Impressum - Verlag Empirische Pädagogik

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Impressum - Verlag Empirische Pädagogik
Imp r e s s u m
Die Zeitschrift wird herausgegeben vom
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
der Universität Koblenz-Landau
Herausgeberbeirat
Zofia Bilut-Homplewicz (Rzeszów), Una Dirks (Hildesheim),
Ewa Drewnowska-Vargáné (Szeged), Uwe Dethloff (Saarbrücken),
Hartmut E.H. Lenk (Helsinki), Günter Schmale (Metz), Stephan Stein (Trier)
Redaktion
Jacqueline Breugnot, M. Carmen Dixon, Thomas Rist,
Patrick Schäfer, Christine Schowalter (Landau)
Schriftleitung
Heinz-Helmut Lüger (Landau)
Anschriften
Institut für fremdsprachliche Philologien
(Romanistik)
Universität Koblenz-Landau,
Campus Landau
Marktstraße 40, D-76829 Landau
Verlag Empirische Pädagogik e.V.
Bürgerstraße 23
D-76829 Landau
Telefon: ++49-6341-280-33-102/100
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ISSN 1861-3950
© Verlag Empirische Pädagogik, Landau 2010
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 / 2010
Inhaltsübersicht
Aufsätze
A. Flavio Albertini / Thomas Tinnefeld
Englisch plus X – für eine nachhaltige, institutionalisierte Mehrsprachigkeit in Europa ...............................................................................................
3
Isabelle Friedl
Printmedien Frankreichs und Deutschlands. Niederschlag von Sprechsprache und Diskursrahmen ........................................................................
17
Hans W. Giessen
Eine medienabhängige Zufallsbeobachtung und ihre möglichen
Konsequenzen .............................................................................................
53
Wilfried Weigl
Minimalismus – eine Grundlage der Vermittlung von Fremdsprachensyntax ..........................................................................................................
59
Agnieszka Caban
Erwerb fester Wendungen im L2-Unterricht .................................................
95
Jan Hollm / Armin Hüttermann / Jörg-U. Keßler / Gérald Schlemminger
BiliReal 2012: Bilinguale Züge für Englisch und Französisch in der
Realschule ...................................................................................................
151
Rezensionen
Altmann, W. / Bernecker, W.L. / Vences, U. (Hrsg.) (2009): Debates sobre
la memoria histórica en España. Beiträge zu Geschichte, Literatur und
Didaktik (Jochen Plikat) ...............................................................................
187
Kimmich, D. / Matzat, W. (Hrsg.) (2008): Der gepflegte Umgang. Interkulturelle Aspekte der Höflichkeit in Literatur und Sprache
(Heinz-Helmut Lüger) ..................................................................................
191
Buffagni, C. / Birk, A. (2008): Germania periodica. Imparare il tedesco sui
giornali, 2 Bde. (Heinz-Helmut Lüger) ..........................................................
195
Kontrastive Medienlinguistik im Internet (Hartmut E.H. Lenk) ....
199
Autorenverzeichnis ..............................................................................
203
Autorenhinweise ...................................................................................
205
1
Tagungsankündigung
3. Bremer Symposion zum Fremdsprachenlehren und -lernen
an Hochschulen: Autonomie und Assessment. Testen, Evaluieren,
Zertifizieren in unterrichtlichen und autonomen Lernkontexten
(Bremen 4./5. März 2011) ............................................................................
207
Eine neue Zeitschrift stellt sich vor:
JOURNAL OF LINGUISTICS AND LANGUAGE TEACHING (JLLT) ............................
209
Publikationen zur Fremdsprachenvermittlung
- NCA (NOUVEAUX CAHIERS D’ALLEMAND) .....................................................
211
- LSKK (LANDAUER SCHRIFTEN ZUR KOMMUNIKATIONS- UND KULTURWISSENSCHAFT) ..........................................................................................
213
- bzf (BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG) ...................................
216
2
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 (2010), 3-15
Englisch plus X – für eine nachhaltige, institutionalisierte
Mehrsprachigkeit in Europa
A. Flavio Albertini / Thomas Tinnefeld
Der vorliegende Beitrag „Englisch plus X“ beschäftigt sich mit der Problematik der Mehrsprachigkeit – und in diesem Zusammenhang mit der unbedingten Notwendigkeit der Erlernung
und guten Beherrschung mehr als nur einer Fremdsprache – in aller Regel des Englischen.
Ausgehend von der „Überanglisierung“ der deutschen Sprachgemeinschaft, die sich anhand
zahlreicher – zum Teil grotesk anmutender – Beispiele aufzeigen lässt, wird die Schaffung
der institutionellen Voraussetzungen für eine gründlich konzipierte, konsequent in die (hoch)
schulische Praxis umgesetzte und somit auf Nachhaltigkeit abzielende Plurilingualität der
deutschen wie auch der europäischen Gesellschaften gefordert, im Rahmen derer das Englische im Sinne seines Weltsprachenstatus zwar immer noch die wichtigste Fremdsprache
bleibt, jedoch bei weitem nicht (mehr) die einzige Fremdsprache darstellt, die in Europa auf
vergleichsweise hohem Niveau beherrscht wird.
Inhalt:
0.
1.
1.1.
1.2.
1.3.
2.
2.1.
2.2.
3.
3.1.
3.2.
3.3.
4.
0.
Einleitung
Potentielle Quellen der Anglisierung
Computer, Internet und High-Tech
Werbung
Berufsbezeichnungen
Folgen der fortschreitenden Anglisierung
Kulturelle Folgen
Gesellschaftliche Folgen
Institutionalisierte Mehrsprachigkeit
Zweisprachigkeit in der Grundschule
Mehrsprachigkeit an den weiterführenden Schulen
Erhaltung und Festigung der Mehrsprachigkeit an der Universität
Abschließende Bemerkungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
Das historische Europa war geprägt von einer hellenistischen und römischen Hegemonie in Sprache und Kultur, die zu einer umfassenden Prägung der Mentalität und
des Lebensstils des gesamten Kontinents führte. Diese kulturelle Dominanz beeinflusste bisweilen die Entwicklung der von dieser Vorherrschaft betroffenen Länder.
Im Europa des 21. Jahrhunderts sehen wir uns – bei aller Unterschiedlichkeit in Ursprüngen und Entstehungsmotiven – zuweilen einer ähnlichen Entwicklung ausgesetzt, wobei heutzutage nicht mehr die hellenistische und römische Kultur dominieren, sondern die anglo-amerikanische Kultur mit ihren Idealen und Interessen.
Während die amerikanische Kultur das Leben der Europäer auf fast allen Ebenen
durchdringt, sehen die Amerikaner für sich nicht die Notwendigkeit, die europäische
3
Kultur partiell zu übernehmen. Die Geschichte lehrt uns, dass eine derartige Dominanz durchaus Probleme mit sich bringen kann. Dies zeigen vergangene Gefühle
gegenüber den Römern, dem napoleonischen Regime und der britischen Kolonisation. Die kulturelle Hegemonie der Amerikaner, oder im heutigen Sprachgebrauch die
„Coca-Colonisation“ der europäischen Kultur, mag ein möglicher Erklärungsansatz
sein für die in neuester Zeit bisweilen vorfindbare, europäische Feindseligkeit gegenüber Amerika (vgl. Yeomans 2008).
Während bis zum Zweiten Weltkrieg in den europäischen Ländern noch je bedeutsame eigenständige, auf der jeweiligen Tradition beruhende, wissenschaftliche, philosophische und literarische Traditionen wie auch eine ausgeprägte Theater- und
Filmkultur herrschten, die – jede auf ihre Weise – von den Gesellschaften dieser
Länder in der jeweiligen Muttersprache gewürdigt wurden, setzte sich das Englische
danach zunächst als Handelssprache und in der Folge auf immer mehr Gebieten
durch und dominierte bald die anderen europäischen Sprachen.1 Gegenwärtig erscheint es bisweilen so, dass die englischsprachige Welt sich immer mehr abschottet
und nicht selten diejenigen kulturellen Erzeugnisse, die nicht von ihr stammen, kaum
mehr akzeptiert, wofür die jährliche Oscar-Verleihung ein beredtes Beispiel ist.2
Französische, spanische, italienische oder deutsche Filme werden – im Vergleich zu
englischsprachigen Produktionen – gegenwärtig lediglich von einer vernachlässigbaren Minderheit wahrgenommen.3 An vielen Universitäten und in vielen Fachbereichen
– wie z.B. den technischen und naturwissenschaftlichen – werden vorherrschend auf
Englisch verfasste Publikationen rezipiert, oder – wie Phillipson es ausdrückt:
“English as the Tyrannosaurus Rex of scientific communication is no extinct beast. In
some faculties in Norway, scholars are rewarded for publications in English by a large bonus, whereas anything in the local language triggers a paltry one. The tendency is for “international” publication to be seen as intrinsically superior, even in countries with a long
history of national scholarship, and this influences employment criteria and choice of research topic. The dominance of English as a language of science, both in publications and
in postgraduate training, is increasingly under scrutiny, with alarm bells ringing in Austria,
Denmark, Germany and elsewhere.” (Phillipson 2004: 57)
Das Englische ist somit mehr und mehr auch zur universellen Wissenschaftssprache
geworden4 und nimmt heute eine Rolle ein, die traditionell dem Lateinischen zukam –
eine Rolle also, die die einzelnen Landessprachen in vergleichbarem qualitativem
und quantitativem Umfang niemals hatten. Diese Situation führt bei den Vertretern
der nicht nativ-englischsprachigen europäischen Länder nicht selten zu Minderwer-
1 Vgl. zu den historischen Gründen der Vormachtstellung des Englischen in heutiger Zeit auch Crystal (2004: 29ff.).
2 Vgl. hierzu den Artikel von Ulrike Steiner (2006), der bezeichnenderweise mit dem Titel „Der Oscar
und der Rest der Welt. Das US-Kino feiert sich selbst und alle feiern mit“ überschrieben ist.
3 Vgl. hierzu das Interview des Deutschlandradio Kultur mit der deutschen Filmproduzentin Regina
Ziegler von 18.02.2006, aus dem unter anderem mögliche Ursachen für die in Deutschland herrschende Kinokrise wie auch für die Unterschiede in der Rezeption deutscher im Vergleich zu amerikanischen Filmen hervorgehen. So kamen im Jahre 2006 146 deutsche Filme in die Kinos, dagegen nur 139 amerikanische. Der Marktanteil des deutschen Films lag jedoch bei lediglich circa 20
Prozent.
4 Vgl. hierzu Leggewie / Mühlleitner (2007), die nicht zuletzt herausstreichen, wie sehr auch das
Englische unter dieser Situation leidet, sowie Ammon (1998: 205ff.).
4
tigkeitsgefühlen. Dabei verbreitet sich bisweilen der Eindruck, dass die europäischen
Sprachen in ihrer linguistischen und kulturellen Bedeutung in Gefahr seien.5
Im Folgenden wollen wir uns mit potentiellen Quellen und, im Anschluss daran, mit
den Folgen der Anglisierung – vorzugsweise im deutschen Sprachraum – beschäftigen. Dabei sei ausdrücklich betont, dass hier nicht gegen das Englische argumentiert
und auch keinerlei „Deutschtümelei“ das Wort geredet werden soll. Wie Wolf Schneider treffend vermerkt, sind in einem Zusammenhang wie dem vorliegenden zwei
grundsätzliche Gesichtspunkte von Bedeutung:
„Zum Ersten: Kein Wort ist deshalb schlecht, weil es aus einer anderen Sprache stammt.
Die Wörter Fenster, Balkon und Schokolade haben wir aus Rom, Paris und Mexiko importiert, und um nichts wären sie uns willkommener, wenn wir sie von den alten Germanen
geerbt hätten. Zum Zweiten: Auch gut ist ein Wort nicht schon deshalb, weil wir es aus
dem Englischen übernommen haben. Dieser zweiten Wahrheit aber bläst in Deutschland
der Wind ins Gesicht.“ (Schneider 2009: 12)
Diese Feststellung gilt prinzipiell für jede auf das Deutsche potentiell Einfluss nehmende Sprache, also auch und besonders für das Englische. Das Englische ist die
Weltsprache Nummer eins und wird es bleiben. Es soll diesen Charakter behalten,
jedoch in einem gesamtsprachlichen Kontext – einem Kontext also, in dem die Vielfalt aller Sprachen berücksichtigt wird.
1.
Potentielle Quellen der Anglisierung
1.1.
Computer, Internet und High-Tech
Die deutsche Alltagssprache ist gegenwärtig geprägt von der Verwendung nichtdeutschen Vokabulars meist englischen Ursprungs. In diesem Zusammenhang ist zu
unterscheiden zwischen solchen Lexemen, die aus dem Englischen stammen und für
die es im Deutschen keine oder keine adäquaten Entsprechungen gibt, und solchen,
die aus dem Englischen kommen, für die im Deutschen jedoch eine Entsprechung
existiert bzw. für die ohne großen Aufwand eine deutsche Entsprechung geschaffen
werden könnte.
Für Begriffe wie z.B. City (Stadtmitte), Jet (Düsenflugzeug) oder Recycling (Wiederverwertung) lassen sich problemlos deutsche Äquivalente finden. Notwendig wäre es
nur, diese deutschen Entsprechungen auch zu benutzen – anstelle der Verwendung
der jeweiligen englischen Begriffe, die jedoch im deutschen Sprachgebrauch vorherrschend sind.
An Lexemen, für die im Deutschen keine Alternative existiert und die sich somit auf
Grund ihrer Einzigartigkeit dort fest verankert haben, sind beispielsweise solche Begriffe6 zu nennen wie:
5 Vgl. hierzu mit Bezug auf das Deutsche auch Hoberg (2004: 85ff.), der auch interessantes Zahlenmaterial liefert (2004: 89ff.), und Eisenberg (2004: 121ff.).
6 Diese Begriffe werden hier in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
5
Account
Browser
CD-Player
Comeback
Computer
Cover (Titelseite)
Cyberspace
Display
Download
DVD-Player
E-Book
E-Mail
E-Post
Fast Food
Feedback
Firewall
Freeware
Hardware
Homepage
Inline-skates
Joystick
Know-How
Laptop
Link
Login
Logout
Make-Up
Mountainbike
MP3-Player
Net
Notebook
Offline
online
Online-Shop
PDA (Personal Digital Assistant)
Provider
Realityshow
Remake
Skateboard
skypen (als Verb: telefonieren per Internet)
Software
Talkshow
Teleshop
Tower
Track (Musiktitel)
Update
User
Webcam
zappen
Diese Begriffe stammen mehrheitlich aus den Bereichen Computer, Internet und
High-Tech. Im Hinblick auf sie zu fordern, sie sollten durch deutsche Begriffe ersetzt
werden, wäre mehr oder minder unsinnig, obwohl es in anderen Ländern – wie beispielsweise Frankreich – durchaus Bestrebungen ihrer Ersetzung durch französische
Begriffe gibt, die jedoch weitgehend erfolglos geblieben sind.7 Eine Abkehr von diesen etablierten englischen Begriffen käme einem sprachlichen und kulturellen Rückschritt gleich.
Ungleich problematischer stellt sich die Situation dagegen im Hinblick auf solche Begriffe dar, die aus dem Englischen stammen oder aus dem Englischen zu stammen
scheinen, für deren Benutzung jedoch keine kommunikative Notwendigkeit besteht.
Es erweist sich durchaus als lohnend, diese Begriffe im Folgenden näher zu betrachten.
Das Lexem Handy, das zwar dem Englischen entstammt, dort jedoch zu keiner Zeit
als Ausdruck für ein mobiles Telefon verwendet worden ist, ist ein Musterbeispiel
sprachlicher Fehlentwicklung: Die ohne jegliche lexikalische Notwendigkeit 8 erfolgende Benutzung eines korrekten englischen Wortes im Deutschen mag schon für
sich allein kritikabel sein – diejenige eines inkorrekt verwendeten englischen Wortes
ist umso problematischer. Hier wird dem Sprachbenutzer die anglophone Welt mit all
ihren Assoziationen lediglich vorgegaukelt – er wird sprachlich auf eine falsche Fährte gelockt: Kaum jemand in der anglophonen Welt wird einen deutschen Muttersprachler verstehen, dessen mobiles Telefon klingelt und der sich bei seinem Gesprächspartner mit den Worten entschuldigt: “Sorry, my handy is ringing”. Ein solcher
Sprachgebrauch ist irreführend, er vermittelt kein fremdsprachliches Lernen: Ein solcher Sprachgebrauch ist kontraproduktiv.
7 Vgl. hierzu die in Frankreich zur Durchsetzung des Französischen gegenüber dem Englischen im
o
Jahre 1994 erlassene „Loi Toubon“ (Loi n 94-665 du 4 août 1994).
8 Eine deutsche Entsprechung für Handy wäre beispielsweise der Begriff Mobiltelefon, der zwar
auch eine Lehnübersetzung aus dem Englischen darstellt, sich jedoch harmonisch in das Deutsche
einpasst und somit jeglicher englisch klingenden Bezeichnung vorzuziehen wäre.
6
Auch wenn das folgende Beispiel korrekter ist, fragt man sich, was ein Unternehmen
wie die Bahn, in dem eine Vielzahl englischer bzw. englisch anmutender Begriffe geprägt worden ist, damit bezweckt, von Mobile Services zu sprechen.9 Auch wenn es
sich in der Tat hierbei um Dienstleistungen rund um „Handy“ und PDA handelt und
auch wenn dieser Begriff im Englischen nicht vollkommen falsch ist – er dort jedoch
in ungleich allgemeinerer Bedeutung verwendet werden kann, da er im Englischen
auch das Internet mit einschließt, was hier jedoch nicht gemeint ist –, so ist doch zu
fragen, warum nicht versucht wird, hier einen möglichen deutschen Begriff zu verwenden bzw. einen solchen zu prägen.
Es existieren jedoch noch weitere Bereiche, in denen großzügig mit englischem Vokabular umgegangen wird. Ein solcher ist die Werbung, die im Folgenden näher betrachtet werden soll.
1.2.
Werbung
Der von dem gleichen deutschen Unternehmen – der Bahn – verwendete Begriff City-Ticket (ibid.) geht in die gleiche Richtung: Im Englischen suggeriert er, dass man
mit diesem Ticket lediglich in wirkliche Großstädte – im Sinne von Millionenstädten
(vgl. metropolis) – und/oder in administrativ bedeutende Städte fahren kann.10 Dies
ist jedoch mit diesem Begriff nicht gemeint. Er bezieht sich auf deutsche Großstädte,
die jedoch – unabhängig von anderen begriffsbestimmenden Eigenschaften – bereits
ab einer Einwohnerzahl von über 100.000 Einwohnern als solche bezeichnet werden.
Dieser Begriff ist somit für deutsche Muttersprachler unproblematisch verständlich,
im anglo-amerikanischen Kontext ist er jedoch semantisch anders gefüllt. Auch hier
bleibt die Frage offen, warum ein solcher englischer Begriff besser sein soll als ein
möglicher deutscher, der mit großer Wahrscheinlichkeit sogar präziser wäre.
Warum wird zudem der Informationsschalter der DB Info-Point genannt (ibid.), wo er
doch im Englischen als Information Desk oder Information Centre zu bezeichnen wäre?
Auch hier ist somit ein Begriff gewählt worden, der aus englischer Sicht problematisch ist. Er erfüllt zwar im Deutschen seine kommunikative Funktion, ist jedoch ansonsten als „Pseudo-Englisch“ zu bezeichnen.
Noch problematischer sind Begriffe wie BahnCard (sogar noch in einem Wort unter
Großschreibung des zweiten Teillexems realisiert), DB Carsharing, und DB
Lounge11, die eine Mischung aus einem deutschen und einem englischen Element
darstellen. Ein solcher Sprachgebrauch ist weder Englisch noch Deutsch: Diese Be-
9 Vgl. hierzu die Website der Die Bahn AG (http://www.bahn.de/p/view/index.shtml; 21.06.2008).
10 Vgl. hierzu die Definition des Lexems city:
1 a: an inhabited place of greater size, population, or importance than a town or village b: an incorporated British town usually of major size or importance having the status of an episcopal see c:
capitalized (1): the financial district of London (2): the influential financial interests of the British
economy d: a usually large or important municipality in the United States governed under a charter
granted by the state e: an incorporated municipal unit of the highest class in Canada.
(Merriam-Webster (2009) (http://www.merriam-webster.com/dictionary/City; 16.09.2009))
im Vergleich zu derjenigen des deutschen Lexems Großstadt: Großstadt [f. 2] Stadt, in der mehr
als 100 000 Einwohner leben.(im Original kursiv; T.T.) (Bertelsmann Wörterbuch der deutschen
Sprache (2009) (http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/suche/wbger/index.html?ger
qry=Gro%DFstadt&Start=%A0%A0Suchen%A0%A0&gertype=Stoerig; 16.09.2009)).
11 Vgl. auch hierfür die Website der DB: http://www.bahn.de/p/view/index.shtml (21.06.2008).
7
griffe sind außerhalb des deutschen Sprachkontextes nicht verwendbar, und im
deutschen Sprachkontext wirken sie wie Fremdkörper.
Obwohl hier nur Beispiele aus einem einzigen Bereich – dem von einem bestimmten
Unternehmen lancierten Sprachgebrauch – zitiert worden sind12, so bedeutet dies
nicht, dass Verwendungen dieser Art nicht auch in anderen deutschen Unternehmen
und ebenso in anderen deutschen Kommunikationskontexten vorkommen: Die hier
belegten Beispiele für unnötiges, unangemessenes Englisch bzw. für Pseudo-Englisch lassen sich durchaus als generalisierbar betrachten.
Die immer stärkere Durchdringung der deutschen Sprache durch das Englische lässt
sich nicht nur auf der Ebene der Lexik, sondern auch auf derjenigen der Syntax beobachten, beispielsweise anhand des Phänomens der Verwendung vollständiger
englischer Sätze im Deutschen.
Als erstes Beispiel für dieses Phänomen sei hier der von einer renommierten Kosmetikfirma kreierte Slogan „Come in and find out“ gewählt. Eine Umfrage unter deutschen Muttersprachlern ergab, dass die Mehrheit der deutschen Kundschaft ihn nicht
verstand, da sie des Englischen nicht hinreichend mächtig war. So wurde der Slogan
von vielen Befragten verstanden als „Kommen Sie herein (= in unsere Geschäfte)
und finden Sie wieder heraus“ bzw. als „Komm rein und finde wieder raus“ (vgl. Tuna
2006: 123). Die eigentliche Bedeutung des Slogans – in die Geschäfte der Firma zu
kommen und sich über deren Produkte zu informieren, also Interessantes darüber
herauszufinden, um sie in der Folge zu erwerben – blieb unverstanden.13
Ebenso mehrheitlich unverstanden blieb der Slogan einer großen Mobilfunkfirma, der
lautete: „Make the most of now“ (vodafone) oder derjenige einer asiatischen Automarke „The Power to Surprise“ (Kia)14 (2006: 123).
Am wenigsten verstanden wurde der Werbeslogan einer Nobel-Automarke, der lautete: „Life by Gorgeous“, der bisweilen sogar als „Leben in Georgien“ missgedeutet
wurde (2006: 123).15.
Die zitierten Beispiele zeigen, dass das Englische dann, wenn es in Deutschland mit
Blick auf große Zielgruppen verwendet wird – bei denen nicht automatisch davon
ausgegangen werden kann, dass sie über hinreichende Fremdsprachenkenntnisse
verfügen –, nicht immer sicher und adäquat verstanden wird. Dieser Befund lässt die
Verwendung des Englischen als fragwürdig erscheinen.
12 Es sei hier betont, dass die zitierten Beispiele keineswegs alle für den vorliegenden Zusammenhang relevanten sind, sondern dass diese Beispielliste durchaus verlängert werden könnte, worauf
hier aber aus Platzgründen verzichtet wird. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Pogarell / Schröder / Bartzsch (2007), deren Ausführungen und Definitionen zwar nicht immer plausibel erscheinen, die jedoch bisweilen wichtige Denkanstöße liefern.
13 Nicht umsonst hat die betreffende Firma ihren Slogan modifiziert und sich für eine für jedermann
verständliche – deutsche – Version entschieden: „Douglas macht das Leben schöner“
(http://www.douglas.de/douglas/index.html?trac=de.02a.aff.100000.home&wt_kw=de.02a.aff.1000
00.home&nsctrid=M2llbKdkZaczMDI1NDE; 16.09.2009).
14 Während vodafone gegenwärtig auf einen Slogan als Zusatz zu dem Firmennamen verzichtet – also den unverstandenen Slogan zurückgenommen hat – verwendet Kia den zitierten Slogan weiterhin, hat also nicht auf dessen sprachliche Erfolglosigkeit reagiert
(vgl. vodafone (http://www.vodafone.de/; 16.09.2009 ) und Kia (http://www.kia.de/; 16.09.2009)).
15 Der Autohersteller Jaguar verzichtet heute auf diesen erfolglosen Slogan
(http://www.jaguar.com/de/de/#/about_jaguar/; 16.09.2009).
8
1.3.
Berufsbezeichnungen
Im Bereich der Berufsbezeichnungen stellt sich die Situation zuweilen ebenso kurios
dar: Es werden die skurrilsten Bezeichnungen für gängige und unproblematisch auf
Deutsch zu beschreibende Berufe gewählt. Im Folgenden einige Beispiele, die –
auch wenn sie mehr oder minder unwahrscheinlich anmuten – im Sprachgebrauch
bisweilen anzutreffen sind:
(1) Für den Beruf des Rezeptionisten oder Empfangsherrn findet sich bisweilen die Bezeichnung Master of Welcome.
(2) Für den Beruf der Putzfrau, der in früheren Stadien seiner Entwicklung bereits mit dem
Euphemismus Raumpflegerin bezeichnet wurde, existiert heutzutage die Bezeichnung
Environment Improvement Technician.
(3) Für den Beruf der klassischen Sekretärin ist die Bezeichnung Head of Verbal Communications anzutreffen.
(4) Der Facility Manager ist die gegenwärtig wohl modernste und skurrilste Bezeichnung
für den traditionellen Hausmeister.
(5) Der oder die Angestellte in einer Kantine kann heute als Education Centre Nourishment Production Assistant bezeichnet werden.
(6) Kontrolleure, die auf Messen das Personal auf dessen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hin überprüfen, heißen heute Mystery Fair Visitors.
(7) Der traditionelle Tankwart ist heute der Petroleum Transfer Engineer.16
(8) Der Müllmann althergebrachter Art hat sich über die Fachkraft für Abfallwirtschaft gegenwärtig zum Waste Removal Engineer gewandelt.
(9) Der Begriff Human Resources (dt. oft auch Humankapital) bezeichnet heute die einen
Betrieb oder eine Institution tragenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
(10) Den Fensterputzer im herkömmlichen Sinne gibt es ebenfalls heute nicht mehr. Er ist
zum Vision Clearance Engineer mutiert.17
Diese Beispiele sollen hier genügen, um die folgenden Tendenzen deutlich zu machen:
• Bei der Schaffung von Berufsbezeichnungen besteht seit geraumer Zeit die Tendenz, die in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich durchzuführenden Aufgaben durch
inhaltlich überhöhte Begriffe zu verschleiern.
• Während Berufsbezeichnungen früher nicht selten dem Französischen entstammten (vgl. Coiffeur oder Chauffeur), werden sie heute auf der Basis englischer Begriffe gebildet.
• Diese Begriffe sind im Englischen oft nicht existent oder ungebräuchlich.
