wohnmodelle für
die einzelnen Gruppen entwickelt werden, um auch für ein breites Spektrum an Nachfragern
attraktive, zielgruppenspezifische und individuelle Angebote zu schaffen.
6
Quellenangaben
Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1996): Soziologie des Wohnens- Eine Einführung in
Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens. Weinheim und München: Verlag Juventa
Klein, Hans-Joachim (1970): Wohneigentum in der Stadtregion. Eine soziologische Analyse
eigentumsbezogener Wohnerfahrungen und Wohnerwartungen. Karlsruhe
Schneider, Nicole; Spellerberg, Annette (1999): Lebensstile Wohnbedürfnisse und räumliche
Mobilität. Opladen: Verlag Leske + Budrich
Studienarbeit (2005): „Zukunft Wohnen“ am Borgschenhof in Duisburg-Friemersheim,
Architekturconsulting, Altbaumodernisierung, Strategische Bestandsentwicklung. Aachen:
Herausgeber Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtplanung
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Einfamilienwohnhaus
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Wohnung
Zapf, Wolfgang u.a. (1987): Individualisierung und Sicherheit. Untersuchungen zur
Lebensqualität in der Bundesrepublik Deutschland (Schriftenreihe des Bundeskanzleramtes,
Heft 4). München: Verlag C.H. Beck
Zeitschrift: Der Spiegel (2006): Artikel: ‚Triumph der City’. Ausgabe Nr.2 am 09.01.2006
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 164
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Sinus-Milieus in Deutschland
Abb. 2: Immobilienangebot in der Aachener Zeitung
Abb. 3: Barbarossapark in der Pontstraße, Aachen
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 165
Stilvoll leben im Herzen der Stadt – Barbarossapark Aachen
Heidi Kesselhut, Volker Wohlfahrt
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 166
Inhalt
Stilvoll leben im Herzen der Stadt – Barbarossapark Aachen
1
Einleitung
2
Definition Life-Style
3
Einordnung
4
Projektbeschreibung
5
Akteure
6
Fazit
7
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 167
1
Einleitung
In dem Seminar „Wohnen in der Stadt“ setzten wir uns mit der Wohnungsmarktsituation in
Deutschland auseinander.
Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Situation des
Wohnungsmarktes in der Stadt Aachen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Anbieter und
Nachfrager wurden klar herausgearbeitet und auch durch verschiedene Gastdozenten
herausgestellt.
Unsere Ausarbeitung befasst sich mit dem sehr weit gefassten Begriff Life_Style_Wohnen.
Das Feld mit dem wir uns hierbei beschäftigten war zunächst sehr schwer zu fassen, denn es
war schwierig eine eindeutige Definition dieser Wohnform zu formulieren. Da wir uns für die
Ausarbeitung dieses Themas auf den näheren Umkreis Aachens beschränkten, gab es nur
wenig Auswahl an adäquaten Projekten. Unsere Wahl fiel auf das wohl auffälligste Projekt,
welches sich unserer Meinung nach in die Kategorie des Life_Style_Wohnens einordnen
lässt. Den BarbarossaPark im Zentrum Aachens. Ein weiterer Grund für die Wahl dieses
Projektes stellte die vorbildliche Hilfsbereitschaft der Verantwortlichen dar. Es war uns daher
möglich alle an der Realisierung beteiligten Akteure zu interviewen. Des Weiteren wurden
wir mit sämtlichen Informationen und Broschüren über den BarbarossaPark versorgt.
Darüber hinaus konnten wir mit einigen der zukünftigen Bewohner als auch mit einem
Mitglied des Architektenbeirats der Stadt Aachen Gespräche führen. Neben dem
persönlichen Kontakt nutzten wir das Internet für weitere Recherchen. Weiterführende
Literatur war weder für unser Projekt, noch für unsere Vorbereitungen von Nutzen.
Mit diesen Informationen als Grundlage wollen wir anhand des Beispiels BarbarossaPark
versuchen den Begriff des Life_Style_Wohnens etwas klarer zu definieren.
2
Definition Lifestyle
Der Ausdruck Lebensstil oder Lifestyle bezeichnet umgangssprachlich die Art und Weise
der Lebensführung. In der Soziologie sind verschiedene Lebensstilbegriffe entwickelt
worden. In der Medizin geht es um die gesundheitlichen Aspekte des jeweiligen Lebensstils.
Der umgangssprachliche Begriff Lebensstil oder Lifestyle erscheint als eine Bezeichnung
für spezifisch widererkennbare Kombinationen von Freizeit-präferenzen, wie zum Beispiel
welche Musik man hört oder welche Kleidung man trägt. Er steht aber auch beruflich
und/oder familiär für einen Stil, der die soziale Distanz zwischen den jeweiligen diesen Stil
pflegenden verringert oder gegenüber anderen vergrößert und somit so genannte
„unsichtbare Schranken“ errichtet. Das bezieht sich auf Merkmale wie Wohnstil, Kleidung,
Sprachgestus, Aufenthaltsorte, musikalische Vorlieben etc…
Mit der Lebensart sind Attribute verbunden, die einen Menschen von Anderen abgrenzen
oder mit Anderen verbinden. So kann eine Lebensart Teil einer Kulturbewegung und sogar
Ausdruck einer politischen Sichtweise sein. Sie kann aber auch den Genuss und die
Lebensfreude verkörpern und dabei unpolitisch sein.
Typische Lebensarten können Subkulturen zugeordnet werden, wie zum Beispiel die der
Hippies, Punks oder Rocker. Eine weniger als Subkultur bezeichnete Lebensart ist die der
Dandys und Playboys. Auch „Simple living“ ist ein Beispiel für einen Lebensstil.
Lebensart wird insbesondere von der Werbung angesprochen oder sogar geschaffen. Die
Lebensart ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor, und zwar indem sie für Konsum und damit
für Wachstum sorgt. Lebensart ändert sich zum Beispiel mit der Mode und bringt deswegen
nachhaltige Bewegung in die Volkswirtschaft.
Abb. 1
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 168
Mit dem aus dem englischen entlehnten Ausdruck Lifestyle werden besonders Lebensstile
im jugendkulturellen Spektrum bezeichnet, sowie Lebensstile, die stark auf Genuss und
Konsum ausgerichtet sind oder mit Assoziationen von „cool“ oder „stylish“ verbunden
werden. Der Begriff Lifestyle bezeichnet in sehr umfassender Art die „stylishe“ Erscheinung
eines Menschen und schließt seine Verhaltensweisen und seine Freizeitgewohnheiten mit
ein. Damit ist er ein über das Styling von Kleidung und Körper hinaus weisender Begriff.
3
Einordnung
Im folgenden soll aufgezeigt werden, wie der BarbarossaPark in die Kategorie des
Life_Style_Wohnens eingeordnet werden kann.
Unter Berücksichtigung der Definition aus dem vorangegangenen Kapitel kann der
BarbarossaPark sicherlich als Wohnform angesehen werden, die einen besonderen
Lebensstil widerspiegelt. Laut Sinus-Milieu Studie kann man sowohl die Anbieter, als auch
die Nachfrager, in die dort zur oberen Mittelschicht gehörenden Gruppen der Konservativen
und der Etablierten einordnen.
Abb. 2
Die Gruppe der Konservativen bildet ca. 5% der gesamtdeutschen Bevölkerung und umfasst
das alte Bildungsbürgertum. Für diese Gruppe sind besondere Dinge, wie ein schönes
Wohnumfeld, ein teures Auto, Kulturreisen, Theaterbesuche und Ähnliches von großer
Bedeutung. Da sie sich diese Dinge in der Regel leisten können, nutzen sie diese Möglichkeit
auch. Der Altersschwerpunkt liegt bei ca. 60 Jahren.
Die Etablierten setzen sich aus der gebildeten und gut situierten Elite, bestehend aus
Professoren, Politikern, Unternehmern und hohen Beamten zusammen. Sie stellen ca. 10%
der deutschen Bevölkerung. Sie genießen den Luxus, den sie sich auf Grund ihrer
privilegierten finanziellen Situation leisten können. Ihre hohen Exklusivitätsansprüche, mit
denen sie sich bewusst von anderen abgrenzen möchten, machen sie zur Hauptklientel für
das Projekt BarbarossaPark. Der Altersdurchschnitt dieser Gruppe liegt bei ca. 50 Jahren.
Aus diesen Ausführungen wird ein besonderer Lebensstil erkennbar.
Abb. 3
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 169
Der BarbarossaPark ist des Weiteren eine Projektion einer vorstädtischen und gehobenen
Lebensweise auf einen dafür untypischen, innerstädtischen Bereich. Durch geräumige
Wohnungen und großzügige Freiflächen soll der gewohnte Lebensstil erhalten bleiben, und
durch die zentrale und urbane Lage sogar noch verbessert werden.
Da der BarbarossaPark auf Grund seiner Lage, Gestaltung und Ausstattung den Wünschen
und dem Lebensstil der beschriebenen Bevölkerungsgruppen entspricht, kann man ihn
ohne Zweifel in die Kategorie des Life_Style_Wohnens einordnen.
4
Projektbeschreibung
Das untersuchte Projekt, der BarbarossaPark, liegt in der Pontstraße 52-58 in Aachen. Es zeigt
sich eine optimale Lage in der Innenstadt. Man benötigt zu Fuß lediglich zwei Minuten zu
Marktplatz und Hochschule. Es besteht eine hervorragende Anbindung an die städtische
Infrastruktur. Die angrenzende Busanbindung, der nahegelegene Bahnhof und die ca. 5
Minuten entfernte Autobahnzufahrt, ermöglichen dem Bewohner eine gute Anbindung an
andere Regionen. Geschäfte, Gastronomie, Theater und Restaurants im Umkreis von
wenigen Minuten lassen jede Art der abendlichen Freizeitaktivitäten zu. Schulen und
Kindergärten bilden weitere der multiplen Einrichtungen die das Wohnen in der Stadt so
attraktiv machen.
Neben der oftmals auch hektischen Umgebung findet der Käufer durch die ruhige und
introvertierte Lage der Wohnungen seine Ruhe. Ein weitläufiger Park von etwa 2000 m² steht
zur gemeinsamen Nutzung der hier ansässigen Bewohner zur Verfügung. Insgesamt handelt
es sich um ein Grundstück von 3300 m². Der Innenhof, abgegrenzt durch ein großes Tor, wird
umseitig vom Aachener Pontviertel umschlossen. Im hinteren Bereich verläuft ein Teil der
historischen und unter Denkmalschutz stehenden Barbarossamauer, welche für die
Öffentlichkeit nun nicht mehr zugänglich ist.
Abb. 4
Abb. 5
Es handelt sich um eine klassisch-moderne Architektur, welche im Zeitablauf nicht der Mode
zum Opfer fallen, sondern zeitlos und attraktiv sein soll. Abgerundet wird das Gebäude mit
Mansardendächern aus Falzblech. Man soll beim Blick aus den französischen Fenstern an die
Stadt Paris erinnert werden. Man schaut von einer Seite direkt auf die gegenüber liegenden
schmalen Häuser mit ihren kleinen Balkonen und alten Gemäuern. Ob dies tatsächlich der
Fall ist, liegt jedoch im Auge des Betrachters.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 170
Abb. 6
Insgesamt bietet der BarbarossaPark 29 komfortable Eigentumswohnungen. Es gibt drei
verschiedene Wohnungstypen: 2-Zimmer-, 3-Zimmer- und Penthousewohnungen. Mit 80220 m² Wohnfläche bilden diese recht großzügig geschnittene Einheiten. Dies zeigt sich
ebenso in der lichten Raumhöhe von 2,75m. Aktuell sind 28 Wohnungen verkauft, und die
meisten bereits bezogen. Lediglich eine der Penthousewohnungen steht noch zum Verkauf
frei.
Die Ausstattung läßt keinen Wunsch offen. Wichtigster Aspekt ist die Umsetzung des
barrierefreien Wohnens. Das Außengelände weist keine Treppen auf. Im Innenbereich
ermöglichen Aufzüge das Erreichen der eigenen Wohnung ohne Treppen steigen zu müssen.
Die Türen sind groß genug, um Menschen mit Behinderungen das Leben zu erleichtern. Es
soll damit des Weiteren erreicht werden, dass die Käufer bis ins hohe Alter dort wohnen
bleiben können.
Die Penthousewohnungen sind mit einem direkten Zugang mittels Aufzug ausgestattet.
Weiterhin besteht die Möglichkeit der Nutzung der eigenen Tiefgarage. Die
Inneneinrichtung besteht aus Parkettböden und Naturstein in Küche und Bädern. Die
Zimmer verfügen über Fußbodenheizung. Teilweise ist im Wohnzimmer ein Kamin integriert.
Solarenergieversorgung soll den ökologischen Wert der Anlage erhöhen. Alle Wohnungen
verfügen über geräumige Südbalkone.
Das Grundstück ist vollständig Videoüberwacht, und die Bewohner können Ihre Gäste am
Eingang mittels Bildtelefon erreichen.
Die Wohnungspreise liegen bei 3000 /m². Somit ergeben sich Kaufpreise der Wohnungen
von rund 300.000-700.000 . Insgesamt trägt das Objekt einen Verkaufswert von ca. 9,5
Millionen .
Projekthistorie
Mitte der 1990er Jahre erwarb die DVG Delius/III Gewerbe GbR das Grundstück, auf dem
heute der BarbarossaPark steht. Ursprünglich hatte man eine gewerbliche Nutzung
vorgesehen. Nachdem der Architekt Dipl.-Ing. Kayser vom Archtekturbüro Ziegelmayer &
Kayser und gleichermaßen Mitglied der DVG den letztlich umgesetzten Bau vorgeschlagen
hatte, entschied man sich rasch für den privaten Wohnungsbau. Ende 2000 wurde mit der
Planung begonnen und der Bauantrag gestellt. Im Jahr 2003 wurde die Baugenehmigung
ausgestellt. Der BarbarossaPark wurde Ende 2004 fertig gestellt.
28 von 29 Wohnungen waren im Februar 2006 verkauft. Davon sind einige, für eine
absehbare Zeit, untervermietet. Die Käufer haben alle die Absicht früher oder später im
BarbarossaPark zu leben, und auch dort wohnen zu bleiben.
Es handelt sich um ein stark anbieterorientiertes Projekt. Der Immobilienmakler Erich Stier
versuchte durch gezielte Marketingmaßnahmen die Käufer für sich zu gewinnen.
Werbeplakate in unmittelbarer Nähe zum Grundstück, eine Büroanmietung in einer der
Nebenstrassen, Direktmarketing durch persönliche Gespräche mit den potentiellen Käufern
und eine Zusammenstellung sämtlicher Prospekte und einem mehrseitigen, persönlichen
Anschreiben sollten seine Wirkung zeigen. In der Tatsache, dass fast alle Wohnungen
verkauft wurden, zeigt sich das gute und erfolgreiche Ergebnis der Werbemaßnahmen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 171
Penthousewohnung
Die 218,57 m² große Penthousewohnung ist die Letzte der noch zum Verkauf stehenden
Wohnungen. Ihr gilt besonderes Interesse, weil sie die Größe eines freistehenden Hauses
aufweist, und idealerweise von einer Familie bezogen werden könnte. Denn eine solche ist
bis jetzt im gesamten Komplex nicht vorhanden. Vom Balkon und den Fenstern eröffnet sich
ein weitläufiger Blick auf das Rathaus der Stadt Aachen. Nicht zuletzt durch die wertvolle
Ausstattung spiegelt die Wohnung den Ausdruck eines besonderen Lebensstils wider.
Das Wohnzimmer mit 75,25 m² und einem Kamin, ist bereits fast so groß wie die 2-ZimmerWohnungen im Haus. Es gibt drei Schlafräume zwischen 17 und 22 m². Ein Ankleidezimmer,
ein Arbeitszimmer, eine relativ kleine Küche mit Dachschrägen, 2 Bäder, ein Gäste-WC, ein
großes Foyer mit Flur, ein kleiner Abstellraum und 3 Balkone.
Der Aufzug fährt direkt in die Wohnung.
Neben den großzügigen eigenen Räumlichkeiten steht dem Bewohner weiterhin die
Nutzung des Gemeinschaftskellers, der gemeinsamen Waschküche, sowie des Gartens zur
Verfügung. Die Tiefgarage im Untergeschoss bietet ein ausreichendes Platzangebot zum
Abstellen von Autos und Fahrrädern.
Abb. 7
5
Akteure
Die gesamte Durchführung des Projektes lag in der Hand der DVG, einem Zusammenschluss
mehrerer Aachener Mittelständler aus dem Baugewerbe. Die architektonische Planung hat
das Büro Ziegelmayer & Kayser übernommen, welches selbst Mitglied der DVG ist. Für die
Planung und Realisierung der Landschaftsarchiktur war Hans Wirtz mit seinem Unternehmen
Grünräume aus Würselen zuständig.
Marketing und Vertrieb lagen in der Hand des Immobilienmaklers der Firma EuregioImmobilien e.K., Erich Stier. Die bauliche Umsetzung des Gesamtprojektes BarbarossaPark
erfolgte durch eine Tochterfirma von HOCHTIEF, das Bauunternehmen ARGE, das eigens für
dieses Projekt ins Leben gerufen wurde.
Die Käufergruppe kann in die Klasse des gehobenen Mittelstandes eingestuft werden. Die
Bewohner sind 35-70 Jahre alt. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der Altersdurchschnitt
bei über 50 Jahren liegt. Es handelt sich oft um aktive Ruheständler. Lehrer, Professoren und
der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Aachen zählen ebenfalls zu den Käufern. Unter
anderem profitiert hier eine jüngere Frau von der barrierefreien Gestaltung der Wohnungen,
da sie an den Rollstuhl gefesselt ist. Es leben wenig Alleinstehende im BarbarossaPark, aber
auch ebenso wenig Kinder, trotz eines eigenen Spielplatzes auf dem Gelände.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 172
6
Fazit
Wir konnten uns selbst ein Bild von den Akteuren, sowie von der gesamten Umsetzung des
Projektes machen. Es scheint daher wichtig, nicht nur die Anbieter- und Nachfragerseite zu
betrachten, sondern ebenso, die eigene Meinung zu diesem Projekt einfließen zu lassen. In
den folgenden Ausführungen soll deutlich werden, dass gerade aus architektonischer Sicht
Zweifel an der Umsetzung des Gebäudes entstehen können. Das Für und Wider soll klar
herausgestellt werden. Man wird feststellen, dass sich der BarbarossaPark aus ökonomischer
Sicht als durchaus rentabel erwiesen hat. Dies zeigen nicht zuletzt die positiven
Bewertungen des Immobilienmaklers. Der Architekt scheint mit seinem Projekt ebenso
zufrieden zu sein. Aber wir haben in den Recherchen auch eine komplette Gegendarstellung
erhalten, indem wir ein Gespräch mit Herrn Rolf Westerheide geführt haben. Dieser ist
Mitglied des Architektenbeirats in Aachen, und er hat dazu beigetragen, unseren Blickwinkel
zu erweitern.
