Haftungsfalle AGG

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Haftungsfalle AGG
Arbeitsrecht
Haftungsfalle AGG
Alle Bewerber sind vor dem Gesetz gleich – Teil 1: AGG im Bewerbungsverfahren.
G
ut drei Jahre ist es nun her, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
– im Volksmund „Antidiskriminierungsgesetz“ – in Kraft getreten ist. Hintergrund des Gesetzes ist es, im Arbeitsleben Benachteiligungen
aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des
Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Identität zu verhindern und zu beseitigen. Diese
normierte Selbstverständlichkeit kann schnell
zur Haftungsfalle für Arbeitgeber werden. Denn
angefangen bei der Stellenausschreibung birgt
das Benachteiligungsverbot jede Menge Fallstricke, die sich wie ein roter Faden durch die
gesamte Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber
und (potentiellem) Arbeitnehmer ziehen.
Wenn es zu Klagen kommt, stammen diese meist nicht von Arbeitnehmern, sondern von
Bewerbern, die glauben, im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden zu sein, zum Beispiel
aufgrund ihres Alters. Um rechtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen, gilt es bereits
während des Auswahlverfahrens, einige wichtige
Punkte zu beachten.
Das AGG regelt ausdrücklich, dass Stellen
neutral ausgeschrieben werden müssen – d.h. sie
müssen z.B. geschlechtsneutral sein und nicht altersgebunden, denn bereits hierin kann ein Indiz
für eine Benachteiligung liegen. Bekannte Formulierungen wie für die Suche nach dem „dy-
namischen, berufserfahrenen und belastbaren
Vertriebsmitarbeiter mit Bild und Lebenslauf“
sind seither tabu.
Bewirbt sich jemand auf eine nicht neutral
gefasste Stellenanzeige und wird abgelehnt, bietet ihm dies unter Umständen einen Anknüpfungspunkt für eine Benachteiligungsklage.
Davor ist man als Arbeitgeber selbst dann nicht
gefeit, wenn man einen Personalberater oder
Headhunter eingeschaltet hat – auch für dessen
AGG-widriges Verhalten kann der potentielle
Arbeitgeber haftbar gemacht werden.
Als kritisch können sich im Bewerbungsverfahren Fragen erweisen, die Rückschlüsse
auf die Benachteiligungsmerkmale des AGG
zulassen, insbesondere wenn diese für die Ausführung der Tätigkeit nicht relevant sind, sei es
bei Fragebögen oder im persönlichen Gespräch.
Problematisch sind dabei bereits Fragen nach
dem Geburtsdatum, der Herkunft oder der
Muttersprache und dem Familienstand. Kritisch
wird es dann bei Fragen nach uneingeschränkter
Mobilität oder Belastbarkeit oder einem Kinderwunsch. Diesbezügliche Fragen sollten daher
dringend vermieden werden. Um im Ernstfall
gerichtsfest gegen AGG-Klagen gewappnet zu
sein, ist es ratsam, Fragen und Antworten im Bewerbungsgespräch sorgfältig zu dokumentieren.
Da Schadenersatz und Entschädigungsansprüche wegen Benachteiligung naturgemäß
MANAGEMENT
von abgelehnten Bewerbern gemacht werden,
ist nicht zuletzt bei der Formulierung des Ablehnungsschreibens besondere Sorgfalt geboten.
Da keine rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, die Ablehnung zu begründen,
sollte das Absageschreiben möglichst neutral
formuliert werden. Auch mündliche Auskünfte
zu den Ablehnungsgründen können verfänglich
sein – hier sollte man alle in das Bewerbungsverfahren involvierten Mitarbeiter dazu anhalten,
Stillschweigen zu bewahren. Das Gegenteil gilt
allerdings für schwerbehinderte Bewerber: In
diesem Falle muss die Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung informiert und die
Ablehnung ausführlich begründet werden.
Trotz aller Fallstricke, die das AGG birgt:
Auch bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot hat ein abgelehnter Bewerber keinen Anspruch auf Einstellung.
In der nächsten Ausgabe: Haftungsfalle
AGG Teil 2: Das Gleichbehandlungsgesetz im
Arbeitsalltag.
EXPERTENTIPP
Der Autor Ulrich
Kanders ist
Rechtsanwalt und
Fachanwalt
für Arbeitsrecht
und Hauptgeschäftsführer
des Essener Unternehmensverband e.V.
Checkliste
Inhalt üblicher Stellenanzeigen (auch auf der
Firmenhomepage oder von beauftragten Personalberatern) prüfen und gegebenenfalls anpassen
Bewerberfragebögen prüfen und gegebenenfalls
anpassen
An objektiven Kriterien orientierte Stellenprofile
entwerfen
Bewerbungsgespräche auf Unternehmensseite
zu zweit führen oder
Bewerbungsgespräche und objektive Ablehnungsgründe durch Kurzprotokolle dokumentieren
Weder mündlich noch schriftlich Ablehnungsgründe nennen – Ausnahme: schwerbehinderte
Bewerber
Führungskräfte, die Bewerbungsgespräche führen,
über zulässige und unzulässige Fragen schulen
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