• Sie haben unterschiedliche kommunikative Funktionen wie beispielsweise diejenige der Euphemisierung.
16 Vgl. zu allen in diesem Abschnitt bis hier aufgeführten Beispiele Web.de-Beruf
(http://magazine.web.de/de/themen/beruf/karriere/6161254-Skurrile-Berufsbezeichnungen,page=7.html;
29.06.2008).
17 Vgl. Web.de-Beruf
(http://magazine.web.de/de/themen/beruf/karriere/6161254-Skurrile-Berufsbezeichnungen,page=10.html;
29.06.2008).
9
2.
Folgen der fortschreitenden Anglisierung
2.1.
Kulturelle Folgen
Der hier dokumentierte Sprachgebrauch führt in keiner Weise zu einer Verbesserung
der jeweiligen sprachlichen Ausgangssituation – geschweige denn zu einer Erweiterung des deutschen Ausdrucksinventars. Im Gegenteil:
• Die entsprechenden Begriffe sind in ausgewählten Registern des Deutschen belegt.
• Die Sprachverwendung stellt eine Mischung aus dem Englischen und Deutschen dar.
• Sie schadet beiden Sprachen, in erster Linie jedoch dem Deutschen, das nach
und nach seine Identität zu verlieren und zu einem Pseudo-Englisch zu mutieren
droht.18
Eine Entwicklung wie die hier beschriebene ist dem Deutschen und den anderen betroffenen Nationalsprachen langfristig unzuträglich.
Mit dieser Entwicklung verbunden ist eine Haltung der Sprachbenutzer, die durch
Gleichgültigkeit und Passivität hinsichtlich der eigenen Muttersprache gekennzeichnet ist. Die Sprache eines jeden Landes muss lebendig bleiben, allerdings auch flexibel genug sein, um wirklich notwendige Begriffe aus anderen Sprachen anzunehmen und die überflüssigen zu blockieren. Die einzelnen Nationalsprachen haben in
der Vergangenheit ihre kommunikativen Funktionen vollkommen erfüllt, und sie werden dies auch in Zukunft tun: Für Entwicklungen wie die hier aufgezeigten gibt es
keinerlei funktionale Rechtfertigung.
2.2.
Gesellschaftliche Folgen
Sprache ist nicht neutral; sie bestimmt Ideen, Gefühle, Vorstellungen, die Art und
Weise zu denken und nicht zuletzt die Weltanschauung. Schaut man sich die wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften an, so erkennt man, dass die meisten von ihnen englischsprachig sind. Dies bedeutet nichts anderes, als dass potentielle Autoren sich den sprachlichen und inhaltlichen Vorgaben der jeweiligen Herausgeber anzupassen haben.
Ein ähnlicher Prozess findet im Bereich des Kinos statt, wenn Filme auf Englisch gedreht werden, oder bei Büchern, welche, um auf dem amerikanischen Markt Chancen zu haben, von einem englischsprachigen Autor umgeschrieben werden. Gewiss
sind die Nationalsprachen in Europa nicht unmittelbar gefährdet. Dennoch ist ihre Situation gegenwärtig als schwierig einzustufen.
Angesichts der aufgezeigten Entwicklung besteht die Gefahr, dass in Wissenschaft
und Gesellschaft eine Sprachverwendung, die keinerlei englische Elemente enthält,
als althergebracht, rückwärtsgerichtet oder unmodern angesehen wird – und zwar in
folgender, oft vielleicht unbewusst internalisierter Denkweise: Wenn das Englische
für Dynamik und Zukunftsorientiertheit steht19, dann steht die Vermeidung des Engli18 So ist es nicht verwunderlich, dass Publikationen wie der „Anglizismen-Index“ in Buchform (Junker
2008) und im Internet (Verein Deutsche Sprache e.V. 2009) existieren, die Muttersprachlern des
Deutschen das Verständnis englischer Begriffe in ihrer eigenen Sprache näher zu bringen bestrebt
sind. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Dieter / Schrammen (2005) und Zabel (2001).
19 Dabei lassen sich keinerlei objektivierbare Gründe dafür anführen, warum dem Englischen in weiten Teilen der Gesellschaft Attribute wie die hier aufgeführten zugeschrieben werden.
10
schen in den übrigen europäischen Sprachen für das exakte Gegenteil, also für Fortschrittsfeindlichkeit und Rückschritt, allenfalls für Stagnation. Dabei hat das Englische die mit ihm assoziierten positiven Attribute ebenso wenig verdient, wie die übrigen europäischen Sprachen die mit ihnen verbundenen, eher traditionalistischen Attribute verdient haben.
Für die Schaffung bzw. Erhaltung einer verheißungsvollen sprachlichen Zukunft im
Europa des beginnenden 21. Jahrhunderts ist jedoch die umgekehrte Sichtweise
fruchtbarer: Der Reichtum Europas ist in der Tat durch seine sprachliche Vielfalt und
seine kulturelle Mannigfaltigkeit gekennzeichnet. Bei der Erhaltung beider sollte angesetzt werden, um Europa auch in den kommenden Jahrzehnten in wirtschaftlicher,
kultureller und wissenschaftlicher Perspektive attraktiv zu gestalten. Es gilt daher,
das Image der einzelnen Nationalsprachen im Sinne gerade dieser Vielfalt zu verbessern – im Sinne einer nachhaltigen sprachlichen und kulturellen Bereicherung.
Hierzu wird es nicht zuletzt notwendig sein, auf allen Ebenen des europäischen Bildungswesens initiativ zu werden, was im Folgenden am Beispiel des deutschen Bildungswesens aufgezeigt werden soll.
3.
Institutionalisierte Mehrsprachigkeit20
3.1.
Zweisprachigkeit in der Grundschule
Zur Erzielung einer in der Laufbahn eines jeden Schülers zu realisierenden Mehrsprachigkeit wird es notwendig sein, die Erlernung der ersten Fremdsprache bereits
in der Grundschule zur Regel werden zu lassen.21 Noch wünschenswerter wäre es,
die erste Fremdsprache in allen Bundesländern bereits spielerisch im Kindergarten
beginnen zu lassen22, aber diese Forderung ist angesichts der gegenwärtigen Ausgangssituation als mehr oder weniger unrealistisch zu betrachten. Wird die erste
Fremdsprache bereits flächendeckend in der Grundschule angeboten, ergibt sich
dadurch nicht nur eine größere Offenheit hinsichtlich der Erlernung weiterer Fremdsprachen in den weiterführenden Schulformen, es steht dann schlicht und einfach
auch mehr Zeit dafür zur Verfügung, da die Nutzung der fremdsprachlichen Grundschullernphase nicht zuletzt zu einer Erhöhung der für Fremdsprachen nutzbaren
Gesamtlerndauer führt.
3.2.
Mehrsprachigkeit an den weiterführenden Schulen23
Selbst wenn die erste Fremdsprache in aller Regel auch weiterhin das Englische sein
dürfte, so würde die Erlernung der zweiten Fremdsprache dann jedoch bereits in der
20 Vgl. hierzu auch das aufschlussreiche Interview von Martin Gerner aus dem Jahre 2001 mit der damaligen EU-Kommissarin für Bildung, Viviane Reding (vgl. Deutschlandfunk (2001)). Bemerkenswert ist, dass sich an der dort geschilderten Situation bis heute nicht viel geändert hat und dass die
dort angesprochenen institutionellen Notwendigkeiten bis zum heutigen Tage nicht einmal ansatzweise umgesetzt worden sind.
21 Vgl. hierzu auch den Sammelband von Hermes / Klippel (2003) sowie Böttger (2005).
22 Dennoch existieren auch in diesem Bereich vielversprechende Ansätze und Denkanstöße (vgl. z.B.
Schotte-Grebenstein 2006).
23 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die „Sieben Forderungen an die Schule“ des Präsidenten des
deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus (zit. nach Schneider 2009: 178) wie auch die instruktiven
Ausführungen in Schneider (1997) zur Lehre des Deutschen in der Schule.
11
fünften Klasse, also der ersten Hauptschul-24, Realschul- oder Gymnasialklasse –
einsetzen.25 Wäre diese Sprache beispielsweise das Französische, so würden für sie
drei Schuljahre gewonnen, da sie ansonsten frühestens in der siebten Klasse einsetzen würde. Die dritte Fremdsprache – beispielsweise das Spanische – könnte dann
in Klasse 9 beginnen. Für Gymnasiasten in der Oberstufe würde sich dann die
Chance eröffnen, ihre vierte Fremdsprache – beispielsweise das Italienische oder
das Chinesische – in Klasse 11 zu beginnen. Auch wenn hier nicht übersehen werden darf, dass sich bei diesem Modell nicht nur das Problem der Erweiterung des
Programms um immer weitere Fremdsprachen stellt, sondern auch dasjenige der Erhaltung bereits gelernter fremdsprachlicher Anteile, so ist doch unübersehbar, dass
im Rahmen dieses Ansatzes die berechtigte Chance besteht, die Schüler zu einer
wirklichen, gelebten und institutionell geförderten Mehrsprachigkeit zu führen.26 Ist
ein solcher Prozess durch entsprechende institutionelle Eckvorgaben erst einmal in
den Köpfen der Schüler in Gang gesetzt worden, wird er langfristig kaum mehr zu
stoppen sein: Dann werden sie ohne jegliche Beeinflussung von außen erkennen,
dass es auf der Welt weit mehr interessante Sprachen gibt als das Englische und
dass nur die Erkenntnis dieser sprachlichen Vielfalt die Welt wirklich verstehbar werden lässt. Auf diese Weise werden künftige Generationen auf nachhaltige Weise erkennen, dass eine Reduzierung der zu beherrschenden Fremdsprachen auf das
Englische allein eher einer geistigen und kulturellen Verarmung als einem Fortschritt
gleichkommt.
3.3.
Erhaltung und Festigung der Mehrsprachigkeit an der Universität
Die Universität hat gemäß dem von uns vorgestellten Modell die Aufgabe, die von
den Studierenden in ihrer Schulzeit erlernten Fremdsprachen zu vertiefen und weiter
zu festigen. Neue Fremdsprachen könnten zwar durchaus hinzukommen, jedoch bestünde dafür keine zwingende Notwendigkeit. So sollte jeder Studierende mindestens zwei der von ihm an der Schule erlernten Fremdsprachen im Wahlpflichtbereich eines jeden Studienganges fortzuführen haben. Auf diese Weise könnten die
Absolventen aller Fachrichtungen zumindest im Englischen und einer weiteren
Fremdsprache mehr oder weniger fließend kommunizieren.27 Diese Forderung sollte
entsprechend an Fremdsprachenstudenten beispielsweise der Lehramtsstudiengänge gerichtet werden, so dass diese dann, wenn sie bereits eine Fremdsprache als
Unterrichtsfach studieren, über insgesamt drei gut beherrschte Fremdsprachen verfügen würden. Zudem hätten sie dann noch die vierte, an der Schule gelernte Fremd-
24 Es könnte sich in der Praxis auch an der Hauptschule als fruchtbar erweisen, das Französische
oder Spanische als zweite Fremdsprache flächendeckend in den Fächerkanon aufzunehmen.
25 In der Schweiz gibt es zum Beispiel bereits heute hervorragende Schulen, in denen junge Menschen mit Vollendung des 18. Lebensjahres Französisch, Deutsch, Italienisch und Englisch relativ
gut in Wort und Schrift beherrschen. Diesem Modell kann im vorliegenden Zusammenhang durchaus Inspirationscharakter zukommen.
26 Vgl. hinsichtlich der Möglichkeiten einer solchen gelebten und institutionell geförderten Mehrsprachigkeit den Sammelband von Bausch / Königs / Krumm (2004) und hier besonders die Beiträge
von Ahrens (2004: 9ff.), Gnutzmann (2004: 45ff.) und Königs (2004: 96ff.).
27 Auch die immer weiter um sich greifende Implementierung internationaler, also englischsprachiger
Studiengänge (vgl. hierzu auch die einzelnen Beiträge in Motz (2005)) würde diesem Modell nicht
widersprechen – vorausgesetzt, dass neben dem Englischen ein studienrelevantes Angebot an
weiteren Fremdsprachen vorgehalten würde.
12
sprache zur Verfügung, die sie an der Hochschule auf rein freiwilliger Basis weiter
pflegen könnten.
Auf der Basis eines solchen sprachlichen Repertoires würde Multilingualität – und
somit auch Multikulturalität – im Europa der Zukunft praktisch gelebt. Es bedürfte dabei keinerlei Direktiven oder Zwangsvorgaben, wie sie beispielsweise in Frankreich
durch die dort bestehenden Gesetze zur défense de la langue bestehen (vgl. Kap.
1.1) – Gesetze, mit deren Hilfe ein weiteres Eindringen des Englischen in das Französische vermieden werden soll, was sich in der praktischen Umsetzung jedoch recht
schwierig gestaltet. Das hier vorgelegte Modell würde die Realisierung der Vielsprachigkeit – und eine Reduzierung der Anglisierung der deutschen Sprache – gleichsam eo ipso ermöglichen: Wenn in einer gegebenen Situation – beispielsweise in der
Werbung oder zur Schaffung von Berufsbezeichnungen – unbedingt fremdsprachige
Elemente verwendet werden sollen, dann werden diese automatisch nicht mehr ausschließlich aus dem Englischen genommen, da den sprachbildend wirkenden Menschen der Zukunft auf breiter Basis mehr als nur das Englische als aktiv beherrschte
Fremdsprache zur Verfügung steht. Dann werden vermehrt auch andere Sprachen
zum Zuge kommen.
Bei weiterer Reflexion über neu zu schaffende bzw. aus dem existierenden Vokabular zu nehmende Begriffe wird zudem – dies sei hier als Vorhersage gewagt – nicht
selten das Phänomen auftreten, dass die zu sprachlicher Kreativität Aufgeforderten
den linguistischen Wert der deutschen Sprache erkennen – sie werden also sehen,
dass das Deutsche durchaus geeignete Mittel bereitstellt, um die gewünschten
sprachlichen Abbilder der außersprachlichen Realität zu kreieren.
4.
Abschließende Bemerkungen
Wir haben gesehen, dass die alleinige Beherrschung des Englischen für die Bewältigung der beruflichen und gesellschaftlichen Zukunft nicht mehr genügen wird. Eine
solche Situation, in der das Englische die einzige, von weiten Teilen der Bevölkerung
mehr oder minder gut beherrschte Fremdsprache darstellt, wird in Zukunft in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und (inter)kultureller Perspektive nicht mehr befriedigend sein. Nur durch eine erhebliche quantitative Erweiterung der an Schule und
Hochschule angebotenen Fremdsprachen – verbunden mit deren qualitativer Vertiefung – wird es gelingen, ein Bewusstsein für die Vielsprachigkeit Europas und der
Welt herbeizuführen und die Menschen künftiger Generationen zu einer g e l e b t e n
M u l t i l i n g u a l i t ä t und – eng damit verbunden – zu einer g e l e b t e n M u l t i k u l t u r a l i t ä t – zu führen. So sollte es jedem Schüler prinzipiell ermöglicht werden, an
der Schule jede (größere) Sprache der EU zu erlernen. Ist dies erst einmal realisiert,
dann wird die gegenwärtige Vorherrschaft des Englischen automatisch relativiert
werden. Sie wird dann einer Vielfalt weichen, die zu einer sprachlichen, kulturellen
und gesellschaftlichen Belebung der einzelnen europäischen Nationalsprachen führen wird. Mögliche Probleme, die sich auf dem Weg dorthin stellen werden, sollten
dabei nicht abschreckend wirken, sondern die Anstrengungen zu deren Lösung nur
noch verstärken. Auf diese Weise kann ein Europa der Völker geschaffen werden, in
dem jeder einzelnen Sprache und jeder einzelnen Kultur der ihr gebührende Platz
zukommt.
13
Literaturverzeichnis
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2
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15
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 (2010), 17-51
Printmedien Frankreichs und Deutschlands
Niederschlag von Sprechsprache und Diskursrahmen1
Isabelle Friedl
Thema dieses Artikels ist die Analyse verschiedener Kategorien des Diskursrahmens, die
sich in deutschen und französischen Zeitungen und Zeitschriften wiederfinden lassen. Ziel ist
es, anhand des in einem ersten Arbeitsschritt zusammengestellten Systems dieser Kategorien den Niederschlag von Sprechsprache in ebendiesen Printmedien zu messen und die verschiedenen Titel nach der statistischen Erhebung auf eine Achse zwischen Distanzsprache einerseits und Nähesprache andererseits zu positionieren. Dabei werden drei Hypothesen getestet, die sich um die Frage der Permissivität und Permeabilität von geschriebensprachlichen (Distanz-)Texten hinsichtlich sprechsprachlicher Elemente drehen und darum, inwieweit das Französische und das Deutsche sich in diesem Punkt flexibel zeigen.
Inhalt:
1.
2.
2.1.
2.2.
2.3.
3.
3.1.
3.2.
3.2.1.
3.2.2.
3.2.3.
3.2.4.
3.2.5.
3.3.
4.
Thema: Wortlaut und Belang
Arbeitsschritte: der lange Weg
Wahl der Theorie
Das Kategoriensystem
Zu bewältigende Probleme
Analyse
Definitionen
Ergebnisse bezüglich des Diskursrahmens
Morphologie und Wortbildung
Lexik
Syntax
Formulierungsmittel
Situationsverankerung
Ergebnisse bezüglich der Instanzen ‚Zeitung‘ und ‚Sprache‘
Fazit
Literaturverzeichnis
1.
Thema: Wortlaut und Belang
In dieser Analyse soll der Niederschlag von Sprechsprache in den Printmedien
Frankreichs und Deutschlands festgehalten und gemessen werden. Dazu wird ein
Korpus von 14 verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erstellt, das sich aus jeweils sieben französischen und deutschen Titeln aus dem Sommer 2006 zusammensetzt. Dabei wird sowohl auf das Vorhandensein von Jugendpresse, Klatschmagazinen, Regionalzeitungen als auch von überregionalen Titeln geachtet:
1 Vorliegender Artikel greift auf Teile unserer Dissertation zurück; s. Friedl (2009).
17
Regionale Presse
EST RÉPUBLICAIN
-
Überregionale Presse
FIGARO, LIBÉRATION, LE MONDE
FAZ, SZ, TAZ, DIE W ELT
Boulevardpresse
-
BILD
Klatschpresse
GALA, VSD
BUNTE
Jugendpresse
JEUNE & JOLIE
MÄDCHEN
Der Ansatz berücksichtigt drei verschiedene Aspekte:
• die Komparatistik zwei indoeuropäischen Sprachen, die jedoch verschiedenen
Sprachfamilien angehören und deren partielle Parallelen nicht von vornherein offensichtlich sind;
• die Korpus- und Medienlinguistik, die zwei sehr interessante Betätigungsfelder der
Sprachwissenschaft darstellen;
• die fachübergreifende Anwendung einer Theorie, die ursprünglich von deutschen
Romanisten entwickelt wurde, und die wir nun auch auf ein germanistisches Korpus applizieren wollen.
2.
Arbeitsschritte: der lange Weg
2.1.
Wahl der Theorie
Besagte Theorie basiert auf den Werken von E. Coseriu, der eine historische Einzelsprache unterteilt in d i a t o p i s c h e , d i a s t r a t i s c h e und d i a p h a s i s c h e Varietätendimensionen. P. Koch und W. Oesterreicher greifen diese Fächerung auf und
setzen ihr eine weitere Dimension auf, die sie das Kontinuum zwischen Sprechsprache und Schriftsprache nennen (auch Nähe- und Distanzsprache). Dieser, hier stark
gerafften, Theorie zufolge können bestimmte Lexeme und andere Phänomene aus
dem Bereich der Sprache (u.a. phonologisch-graphematischer, morphologischer und
syntaktischer Natur) entlang der Diasystematik von der regionalen Ebene über die
soziale Ebene zur situationellen Ebene wandern, und, bei Koch / Oesterreicher, sogar zum N ä h e - D i s t a n z - K o n t i n u u m vorstoßen:
Abb. 1: Oesterreicher (1995: 8)
Das Konzept ist von ganz besonderem Interesse für all diejenigen, die sich mit der
Definition von Sprech- und Schriftsprache befassen. Diese beiden Extrempole von
Sprache lassen sich nämlich nicht nur aufgrund einer medialen Dichotomie (die im
phonischen oder im graphischen Kanal ihren Niederschlag findet) beschreiben, sondern differenzieren sich v.a. aufgrund ihrer K o n z e p t i o n : es ist ein Unterschied, ob
jemand seine ‚Botschaft‘ eher schriftsprachlich oder sprechsprachlich formuliert (s.
18
Abb. 2). Diese konzeptionelle Dimension ist als ein Kontinuum anzusehen, das die
sprachliche Variation berücksichtigt, die jeder historischen Einzelsprache innewohnt.
KONZEPTION
graphischer Kode
KODE
phonischer Kode
gesprochen
geschrieben
faut pas le dire
il ne faut pas le dire
[fopal’di:{]
[ilnəfopalə’di:{]
Abb. 2: Söll (31985: 24), in: Koch / Oesterreicher (1990: 5)
Koch / Oesterreicher entwickeln auf dieser Basis die sogenannte Nähe-DistanzRaute, die es nun ermöglicht, sich bei der Beschreibung von Nähe- und Distanzsprechen mehrerer Variablen zu bedienen. Sie nehmen dabei Rücksicht auf die Kommunikationsbedingungen und erarbeiten die verschiedenen Diskursstrategien, die ein
Sprecher handhaben wird, um seine Nachricht zu versprachlichen:
Abb. 3: Koch / Oesterreicher (2001: 586)
Wir formulieren nun drei Grundhypothesen: Bezüglich der Phänomene konzeptioneller Sprechsprache, die sich eventuell in unserem Zeitungskorpus wiederfinden
• ist ihr Auftreten abhängig von der Zeitung und daher vom Leserpublikum;
• verschließt sich die französische Pressesprache dieser Sprechsprache mehr als
die deutsche Pressesprache;
• verschließt sich die französische Standardsprache dieser Sprechsprache mehr als
die deutsche Hochsprache.
19
In einem ersten Arbeitsschritt haben wir auf der Basis von Beobachtungen der allgemeinen Sprechsprache ein Inventar von denjenigen Phänomenen aufgestellt, die
sich der Diatopik, der Diastratik, der Diaphasik und dem Nähe-Distanz-Kontinuum zuordnen lassen. Diese Inventare haben für das Französische bestätigt, was Koch /
Oesterreicher bereits festgestellt haben: die Diatopik ist relativ wenig vorhanden, die
Diastratik und Diaphasik sind dafür umso präsenter, und gewisse Phänomene können nur in die vierte Dimension des Nähe-Distanz-Kontinuums eingeordnet werden.
Das Deutsche hingegen besitzt eine viel reichere Diatopik, dagegen ist hier die vierte
Dimension verhältnismäßig schwach ausgebaut, was nichts anderes bedeutet, als
daß es nur wenige sprachliche Erscheinungen gibt, die nicht auf die eine oder andere Weise der Diasystematik zuzuordnen sind.
2.2.
Das Kategoriensystem
In einem zweiten Arbeitsschritt wurde durch Auswertung der beiden Inventarlisten ein
Kategoriensystem aufgebaut, das verschiedene linguistische Ebenen beschreibt: die
Ebene der Grapheme und Silben, die Ebene der Morphologie und der Wortbildung,
die syntaktische Ebene, die lexematische Ebene, die Ebene der Formulierungsmittel
und die Ebene der Situationsverankerung.
Diese Kategorien teilen sich in zwei Gruppen auf, die wir die s a t z b e s c h r e i b e n d e und die s a t z a u s l ö s e n d e Art genannt haben. Diese dienen nun in einem
dritten Arbeitsschritt als Filter, durch die das Korpus gleichsam ‚gesiebt‘ wird, um all
diejenigen Sätze in eine Datenbank zu übernehmen, die mindestens eine satzauslösende Kategorie aufweisen. Eine satzauslösende Kategorie beschreibt dabei diejenigen sprachlichen Erscheinungen, die der Sprechsprache zuzuordnen sind; die satzbeschreibenden Kategorien enthalten nur Zusatzinformationen, um die Charakterisierung zu verfeinern und so präzise wie möglich zu gestalten. Die satzauslösenden Kategorien umfassen somit auch all die Phänomene, die den Strategien der Versprachlichung, die für die Distanzsprache gelten, n i c h t entsprechen, die also dem N o n s t a n d a r d zugeschrieben werden können bzw. müssen.
Pro Datensatz enthält unsere Datenbank verschiedene Informationen: falls bekannt,
den Autor des Artikels, den Titel des Artikels, die Seitennummer, das Datum, den
Zeitungsnamen, die Rubrik, die Textsorte, den zitierten Satz, entsprechende Kategorien und in der Kommentarspalte Erklärungen zu den verschiedenen zugeteilten Kategorien. Ein Satz ist definiert als eine sprachliche Einheit zwischen einer Majuskel
einerseits und andererseits einem Punkt <.>, einem Ausrufezeichen <!>, einem Fragezeichen <?>, einem Leerzeichen < > (v.a. in den Textsorten Titel und Untertitel)
oder drei aufeinanderfolgenden Punkten <…>. Wir bleiben somit auf der Satzebene
als höchster, analysierter Einheit und haben von der Textgrammatik nur wenige, periphäre Punkte (wie z.B. die Zuteilung zu Textsorten) als Begleitinformation hinzugenommen.
Aus einem Korpus von circa 41.430 Sätzen selektiert das Kategoriensystem nun
14.127 Sätze in die Datenbank, was bedeutet, daß etwa ein Drittel des Korpus mindestens ein gesprochensprachliches bzw. nonstandardsprachliches Element pro
Satz aufweist.
Aufsetzend auf die Datenbank haben wir in einem vierten Arbeitsschritt einen rechnergestützten Suchmechanismus implementiert, mit dessen Hilfe sich statistische
Ergebnisse erzielen und darstellen lassen. Dieser Suchmechanismus, ähnlich einer
Suchmaschine wie sie z.B. in den Bibliotheken angeboten wird, erlaubt, Suchkriterien
20
an die Datenbank anzulegen und sie miteinander zu kombinieren. So kann man z.B.
nach Einzelkategorien suchen, die Ergebnisse mit der Variable Rubrik oder Textsorte
kreuzen oder sie danach ausrichten, die Kategorien untereinander kreuzen, eine
Wortsuche starten, die Ergebnisse normalisieren und die einzelnen Kategorien, die
zur präziseren Beschreibung auch untereinander kombiniert werden, auf eine weitgefaßte H a u p t k a t e g o r i e zurückführen, was im Einzelnen noch beschrieben und
exemplifiziert werden wird.
2.3.
Zu bewältigende Probleme
Mehrere Probleme sind dabei zu bewältigen: die Definition des Tokens, die Auswahl
bestimmter Sätze, die die Ergebnisse beeinflusst, das heterogene Korpus, die Untergliederung besagter Kategorien, der Vergleich von Französisch und Deutsch, der bisweilen sehr heikel ist, der linke Ko-Text, die i n h ä r e n t e V a r i a t i o n , das Gesprochensprachliche im weiteren Sinne, einige Einzelkategorien, die im Nachhinein gesehen anders anzusetzen gewesen wären und die Frage, ob man geschriebensprachliche Grammatikkategorien heranziehen kann, um über Gesprochensprachliches zu urteilen.
a) Das Token, die Einheit, die in die Datenbank übernommen wird, wurde, wie bereits angedeutet, als Satz begriffen, der über die Zeichensetzung definiert wird.