Pro-Argumente
Insgesamt handelt es sich um ein wirtschaftlich gelungenes Projekt. 28 der insgesamt 29
Wohnungen sind für 3000 /m² verkauft worden.
Die Bewohner haben sich bewusst für das Leben in der Stadt entschieden. In der Regel
waren sie zuvor Besitzer eines Grundstückes in der Aachener Vorstadt oder einer kleineren
Stadt in der näheren Umgebung Aachens. Jetzt profitieren sie von der optimalen
Innenstadtlage, und geniessen doch die Ruhe, die sich durch die Innenhoflage ergibt. Sie
konnten ihren Lebensstil beibehalten und sogar verbessern. Die Käufer konnten zudem an
der Innenausstattung mitbestimmen. Es wurde ein gehobenes Umfeld geschaffen. Die
Anbieter waren erfolgreich in ihrer Bemühung, die Bewohner zu einem Zuzug in die
Innenstadt zu motivieren.
Der Kauf dieser Immobilie wird als zukunftssicher eingestuft. Die Grundstückspreise in der
„City“ werden vermutlich nicht abflachen, sondern eher noch zunehmen. Für die Bewohner
zeigt sich eine angemessene Nutzung der gesamten Fläche des BarbarossaParks. Sie können
sich in ihre eigenen Räumen zurückziehen, allerdings auch die Gemeinschaft im weitläufigen
Park suchen. Zudem ermöglicht das barrierefreie Wohnen eine auf Langfristigkeit angelegte
Wohnsituation.
Auch wenn die Planung und das Projekt auf gehobene Lohnempfänger abzielt, so handelt es
sich doch um eine faire Preisgestaltung. Laut Aussage von Herrn Stier musste man bereits
vor 10 Jahren in der Nizzaallee, am Rande der Aachener Innenstadt, 5000-6000 DM/m²
bezahlen.
Die Exklusivität des Gebäudes zeichnet sich dadurch aus, dass es in Aachen keinerlei
vergleichbare Projekte gibt, noch in näherer Zukunft geben wird.
Kontra-Argumente
Die architektonische Gestaltung des BarbarossaParks ist fraglich. Der gesamte Komplex
bildet keine Einheit mit der historischen Umgebung Aachens. Die offensichtliche Trennung
durch das große Eingangstor, wird auch in Zukunft diese Einheit nicht erschaffen können. Es
handelt sich um einen sehr uniformen Bau, der letztendlich „antiurbane“ Züge deutlich
werden lässt. Es entsteht möglicherweise auch neben der architektonischen Handschrift,
durch den ursprünglich genutzten Werbeslogan daß es „bettenfähige Aufzüge“ gebe, der
Eindruck, es würde sich um eine Seniorenresidenz handeln.
Was für die Bewohner schön sein mag, stellt für den Architekten und Städtebauer die Frage,
ob es sich um eine wirklich angebrachte und ausreichend effiziente Nutzung des
Grundstücks handelt. Sind 2000 m² freie Fläche wirklich notwendig, oder hätte man die
einmalige Lage nicht doch effizienter, urbaner und verdichteter Nutzen können? Die
Geschosszahl wäre nach oben ausdehnbar gewesen, während man die lichte Raumhöhe gut
etwas geringer hätte halten können.
Die Öffentlichkeit kann das Grundstück nicht betreten, und somit wird auch der Teil des
Denkmals, der Barbarossamauer, der Öffentlichkeit entzogen. Fraglich ist weiterhin, ob eine
Mischnutzung, in Form von Wohnen, Arbeiten und Einzelhandel sowie Gastronomie unter
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 173
einem Dach, nicht rentabler und angebrachter gewesen wäre. So hätte man auch die
Barbarossamauer dem Publikumsverkehr wieder zugänglich machen können.
Eine Ausschreibung in Form eines Wettbewerbs, wie beispielsweise beim „Bauhaus Europa“
hätte möglicherweise zu einem, für die meisten Beteiligten, befriedigerendem Ergebnis
führen können.
Abschließende Bemerkung
Der Titel „Stilvoll leben im Herzen der Stadt“ scheint sich für die Käufer bewahrheitet zu
haben. Sie sind zufrieden mit der Umsetzung, und waren sogar erstaunt, dass es so schön
geworden sei. Fraglich ist nur, ob sie auch in Zukunft noch zu ihrer Entscheidung stehen,
oder ob es die Bewohner nicht irgendwann wieder in die Vorstadt zurückzieht.
Für angehende Architekten und Stadtplaner stellt sich die Frage, ob man das Grundstück
nicht effizienter hätte nutzen können. Ebenso stellt der architektonische Stil eine
fragwürdige Komponente dar. Eine, vielleicht sogar moderne Architektur, die sich dem
Umfeld trotzdem besser anpassen würde wäre eine mögliche Alternative gewesen.
7
Quellenangaben
persönliche Gespräche mit:
Hr. Erich Stier, EUREGIO Immobilien e. K.
Hr. Dipl. Ing. Kayser, Ziegelmayer-Kayser Architekten
Hr. Dipl. Ing. Rolf Westerheide, Mitglied Architektenbeirat
Broschüren über den BarbarossaPark von
1.
2.
3.
EUREGIO Immobilien e. K. /
mohr & more, Werbeagentur
POWER + RADACH, Werbeagentur
de.wikipedia.org
www.sinus-sociovision.de
Abbildungen
Abb. 1:
Abb. 2:
Abb. 3:
Abb. 4:
Abb. 5:
Abb. 6:
Abb. 7:
Handywerbung
Sinus-Milieu Studie
Tiefgarage BarbarossaPark
Eingang BarbarossaPar
Barbarossamauer
Rendering BarbarossaPark
Grundriss Penthousewohnung
www.lifestyle-handys.com
www.sinus-sociovision.de
Eigene Bilder
Eigene Bilder
Eigene Bilder
Ziegelmayer-Kayser
Ziegelmayer-Kayser
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 174
Life-Style Wohnen
Matthias Belke, Marc Schmidt
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 175
Inhalt
Life-Style Wohnen
1
Einleitung
2
Definition Life-Style Wohnen
3
Akteure
4
Aachener Wohnungsmarkt
5
Innovationen
6
Fazit
7
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 176
1
Einleitung
In der folgenden Ausarbeitung wird der Aachener Wohnungsmarkt auf das Life-StyleWohnen untersucht. Neben der Definition dieses Begriffes, werden u.a. Fragen nach seiner
Existenz und Größe sowie seine Fluktuation beantwortet.
Untersucht wird das Life-Style-Wohnen mit dem Schwerpunkt auf Mietwohnungen der
gehobenen Preisklasse in der Aachener Innenstadt. Um eine konkrete und vergleichende
Aussage zu erhalten, lag der gewählte Schwerpunkt zunächst auf der Aachener Innenstadt.
Im Laufe der Zeit konnte dieser mit Hilfe von diversen Immobilienmaklern weiter
konkretisiert werden.
2
Definition Life-Style-Wohnen
Der Begriff des Life-Style-Wohnens existiert in dieser Form nicht in der Bau- und
Immobilienbranche, so dass er nach diversen Medieneinflüssen und unseren eigenen
Vorstellungen definiert wird.
Lifestyle ins Deutsche übersetzt bedeutet Lebensstil oder Lebensart. Hiermit verbindet man
eine Kombination aus spezifischen Freizeitaktivitäten und dem beruflichem/familiärem Stil.
Der Begriff Lifestyle aber prägt heutzutage vor allem die Lebensstile im jugendkulturellen
Bereich, die auf Genuss und Konsum ausgerichtet sind und mit Assoziationen von cool oder
stylisch verbunden werden.
Der individuelle Geschmack/Stil wird in der Psychologie mit dem Streben nach
Selbstverwirklichung in Verbindung gesetzt, die das oberste Bedürfnis jedes Menschen ist.
Ein weiteres Bedürfnis ist die Sicherheit. In Zeiten großer Arbeitslosigkeit ist vor allem die
finanzielle Sicherheit entscheidend.
Auch die Medien haben dieses Wort für sich entdeckt und nach ihren Vorstellungen
definiert. Grundsätzlich wird es mit dem Teuren, Luxuriösen und qualitativ Hochwertigen, oft
aber auch Einzigartigen, in Verbindung gesetzt.
Prominenz und Geldadel dürfen hierbei natürlich nicht
fehlen. Zudem entwickelte das Fernsehen in den letzten
Jahren zahlreiche Sendungen, die den individuellen
Lebensstil mit Hilfe der Innenarchitektur bzw. Einrichtung
in Szene setzen. Als Beispiele wären hier „Avenzio“ (Pro
Sieben), „SOS - Do-it-your-Self“ (Pro Sieben), „Einsatz in
vier Wänden“ (RTL) oder „Ricks Wohnwelten“ (ZDF) zu
nennen.
Aufgrund dieser Erkenntnisse verbindet, nach unserer
Definition, das Life-Style-Wohnen den individuellen
Geschmack mit der qualitativ hochwertigen und
ansprechenden Architektur im gehobenen Preissegment.
3
Akteure
Bei den Akteuren muss man zunächst zwischen den Anbietern und den Nachfragern
(Angebot und Nachfrage) unterscheiden. Aber wer sind die Anbieter, wie präsentieren sie
sich und mit welchen Hilfsmitteln versuchen sie ihre Produkte zu vermitteln? Wie sehen sie
den zukünftigen Wohnungsmarkt? Ähnliches gilt für die Nachfrager. Wer steckt dahinter,
auch in Bezug zu der o.g. Definition des Life-Style-Wohnens? Und, wie wird ihr
Wohnverhalten sich entwickeln oder verändern?
Anbieter
Zu den Anbietern zählen Architekten, Immobilienmakler und Eigentümer. Sie versuchen mit
dem geringst möglichen Aufwand ihre Objekte zu vermitteln. Überwiegend geschieht dies
heutzutage noch über Zeitungsannoncen, aber das Internet hat in den letzten Jahren stark
an Reiz gewonnen, zumal es noch weitere Vorteile bereithält. Auf speziellen ImmobilienWebseiten können Analysen zu den betreffenden Objekten direkt mit angefertigt werden.
Sie zeigen anhand von Suchanfragen und Seitenaufrufen das Interesse am Objekt an. Eine
weitere Möglichkeit ist der Aushang im (Schau-)Fenster der Makler.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 177
Der Wohnungsmarkt, und hier sind sich erstaunlicher Weise alle befragten Makler einig, wird
sich mehr zum Mietobjekt hin entwickeln. Als Grund wird die schlechte und ungewisse
Wirtschaftslage in Deutschland genannt. Ebenso der Wegfall der Eigenheimzulage. Dies führt
zu einem stark reduzierten Interesse an Investitionen ins Eigenheim. Zudem ist schon jetzt
eine höhere Fluktuation bei Mietobjekten zu beobachten.
Nachfrager
Anhand der Sinus-Milieu-Studie werden die Nachfrager, nach o.g. Definition des Life-StyleWohnens, ermittelt. Die Studie teilt die Bevölkerung nach sozialer Lage und
Grundorientierung in 10 Zielgruppen auf (s. Abb.). Laut Definition und Studie ergeben sich
vier in Frage kommende Zielgruppen: Die Konservativen, Etablierten, Postmateriellen und
die Moderne Performer.
Nachfrager nach Sinus- Milieu - Studie
Konservative
Die Konservativen repräsentieren das alte deutsche Bildungsbürgertum. Der
Altersschwerpunkt liegt ab 60 Jahren. In der Regel bilden sie Zwei-Personen-Haushalte und
verfügen über ein mittleres bis gehobenes Einkommensniveau bzw. größeres Vermögen. Sie
haben eine humanistisch geprägte Pflichtauffassung und pflegen die gehobenen
Umgangsformen. Viele von ihnen sind nach einer erfolgreichen Berufskarriere bereits im
Ruhestand und üben ehrenamtliche Tätigkeiten aus. Sie genießen die immateriellen Werte
und kümmern sich um die Familie sowie ihr Wohlbefinden und Gesundheit.
Etablierte
Die Etablierten gehören zum gebildeten, gutsituierten und selbstbewussten Establishment.
Der Altersschwerpunkt liegt bei 40-60 Jahren, wobei aber auch schon jüngere Altersgruppen
(ab 30 Jahre) dazu gehören. Häufig sind es Drei- und Mehr-Personenhaushalte, die über ein
sehr hohes Einkommen verfügen. Sie verfolgen klare Karrierestrategien und sind sich sicher,
ihre gesetzten Ziele zu erreichen. Kunst, Kultur und Reisen gehören ebenso zum
Lebensgenuss, wie der ausgeprägte Sinn für Luxus.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 178
Postmaterielle
Die Postmateriellen gehören zum aufgeklärten Nach-68-Milieu. Meist sind es größere
Haushalte mit Kindern mit einem breiten Altersspektrum (ab 20 Jahre bis zu den „Jungen
Alten“). Beruflicher Erfolg steht an zweiter Stelle. Ihr höchster Wert ist die Lebensqualität und
die Entfaltung der individuellen Bedürfnisse. Sie schätzen die immateriellen Werte und
definieren sich über Intellekt und Kreativität. Ihr Lebensstil ist umwelt- und
gesundheitsbewusst.
Moderne Performer
Die Moderne Performer bilden die junge, unkonventionelle Elite. Der Altersschwerpunkt liegt
bei unter 30 Jahren. Viele von ihnen sind Schüler oder Studenten, teilweise schon mit Jobs.
Sie genießen ihr sehr intensives Leben und gehen gerne an ihre beruflichen und sportlichen
Leistungsgrenzen. Neben dem materiellen Erfolg, zeigen sie großes Interesse an Multimedia
und Outdoor-Aktivitäten (Kino, Kneipe, Kunst).
4
Aachener Wohnungsmarkt
Der Aufbau der Aachener Innenstadt mit seiner radialen Form um den Dom bietet eigentlich
eine sehr gute Grundvoraussetzung für gehobene Wohnatmosphäre. Im Kernbereich gibt es
sehr gute Grundstücke die Urbanes Wohnen mit kurzen Wegen zulassen. Der mittelalterliche
Charakter und das auf und ab gehende Terrain bieten ein interessantes und
abwechslungsreiches Umfeld. In der weiteren Umgebung liegen viele weitere Dörfer mit
eigenem Flair und Charme. Hier hebt sich der südlich, kurz vor Aachen liegende Ort
Ronheide, mit seinem hohem Villen Anteil hervor.
Doch im finanziell höheren
Bereich des Stadtkerns wird
die Nachfrage der Einwohner
geringer.
Im
Stadtraum
Aachen
leben
259.000
Menschen (Stand: 31.12.04).
Davon liegt der Anteil der
Studenten mit knapp 38.000
am höchsten. Da diese
Gruppe
naturgemäß
meistens nicht über ein
eigenes,
größeres
Einkommen verfügt, ist hier
der
Anteil,
der
für
höherklassiges Wohnen in
Frage kommt, gering. Hinzu
kommt
die
begrenzte
Aufenthaltsdauer
(ca.
5
Jahre) und der danach meist
verbundene Wegzug zum
Arbeitsplatz, der meistens
nicht in Aachen liegt.
Der größte Arbeitgeber ist die RWTH (ca. 10.0000 Arbeitsplätze), gefolgt von der
Stadtverwaltung Aachen (ca. 3250) und der AMB Generali Gruppe und der Sparkasse Aachen
(ca. 2360). Insgesamt gibt es rund 107.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in
Aachen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 179
Wir versuchen nun die Sinus-Milieu Studie auf die Aachener Arbeitnehmer anzuwenden, um
einen ungefähren Wert im Bereich der oberen Mittelschicht zu erhalten. So würde die
Gruppe der Konservativen, die laut Studie mit 5% vertreten sind, auf rund 5.350 potenzielle
Kunden kommen. Die Gruppen der Etablierten und Postmateriellen, die jeweils mit ca. 10%
in der gesamt Bevölkerung vertreten sind, würden jeweils auf 10.000 Interessenten kommen.
Der Anteil der Modern Performer, die im Bundesdurchschnitt mit 9% vertreten sind, müsste
wohl in Aachen, durch den hohen Studentenanteil, über 10.000 liegen. Da sich die SinusMilieu Studie auf ganz Deutschland bezieht, sind die genannten Zahlen, von uns errechnete,
nicht belegte Zahlen. Des Weiteren liegt keine Studie vor (auch nicht im Immobilien Bericht
der Stadt Aachen), die eine Aussage über die Wohnsituation, in Qualität und Größe, der
oberen Mittelschicht trifft.
In Interviews mit lokalen Maklern wurden uns Zahlen
genannt, die durch Angebote im Internet eine gewisse
Marktübersicht bieten. So wurde uns berichtet, dass eine
Suchanfrage
für
eine
Mietwohnung
im
Innenstadtbereich ab 800 in einem Zeitraum von zwei
Monaten 16000mal getätigt wurde. Der Anteil an
doppelten Aufrufen und nicht ernsthaften Anfragen ist
uns nicht bekannt. Den tatsächlichen Aufruf eines
Angebotes, ein Penthouse in der Nähe des
Busbahnhofes, tätigten nur noch ca. 1% (160). Den
Kontakt mit dem Makler suchten dann letztendlich nur
noch 5 Interessenten.
