Menschlich und fachlich bereichernd: Das LL.M.

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Menschlich und fachlich bereichernd: Das LL.M.
Studium | Menschlich und fachlich bereichernd: Das LL.M.-Studium in den USA
Menschlich und fachlich bereichernd:
Das LL.M.-Studium in den USA
Annika L. Schneider
geboren am 01. Juli 1986
Studium an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg (Zwischenprüfung,
2007)
Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Schwerpunkt,
2008)
Erste Prüfung (OLG Hamm,
April 2010)
LL.M. (University of Virginia, 2011)
jetzt: Promotion zu
einem patentrechtlichen
Thema bei Prof. Dr. Thomas
Hoeren (Institut für Informations- Telekommunikations- und Medienrecht,
Universität Münster)
Schon vor Abschluss des ersten Staatsexamens stand
für mich fest, dass ich ein Jahr im Ausland verbringen
will. Es reizte mich, eine andere (Rechts-)kultur, weit
weg vom gewohnten Alltag, kennen zu lernen. So
fiel meine Wahl auf die USA. Ich hatte schon viel über
amerikanische Law Schools gehört und wollte nun
auch meine eigenen Erfahrungen machen. Es stellte
sich also die Frage, an welcher Uni und in welcher
Stadt ich mein Auslandsjahr verbringen wollte.
Meine Wahl fiel dabei aus verschiedenen Gründen
auf die University of Virginia (UVA). Aufmerksam
geworden bin ich auf die Universität durch eine Ausschreibung eines Teilstipendiums an meiner Heimatuni, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zwischen den beiden Hochschulen besteht seit
Längerem eine Kooperation, auf Grund der die UVA
Stipendien für Münsteraner Studenten und Studentinnen zur Verfügung stellt. Als ich mich weiter über
die amerikanische Universität erkundigte, war mir
schnell klar, dass dies die Universität ist, die genau
meinen Vorstellungen entspricht. Besonders wichtig
waren mir bei der Auswahl der Hochschule deren
akademische Qualität sowie die Möglichkeit, mit den
amerikanischen Studenten in Kontakt zu kommen.
Diese beiden Punkte werden an der UVA großgeschrieben und dort auch tatsächlich umgesetzt.
Obwohl mir das Teilstipendium der University of
Virginia zugesprochen wurde, stellte sich die Frage
nach der weiteren Finanzierung meines Vorhabens.
Nicht nur die Studiengebühren (an der UVA Law
School inzwischen 49.600 US-Dollar), sondern auch
die Lebenshaltungskosten sind in den USA recht
hoch. So konnte ich glücklicherweise noch zusätz­liche
Stipendien erlangen, u.a. das Walter Oppenhoff
Stipendium.
The University of Virginia
Obwohl die University of Virginia beständig zu den
Top Ten-Law Schools in den USA gezählt wird, ist sie
unter Deutschlands Studenten noch nicht allzu bekannt. Die University of Virginia liegt in der kleinen
Stadt Charlottesville im Ostküstenstaat Virginia.
Sie wurde im Jahre 1819 von Thomas Jefferson, dem
dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten, ge­
gründet und auch architektonisch gestaltet. Die
zentralen Gebäude der Universität, das sogenannte
„Academical Village“, bilden den Mittelpunkt der
Stadt und prägen mit ihrem beeindruckenden klassischen Stil das gesamte Stadtbild. Charlottesville
lässt sich als typische Studentenstadt bezeichnen.
Die Stadt selbst hat nur circa 40.000 Einwohner,
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wächst jedoch während des Semesters um rund
20.000 Studenten. Anders als vielleicht zu vermuten,
ist das Freizeitangebot in Charlottesville sehr groß.
Neben kulturellen Angeboten, zum Beispiel zahlreiche und hochkarätige Konzerte unterschiedlichster
Musikrichtungen, bietet die Stadt ein großes Angebot ausgezeichneter Restaurants und auch viel Gelegenheit zu sportlichen Aktivitäten. So finden etwa
Marathonläufe statt und auch die Benutzung der
universitären Sportanlagen ist für Studenten kostenlos. Darüber hinaus ist Charlottesville auch wegen
seiner geographischen Lage sehr attraktiv: Nicht weit
entfernt befinden sich die Blue Ridge Mountains
sowie die Ostküste mit dem Strandbereich „Virginia
Beach“. Aber auch Virginias Hauptstadt Richmond
sowie die Metropole Washington, D.C. sind mit dem
Auto schnell zu erreichen. Daneben hat Charlottesville sogar einen eigenen kleinen Flughafen, von dem
auch etwa New York City und Chicago direkt angeflogen werden können. Viele der Studenten wohnen
in der Nähe ihrer Fakultäten. Auch in der Nähe der
Law School, welche im Norden der Stadt liegt, befinden sich Wohnheime und Studentenapartments, in
denen man vergleichsweise kostengünstig unterkommen kann.