Unser Analysebereich beschränkt sich somit auf den grammatikalischen und lexikalischen Bereich. Ein Satz wird dann und nur dann in die Datenbank übernommen, wenn er mindestens eine satzauslösende Kategorie beinhaltet.
b) Die Präselektion bestimmter Sätze als Tokens, die in die Datenbank aufgenommen werden, hat direkten Einfluß auf diese Statistikergebnisse: Nur etwa ein Drittel der Sätze des Korpus fließen in die Statistiken ein. Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß zwei Drittel des Korpus im Hinblick auf die Sprechsprache unmarkiert
sind, wobei dieser Anteil je nach Titel und behandelter Sprache erwartungsgemäß
variiert.
c) Die Heterogenität des Korpus ist ein weiterer Punkt, der – im Nachhinein betrachtet – eine gewisse Schwäche darstellt, da das Basiskorpus auf der französischen
Seite eine Regionalzeitung, L’EST RÉPUBLICAIN, verzeichnet, die das deutsche
Korpus entbehrt. Auf der anderen Seite haben wir eine deutsche Boulevardzeitung, die BILD, die in der französischen Analyse fehlt. Es ist somit klar, daß die
Vergleichsbasis nicht ganz stimmig ist.
d) Französisch und Deutsch zu vergleichen, ist in bestimmten Punkten sehr heikel,
wenn nicht gar unmöglich. Kategorien wie die der Modalpartikeln [disk4] oder der
Apokopen bei Imperativen [impe1-ökon1] sind als solche eher dem Deutschen zuzuordnen, andere Kategorien wie die Hervorhebung [foka] sind im Französischen
markierter als im Deutschen. Die Tempusverteilung zwischen Präteritum und Perfekt einerseits, dem passé composé und dem imparfait andererseits, hat keinerlei
Vergleichbarkeit.
e) Der vorangehende Punkt führt zur nächsten Frage, die der Untergliederung der
Kategorien. Tatsächlich beschränkt sich das Instrumentarium nicht auf 58 Einzelkategorien, sondern wird durch 90 kombinierte Kategorien, für die wir den Begriff
Kombikats vorschlagen, ergänzt. Diese 90 Kombikats bestehen aus mindestens
einer satzauslösenden Kategorie kombiniert mit einer weiteren Kategorie, um die
Charakterisierung zu verfeinern. So können wir zum Beispiel eine Steigerungspar21
tikel [disk3] absetzen von einer gesprochensprachlichen Steigerungspartikel
[disk3-gesp] oder einer drastischen Steigerungspartikel [disk3-dras].
f) Der linke Ko-Text wurde bei der Inventarisierung fast nicht beachtet, obwohl bei
der Analyse der verblosen Sätze [VLS] und der Subjektellipsen [vale] eine solche
Arbeit sicher interessant gewesen wäre. Dieses Fehlen erklärt sich dadurch, daß
die Untersuchung, wie schon gesagt, auf den Satzrahmen als größte Einheit ausgerichtet ist.
g) Die inhärente Variation2 beschreibt die Ko-Okkurenz von mehreren Varietäten in
einer einzigen ‚Nachricht‘. Ausnahmen dieser überall zu beobachtenden Variation
sind Gesetzestexte, Wörterbücher und u.U. Gebrauchsanweisungen. Wir versuchen, dieser Variation in graphischen Texten von eigentlich schriftlicher Konzeption in unserer Datenbank Rechenschaft zu tragen, indem wir die Kategorie [diap]
einführen, die diaphasisch ‚hohe‘ Elemente beschreibt, die sich im unmittelbaren
Ko-Text von gesprochensprachlichen Erscheinungen befinden. Ein Beispiel ist das
Token 6282 <Je ne peux pas imaginer que l’on choisisse de briser une amitié pour
un mec qui, de toute façon, sera parti dans quelques semaines...>. Hier wird also
das hochsprachliche, vielleicht sogar literatursprachliche Pronomen <l’on> in die
direkte Nachbarschaft des umgangssprachlichen <mec> gesetzt.
h) Desweiteren muß eine klare Abgrenzung bestehen zwischen der gesprochenen
Sprache im engeren und im weiteren Sinne. Erstere begreift nur die Dimension
des Kontinuums zwischen Nähe- und Distanzsprache, wogegen letztere den gesamten linken Teil der Spracharchitektur umfaßt (vgl. Abb. 1, S. 18). Nehmen wir
also die Kategorie [gesp] in Augenschein, so beschreibt diese nur die erste der
‚beiden‘ Ausprägungen von Sprechsprache.
i) Zuguterletzt stellt sich die Frage, ob man geschriebensprachliche (Grammatik-)Kategorien dazu benutzen darf, um Gesprochensprachliches zu beurteilen bzw. Gesprochensprachliches zu definieren. Diese Frage ist aber nur eine Scheinfrage in
der Hinsicht, daß sich die Arbeit tatsächlich zum Ziel gesetzt hat, Geschriebensprachliches zu beschreiben und statistisch darzulegen, was sich in der Sprache
der Printmedien der letzten Jahre ereignet. Die oben genannten Kategorien sind
also voll funktional, wenn wir diejenigen Erscheinungen speichern wollen, die eben
gerade nicht den Konventionen entsprechen, die das Geschriebene normieren
und fixieren und die wir daher dem Nonstandard zuschreiben. Vereinfacht kann
man sagen, daß die Kategorie [-gesp-] im weiteren Sinne eine sprachliche Form
bezeichnet, die eine Nonstandardmarkierung aufweist gegenüber jener, die dem
Standard einer (geschriebenen) Hochsprache entspricht. Dies gilt sowohl für Lexeme wie auch für die Grammatik. So beschreiben z.B. [-ökon-] und [vale] die Abweichung von der für die geschriebene Sprache geforderten Ausführlichkeit und
Vollständigkeit; die Kategorie [-diat-] bezeichnet diejenigen Elemente, die sich gegen die größtmögliche geographische Verteilung und Gültigkeit, wie sie für die Distanzsprache angesetzt ist, stellen.
2 Siehe Gadet (1997) und (2003).
22
3.
Analyse
3.1.
Definitionen
Wodurch kennzeichnet sich die Kommunikationssituation ‚Pressesprache‘? Wenn wir
auf die Nähe-Distanz-Raute zurückgreifen, so kann festgestellt werden, daß besagte
Kommunikationssituation einer Distanzkommunikation entspricht, da der Journalist
• sich einem Publikum unbekannter Leser konfrontiert sieht,
• von der Handlung und der Situation entbunden ist,
• das Thema kritisch und reflektiert behandelt hat,
und da erfaßt werden kann, daß
• eine räumlich-zeitliche Trennung zwischen Sender und Empfänger besteht,
• die kommunikative Kooperation quasi nicht existent ist,
• der Diskurs monologisch ist und
• auf den ersten Blick der Grad der Emotionalität der kodierten und vermittelten
Nachricht sehr schwach ist.
Aus dieser Kommunikationssituation folgen mehrere prototypische Versprachlichungsstrategien:
•
•
•
•
Präferenz für sprachliche Kontexte
ein ausgeprägter Ausarbeitungsgrad
eine gewisse Unwiderruflichkeit des kodierten Textes
eine eher integrative Sprachform
Präferenz für sprachliche Kontexte bedeutet, daß der Text a priori keine Deiktika und
subjektive Markierungen und auch keine ungenauen oder impliziten Elemente beinhalten sollte. Der ausgeprägte Ausarbeitungsgrad verlangt danach, keine Spuren des
Schriftprozesses im finalen Text vorzufinden. Die Unwiderruflichkeit des kodierten
Textes bedeutet u.a., daß der Journalist explizit, erschöpfend und höflich sein muß.
Was den letzten Punkt angeht, so verlangt die integrative Sprache einen hohen Grad
an Kohärenz, Kohäsion und Logik.
Der vorbildliche Journalist (im Sinne von i d e a l t y p i s c h ) muß sich sowohl bezüglich der Kommunikationssituation ‚Pressesprache‘, wie auch im Hinblick auf das Lesepublikum und auf die Redaktion mustergültig verhalten. Das Konzept des idealtypischen Journalisten ist für diese Analyse äußerst nützlich, weil wir ihn gerade bei
den sprachlichen Erscheinungen gleichwohl ‚ertappen‘ wollen, bei denen er gegen
die für die Distanzsprache erwartbaren und typischen Versprachlichungsstrategien
verstößt.
Wir haben versucht, mehreren Fragen auf den Grund zu gehen: Was macht kommunikative Nähe aus? Wo positioniert sich der Journalist bezüglich der Äußerungsbedingungen? Welchen Grad an Nähe oder Distanz setzt der Journalist auf diese Weise in Szene?
23
3.2.
Ergebnisse bezüglich des Diskursrahmens
In vorliegendem Artikel wird aus Platzgründen nur der D i s k u r s r a h m e n besprochen3. Er ist zu begreifen als sprachliches Universum4, in das der Autor-Sender sowohl seine ‚Nachricht‘ als auch den Leser-Empfänger verankert. Es ist davon auszugehen, daß in der Kommunikationssituation ‚Pressesprache‘ der Sender für den
Empfänger kodiert, der Autor also alles daransetzen muß, die Botschaft für den Leser verständlich zu formulieren. In dieser Hinsicht kann man somit davon ausgehen,
daß der Autor einen Diskursrahmen schafft, von dem er erwartet, daß der Leserkreis
ihn mit ihm teilt. Der Diskursrahmen wird also abhängig vom Rezipienten konstruiert.
Die Kategorien, die zum Diskursrahmen gehören, sind folgende:
• nichtpräpositionale Wortbildung [-morp1-], Augmentativpräfixe und -suffixe
[-morp2-], Diminutiva [-morp3-]
• Diatopik [-diat-], Diastratik [-dias-], Drastik [-dras-], ‚hohe‘ Diaphasik [-diap-]
• Anglizismen (mitsamt Denglisch und franglais) [-engl-], gesprochensprachliche
Elemente [-gesp-]
• Intensitätspartikeln [-disk3-], Modalpartikeln [-disk4-]
• Herausstellungsstrukturen [foka], morphosyntaktische Nonstandardstrukturen
[-nsta-], Gebrauch der verschiedenen Tempi der Vergangenheit [temp]
• Wortspiele etc. [-form-], Onomatopoetika [-disk6-], Reformulierungen [-disk8-], Formen sprachlicher Redundanz [-redu-], unneutraler Ton [neut]
• Deiktika [subj], Formen der ersten Person [-1per-], Formen der zweiten Person
[2per]
3.2.1. Ergebnisse bezüglich der Morphologie und der Wortbildung
• Nichtpräpositionale Wortbildung [-morp1-]
.... token 10821 .......... journal: DIE W ELT .........................................................................
Besonders gut gefallen hat uns die Aufnahme eines voll kondomisierten Helfers, der eine
verendete Gans in einen Plastiksack stülpt.
.... token 1840 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
En font partie Pierre Méhaignerie, Jean-Claude Gaudin, Brice Hortefeux, Gérard Longuet,
Patrick Devedjian, Hervé Novelli, Roger Karoutchi, Nadine Morano, le chiraquien sarkocompatible François Baroin et des ralliés comme Michel Barnier et Roselyne Bachelot.
.... token 908 .......... journal: SZ .......................................................................................
Was Müntefering in seinem Elan verschweigt, ist, dass es sich hier zum Teil um eine Mogelpackung handelt.
3 Ein weiterer Artikel, der den K o m m u n i k a t i o n s v e r t r a g und die f i n g i e r t e M ü n d l i c h k e i t bespricht, ist in Arbeit, Friedl (in Vorb.). Ergebnisse hierzu können allerdings in unserer auf
Französisch verfaßten Doktorarbeit nachgelesen werden; s. Friedl (2009).
4 « Un univers verbal se construit sur des mondes sociaux et culturels, des expériences humaines
toujours en mouvement, si bien qu’il doit être considéré comme complexe et diversifié. Eu égard
que chez l’humain, le langage occupe une place si importante qu’il devient le véritable outil pour (et
de) la pensée, ses expériences, son ancrage social et culturel se reflètent immanquablement dans
la langue qu’il parle. La somme de ces critères est ce qu’on appelle univers verbal. », s. Friedl
(2009: 176).
24
Die nicht präpositionale Wortbildung ist nicht per se ein Phänomen der Nähesprache.
Trotzdem kann man davon ausgehen, daß ein Teil dieser Wortschöpfungen nur von
kurzer Bestandsdauer ist, weil diese für eine ganz bestimmte Beschreibung geschaffen worden sind. Diese ad hoc-Qualität (Tokens 10821 und 1840) jedoch ist es, die
uns dazu veranlaßt, solche Lexeme eher dem Nähepol zuzuordnen, da die Versprachlichungsbedingungen und -strategien der Distanzsprache das Provisorische
gerade ausschließen wollen. Andere Wortbildungen, wie die im Token 908, beinhalten ein umgangssprachliches Basislexem, das durch seine Nonstandardmarkierung
die Inventarisierung in unsere Datenbank auslöst. Zweifellos gehört die Wortbildung
zum (heutigen) Journalistenstil, der alles daransetzt, modern, aktuell und kompakt zu
sein.
>>
dias-engl-morp1; disk6-morp1; dras-morp1; engl-engl-morp1; engl-gesp-morp1; englgesp-morp1-ökon6; engl-morp1; engl-morp1-morp3; engl-morp1-ökon10;
engl-morp1-ökon6; engl-morp1-ökon7; gesp-morp1; gesp-morp1-ökon6; morp1;
morp1-morp3; morp1-ökon6; morp1-ökon7
-->
79 % im deutschen Korpus5
• Augmentativpräfixe und -suffixe [-morp2-]
.... token 51 .......... journal: MÄDCHEN ..............................................................................
Das Gespenst Hui Buh (Michael Bully Herbig) führt ein supercooles Geisterdasein auf
dem schaurigen Schloss Burgeck.
.... token 1045 .......... journal: SZ .....................................................................................
Ein „Mega-Event“ sollte es also sein.
Die Augmentativaffixe gehören eher der Nähesprache an, weil der Emotionsgrad,
den sie ausdrücken, unkompatibel ist mit einer extremen Schriftsprachlichkeit. Wir interpretieren den Gebrauch dieser Augmentativa zusammen mit soziolektalen oder
sprechsprachlichen Elementen als Versuch seitens des Journalisten, sich als modern, in und tolerant zu geben und die Identifikation seitens seiner Leser zu suchen
(Token 51). Man kann diese Affixe aber auch dahingehend interpretieren, daß der
Autor sich kritisch ausdrückt, indem er einen Kontrastpunkt setzt zu ansonsten eher
neutral formulierten Äußerungen; dies wird durch den Gebrauch von Anführungszeichen noch betont (Token 1045).
>>
dias-disk3-morp2; disk3-gesp-morp2; disk3-morp2; dras-morp2; engl-morp2;
gesp-morp2; morp2
-->
65 % im deutschen Korpus
• Diminutiva [-morp3-]
.... token 7468 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
Butin du jour: un pauvre panonceau « Réservé » piqué sur un siège VIP (bof) et une poignée de mains de Guy Roux (chouette).
5 Zum besseren Verständnis: Nach dem Doppelpfeil >> werden sämtliche Kombikategorien aufgeführt, die mithilfe der Oberkategorie gebildet werden; eine weitere Angabe (nach dem Pfeil -->) gibt
in Prozentzahlen das Auftreten der Oberkategorie im deutschen bzw. französischen Korpus an. So
bedeutet die Angabe ‚79% im deutschen Korpus’, daß 79% der Sätze, die die betreffende Kategorie mindestens ein Mal beinhalten, dem deutschen Korpus zuzuschreiben sind.
25
Die (positive) Verniedlichung oder die Kritik, die mit den Diminutiva ausgedrückt wird,
und die sich mit gesprochensprachlichen, englischen oder ad hoc-Kategorien zu
Kombikats zusammensetzen kann, scheint uns gegenläufig zum Konzept der Distanzsprache, die klare, eindeutige Formulierung fordert und in der Konnotationen
möglichst ausgeschlossen werden sollen, da sie dem Leser einen zusätzlichen Aufwand abverlangen, um die ‚Nachricht‘ interpretieren und verstehen zu können. Distanzsprache verlangt nach klarer, eindeutiger Sprache. In dieser Hinsicht gehört
diese Kategorie auch der Dimension des Kommunikationsvertrags an.
>>
dias-morp3; engl-gesp-morp3; engl-morp1-morp3; engl-morp3; gesp-morp3;
morp1-morp3; morp3
-->
73 % im deutschen Korpus
[-
[mo
rp
1
mo
rp
1]
-]
[-m
[-m
or
p2
+3
-]
or
p2
+3
-]
Statistisch gesehen weist die deutsche Datenbank eine größere Verwendung für
Wortbildung, Augmentativa und Diminutiva auf als der französische Teil. Die FAZ und
DIE W ELT verzeichnen dabei höhere Zahlen als MÄDCHEN oder JEUNE & JOLIE, was
sich v.a. dadurch erklärt, daß die Wortbildung mithilfe englischer Basislexeme dort
sehr häufig vorkommt. Das deutsche Korpus ist ziemlich heterogen angelegt, dagegen verzeichnet das französische Korpus eine ausgeprägte Dominanz der Zeitschrift
JEUNE & JOLIE.
0
50
Bild
Bunte
100
FAZ
Mäd
150
SZ
taz
0
200
EstRep
Welt
20
Figa
40
Gala
Jeune
60
Libe
80
Monde
100
VSD
Abb. 4: Elemente der Morphologie und Wortbildung (Friedl 2009: 175)
3.2.2. Ergebnisse bezüglich der Lexik
• Diatopik [-diat-]
.... token 13525 .......... journal: BUNTE ..............................................................................
Wer die legendären Schwammerl-Essen in ihrem Nobelhotel „Sacher“ einmal erlebte,
möchte sie nicht missen: Elisabeth Gürtlers Mixtur aus Künstlern, Society und Gourmetfreuden ist gekonnt.
.... token 526 ..........journal: L’EST RÉPUBLICAIN................................................................
Les Vosges à l’heure de la Bretagne, pour un délicieux mariage de l’épinette et de la cornemuse au pays de la soyotte !
.... token 9916 .......... journal: TAZ ....................................................................................
„A weng Woscht geht immer“, kartoffelt der Franke.
26
Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, wie die Diatopik in der Pressesprache ihren
Niederschlag findet.
- Zum einen kann der Journalist auf sie Bezug nehmen, um mit dem Leser ein alternatives sprachliches Universum zu teilen und Lokalkolorit zu verbreiten (Token
13525).
- Zum anderen kann er regionale Besonderheiten umschreiben, für die es in der
Standardsprache keine Entsprechungen gibt (Token 526).
- Schließlich kann er sie auf metalinguistische Art verwenden, um über sprachliche
Besonderheiten zu sprechen (Token 9916).
Dabei stellt sich heraus, daß die französische Diatopik im Korpus größtenteils unumgänglich ist, weil die französischen Autoren v.a. auf die zweite Möglichkeit zurückgreifen. Die deutsche Diatopik im Korpus präsentiert dagegen eher sprachliche Alternativen, auch Dubletten genannt, und verankert die Sprache des Journalisten und
des Lesers somit in den Nähebereich.
>>
diat; diat-disk4-gesp; diat-ökon1; diat-ökon2
-->
92 % im deutschen Korpus
• Diastratik [-dias-]
.... token 12310 .......... journal: BILD .................................................................................
Nach dem verkorksten WM-Test gegen Japan (2:2) forderte er von Klinsi ein Ende der
Experimente.
.... token 7462 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
En l’occurrence, des pétards avec la série Weeds (la beuh, quoi) où une gentille famille
américaine fait commerce d’herbe qui fait rire.
.... token 10251 .......... journal: TAZ ...................................................................................
Angesichts der Plakate, auf denen entweder grimmige oder traurige Kinder zu sehen sind,
könnte man meinen, dass Berlins vorrangiges Problem aus Jugendlichen besteht, die aus
lauter Langeweile, weil wieder mal die Schule ausfällt, Omas überfallen.
.... token 1885 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
Le caïd vit en Espagne dans la région d’Alicante d’où il importe des cargaisons de
« poudre » achetée aux cartels vénézuéliens.
Der Terminus Diastratik begreift Phänomene aus den Bereichen Soziolekt, langage
populaire, Jugendsprache, verlan und Kindersprache. Mit dem sozialen Wandel und
dem sich stetig vergrößernden Wert ,Jugend‘ steigt ebenfalls der Gebrauch der Jugendsprache oder einer scheinbaren (von der Erwachsenenwelt stilisierten) Pseudojugendsprache an. Sie wird so Schritt für Schritt entstigmatisiert und allgemein zugänglich gemacht.
Die Verwendung diastratischer Lexeme kann soziale Nähe (Token 12310), Identifikation (Token 7462) oder Kritik (Token 10251) ausdrücken. Manche Lexeme haben es
nach ihrer Wanderung durch das Diasystem sogar bereits bis in die Standardsprache
geschafft (Token 1885).
>>
ausr-dias-disk7; dias; dias-disk3; dias-disk3-morp2; dias-engl; dias-engl-morp1;
dias-engl-ökon6; dias-gesp; dias-morp3
-->
56 % im deutschen Korpus
27
• ‚Hohe‘ Diaphasik [-diap-]
.... token 1979 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
Lors d’un match de double mixte, un joueur polonais l’alluma si violemment qu’elle crut
bon de se protéger le visage de la main droite.
.... token 1171 .......... journal: SZ .....................................................................................
Ein Orchester muss da heute selbst in die Bresche springen, es muss viel aktiver akquirieren.
Die Kategorie erfaßt diejenigen Erscheinungen, die man der inhärenten Variation zuschreiben kann. Im ersten Beispiel verbindet der Journalist zwei Formen des passé
simple mit einem aus der Diastratik stammenden Verb <allumer>. Im zweiten treten
das diaphasisch als ‚hoch‘ markierte Verb <akquirieren> und der eher umgangssprachliche Ausdruck <in die Bresche springen> Seite an Seite auf.
>>
diap
-->
86 % im französischen Korpus
• Drastik [-dras-]
.... token 7610 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
Sinon, on a le même casino-cabaret, la vague intrigue avec les boches patibulaires, et
bien sûr la femme fatale (« si j’étais un ranch, je m’appellerais le Bar-Nothing – le Tout Est
Permis – », sussure Rita).
.... token 2701 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
„Der glaubt wohl, er kann mich verarschen!“
.... token 12599 .......... journal: BUNTE ..............................................................................
Die erste und bislang letzte Deutsche, die die Amis ausklappen konnten, war 1979 die
süße Münchnerin Uschi Buchfellner – verdammt lang her.
.... token 901 .......... journal: SZ ........................................................................................
„Wenn die Hunde den Besitzern aufs Sofa scheißen, dann verlieren diese schnell die Geduld und setzen sie einfach aus“, sagt Mao Mao.
Polemisieren (Token 7610) oder Identität stiften durch die Nachahmung anderer
Sprechweisen (Tokens 2701 und 12599), das erreicht der Journalist nicht zuletzt
durch den Gebrauch von drastischen Ausdrucksweisen, die eine Intensitätssteigerung nach sich ziehen. Bezeichnend ist, daß sich diese drastischen Ausdrucksweisen v.a. in der simulierten Rede der Jugendmagazine wiederfinden.
Einem gewissen Anteil dieser Drastik begegnet man desweiteren in Zitaten, was zur
Folge hat, daß die Ausdrücke vom redaktionellen Teil im engeren Sinne ausgegrenzt
werden könnten. Jedoch muß davon ausgegangen werden, daß der Journalist durchaus die Wahl hatte, das soziolektal sehr ‚niedrig‘ markierte Lexem durch ein anderes,
neutraleres zu ersetzen, was v.a. in übersetzten Zitaten wie das Token 901 der Fall ist.
Behält der Autor dieses Lexem bei oder wählt er eine dementsprechend getreue
Übersetzung einer Originalaussage, muß angenommen werden, daß er die Drastik
als Stilmittel heranzieht, um eine scharfe Kritik zu äußern oder, im Falle der Jugendmagazine und bestimmter anderer Presseteile, Identität und Konsens zu stiften.
>>
ausr-disk7-dras; disk3-dras; dras; dras-engl; dras-morp1; dras-morp2
-->
73 % im deutschen Korpus
28
• Anglizismen [-engl-]
.... token 1564 .......... journal: SZ .....................................................................................
Ich glaube, jeder Trainer der NBA wäre zurzeit geehrt, wenn er dieses Team coachen
dürfte.
.... token 1313 .......... journal: SZ ......................................................................................
Handys, die Programme über DVB-H oder DMB empfangen, würden den Überlegungen
zufolge als normale Fernsehgeräte mit voller Gebührenpflicht gewertet und erhielten bei
gewerblicher Nutzung keine Zweitgerätefreiheit.
.... token 4412 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
La version collector avec un max de bonus, un karaoké et un packaging tenue de soirée
(blouson de cuir pour les boys et en satin rose pour les girls) est désormais dispo chez
Paramount Pictures.
.... token 5464 ..........journal: JEUNE & JOLIE ....................................................................
“Fuck them all !”
Die vier Beispielsätze enthalten alle Anglizismen verschiedener Ausprägung: neutralere, nicht markierte, und eher markierte, dem Nonstandard zuzuschreibende.
Der <Trainer> ist hier die einzige Möglichkeit und muß demnach als unmarkierter
Standard angesehen werden. Zwei andere Begriffe gehören in diese Kategorie, die
englischstämmigen Akronyme <DVB-H> und <DMB>, die, ausgeschrieben, <Digital
Video Broadcasting – Handhelds> und <Digital Multimedia Broadcasting> bedeuten
und zur sehr anglophonen Welt der elektronischen Kommunikationstechnik gehören.
Obwohl es für beide Konzepte durchaus eine deutsche Übersetzung gibt (Digitaler
Videorundfunk für Handgeräte und Digitales Multimediaübertragungssystem), gehört
es doch zur allgemein akzeptierten Sprachhandlungsnorm, daß diese, v.a. in ihrer
Akronymform, die englische Form annehmen.
Die amerikanische Basketballliga <NBA> ist wohl in dieselbe ‚Schublade‘ zu packen.
Was das <Handy> angeht, so besitzt es, wiewohl seine Ausdrucksseite sehr englisch
anmutet, keinen Eintrag im englischen Wörterbuch, das der deutschen Bedeutung
<Mobiltelefon> entspräche. Tatsächlich übersetzt sich das Adjektiv handy mit ‚handlich‘. Wir interpretieren dies dahingehend, daß man in jüngster Vergangenheit dem
deutschen <Handy> das Attribut ‚Modewort‘ nachsagen konnte, was jedoch mittlerweile nicht mehr zutrifft. Damit ist diesem Wort heute nur noch eine Standardmarkierung zuzuschreiben. 6 Wie in Abb. 5, S. 30, ersichtlich ist, befinden sich <Trainer>
und <Handy> also im „Kreis“ des neutralen Standards; trotzdem veranschlagen wir
für letzteren Begriff eine nähesprachlichere Markierung als für ersteren eben aufgrund der Tatsache, daß es für <Handy> eine ‚deutsche’ Entsprechung gibt, was für
den <Trainer> nicht der Fall ist.