Ein anderer Makler berichtete uns von seiner Erfahrung mit Maisonett-Wohnungen, die Ideal
für Junge Paare geeignet wären. Er würde pro Jahr ca. 25 Wohnungen vermieten, die sich
durch gewisse Extras wie Dachterrassen und besonderer zentraler Lage hervorheben. Die
Nachfrage nach solchen Angebote sei in den letzten Jahren zunehmend gestiegen.
Als ausdrücklich exklusiveres Wohnobjekt wurde vor allen das Wohnprojekt Barbarossapark
gepriesen. Mit Verweis auf die hervorragende zentrale Lage (nähe Marktplatz, Pontstraße),
der qualitativ hochwertigen Materialen und der ausgewählten Nachbarschaft, wurde hier
versucht ein „innovatives“ Angebot zu schaffen.
In unserer Suche nach Life-Style-Wohnungen stießen
wir meist auf ähnliche Angebote. Ab einer Preisklasse
von 800 /Monat wird ein gewisses Extra geboten. Die
Lage war meistens der dominierende Faktor, vor der
Architektur des Hauses und Ausstattung. Im Angebot
vieler Makler befanden sich oft auch restaurierte
Altbauten, die auch im preislich höheren Bereich
Kunden suchten.
Insgesamt schätzten die Aachener Makler den Anteil
der Mietwohnungen der gehobeneren Klasse auf ca. 5%
des Gesamtangebotes. Die Erklärung darin fanden die Makler an dem, wie oben beschrieben,
geringen Anteil an besser bezahlten Berufen in großen Unternehmen und der allgemein
angespannten finanziellen Situation in Deutschland. Allerdings wäre eine höhere Fluktuation
zu beobachten, also ein anpassen der Wohnform auf die aktuelle persönliche finanzielle
Lage.
In unserer Recherche trafen wir im Kerngebiet Aachens hauptsächlich auf Mietwohnungen.
Es herrsche wohl eine Nachfrage nach Eigentumswohnungen, doch könnte die
Angebotsseite diese durch zu hohe Preise nicht befriedigen. Weitere Umbaukosten für die
persönliche Gestaltung würden viele Eigenheimwillige weiter verschrecken und würden
somit weiter in Mietabhängigkeit bleiben.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 180
5
Innovationen
Innovationen sind auf dem Aachener Wohnungsmarkt derzeit keine vorhanden oder
geplant. Aus diesem Grund werden hier zwei Projekte aus Köln und Malmö vorgestellt, die
als gute Beispiele vorangehen.
Köln – Wohnwer[f]t
Die Wohnwer[f]t wurde von den Architekten Oxen + Römer im Kölner Rheinauhafen, dem
neuen attraktiven Viertel im Herzen der Domstadt, geplant und umgesetzt. Die Wohnwer[f]t
umfasst rund 100 Eigentumswohnungen in einem in fünf Trakte gegliederten
sechsgeschossigen Bau. Der Komplex präsentiert sich der Wasser zugewandten Seite als
Ensemble aus vor- und zurückspringenden Baukörpern. Neben den Wohnungen in den
oberen Geschossen, sind im Erdgeschoss diverse exklusive Geschäfte geplant.
Das Architekturbüro Oxen + Römer zeichnet sich durch sein kosten- und flächensparendes
Bauen im Wohnungs- und Gewerbebau aus. Das o.g. Beispiel zeigt deutlich das gute
Architektur nicht teuer sein muss. Ein konzeptioneller Entwurf und ein ansprechender
Standort können in ein annehmbares Preis-/Leistungsverhältnis gebracht werden.
Malmö – „Drehender Torso“
Der „Drehende Torso“ wurde von
dem spanischen Star-Architekten
Santiago Calatrava entworfen. Der
200 Meter hohe Wolkenkratzer
dominiert zeit kurzer Zeit das Bild
von Malmö, der drittgrößten Stadt
Schwedens. Er umfasst 147
Wohnungen,
die
auf
51
Stockwerke verteilt sind. Zum
Baubeginn
2001
von
der
Öffentlichkeit
als
Spinnerei,
Schandfleck an der sehr flach
bebauten Küste und finanzieller
Wahnsinn abgelehnt, ist er
inzwischen eine architektonische
Perle geworden.
Jedoch mussten die Eigentümer einige konzeptionelle Veränderungen vornehmen. Die
zunächst als Eigentumswohnungen angebotenen Appartements erwiesen sich bei einem
Quadratmeterpreis von 5.700 Euro als unverkäuflich. Schließlich musste der Eigentümer auf
das Mietmodell umsteigen. Die höheren Mieten ziehen zwar nur gut betuchte Singles oder
Paare ohne Kinder in den Turm, allerdings gibt die Warteliste auf ein freies Apartment dem
Eigentümer Recht.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 181
Ein kleiner Makel aber bleibt. In Malmö herrscht weiterhin Wohnungsmangel für die
„Bürgerliche Mitte“ (s. Sinus-Milieu-Studie). Dies liegt vor allem daran, dass die Baukosten für
den „Drehenden Torso“ um fast das doppelte explodiert sind.
6
Fazit
Unsere Untersuchungen des Aachener Wohnungsmarktes im Bereich des so genannten LifeStyle-Wohnen fielen ernüchternd aus. Der fehlende Mut zu innovativen Projekten lahmt die
Entwicklung des Wohnungsmarktes. Individuelle Nachfragegruppen werden von der
Angebotsseite kaum ausgemacht. Dem größten Anteil der Makler war die Sinus-Mileu-Studie
gänzlich unbekannt. Sie ordneten die Nachfrage meistens in „handelsüblicheren“ Kategorien
ein, wie z.B. kinderloses Anwaltspaar, junges Paar mit Anspruch oder „Neu-Reiche“. Über
allem stand immer der Druck den besten Gewinn zu erzielen. Viele Makler berichteten auch,
dass die Schere zwischen billig und teuer in den letzten Jahren immer weiter auseinander
ginge. Eine Zwischenzone sei immer weniger auszumachen.
Differenziertere Wünsche zwischen dem perfekten Neubau des Eigenheims und der 08/15
Mietwohnung werden kaum bedient. Sicherlich sind die wirtschaftlich schlechten
Rahmenbedingungen für Investitionen ein großes Hindernis. Besitzer von Mietshäusern sind
nur bereit ihre Häuser zu sanieren, um einen Wertverlust vorzubeugen. Trends wie
ökologisches Bauen, Seniorenwohngemeinschaften, Wohnungen mit flexiblen Grundrissen
werden bisher nicht aufgegriffen. Somit präsentierte sich der Aachener Wohnungsmarkt
sehr konservativ. Konfrontiert mit diesen neuen Wohnformen wurden wir von den Maklern
immer auf die geringe Nachfrage der großen Masse und den zu hohen Kosten für einen
Umbau hingewiesen. Wie ist es nun also zu erklären, dass die finanzstärkere Oberschicht
nicht diese neuen Wohnformen fordert? Gerade hier müsste der Wohnungsmarkt eigentlich
einen Schritt voraus seien und so eine Vorreiterrolle einnehmen. Wie bei allen anderen
Produkten, wie z.B. Autos, waren es erst teure Innovationen, die dann Jahre später zum
Standart wurden. Müsste dann nicht auch auf dem Wohnungsmarkt die Regel gelten, wer
nicht mit der Zeit geht, wird in der Zukunft auf dem Markt als Verlierer dastehen?
Die Strategien der Mietshausbesitzer sind langfristig. Mit einer geschätzten Bestandzeit eines
Hauses von über 30 Jahren ist nachzuvollziehen, dass womöglich kurzfristige Trends kritisch
betrachtet werden. Mietwohnungen müssen auch zukünftigen Nutzern gefallen und deren
Ansprüchen gerecht werden. Gute Architektur kann das leisten und innovative Projekte
haben das bewiesen. Einige Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, dass sich der
Wohnungsmarkt wandeln muss. Die Sinus-Mileu Studie zeigt die unterschiedlichen
Eigenschaften und Vorlieben der Bevölkerung. Die Gruppe der Modern Performer, die 9%
der Einwohner ausmacht, hat heute noch einen Altersschwerpunkt von unter 30 Jahren. Sie
wird in den nächsten Jahren wachsen und einen großen Anteil an der Arbeitenden und
damit finanzstarken Bevölkerung ausmachen. Dies beweist die steigende Zahl der
Nachfragen nach Wohnungen „mit dem gewissen Extra“. Hier sind Wachstumsraten zu
erwarten. Auch die hohe Zahl der Internet-User, die nach einer Wohnung suchen, zeigt, dass
der Wunsch nach der geeigneten neuen Wohnung vorhanden ist. Wie viele Menschen mit
ihrer eigenen Wohnung unzufrieden sind, und bei dem entsprechenden Angebot umziehen
würden, ist schwer zu sagen. Allerdings zeigen uns diese Zahlen, dass das Angebot nicht der
Nachfrage gerecht wird.
Innovative Projekte, die den Lebensstil der heutigen und zukünftigen Zeit gerecht werden,
können auch in Aachen funktionieren. Die großen Metropolen Deutschlands machen es vor
und es ist, nach unserer Einschätzung, auch in kleineren Städten möglich. Innovative
Projekte entsprechen den Wünschen der modernen Stadtgesellschaft. Durch sie gewinnen
die Städte an Lebensqualität und sichern den Verbleib der Bürger in der Stadt.
Let´s live stylisch!
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 182
7
Quellenangabe
Immobilienmakler
Reitz & Tümmler Immobilien
Home Company Aachen
Lifestyle City Makler M. Reinhardt
Ernst Stier
Hermsen Immobilen
Immobilenkontor Aachen
City Immobilien Aachen GmbH
Emhofen von Immobilien RDM
Sparkassen Immobilien
Internet
Allgemeine Recherche
www.immobilienscout24.de
www.Oxen + Römer.de
www.sinus-milieus.de
Zeitung
NRZ
Aachener Nachrichten
Aachener Zeitung
Rheinische Post
Annonce
Allgemein
Immobilien Bericht der Stadt Aachen 2004
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 183
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen
Anforderungen an Wohnqualität?
Carolin Schmitz-Remberg, Sebastian Lieser
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 184
Inhalt
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an
Wohnqualität?
1
Einleitung
2
Demographische Entwicklung
3
Mietsituation für Familien
4
Experten berichten
5
Familien berichten
6
Fazit
7
Quellenangaben und Bildverzeichnis
8
Anhang
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 185
1
Einleitung
Thema dieser Seminararbeit ist die Situation von Familien auf dem Wohnungsmarkt. Dabei
soll besonderes Augenmerk gelegt werden auf die Lage bei Mietwohnungen.
Die zentrale Fragestellung lautet denn auch wie folgt: Entspricht der Mietwohnungsbestand
für Familien den heutigen Anforderungen an Wohnqualität?
Um eine Antwort auf diese Frage unter statistischen Gesichtspunkten zu finden, wird erst
einmal als Einstieg ins Thema die heutige Lage von Familien in Deutschland betrachtet. Der
demographische n Entwicklung gilt dabei das Hauptaugenmerk vom nationalen Maßstab bis
hin zum kommunalen Blickwinkel mit Aachen als Beispiel.
Danach wird anhand von Statistiken untersucht und aufgezeigt, wie die momentane
Wohnsituation von Familien aussieht. Hierfür werden statistische Ergebnisse zu
Mietwohnungsbestand und der Entwicklung der Miete dargestellt. Den Abschluß bildet
wiederum beispielhaft Aachen mit einer Analyse, wo denn eigentlich Familien hier wohnen.
Nach dieser theoretischen Betrachtung sind bereits einige Ergebnisse und Tendenzen
erkennbar. Diese sollen nun in einem praxisorientierten Teil auf ihre Richtigkeit untersucht
werden.
Zu diesem Zweck suchten wir das Gespräch mit „Experten“ zum Thema Familien und
Mietwohnung. Mitarbeiter der Stadtverwaltung Aachen, insbesondere Beschäftigte des
Fachbereichs Wohnen standen uns hierbei Rede und Antwort.
Ein Fragenkatalog wurde entwickelt, um unter anderem auf durch den theoretischen Teil
aufgekommen Fragen einzugehen.
Wichtig waren uns neben all diesen theoretischen Abhandlungen und Äußerungen Dritter
über das Thema Familie aber vor allem die Meinung von Familien selber. Schließlich können
diese ihre eigene Situation und Meinung, Chancen und Probleme am besten selbst
darstellen.
Deshalb erarbeiteten wir einen weiteren Fragenbogen, in dem wir gezielt Familien zu ihrer
Meinung zum Thema Mietwohnung befragten. Dabei gingen wir besonders auf die in der
vorangehenden Untersuchung bereits aufgekommen ersten Ergebnisse und Tendenzen ein,
und konnten so überprüfen, ob unsere theoretische Antworten auch wirklich so von
Familien selber bestätigt werden können.
2
Demografische Entwicklung
In Deutschland, ebenso wie auch in den meisten europäischen Nachbarstaaten, wächst die
Bevölkerung nicht mehr. Prognosen gehen sogar von einer stark schrumpfenden
Bevölkerungszahl in den nächsten Jahrzehnten aus.
Situation in Deutschland
Wichtigster Hauptgrund für die negative demografische Entwicklung ist der Rückgang von
Geburten.
Erblickten nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer mehr Kinder das Licht der Welt, so sank
die Anzahl der Babys in den 1960er Jahren drastisch ab. Diese Entwicklung wird auch als
„Pillenknick“ bezeichnet. Die Entdeckung der Antibabypille machte erstmal eine wirksame
Verhütung auf einfache Weise möglich.
Außerdem führten zahlreiche andere Faktoren - unter anderem längere Ausbildungszeiten,
verstärkte Berufstätigkeit der Frau oder die wegfallende Bedeutung einer hohen Kinderzahl
als Altersvorsorge - insgesamt zu einer stetig abnehmenden Anzahl von Neugeborenen.
Mittlerweile sind die ersten geburtenschwachen Jahrgänge selbst Familiengründer
geworden, das heißt das Absenken der Geburtenrate verstärkt sich noch schneller.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 186
Nur zur Beibehaltung der heutigen Bevölkerungszahl wäre es notwendig, daß jede Frau
statistisch 2,1 Kinder gebärt. Diese Zahl liegt allerdings heute in Deutschland bei 1,4; damit
ist Deutschland auch bei der demografischen Entwicklung eines der Schlußlichter in Europa.
Der Sterbeüberschuß, das heißt der Saldo aus Sterbefällen und Geburten, wird aber
momentan noch durch den stetigen Zuzug von Ausländern gebremst oder sogar noch
umgekehrt. Ohne die Einwanderung allerdings hätte Deutschland schon heute wesentlich
weniger Einwohner als noch vor einigen Jahren.
Wichtiger Aspekt der regionalen demografischen Entwicklung ist neben der lokalen
Geburtenrate auch der Binnenwanderungssaldo der Familien, d.h. die Anzahl der Familien
mit Kindern (oder der Paare im gebärfähigen Alter), die aus einer Stadt weg- oder in eine
bestimmte Region zuziehen.
Zusammen betrachtet ergibt sich dabei das in Abbildung 2 dargestellte Bild. Je dunkler in
der Farbe hierbei die Felder sind, desto besser ist die Situation (also stärkerer
Bevölkerungszuwachs bzw. bei Abbildung 3 bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf).
Der Osten Deutschland ist dabei als historischer Sonderfall mit besonderen Gegebenheiten
zu sehen und kann deshalb nicht als typisch für die Entwicklung betrachtet werden.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 187
Im Westen zeigt sich dagegen ein symptomatisches Bild: In den Städten und
Ballungsräumen ist die demografische Entwicklung klar negativ, der Geburtenrückgang wird
durch den Wegzug von Familien noch verstärkt. Davon profitieren besonders die ländlichen
Regionen. Dort kann momentan noch die sinkende Geburtenzahl durch große
Wanderungsgewinne kompensiert werden.
Familien scheint es also, gemäß dem gängigen Klischee des Eigenheims im Grünen als
Vollendung des Familienidylls, aufs Land zu ziehen, sie kehren den Städten den Rücken.
Dies ist umso erstaunlicher, wenn man Abbildung 3 betrachtet. Sie zeigt die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf. Ausschlaggebende Merkmale bei der Untersuchung waren hierbei die
vorhandene Anzahl von Krippenplätzen, Möglichkeiten zur Ganztagsbetreuung von Kindern
sowie Teilzeitquote Berufstätiger und Zahl beschäftigte Frauen.
Vereinbarkeit von Familien und Beruf gilt der Politik als zentraler Aspekt bei ihrem Bestreben,
die Geburtenrate und damit die Zahl der Kinder wieder steigen zu lassen.
Ganz klar ist hier zu erkennen, daß die Situation für Familien in der Regel bis auf Ausnahmen
wie den Großraum München oder die Region Hamburg, die sich durch durchgehend gute
Perspektiven für Familien auszeichnen, in den Städten eigentlich besser zu sein scheint.
Betreuungsangebote, schulische, kulturelle, sportliche oder auch verkehrliche Infrastruktur
sind wesentlich ausgeprägter als auf dem Land. Trotzdem zieht es Familien eben genau
dorthin.
Situation in Aachen
Auch in Aachen stellt sich die Entwicklung ähnlich dem deutschlandweiten Trend dar. Die
Geburtenzahlen sind auch hier stark rückläufig, zwischen 1991 und 2004 ging die Anzahl
geborener Kinder um knapp zwanzig Prozent zurück.
Bei den Binnenwanderungen ist die Lage in Aachen noch drastischer als generell in
Deutschland. Aachen verliert knapp 13% der Familienwanderer, ein Großteil davon läßt sich
in der Region rundherum nieder.
Auch hier läßt sich ein Trend weg von der Mietwohnung in der Stadt
hin zum Eigenheim auf der grünen Wiese vermuten.
Als Besonderheit in Aachen ist natürlich der Aspekt des
Universitätsstandortes zu berücksichtigen. So nimmt die Bevölkerung
im Alter von ungefähr zwanzig Jahren sprunghaft zu, wie in der
Bevölkerungspyramide Aachen (siehe Abbildung 6) deutlich zu
sehen. Dies sind die nach Aachen ziehenden Studienanfänger.
Nach Abschluß ihrer Ausbildung verläßt ein Großteil der
Neuzugezogenen die Stadt allerdings wieder, oft wegen eines
Jobangebotes an anderen Orten.