Das Masterprogramm
Das LL.M.-Programm der University of Virginia ist
auf zwei Semester verteilt („fall term“ und „spring
term“). In jedem Semester müssen dabei mindestens
zwölf Credits erreicht werden, um am Ende des akademischen Jahres zum Abschluss zugelassen zu
werden. Den Studenten steht es dabei jedoch frei,
wie sie sich diese Credits erarbeiten – d.h. es gibt
kein zwingendes Curriculum, sondern man kann
sich die Kurse nach individuellen Vorstellungen
selbst zusammenstellen. Beachtenswert ist es, dass
es – außer einem Kurs zur Einführung in das U.S.
Recht – keine separaten LL.M. Veranstaltungen gibt.
Die LL.M.-Kandidaten besuchen also dieselben
Kurse wie die amerikanischen J.D. Studenten.
Meiner Spezialisierung entsprechend habe ich aus
den rund 200 angebotenen Vorlesungen und Seminaren primär Kurse im Bereich „Intellectual Property“
ausgewählt. Besonders begeistert war ich davon, dass
viele Seminare von Praktikern unterrichtet werden.
Diese Dozenten haben meist langjährige Erfahrung
in ihrem Fachgebiet und geben diese gerne an die
Studenten weiter. Insgesamt waren die Kurse allesamt auf einem hohen Niveau und erforderten eine
intensive Vorbereitung (insbesondere wegen der in
Menschlich und fachlich bereichernd: Das LL.M.-Studium in den USA | Studium
den USA verbreiteten sokratischen Methode, bei dem
die Studenten in der Vorlesung vom Professor aufgerufen werden, um Einzelheiten eines Falles wiederzugeben). Dies erleichterte jedoch das Verständnis
der über den konkreten Fall hinausgehenden rechtlichen Fragen, die in der Vorlesung erarbeitet und
diskutiert wurden. Gerade in den Seminaren, die
manchmal nur eine Handvoll Teilnehmer hatten, war
jeder Einzelne gefragt, seine Ideen zu präsentieren
und mit anderen zu erörtern. Auch außerhalb der
Vorlesungen standen die Professoren für vertiefende
Fragen und Diskussionen zur Verfügung und nahmen
sich viel Zeit. Darüber hinaus war es auch durch regelmäßige Präsentationen oder Podiumsdiskussionen
zu verschiedensten rechtlichen Fragestellungen möglich, seinen Horizont zu erweitern.
Die Kommilitonen
Die Integration der LL.M. Studenten in die J.D.-Kurse
erleichterte es, den Kontakt zu einheimischen Studenten herzustellen und am amerikanischen Studentenleben teilzuhaben. Auch der Kontakt unter
den LL.M.-Studenten war sehr eng, da im akademischen Jahr 2010/ 2011 nur 21 Studenten zugelassen
wurden. Die Hälfte der LL.M.s kam aus Asien (China
und Japan), daneben waren Studenten aus Südamerika (Argentinien, Brasilien), Europa (Deutschland,
Irland, Griechenland, Spanien), Kanada und Russland
vertreten. Knapp die Hälfte der Kandidaten ist vor
der Teilnahme am LL.M.-Programm bereits berufstätig gewesen, andere haben gerade ihren Abschluss
gemacht oder bereiteten sich auf eine akademische
Karriere vor.
Fazit
Zusammenfassend war die Teilnahme an dem LL.M.Programm der University of Virginia in jeglicher Hinsicht lohnend und empfehlenswert. Trotz der anfänglich nötigen Umgewöhnung an ein anderes
System hat mich diese Erfahrung sowohl intellektuell als auch menschlich bereichert. Die Zeit in Virginia
war eine authentische Erfahrung an einer erstklassigen amerikanischen Law School, die für mich stets
unvergesslich bleiben wird.
The University of Virginia
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