Das Lexem <Team> besitzt ein deutsches Synonym, <Mannschaft>, und muß somit
als leicht markiert gelten. Der Journalist wählte möglicherweise die englische Dublette, um seinem Artikel Lokalkolorit zu verleihen, da es um die amerikanische Basketballliga NBA geht. Dasselbe gilt für das anglo-französische <packaging>, das mindestens über zwei Synonyme, <emballage> oder <présentation>, verfügt, aber denen
der Autor das in-Wort vorzieht.
6 Nebenbei gesagt scheint uns als Muttersprachler der Begriff Mobiltelefon eine technische, gehobenere oder wenigstens deutsch-gezierte Prägung aufzuweisen, die das Wort Handy gerade entbehrt.
29
Das Verb <coachen> aus dem übersetzten Interview (Synonym: <trainieren>), ist
schon etwas stärker markiert, auch wenn man es mittlerweile in den Wörterbüchern
wiederfindet. Es zu benutzen, schließt eine ganze Menge Konnotationen mit ein:
Amerika, der Sport, die Welt des Profibasketballs, etc.
Was <boy> und <girl> angeht, so gehören beide zweifellos dem Nähebereich an. Sie
besitzen eine diastratische Markierung und sind der ‚Jugendsprache‘ zuzuschreiben.
Die drastische Markierung, die dem Ausruf <fuck them all> innewohnt, ist zweifellos
ebenfalls sehr nähesprachlich.
Wollte man diese Ergebnisse auf ein Kontinuum zwischen Distanz- und Nähepol
festmachen, so sähe dieses wohl folgendermaßen aus:
Abb. 5: Englischsprachige Lexeme zwischen Nähe und Distanz, Friedl (2009: 180)
Der Journalist verfügt also über viele verschiedene Möglichkeiten, englische Lexeme
und Ausdrücke in seinen Text einfließen zu lassen und kann dadurch feinste Nuancen modellieren und sich in genau dem sprachlichen Universum verankern, das er
bedienen will.
>>
sehr viele verschiedene Kombikats7
-->
61 % im deutschen Korpus
• Gesprochensprachliche Elemente [-gesp-]
„Spricht der Mensch für die Öffentlichkeit, ist sein Gesprächspartner ein Fremder oder jemand, dem gegenüber man Abstand wahren muß, so ist er stets darauf bedacht, seiner
Rede Korrektheit und Förmlichkeit zu verleihen.“ (Riesel 1970: 85)
Nimmt man dieses Axiom und macht den Umkehrschluß, so sollte sich eine Person,
die sich an ein nicht privates, ihr unbekanntes Publikum richtet, dementsprechend
dahingehend bemühen, in ihre Äußerungen keine unkorrekten, informellen, dem
Nonstandard angehörenden Elemente einfließen zu lassen.
Tut sie es trotzdem, obgleich das Medium graphisch und die Konzeption klar distanzsprachlich ausgerichtet ist, so handelt sie entweder aus stilistischen Gründen (bewußt eingesetzte Redemittel und Stilfiguren), aus künstlerischer oder metalinguistischer Notwendigkeit, oder aber weil sie ebengenannte Distanz zwischen ihr selbst
und ihrem Empfängerpublikum nicht aufrechterhalten will.
7 Die Kategorie [-engl-] (wie auch die Kategorie [-gesp-]) bildet eine so große Menge an verschiedenen Kombikategorien, daß wir darauf verzichten wollen, sie alle einzeln aufzuführen.
30
Die Kommunikationssituation ließe sich also beschreiben als mehr oder weniger informell, privat, emotional, flexibel und spontan. Dies ist jedoch für die Kommunikationssituation ‚Pressesprache‘ und die Versprachlichungsstrategien nicht zutreffend.
Dennoch finden sich zahlreiche Belege von Nähesprache in unserem Korpus.
Besagte Kategorie [-gesp-] unterscheidet sich also von den zuvor vorgestellten Kategorien dahingehend, daß sie all diejenigen Erscheinungen zusammenfaßt, die sich
n i c h t der diasystematischen Variation zuordnen lassen und für die Koch/ Oesterreicher (1990: 150 ff) eine eigene, einzelsprachliche Varietät ‚gesprochen’ ansetzen.
Neben den schon angezeigten stilistischen Optionen und dem Potential, mithilfe dieser sprachlichen Elemente kommunikative Nähe herzustellen, kann man für den Autor eventuell eine dritte Möglichkeit benennen, solche gesprochensprachliche Phänomene einzusetzen: Lexeme aus der Nonstandardsprache weisen nämlich oftmals
Konnotationen auf, die dem Standardwortschatz fehlen.8
Dabei muß allerdings klar sein, daß die konzeptionell gesprochensprachlichen französischen Dubletten nicht denselben Status haben wie die deutschen. Tatsächlich
erweist es sich als schwierig, angemessene deutsche Übersetzungen für französische Sprechsprache zu finden, ohne die Regeln der Kommunikation zu verletzen,
„da die deutschen Quasi-Entsprechungen in der Regel eine deutlich stärkere pejorative Markierung aufweisen (vgl. frz. bouffer vs. dt. fressen oder frz. bagnole vs. dt.
Karre, Kiste) – eine Tatsache, die gerade Übersetzer oft in Verlegenheit bringt“
(Schäfer 2006: 93; s. a. Radatz 2003: 235 ff.).
Infolgedessen muß man davon ausgehen, daß der Nonstandard, die Nähesprache
und die konzeptionelle Sprechsprache, die die drei Achsen der Kategorie [-gesp-]
darstellen, in den beiden hier verglichenen Sprachen verschieden anzusetzen sind.
Französisch weist eine fast diglossische Situation auf zwischen dem extrem normierten Schriftfranzösisch einerseits und der konzeptionellen Sprechsprache im engeren
Sinn andererseits, wohingegen das Gros der Erscheinungen im Deutschen sich eher
in der Diatopik und Diastratik wiederfindet. Gerade diese Tatsache macht es problematisch, für ein französisches Nonstandardwort ein deutsches Entsprechungslexem
zu finden, das nicht auf die eine oder andere Weise dem Diasystem zuzuordnen ist.
Im Gegensatz zum Französischen sind die Umgangssprachen fast immer auch regional oder sozial markiert.
.... token 11786 .......... journal: BILD .................................................................................
BILD: Hat Dieter Sie richtig angebaggert?
--> anbaggern = (salopp) „[herausfordernd] ansprechen u. unmißverständlich sein Interesse für für die angesprochene Person zeigen“9
.... token 2397 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
Das Beste: Unsere neuen Lieblingsteile sind allesamt auch für kleine Geldbeutel erschwinglich - ein Armband gibt’s sogar schon für schlappe 9,95 Euro (gesehen bei Bijou
8 Schäfer (2006: 91-92): „Trotz der ‚Abschleifung‘ bzw. des ‚Verlustes‘ ihrer ursprünglichen familiären, populären oder vulgären Markiertheit, bieten viele dieser lexikalischen Dubletten im Vergleich
zu ihren standardsprachlichen Entsprechungen einen konnotativen Mehrwert (im Sinne einer positiven oder negativen Wertung), der sie gerade für den Gebrauch in informellen Sprechsituationen
besonders ‚attraktiv‘ macht.“ S. a. Radatz (2003: 240 ff).
9 Die folgenden Erläuterungen in Anführungsstrichen entstammen dem Deutschen Universalwörterbuch (2006).
31
Brigitte).
-->Teil = (bes. Jugendspr.) „Ding, Sache“; --> schlapp = „(salopp) gerade (mal) eben“
.... token 2408 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
Der Ex-Freund von Katie Holmes wurde damals von Katie dabei erwischt, wie er auf einer
Party mit Scarlett Johansson knutschte.
--> erwischen = „bei einem Vergehen ertappen“; --> knutschen = „heftig umarmen, küssen“
.... token 1493 .......... journal: SZ ......................................................................................
Die Reiterei sollte ja sowieso nicht in Peking stattfinden, sondern fernab im schwülheißen
Hongkong, was den wertvollen Pferden arg aufs Gemüt geschlagen wäre.
--> Reiterei = „das Reiten, reiterliche Betätigung“; --> sowieso = „ohnehin“; --> arg = „sehr,
überaus“
.... token 1656 .......... journal: SZ .....................................................................................
Eine Kripo-Sonderkommission „Kühlhaus“ versucht, die Spur des Gammelfleisches zu
verfolgen.
--> Kripo = „Kriminalpolizei“; --> Gammelfleisch = „verdorbenes Fleisch“ (ugs. abwertend)
.... token 1392 .......... journal: SZ .....................................................................................
In dieser Klemme stemmt sich die Münchner Firma beherzt gegen das Schicksal und
kauft einen Wettbewerber aus Oxford, der einen vielversprechenden Produktkandidaten
mitbringt.
--> Klemme = „peinliche od. schwierige Situation, Lage, in der sich jmd. befindet“
Im ersten Beispiel wählt der Journalist die umgangssprachliche Dublette <anbaggern>, um ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit zu schaffen zwischen sich selbst
und der interviewten Person, aber auch und v.a. zwischen sich und dem Leser. Er
positioniert sich und seinen Leser dadurch auf einem lockeren und familiären Niveau.
Dies geschieht ebenfalls in den Tokens 2397 und 2408, wo die Autoren sich und ihre
jugendlichen Leser in einem sprachlichen Universum verankert wissen möchten, in
denen man <Teile> <Anziehsachen> oder <Kleidungsstücken> vorzieht, <gibt’s>
statt <gibt es> sagt, <schlappe> setzt anstelle von <gerade einmal>, <erwischen>
<sehen> oder <überraschen> ersetzt und <knutschen> das hochsprachliche <küssen>.
Der Satz 1493 ist ein gutes Beispiel für den Einsatz von konzeptionell gesprochener
Sprache als Stilmittel zum Ausdruck von Kritik oder Gereiztheit: das Wort <Reiterei>
bezieht sich auf die Reiterolympiade in Aachen und hat einen deutlich abwertenden
Unterton, wogegen <arg aufs Gemüt schlagen> und die <wertvollen Pferde> eine
ironische Haltung ausdrückt.
Andere Beispiele entsprechen dem Niederschlag von sprachlichen Moden, die die
Presse und die Medien im allgemeinen so gern unterstützen oder anregen. Im Token
1656 geht es um den damals aktuellen Fleischskandal in Deutschland. Der verwendete Begriff ist aber das gesprochensprachliche <Gammelfleisch> und nicht etwa
das neutralere <verdorbenes Fleisch>. Dieser Begriff ist kurz und prägnant, fungiert
als Aufhänger und polemisiert.
Das verkürzte Lexem <Kripo> aus demselben Token ist schon dem allgemeinen
Sprachgebrauch entliehen, wie man unschwer an der fehlenden Markierung durch
den Duden entnehmen kann. Andere, ursprünglich aus der Umgangssprache kommende Ausdrücke wie <in dieser Klemme> (Token 1392) scheinen (fast) so standardsprachlich wie <in dieser mißlichen / schwierigen / heiklen Lage>.
32
Eine ganz ähnliche Auffächerung der sprachlichen Möglichkeiten findet sich auch im
französischen Korpustext: Nähe und Gruppenzugehörigkeit (Tokens 3929, 4093,
2306), Emotionalität (1981, 1984), Konnotation und Intensitätssteigerung (2051), fast
standardsprachliche Dublette (18) und Kritik (6413). Zwei weitere, typisch französische Verwendungsweisen, die direkt der Varietät ‚gesprochen’ entstammen, finden
wir in den Tokens 7055 und 7467 wieder: <ça> für <cela> und <on> anstelle von
<nous>:
.... token 18 .......... journal: JEUNE & JOLIE........................................................................
Tiré d’un fait réel et adapté d’un livre de James Ellroy, un polar à voir pour le suspense et
le casting.
--> polar = « film policier »10
.... token 1981 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
Une sacrée performance, pour une joueuse de 19 ans qui arrive tout juste dans les cent
premières mondiales.
--> sacrée = « fameux »
.... token 1984 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
Une épatante Grèce a éclipsé hier les étoiles américaines.
--> épatant = « excellent, formidable, sensationnel »
.... token 2051 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
Avec la raréfaction attendue de l’énergie, les ingénieurs planchent aussi sur des technologies alternatives, comme un avion solaire.
--> plancher = « faire un travail »
.... token 2306 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
L’autre soir, dans le merveilleux cadre du château de la Bretèche (vraiment extra!) à Missilac, non loin de La Baule et de Nantes (tél. : 02 51 76 86 96), lorsque l’entrée est arrivée
(une salade de homard, bien vue et assaisonnée avec sagacité), on se retrouve avec une
faim de loup pour peu qu’on ait sauté les amuse-bouches.
--> extra = « très bien, formidable »; --> une faim de loup = « une faim vorace »
.... token 3929 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
Et si, en plus, Jeune et Jolie vous filait un coup de main pour y arriver ? page 100.
--> filer = « donner »; --> un coup de main = « aide, appui, secours »
.... token 4093 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
La solution, c’est évidemment une mini téloche rien que pour vous.
--> téloche = « poste de télévision »
.... token 7521 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
Pour autant, Canal +, qui (re)devient le grand manitou de la télé payante française, voit
son règne assorti d’une tripotée de contraintes.
--> télé = « télévision »; --> tripotée = « grand nombre »
.... token 7055 .......... journal: LE MONDE ..........................................................................
Tout ça la dépasse un peu.
.... token 7467 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
On a bien rigolé.
Natürlich stellen beide aufgeführte Listen nicht erschöpfend all die Möglichkeiten dar,
die es in diesen Sprachen gibt, wenn die Kategorie [-gesp-] beschrieben werden soll.
Die Eigenschaft ‚Nähe‘, die die betreffenden Begriffe u.U. ausdrücken sollen, findet
10
Die folgenden Erläuterungen in Anführungsstrichen entstammen dem Petit Robert (2007), mit
Ausnahme des Begriffs téloche, der dort nicht aufgeführt ist.
33
sich v.a. in den Jugendmagazinen wieder, in denen die erwachsenen Autoren ein
sprachliches Universum ‚vorgaukeln‘, das nicht das ihre ist, da sie weder durch ihr Alter, noch durch ihre soziale Rolle als Journalist oder durch das Niveau ihres Allgemeinwissens der als Leserpublikum anvisierten Gruppe der ‚Jugendlichen‘ angehören. Der Gebrauch gesprochen- und besonders jugendsprachlicher Ausdrücke ist also künstlich und fingiert und entspricht nicht der tatsächlich wahrnehmbaren sprachlichen Realität.
>>
sehr viele verschiedene Kombikats
-->
52 % im deutschen Korpus
• Intensitätspartikeln [-disk3-], Modalpartikeln [-disk4-]
.... token 9948 .......... journal: TAZ ....................................................................................
Was macht eigentlich Grass mit seiner nun wie blöde reinrauschenden Kohle?
.... token 2548 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
Und hey: Wer verliebt ist, verbrennt sowieso viel mehr Kalorien!
.... token 2956 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
Hey, ganz schön frech.
.... token 4947 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
Dites donc, vous avez zappé qu’il n’y a pas si longtemps, entre vous, c’était « total mépris » !
.... token 4264 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
Un look plutôt baby doll, mais un peu rock and roll sur les bords, et en tout cas, furieusement tendance !
Die Modalisatoren sind eine weitere Möglichkeit für den Autor, sich die Sympathie
seiner Leser zu sichern. Sie drücken eine gewisse Subjektivität aus (z.B. Zustimmung, Ablehnung, Zweifel, Interesse), was dem Journalisten die Möglichkeit gibt,
sich ihnen und ihrem Alltag zu nähern. Verankert er sich in eine mehr oder weniger
stark ausgeprägte Nähekommunikation, so wird er vermehrt Modal- und Intensitätspartikeln heranziehen und sie eventuell sogar häufend einsetzen. Die Beispiele oben
positionieren den Sender sehr klar in einer informellen Sprech- bzw. Schreibweise,
die sich auch fingierter Mündlichkeit bedient. Was die beiden Jugendmagazine angeht, so kann davon ausgegangen werden, daß der Autor sich in einem sprachlichen
Universum aufhält, das er sich bei seinen jugendlichen Lesern ‚ausgeliehen‘ oder
zumindest ‚abgeschaut‘ hat.
„[…] Abtönungspartikeln [gelten] als besonders typisch für das gesprochene Deutsch […].
Modalpartikeln gelten zudem als besonders charakteristisch für die Umgangssprache
bzw. für das Sprechen in informellen Situationen […]“ – Schäfer (2006: 84-85); s.a. Hentschel (1986); Söll (31985: 61); Koch/Oesterreicher (1990: 68 f.); Weydt (1968: 93 ff.); Betz
(2006: 96).
Die Intensitätspartikeln sind nicht auf spezielle Zeitungstypen beschränkt, da wir sie
in den vierzehn Titeln des Korpus wiederfinden. Sie sind sehr zahlreich (196 verschiedene Partikeln) und bilden sieben verschiedene Kombikats mit ebenso vielen
verschiedenen Markierungen. Trotzdem ist die Anzahl der nicht markierten Intensitätspartikeln größer als die der Nonstandardpartikeln. Einige dieser [-disk3-] sind
ganz klar dem Nähespektrum zuzuordnen, weil sie eine Hyperbole oder Emphase
ausdrücken, die sich gegen die Neutralität und Objektivität der Distanzsprache stellt.
34
>>
dias-disk3; dias-disk3-morp2; disk3; disk3-dras; disk3-engl-gesp; disk3-gesp;
disk3-gesp-morp2; disk3-morp2
-->
54 % im deutschen Korpus
>>
diat-disk4-gesp; disk4; disk4-gesp
-->
80 % im deutschen Korpus
Die Statistiken zeigen deutlich höhere Zahlen für den deutschen Teil der Datenbank,
sowohl, was die Partikeln angeht, als auch, was die Anglizismen und die sprechsprachlichen Elemente betrifft, auch wenn die Anglizismen in den beiden Jugendmagazinen etwa gleich verteilt sind, was wir dahingehend interpretieren, daß Englisch
eine der Möglichkeiten darstellt, sich sprachlich von der Welt der Erwachsenen abzuheben. Die gesprochensprachlichen Items finden sich v.a. in MÄDCHEN, das teilweise mehr als doppelt so viele Tokens verzeichnet als die anderen deutschsprachigen Titel. Die Diasystematik ist hingegen – in beiden Sprachen – nur wenig genutzt.
Auf der französischen Seite dominiert das Magazin JEUNE & JOLIE, was bedeutet,
daß die markierte Lexematik in der französischen Schriftsprache weniger Niederschlag findet als auf der deutschen Seite. Vielleicht kann man diese Feststellung als
weiteres Argument für die oben gennante Diglossie des Französischen anführen.
Abb. 6: Elemente der Lexik (Friedl 2009: 186)
3.2.3. Ergebnisse bezüglich der Syntax
• Herausstellungsstrukturen [foka]
.... token 1133 .......... journal: SZ .....................................................................................
Regionale Abgrenzungen spielen im Hip-Hop meist nur insofern eine Rolle, als dass sie
als Ortsmarken dienen: Da kommen wir her, und du nicht.
.... token 7459 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
Il baisserait pas un peu, Ardisson ?
.... token 3880 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
Ce mec, pourquoi je ne pourrais pas l’avoir?
35
.... token 850 .......... journal: SZ .......................................................................................
Einmal murrt er noch über die vielen Kegel, die in den Papieren vorkämen, all die Alexandrov-Räume, diese sperrigen Dinger.
.... token 10130 .......... journal: TAZ ..................................................................................
Aber Deutschland, das ist ein Ansporn, und Staunton reist gern an, denn seine Erinnerungen an Deutschland sind die allerbesten.
.... token 2686 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
Mögen tut man seine Schwester, aber doch nicht seine Freundin!
.... token 11841 .......... journal: BILD .................................................................................
Der Fall um den Tod des Schönheits-Chirurgen Franz Gsell – beginnt jetzt alles von vorn?
In den Grammatiken beider Sprachen ist festgehalten, daß die Rechts- und Linksversetzung und die Segmentierung eher der spontaneren Sprechsprache zuzuordnen
sind. Schöpft das Deutsche eher in der syntaktischen Stellung (Tokens 850 und
10130) oder der Intonation (Token 1133), um bestimmte Elemente hervorzuheben,
so gibt das Französische, das syntaktisch extrem unflexibel strukturiert ist, Cleft-Sätzen den Vorrang (Tokens 7459 und 3880). In unserem Schriftkorpus sind diese markierten Erscheinungen jedoch relativ selten.
Der Einsatz der Intonation in diesem graphischen Medium der Presse ist bemerkenswert, und der Leser wird bei seiner Lektüre die beiden Pronomen akzentuieren
müssen, die wir unterstrichen haben, um die Aussage richtig interpretieren zu können. Ähnlich markiert funktioniert auch die Verbalparaphrase mit <tun> (Token
2686), die ebenfalls einer konzeptionell gesprochenen Kommunikationssituation entstammt.
Das freie Thema, schließlich, ist v.a. in der deutschen Boulevardpresse sehr gebräuchlich (Token 11841) und fungiert dort oft als Aufhänger.
Die Hervorhebungsstrukturen11, wie wir sie hier gesehen haben, entbinden den Journalisten von der neutralen, linearen Informationsstruktur und verankern ihn in eine
sprachliche Situation, die sich der Sprechsprache annähert.
>>
foka
-->
76 % im französischen Korpus
• Morphosyntaktische Nonstandardstrukturen [-nsta-]
.... token 776 .......... journal: L’EST RÉPUBLICAIN ..............................................................
C’est par exemple le ping-pong qui n’a rien à voir avec le tennis de table, c’est le volant,
qui ressemble pas vraiment au badminton, et c’est le volley-ball qui chauffe à fond en ce
moment à Saint-Dié au palais omnisports Joseph-Claudel, où le championnat d’Europe
junior féminin connaîtra sa finale dimanche.
.... token 1950 .......... journal: LE FIGARO ..........................................................................
C’est face à ces équipes au statut plus modeste qu’il s’agira de pas se rater.
.... token 4921 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
C’est elles !
.... token 7584 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
Autre mystère, le retour pour une sixième (!?) saison de Star Academy (TF1, 20 h 50),
11
Vgl. u.a. Schanen / Confais (1986: 584 ff.); Blasco/Caddéo (2001); Klein / Kleineidam (1994:
188); Vinckel (2006).
36
qui, pour mémoire, consiste à enfermer des jeunes provinciaux gazouillants dans une
maison bourgeoise sortie d’un porno de Marc Dorcel afin d’abrutir un peu plus les masses.
.... token 4989 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
Vous croyez vraiment qu’il a changé, depuis?
.... token 21 .......... journal: JEUNE & JOLIE ......................................................................
Vraiment ?
.... token 802 .................... journal: SZ .............................................................................
Und ein Wirtschaftsboykott?
.... token 13288 .......... journal: BUNTE ..............................................................................
Du meinst für mich?
Nonstandardelemente im Bereich der Morphosyntax geben dem Autor eine weitere
Möglichkeit, sich in einem weniger formellen und dafür familiäreren Sprachuniversum
zu verankern. Ganz natürlich verringert sich die Distanz zwischen dem Sender und
dem Empfänger, wenn ersterer letzterem einen Sprachstil präsentiert, der sich Elementen aus dem (morphosyntaktischen) Nonstandard bedient.
Für das Französische kommen hier die einfache Negation ohne den Negator ‚ne‘
(Tokens 776 und 1950), das Präsentativ ‚c’est + Plural‘ (Token 4921) und die Objekterweiterung ‚des + Adjektiv + Substantiv‘ (Token 7584) in Betracht, die alle der konzeptionellen Sprechsprache angehören.
Die Intonationsfragen ohne Inversion sind ein weiteres Mittel, das sowohl in den
deutschen wie in den französischen Anteilen der Datenbank erscheint und das, s. o.,
in graphischen Texten (jedenfalls extremer) Distanzsprache eigentlich nicht vorkommen dürfte. Dennoch werden diese in beiden Korpora sehr häufig gebraucht und sind
dort sowohl mit finitem Verb (Tokens 4989 und 13288) als auch averbal (Tokens 21
und 802) gestaltet.
>>
gesp-nsta; nsta
-->
65 % im französischen Korpus
• Tempi der Vergangenheit [temp-]
.... token 2503 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
Ich bin dann freiweillig auf die Realschule gewechselt.
.... token 4366 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
Le fameux personnage de seducteur est inspiré de la vie de Don Juan Tenorio, seigneur
espagnol qui vécut à Séville au XVIe siècle (l’époque de François Ier).
Die Tempi der Vergangenheit werden durch die vier Kategorien [temp1] für das Präteritum, [temp2] für das Perfekt, [temp3] für das passé simple und [temp4] für das
passé composé dargestellt. Da sie satzbeschreibende Kategorien sind (der Gebrauch dieser Tempi ist nicht gleichbedeutend mit Nähesprache), ist unsere Analyse
dieser vier Tempusformen nur unvollständig: sie wurden nur dann in die Datenbank
aufgenommen, wenn sie sich im unmittelbaren Ko-Text einer satzauslösenden Kategorie befanden.
37
Aufgrund der Beschaffenheit des Auswahlsystems unserer Datenbank gilt also besonders für das diaphasisch ‚hohe’ passé simple, daß es sich immer nur in Hybridsätzen12 wiederfindet.
Der Gebrauch der einen oder anderen Tempusform kann den Autor in eine spezifische, linguistische Realität versetzen.
Für das Deutsche ist die Unterscheidung von Präteritum und Perfekt nicht nur eine
causa grammaticalis, sondern u.U. auch regional bedingt: dem Norden wird eher das
Präteritum zugeschrieben, dem Süden eher das Perfekt. Da nimmt es nicht wunder,
daß die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mehr Perfektsätze beinhaltet als jeder andere Titel für
sich genommen, weil sich die Redakteure (und die Leser) bis zu einem gewissen
Grad dem Bayerntum und Süddeutschland zugehörig fühlen und nicht zögern, dies
auch sprachlich zu äußern.
Die Abgrenzung, was die beiden französischen Tempi betrifft, erfolgt auf einem anderen Niveau, dem des Nähe-Distanz-Kontinuums: das passé simple fehlt in der
Sprechsprache komplett und gilt auch schriftsprachlich als literarisch-gehoben. Interessanterweise sind die passé simple-Formen dennoch in allen sieben Titeln vertreten, wenn auch sehr selten (nur 50 Tokens in der Datenbank). Dies erklärt sich einerseits daraus, daß dieses Tempus narrativ gebraucht wird und nur in Retrospektiven erscheint, die im Korpus sehr unterrepräsentiert sind, andererseits aus der Qualität als satzbeschreibende Kategorie, die also nur in Sätzen erscheint, in denen auch
mindestens eine Nonstandardform existiert. Wenn man so will, verhält sich das passé simple gegenläufig zum Gebrauch dieser Nonstandardformen, was ihre geringe
Zahl begründet.
Die Statistiken belegen, daß der französische Teil der Datenbank sowohl in Hinsicht
auf Nonstandardphänomene aus dem Bereich der Morphosyntax als auch auf Hervorhebungsstrukturen bei weitem dominiert. Wir interpretieren dies als Anzeichen,
daß syntaktische Sprachmittel, die konzeptionell gesprochensprachlich markiert sind,
dem französischen Journalisten weniger Probleme bereiten als seinem deutschen
Kollegen. Vielleicht kann man aber auch argumentieren, daß diese Erscheinungen
im Französischen einfach weniger markiert sind als im Deutschen und somit auf bestem Wege, in die Schriftsprache integriert zu werden.