Diese
Tatsache
erklärt
zumindest
teilweise
den
überdurchschnittlichen
Binnenwanderungsverlust der Familiengründer, also der Menschen um die dreißig.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 188
Prognose NRW
Der in den heutigen Zeiten bereits in Aachen und Deutschland beobachtete Trend von
Geburtenrückgang sowie Abwanderung von Familien wird sich auch für die nahe Zukunft
aller Voraussicht nach fortsetzen. In Nordrhein-Westfalen wird damit gerechnet, daß
Ballungsräume wie das Ruhgebiet oder auch Städte wie Aachen weiter an
Bevölkerungsrückgang leiden werden (siehe Abbildung 7). Davon profitieren werden erst
einmal die umliegenden Regionen, die in der Regel sogar noch von einer leichten Zunahme
der Bevölkerung ausgehen können.
3
Mietsituation von Familien
Die negative demographische Entwicklung sowie der vermehrte Wegzug von Familien aufs
Land beeinflussen natürlich auch den städtischen Mietwohnungsmarkt stark. Im folgenden
Abschnitt soll die Situation der Familie auf dem Wohnungsmarkt kurz beleuchtet werden
Wohnungsbestand
Der Großteil des heute verfügbaren Wohnraumes hat
seinen Ursprung in der Nachkriegszeit.
Bedingt durch die schweren Zerstörungen deutscher
Städte und die große Zahl von Flüchtlingen war
Wohnraum nach dem Krieg äußerst knapp, deshalb
wurden noch bis weit in die nachfolgenden Jahrzehnte
massiv im Wohnungsbau Projekte verwirklicht.
Ein kleinerer Anteil des Wohnraumes wird durch
Altbauten abgedeckt.
Der Rest besteht aus jüngeren Einheiten.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 189
Mietbelastung
Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die finanzielle Belastung durch die Mietkosten kontinuierlich
gestiegen (siehe Abbildung 9).
Wendete 1960 noch rund die Hälfte aller Mieter höchstens zehn Prozent seines
Haushaltsnettoeinkommens zum Bezahlen der Wohnung auf, so sind es heute gerade einmal
zweieinhalb Prozent, die damit auskommen.
Der Großteil muß bis zu vierzig Prozent seines Geldes für die Miete bezahlen; die Zahl
derjenigen, die sogar die Hälfte oder mehr abgeben, nimmt stetig zu.
Anders formuliert: Von 1978 bis 1998 stieg die durchschnittliche Mietbelastung der
Deutschen von rund achtzehn Prozent auf knapp ein Viertel.
Besonders betroffen durch diesen Anstieg der Mietkosten sind Familien. Aufgrund der
höheren Personenanzahl benötigen sie natürlich auch größere Wohnung als
Alleinwohnende und müssen deshalb sowieso schon höhere Mieten zahlen.
Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Familien die Städte verlassen und sich in der oft
preiswerteren ländlichen Umgebung niederlassen.
Betrachtet man die Situation auf dem
Wohnungssektor in Bezug auf
Eigentums- und Mietverhältnisse
differenzierter, erhält man ein klares
Bild (Abbildung 10).
Haushaltsgröße,
Alter
und
Einkommen sind wichtige Faktoren
für Wohnen im Eigentum.
Wie zuvor kurz angesprochen wird
die Miete wegen der steigenden
Wohnungsgröße
für
Familien
wesentlich teurer. Sie versuchen
daher, durch Eigentumsbildung die
Mietkosten zu sparen.
Größere Haushalte sind also häufiger
Eigentümer.
Zunehmendes
Alter
der
Bezugspersonen geht in der Regel auch einher mit steigendem Einkommen, weshalb diese
beiden Aspekte zusammen betrachtet werden können. Beide sind Hinweise auf eine höhere
Eigentumsquote.
Kurz gesagt läßt sich festhalten: Wer die finaziellen Möglichkeiten hat, vermeidet
Mietverhältnisse. Für große Familien wird Mietwohnung teuer.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 190
Verteilung Familien in Aachen
Abbildung 10 zeigt die Anteile der Familien mit Kindern an den Gesamthaushalten
aufgesplittet in Bezirke. Deutlich ist hier zu sehen, daß die gesamte Innenstadt innerhalb des
äußeren Ringes eine äußerst geringe Kinderdichte aufweist. Erst mit zunehmender
Entfernung vom Kern nimmt auch die Zahl der Kinder zu. Ländlich geprägte Teile wie
Richterich oder Wahlheim weisen hierbei mit einem Prozentsatz von fast 75% den größten
Kinderreichtum auf.
Klar erkennbar ist hierbei auch der schon im vorigen aufgezeigte Trend der Stadtflucht von
Familien mit Kindern.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 191
4
Experten berichten
Mietwohnungsbestand und Anforderungen
Die im vorangehenden Teil gewonnenen Erkenntnisse scheinen eines klar zu zeigen:
Familien zieht es aus der Stadt weg ins Umland.
Das Leben in Mietwohnungen im urbanen Gefüge scheint für einen Großteil von Familien
heutzutage nicht mehr wünschenswert oder bezahlbar zu sein. Das Eigenheim im Grünen,
gängiges Klischee vom Familienidyll, ist augenscheinlich immer noch Ziel der meisten
Familien.
Natürlich drängt sich bei der Betrachtung dieser Tatsachen die Frage auf, warum das so ist.
Zentraler Punkt hierbei scheint dabei die Untersuchung zu sein, ob und inwiefern
Mietwohnungen den Bedürfnissen von Familien eben nicht entgegenkommen.
Anhand von Fallbeispielen soll dies nun noch näher untersucht werden. Die Fragestellung
hierbei lautet:
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an
Wohnqualität?
Fachbereich Wohnen bei der Stadtverwaltung Aachen
Als Expertenmeinung zum Thema Wohnen und Familie befragten wir Mitarbeiter des
Fachbereichs Wohnen zur generellen Situation und besonders der Lage in Aachen. Frau
Bongard vom Aachener Bündnis für Familien und Frau Conraads, die sich mit dem
Wohnungsmarkt und speziell den geförderten Wohnungen beschäftigt, standen uns
freundlicherweise Rede und Antwort.
Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß Familien - ebenso wie Wohnungssuchende generell Anforderungen an ihre Wohnung haben, die sich in drei Kategorien einteilen lassen: Die
Wohnung an sich, das direkte Umfeld und schließlich der Standort.
Frau Bongard und Frau Conraads beschäftigen sich hauptsächlich mit dem gefördeten
Wohnungsmakrt und haben deshalb natürlich auch mit einer besonderen Situation und
Klientel zu tun. Sie schilderten uns, was ihrer Erfahrung nach wichtiige Kriterien sind bei der
Wohnungsfindung für die von ihnen betreuten Menschen.
Mietwohnung
Bei der Wohnung selbst sind wichtigste Punkte zum einen der Mietpreis und zum anderen
die Wohnungsgröße. Ebenso wird nach der Mieterstruktur gefragt. Familien bevorzugen in
der Regel Erdgeschoßwohnungen. Bei geförderten Wohnungen sind aufgrund der
staatlichen Lenkung und Verteilung solche Wünsche allerdings nur bedingt realisierbar.
Direkte Umgebung
Viele sozial Schwächere besitzen kein Auto. Deshalb ist die räumliche Nähe zum Arbeitsplatz
für sie wichtig. Ebenso sollen Einkaufsmöglichkeiten oder Schulen und Kindergarten gut zu
erreichen sein. Die Nachbarschaft zu Familie oder Betreuung ist weiterhin wichtiges
Kriterium bei der Wohnungswahl.
Lage/Standort
Das Wohnumfeld schließlich soll auch stimmen. Menschen suchen in der Regel wenn
möglich eine für sie sozial passende Umgebung.
Generell stellten die Mitarbeiter des Fachbereichs Wohnens fest, daß „der
Mietwohnungsbestand den Anforderungen kleiner Familien entspricht.“ Familien mit
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 192
mehreren Kindern benötigen in der Regel auch geräumigere Wohnungen. Diese sind
allerdings auf dem Mietwohnungsmarkt nicht ausreichend verfügbar:
„Für größere Familien wird es schwierig etwas passendes zu finden. Hier gibt es leider viel
mehr Nachfrager als freie Angebote.“
Schwierig ist die Situation für sogenannten Randgruppen: Ausländer oder sozial Schwache
haben oft Probleme, eine Wohnung zu finden, da „viele Hausbesitzer sich gegen den Einzug
von Ausländern und Empfängern von Sozialhilfe wehren.“
Kinderreiche Familien in diesen Gesellschaftsschichten haben es da natürlich umso schwerer,
Fuß zu fassen.
5
Familien berichten
Ausgehend von unseren theoretischen und statistischen Erkenntnissen entwickelten wir
einen Fragebogen (siehe Anhang), mit dem wir praxisorientiert direkt von Familien ihre
Meinung zum Thema ‚Familien_Miet_Wohnung‘ erfragen wollten, um unsere Thesen zu
überprüfen.
1. Fallbeispiel Familie A Nachfragekriterien und Anforderungen
Die von uns zu diesem Thema befragte Familie A wohnt in
der Welkenrather Straße in Aachen West.
Sie lebt in einer Vierzimmer-Wohnung, die 112m² umfaßt.
Die Familie besteht aus dem 37jährigen Vater sowie seiner
36 Jahre alten Frau und ihren drei gemeinsamen Kindern im
Alter von elf, sieben und zwei Jahren.
Sie werden allerdings bald ihre jetzige Wohnung verlassen:
„ Ein Garten ist besonders ein Traum unserer Kinder – aber in Innenstadtlage kaum zu
bezahlen. Deshalb bauen wir gerade in Belgien unser kleines Häuschen. Natürlich ist die
Infrastruktur schlechter, aber Natur ist uns für das Aufwachsen unserer Kinder wichtiger.“
Mietwohnung
Familie A setzt sehr viel Wert auf ein gepflegtes Haus und spricht dabei wahrscheinlich für
einen Großteil der Wohnungssuchenden. Als wichtiger Kommunikationsort ist für sie eine
große und freundliche Küche von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig muß die Wohnung
geräumig genug sein, um jedem Familienmitglied Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Wie
schon angedeutet ist ein nutzbarer Außenraum wichtig, die Kinder wünschen sich einen
großen Garten zum Spielen. Gleichzeitig kann Familie A nicht jede Miete zahlen, sondern ist
auf einen günstigen Mietpreis angewiesen.
Ein kinderfreundliches Umfeld im Haus, der direkte Kontakt zu anderen Familien sowie
offene Nachbarn machen für Familie A wichtige Qualitäten des Wohnens aus.
Direkte Umgebung
Familie A begreift ihre Wohnung und deren Umgebung als Zufluchtsort, als Ruhepol in
einem lauten und stressigen Alltag. Ruhe und Stressfreiheit nennt die Mutter deshalb ebenso
als wichtige Gründe wie auch Grünflächen in schnell erreichbarer Nähe. Eine gute
Anbindung Arbeitsplazes ist für den Vater gleichzeitig auch von hoher Bedeutung.
Familie A ist sehr engagiert in der Gemeinde, sie will deshalb auch in deren Nähe wohnen,
um auf Angebote wie Kinderhort oder Jugendgruppen zurückgreifen zu können.
Die Nähe zu ihrer Schwester war der Mutter auch sehr wichtig, man hilft sich gegenseitig.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 193
Lage/Standort
Die schon angesprochenen Forderungen setzen sich auch im gewünschten Standort, also
hier dem Stadtteil, fort: Nähe zu ländlichen Gebieten spiegelt den Wunsch nach Natur wider.
Verfügbare soziale Einrichtungen, Schule und Kindertagesstätte spielen ebenso eine
wichtige Rolle wie Kinderspielplätze und Freiflächen oder die günstige Verkehrsanbindung.
Resumee
Familie A sieht ihre Anforderungen an Wohnqualität generell erfüllt - bis auf zwei
Ausnahmen, die dann aber den Ausschlag gegeben haben, umzuziehen: Der Garten sowie
der Mietpreis.
Größtes Manko bei ihrer jetzigen Situation ist der fehlende Garten. Gerade die Kinder
brauchen nutzbaren Außenraum, wo sie gefahrlos spielen und sich austoben können.
Dies ist allerdings in guter Innenstadtlage für Familie A nicht zu finanzieren. Deshalb haben
sie sich entschlossen, Nachteile wie schlechtere Verkehrsanbindung oder Infrastruktur in
Kauf zu nehmen und ihren lang gehegten Traum eines Gartens zu verwirklichen. Sie bauen in
ländlicher Umgebung ein Haus im Grünen. Dies entspricht - ihrer Meinung nach - besser den
Anforderungen, die eine Familie im Alltag an ihre Unterkunft hat.
Der Vater moniert die generelle Situation in Aachen: „Wir haben zum Glück den Westpark in
der Nähe, aber ansonsten gibt es in Aachen eigentlich nicht genug Freiraum für spielende
Kinder.“ Ihrer Meinung nach könnte die Stadt an Kinderfreundlichkeit noch zulegen.
Die Wohnungssuche war ihrer Auskunft nach sehr mühsam, das Angebot ist anscheinend
nicht ausreichend. „Es müsste mehr große, nicht so teure Mietwohnungen geben“, erklärt die
Familienmutter im Gespräch. Oft sind Wohnungen nicht auf die Bedürfnisse vielköpfiger
Familien zugeschnitten, stimmen Grundrisse nicht mit den Wünschen der Bewohner
überein. „Unsere Küche ist zwar sehr groß, dafür die Zimmer der Kinder leider viel zu klein“,
wird diese Vermutung bestätigt.
Oft erschweren Kleinigkeiten den Alltag der Familien. „In unserem Haus gibt es keinen Platz
für Kinderwagen oder Kinderfahrräder“, erzählt die Mutter.
Schon durch kleine bauliche Änderungen oder kindergerechtere Planung bei Neubauten
ließe sich also für Familien einiges verbessern.
2. Fallbeispiel Familie B Nachfragekriterien und Anforderungen
Als zweites Beispiel dient uns eine vierköpfige Familie, die in der
Aachener Innenstadt An den Frauenbrüdern wohnt.
Der 34jährige Vater und die 30jährige Mutter bewohnen
zusammen mit ihren beiden Kindern im Alter von sieben und
einem Jahr eine Vierzimmer-Wohnung. Auch für sie ist die jetzige
Wohnung keine Dauerstation, sondern dient dem Übergang bis
etwas anderes finanzierbar ist:
„Nach der Promotion geht´s ein wenig raus aus der Stadt und ein
Garten muss her. Dann ist finanziell mehr drin …“
Mietwohnung
Wie auch schon Familie A legt Familie B großen Wert auf eine großzügige, helle und
freundliche Wohnung. Wichtig ist ihr hierbei auch besonders für die Kinder ein Außenraum,
sei es als Balkon oder optimlaerweise als Terrasse mit Garten. Ein angebrachter Mietpreis ist
aber auch ein wichtiges Kriterium.
Viele Familien scheinen auf ein angenehmes, kinderfreundliches Klima im Haus Wert zu
legen. So ist eine gute Hausgemeinschaft für diese Familie ebenso ein Ziel wie der direkt
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 194
Kontakt zu anderen Familien. So können gemeinsame Aktionen oder Unternehmungen
geplant werden.
Direkte Umgebung
Um den Kindern ungefährliches Leben zu ermöglichen, meidet die Familie die Nähe von
Hauptverkehrsstraßen mit starkem Verkehrsaufkommen. Vielmehr sollen Grünflächen
schnell errreichbar sein.
Nähe zum Arbeitsplatz spielt wiederum eine gewichtige Rolle, ebenso wie gute Infrastruktur
und Kinderbetreuung im näheren Umfeld.
Lage/Standort
Eine zentrale Lage ist Familie B wichtig. Sie will so viel wie möglich auf das Auto verzichten
und sucht deshalb auch die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten im, um dort zu Fuß oder mit
dem Fahrrad einzukaufen.
Soziale Einrichtungen und kulturelle Angebote, Kinderspielplätze und Freiflächen sind den
Eltern besonders für die Kinder von Bedeutung.
Resumee
Wiederum ähnlich wie auch bei der ersten Familie sieht Familie B ihre Wünsche zum großen
Teil schon verwirklicht; bis auf zwei wichtige Bereiche, die die Familie in Bezug auf ihre
Wohnsituation schon ein wenig ins Grübeln bringen:
Zum einen schreckt der oftmals hohe Mietpreis in guten Innenstadtlagen besonders
Familien ab, da diese in der Regel mit dem Einkommen schon mehrere Personen ernähren
müssen. Deshalb bleibt nicht mehr allzu viel für Miete übrig. „Wohnraum für Familien muss
definitiv günstiger werden“, bestätigt uns die Mutter und spricht von einer „sehr
angespannte Wohnungssituation im Bereich 4-Zimmer-Wohnungen“, also genau der Größe,
die für Familien angemessen ist. Es scheint für Familien überhaupt sehr schwierig zu sein,
Wohnungen nach ihren Vorstellungen zu finden. „Man sucht fast zwei Jahre, wie wir, und hat
trotzdem nicht seine ‚Traumwohnung‘“, erzählt uns der Familienvater. Kinder sind dabei
wohl oft ein Hindernis: Viele Vermieter haben lieber ruhige Rentner in der Wohnung als laute
Kinder. „‚Kinder unerwünscht‘ darf es bei der Wohnungssuche nicht geben“, unterstreicht die
Mutter deshalb.
Zweiter wichtiger Punkt ist auch hier der Außenraum. Die zweite Familie benötigt ihrer
Aussage nach noch nicht einmal einen eigenen Garten für die Kinder. Aber sie will zumindest
gepflegte Grünflächen und Kinderspielplätze, wo der Nachwuchs gefahrlos spielen kann.
„Die nächsten Grünanlagen sind mind. 20 Gehminuten entfernt (mit Kindern noch länger)“.
Das ist natürlich für den Alltag viel zu weit und umständlich. Spielflächen direkt nebenan ist
nicht nutzbar: „Der Spielplatz um die Ecke ist Drogenumschlagplatz und Sauftreff“, berichtet
die Mutter angewidert. Hier sieht sie Handlungsbedarf bei der Stadt. Durch gezielte
Verbesserung und Pflege der bereits bestehenden Anlagen könnte auch die Innenstadt für
Familien mit Kindern wieder attraktiver werden.
Kurz und knapp beschreibt der Vater abschließend aus eigener Erfahrung die momentane
Situation in Aachen von Familien: „Aachen ist absolut sehr familienfreundlich, abgesehen
vom Wohnungsmarkt.“
Trotz dieser Nachteile und Probleme sind die Eltern begeistert von den Möglichkeiten, die
ihnen das Wohnen in der Stadt bietet. Kulturelles Angebot, gute Infrastruktur oder Nähe zum
Arbeitsplatz sind wichtige Gründe, die für einen Verbleib in der Innenstadt sprechen.
Allerdings liegt das auch daran, daß die Familie finanziell unabhängig ist und sich eine ihren
Bedürfnissen entsprechende Wohnung in guter Lage ohne Probleme leisten kann.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 195
6
Fazit
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an
Wohnqualität? So lautete die generelle zu untersuchende Fragestellung. Nach einer
genaueren statistischen Betrachtung und Anhörung von Experten sowie der Auswertung der
Aussagen zweier Familien als Fallbeispiele scheint sich folgender Schluß aufzudrängen:
Mietwohnungen im Bereich der Innenstadt können nicht allen Anforderungen an
Wohnqualität gerecht werden.
Dies hat zahlreiche Gründe:
1.
Es gibt kein ausreichendes Angebot auf dem Wohnungsmarkt für Familien. Der Bestand ist
unzureichend besonders für große Familien mit drei oder mehr Kindern, die geräumigere
Wohnungen benötigen.
2.
Wohnraum ist für Familien insgesamt zu teuer. Familien habe mehr Personen und benötigen
deshalb auch in der Regel größere Wohnung als beispielsweise der alleinlebende Single.
Deshalb rentiert sich hier für Familien auf die Dauer eher Wohneigentum.
Für kleinere Familien findet sich allerdings ein recht gutes Angebot, zahlreiche Varianten von
gutem Bestand sind auf dem Markt.
3. Die direkte Umgebung bietet zuwenig Grün- und Freizeitflächen. Manche Familien haben
das starke Bedürfnis nach einem eigenem Garten, was sich natürlich im Mietwohnungsbau in
der Innenstadt nur schwer realisieren läßt. Andere, wie bei Familie 2 gesehen, sind schon mit
einem attraktiven Angebot öffentlichen Grüns zufrieden. Dies ist allerdings scheinbar
oftmals in der Stadt sehr heruntergekommen und ungepflegt oder erst gar nicht vorhanden.
Gleichzeitig haben manche Eltern in der Stadt Angst um ihre Kinder. Das hohe
Verkehrsaufkommen verstärkt natürlich die Unfallgefahr für den Nachwuchs.
4.
Städte mit ihren vielen Menschen wirken anonymer als überschaubare Nachbarschaften in
kleinen Dörfern. Dort, wo sich jeder kennt, ist es auch einfacher tiefergehende soziale
Kontakte aufzubauen. Besonders für Familien ist zum Beispiel der Aufbau eines Netzwerkes
von Kontakten zur gemeinsamen Kinderbetreuung wichtig. Viele sehen dies vielleicht im
überschaubaren Dort einfacher umzusetzen
5.
Aufgrund all dieser Kriterien aber auch wegen des gängigen Bildes in der Gesellschaft gilt
vielen die Mietwohnung nur als „Durchgangsstation“ auf dem Weg zum Eigentum in der
urbanen Peripherie. Wer finanziell besser dasteht und die Möglichkeiten hat, bildet wenn
möglich Wohneigentum, im Normalfall ist das wohl das Eigenheim im Grünen.
Städte wie Aachen haben mittlerweile diesen Trend erkannt und versuchen gegenzusteuern.
Durch eine Steigerung der Kinder- und Familienfreundlichkeit oder der Förderung
attraktiven Mietwohnungsbaus sollen Familien wieder vermehrt in die Stadt gezogen
werden.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 196
7
Quellenangaben
Broschüren des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2005
Prognos Familienatlas 2005, Berlin 2005
Statistisches Jahrbuch 2005 Stadt Aachen, Aachen 2006
Jürgen Friedrichs (Hrsg.), Die Städte in den 90er Jahren, Opladen 1997
Heinz Zohren, Jugendamt Stadt Aachen
Gerd Salemink, Sozialamt Stadt Aachen
Gerd Wagner, Fachbereich Wohnen Stadt Aachen
Abbildungen
Abbildungen Titelblatt Quelle: www.gettyimages.de, Januar 2006
Abb. 1 Entwicklung Geburtenanzahl der BRD nach dem 2. Weltkrieg Familienatlas 2005
Abb. 2 Demografische Entwicklung Familienatlas 2005
Abb. 3 Vereinbarkeit Familie und Beruf Familienatlas 2005
Abb. 4 Geburtenzahlen Aachen Statistisches Bundesamt
Abb. 5 Binnenwanderung Region Aachen Statistisches Bundesamt
Abb. 6 Bevölkerungsstruktur Stadt Aachen Statistisches Bundesamt
Abb. 7 Prognose Bevölkerungsentwicklung in NRW 2002 bis 2020 Statistisches Landesamt
NRW
Abb. 8 Wohnungsbestand Statistisches Bundesamt
Abb. 9 Hauptmieterhaushalte nach Mietbelastung im Zeitvergleich Statistisches Bundesamt
Abb. 10 Mietverhältnisse Statistisches Bundesamt
Abb. 11 Anteil Haushalte mit Kindern an Gesamthaushalten in Aachen Stadverwaltung
Aachen
Abb. 12 Kriterien bei Wohnungssuche eigene Darstellung nach Fragenkatalog Experten
Abb. 13 Familie A privates Bildmaterial
Abb. 14 Familie A: Kriterien bei Wohnungssuche eigene Darstellung nach Fragebogen A
Abb. 15 Familie B privates Bildmaterial
Abb. 16 Familie A: Kriterien bei Wohnungssuche eigene Darstellung nach Fragebogen B
8
Anhang
Fragebogen Experten
Mietwohnungen für Familien – Analyse am Beispiel Aachen
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an
Wohnqualität?
Gesprächspartner:
Mitarbeiter des Fachbereichs Wohnen der Stadt Aachen:
Frau Bongard (Aachener Bündnis für Familien)
Frau Conraads (Geförderter Wohnungsmarkt)
1.) Wie gestaltet sich die Nachfrage dieser Zielgruppe?
Für kleine Familien ist die Situation ganz gut. Wir haben in etwa gleich viel Nachfrage wie wir
auch durch Angebote decken können. Bei größeren Wohnungen haben wir jeden wesentlich
mehr Nachfrager. Für vielköpfige Familien ist die Situation momentan zum Teil etwas
schwierig.
2.) Welche Anforderungen stellen junge Familien bei ihrer Wohnungssuche?
Für viele ist die Nähe von Schule oder Kindertagesstätten sehr wichtig. Dadurch ist der Alltag
für die Eltern, besonders wenn beide berufstätig sind, wesentlich einfacher zu organisieren.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 197
Wichtig ist dabei auch die Nähe zu Aufsichtspersonen. Wenn Großeltern oder Verwandte in
der Nachbarschaft wohnen, können sie die Eltern entlasten.
3.) Was gibt es für einen Bestand an Mietwohnungen – Wie sieht die aktuelle Situation aus?
Unserer Erfahrung nach ist Vieles vorhanden. Es gibt zahlreiche Altbauten, aber auch viele
Neubauten. Wie eben schon angesprochen entstehen allerdings auch manchmal Probleme,
zum Bespiel große preisgünstige Wohnungen zu finden.
4.) Entspricht der Bestand den Anforderungen an die Wohnqualität?
Im Prinzip schon. Manchmal muß man natürlich etwas länger suchen bis man eine Wohnung
gefunden hat, die wirklich den eigenen Vorstellungen entspricht.
5.) Wird ein bestimmtes Stadtviertel besonders bevorzugt? Wieso?
Viele Familien, die auch eher über ein gehobeneres Bildungs- und Einkommensniveau
verfügen, wollen sich gerne im westlichen Teil Aachens niederlassen. Dort herrscht eine
angenehme Atmosphäre, es gibt Schulen, Sporthallen und Schwimmbäder. Und ganz
wichtig: Der Westpark bietet Spielmöglichkeiten, außerdem ist die Natur direkt nebenan und
schnell zu erreichen.
Sozialschwache bleiben in der Regel im Ostviertel unter ihresgleichen oder wollen in die
Innenstadt. Oftmals haben sie kein Auto und sind deshalb darauf angewiesen, alles fußläufig
erreichen zu können beziehungsweise Bus und Bahn zu benutzen.
6.) Wo liegt Handlungsbedarf? Verbesserungsvorschläge?
Die Situation für Familien ist auf jeden Fall noch zu verbessern. Das betrifft nicht nur direkt
den Wohnungsmarkt mit seinem Angebot für Familien, sondern auch Infrastruktur für
Familien: Schulen, Kindergärten, Betreuungsangebote, Spielplätze, Sporthallen etc. Deshalb
gibt es in Aachen das „Bündnis für Familien“, das sich eben genau mit diesen Problemen
beschäftigt. Im Leitbild 2020 für Aachen nimmt der Aspekt der Familienpolitik einen ganz
großen Stellenwert ein. Kinder- und Familienfreundlichkeit heißt eines der Ziele. Aachen soll
gerade für Familien attraktiver werden. Durch den Neubau von Mietwohnungen oder auch
die Schaffung neuer innovativer Wohnformen sollen junge Familien wieder in die Stadt
gezogen werden.
Fragebogen Familie A
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an
Wohnqualität?
Familien in Aachener Mietwohnungen - Familien auf dem Wohnungsmarkt
Adresse: Welkenrather Straße
Familiengröße: 5
Alter der Familienmitglieder: 37, 37, 9, 7, 2
Wohnen mit WBS-Schein:
ja
Wohnungsgröße: 130 m²
x nein
1.) Standort, direkte Umgebung, Stadtviertel:
a) Was war euch wichtig bei der Wohnungssuche?
Nähe zum Grünen, Nähe zu kirchlicher Gemeinde (Kinderhort, Jugendgruppen,
Jugendheim,…), Ruhe
b) Nach welchen Kriterien habt ihr schließlich die Mietwohnung ausgewählt? z.B. Standort,
Kosten, Infrastruktur, Nähe zu Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz, etc.
Kosten, allerdings nur in Bezug zum Standort. Wir hätten nicht jede Wohnung genommen.
Außerdem wollten wir in die Nähe meiner Schwester ziehen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 198
c) Gab es einen individuellen Grund genau dorthin zu ziehen?
Ja, sportliche Aktivitäten sind in der Nähe möglich. Außerdem ist der Arbeitgeber meines
Mannes unmittelbar daneben.
2.) Wohnung
a) Welche Anforderungen stellt ihr an eure Wohnung?
Ruhe (für uns, aber auch für die anderen vor uns), angenehme Atmosphäre (gepflegtes
Haus), großer Wohn-/Kochbereich als zentraler Treffpunkt für die Familien
b) Sind Qualitäten von Eigenheimen auch in Mietwohnungen zu erreichen?
Nein. Für mich (und unsere Kinder) wäre ein Garten sehr wünschenswert. Wir haben uns
erkundigt, das ist aber für uns in Innenstadtlage nicht zu bezahlen. Deshalb bauen wir in der
Nähe Aachens ein Eigenheim. Natürlich ist die Infrastruktur schlechter, aber Natur ist uns für
das Aufwachsen unserer Kinder wichtiger.
3.) soziales Umfeld
a) Habt ihr Kontakt zu euren Nachbarn?
Ja, wir haben viele Bekannte aus der katholischen Gemeinde. Aus dem Haus treffen wir uns
regelmäßig mit einem befreundeten Pärchen.
b) Wie würdet ihr eure Umgebung beschreiben. Ist sie kinderfreundlich?
Ja, für die Stadtlage sehr. Der Westpark ist direkt nebenan, dort können die Kinder sich
austoben. Am Wochenende fahren wir aber lieber aus der Stadt heraus zu meinen
Schwiegereltern.
c) Wie wichtig war das soziale Umfeld bei der Wohnungswahl?
Sehr wichtig.
d) Habt ihr euch vor dem Einzug über die Mieterstruktur im Haus informiert?
Ja, meine Schwester wohnt im selben Haus, deshalb kannten wir sowohl Haus als auch
Bewohner.
4.) Zukunftsvisionen
a) Was stellt ihr euch wohnungsmäßig für die Zukunft vor?
Eigenheim im Grünen
b) Wo seht ihr Handlungsbedarf zum Thema Familien in Mietwohnungen?
Es müsste mehr große, nicht zu teure Wohnungen geben. Außerdem mehr Freiflächen
draußen aber auch Abstellmöglichkeiten für Kinderwagen/Fahrrad…
c) Was könnte allgemein in Aachen für Familien verbessert werden?
Mehr Grünflächen, Familienangebot für Freizeitgestaltung (Schwimmen,…)
Fragebogen Familie B
Entspricht der Mietwohnungsbestand für Familien den heutigen Anforderungen an
Wohnqualität?
Familien in Aachener Mietwohnungen - Familien auf dem Wohnungsmarkt
Adresse: Rosstraße
Familiengröße: 4
Alter der Familienmitglieder: 29, 28, 7, 1
Wohnen mit WBS-Schein:
ja
Wohnungsgröße:
75 m²
x nein
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 199
1.) Standort, direkte Umgebung, Stadtviertel:
a) Was war euch wichtig bei der Wohnungssuche?
Nähe zum Kinderhort, Nähe zum Grünen (Westpark) und trotzdem noch Innenstadt, gute
Einkaufsmöglichkeiten fußläufig zu erreichen, Kulturangebot vorhanden
b) Nach welchen Kriterien habt ihr schließlich die Mietwohnung ausgewählt? z.B. Standort,
Kosten, Infrastruktur, Nähe zu Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz, etc.
Standort, soziales Umfeld, Kosten eher zweitrangig, sonst wären wir wohl nach außerhalb
gezogen
c) Gab es einen individuellen Grund genau dorthin zu ziehen?
War eher Zufall, genau diese Wohnung zu finden. Aber sie passte.
2.) Wohnung
a) Welche Anforderungen stellt ihr an eure Wohnung?
Mindestens einen Außenraum (Terrasse, Balkon, am besten zum Spielen für die Kinder ein
Garten), Badewanne, Ruhe (nach hinten raus, keine Verkehrsbelastung)
b) Sind Qualitäten von Eigenheimen auch in Mietwohnungen zu erreichen?
Bedingt ja. Flexibilität ist gewährleistet, trotzdem hat man schönes Heim. Andererseits kann
man natürlich in Eigenheimen besser so leben, wie man selber will.
3.) soziales Umfeld
a) Habt ihr Kontakt zu euren Nachbarn?
Ja. Wir passen gegenseitig auf die Kinder auf, helfen uns wo es geht. Den Älteren im Haus
zum Beispiel helfen wir beim Einkaufen, Arztbesuchen, sie kümmern sich um die Kinder,
wenn mein Mann und ich beruflich stark eingespannt sind.
b) Wie würdet ihr eure Umgebung beschreiben. Ist sie kinderfreundlich?
Ja. Wir wohnen im verkehrsberuhigten Bereich. So können die Kinder relativ sicher draußen
spielen. Spielplätze könnten allerdings mehr vorhanden sein bzw. verschönert werden
c) Wie wichtig war das soziale Umfeld bei der Wohnungswahl?
Sehr wichtig. Wir wollten schon ein angenehmes Umfeld haben, in dem wir uns wohlfühlen.
Also Menschen in ähnlichen Lebenssituationen, aus ähnlichen Bevölkerungsgruppen.
d) Habt ihr euch vor dem Einzug über die Mieterstruktur im Haus informiert?
Ja, wir haben uns die Nachbarn, Flur, Hof, Garten angeguckt.
4.) Zukunftsvisionen
a) Was stellt ihr euch wohnungsmäßig für die Zukunft vor?
Wir wollen in der Stadt wohnen bleiben, da wir die Vorteile nicht missen wollen. Da wir
finanziell unabhängig sind, können wir uns das Stadtleben in angenehmem Viertel/Umfeld
und in schöner Wohnung gut leisten.
b) Wo seht ihr Handlungsbedarf zum Thema Familien in Mietwohnungen?
Sozial schwächere Gegenden sollten aufgewertet werden, um Brennpunkte zu vermeiden
und den dortigen ärmeren Familien auch günstige Lebensmöglichkeiten zu geben.
c) Was könnte allgemein in Aachen für Familien verbessert werden?
Es gibt zu wenig Spielplätze, sehr wenig Grün innerhalb der Stadt (außenherum OK).
Außerdem könnte die Stadt fahrrad- und fußgängerfreundlicher werden.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 200
Kein Dach über dem Kopf
– Wie leben wohnungslose Frauen in Aachen?
Janine Hausmann, Verena Knetschowsky
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 201
Inhalt
Kein Dach über dem Kopf – Wie leben wohnungslose Frauen in Aachen?
1
Einleitung
2
Obdachlosigkeit
3
Betrachtung Aachen
4
Fazit und persönliche Stellungnahme
5
Quellenangaben und Bildverzeichnis
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 202
1
Einleitung
Geht man durch die Stadt, so sieht man sie mal
hier mal da, an der Hauskante sitzend, mit einem
kleinen Döschen, in das der ein oder andere
Passant ein paar Cent rein wirft: Obdachlose.
Hört man den Begriff Obdachlosigkeit, fällt einem
zuerst der bettelnde „Penner“ auf der Straße ein,
meist allein, männlich und mittleren Alters. Er lebt
auf der Straße und schnorrt sich durch sein Leben;
um dieses besser zu ertragen kauft er sich von dem
wenigen gesammelten Geld Alkohol. Doch
spiegelt dieses Bild, das Leben aller Obdachlosen
wieder? Leben so, die rund 400 Personen in
Aachen, die nicht im Besitz einer eigenen Wohnung sind? Wie kommt es überhaupt dazu,
dass Menschen so leben? Welche Möglichkeiten stehen ihnen zur Verfügung und wo können
sie in kalten Nächten Unterschlupf finden? Dieses doch für viele sehr unbekannte Thema,
haben wir in unserer Seminararbeit einmal genauer untersucht und sind dabei besonders auf
den Schwerpunkt „wohnungslose Frauen“ eingegangen. Ein Gruppe, die man nur äußerst
selten auf der Straße sieht, aber bedeutet dies auch, dass es sie nicht gibt? Und wenn doch,
wie leben diese und was für Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung?