Die Zahlen zeigen jedoch, daß JEUNE & JOLIE die meisten Tokens verzeichnet und
dadurch oben geäußerte Hyopthesen weitestgehend relativiert.
12
Hybridsätze werden hier verstanden als Sätze, in denen diaphasisch als ‚hoch’ eingestufte Erscheinungen in direkter textueller Nähe zu sprachlich als ‚niedrig’ markierten Elementen stehen.
38
Abb. 7: Elemente der Syntax, Friedl (2009: 190)
3.2.4.
Ergebnisse bezüglich der Formulierungsmittel
• Wortspiele [-form-]
.... token 2796 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
3 Auch ein Color-Kick ist ein Supertrick, stumpfem Haar Glanz zu verleihen.
.... token 8535 .......... journal: GALA (fr) ............................................................................
Nicole Richie et son joli jeu de jambes.
.... token 12497 .......... journal: BILD .................................................................................
Nahm sich Zeit, posierte brav und gab Autogramme für die sich seit Stunden die Beine in
den Bauch stehenden Fans.
.... token 130 .......... journal: LIBÉRATION ..........................................................................
Simultanément à la traque des squatters de Cachan et à l’arithmétique électorale expulsive de sans-papiers, l’affaire dérisoire s’invite dans la campagne présidentielle comme
des pieds dans un plat.
.... token 294 .......... journal: L’EST RÉPUBLICAIN ..............................................................
En espérant qu’on ne lui pose pas un lapin...
.... token 7516 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
Bertrand Méheut, président du groupe Canal +, devrait se voir remettre le prix Nobel de la
paix des ménages.
Diese Kategorie charakterisiert verschiedene Phänomene: Erstens umfaßt sie Reime
und Alliterationen als Aufmacher, die an Werbeslogans erinnern (Tokens 2796 und
8535). Zweitens umschreibt sie markierte Phraseologismen und idiomatische Sprechweisen, die in informellem Sprachstil und in Humor verpackt Kritik ausdrücken oder
transportieren (Tokens 12497 und 130), die durch ebendiese Mittel leichtgängiger
gemacht oder abgeschwächt wird. Desweiteren steht diese Kategorie für Wortspiele,
die ebenso funktionieren wie die gerade genannten Phraseologismen und idiomatischen Sprechweisen. Der mnemotechnische Vorteil dieser Wortspiele und ihre Fähigkeit, zwei verschiedene Konzepte miteinander zu verbinden, macht aus ihnen ein
äußerst flexibles und praktisches Sprachwerkzeug für den Journalisten, der seinen
Leser dazu enregen will, sich eingehender auf das Thema einzulassen.
39
Im Token 294 nun spielt der Autor mit dem französischen <poser un lapin> jdn. versetzen, nicht zu einer Verabredung erscheinen, um die Leser darauf aufmerksam zu
machen, daß vor der Redaktion ein Plüschhase, un lapin, gefunden wurde, den die
Zeitung schließlich in ihre Vitrine gehängt hat, damit ihn der Besitzer abholen könne.
Die Redaktion hofft nun, daß der Hase nicht sitzengelassen wird.
Im Token 7516 baut der Autor einen Portemanteau-Ausdruck, indem er <le prix Nobel de la paix>, den Friedensnobelpreis, vermengt mit <la paix des ménages>, dem
Haussegen.
Der konnotative Mehrwert, den die drei durch [-form-] beschriebenen Sprachmittel
besitzen, ist zusammen mit ihrer appellativen Funktion zweifellos ihr größter Trumpf
und sie werden auch dementsprechend oft eingesetzt.
>>
blend-form; blend-form-gesp; engl-form; engl-form-gesp; form; form-gesp
-->
66 % im französischen Korpus
• Onomatopoetika [-disk6-]
.... token 2698 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
F....., *piep*
.... token 11412 .......... journal: DIE W ELT .........................................................................
Da denkt man doch immer gleich an ta ta ta tá ta und hat womöglich noch jetzt apokalyptisches Hubschraubergeknatter im Kopf.
.... token 7443 .......... journal: LIBÉRATION ........................................................................
«Bertrand zblouiheut, Rodolphe zblouimer, zblouizbloui Ardisson, zbloui zbloui Ferrari, et
Groland en clair.»
.... token 8540 .......... journal: GALA (fr) ............................................................................
Bouh !
.... token 4484 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
MIAM-MIAM
Die Onomatopoetika, die der mündlichen Sprache entstammen, sind ein sehr evokatives Mittel, um mündliche Sprechakte darzustellen und sich selbst im phonischen
Bereich und in der Akustik zu verankern. Gleichzeitig verankert der Schreiber sich
auch in der konzeptionellen Mündlichkeit, da die Versprachlichungsstrategien für die
Distanzsprache spezifizieren, daß der kodierte Text veständlich sein soll, ohne auf
den Kontext zurückgreifen zu müssen. Dies ist beim Token 8540 nicht der Fall,
ebensowenig wie im Token 2698 die Forderung, daß der Autor bezüglich des Themas reflektiert handeln muß. Außerdem soll es möglichst keine kommunikative Kooperation geben (≠ Tokens 11412 und 7443) und die Emotionalität eher schwach
sein (≠ Tokens 2698, 8540 und 4484). Aus besagten Versprachlichungsstrategien
folgt die Präferenz für sprachliche Kontexte (≠ 11412), ein ausgeprägter Ausarbeitungsgrad (≠ 4484, 8540) und eine eher integrative Sprachform (≠ 7443, 2698, 8540
und 4484). Diese für die Distanzsprache konstitutiven Kriterien werden bei den Beispiel-Tokens nicht befolgt, woraus sich ergibt, daß der Autor sich tatsächlich weiter
vom Distanzpol entfernt situiert, als vielleicht für die Kommunikationssituation Pressesprache erwartbar.13
11
In diesem Zusammenhang gehören die Onomatopoetika selbstverständlich auch zur Dimension
des Kommunikationsvertrags.
40
>>
disk6; disk6-disk7; disk6-disk7-gesp; disk6-morp1
-->
62 % im französischen Korpus
• Reformulierungen [-disk8-]
.... token 1323 .......... journal: SZ .....................................................................................
Weil der Antrieb gerade Mal für eine Beschleunigung 0,2 mm/s2 reicht – das heißt, dass
der Schub dem Gewicht einer Postkarte entspricht – konnte die Sonde nicht auf direktem
Weg zum Mond fliegen.
.... token 10237 .......... journal: TAZ ..................................................................................
Denn die Frauen haben ihre Büros ja längst in Richtung Herd, äh, Waschküche verlassen.
.... token 9497 .......... journal: VSD ...................................................................................
Enfin, artiste si l’on veut, les sculptures de ce Rodin de l’horreur semblant pour le moins
anecdotiques.
.... token 6863 .......... journal: LE MONDE ..........................................................................
Pas trop grosse, pas trop petite, disons grosse comme le petit doigt et longue de 15 ou 20
centimètres.
.... token 2707 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
„Na ja, manchmal jedenfalls.“
„[...] Korrekturen und Bestätigungen [können] einerseits als Mittel der mise en relief verwendet werden […], andererseits aber als Mittel, mit denen der Leser bildlich dazu eingeladen wird, dem Autor beim allmählichen Verfertigen der Gedanken während des Schreibens oder beim Denken ‚mit der nassen Feder in der Hand‘ [...] über die Schulter zu sehen.“ (Heinze 1979: 252)
Letztgenanntes Prinzip führt bei der Bestandsaufnahme des Korpus zur Einführung
der Kategorie [-disk8-].
Jedesmal, wenn ein Redakteur eine Reformulierung durchführt und aus diesem
Grund einen Reformulierungsindikator benutzt (den die Kategorie erfaßt) macht der
Autor seinen Leser in einem sprachlichen Universum fest, das ihm für den Leser angemessen erscheint. Das im ursprünglich vorhergesehenen sprachlichen Universum
für unklar gehaltene Konzept wird in einer Reformulierung erklärt. Diese Haltung finden wir v.a. im Ko-Text technischer, nicht unbedingt alltäglicher Termini (Token 1323);
sie ist nicht unbedingt als nähesprachlich anzusehen.
Wenn der Autor sich in einer Reformulierung selbst verbessert, täuscht er eine Art
(fiktiven) Dialog vor, in dem diejenige Person, die ihn zur Berichtigung anhält, in diesem Fall der Leser, in der finalen Textproduktion nicht auftritt (Tokens 10237 und
2707). Diese Stilfigur, die sich an der fiktiven Mündlichkeit orientiert, ist konzeptionell
markiert.
Schließlich kann sich ein Journalist Mittel der Nähesprache bedienen, indem er bestimmte ‚Spuren‘ in seinem grundsätzlich schriftsprachlich ausgerichteten Text hinterläßt, die darauf hinweisen, daß der Redakteur nachgedacht hat, gezögert hat oder
sich an seinen Text herangetastet hat. Diese (fingierten) Spuren sollten im Endtext
jedoch, gemäß der geltenden Versprachlichungsstrategien nicht mehr zu sehen sein
(Tokens 9474, 6863, aber auch 10237 und 2707).
Einige der Reformulierungsindikatoren zeigen zudem deutlich nähesprachlichen
Charakter, wie es z.B. beim <disons> des Tokens 6863 der Fall ist, beim <na ja> des
Beispiels 2707 oder beim <äh> im Satz 10237, der eine Freud’sche Fehlleistung inszeniert und einer (wohl ironisch gemeinten) Scherzformel entspricht.
41
>>
disk8; disk8-gesp
-->
51 % im deutschen Korpus
• Formen sprachlicher Redundanz [-redu-]
.... token 11212 .......... journal: DIE W ELT .........................................................................
Wir haben die beste Ausbildung, das beste Training.
.... token 2385 .......... journal: MÄDCHEN ...........................................................................
Manche Promi-Paare sind so dermaßen verknallt ineinander, dass es sie nur noch im
Doppelpack gibt.
Diese satzbeschreibende Kategorie ist nicht per se ein Anzeichen konzeptioneller
Mündlichkeit. Redundanz und Wiederholungen können ein rhetorisches Stilmittel
sein (Beispiel 11212, ± Distanz), sich aber auch in einem lockereren Umgangston
wiederfinden (Beispiel 2385, ± Nähe). Die Kategorie ist in der Datenbank nur sehr
wenig vertreten.
>>
gesp-redu; gesp
-->
53 % im deutschen Korpus
• unneutraler Ton [neut]
.... token 10229 .......... journal: TAZ ..................................................................................
Überraschender Kurswechsel: Grüne werden Öko-Partei!
.... token 1495 .......... journal: SZ .....................................................................................
Turnierchef Michael Mronz gibt intern sogar zu, die Wahrscheinlichkeit, Olympia nach Aachen zu holen, liege bei „unter null Prozent“, also eher nicht so hoch, wenn man korrekt
mitgerechnet hat.
.... token 7047 .......... journal: LE MONDE ..........................................................................
Assise à la table de la salle à manger de sa fille Aïcha, au dernier étage d’une HLM de
Vittel avec vue imprenable sur la gendarmerie, l’octogénaire n’en démord pas: « La vraie
Madeleine, c’est moi ! »
Indem er sich eines unneutralen Tons bedient, sei es Ironie, Sarkasmus, Spott, Hohn
etc., positioniert sich der Autor bezüglich seiner eigenen Meinung. Diese satzbeschreibende Kategorie ist nicht als Spezifikum der Nähesprache zu betrachten.
Trotzdem können bestimmte Wendungen dieser Nähesprache zugeordnet werden,
wenn der Grad ihrer Emotionalität überhand nimmt, was sich nicht mit den Kriterien
der Distanzsprache vereinbaren läßt.
>>
neut
-->
61 % im deutschen Korpus
Die Statistiken ergeben, daß die Ebene der Formulierungsmittel eher eine Sache der
französischen Titel ist. Die Kategorie der Wortspiele etc. ist dabei besonders ausgeprägt. Abgesehen vom unneutralen Ton, dessen sich v.a. LIBÉRATION bedient, liegt
JEUNE & JOLIE immer an erster Stelle.
Dafür ist das deutsche Korpus diversifizierter: MÄDCHEN, die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
und die TAZ belegen die ersten Plätze und es scheint so, als ob sich die deutsche
Presse mit dieser Sprachebene allgemein leichter tut als die französische, wo sich
allein das Jugendmagazin auf sehr signifikante Weise vom Rest des Korpus abhebt.
42
Abb. 8: Formulierungsmittel (Friedl 2009: 195)
3.2.5. Ergebnisse bezüglich der Situationsverankerung
• Formen der ersten und zweiten Person [-1per-], [2per]
.... token 5385 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
NOTRE AVIS: vouloir gagner l’amour de ses parents, c’est très compréhensible et on a
toutes fait des bêtises pour ça.
.... token 60 .......... journal: MÄDCHEN ...............................................................................
Wir finden: Leider nicht annähernd so gut wie die ersten beiden Teile mit Paul Walker und
Vin Diesel.
.... token 5841 .......... journal: JEUNE & JOLIE ...................................................................
POURQUOI C’EST PAS SI MAL : vous pouvez prendre conscience que les autres n’ont
strictement rien à faire dans votre vie privée, et affirmer vos choix sans la peur d’être incomprise ou rejetée.
.... token 102 .......... journal: MÄDCHEN .............................................................................
Egal, ob ihr noch den Zeugnissen entgegen schwitzt oder schon chillig am Baggersee
liegt, eines ist klar: Die schönste Zeit des Jahres ist da – sechs Wochen Ferien!
Der Autor kann seinem Text ein gewisses Maß an Subjektivität geben und sich in einer Nähekommunikation verankern, indem er die satzbeschreibenden Kategorien der
ersten und zweiten Person heranzieht (Personal- und Possessivpronomen, Possessivartikel, Verb-Endungen).
Dabei kann er sich selbst bezeichnen und somit seine eigene Erfahrung (Token
5385) oder seine Meinung (Tokens 5385 und 60) übermitteln. Auf diese Weise erlaubt er es dem Leser, ihn besser kennenzulernen, und gewährt ihm einen Einblick in
sein (Privat-)Leben, das eigentlich hinter der mehr oder weniger objektiven Informationsvermittlung zurücktreten sollte. Natürlich ist dieser Einblick nicht unbedingt authentisch; er entspricht einer der Strategien, sich das Interesse und die Sympathie
des Lesers zu sichern.
Der Autor kann sich aber auch direkt an den Empfänger der Kommunikationssituation wenden, der normalerweise abwesend sein sollte, weil wir uns in einem konzeptionell schriftlichen, medial graphischen Informationsfluß befinden, in dem der Chorus
monologisch und der Empfänger abwesend und unbekannt ist. Dieses Mittel findet
43
sich auch in der Dimension der fiktiven Mündlichkeit wieder, wo die zweite Person
Singular oder Plural oder die Siezform, von einem etwaigen Vokativ begleitet, eines
der für den Dialog konstitutiven Merkmale darstellt. Indem er seinen Leser ‚anspricht‘, schafft der Redakteur eine Verbindung und stellt eine Näherelation her (Tokens 5841 und 102). Dadurch wird ein Konsens erzeugt, aber auch Gefälligkeit und
Sympathie für sein Leserpublikum; der Journalist gibt Ratschläge und Tips.
>>
1per; 1per-gesp
-->
50 %-Verteilung für [-1per-]
>>
2per
-->
63 % im französischen Korpus für [2per]
• Deiktika [subj]
.... token 218 .......... journal: L’EST RÉPUBLICAIN ..............................................................
Délai tenu pour les peintres qui hier démontaient l’échafaudage côté cour et dans l’entrée
de l’école.
.... token 12907 .......... journal: BUNTE ..............................................................................
Sie verstand auch nicht, was Rita K. wollte, als die letztes Jahr vor ihrem Haus im nordhessischen Örtchen Ransbach auf der Straße stand und schrie: „Reinhard, du bist ein
Mörder!“
.... token 11530 .......... journal: DIE W ELT .........................................................................
Gestern Abend, 18.30 Uhr, im Palais am Funkturm: 600 Gäste flanieren über den roten
Teppich, Hostessen servieren Champagner, Pyrotechniker basteln an einem Feuerwerk.
.... token 292 .......... journal: L’EST RÉPUBLICAIN ..............................................................
Seulement à ce jour, aucun visiteur haut comme trois pommes ne s’est présenté à
l’agence, quai Contades.
.... token 1232 .......... journal: SZ .....................................................................................
Hier gärt nicht die Wut, sondern allein der Müll, der am Ende eines langen Markttages auf
den Straßen vor sich hin gammelt.
.... token 6890 .......... journal: LE MONDE ..........................................................................
C’est encore plus vrai ici, où l’on a besoin du tapis rouge, du côté glamour.
Deiktische Nähebezüge sind ebenfalls ein oft eingesetztes Sprachmittel. Sie entsprechen einer satzbeschreibenden Kategorie.
Räumliche Nähebezüge, wie sie in Abb. 9 zusammengefaßt sind, schaffen eine Proximität, die eigentlich in Pressetexten konzeptioneller Schriftsprache abwesend sein
sollte. Sublokale Referenzen finden sich beispielsweise im Token 11530, wo der
Journalist vom <Palais am Funkturm> schreibt, ohne explizit zu sagen, daß sich dieses Palais in Berlin und am Hammarskjöldplatz befindet, in dessen unmittelbarer Nähe besagter Funkturm steht. Er verankert somit die zu beschreibenden Geschehnisse an einen Ort, den ein Nicht-Berliner nicht unbedingt kennt, und richtet sich auf
diese Weise an ein eingeweihtes Leserpublikum, von dem er glaubt, es verfüge über
ausreichende geographische Kenntnisse, um das <Palais am Funkturm> eindeutig
als das im Berliner Viertel Charlottenburg liegende ausmachen zu können. Im Token
292 finden wir eine ähnliche Situation vor, denn <l’agence, quai des Contades> entspricht dem Verlagshaus der Zeitung L’EST RÉPUBLICAIN, am Quai des Contades in
Epinal in den Vogesen. Diese subjektive, implizite Haltung positioniert den Autor in
44
einem eher nähesprachlichen Universum, in das er seinen Leser mit auf die Reise
nimmt, einen Leser, von dem er annimmt, daß dieser sein Wissen teilt.
Auf sehr ähnliche Art und Weise funktionieren auch die zeitlichen Nähebezüge wie
das französische <hier> im token 218 und <letztes Jahr> im Satz 12907, wo der Autor seinen Leser im selben Zeitfenster verankert und eine zeitliche Ko-Präsenz simuliert, die sich dem Pressemedium entgegenstellt, wo die zeitliche Trennung eines der
konstitutiven Merkmale der Kommunikationssituation darstellt. Diese von der Situation abhängigen Spracherscheinungen sind „praktisch nur möglich, wenn im Vergleich
zum dargestellten Sachverhalt (z.B. Geschehen im Ausland) auf einen ‚naheliegenden‘, gemeinsamen Bezugsrahmen rekurriert werden kann“ (Lüger 1995: 48).
In Hinblick auf ihre Implizitheit gehören diese Phänomene auch den beiden Dimensionen des Kommunikationsvertrags und der fiktiven Mündlichkeit an und werden an
dieser Stelle nicht weiter erläutert.
Abb. 9: Schäfer (2006: 36)
>>
subj
-->
58 % im deutschen Korpus
Deiktika und andere Subjektivitätsmarkierungen sollten nicht oder nur wenig in Distanztexten erscheinen: dort sind Explizitheit und ein nicht-relativer Standpunkt zu
beachten und die Präferenz für sprachliche Kontexte. Von ihrem zeitlich-räumlichen
Auftreten (und somit der Kommunikationssituation) unabhängige Aussagen sollten
nach Maingueneau (1998: 62) folglich keine deiktischen Bezüge enthalten, damit sie
als schriftsprachliche Aussagen gelten können.
Statistisch betrachtet greift das französische Zeitungskorpus öfter auf die zweite Person zurück, v.a. in den Zeitschriften GALA, VSD und JEUNE & JOLIE. Dieser Tatbe45
stand erklärt sich zweifellos durch das Vorhandensein von Ratgebertexten (46 % der
eine oder mehrere [2per] enthaltenden Tokens), in denen es Gang und Gebe ist, sich
direkt an die Personen zu wenden, an die man seine Empfehlungen oder Anregungen richtet.
Abb. 10: Elemente der Situationsverankerung (Friedl 2009: 199)
3.3. Ergebnisse bezüglich der Instanzen ‚Zeitung‘ und ‚Sprache‘
Sieht man sich nun eingehender die Beschaffenheit der 14 Titel und ihre Verankerung im Nähe-Distanz-Kontinuum an, so stellt man fest, daß sich die drei Anfangshypothesen durch diese Analyse bewahrheiten.
Führt man die verschiedenen Kategorien auf das Gesamtkorpus und nicht nur auf die
in der Datenbank verzeichneten Satz-Tokens zurück, dann zeigt sich, daß ungefähr
34 % der 41.430 Sätze des Korpus, d.h. 14.127 Sätze, eine Kategorie beinhalten, die
der Sprechsprache im engeren oder im weiteren Sinne zuzuordnen ist.
Dieses Drittel verteilt sich unterschiedlich auf die 14 untersuchten Druckerzeugnisse
und es ist klar zu erkennen, daß zum Einen das Französische weniger repräsentiert
ist als das Deutsche, und daß zum Anderen das Deutsche einen kleineren Anteil
ausmacht als die Jugendmagazine.
Die Ergebnisse erlauben es uns nun, den Niederschlag der 14 Titel im Nähe-DistanzKontinuum zu situieren.
Die drei Graphiken in Abb. 11, 12 und 13 zeigen
1. die Prozentsätze der einfachen Kategorie [gesp] bezogen auf die Tokens der Datenbank,
2. die Prozentsätze der Kombikat [-gesp-] bezogen auf die Tokens der Datenbank,
3. die Prozentsätze der Kombikat [-gesp-] bezogen auf das gesamte Korpus.
Das unmittelbare Ergebnis beweist unsere eingangs formulierte Intuition, daß sich
das französische Korpus näher am Distanzpol verankert als das deutsche. Die drei
Vergleiche zeigen die klare Tendenz des Französischen zu einer sehr distanzsprachlichen Schriftsprache, ausgenommen das Jugendmagazin JEUNE & JOLIE, das in
zweien der drei Vergleiche
46
• dichter am Nähepol liegt als die deutschen Titel und
• sich sehr weit von den französischen Resttiteln entfernt (mit 25 bis 30 Differenzpunkten).
Bemerkungen zu den Graphiken:
• Der Nähepol des Kontinuums entspricht 100 % auf der horizontalen Achse. Er
wird in keinem Falle erreicht und scheint deshalb in den Grafiken nicht auf.
• Es wurde eine zweigeteilte Darstellung gewählt, in der die deutschen Titel oberhalb und die französischen Titel unterhalb der Achse angeordnet sind. Somit sind
die beiden Korpora voneinander abgegrenzt und können sprachübergreifend doch
leicht miteinander verglichen werden.
Die durch die Einfachkategorie [gesp] erhobenen Ergebnisse befinden sich alle in einem Intervall zwischen 5 % und 20 %, außer den beiden Jugendzeitschriften, die die
30 %-Marke überschreiten. Sieht man von diesen zwei Titeln ab, so positioniert sich
die französische Datenbank zwischen 5 % und 15 %, die deutsche zwischen 10 %
und 20 %:
Abb. 11: Friedl (2009: 266)
Die Kombikategorie [-gesp-] befindet sich zwischen 15 % und 40 % (und oberhalb
der 60 %-Marke für MÄDCHEN und JEUNE & JOLIE). Die französischen Titel sind eher
im linken Teil des Kontinuums zu finden (15 % bis 33 %), wobei die Regionalzeitung
L’EST RÉPUBLICAIN und die beiden Tageszeitungen LE MONDE und LE FIGARO sich von
LIBÉRATION und den beiden Zeitschriften GALA und VSD deutlich abheben.
Die deutsche Presselandschaft plaziert sich zwischen der 25 %- und der 40 %-Marke.
DIE W ELT ist dabei der konservativste Titel, gefolgt von der FAZ. SZ, TAZ und BILD
orientieren sich an den 35 %, die Illustrierte BUNTE nähert sich den 40 %.
47
Abb. 12: Friedl (2009: 267)
Setzt man diese Resultate ins Verhältnis zum gesamten Korpus, so ist LE FIGARO am
konservativsten, gefolgt von LE MONDE und L’EST RÉPUBLICAIN, der FAZ und der SZ.
VSD, GALA, die TAZ und LIBÉRATION befinden sich im Intervall zwischen 10 % und
15 %. DIE W ELT, BUNTE und BILD überschreiten die 15 %-Marke nur leicht. MÄDCHEN
und JEUNE & JOLIE verzeichnen jeweils mehr als 35 %, was nichts anderes bedeutet,
als daß diese beiden Zeitschriften in mehr als einem Drittel ihrer Tokens nähesprachliche Elemente verwenden.
Abb. 13: Friedl (2009: 268)
48
4.
Fazit
Ein Bereich wie die Presse, den man traditionell und von Haus aus als in der Schriftsprache verankert ansieht, weist also, mal häufiger, mal seltener, deutlich sprachliche Einflüsse auf, die auf die Sprechsprache und die Nähekommunikation zurückzuführen sind.
Abb. 14: Beteiligung der 14 Titel an den 14127 Sätzen der Datenbank in %.
28 % der 14.127 selektierten Tokens sind demnach alleine den Jugendmagazinen
JEUNE & JOLIE und MÄDCHEN zuzuschreiben, gefolgt von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG
und der Illustrierten BUNTE. LE MONDE, LE FIGARO und L’EST RÉPUBLICAIN steuern am
wenigsten Sprachmaterial zur Datenbank bei; sie sind zu Recht als sprachlich konservativ einzustufen.
Betrachtet man nun eingehender die 4399 Tokens, die mindestens ein als [-gesp-]
markiertes Element beinhalten, stellt man folgendes fest:
49
JEUNE & JOLIE
MÄDCHEN
BILD
SZ
BUNTE
VSD
LIBÉRATION
DIE W ELT
FAZ
1146
701
339
338
324
261
228
203
203
TAZ
189
GALA (FR)
LE FIGARO
LE MONDE
L’EST RÉPUBLICAIN
183
104
101
79
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
26,1 %
15,9 %
7,7 %
7,7 %
7,4 %
5,9 %
5,2 %
4,6 %
4,6 %
4,3 %
4,2 %
2,4 %
2,3 %
1,8 %
Die beiden Jugendmagazine zählen 42 % dieser Tokens, was sie entsprechend dichter am Nähepol situiert als bestimmte Tageszeitungen wie L’EST RÉPUBLICAIN (nur 79
Tokens, d.h. 2 %), LE MONDE (101 Tokens, 2 %) und LE FIGARO (104 Tokens, 2 %),
die nah am Pol extremer Distanz liegen. DIE W ELT und die FAZ veranschlagen als
sprachlich konservativste deutsche Titel immerhin fast das Doppelte. Dies erlaubt
den Rückschluß, daß sich die verschiedenen Titel ganz bestimmten Leserkreisen
verschreiben und sich dementsprechend sprachlich verhalten.
Ferner wird offensichtlich, daß sich die deutsche Schriftsprache, wie sie in der Presse erscheint, tatsächlich (wesentlich) öfter sprechsprachlicher Phänomene bedient
als das französische Pendant, da 53 % des Korpus deutschen Tokens entspricht.
Nimmt man von diesen Ergebnissen die beiden Jugendzeitschriften aus, so steigt der
Prozentsatz auf 63 %.