Diese und noch viele andere Fragen haben wir versucht in einer umfangreichen
Untersuchung zu beantworten. Dabei haben wir in Fachliteratur und im Internet recherchiert
und statistische Materialien ausgewertet. Durch Interviews mit Mitarbeitern des Sozialamtes,
der Caritas und des Fachbereich Wohnens haben wir viel über die Situation der Obdachlosen
in Aachen erfahren. Anschließend haben wir ausgewählte Einrichtungen besucht und
weitere Interviews mit den entsprechenden Mitarbeitern geführt.
In unserer Seminararbeit werden wir zuerst einen allgemeinen Überblick schaffen, indem wir
auf die Entstehung von Obdachlosigkeit und die Besonderheiten bei obdachlosen Frauen
eingehen. Außerdem werden wir aktuelle Statistiken erläutern. Anschließend beleuchten wir
die Situation in Aachen genauer, wobei wir auch hier auf Statistiken eingehen, so wie einen
Überblick über das Angebot für Obdachlose in Aachen geben werden. Zum Schluss
beurteilen wir die aktuelle Lage, leiten daraus für unser Fazit Verbesserungsvorschläge ab
und werden des Weiteren auf ein positives Fallbeispiel aus NRW eingehen.
2
Obdachlosigkeit
Begriffsbestimmung
Als obdachlos werden die Personen bezeichnet, die ohne Unterkunft sind oder denen der
Verlust ihrer Wohnung bevorsteht. Des Weiteren zählen zu den Obdachlosen die Personen,
die in menschenunwürdigen Lebensbedingungen wohnen oder in einer Notunterkunft
untergebracht sind und sich nicht aus eigener Kraft eine Unterkunft beschaffen können.
Dagegen werden Personen nicht als obdachlos bezeichnet, die nicht sesshaft sind, die sich
um politisches Asyl bewerben oder als Aussiedler vorübergehend untergebracht sind.
(Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen)
Entwicklung zur Obdachlosigkeit
Wohnungslosigkeit kann vielfältige Ursachen haben, es gibt sowohl individuelle Gründe, wie
auch
strukturelle
Versorgungsdefizite.
Führen
die
strukturellen
Ursachen
(Wohnungsmarktlage, Demographische Faktoren u. sozioökonomische Faktoren) zu einem
Mangel an bezahlbaren, angemessenen Wohnraum, so können die individuellen Probleme
zur Wohnungslosigkeit führen. Diese Probleme können u.a. sein: Arbeitslosigkeit, Schulden,
soziale Schwierigkeiten Suchtprobleme oder psychische Erkrankungen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 203
Häufige Ursachen der Wohnungslosigkeit sind:
• Kündigung und Räumungsklage, die meist auf Grund von Mietschulden dazu
zwingen die Wohnung zu verlassen (bei Frauen seltener)
• „ungesicherte Entlassung“: Patienten, Klienten und Haftentlassene, wenn sie bei ihrer
Entlassung in keinen bestehenden Haushalt zurückkehren und keinen Wohnung
mehr haben
• Frauen und Männer die nach einer Trennung vom Partner ausziehen/vertrieben bzw.
verlassen werden und die Wohnung allein finanziell nicht getragen werden kann
• Junge Erwachsenen, die aus dem elterlichen Haushalt ausziehen und keine andere
Unterkunft zur Verfügung haben, dies tritt besonders häufig bei konflikthaltigen
Familienverhältnissen auf
Zuwanderung, Flucht und Vertreibung
Einen großen Teil der Wohnungsnotfälle bilden die Aussiedler, die zumeist in
Überganswohnheimen und anderen Notunterkünften aufgenommen werden. Dagegen
gelten ausländische Flüchtlinge erst als Wohnungsnotfälle, wenn sie längerfristig
aufgenommen werden und in der Bundesrepublik einen Wohnsitz begründen dürfen.
Situation der obdachlosen Frauen – Ursachen, Unterschiede, Hilfsbedarf
Neben den soeben genannten Ursachen der Wohnungslosigkeit, spielen bei Frauen noch
andere entscheidende Faktoren und Risiken eine wichtige Rolle.
Armut
Frauen sind besonderen Armutsrisiken ausgesetzt:
•
•
•
•
•
•
•
Strukturelle und wirtschaftliche Benachteiligung
geringeres Einkommen als Männer (30%)
Die Erwerbsquote von 60% bei Frauen liegt deutlich unter der von Männern
90% aller Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten sind Frauen
Ihre Renten sind durchschnittlich um die Hälfte niedriger als die von Männern
Traditionelle Geschlechterrolle zu Lasten einer eigenständigen Existenzsicherung
Alleinstehende u. -erziehende bilden die größte Gruppe, die Lebensunterhalt
beziehen
Diese Armutsrisiken können zu einer finanziellen Abhängigkeit vom Partner führen und
im Falle einer Trennung zu einer wirtschaftlich schwierigen Notlage.
Häusliche Gewalt und Beziehungsprobleme
Kommt es zu häuslicher Gewalt sind in der Regel Frauen und Kinder die Opfer. Durch
finanzielle Abhängigkeit und aus Angst vor dem Täter wird die Loslösung aus einer
Gewaltbeziehung erschwert. Über die Hälfte der Frauen gerät durch Probleme in der
Partnerschaft in eine Notsituation, bei Männern ist es jedoch nur ein Drittel.
Frauen sind einem höheren Armuts- und Gewaltrisiko ausgesetzt als Männer, dies bedeutet
jedoch nicht, dass sie auch häufiger wohnungslos werden. Sie verfügen über ein größeres
soziales Netz und sind eher in der Lage ungünstige Bedingungen zu kompensieren.
Außerdem sind sie oftmals stärker motiviert ihren Lebensraum zu erhalten, da für sie das
Wohnumfeld und die Familie eine stärkere Bedeutung haben.
Unterschiede im Umgang mit der Wohnungslosigkeit
Wohnungslose Frauen lassen sich in drei Gruppen einteilen:
•
•
•
Verdeckte Wohnungslosigkeit: Frauen, die ohne Wohnung sind, jedoch in
Frauenhäuser, Anstalten, bei Freunden usw. leben (größte Gruppe)
Drohende bzw. latente Wohnungslosigkeit: Frauen, die in unzumutbaren
Wohnverhältnissen leben und unmittelbar von Wohnungsnot bedroht sind
Sichtbare Wohnungslosigkeit: Frauen, die auf der Straße leben (kleinste Gruppe)
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 204
Frauen schämen sich in ihrer Notlage oftmals mehr als Männer und bemühen sich ihre
Wohnungslosigkeit so lange wie möglich verdeckt zu halten. Die Dunkelziffer der
alleinstehenden wohnungslosen Frauen ist dementsprechend höher als die der
alleinstehenden wohnungslosen Männer. Bevor Frauen den Verlust ihrer Wohnung
öffentlich machen und Hilfe einfordern, versuchen sie lange Zeit nach außen den Schein von
Normalität zu wahren. Sie sind zunächst bemüht wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche
oder durch familiäre/ partnerschaftliche Gewalt ausgelöste Probleme selbst zu bewältigen.
Sie bleiben auf Grund materieller sowie sozialer Abhängigkeit in prekären Wohnsituationen
und Lebensverhältnissen. Aus Angst vor Diskriminierung oder bei Müttern aus Angst das
Sorgerecht zu verlieren, suche sie erst spät Hilfseinrichtungen auf.
Dieses Bedürfnis, eigene Problemlösungen zu finden, verstärkt die vorhandenen Probleme
und kann zu neuen führen. Anders als bei Männern, wird für Frauen der Verlust des privaten
Schutzraumes zu einer stärkeren Belastung, die psychosomatische und psychische
Krankheiten, sowie den Missbrauch von Drogen, Medikamenten und Alkohol zur Folge
haben kann. Dieser Verlust ist für sie von größerer Bedeutung, da sie im Vergleich zu
Männern, unmittelbar von Gewalt bedroht sind, weniger sozial akzeptiert sind und stärker
auf ihr Äußeres und ihre Kleidung reduziert werden.
Um nicht als wohnungslos „enttarnt“ zu werden, begeben sich Frauen in neue
Abhängigkeiten, dies kann das Unterschlüpfen bei Freunden sein oder sie kehren in
ehemalige Gewaltbeziehungen zurück oder landen schlimmstenfalls in der
Wohnungsprostitution.
Hilfsbedarf
Das momentane Hilfsangebot ist traditionell auf Männer zugeschnitten und wird
überwiegend von ihnen genutzt, wodurch viele Frauen davon abgehalten werden
überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen. Frauen verzichten aus Angst vor Diskriminierung
und Gewalt auf diese, meist geschlechtergemischten Einrichtungen was zur Folge hat, dass
sie bei den gemischten Hilfseinrichtungen nur schwach vertreten sind und nicht die gleichen
Chancen wie Männer zum Hilfesystem haben. Auch die Problemfelder bei Frauen
unterscheiden sich von denen der Männer und daher benötigen sie speziell auf Frauen
zugeschnittene Hilfsprogramme. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass dort wo es spezielle
Angebote für Frauen gibt, diese auch genutzt werden. Das Hilfsangebot für Frauen muss an
ihre individuellen Lebenssituationen ansetzen und den Hilfe- und Veränderungsprozess
unter Einbeziehung ihrer sozialen Kompetenzen und Ressourcen fördern. Hierfür benötigen
sie einen geschützten, männerfreien Raum und die Beratung durch weibliche Fachkräfte.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 205
Statistische Betrachtung der Obdachlosigkeit NRW
Obdachlosenzahlen allgemein
Das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen führt jeweils zum
30. Juni jährlich eine Erhebung über die Obdachlosigkeit durch. Ziel dieser Erhebung ist es,
einen Überblick über die Anzahl der obdachlosen Personen in NRW zu bekommen.
Außerdem werden bei dieser Erhebung die Unterbringung und die Gründe ihrer
Obdachlosigkeit untersucht.
Erfasst werden können daher auch nur die Personen, die im Sinne der in 2.1 aufgeführten
Begriffsbestimmung offiziell obdachlos gemeldet sind.
40000
35000
30000
25000
Haushalte
20000
davon Einpers.haushalte
Personen
15000
fristlose Kündigung
10000
5000
0
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
In der Grafik wurden die Obdachlosenzahlen NRWs von 1998 bis 2005 aufgeführt.
Unterschieden wurden sowohl die Gesamtzahl der Haushalte gegenüber den
Einzelhaushalten, als auch die Personen allgemein und die Anzahl, die aus dieser Gruppe auf
Grund Zahlungsverzugs oder eines unzumutbaren Mietverhältnisses fristlos gekündigt
wurden.
Grundsätzlich lässt sich erkennen, dass die Zahl der Personen und somit auch die der
Haushalte seit 1998 deutlich abgenommen haben. Insgesamt ist eine Reduzierung um 53 %
bei den obdachlosen Personen in NRW zu verzeichnen. Bei der Betrachtung bezüglich der
Haushalte kann fest gestellt werden, dass eine Gewichtung zu Gunsten der Einzelhaushalte
erfolgt ist. 1998 wurden 50% der Personen obdachlos, die aus Einpersonenhaushalten
stammten. 2005 war diese Gruppe schon auf 67% angestiegen.
Obdachlosenzahlen bei Frauen
Auf Grund der schon erwähnten hohen Dunkelziffer ließen sich keine statistisch erfassten
Zahlen finden.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG) schätzt in einer
Informationsschrift von 1997 den Frauenanteil der Alleinstehenden Frauen auf 21%, den in
Familien lebenden Teil der Frauen auf 34%. Der in Familien geschätzte Prozentsatz in
Hinblick auf die Männer und Jugendlichen liegt dagegen bei 19% und 47%. Insgesamt lässt
sich somit ein Gesamtwert von 30% obdachlose Frauen schätzen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 206
3
Betrachtung Aachen
Obdachlosenstatistiken (Obdachlosenzahlen allgemein)
450
400
350
300
Haushalte
250
davon Einpers.haushalte
200
Personen
150
fristlose Kündigung
100
50
0
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Ebenfalls vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik wurden die
Obdachlosenzahlen der Städte innerhalb NRWs erfasst.
Auch hier ist eine Abnahme bezüglich der Zahl der in Aachen lebenden Obdachlosen
erkennbar, allerdings nur bis 2003. Im folgenden Jahr steigt die Kurve wieder. 2005 konnten
in Aachen insgesamt 400 obdachlose Menschen statistisch erfasst werden. Bezüglich der
Entwicklung der Einzelpersonenhaushalte ist auch hier eine Zunahme von 50 auf 75%
innerhalb einer Zeitspanne von 8 Jahren feststellbar.
Obdachlosenzahlen bei Frauen
Über die obdachlosen Frauen in Aachen sind ebenso wie für NRW-Gesamt keine Statistiken
erstellt worden.
Daher lässt sich auf der Basis eines Zitates von Herr Knops (Caritas) „Die Zahl der
obdachlosen Frauen in Aachen ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken“, vermuten,
dass diese Aussage auf Aachen bezogen werden kann.
Dennoch liegt die Zahl der Frauen in der Wärmestube deutlich höher als auf der Straße.
Vermutlich ist es das Schutzbedürfnis, dass die Frauen eher im Tagestreff als auf der Straße
erhalten können.
Aus dem Jahresbericht 2004 der Caritas konnten wir bezüglich konkreter Zahlen nur
entnehmen, dass 156 Frauen im Jahr 2004 die ambulante Hilfe der
Frauenfachberatungsstelle in Anspruch nahmen.
Jede Einrichtung hat uns wieder gespiegelt, dass dies ein sehr schwieriges Thema sei. Die
hohe Dunkelziffer lässt keine qualifizierte Aussage darüber zu, wie viele Frauen nun wirklich
von der Obdachlosigkeit betroffen sind, denn sie treten kaum aus den vorher genannten
Gründen in die Öffentlichkeit.
Aachen im Vergleich zu NRW
In der Gegenüberstellung der beiden Grafiken lässt sich zusammenfassend sagen dass
Aachen innerhalb NRWs eine Ausnahmeposition darstellt. Denn für NRW sind die
Obdachlosenzahlen deutlich abnehmend (ca. 10%), im Gegensatz zu Aachen, denn hier ist
seit 2004 wieder ein positiver Verlauf zu vermerken.
Aus dieser Auffälligkeit lässt sich folgende Vermutung ableiten. Denn bedingt durch das
ausgeprägte Netzsystem der Aachener Einrichtungen äußerte Herr Kuckelkorn als
Mitarbeiter des Sozialamtes, dass in den letzten Jahren ungewöhnlich viele obdachlose
Personen von außerhalb nach Aachen gekommen seien.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 207
Angebote für Obdachlose in Aachen – Auch für Frauen geeignet?
Thesen aus den Interviews (Sozialamt, Caritas, Fachbereich Wohnen)
Bezüglich der Hauptproblematik der Obdachlosigkeit sieht Herr Kuckelkorn vom Sozialamt
folgende Ursache: Die hohe Anzahl der alleinstehenden Obdachlosen sehen immer weniger
Perspektiven, sie sind am untersten Stand angelangt, dies hat zur Folge, dass die jeweiligen
Ansprüche an ihr Leben sinken. Durch die in den Obdachlosenheimen vorherrschenden
Annehmlichkeiten wird oft – seitens der Betroffenen – die Einrichtung als Ziel ihres Lebens
verstanden. Frau Zadel, arbeitet als Dipl. Sozialpädagogin im Don Bosco Haus und erklärte
uns die Ursachen dieser Perspektivlosigkeit wie folgt: Im Vergleich zu vergangen Jahren sind
heutzutage die Obdachlosen stärker durch Arbeitsplatzverlust und Trennungen geprägt. Die
Ressourcen auf die zurück geblickt werden können, sind deutlich geringer als früher. Früher
konnten die Betroffenen bei einer entstanden Obdachlosigkeit auf einen erfolgreichen
beruflichen Werdegang o.ä. zurück blicken. Diese Ressourcen fehlen heutzutage besonders
den Jugendlichen, die obdachlos werden, sie kennen kaum ein anderes Leben, haben es
oftmals von den Eltern nicht anders vorgelebt bekommen und blicken daher ohne jegliche
Perspektive und Lebenssinn in die Zukunft. Diesem Personenkreis eine Motivation entgegen
zu bringen, welche einer erfolgreichen Resozialisierung entgegen strebt, stellt sich
zunehmend als schwierig heraus.
Durch ihre privaten Probleme haben sich innerhalb ihres Lebens andere Prioritäten
entwickelt, das saufen und fixen steht vor einem gesellschaftlichen Miteinander.
Außerdem betonte Herr Kuckelkorn, dass die zunehmende Gewalt- und
Vandalismusbereitschaft, ein aktuelleres Thema als je zuvor darstellt, besonders in den
städtischen Einrichtungen, wird besonders von außerhalb ein hohes Gewaltpotential
eingetragen.
Herr Knops, Mitarbeiter der Caritas, sieht ein anderen Schwerpunkt als Hauptproblematik der
Obdachlosigkeit und zwar die entstandene Doppeldiagnose vieler Obdachloser.
Doppeldiagnose bedeutet, dass die schon seit Jahren bestehende Suchtproblematik von der
fast alle Obdachlose betroffen sind zunehmend in Kombination mit psychischen
Erkrankungen auftritt.