Diese Zahlen bestätigen nun auch, daß die deutsche Standardsprache sich Phänomenen der Sprechsprache in größerem Maße öffnet, als die französische Standardsprache. Da unter anderem die Medien und insbesondere das Zeitungswesen als
sprachnormierende Instanzen zu betrachten sind, ist der aktuelle Zustand der Zeitungssprache ein klarer Hinweis auf die Verhältnisse in der Standard- oder Hochsprache selbst. Die Jugendzeitschriften werden hier beiseitegelassen, weil sie als
Vorbild aufgrund ihrer sprachlichen Besonderheiten in der Diatopik, aber v.a. in der
Diastratik und der Diaphasik nicht überall anwendbar sind bzw. in Frage kommen.
Als Spiegel der französischen Normsprache zeigt sich die französische Pressesprache relativ zurückhaltend, was gesprochensprachlich konzeptionell markierte Phänomene angeht, und verankert sich dadurch eher in einer Distanzsprache, als es für
das Deutsche der Fall ist. Die präskriptive Norm des Französischen, die als rigide zu
betrachten ist, findet also ihren Niederschlag in der Sprache, die die ‚seriöseren‘ Zeitungen an den Tag legen.
Auf der anderen Seite ragt das Jugendmagazin JEUNE & JOLIE statistisch nahezu
turmartig aus der französischen Presselandschaft, was uns dazu anhält, die Tendenzen zur Diglossie des Französischen, die im Kreise der Linguisten schon mehrfach
Anlaß zu Diskussionen gab, zu bestätigen.
50
Literaturverzeichnis
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51
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 (2010), 53-58
Eine medienabhängige Zufallsbeobachtung
und ihre möglichen Konsequenzen
Hans W. Giessen
Der folgende Beitrag beschreibt zunächst eine zufällige Beobachtung, die dem Zusammenhang eines anwendungsorientierten Forschungsprojekts entstammt. Konkret geht es um
sprachliche Äußerungen, die visuell aufgenommen werden – hier wird offenbar auch die konkrete Sprachnutzung von visuellen Regeln geprägt. Es wird dargestellt, dass und wieso diese Beobachtung in diesem Kontext möglich war; im Übrigen hat der Kontext gleichzeitig eine
gewisse empirische Validierung der Beobachtung garantiert. Die Konsequenzen der Zufallsbeobachtung berühren, meiner Einschätzung zufolge, Fragen und Themen grundlagenwissenschaftlicher Art; dies wird im weiteren Verlauf des Beitrags thematisiert.
Inhalt:
1. Der Kontext der Beobachtung
2. Die Gestaltung des Filmtitels
3. Mögliche Konsequenzen der Zufallsbeobachtung
Literaturverzeichnis
1.
Der Kontext der Beobachtung
Die Beobachtung, auf die sich der folgende Beitrag bezieht, erfolgte zufällig im Rahmen eines anwendungsorientierten EU-Projekts, in dessen Kontext der Einsatz emotionaler und narrativer Elemente im mediengestützten interkulturellen Lernen untersucht werden sollte. Zunächst sei der Kontext der Beobachtung kurz dargestellt. Das
Projekt “Learning Through Emotions” wurde von der EU-Kommission im Rahmen des
Comenius-Programms finanziert (Projektnummer 129936-CP-1-2007-1-IT-COMENIUS-C21; für weitere Informationen zum Projekt siehe Boldrini 2009). Insgesamt nahmen Partner aus neun Ländern teil. Deutscher Projektnehmer war die Fachrichtung
Informationswissenschaft der Universität des Saarlandes, vertreten durch den Verfasser dieses Beitrags. Ziel war es, interkulturelle Lerninhalte auf eine emotional intensive und damit effiziente Art und Weise zu übermitteln. Dabei wurde mit verschiedenen didaktischen und medialen Variablen experimentiert. Das Forschungsinteresse des deutschen Projektpartners bezog sich unter anderem auf das Verhältnis zwischen Lerneffizienz und Art und Weise des Medieneinsatzes.
Ein Beispiel ist die begleitete Eigenproduktion von Videoclips durch deutsche und
französische Jugendliche. Grundsätzlich war vorgesehen, dass jede Gruppe in ihrer
jeweiligen Fremdsprache produzieren sollte: die deutschen Schülerinnen und Schüler auf Französisch, und umgekehrt die französischen Schülerinnen und Schüler auf
Deutsch. Im Rahmen der Produktion wurden die Schülerinnen und Schüler demnach
gezwungen, die Fremdsprache anzuwenden – und dies nicht nur bezüglich des Filminhalts, sondern bezogen auf die von den Schülern ausgeführten Tätigkeiten wie diejenige des/r Regisseurs/in oder des/r Kameramanns/frau weit ins Soziale, Psychologische oder Semiotische hineinreichend. Da sich die Videoproduktion aus ihrer The53
matik oder ihrem Medium definieren sollte, bestand gleichzeitig die Hoffnung, dass
die Fremdsprache unintentional, spielerisch und möglicherweise besonders effizient
und nachhaltig gelernt und angewandt werden könnte. Konkret sollte Emotionalität
geschaffen werden, indem sich die Videoproduktion (1.) auf die Region, und (2.) auf
den Bereich der Popmusik bezog. Da der deutsche Projektnehmer an der Universität
des Saarlandes und damit in direkter Grenznähe zu Frankreich angesiedelt war, lag
es nahe, Medieneinsätze mit Begegnungsdidaktik zu koppeln. Dabei fiel die Entscheidung, mit den saarländischen Schülern und Schülern aus dem benachbarten
Lothringen einen Film über die französische Sängerin Patricia Kaas zu drehen. Dies
lag insofern nahe, als Patricia Kaas nur wenige hundert Meter von der Grenze zu
Deutschland aufgewachsen ist. Ihre Karriere begann dann sogar diesseits der Grenze, in Saarbrücken – Patricia Kaas ist also ein echtes Kind der Region. Nicht zuletzt
war sie selbst Schülerin der französischen Projektschule gewesen. Aus dieser Tatsache erhofften wir uns identitäts- und motivationssteigernde Impulse. Inzwischen ist
Patricia Kaas die international erfolgreichste französische Sängerin, wie sie selbst in
Interviews (etwa Calmeyn 2003: 28ff.) betont hat. Im letzten Jahr der Projektlaufzeit
(2009) vertrat sie gar Frankreich beim European Song Contest in Moskau. Trotz des
Erfolgs bekennt sie sich uneingeschränkt zu ihrer Herkunftsregion und singt über ihre
Heimat auch in ihren Liedern, etwa in « Une fille de l’est » (1999). Dieses Lied ist in
ihrer Heimat, die direkt angesprochen wird, noch immer ausgesprochen populär.
Formal war ein Videoclip zum Titel « Une fille de l’est » vorgesehen. Der Videofilm
sollte aus von den Teilnehmern weitgehend selbstproduziertem Material bestehen,
das die wichtigsten mit Patricia Kaas verbundenen Orte in der Region zeigt (das
Haus, in dem sie ihre Jugend verbracht hat, ihre Schule usw.), dazu kamen das
deutsch-französische Verhältnis beschreibende Bilder aus der Region, etwa die
Grabfelder der Spicherner Höhen, wo sich 1870 deutsche und französische Soldaten
gegenüberstanden; Patricia Kaas singt davon in ihrem Lied. Die Form des Videoclips
wurde gewählt, weil es sich um eine Art der Medienproduktion handelt, die für Jugendliche adäquat zu sein schien.
An dem Projekt nahmen 59 Jugendliche teil, 31 französische Jugendliche und 28
deutsche Jugendliche, die gemeinsam und im Dialog – und somit interkulturelles
Lernen und Sprachpraxis verbindend – den Film erstellen sollten. Die Videoproduktion erfolgte also durch die Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Projektunterrichts; sie wurde an beiden Schulen schulintern präsentiert und damit gleichaltrigen
Schülerinnen und Schülern vorgeführt.
2.
Die Gestaltung des Filmtitels
Der Haupttitel des Filmprojekts lautete
« Patricia Kaas ».
Es folgten zwei Untertitel, die, dem grenzüberschreitenden Charakter des Projekts
folgend, in beiden Sprachen die Thematik des Films zum Ausdruck bringen sollten.
Zwangsläufig folgte der französischsprachige Untertitel des Films dem Titel des
Songs von Patricia Kaas; er lautete demnach:
« Une fille de l’est ».
Eine direkte deutsche Übersetzung war aber zumindest im Kontext des Projekts nicht
möglich, da ja keine direkte Umsetzung eines französischen Clips geplant war, son54
dern eben ein gemeinsames, deutsch-französisches Projekt. Es sollte ja die im
Songtitel angesprochene Grenzregion des französischen Ostens thematisiert werden, die Heimat von Patricia Kaas wie auch die direkte Heimat der am Projekt beteiligten französischen Jugendlichen, aber eben auch (als Großregion) mittelbar (Teil
der) Heimat der am Projekt beteiligten deutschen Jugendlichen. Da die Perspektive
dieser deutschen Jugendlichen nicht von Frankreich und dem Zentrum Paris aus geprägt ist, erscheint die Formulierung ‚Osten‘ hier wenig sinnvoll. Zudem umfasst die
Region im Kontext des Projekts ja bewusst mehr als „nur“ die östlichsten Gebiete eines Landes, mehr also als die französische Region Lothringen. Dies gilt auch für viele der Beteiligten, nicht zuletzt für Patricia Kaas selbst, deren Karriere in Saarbrücken
begonnen hatte (der einzigen deutschen Landeshauptstadt, deren Stadtgrenzen zugleich Landesgrenzen sind – eben zu Frankreich, zum ‚französischen Osten‘).
Für das gemeinsame deutsch-französische Filmprojekt sollte also ein Titel gefunden
werden, der die Situation der deutschen Jugendlichen mitberücksichtigt, ohne dem
Original zuwiderzulaufen. Nach verschiedenen Diskussionen wurde der Titel
„Ein Mädchen von der Grenze“
als deutschsprachiger Filmtitel gewählt. Die Teilnehmer bestätigten in großer Mehrheit, dass dieser Titel die Intention des französischsprachigen Originals angemessen
aufgegriffen habe.
Da der Haupttitel Patricia Kaas lautete und der französischsprachige Untertitel dem
Titel des Songs von Patricia Kaas entsprach, sollte dieser Untertitel zunächst erscheinen, gefolgt vom deutschsprachigen Untertitel, bis alle drei Titel gleichzeitig
sichtbar wären. Es waren also zunächst und vor allem inhaltliche Überlegungen, die
zu einer zeitlichen Hierarchisierung und mithin zu einer Einblende-Gestaltung des
Gesamttitels geführt hatten. Dies wurde aber auch aus Sekundärmotiven heraus
gerne aufgegriffen, da dies den Gestaltungskriterien entsprach, die erst seit der Digitalisierung der Filmproduktion elegant und problemlos möglich wurden und die daher
(und zumindest noch zum Zeitpunkt des Projekts) als besonders modern gelten, die
mithin die Produktion auch formal als besonders attraktiv erscheinen lassen sollten.
Nachdem die Grundentscheidung, mit fließenden Einblendungen zu arbeiten, gefallen war, führten erneut ästhetische Überlegungen dazu, sie als Stilelement weiter zu
nutzen und auszubauen; die Identifikation der Jugendlichen mit dem Projekt sollte
durch eine zeitgemäße, ansprechende Gestaltung weiter gesteigert werden. Auch
die einzelnen Wörter sollten demnach eingeblendet werden.
Der französischsprachige Untertitel erschien im Film auf folgende Art und Weise
(1) Aufblendung: Une
(2) Aufblendung: Une fille
(3) Aufblendung: Une fille de
(4) Aufblendung: Une fille de l’est
Natürlich handelt es sich auch beim Artikel « l’ » um ein eigenständiges Wort. Es war
aber visuell unbefriedigend, einen Solitärbuchstaben einzublenden; das Verhältnis
zwischen Blendzeit und Wortlänge wäre (noch stärker als bei der Präposition « de »,
die immerhin aus zwei Buchstaben besteht und, da ohne Apostroph, stärker als eigenständiges Wort wirkt) unverhältnismäßig gewesen.
55
Erneut haben also visuell-ästhetische Gründe die Entscheidung determiniert. Alle
Projektteilnehmer mit französischer Muttersprache haben bestätigt, dass es sich bei
der gewählten Variante (l’est zusammenhängend einzublenden, anstelle der Variante, beide Wörter jeweils einzeln einzublenden) nicht nur um die ästhetisch ansprechendere Version handle, sondern auch die dem Sprachempfinden zufolge korrekte(re) Version.
Bemerkenswerterweise konnte der deutschsprachige Untertitel nicht entsprechend
gestaltet werden. Die Anfangsaufblendungen
(5) Aufblendung: Ein
(6) Aufblendung: Ein Mädchen
entsprachen noch der zuerst gestalteten französischsprachigen Fassung. Die Fassung, die weiterhin analog vorgegangen wäre –
(6) Aufblendung: Ein Mädchen
(7) Aufblendung: Ein Mädchen von
(8) Aufblendung: Ein Mädchen von der Grenze
– wurde aber mit großer Mehrheit (über drei Viertel der befragten Jugendlichen mit
deutscher Muttersprache = 23 von 28) abgelehnt. Im Übrigen fand die Fassung
(6) Aufblendung: Ein Mädchen
(9) Aufblendung: Ein Mädchen von
(10) Aufblendung: Ein Mädchen von der
(11) Aufblendung: Ein Mädchen von der Grenze
ebenso wenig Zustimmung (die fünf Jugendlichen, die sich der Mehrheitsmeinung
nicht anschlossen, votierten im Übrigen nicht für die Alternativversion, sondern waren
unsicher und wollten sich nicht festlegen). Dagegen bestätigten 27 der 28 befragten
Jugendlichen mit deutscher Muttersprache, dass die Fassung
(6) Aufblendung: Ein Mädchen
(12) Aufblendung: Ein Mädchen von der
(13) Aufblendung: Ein Mädchen von der Grenze
die ästhetisch angemessene und dem Sprachgefühl zufolge akzeptable Version war
(auch hier ohne Gegenstimme, ein Schüler konnte sich – erneut – nicht festlegen).
Eine weitere Überprüfung hat jedoch ergeben, dass die Version « Une fille de la frontière » analog zur deutschen Version aufgeblendet werden müsste (so 30 der 31
französischsprachigen Schüler; auch hier war eine Schülerin unsicher und wollte sich
nicht festlegen):
(2) Aufblendung: Une fille
(14) Aufblendung: Une fille de la
(15) Aufblendung: Une fille de la frontière
Damit ist deutlich und belegt, dass es sich bei der Variante, die zur akzeptierten Version (3) und (4) geführt hat, nicht um eine einzelsprachliche (französische) Besonderheit handelt, sondern um ein ästhetisches Phänomen, offenbar verursacht durch
den Solitärbuchstaben « l’ » des Artikels.
56
3.
Mögliche Konsequenzen der Zufallsbeobachtung
Zumindest ist das Ergebnis für das beobachtete Phänomen aufgrund der eindeutigen
Aussage einer jeweils deutlichen Mehrheit der Muttersprachler objektiv, valide und
reliabel bestätigt worden – und dies, obgleich es sich um einen Zufallsfund handelte,
also kein Untersuchungsdesign existierte. Fraglich sind die Konsequenzen über die
Bedeutung als Einzelphänomen hinaus. An dieser Stelle sind zumindest folgende
Aussagen beziehungsweise Vermutungen möglich:
(1) Die Zufallsbeobachtung legt nahe, dass sprachliche Äußerungen, die über bewegte Bilder aufgenommen werden, in der konkreten Sprachnutzung eigenen Regeln
folgen – im Gegensatz zu anderen Situationen, in denen etwa die Grammatik (wie
lange geglaubt wurde: ausschließlich) oder die Semantik (ebenfalls schon seit dem
19. Jahrhundert bekannt; vergleiche Bréal 1897) die Sprachnutzung prägen. Inzwischen ist zwar auch schon lange klar, dass die Aufnahme von Sprache je nach Sinn
unterschiedlich erfolgt und sich ebenfalls auf Eindrücke von Korrektheit auswirkt. Bezüglich der akustischen Sprachaufnahme und mithin der Phonetik gehen frühe Forschungen ebenfalls schon auf Bréal und Rousselot zurück (Carton 2007; als Beispiel
aktueller Forschungen sei etwa Oudeyer 2005 genannt). Auch zur visuellen Aufnahme gibt es vielfältige Forschungen (Tanenhaus / Trueswell 1995). Es gibt aber bisher
offenbar noch keine Erkenntnisse zum Bewegtbild (Müller 2009). Offenbar erfolgt
aber die mentale Verarbeitung von Sprache beim Bewegtbild auf erneut eigene Art
und Weise.
(2) Falls sich ähnliche Ergebnisse replizieren lassen, bedeutet dies zudem, dass aus
der Zufallsbeobachtung eine Forschungsmethode generiert werden kann, mit deren
Hilfe sich beispielsweise ästhetische Regeln über Sprachnutzung im visuellen Kontext herauskristallisieren lassen. Auf einer recht banalen Ebene handelt es sich mithin um eine weitere Bestätigung dafür, dass neue Medien beziehungsweise technische Möglichkeiten auch neue Forschungsfragen entstehen lassen beziehungsweise
zu beantworten in der Lage sind. (Bezüglich der Wechselbeziehung zwischen akustischer und visueller Sprachaufnahme gibt es übrigens den ähnlichen Sachverhalt,
dass ein neues Medium bereits zu neuen Fragestellungen und zu neuen Erkenntnissen geführt hat, vgl. Farmer / Christiansen / Monaghan 2006).
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57
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58
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 (2010), 59-95
Minimalismus – eine Grundlage der Vermittlung von
Fremdsprachensyntax
Wilfried Weigl
Thema ist ein Konzept der Syntaxvermittlung, das „minimalistisch“ ist, auf dem (generativen)
Minimalist Model (MM) basiert. Das MM hat den Vorzug, auszukommen mit “no more than a
necessary minimum of types of statement and levels of representation” (Matthews 2005:
226), konstituiert damit eine optimale Erfassung von Grammatik(en) (G(s)). Syntaxvermittlung ist der Versuch, die G2 zu vermitteln. Ist die G2, wie auch die G1, optimal erfasst im
MM, sollte dieses als Grundlage für das Vermittlungskonzept gewählt werden: Das resultierende Konzept sollte dann auch optimal sein. Wie sich dieses Konzept spezifizieren lässt ist
der thematische Kern der Arbeit. Spezifiziert dabei werden zwei verschiedene (aber komplementäre) Konzept-Aspekte: (1) die Vermittlungsinhalte und (2) die Vermittlungsstrategie.
(1) leitet sich her aus dem Grammatikmodell als solchem, (2) aus dessen Generativität. Die
Zusammenschau von (1) und (2) ergibt dann ein Gesamtbild der Vermittlung.
Inhalt:
1.
2.
2.1.
2.2.
3.
3.1.
3.2.
3.3.
1.
Positionsangabe und Überblick
Die zu wählende Grundlage: das Minimalist Model (MM)
Das MM: Struktur und Gehalte
Die Qualifiziertheit des MM
Konsequenzen für die Gestaltung der Syntaxvermittlung
Zu den Vermittlungsinhalten
Zur Vermittlung der Inhalte
Zur Validität des Vermittlungskonzepts
Literaturverzeichnis
Positionsangabe und Überblick
Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag zu einer (hier noch hypothetischen)
wissenschaftlichen Fundierung der gymnasialen Vermittlung von Fremdsprachensyntax. Dabei wird „wissenschaftlich“ verstanden als „linguistisch“: Die Fundierung geschieht durch Zugrundelegen eines, des geeignetsten, „Grammatikmodells“ und der
sich in Einzelaspekten daraus ergebenden Folgerungen.
In der derzeitigen Landschaft der „Sprachlehrforschung“ erscheint ein derartiger Ansatz als exotisch: In dem Handbuchartikel „Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung“ (Bausch / Christ / Krumm 2003: 1-9) werden sechzehn „Entwicklungsund Forschungsfelder“ genannt. In keinem von diesen wird thematisiert, dass Syntaxvermittlung linguistisch fundiert sein muss, nach einer zwingenden Logik: Bevor
Überlegungen zur Vermittlung von etwas angestellt werden können, muss erst einmal klar sein, was dieses Etwas denn ist, muss die Beschaffenheit des Vermittlungsobjekts erklärt worden sein. Eine solche Erklärung kann im Fall von Syntax bzw. syntaktischen Sachverhalten nur mittels eines „Grammatikmodells“ erfolgen. Hinzuzufügen ist, dass mit einem linguistischen Ansatz nicht negiert wird, „dass das unterrichtliche Lernen von Fremdsprachen das Ergebnis des Zusammenwirkens zahlreicher
59
Faktoren ist“ (Bausch / Christ / Krumm 2003: 4). Die nicht-linguistischen, d.h. psychologischen und sozialen, Faktoren werden jedoch in einem linguistischen Ansatz wie
dem vorliegenden als eindeutig sekundär gesehen (und deshalb hier aus der Betrachtung ausgeklammert): Thematisiert werden im Folgenden ausschließlich „linguistische“ Aspekte.
Der erste Aspekt betrifft die Frage, welcher „Grammatik“ sich der Vermittlungsansatz
bedienen soll. Diese Frage richtet sich auf Sachverhalte auf zwei Ebenen: darauf,
dass Grammatiken eine „kategoriale Identität“ besitzen (1) und darauf, dass sich
Grammatiken oft als „Modelle“ präsentieren (2). Somit ergeben sich zwei Fragen; zu
beantworten sind diese wie folgt:
(1) Kategorial gesehen ist eine Grammatik zu wählen, die nicht nur beschreibungs-,
sondern, darüber hinaus, erklärungsadäquat ist. Dies ist sie dann, wenn sie nicht nur
“correctly describes the intrinsic competence of the idealized native speaker” (Chomsky 1965: 24), sondern, darüber hinaus, “offers an explanation for the intuition of the
native speaker […] to develop a certain kind of theory to deal with the evidence presented to him” (25f.). Einfacher: Zu wählen ist eine Grammatik, welche „die grammatische Beschreibung im Einklang mit einer Sprachtheorie (vornimmt), die […] zugleich
eine Theorie des Spracherwerbs begründet“ (Bußmann 2008: 5). Als Grammatik einer solchen Kategorie bietet sich die chomskysche „Generative Grammatik“ (GG) an.
(2) Die GG blickt zurück auf eine Geschichte von über 50 Jahren.1 Im Lauf dieser
Jahre wurden mehrere, jeweils verbesserte, Grammatikmodelle vorgelegt (Weigl
2008: 38). Die bisher letzte Einheit in dieser Reihe ist das “Minimalist Program”. Die
Bezeichnung “Program” bringt zum Ausdruck, dass Chomsky zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von einem Modell noch nicht sprechen wollte. Die erste einschlägige
Veröffentlichung erfolgte allerdings schon 1993, mit dem Essay “A Minimalist Program for Linguistic Theory”. Diesem folgte, 1995, die Monographie “The Minimalist
Program”. Dies erwies sich als fruchtbringend: In der Folge erschien eine Reihe von
Arbeiten, die Vorstellungen des minimalistischen Programms substanziierten.2 Für einige Linguisten ist der Grad dieser Substanziierung schon so hoch, dass sie eine umfassende Darstellung minimalistischer Syntax für möglich hielten.3
Vor diesem Hintergrund erscheint es für die Sprachlehrforschung nicht mehr als
zwingend, auf das letzte vor-minimalistische Modell, auf Government and Binding
(1981), zurückzugreifen.4 Als vertretbar erscheint es, nun Minimalismus zugrunde zu
legen, Minimalismus, der nicht mehr als bloßes Programm, sondern als (Grammatik-)
Modell gesehen (und „Minimalistisches Modell“ (MM) genannt) wird. In der vorliegenden Arbeit wird dies getan. An Ausführungen dazu werden, im Überblick gesehen,
die folgenden gemacht:
Zunächst wird, in Abschnitt 2, die Gestaltungsgrundlage, das MM, thematisiert. Dabei
wird zuerst seine Beschaffenheit als Modell skizziert (2.1), sodann seine Qualifiziertheit als Vermittlungsgrundlage dargelegt (2.2). Abschnitt 3, zentral, beschäftigt
sich damit, welche Konsequenzen für die Gestaltung der Vermittlung sich aus der
1 Die ersten GG-Arbeiten sind The Logical Structure of Linguistic Theory (Chomsky 1955, publiziert
1975 bzw. 1985) und Syntactic Structures (Chomsky 1957).
2 Eine Angabe solcher Arbeiten in den Literaturverzeichnissen in Grewendorf (2002), Hornstein u.a.
(2005), McGilvray (2005).
3 Vgl. Adger (2003), Hornstein u.a. (2005), Lasnik / Uriagereka (2005).
4 Eine konzise Darstellung dieses Modells in Weigl (2008: 38ff.).
60
Wahl der Grundlage MM ergeben. Das MM figuriert dabei in seinen beiden Eigenschaften, als kategorial gesehen generativ (als GG) und als Grammatikmodell (als
MM). Berücksichtigt wird ferner, dass die MM-Wahl sich auf die (Wahl der) Vermittlungsinhalte wie auch auf die (Wahl / Gestaltung der) Vermittlungsstrategie auswirken kann. Damit ergibt sich a priori ein Viererfeld an möglichen Bestimmtheiten: In
den beiden Vermittlungskategorien können das MM als GG und/oder das MM als
solches (mit)bestimmend sein. Welcher Sachverhalt jeweils tatsächlich gegeben ist,
ist Gegenstand der Abschnitte 3.1 (Inhalte) und 3.2 (Vermittlung der Inhalte). Geschlossen wird mit der Angabe des derzeitigen Status des vorgeschlagenen Konzepts (3.3).
2.
Die zu wählende Grundlage: das Minimalist Model (MM)
2.1.
Das MM: Struktur und Gehalte
Verglichen mit seinem Vorgängermodell Government and Binding (GB) bringt das
MM eine einfachere, wohl auch wirklichkeitsnähere Sicht der Sprache zum Ausdruck:5 In ihr wird Bezug genommen auf das Offensichtliche, darauf, dass Sätze
Form und Bedeutung haben. Dies erfordert, dass “the sentential outputs of grammars
“interface” with systems that give them their articulatory and perceptual (A-P) properties and those that provide them with their conceptual and intentional (C-I) characteristics” (Hornstein u.a. 2005: 8). Damit dieses interfacing möglich wird, muss die
Grammatik die Ebenen “Phonological Form” (PF) und “Logical Form” (LF) umfassen:
PF und LF sind “conceptually necessary” (2005: 9). Nicht notwendig dagegen (und
daher zu eliminieren) sind die für GB angenommenen Ebenen “D-Structure” und “SStructure”.6 Aus dieser, und aus weiteren, Überlegung(en) ergibt sich, dass dem MM
die folgende Struktur zugeschrieben werden kann (2005: 312).
(1)
N
Select and Merge and Copy
LF
PF
Spell-Out
(N: Numeration)7
Die Generierung eines Satzes vollzieht diese Grammatik wie folgt: “the computational system selects its lexical items and forms syntactic objects out of them by applying Merge and Copy […]. LF is formed after the numeration has been exhausted,
5 Das Folgende, hier und durchgehend, nach Hornstein u.a. (2005).
6 Unabhängig davon sind D- und S-Struktur auch aus strukturinternen Gründen nicht haltbar (Hornstein u.a. 2005: 20f. bzw. 21f.).
7 Numeration: a “set of items taken from the LEXICON” (Crystal 2003: 321); Merge: “a process which
combines LEXICAL elements in the NUMERATION with partial TREES” (289); Copy: leaving “a
duplicate of a CONSTITUENT […] (in) some other part of the phrase-marker” (110); Spell-Out:
“operation which distinguishes the PHONETIC REPRESENTATION […] from other kinds of information” (429).
61
all possible features have been checked, and a single […] (a single tree) is assembled. Spell-Out then applies to the LF object and ships the relevant information to the
phonological component, deriving PF after further computations” (2005: 312).
Durch den Wegfall von D- und von S-Struktur weist das MM eine Ökonomie auf, die
als strukturell bzw. als methodologisch gesehen werden kann. Darüber hinaus weist
es eine zweite Art von Ökonomie auf, eine Ökonomie der Substanz. Diese umfasst
(1) Ableitungssachverhalte und (2) Sachverhalte des Inventars der “basic primitives
of the system” (2005: 10):
(1) Ableitungssachverhalte müssen den folgenden Prinzipien genügen: Bewegung
findet nur statt, falls notwendig8; eine kurze Bewegung hat Vorrang vor einer langen;
eine Ableitung mit weniger Regelanwendungen hat Vorrang vor einer mit mehr; ein
jeder vorkommende Ausdruck erfüllt eine Funktion. (2) Von den Primitives sind aus
GB zwei eliminiert worden, Government und Agreement. Vier Primitives sind in ihren
Funktionen erhalten geblieben, Categories, X-bar-Theory, Trace und Direction Parameters; diese werden nun aber anders realisiert, durch Lexical Items, Bare Phrase
Structure, Copy und das Linear Correspondence Axiom (LCA).
Betrachten wir nun, wie nach MM-Vorstellungen ein Satz, der Satz (2), zustande
kommt:
(2)
John writes books.
Zu thematisieren sind dabei zwei Sachverhalte: Die Ableitung der Struktur des Satzes (die letztendlich auf LF figuriert, damit nicht unmittelbar wahrnehmbar ist) (1) und
die Überführung dieser Struktur in die (auf PF figurierende) Abfolge der Lexeme des
Satzes (2). Wir beginnen mit (1).
(1) Am Anfang der Satzableitung steht die Numeration, die Angabe der Lexeme des
Satzes:
(2a) N0: John1, writes1, books1
(„null“ bedeutet hier, dass die Ausgangsnumeration vorliegt, „eins“, dass jedes Lexem für eine Verwendung zur Verfügung steht.)
Die Ableitung geschieht in „Phasen“. In deren erster erfolgt das Merging von writes
und books. Das Ergebnis ist (2b):
(2b)
writes
writes
books9
Projiziert wird immer durch den Kopf der Phrase, deshalb hier durch writes (books ist
das Komplement).
Nach dieser ersten Ableitungsphase bleibt die Numeration N1:
(2c) N1: John1, writes0, books0
8 Technisch gesehen ist Bewegung “not a primitive operation, but the combination of the operations
Copy and Merge” (Hornstein u.a. 2005: 214).
9 Hier sind Kategorien (die in GB figurieren) durch Lexeme ersetzt. Begründet ist dies darin, dass
“we independently need lexical items, though we may not require categorial nodes” (Hornstein u.a.
2005: 200).
62
Aus N1 entsteht in der zweiten Ableitungsphase durch Merging die Struktur (2d):
(2d)
writes
/
\
John
writes
/
\
writes
books
(John ist hier Specifier.)
Mit (2d) ist die Basisstruktur von (2) generiert. Die (2)-Endstruktur jedoch (ausgedrückt in Kategorien-Notation) ist (2e):
(2e)
TP
/
Spec
John
\
T’
/ \
T
vP
writes
/ \
Spec
v’
books / \
v VP
(writes) / \
Spec V’
(John) / \
V
DP
((writes)) (books)
(v: Light Verb)
(2e) bzw. der Weg von (2d) nach (2e) erklärt sich so: Angenommen wird, dass ein
Satz, um grammatisch zu sein, auf LF „lesbar“ sein muss. Dies ist er dann, wenn zwischen den von den Lexemen getragenen grammatischen Merkmalen und den Merkmalen der entsprechenden Köpfe ausnahmslos Übereinstimmung besteht. Ob Übereinstimmung besteht, wird für jeden einzelnen Fall durch „Checking“ ermittelt. Voraussetzung für dessen Durchführbarkeit ist, dass sich die beiden Konstituenten in einer Spec-Kopf-Relation befinden. Um diese herzustellen, ist Bewegung notwendig.10
Für Satz (2e) stellt sich dies folgendermaßen dar: Zu checken sind die folgenden
Merkmale: von books „AKKUSATIV“ und „Plural“ (realisiert durch „null“ bzw. „s“), von
writes „3. Person“, „Singular“ und „Präsens“ (alle realisiert durch „s“), von John „3. Person“ und „Singular“ (realisiert durch die Lexemkategorie „Eigenname“ bzw. „null“).
Damit diese Merkmale gecheckt werden können, sind die genannten (2e)-Konstellationen erzeugt worden: books ist nach Specv gegangen und writes nach v, damit
der books-AKKUSATIV gegen das KASUSmerkmal von writes gecheckt werden
kann. In den Ausgangspositionen der beiden Konstituenten wäre dies nicht möglich
gewesen, weil sie dort nicht in einer Spec-Kopf-Relation stehen.11 writes ist nach T
(weiter)gegangen und John nach SpecT. Dies aus den folgenden Gründen: Das writes-Merkmal „Präsens“ wird gegen das Tempusmerkmal von T gecheckt, die writesMerkmale „3. Person“ und „Singular“ gegen die Merkmale von John. Die Checkings
10 Dies ist eine vereinfachte Darstellung. Vernachlässigt ist, dass Merkmale sich unterscheiden hinsichtlich „Interpretierbarkeit“ und hinsichtlich „Stärke“, und dass die Merkmalidentität in diesen beiden Hinsichten syntaktische Konsequenzen hat.
11 Der Plural von books wird innerhalb der DP gecheckt. Auf die Darstellung dieses Checkings wird hier
verzichtet.
63
ergeben, in allen Fällen, dass zwischen den Merkmalen der beiden Konstituenten
jeweils Übereinstimmung besteht. Satz (2e) ist somit grammatisch.
(2) Betrachten wir nun Satz (2), John writes books, noch in seiner (PF)-Linearität, in
der Abfolge seiner Lexeme. Zentral ist hier der Sachverhalt, dass bei der (PF-) Linearisierung einer (LF-)Struktur auf eine der beiden (LF-)Dimensionen verzichtet werden
muss, dass es unternommen werden muss, “to force a two-dimensional structure
through a one-dimensional channel” (Hornstein u.a. 2005: 219). Die Struktur, speziell
die Hierarchieverhältnisse innerhalb ihrer, sind für den Rezipienten nur erkennbar
bzw. rekonstruierbar, wenn sie in der Lexemabfolge mit einer bestimmten Regularität
abgebildet werden. Diese Regularität nun wird erfasst / formuliert durch das Linear
Correspondence Axiom (LCA).12
Das LCA erfasst die Abfolge jeweils zweier Lexeme, als „Präzedenz“ des einen vor
dem anderen. Präzedenz wiederum wird gesehen als begründet durch die strukturelle Relation „asymmetrisches C(onstituent)-Kommando“: Ein Lexem geht einem anderen voraus wenn es dieses andere C-kommandiert. C-Kommando wiederum ist gegeben, wenn ein Element unter dem gleichen Knoten hängt wie ein anderes, dieses
andere aber nicht dominiert:
(3)
A
/
B
\
C
\
D
In (3) kommandieren B und C sich gegenseitig, außerdem kommandiert B D. Gegenseitiges Kommandieren wird als „symmetrisch“ gesehen, „asymmetrisch“ ist hier das
Kommandoverhältnis B D.
Betrachten wir nun vor diesem Hintergrund Satz (2e):
(2e)
Ausschnitt
TP
/
\
Spec
T’
John
/ \
T
vP
writes /
\
Spec
books
Asymmetrisches Kommando besteht hier zwischen John und writes sowie zwischen
writes und books. Damit sind die Abfolgen John writes und writes books, somit die
Gesamtabfolge, begründet (und jede andere Abfolge, *Writes books John etc., ist
ausgeschlossen). Die Hierarchieverhältnisse innerhalb von (2e) können damit der
Lexemabfolge entnommen werden.13
12 Das LCA wurde zuerst formuliert von Kayne (1994).
13 Nicht entnommen werden können andere Strukturmerkmale: Der Abfolge der Lexeme ist z.B. nicht
deren „absolute“ Platzierung im Strukturbaum zu entnehmen. (Vgl. den Unterschied zwischen John
writes books und Hans schreibt Bücher.)
64
2.2.
Die Qualifiziertheit des MM
Oben (1) wurde dem MM Qualifiziertheit als Grundlage der Gestaltung von Syntaxvermittlung zugeschrieben. Dies aufgrund seiner Eigenschaft, (1) als Grammatikkategorie generativ und (2) als Grammatikmodell minimalistisch zu sein. Wir wollen diese Begründung nun explizieren, zunächst (1) die Bedeutung von Generativität.
(1) Der Erwerb einer Fremdsprachengrammatik (G2, G3 …) muss gesehen werden
vor dem Hintergrund des G1-Erwerbs. Für diesen ist das zentrale Merkmal die “Innate Hypothesis” (Johnson / Johnson 1998: 169ff.), die Annahme, dass “much of the
knowledge of language is built into the human mind rather than acquired” (1998:
169).14 Spezifisch generativ ist nun hier, dass der Built-in-Knowledge eine bestimmte
Form, die der “Universal Grammar” (UG), zugeschrieben wird. Die UG wiederum wird
gesehen als konstituiert durch die Gegebenheit von „Prinzipien“ und von „Parametern“: “Principles are the abstract constraints that the human mind places on language; parameters reflect the limited variation possible between human languages”
(1998: 169).15 Vor diesem Hintergrund besteht G1-Erwerb dann darin, dass die Instanziierung von Prinzipien als solche erkannt wird und die gegebenen Parametersetzungen als solche erkannt und „getriggert“ werden. Dies alles geschieht auf der
Basis von ausschließlich „positiver Evidenz“.16 Selbst diese jedoch ist nicht optimal:
Sie enthält ungrammatische Sätze und wird nicht einmal ansatzweise als Ausdruck
der Systematizität der G1 dargeboten. Mit all diesem erscheint die Richtigkeit der Innate Hypothesis schon diesseits empirischer Bestätigung in hohem Maß als plausibel.
Betrachten wir vor diesem G1-Hintergrund nun den G2-Erwerb. Tatsache ist hier,
dass, anders als im G1-Erwerb, vollständiger Erwerb nur wenigen Aspiranten gelingt.17 Die Frage ist dann, ob G2-Erwerb trotzdem als generativ gesehen werden
kann. Die Antwort ist ein begründetes Ja: “some studies seem to show that L2 learners are sensitive to properties of the L2 which are not instantiated in their L1, and
which are not obviously given by the input they receive” (1998: 132).18 Damit ist gesagt, dass auch im G2-Erwerb Built-in-Knowledge bzw. die UG wirksam ist. Dass sie
dies, angesichts der zusätzlichen Gegebenheit von G1, in anderer Weise ist als im
G1-Erwerb, kann angenommen werden.19 Dessen ungeachtet ist es der Fall, dass
G2-Erwerb generativ, das MM somit kategorial gesehen als Vermittlungsgrundlage
qualifiziert ist.20
14 Die IH ihrerseits gründet sich auf das Poverty-of-the-Stimulus-Argument, darauf, dass “the complexity of the knowledge we possess compared to the thinness of the evidence we have encountered necessitates postulating that it was already present in our minds” (1998: 169) bzw. darauf,
dass trotz Poverty der G1-Erwerb schnell erfolgt und unvermeidbar und erfolgreich ist (1998: 129).
15 Von den Prinzipien ist ein häufig genanntes „Strukturabhängigkeit (der Zulässigkeit der Bewegung
eines Elements)“, andere sind „Bindungsprinzipien“ und das „Phrasenstrukturprinzip“. Von den Parametern ist ein häufig genannter der Pro-Drop-Parameter, auch genannt “Null-Subject-Parameter”.
16 „Negative Evidenz“ wird als abwesend bzw. wirkungslos gesehen (Johnson / Johnson 1998: 39).
17 Zum Erwerbs-(Miss-)Erfolg vgl. die Untersuchungen Weigl (2002, 2003, 2005, 2006a, 2006b).
18 Solche studies (mit unterschiedlicher Akzentuierung) sind u.a.: Hyams (1986), du Plessis u.a.
(1987), Bley-Vroman u.a. (1988), White (1990), Flynn (1996), Grondin / White (1996), Schwartz /
Sprouse (1996), White (1996), Kanno (1997), Pérez-Leroux / Glass (1997), White (2003).
19 Dazu unten, 3.1.1.
20 Zu den Konsequenzen für die Vermittlungsgestaltung unten, 3.1.2.
65
(2) Es bleibt, zu explizieren, warum das MM qua Grammatikmodell als Vermittlungsgrundlage qualifiziert ist. Die Explikation / Begründung hier ist eine wissenschaftstheoretische: Als Generative Grammatik erhebt das MM den Anspruch, die Wirklichkeit der menschlichen Sprach(lern)fähigkeit abzubilden. Von dieser Fähigkeit ist anzunehmen („Nullhypothese“), dass sie aus allgemein-biologischen Gründen „elegant“
und „sparsam“ organisiert ist. Ist dies nun der Fall, dann wird die Sprachfähigkeit adäquat erfasst von einem Modell, das die gleichen Eigenschaften hat, elegant und
sparsam ist.
Im gegebenen Fall: Unmittelbarer Ausdruck der Sprach(lern)fähigkeit ist die Gegebenheit von A-P (Articulation-Perception) und von C-I (Concepts-Intentions). Zwischen A-P und C-I besteht ein Zusammenhang, der nicht unmittelbar zum Ausdruck
kommt, jedoch strukturiert sein muss. Diese Strukturierung nun ist nach unserer allgemeinen Annahme einfach und sparsam. Als solche wird sie durch ein Grammatikmodell abgebildet, das seinerseits einfach und sparsam ist. Ebendiese Forderung
wird durch das MM in hohem Maße erfüllt, durch die Eliminierung der GB-Ebenen DStructure und S-Structure (unter Beibehaltung der Ebenen PF und LF) sowie durch
andere Ökonomisierungen (vgl. oben, 2.1). Damit kann das MM als derzeit wirklichkeitsgetreueste Abbildung der Sprach(lern)fähigkeit gelten.21 Als Grundlage einer
Gestaltung von Syntaxvermittlung, die ebenfalls Wirklichkeitsbezug anstrebt, Bezug
zur Wirklichkeit des Spracherwerbs, ist es damit qualifiziert.
3.
Konsequenzen für die Gestaltung der Syntaxvermittlung
Im Folgenden wird nun dargelegt, welche Konsequenzen für die Vermittlungsgestaltung sich aus den genannten Annahmen ergeben. Dabei wird zunächst auf die Vermittlungsinhalte eingegangen.
3.1.
Zu den Vermittlungsinhalten
Die Vermittlungsinhalte werden bestimmt durch das MM wie auch durch die jeweils
gegebene G2/G1-Relation. Wir befassen uns zunächst mit Letzterer.
3.1.1. Die Bestimmung der Inhalte durch die G2/G1-Relation
Für die G2/G1 ist zunächst relevant, dass eine Teilung besteht: (1) Die meisten TeilG2s, Strukturen einzelner Phänomene, unterscheiden sich von den korrespondierenden Teil-Gs der L1 (wenn solche existieren). (2) Auf einen anderen, kleineren,
Teil trifft dies nicht zu: In ihm sind die L2- und die L1-Teil-Gs identisch.22 Beim G2Erwerb(sversuch) hat dies (potenzielle) Auswirkungen, die bei der Bestimmung der
Vermittlungsinhalte zu beachten sind. Wir betrachten zunächst (2):
(2) Identität einer G2- und einer G1-Teilgrammatik kommt an der Oberfläche zum
Ausdruck durch Gleichheit der Lexemabfolgen. Realisiert nun der Lerner, der eine
L2-Äußerung erschließen will, dass es zu dieser ein (Oberflächen-)L1-Gegenstück
21 Dies natürlich in linguistischen Begriffen. Für die mit diesen gemeinten Sachverhalte wird allerdings
auch mentale Realität reklamiert. Inwieweit diese Sicht zutrifft bzw. worin diese (mentale bzw. neurale) Realität besteht, wird sich in den kommenden Jahrzehnten herausstellen.
22 In welcher Häufigkeit die beiden Sachverhalte auftreten, ist abhängig vom jeweils gegebenen
Sprachenpaar.
66
gibt, dann schreibt er ihr die Struktur dieses Gegenstücks zu: Es erfolgt „Transfer“.23
Transfer ist die ökonomischste Art des G2-(Teil-)Erwerbs. Erwerb durch Transfer
wird vom Lerner selbstständig vorgenommen, bedarf keiner Vermittlung.24
Relevant ist nun aber, dass Vermittlungsbedarf in bestimmten Fällen besteht, in den
Fällen, in denen Transfer zu falschen Lösungen führt. Dies geschieht dann, wenn
Oberflächenidentität besteht, jedoch keine Identität der Gesamtstruktur:
(4E) John waited.
(4D) Hans wartete.
Die (4)-Strukturen, im relevanten Teil, sind die folgenden:
(4E’)
CP
/
Spec
\
C’
/
C
/
Spec
John
\
TP
\
T’
/
\
T
waited
(4D’)
CP
/
\
Spec
C’
Hans
/
\
C
TP
wartete
/ \
Spec
T’
/
\
T
Übernimmt nun der Lerner die (4D)-Struktur in die G2, erwirbt er eine falsche (Teil-)
Grammatik. Diese muss im Laufe des weiteren Erwerbsprozesses durch die richtige
ersetzt werden (was einen Mehraufwand erfordert). „Erwerb“ durch nicht möglichen
Transfer sollte daher von vornherein verhindert werden. In der Vermittlung kann dies
dadurch geschehen, dass zuerst Sätze präsentiert werden, die nicht-ambig sind, in
denen die G1-Divergenz auch an der Oberfläche zum Ausdruck kommt:
(5E) Yesterday John waited …
(5D) Gestern wartete Hans …
(1) In den häufigsten Fällen besteht die G2/G1-Relation darin, dass die korrespondierenden Strukturen (einschließlich der Oberflächen) nicht-identisch sind. Transfer aus
G1 ist dann nicht möglich und es muss ein anderer Erwerbsmodus praktiziert wer-
23 Inwieweit dabei die UG qua UG (vs. als „aufgehoben“ in G1) im Spiel ist (wie postuliert von
Schwartz / Sprouse 1996), muss offen bleiben, ist aber auch nicht unmittelbar relevant.
24 Im Hintergrund hier steht die Annahme, (1) dass die gesamte G1 als Transferpotenzial figuriert
(“Full Transfer”, Schwartz / Sprouse 1996) und (2) dass der Lerner einen ausgeprägten Hang zum
Transferieren hat.
67
den. Dieser Modus nun ist, bedingungsabhängig, (1) Bezugnahme auf die relevante
UG-Parametersetzung oder (/und) (2) Bezugnahme auf die schon etablierte G2.
(2) G2-Bezugnahme richtet sich (wie die auf G1) auf ein spezielleres System als auf
UG, sollte daher die erste Wahl des Lerners sein. Geknüpft ist sie aber natürlich daran, dass der Lerner schon im Besitz (des relevanten Teils) der G2 ist. Damit kommt
hier die Prozessdimension des G2-Erwerbs ins Spiel: G2-Bezugnahme ist umso öfter
möglich, je weiter der G2-Erwerb fortgeschritten ist. In der Endphase des Erwerbs
sollte sie die „normale“ Bezugnahme sein.
Durch G2-Bezugnahme erworben werden kann beispielsweise ein Satz wie (6a):
(6a) It seems that John is likely to have left.
(6a’) * John seems that it is likely to have left.
(6a’’) * It seems that it is likely John to have left.
Wirksam ist hier die “Minimal Link Condition” (MLC): Bewegung muss in die nächstmögliche Position gehen (Chomsky 1993). In (6a’) nun ist John zu weit gegangen, in
(6a’’) nicht weit genug.
Wir nehmen nun an, dass der Lerner bei der Konfrontation mit (6a) die MLC schon
erworben hat, auf der Basis der folgenden Sätze:
(6b) It seems that John has left.
(6b’) * John seems that has left.
(6c) John seems to have left.
(6c’) * It seems John to have left.
(Hier ist John in (6b’) zu weit gegangen, in (6c’) nicht weit genug.)
Wird der Lerner nun mit (6a) konfrontiert, kann er auf die ihm bekannte (G2Ausprägung der) MLC zurückgreifen und dadurch die Struktur von (6a) insoweit erschließen. Geschehen ist dann G2-Erwerb durch Bezugnahme auf G2.
(1) Ist Bezugnahme auf G2 (noch) nicht möglich, muss der Lerner zur Erschließung
einer L2-Äußerung auf die UG-Parametrisierung zurückgreifen. Hat er die G2Parametersetzung als solche, als G1-divergent, erkannt, ist die Äußerung erschlossen. Der Parameterwert wird dann in die Lerner-G2 aufgenommen und die Teil-G2
ist damit (auf einer ersten Ebene) erworben.25
Bezugnahme auf die G2-Parametersetzung ist der „eigentliche“ Modus des G2Erwerbs, neben Transfer und Bezugnahme auf die schon erworbene G2. Gleichzeitig
ist er der einzige Modus, dessen Wirksamkeit durch Vermittlungs- bzw. Inputgestaltung gesteigert werden kann. Einer solchen Gestaltung, der Erleichterung der Parameter-Bezugnahme, muss daher das Hauptinteresse gelten. Zu realisieren ist hier allerdings, dass die linguistische Klärung zahlreicher Sachverhalte, vor allem auf einzelsprachlicher Ebene, noch bevorsteht: “one has to properly identify which properties of languages are to be parameterized […] and which structures should count as
positive evidence […] for purposes of parameter setting. […] (I)t’s still possible that in
order to activate a given Parameter P1, another Parameter P2 must be set on a spe-
25 Was als Parametersetzung figuriert bzw. woran die Setzung für den Lerner erkennbar ist, ist derzeit kontrovers. Überzeugend ist die Sicht J.D. Fodors, in Fodor (1999, 2001a), Sakas / Fodor
(2001b). Dazu unten, 3.2.2.
68
cific value. Besides […] it may be the case that (some) parameters establish one of
its options as the default setting to be assumed in absence of disconfirming evidence” (Hornstein u.a. 2005: 4). Für eine „endgültige“ Gestaltung der Vermittlungsinhalte ist es damit zu früh. Andererseits gilt aber, dass für einige Parametersachverhalte (Pro-drop, V2 (Verb-zweit), Verb Movement) die genannten Fragen als beantwortet gelten können. Diese Sachverhalte, soweit sie für G2 Englisch bzw. Französisch (bei G1 Deutsch) einschlägig sind, werden wir im Folgenden in der Vermittlungsperspektive thematisieren.
3.1.2. Die Bestimmung der Inhalte durch das MM
Zu thematisieren sind nun neben Parametersachverhalten auch Sachverhalte, die
daraus resultieren, dass auf das MM als solches Bezug genommen wird, auf seine
spezifische Struktur wie auf MM-spezifische Gehalte.26 Wir beginnen mit Überlegungen zur Bestimmungswirkung der MM-Struktur.
• Die Inhaltsbestimmung durch die MM-Struktur
Als möglich erscheint, dass die MM-Struktur die Wahl der Vermittlungs- bzw. die Erwerbsinhalte (mit-)bestimmt. Inwieweit dies angenommen werden kann, wird im Folgenden erörtert. Fokussiert dabei werden (1) die Bewegungsvorstellungen, die für
das MM gelten, und (2) die modellspezifische Relation zwischen den Ebenen LF und
PF. Wir beginnen, aus expositorischen Gründen, mit einem (Rück-)Blick auf Eigenschaften des GB-Modells (7) bzw. einer ersten Version des MM (8).
Die Modelle:
(7)
DS
Move
SS
PF
Move
LF
(8)
N
S + M + Move
Spell-Out
PF
S + M + Move
LF
Offensichtlich ist hier, dass (8) und (7) in einem zentralen Punkt ähnlich ist: Das SS
von (7) ist zwar verschwunden; als nicht verschwunden jedoch erscheint seine Funktion, jetzt erfüllt durch Spell-Out: “Spell-Out is tacitly playing the role of SS” (Horn26 Die Ausprägung (des Auftretens) der Parametersachverhalte als solche kann kaum als MMspezifisch gesehen werden.
69
stein u.a. 2005: 73). In einem zweiten zentralen Punkt sind (8) und (7) gleich: Zwischen LF und PF besteht keine direkte Verbindung. Beide Punkte in ihrem Zusammenhang konstituieren eine erhebliche Schwäche der Modelle (7) und (8), weshalb
das oben (2.1) präsentierte MM, wiederholt hier for convenience, vorgeschlagen
wurde:
(1)
N
Select + Menge + Copy
LF
PF
Spell-Out
Der erste Vorzug dieses Modells ist offensichtlich: Zwischen LF und PF besteht eine
direkte Verbindung. Der zweite Vorzug ist der Verzicht auf die Zweiteilung des
eigentlich syntaktischen Raumes, durch Eliminierung von SS bzw. der SS-Funktion
von Spell-Out und deren Ersetzung durch “Move F”. Im Einzelnen:
In (7) und (8) hatten SS bzw. Spell-Out die Funktion, Bewegungen, die “overt” waren,
zu trennen von “covert”-Bewegungen. Die Ersteren fanden statt vor SS, die Letzteren
nach SS. Mit der Eliminierung von SS wurde auch die overt-/covert-Unterscheidung
hinfällig. An ihre Stelle trat eine andere Unterscheidung von Bewegungen, in Begriffen einer Operation “Move F” (Formal Feature).27 Move F umfasst (anders als der
Name sagt) die Bewegung von “Categories”, d.h. von NPs, Verben etc., und die von
Features, d.h. von Kasusmerkmalen, Numerusmerkmalen etc. In der Move F-Sicht
erübrigt es sich, die Existenz von Covert Movement anzunehmen: “all movement operations proceed overtly and the question of whether we have feature movement or
category movement will depend on the presence or absence of strong features”
(Hornstein u.a. 2005: 311).28 Kategorienbewegung ist nötig, wenn starke Merkmale
gecheckt werden müssen, Merkmalbewegung im anderen Fall. Wir geben zwei Beispiele, beginnend mit Merkmalbewegung (vgl. Radford 1997: 122):
(9’E) He conquered.
TP
/
\
Spec
T’
He
/
\
[M3SNom] T
VP
[3SNom
/ \
Past]
Spec V’
\
V
conquered
In (9’E) sind die Merkmale von conquered nach T gegangen, damit in die erforderliche Relation mit SpecT. In dieser Relation nun kann das Checking der conqueredgegen die he-Merkmale vorgenommen werden (und das uninterpretierbare, seman-
27 Alternativ gibt es die Möglichkeit, mit “Agree” zu operieren (Hornstein u.a. 2005: 317ff.). Dies ist jedoch weniger befriedigend.