Herr Goltz von der Wohnungsvermittlung der Stadt Aachen sieht ein gravierendes Problem
bezüglich unseres Themas in der notwendigen Wohnungsvermittlung. Denn es gibt ein
hohes Angebot an 2 Zimmer-Wohnungen in Aachen, daher sind Familien und
Einzelpersonen schwer zu vermitteln. Denn neben dem oft auftretenden äußerlichen
Erscheinungsbild und der Tatsache, dass diese Personen obdachlos sind, sind viele Vermieter
ihnen gegenüber abgeneigt. Hinzu kommt die gesetzliche Grundlage, der
Wohnberechtigungsschein lässt max. 45m²/Person zu und 2-Zimmer-Wohnungen, liegen in
ihrer Grundfläche meist über diesem Richtwert.
Die in 2.3 aufgestellten Thesen und Vermutungen, bezüglich obdachloser Frauen, wurden
von allen Interview-Partnern bestätigt.
Als Prognose ließen sich zwei markante Aussagen heraus stellen. Herr Knops fasste
zusammen und äußerte sich über die Entwicklung folgendermaßen. Es wird eine Zunahme
der Obdachlosigkeit und der Verarmung erfolgen, da die Anzahl der Vollbeschäftigten
abnehmen und die der Scheidungsraten zunehmen wird. Von dieser Entwicklung sind seiner
Meinung nach überproportional Frauen betroffen.
Zusätzlich sagte Herr Kuckelkorn das die Zahl der Alleinstehenden (zur Zeit 42% in Aachen)
und die der Ausländer (zur Zeit 25% in Aachen) steigen wird.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 208
Übersicht der Einrichtungen
Netzsystem der Einrichtungen
Aachen verfügt über ein ausgeprägtes Netzsystem an Obdachloseneinrichtungen. Alle Arten
von Institutionen, die im Folgenden näher erläutert werden, stehen im engen Kontakt
zueinander und vermitteln die Betroffenen bei Bedarf weiter.
Städtische Einrichtungen
Die Stadt Aachen unterhält 10 Einrichtungen für Obdachlose
Aretzstr. 39-45
Bahnhofstr. 30-32
Heinrichsallee 46
Hüttenstr. 140 und 146
Kongreßstr. 18-20
•
•
•+•
•+•
Robert-Koch-Str. 5-15
Vaalser-Str. 149-153
Weißwasserstr. 1,3-6, 8
Lintertstr.
Wirichsbongardstr. 16
•+•
•+•
•+•
•+•
•+•
Die städtischen Einrichtungen haben im Vergleich zu den privaten, keinen Regelkatalog und
dürfen daher weder Personen ablehnen noch ihnen Hausverbot erteilen. Aufgrund dessen
gelten diese Häuser zunehmend als Problemhäuser, da Gewalt, Vandalismus und
Drogenkonsum an der Tagesordnung sind. Auch die zuständigen Sozialarbeiter sprechen
von steigender Annäherungsproblematik, denn auch sie werden zunehmend Bedrohungen
und Gewalt ausgesetzt.
Spezielle Angebote für Frauen
Nur in der Lintertstraße ist eine separate Etage für Frauen vorhanden, in den übrigen
Einrichtungen haben Frauen nur selten eigene Bereiche.
Für die Benutzung der Obdachlosenunterkünfte der Stadt Aachen sind Gebühren zu
erheben. Als Berechnungsgrundlage für die Höhe der Gebühr gilt für diese Einrichtungen die
Wohnfläche in m².
Für Unterkunftseinheiten mit Bad/Dusche und Heizung werden zusätzlich 0,52 monatlich je
Quadratmeter Wohnfläche erhoben.
Gebührenpflichtig sind die Benutzer, die durch Einweisungsverfügung des
Oberbürgermeisters in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen werden.
Diese finanziellen Leistungen für die Betroffenen werden von der ARGE getragen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 209
Miete
Nebenkosten
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 210
Einrichtungen der Caritas
Die Wohnungslosenhilfe des Caritasverbandes für die Regionen Aachen Stadt und Land e.V.
wird in 3 Bereiche unterteilt. Es gibt sowohl ambulante, als auch stationäre und teilstationäre
Hilfseinrichtungen. Ambulante Projekte beruhen darauf, den Wohnungslosen tagsüber eine
Unterkunft und Gesprächsmöglichkeiten zu bieten. Im Gegensatz dazu ist bei der
stationären Einrichtung ein permanenter Aufenthalt in der Einrichtung erforderlich. Die
Bewohner haben sich an Regeln zu halten und eine Mitarbeit hinsichtlich ihres Rückweges in
eine soziale Integration ist unabdinglich für einen bestehende Unterkunft.
Dem stationären folgt der teilstationäre Bereich, bei dieser Hilfsform werden die Bewohner
stärker in ihrer Eigenständigkeit gefördert.
Ambulante Hilfen: (Finanzierung über die ARGE)
1. Streetwork
(Herrmannstr. 14, Aachen)
2. Café Plattform
(Herrmannstr. 14, Aachen)
3. Übernachtung
(Herrmannstr. 14, Aachen)
s. 3.2.3.1
s. 3.2.3.1
Art der Hilfe:
- niedrigschwelliges Angebot für Langzeit-Wohnungslose
- Akzeptanz und Beziehungsaufbau
- Befriedigung primärer Bedürfnisse
- Medizinisch-pflegerische Hilfe
- Vorbereitung zur stationären Hilfe
- Hilfe für Personen, die stat. Hilfe ablehnen
- Auffangen von Personen, die aus stat. Hilfe herausfallen
4. Fachberatungsstelle
(Herrmannstr. 14, Aachen)
Art der Hilfe:
-
Angebot für Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit
bedrohte Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten
Beratung, Entschuldungshilfe, Wohnungs- und Arbeitssuche,
Durchsetzung von Rechtsansprüchen, Vermittlung in andere
Einrichtungen
Stationäre Hilfen: (Finanzierung über den Pflegesatz des Landschaftsverbands)
1. Don-Bosco-Haus
(Robert-Koch-Str. 1-3)
s. 3.2.3.2
2. Impuls
(Martin-Str. 1, Alsdorf)
Art der Hilfe:
-
Angebote für Personen mit vielschichtiger sozialer Problematik
Soziale Einzelfall- und Gruppenarbeit
Durchsetzung von Rechtsansprüchen
Entschuldungshilfe
Freizeit- und Sportangebot
Selbstständigkeitstraining
Vorbereitung auf andere Hilfen
Nachbetreuung
Bearbeitung von Suchtproblematik (im DBH: Alkohol- und
Drogenfreie WG; Impuls: sozialtherapeutische
Trainingseinrichtung für Suchtkranke)
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 211
Teilstationäre Hilfe: (Finanzierung über die ARGE)
1. Betreutes Wohnen in der WG Aretzstraße (Aretzstr.3, Aachen)
Art der Hilfe:
-
junge Erwachsene zw. 18 und 27 Jahren
Aufarbeitung von Persönlichkeitsdefiziten
Befähigung zur eigenständigen und eigenverantwortlichen
Lebensführung
Einzelfall und Gruppenarbeit
Verhaltenstraining
Freizeitgestaltung
Entschuldungshilfe
Durchsetzung rechtlicher Ansprüche
Vermittlung in: Schule, Ausbildung, Arbeit, Wohnung
Nachbetreuung
Spezielle Angebote für Frauen
Wenige der o.g. Einrichtungen bieten Frauen ein spezifisches Angebot; nur im Don Bosco
Haus wird die Möglichkeit geboten, Frauen-WGs zu bilden.
Sonstige Einrichtungen
Private und kirchliche Hilfsangebote unterstützen zusätzlich die Obdachlosenhilfe
Beispiele:
•
•
•
WABe e.V. (Diakonisches Werk)
- Wärmestube und Notunterkunft, Ottostr. 80
- Fachberatungsstelle und Café für Frauen,
Warmweiherstr. 28
Kloster
- Franziskanerkloster /Schervier-Stube: Frühstück,
Kleinmaschierstr. 47
- Kloster der Elisabethinnen : Mittagessen,
Preusweg 2
Arbeitskreis Straffälligen Hilfe e.V.
- Betreutes Wohnen für ehem. Straffällige und
Suchtkranke, Königstr.
•+•
•
•+•
•+•
•+•
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 212
Ausgewählte Einrichtungen
Café Plattform, Herrmannstr. 14
(Gespräch mit Frau Holzapfel, Sozialarbeiterin)
Das Café Plattform ist die Wärmestube und Notschlafstelle der Caritas. Es gilt als ambulante
Einrichtungen und ist auf Grund der Zugehörigkeit zur Caritas nicht regelfrei. Verboten sind
Dinge wie Äußerung zur Fremdenfeindlichkeit, bis hin zur Gewaltausübung und
Drogenkonsum.
Das integrierte Café ist ab 16:30h geöffnet und bietet neben einer warmen Malzeit einige
Getränke zu günstigen Preise. Die Notschlafstelle hat eine Kapazität von 20
Schlafmöglichkeiten. Zusätzlich sind 4 Notbetten vorhanden, die abends im Café aufgestellt
werden können. Die wohnungslosen Personen, die die Notunterkunft nutzen, müssen diese
um 07.30h verlassen und dürfen dann erst um 15h zurück kehren.
Das Café und die Notschlafstelle stehen in enger Verbindung, denn nur eine Einrichtung für
„Übernachtungsgäste“ – ohne Wärmestube – würden anhand der Erfahrungen der
Sozialarbeiter von den Obdachlosen nicht angenommen werden.
Im Vordergrund, sagte Frau Holzapfel, steht für die Betreuer der Einrichtung der persönliche
Kontakt mit den hier hin kommenden bindungslosen und einsamen Menschen. Sie schaffen
für sie ein Stück „Zuhause“ und versuchen die Wohnungslosen auf einen Weg zu bringen,
der sie eigenständig, aber auch mit Hilfe von speziellen Projekten ins soziale Leben integriert.
Jedoch als Unterstützung zur völligen Resozialisierung sehen sich die Sozialarbeiter in dieser
Einrichtung nicht an, denn meist fehlt es den Obdachlosen überhaupt an den Grundlagen
wie Erstsozialisierung, Wohnfähigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein und
letztendlich an dem notwendigen Willen, wieder in den Alltag zurück zu kehren.
Das Café Plattform besuchen meist 40-50 Personen pro Tag, 600 verschiedene Personen pro
Jahr, zeigen eine hohe Fluktuation in dieser Einrichtung auf.
Nur selten kommen Personen in die Wärmestube, die so engagiert sind, dass sie an das Don
Bosco Haus als stationäre Einrichtung vermittelt werden können (ca. 1 Person/Monat).
3-4 Personen verweilen über einen längeren Zeitraum in dieser Unterkunft. Meist sind dies
psychisch Kranke oder starke Alkoholiker, doch ein dauerhafter Aufenthalt sollte eigentlich
eine Ausnahme bilden.
Der Anteil der Frauen, die diese Einrichtung besuchen ist besonders gering (5% Frauenanteil
im Café und 0,8% in der Notschlafstelle), da das Café Plattform ursprünglich eine
Männereinrichtung war. Die nächtliche Anwesenheit von Frauen wird als sehr schwierig
angesehen, da die Räumlichkeiten keinen separaten Schlafraum hergeben.
Kinder dürfen seitens des Gesetzes nicht dort schlafen und auch ein Besuch im Café wird nur
ungern gesehen, aber geduldet.
Frau Holzapfel sieht den Grund für den geringen Frauenanteil darin, dass sie anders
sozialisiert sind, vorrausschauender und in Netzwerken denken und auch willensstärker als
Männer sind. Auch ist es so, dass Frauen, wie schon erwähnt eher in den Bereich der
Wohnschlafprostitution gelangen, bevor sie freiwillig Hilfe annehmen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 213
Neben der Wärmestube und der Notschlafstelle bietet die Caritas in der Herrmannstraße
auch einen Kleiderladen und mittwochs auch eine Wundpflege an. Die Wundpflege wird von
einem Zivi oder einer Krankenschwester betreut, jedoch entgegen ersten Vermutungen nur
wenig angenommen.
Dies lässt sich aber auf Grund der veränderten Strukturen innerhalb der Obdachlosigkeit
erklären, denn durch das gute Netzsystem in Aachen kommt es kaum noch zu diesen
extremen Verwahrlosungen, die oft mit offenen Wunden etc. verbunden sind.
Zusätzlich ist es das Ziel der Sozialarbeiter, die Wohnungslosen in ärztliche Praxen weiter zu
verweisen, denn separate Einrichtungen würden entgegen einer Integration und einer
notwendigen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft wirken, denn umso mehr
Serviceleistungen für Obdachlose geboten werden, desto weniger herrscht der Anreiz vor,
wieder in ein möglichst normales Leben zurück zu kehren.
Frau Holzapfel prognostiziert, dass besonders die Zahl der psychisch Erkrankten und die der
Jugendlichen zunehmen wird.
Don Bosco Haus, Robert-Koch-Straße 1-3
(Gespräch mit Frau Zadel, Dipl. Sozialpädagogin)
Das Don Bosco Haus ist die stationäre und die ehemalige „nicht sesshaften“ Einrichtung der
Caritas und liegt südlich hinter dem Bahnhof Rothe Erde. Die vorhandene Struktur des 3teiligen ehemaligen Mietshauses ist ideal für diese Form der Einrichtung geeignet. Sie bietet
47 Wohnplätze in individuell eingerichteten Wohnungen an, von denen auch zwei als
suchtfreie WGs gegründet wurden. Denn die Drogenproblematik war schon immer ein
Hauptthema der Obdachlosigkeit und somit werden den cleanen Bewohnern möglichst
wenig Versuchungen geliefert, die zu einem Rückfall führen könnten. Im Haus können
Einzelpersonen und Paare aufgenommen werden, leider aber keine Kinder und Familien. Die
Bewohner müssen motiviert sein, ihr Leben zu ändern und sich mit 89,70 /Monat
Taschengeld zufrieden geben (die Bewohner, die selbstständig Kochen bekommen
zusätzlich einen Verpflegungszuschlag).
Vorrausetzung für die Aufnahme im Don Bosco Haus ist der Ausschluss von Drogenkonsum
und Gewalt im Haus. Veranschlagt wird ein Wohnzeitraum von bis zu 18 Monaten, innerhalb
dieser Zeit werden Sozialberichte geschrieben, die über den medizinischen Status urteilen.
Sollte eine Verlängerung aus diesen Gründen notwendig sein, kann auch eine Bewilligung
über 18 Monate hinaus genehmigt werden.
Das Ziel des Don Bosco Hauses und den zuständigen Sozialarbeitern ist es im Gegensatz zum
Café Plattform, dass ein Beziehungs- und Vertrauensaufbau zwischen den Bewohnern und
den Sozialarbeitern statt findet, ebenso wie die Förderung der gesellschaftlichen
Gemeinschaft. Neuorientierung und Perspektiven sollen in gemeinsamen Gesprächen
erarbeitet werden und abschließend zur Resozialisierung führen. Die Sozialarbeiter fungieren
somit als Wegbegleiter für die hier lebenden Personen mit sozialen Schwierigkeiten.
Frauen gibt es seit 8 Jahren im Don Bosco Haus, ihr Anteil beträgt 15-20%. Hinsichtlich ihrer
Betreuung werden keine Unterschiede zu Männern gemacht, gegenseitige Rücksichtnahme
und der Wille zur Veränderung und entsprechenden ernsthaften Arbeit wird von jedem
Bewohner erwartet.
Frau Zadel betonte aber für die Zukunft, dass der Anteil der Frauen zunehme, denn die
Annahme der „Hilfsmaschinerie“ ist in den letzten Jahren deutlich stärker geworden, Hilfe
anzunehmen gilt mittlerweile als etabliert und auch die Hemmschwelle der Frauen ist
deutlich gesunken.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 214
Außerdem sieht sie wie viele ihrer Kollegen die Tatsache zunehmen, dass immer mehr
Jugendliche von der Obdachlosigkeit betroffen sind, das Einstiegsalter in den betroffenen
Kreis wird immer jünger.
Und als zusätzlich sehr interessanten Aspekt nannte sie: Die Obdachlosigkeit wird sich in
immer höhere Bevölkerungsschichten hinein ziehen, das Grundgefühl der
Perspektivlosigkeit ist nicht mehr nur ein Privileg der Unterschichten.
Es ist ein schleichender Prozess, die Zunahme von Krankheitsbilder, fehlende
Orientierungshilfen und mangelnde Aufmerksamkeit wird sich in der Zukunft auch in höhere
Schichten hineinziehen, die durch diese Problematiken entstehenden Auswirkungen sind
noch gar nicht absehbar.
Problematisch ist abschließend die Tatsache, dass die in der stationären Einrichtung
lebenden Obdachlosen, keine ARGE-Leistung beziehen, da sie über den Pflegesatz des
Landschaftsverbandes finanziert werden und somit aus dem Vermittlungsprozess der ARGE
raus fallen.
WABe e.V.(Frauenfachberatungsstelle), Warmweiherstr. 28
(Gespräch mit Frau Schiffers, Dipl. Sozialarbeiterin)
Seit dem Jahr 1997 gibt es das Gesamthilfeprojekt für Frauen bei dem drei Mitarbeiterinnen
beschäftigt sind. Die Dipl. Sozialarbeiterin Frau Schiffers, die für das betreute Wohnen
zuständig ist, in der Fachberatung Frau Schulte, Dipl. Sozialarbeiterin und im Tagestreff eine
hauswirtschaftliche Mitarbeiterin. Die Fachberatungsstelle für Frauen ist Teil eines
Hilfsprojektes mit unterschiedlichen Angeboten für Frauen in besonderen sozialen
Schwierigkeiten. Beratung, betreutes Wohnen und ein Tagestreff befinden sich in einem
Haus. Die ausschließlich weiblichen Mitarbeiterinnen arbeiten hier eng zusammen, so dass
bei Bedarf neben der Beratung Soforthilfe (Essen, Duschen, Kleidung usw.) auch eine
Weitervermittlung ins betreute Wohnen möglich ist.
Das Gesamtprojekt verfügt über zwei Büroräume, einen Tagestreff und Warteraum, eine
Küche mit Duschmöglichkeit, Waschmaschine und Trockner und eine WG für das Betreute
Wohnen.
Die Räumlichkeiten liegen zentrumsnah und sind mit Bus und Bahn gut erreichbar. Ebenso
die Stadtverwaltung und andere wichtige Behörden können zu Fuß aufgesucht werden. Die
Beratungsstelle liegt nicht in unmittelbarer Nähe zu den Treffpunkten der Nichtsesshaftenund Drogenszene, was für die meisten Frauen als angenehm empfunden wird.
Der Tagestreff „Cafe FIBIS“ bietet die Möglichkeit andere Frauen zu treffen und mit ihnen
Gespräche zu führen, wie auch gemeinsam zu essen oder an organisierten Tagesausflügen
teilzunehmen.
Die Fachberatung bietet vielfältige Hilfe bei Problemen, z.B. bei der Wohnungs- und
Arbeitssuche sowie bei der Einkommenssicherung. Schuldenberatung und freiwillige
Geldverwaltung gehören ebenfalls zum Angebot.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 215
Zum Betreuten Wohnen gehört zum einen eine Wohngemeinschaft die Platz für drei Frauen
bietet, sowie die Beratung außerhalb der Einrichtung, wo zur Zeit 7 Frauen betreut werden.
Um dieses Hilfsangebot anzunehmen, müssen die Frauen folgende Vorraussetzungen
erfüllen: sie müssen den Willen haben aktiv an ihrer Lebenssituation etwas verändern zu
wollen, dürfen nicht unter psychischen Krankheiten leiden sowie auch nicht abhängig von
Drogen, Alkohol oder Medikamenten sein. Erfüllen sie diese Vorraussetzungen nicht, so
werden sie an entsprechende Fachbetreuungen weitervermittelt.
Inhalt und Ziel der Betreuung ist die Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung
einer Lebensperspektive in den Bereichen: Wohnen, Arbeit, Existenzsicherung,
Freizeitgestaltung und bei persönlichen Problemen. Die Dauer der Betreuung geht maximal
1 ½ Jahre, es wird jedoch versucht die Betreuung nach einem Jahr abzuschließen. Frau
Schiffers arbeitet in Kooperation mit verschiedenen Ämtern, so z.B. mit dem Jugendamt
wenn sie Frauen mit Kindern betreut. Zudem kommt noch, dass viele der Frauen
Erfahrungen mit Misshandlungen gemacht haben, sowie unter Essstörungen leiden und mit
Krankheiten wie Hepatitis und HIV infiziert sind. Viele Frauen wissen nicht über ihre Rechte
bescheid und was ihnen gesetzlich zusteht. Es ist ein langer Weg, so Frau Schiffers, bis die
Frauen wieder völlig selbstständig leben können. Beim Resozialisierungsprozess liegt die
Schwierigkeit u.a. darin, dass viele der Frauen nie ein normales Leben und Sozialverhalten
kennen gelernt haben. Viele müssen grundlegende Dinge wie das selbstständige Verwalten
von Geld lernen. Und so kommen Frauen immer wieder zur Beratungsstelle zurück um Hilfe
in Anspruch zu nehmen.
Frau Schiffers bezeichnet das Hilfsangebot für Frauen in Aachen als ausreichend, jedoch, so
sagt sie, sind die Bedingungen in den meisten städtischen Notunterkünften unlebenswürdig.
Franziskanerkloster, Schervier Stube, Kleinmaschierstr. 47
(Gespräch mit Schwester Veronika)
Bei der Franziska-Schevier Stube handelt es sich um eine Einrichtung, die Menschen in Not
ein Frühstück bereitstellt. Hier haben bedürftige Personen die Möglichkeit von Montag bis
Samstag zwischen 8:15 Uhr und 11:30 Uhr ein Frühstück, bestehend aus Brot, Brötchen,
Aufschnitt, Marmelade, Tee, Kaffee und Milch, zu bekommen.
Ab 11:00 Uhr gibt es außerdem eine warme Suppe. Das aus Spenden bestehende Essen
kostet 0,50 pro Person, womit die Eigenverantwortung der Besucher angesprochen werden
soll.
Bei den Besuchern handelt es sich um Personen ohne festen Wohnsitz, Arbeitslose,
Sozialhilfeempfänger, Alleinstehende und Suchtkranke. Jeden Tag kommen ca. 60 bis 70,
teilweise wechselnde Personen, um das Frühstücksangebot des Klosters zu nutzen, wobei
der Hauptteil der Besucher Männer sind. Der Frauenanteil liegt laut Schwester Veronika bei
ca. 10% und ist überwiegend alleinstehend. Kinder werden in der Einrichtung nicht gerne
gesehen.
Neben Schwester Veronika, gibt es einen weiteren Mitarbeiter, so wie 2 bis 3 Ehrenamtliche,
die neben der Essensausgabe auch bemüht sind, durch Gespräche Beziehungen zu den
Besuchern herzustellen. Die Gäste werden in ihrer Art und Lebensweise akzeptiert, nicht aber
analysiert und diagnostiziert und somit auch nicht bewertet.
Des Weiteren stehen den Besuchern Sanitäranlagen zur Verfügung, sowie Wasch-, Duschund Rasierzubehör. Eine Kleiderkammer bietet die Möglichkeit die Kleidung zu wechseln. Es
wird Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen, bei der Arbeitssuche und bei der Wohnungssuche
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 216
geleistet, dabei kann die Stube als Postadresse angegeben und Telefonate können geführt
werden.
Das Kloster steht in engem Kontakt zu anderen Einrichtungen, die Wohnungslosenhilfe
anbieten und so findet einmal wöchentlich ein Dienstgespräch im Cafe Plattform statt
(Teilnehmer: Café Plattform, Streetworker der WABE e.V., Franziska-Schevier-Stube,
Frauenfachberatung der WABe, Bahnhofsmission, Wärmestube der WABe, Cafe
Relax/Drogenhilfe). Außerdem bieten 8 Gemeinden abwechselnd sonntags in der Zeit von 9
bis 11 Uhr ein Frühstück für Obdachlose und Menschen in Not in ihren Pfarrheimen an.
In unserem Gespräch wurde deutlich, dass viele der Besucher, zwar gerne das
Frühstücksangebot annehmen, das Beratungs- und Hilfsangebot jedoch nur teilweise in
Anspruch nehmen bzw. abbrechen, was Schwester Veronika sehr bedauert.
Beurteilung und Vergleich der Einrichtungen
In Hinblick auf obdachlose Frauen
Aachen bietet auf Grund des in 3.2.2.1 erwähnten Netzsystems den Obdachlosen 24h/Tag
eine Anlaufstelle, die gute Absprache der Mitarbeiter der verschiedenen Einrichtungen
untereinander kommen eindeutig den Aachener Obdachlosen zu Gute. Sollte eine Person in
einer Einrichtung Hausverbot erhalten ist damit nicht ausgeschlossen, dass sie die weiteren
Einrichtungen besuchen können. Außerdem werden die Betroffenen bei Bedarf unter den
Einrichtungen vermittelt. Wird beispielsweise die Betreuung einer bestimmten Person in
einer anderen Einrichtung als sinnvoller und dem Bedarf entsprechender angesehen, werden
sie dorthin empfohlen.
In Hinblick auf die obdachlosen Frauen in Aachen stellt die weibliche Bevölkerungsgruppe
immer noch eine Außenseiterposition dar, da die Angebote in Aachen hautsächlich auf
Männer ausgerichtet sind. Es ist nur ein geringes Angebot speziell für Frauen vorhanden.
Doch die vorhandenen Angebote können als qualitativ gut bezeichnet werden, nur die
Quantität ist eben nicht ausreichend.
Allgemein haben wir feststellen können, dass Frauen mit Kindern deutlich schlechtere
Vorraussetzungen haben, besonders ist dies im nicht vorhandenen Angebot bezüglich der
Übernachtungsmöglichkeiten aufgefallen.
In Hinblick auf Ihre Wohn- und Lebensqualität
Frauen meiden oft die typischen Männereinrichtungen, auf Grund der dortigen Verhältnisse.
Positivere Umfelde werden von ihnen ausnahmslos bevorzugt. Die Einrichtungen die speziell
auf Frauen ausgerichtet sind, haben wir als auffallend hell und freundlich empfunden. Wenn
die Frauen ihre Scheu überwinden, sind gute Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten
vorhanden. Als Ausbaufähig halten wir die Resozialisierungsmaßnahmen und für absolut
notwendig sehen wir, dass den Frauen mehr Angebote zur eigenen Perspektive und
Lebensaufgabe aufgezeichnet werden und somit mehr theoretische Grundsätze in die Praxis
umgesetzt werden könnten und sollten.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 217
Verbesserungsvorschlag: Positives Fallbeispiel aus NRW
Bei der Recherche für unsere Arbeit sind wir auf ein Projekt aus Espelkamp gestoßen und
möchten dies gern abschließend als positives Beispiel vorstellen, um darzulegen, dass es
nicht irreal ist ein funktionierendes frauenspezifisch Projekt zu organisieren.
Es handelt sich um das Projekt „FrauenWohnen im Atrium – dauerhafte
Wohnungsversorgung für wohnungslose Frauen in Espelkamp“. Dieses Hilfsprogramm wird
vom „Landesprogramm Wohnungslosigkeit vermeiden – dauerhaftes Wohnen sichern“
gefördert und ist in erster Linie auf alleinstehende und alleinerziehende Frauen ausgerichtet.
Oberstes Ziel der verantwortlichen Personen war es in Zusammenhang mit der lokalen
Wohnungswirtschaft bedarfsgerechten und finanzierbaren Wohnraum bereit zu stellen. Die
Konzeption dieses Projekts orientiert sich an den alltäglichen Bedürfnissen von Frauen, es
entstand das Atrium, ein Gebäudekomplex im Innenstadtbereich von Espelkamp mit 13
Wohnungen für die o.g. Zielgruppe. Zusätzlich wurde ein Café integriert, welches sowohl als
Ort der Begegnung als auch als sozialer Wirtschaftsbereich fungiert, außerdem wurden hier 6
Arbeitsplätze für die ehemals wohnungslosen Frauen geschaffen. Neben dem Café, den
Wohnungen und einem Gemeinschaftsraum gibt es aber auch Ladelokale und
Eigentumswohnungen. Das markante und außergewöhnliche an diesem Projekt ist, dass
auch 42 betreute Wohnungen für Senioren integriert wurden. Durch diese Mischung der
verschiedensten Wohn- und Dienstleistungssektoren entstand ein abwechslungsreicher
Komplex.
Um die erreichten Wohnverhältnisse auf Dauer zu erhalten und zu stabilisieren bietet der
Träger den im Atrium eingezogenen Frauen eine nachgehende Begleitung und Beratung.
Die oft entstandene Perspektivlosigkeit bei obdachlosen Personen wird demnach hier
vorgebeugt. Die Frauen sind entweder im Café beschäftigt oder betreuen und pflegen die
Senioren. Bedingt durch ihre neuen Lebensaufgaben entwickeln sie neuen Lebensmut und
den starken Willen nie wieder ohne Wohnung zu sein.
Somit lassen sich die Ziele dieses Projekts klar zusammen fassen, zunächst die dauerhafte
Absicherung der Wohnraumversorgung und die Entwicklung und Festigkeit ihrer
Lebensperspektiven, aber eben auch der Aufbau sozialer Kontakte und die gegenseitige
Hilfe und Unterstützung der Bewohner.
4
Fazit und persönliche Stellungnahme
In unserer Untersuchung haben wir festgestellt, dass nur wenige der wohnungslosen
Personen auch wirklich auf der Straße leben. Das anfänglich beschriebene Bild entspricht nur
einem geringen Anteil an Wohnungslosen. Des Weiteren haben wir festgestellt, dass die
allgemeine Wohnungsmarktlage nur einen geringen Einfluss auf die Wohnungslosigkeit hat.
Vielmehr sind es die individuellen Gründe des Einzelnen, die zur Obdachlosigkeit führen.
Die Obdachlosenangebote in Aachen, ob Beratung, Unterkünfte oder Tagestreffs, sind gut
strukturiert und verteilt, so dass jeder die Möglichkeit hat Hilfsangebote anzunehmen.
Jedoch sind diese hauptsächlich auf Männer ausgerichtet. Der Anteil an Einrichtungen, die
speziell auf die Bedürfnisse von Frauen eingehen ist gering. Insbesondere Frauen mit
Kindern fällt es daher schwer, eine passende Einrichtung und Zufluchtsstätte zu finden. Aber
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 218
auch Frauen ohne Kinder meiden viele der vorhandenen Einrichtungen, da sie Angst haben
auf gewalttätige Männer zu treffen.
Es ist daher notwendig gerade für diesen Personenkreis mehr Angebote zu schaffen, die zum
einen auch Frauen mit Kindern die Möglichkeit des betreuten Wohnens anbietet, zum
anderen
den
Frauen
die
Rückzugsmöglichkeiten
und
angenehmere
Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. In aufgewerteten Einrichtungen
(Notunterkünfte) könnten sie nach jahrelangem Überlebenskampf neue Kräfte sammeln,
sowie Perspektiven und Aufgaben finden.
In Folge dessen könnte die so genannte Wohnraumsprostitution reduziert werden und die
hohe Dunkelziffer sinken.
Anmerkung:
5
Abzuwägen ist, inwieweit die Einrichtungen einer „normalen“ Wohnung
gleich gestellt werden sollte, denn Ziel ist es nicht, dass die Betroffenen
diese nicht mehr verlassen.
Quellenangaben
Bücher
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (1993): Landessozialbericht
Wohnungsnot
und Obdachlosigkeit, Düsseldorf
Broschüren
Ministerium für Generationen, Familien, Frauen und Integration des Landes NordrheinWestfalen
(2005): Initiativen für wohnungslose Frauen, Geschlechtergerechte Hilfen in NordrheinWestfalen, Düsseldorf; 2. Auflage
Internet
http://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/politik_verwaltung/stadtrecht/pdfs_stadtrecht/55.
pdf; Zugriff am 16.01.2006
http://www.caritas-aachen.de/wlh/Jahresbericht2004.pdf; Zugriff am 16.01.2006
http://www.tossnet.de/smkat/Wohnungslosigkeit. cfm; Zugriff am 16.01.2006
http://pressearchiv.nrw.de/01_textdienst/11_pm/2004/q3/20040824_03.html;
16.01.2006
Zugriff
am
http://www.wohnungsnotfallhilfe.nrw.de/de/das_thema/wohnungsnot.html;
16.01.2006
Zugriff
am
http://www.wohnungsnotfallhilfe.nrw.de/de/download/wohnungsnot-frauen.pdf;
am 16.01.2006
Zugriff
Statistik
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein Westfalen (2005): Obdachlosigkeit
in Nordrhein Westfalen 1998-2005, Düsseldorf
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 219
Interviewverzeichnis
Schwester Veronika; 24.01.2006 von 09.30-10.30h
Herr Kuckelkorn, Abteilungsleiter Asylbewerber, Wohnungssicherung, Sozialdienste und
Objektverwaltung des Sozialamtes der Stadt Aachen; 27.01.2006 von 08.00-09.30h
Herr Knops, Soziale Einrichtung und Integration des Caritasverbands für die Regionen
Aachen Stadt und Land e.V.; 27.01.2006 von 10.30-12.00h
Frau Zadel, Dipl. Sozialpädagogin im Don Bosco Haus; 27.01.2006 von 13.30-15.00h
Frau Holzapfel, Sozialarbeiterin im Café Plattform; 31.01.2006 von 11.00-11.45h
Frau Schiffers, Dipl. Sozialarbeiterin in der Frauenfachberatungsstelle der Caritas, 03.02.2006
von 11.00-12.00h
Herr Goltz, Wohnungsvermittlung im Fachbereich Wohnen der Stadt Aachen; 07.02.2006 von
10.00-10.30h
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 220
Anhang
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Stellwerk 60 – autofreie Siedlung in Köln
Projektbogen
Bauherr/Investor
Treuhandgesellschaft Kontrola GmbH&Co KG
Projektbeschreibung
Auf dem ehemaligen Bahngelände ‚Stellwerk 60’ in Köln-Nippes realisiert der Investor etwa
400 Wohneinheiten für etwa 1000 Menschen, die autofrei wohnen möchten. Die zentrale
Lage der Siedlung in Köln ermöglicht den Verzicht auf ein eigenes Auto, ohne gleichzeitig
auch auf Mobilität verzichten zu müssen. Die mehrheitlich als Eigentumswohnungen bzw.
Einfamilienhäuser ausgelegten Wohneinheiten bieten Grundrissgrößen von 45m² bis etwa
180m². Ein Teil der Gebäude sind als Solarpassivhäuser konzipiert.
Das Projekt ist derzeit das größte autofreie Wohnprojekt in Deutschland.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 222
Hochbunker Köln-Nippes
Projektbogen
Bauherr
Hohr Immobilien
Architekten
Luczak Architekten, Köln
Projektbeschreibung
In einem aus dem zweiten Weltkrieg stammenden Hochbunker in Köln-Nippes wurden im
Jahr 2004 17 Wohnungen realisiert. Möglich wurde die Umgestaltung des Bunkers zu einem
Wohnhaus erst durch den Einsatz diamantbesetzter Seilsägen, die erstmals eine bezahlbare
Möglichkeit boten die meterdicken Betondecken zu durchschneiden.
Das mit einer Anerkennung beim Innovationspreis Wohnungsbau des Landes NRW
ausgezeichnete Gebäude vereint trotz hoher Verdichtung die Vorzüge des
Geschosswohnungsbaus in zentraler Lage mit denen eines Einfamilienhauses: Gärten,
Terrassen und flexible Grundrisse lassen attraktive Wohnräume entstehen.
Wohnen in Aachen – Seminardokumentation | 223
Wohnwerft Rheinauhafen-Köln
Projektbogen
Architekten
Oxen + Römer und Partner, Architekten
Projektbeschreibung
Am Rheinauhafen in Köln entstehen die Gebäude der sogenannten Wohnwer[f]t 18.20 als
ein, in Anlehnung an die historischen Speicherhäuser gestaltetes, Ensemble aus
unterschiedlichen, vor- und zurückspringenden Quadern
Die Gebäude sind zur Stadtseite geschlossen und öffnen sich vollflächig zur Rheinseite hin.
Durch unterschiedliche Ausschnitte und Lufträume entstehen vielfältige Räume, die
individuelle Wohnlösungen erzeugen.
Im Erdgeschoss der Gebäude befinden sich Büro- und Gewerbeeinheiten.