28 Die Gegebenheit von (Nicht-)Stärke eines Merkmals wird verstanden als Ausdruck von Parametersetzung. Auf dieser Annahme beruhen auch unsere Ausführungen unter 3.1.2.
70
tisch leere, Merkmal Nom getilgt werden). Damit gelingt (“converges”) die Ableitung
und Satz (9) ist grammatisch.
Betrachten wir nun noch einen Satz, in dem ein starkes Merkmal gecheckt werden
muss (vgl. Hornstein u.a. 2005: 305f.):
(10) Whose car did you drive?
(10) enthält ein Frageelement, Q:
(10’) did + Q you drive whose car
Das wh-Merkmal von Q ist stark, muss daher durch eine Kategorie gecheckt werden.
Dies geschieht wie folgt:
(10’’)
CP
/
\
Spec
T’
whose car
/
\
C
TP
did+Q / \
Spec
T’
/ \
T
VP
/
\
Spec
V’
you
/ \
V
DP
drive
(whose car)
In (10’’) ist whose car nach SpecC gegangen, damit in die erforderliche Relation mit
C. In dieser Relation kann das Checking des wh-Merkmals gegen das whose carMerkmal stattfinden und festgestellt werden, dass Übereinstimmung besteht: Das
wh-Merkmal kann getilgt (deleted) werden und der Satz ist grammatisch. Erwähnt sei
hier noch einmal, dass die beiden Checking-Operationen in ein und demselben Bereich liegen: Beide erfolgen zwischen N und LF (und figurieren auf LF in Form ihres
Ergebnisses).29
Inwieweit kann nun angenommen werden, dass die MM-Struktur die Wahl der Vermittlungsinhalte (in optimierender Weise) (mit-)bestimmt? Die Antwort: Wenn die MM (wie
dargelegt) die (derzeit) optimale Abbildung der Grammatik des Lerners ist, dann wird
dies durch ihre Struktur mitkonstituiert, speziell durch die Teilung der Gesamtstruktur in
nur zwei Komponenten, die syntaktische und die phonologische. Für die Wahl / Disposition der Vermittlungsinhalte bedeutet dies vor allem, dass die in den beiden Komponenten figurierenden Sachverhalte jeweils für sich thematisiert werden sollten.30
Phonologiebezogen relevant sind dabei natürlich Spell-Out-Operationen, “operations
that apply to a syntactic object to give rise to a representation which interfaces with
the AP system” (Adger 2003: 145). Was mittels solcher Operationen erfolgt, ist z.B.
29 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass, aus prinzipiell minimalistischen Gründen, Sachverhalte, deren Formulierung Indices erfordert (Skopuszuweisung, Bindung) nun nicht mehr auf LF, sondern auf dem Conceptual-Intentional Interface figurieren (und damit nicht mehr zur Grammatik gehören) (Hornstein u.a. 2005: 272).
30 Im besonderen Maß gilt dies für die Anfangsphase(n) der Vermittlung.
71
die Bildung von Pluralformen und die von Formen von Tempora. Gegenstand unserer Arbeit sind allerdings Syntaxsachverhalte. Auch diese sollten möglichst für sich
thematisiert werden. Als wichtiger aber erscheint, dass dies getan werden sollte unter Bezugnahme auf konstituierende MM-Gehalte, auf Sachverhalte wie Checking
und Parametrisierung. Mit der Form einer solchen Bezugnahme befassen wir uns im
nächsten Abschnitt.
• Die Inhaltsbestimmung durch MM-(Parameter-)Gehalte
Wir beginnen mit Speziellem, mit der Betrachtung der Vermittlung der EnglischStruktur (9’E) und der ihres französischen Gegenstücks (9’F) an Lerner mit G1
Deutsch (9’D).
Wir wiederholen zunächst (9’E), for convenience:31
(9E) He conquered.
(9’E)
TP
/
\
Spec
T’
He
/
\
[M3SNom] T
VP
[3SNom / \
Past] Spec V’
\
V
conquered
Nach T werden hier die Merkmale von conquered, nicht conquered selbst (einschließlich seiner Merkmale) bewegt. Dies, weil die Merkmale des (neu-)englischen
Verbs „schwach“ sind.
Im Französischen findet sich das Gegenteil:
(9F) Il vainquait.
(9’F)
TP
/
\
Spec
T’
Il
/
\
[M3SNom]
T
VP
vainquait /
\
[3SNom Spec V’
Past]
\
V
(vainquait)
Nach T wird hier die Kategorie, vainquait, (samt Merkmalen) bewegt. Dies, weil die
Merkmale des französischen Verbs „stark“ sind. Betrachten wir nun den deutschen
(Haupt-)Satz. Die Merkmale seines Verbs sind „stark“. Dazu kommt hier jedoch ein
zweiter Sachverhalt ins Spiel, die CP-Eigenschaft des Satzes. Daraus ergibt sich die
Struktur (9’D):
(9D) Er siegte.
31 Hier und im Folgenden reduzieren wir die Struktur(en) auf das Wesentliche.
72
(9’D)
CP
/
Spec
er
\
C’
/
\
C
TP
siegte /
\
Spec
T’
(er)
/ \
[M3S
T
VP
Nom] (siegte) /
\
[3SNom Spec V’
Past]
\
V
((siegte))
Die Checking-Bewegung hier ist Standard. Erklärungsbedürftig ist die Weiterbewegung von siegte (und von er) in CP-Positionen. Für die Verbbewegung ist eine mögliche Erklärung die folgende (Adger 2003: 295f., 330): T trägt ein unbewertetes Satztyp-Merkmal (unvalued clause-type feature). Dieses Merkmal muss bewertet werden.
Dies erfolgt durch die in C lokalisierten Merkmale Q und Decl (für den Aussagesatz).
Diese Merkmale sind jedoch, sprachspezifisch, entweder stark oder schwach; dementsprechend differiert die Bewertung der Satztyp-Merkmale: “in English […] when
the features of C valued the (clause-type) feature on T, the Q value was strong, but
the Decl feature was weak’’ (2003: 330). Im Deutschen dagegen ist Decl, in C und
damit auch in T, stark. Aus diesem Grund bewegt sich siegte nach C.32
Aus dem Vorstehenden (und einigen Ergänzungen in dessen Perspektive) ergibt sich
für die thematisierten Sprachen eine Matrix der Struktur ihrer Sätze:
Q
Decl
Verb
Merkm.
Merkm.
Merkm.
D
stark
stark
stark
E
stark
schw.
schw.
F
stark
schw.
stark
Tafel I: Satzstrukturmerkmale D, E und F
Angegeben wird durch die Matrix, dass (und worin) sich der englische bzw. französische Satz vom deutschen unterscheidet. Auf diese Unterschiede ist in der Erstellung
von E- bzw. F-Lehrmaterial abzustellen. Geschehen kann dies dadurch, dass als
zentrale Elemente Satztypen aufgenommen werden, in denen die G2/G2-Unterschiede unzweideutig zum Ausdruck kommen.33 Im Folgenden geben wir an, welche Satztypen dies sind, zunächst für Englisch.
Für Englisch sind herauszustellen (1) die Merkmale des Verbs („schwach“) und (2)
das Merkmal des Aussagesatzes (Decl: „schwach“).
(1) Die Verbmerkmale kommen zum Ausdruck im Aussagesatz und im Fragesatz. Im
Aussagesatz durch Sätze der Typen (10aE) bzw. (10bE):
32 Für die er-Bewegung gilt, in der Merkmalsperspektive, eine andere Erklärung (Adger 2003: 330).
33 Sätze wie die oben verwendeten (He conquered / Il vainquait) sind im Höchstmaß mehrdeutig.
73
(10aE) He did not conquer.
(10bE) He always conquered.
Offensichtlich ist hier, dass nur die Merkmale, nicht das Verb, bewegt worden sind:
Das Verb steht in seiner Ausgangsposition, da hinter (im Strukturbaum unter) not
bzw. always.
Gleiches wird sichtbar im Fragesatz:
(10cE) (Why) did he conquer?
Hier sind wiederum die Merkmale (“supported’’ durch did) bewegt worden, erst nach
T, dann nach C. Wäre es anders, müsste der Satz *Conquered he? lauten. Sätze der
Typen (10aE) bzw. (10bE) und (10cE) sind damit unverzichtbar für die fokussierte
(gleichzeitig breitestmögliche) Erfassung der Charakteristik des englischen Verbs.
(2) Betrachten wir nun das Merkmal des englischen Aussagesatzes („schwach“).
Zum Ausdruck kommt dieses in Sätzen des Typs (10dE):
(10dE) Yesterday John conquered.
(10dE) ist eine TP (wie sie aus Schwäche des Merkmals Decl resultiert). Ausgedrückt
wird dies durch die Wortfolge John-conquered, mit conquered hinter (im Strukturbaum unter) John. Wäre (10dE) eine CP, müsste die Wortfolge umgekehrt sein, da
conquered in C stünde („Verb zweit“) statt in T. Sätze wie (10dE) sind damit unverzichtbar für die Erfassung der Charakteristik des englischen Aussagesatzes.
Betrachten wir nun noch das Französische. Mit dem Deutschen kontrastiert dieses
nur hinsichtlich des Merkmals des Aussagesatzes (Tafel I). Hinzu kommt hier allerdings ein zweiter Relationssachverhalt, die Relation F-E. Sie resultiert daraus, dass
in vielen (bayerischen) Gymnasien F als L3, nach L2 Englisch, gelehrt wird. Damit
könnte aus G2E (auch) negativer Transfer nach G3F stattfinden. Betroffen davon wären die Verbmerkmale, „schwach“ in E, „stark“ in F. Prophylaktisch könnten daher
auch die F-Verbmerkmale herausgestellt werden.34 Tut man dies, dann ergeben sich
für F die gleichen Herausstellungsforderungen wie für Englisch. Wir betrachten diese
nun im Einzelnen.
(1) Die Verbmerkmale kommen auch im Französischen zum Ausdruck im Aussagesatz und im Fragesatz. Im Aussagesatz durch Typen wie (10aF) bzw. (10bF):
(10aF) Il ne vainquait pas.
(10bF) Il vainquait toujours.
Evident ist hier, dass das Verb (einschließlich seiner Merkmale) bewegt worden ist:
Das Verb steht nicht mehr in der Ausgangsposition, da vor (im Strukturbaum über)
pas bzw. toujours.35
Auch im französischen Fragesatz zeigt sich, dass das Verb bewegt wird, am deutlichsten in Sätzen des Typs (10cF):36
34 Ob eine solche Prophylaxe auch geboten ist, ist beim derzeitigen Stand der Kenntnis des Aufeinanderwirkens aufeinander folgender L1+n-Grammatiken völlig unklar.
35 Dass in (10aF) vainquait nicht auch vor ne steht, der Satz nicht *Il vainquait ne pas lautet, resultiert
daraus, dass ne, Klitikon, von vainquait bei dessen Bewegung „mitgenommen“ wurde.
36 „Am deutlichsten“ deshalb, weil es zusätzlich zu (10cF) eine Reihe komplexerer Fragesatztypen
gibt (Weigl 2006a, 2006b).
74
(10cF) (Pourquoi) vainquait-il ?
Auch hier ist das Verb bewegt worden, erst nach T, dann nach C (unter „Mitnahme“
von il). Wäre es anders, müsste der Satz (analog zum englischen) *Faisait-il vaincre?
lauten, mit dem Verb in V, der Ausgangsposition.37
Hinsichtlich des Aussagesatzes gleicht F dem Englischen (und unterscheidet sich
vom Deutschen): Der Aussagesatz hat das Merkmal (Decl: „schwach“). Zum Ausdruck kommt dies durch Sätze des Typs (10dF):
(10dF) Hier, Jean vainquait.
Dass der Satz eine TP ist, wird, wie im Englischen, durch die Wortfolge ausgedrückt,
durch Jean-vainquait. Sie ist der deutschen (CP- bzw. Verb zweit-)Folge entgegengesetzt: Gestern siegte Hans. Sätze des Typs (10dF) sind damit notwendig für die
Erfassung der Charakteristik des französischen Aussagesatzes.
Betrachten wir nun noch, als speziellen Sachverhalt, die Vermittlung der Syntax der
englischen Objektkasus, des Akkusativs und des Dativs.38 Gültig sind hier zunächst
die schon genannten Annahmen: (1) Merkmale müssen gecheckt werden, dies in einer Spec-Head-Konstellation. (2) Möglich ist Kategorienbewegung (wenn starke
Merkmale gecheckt werden müssen) und Merkmalbewegung (im anderen Fall). Hinzuzufügen ist hier ein spezifischer Struktursachverhalt: Für die Checking-Konstellation des Objekts steht (anders als für die des Subjekts) nicht von vornherein ein Spec
zur Verfügung. Ein solcher kann jedoch ad hoc geschaffen werden. Ein Satz wie
(11E) hat dann die folgende (relevante) Struktur:
(11E) John caught a fish.
(11E’)
vP
/
\
Spec
v’
/
\
Spec
v’
[Akk]
/
\
v
VP
caught
/
\
[Akk] Spec
V’
/ \
V
DP
(caught) a f.
Relevant ist hier (1) das Verhalten des Verbs und (2) das der DP. (1) „Das“ Verb allerdings gibt es hier nicht: Es gibt das “contentful verb”, generiert unter V, mit schwachen Merkmalen, zusätzlich aber das “light verb”. Diesem nun können starke Merkmale zugesprochen werden, womit es “movement of the contentful verb” bewirkt. (2)
Die Kasusmerkmale der englischen DPs sind schwach. Dies zeigt, gemäß einer allgemeinen Annahme, die Armut der DP-Morphologie:
37 Faire ist hier natürlich als Äquivalent von do verstanden, nicht als kausativ.
38 Der Nominativ wurde oben schon behandelt, der Genitiv ist aus strukturellen Gründen von geringem
Interesse.
75
D
E
der Hund
the dog
des Hundes
the dog’s
dem Hund
the dog39
den Hund
the dog
Tafel II: Kasusmerkmale D und E
(11E’) erklärt sich dann problemlos: caught ist als Kategorie, von a fish sind nur die
Merkmale bewegt worden. In der deutschen Entsprechung, mit starken Kasusmerkmalen, wird auch die DP bewegt:
(11D) Hans fing einen Fisch.
(11D’)
vP
/
Spec
\
v’
/
\
Spec
v’
einen F. / \
[Akk]
v
VP
fing
/ \
[Akk] Spec V’
/ \
V
DP
(fing) (einen F.)
Analog zum Checking der Akkusativobjekte geschieht das der Dativobjekte, in Sätzen wie (12E) und (12D):
(12E) John helped the man.40
(12D) Hans half dem Mann.
In (12E) wird an Kategorien wiederum nur das Verb bewegt, in (12D) das Verb und
die DP:
39 Zum Dativ the dog gibt es den Ersatz to the dog (der keine DP, sondern eine PP ist). Dieser bleibt
hier außer Betracht.
40 Der Dativ ist hier (wie der Akkusativ in (11E)) nicht morphologisch ausgedrückt: Auf der Realisierungsebene gibt es nur einen, „den“ Objektkasus. Identifizieren lassen sich die beiden Kasus dennoch, als „abstrakte“, Ausdruck jeweils zugrunde liegender Theta-Rollen: Der Akk ist der Ausdruck
von Theme (selegiert von catch), der Dat der von Beneficiary (help).
76
(12E’)
vP
/
Spec
\
v’
/
Spec
[Dat]
\
v’
/
\
v
VP
helped
/
\
[Dat] Spec
V’
/ \
V
DP
(helped) the m.
(12D’)
vP
/
Spec
\
v’
/
\
Spec
v’
dem M. / \
[Dat]
v
VP
half
/
\
[Dat] Spec V’
/
\
V
DP
(half) dem M.
Kontrastiv interessant sind nun Sätze mit Doppelobjekten, wie (13E) und (13D):
(13E) He gave the dog a bone.
(13D) Er gab dem Hund einen Knochen.
Ihnen können die folgenden Strukturen zugeschrieben werden:
(13E’)
vP
/
Spec
\
v’
/ \
Spec
v’
[Dat]
/
\
Spec
VP
[Akk]
/
\
v
VP
gave
/
\
[Akk Spec
V’
Dat] the dog / \
V DP
(gave) a b.
77
(13D’)
vP
/
Spec
\
v’
/ \
Spec
v’
dem H. /
\
[Dat] Spec
v’
einen Kn. / \
[Akk]
v
VP
gab
/
\
[Akk Spec
V’
Dat] (dem H.) / \
V
DP
(gab) (einen Kn.)
Die Abfolge der Objekte ist hier in den beiden Sprachen Dat-Akk. Dies deshalb, weil
die kanonische Abfolge der den Kasus zugrunde liegenden Theta-Rollen Beneficiary
(Dat) und Theme (Akk) Beneficiary-Theme ist. Im Englischen, mit seiner Nichtunterscheidbarkeit von Dat und Akk, ist diese Abfolge die einzige Möglichkeit, die beiden
Kasus zum Ausdruck zu bringen:
(13E’’) * John gave the bone a dog.
Hans gab dem Knochen einen Hund.
Im Deutschen, mit seiner morphologischen Kasuskennzeichnung, kann die Dat-AkkAbfolge (aus Gründen der Informationsverteilung) auch umgekehrt werden:
(13D’’) Hans gab den Knochen dem Hund (nicht der Katze).41
Im Englischen muss diese Informationsverteilung anders zum Ausdruck gebracht
werden, mittels Präpositionalphrase:
(13E’’’) John gave the bone to the dog (not to the cat).
In den Sätzen (13) sind grammatische Relationen in den beiden Sprachen unterschiedlich ausgedrückt: In D durch Kasusmarkierung (in (13D) gleichzeitig durch DPAbfolge), in E durch andere Mittel, durch Präpositionalphrase (E’’’) und durch (ausschließlich) DP-Abfolge (13E). Dieser letztere Sachverhalt ist seit langem bekannt,
aber immer noch wichtig: “Order is the primary factor distinguishing Oi from Od […]
and the grammar excludes structures which reverse the normal Oi - Od […] order”
(Huddleston / Pullum 2002: 250). “Reverse the order” bedeutet die Ordnung zerstören. Dies macht (13E’’), John gave the bone a dog, ungrammatisch.
Ausgeschlossen sind aber auch Strukturen, die die Dat-Akk-Abfolge nicht zerstören,
sondern „nur“ unkenntlich machen. Das würde geschehen, wenn ein jedes der Objekte sich frei bewegen könnte. Verhindert wird dies dadurch, dass frei beweglich nur
das Akkusativobjekt ist. Das Dativobjekt bleibt in seiner Ursprungsposition, nach dem
und adjazent zum Verb. Da es dadurch als Dativobjekt identifiziert ist, wird damit
auch das andere Objekt (als Akkusativobjekt) identifiziert.42 Bewegungen, in denen
41 Hier hat sich, anders als in (13 D’), den Knochen in das höhere, dem Hund in das niedrigere Specv
bewegt. Strukturtechnisch ist dies unproblematisch.
42 Unterschiedlich bewegbar sind die Objekte schon als Einzelobjekte: The fish John caught. / ? The
man John helped.
78
dieser Sachverhalt relevant ist, sind das Preposing (oder Fronting) und sein Gegenstück, das Postposing. Dies zeigen die folgenden Satzpaare.43
(14aE) The key he gave Sue.
(14bE) ? Sue he gave the key.
Huddleston / Pullum nennen (14a) “strongly preferred”, (14b) “less acceptable”
(2002: 248). Im Deutschen besteht ein solcher Unterschied nicht:
(14aD) Den Schlüssel gab er Sue.
(14bD) Sue gab er den Schlüssel.
In Kontrast stehen hier die Sätze (14b). Noch stärker ist der Kontrast, wenn die genannten Bewegungen in Nebensätzen stattfinden:
(15aE) He asked what I bought her.
(15bE) * He asked who(m) I bought presents.
Hier ist Satz (15b) ungrammatisch. Der deutsche Satz ist dies nicht:
(15bD) Er fragte, wem ich Geschenke kaufte.
Postposing erfolgt, um ein „schweres“, d.h. langes, Objekt in die Endposition zu bringen. Nicht postposed werden können im Englischen Dativobjekte:
(16aE) He gave Sue … all the spare keys he had cut.
(16bE) * He gave a second chance all those who had scored 40 % or more.
Dieser Ausschluss besteht wiederum nicht im Deutschen:
(16bD) Er gab eine zweite Chance all jenen, die 40 % oder mehr erreicht hatten.
Damit kontrastieren auch hier E und D in der Bewegbarkeit des Dativobjekts. Dies
wiederum als Niederschlag dessen, dass die deutschen Objekte kasusmarkiert sind,
starke Merkmale haben, die englischen dagegen nicht.
Betrachten wir nun den Objektgebrauch unter dem Blickwinkel seiner (G2-Englisch-)
Vermittlung. Relevant ist hier zunächst, dass die häufig gemachte Aussage, grammatische Relationen “are encoded […] by linear order in English” (König / Gast 2007:
112) für die Grammatik der (Doppel-)Objekte nicht ausreicht: In Sätzen, in denen
Bewegung stattgefunden hat ((13) mit (15)) ist die “linear order” des Ausgangssatzes
nicht mehr vorhanden. Noch vorhanden ist allerdings ein (Rest-)Element der linear
order: das Stehen des Dativobjekts in seiner Ausgangsposition, adjazent zum Verb.
Dieser Sachverhalt ist die einzige Konstante in den (Doppel-)Objektstrukturen. Auf
ihn hat die Vermittlung bzw. die Erstellung des Lehrmaterials daher primär Bezug zu
nehmen.
Dies bedeutet zunächst, dass in das Material Sätze des Ausgangstyps (He gave the
dog a bone) aufzunehmen sind, zusätzlich aber Sätze mit bewegtem Objekt. Für die
Sätze mit bewegtem Dativobjekt ist dabei allerdings ein vermittlungstaktischer Sachverhalt zu beachten: In ihnen ist der Kontrast einer der Grammatikalität: Der D-Satz
ist grammatisch, da E-Satz ungrammatisch, zumindest wenig akzeptabel (14b):44
(14bE) ? Sue he gave the key.
43 Die englischen Sätze und ihre Bewertung aus Huddleston / Pullum (2002: 248, 250).
44 Der gegenteilige Fall: Kontrast der Strukturen, nicht der Grammatikalität (Gestern kam Hans / Yesterday John came) Ein vermittlungstaktisches Problem existiert hier nicht.
79
(14bD) Sue gab er den Schlüssel.
Allgemein wird nun davon ausgegangen, dass die „Evidenz“, die dem Lerner verfügbar gemacht wird, „positiv“ sein, nichts Ungrammatisches enthalten soll. Der Negativstatus von (14bE) nun ist Teil der Objektgrammatik und soll deshalb vom Lerner
erworben werden. Induziert werden kann dies nach dem Gesagten nur dadurch,
dass (14bE) durch den nächstliegenden grammatischen Satz ersetzt wird:
(14cE) It was Sue that he gave the key to.45
Analoges gilt für alle Sätze, in denen das Dativobjekt bewegt wird. Aus diesem
Grund müssen Ersatzsätze, soll das Gesamtspektrum der Doppelobjektsätze abgedeckt werden, in das Lehrmaterial aufgenommen werden.
Damit ist angegeben, wie zwei Teilgrammatiken, die der Doppelobjekte und die des
einfachen Aussagesatzes, in der (E- bzw. EF-)Vermittlungsperspektive gesehen werden können. Von der Angabe einer Sicht der Gesamtgrammatiken ist dies ein Stück
weit entfernt, derzeit jedoch nicht anders möglich, da kontrastive Gesamtgrammatiken noch nicht zur Verfügung stehen.46 Den Wert unserer Angaben / Teilgrammatiken schmälert dies nicht: Für sie wurde dargelegt, wie sie fundiert sind. Die Prinzipien dieser Fundierung aber gelten auch für die Gesamtgrammatik.
3.2.
Zur Vermittlung der Inhalte
3.2.1. Zur Vermittlungsstrategie
Die Inhaltsvermittlung muss erfolgen mittels einer begründeten Strategie. Die Strategiebegründung muss sich herleiten aus zwei Haupteigenschaften des zugrunde gelegten Grammatikmodells, aus seiner Kategorialität (Generative Grammatik) und aus
seinem Grundgehalt (Prinzipien und Parameter). Mit den entsprechenden Herleitungen befassen wir uns in den nächsten beiden Abschnitten.
• Der Strategiecharakter: GG-Orientiertheit
Die Herleitung der Vermittlungsstrategie aus der kategorialen Beschaffenheit des
MM begründet sich darin, dass das MM, als GG (Generative Grammatik), auch eine
Spracherwerbstheorie ist: Mit einer Bezugnahme der Vermittlung auf GG-(Erwerbs-)
Vorstellungen wird der Spezifität des Erwerbs am besten Genüge getan.
In dieser Sicht ist allerdings die Gegebenheit eines Sachverhalts vorausgesetzt: die
essentielle Gleichheit des G2- und des G1-Erwerbs, der Sachverhalt, dass “the innate language faculty involved in first language acquisition is also involved in second
language acquisition” (Johnson / Johnson 1998: 129). Ebendiese Voraussetzung jedoch wird hier gemacht, wie oben (2.2) schon gesagt: Auch im G2-Erwerb ist “the innate language faculty”, “Innate Knowledge” wirksam, speziell die UG bzw. die UGPrinzipien und -Parameter. Dass dies der Fall ist, zeigt sich (hauptsächlich) darin,
dass “the knowledge that L2 learners develop goes beyond what they were exposed
45 (14bE) figuriert im Input dann als „indirekte negative Evidenz“: Der Lerner kann es daran als negativ erkennen, dass es nie auftritt.
46 Bisherige (E-D-) (Quasi-)Gesamtgrammatiken: Kufner (1962), Burgschmidt / Götz (1974), Hellinger
(1977), Hawkins (1986), König / Gast (2007). Von diesen erfüllt keine den hier gestellten linguistischen Anspruch, auch nicht König / Gast (2007), der es vom Erscheinungsdatum her möglich gewesen wäre.
80
to in the input” (1998: 129), speziell darin, dass “L2 learners are sensitive to properties of the L2 which are not instantiated in their L1, and which are not obviously given
by the input they receive” (1998: 132): G2- und G1-Erwerb können als essentiell
gleich gesehen werden.47
Die Bezugnahme der G2-Vermittlung auf GG-, speziell auf G1-Erwerbs-Vorstellungen ist damit möglich / opportun. Bezugnahme ist dabei als Angleichung zu sehen:
An Erwerbsvorstellungen sollten in die G2-Vermittlung nur solche aufgenommen
werden, die auch im G1-Erwerb figurieren.
Zentral ist hier natürlich das Fehlen einer, mithin der Verzicht auf eine, Metaebene,
auf eine Ebene, auf der Aussagen über die zu erwerbende Sprache gemacht werden
können (und nicht die zu erwerbende Sprache als solche figuriert).48 Für den G1Erwerb ist das Fehlen einer Metaebene zwangsläufig, daher konstitutiv: “acquisition
results from simple contact with naturally occurring tokens of the target language,
and not through correction, reward or reinforcement” (Johnson / Johnson 1998: 129).
Die “tokens of the target language”, die hier figurieren, liegen auf der Objektebene,
sind Elemente der zu erwerbenden Sprache. Dem Lerner genügen sie als Material
für den Aufbau der Grammatik dieser Sprache. Völlig andere sind die Gegebenheiten
des G2-Erwerbs / der G2-Vermittlung: Hier besteht die Möglichkeit, (1) zusätzlich zur
Objekt- eine Metaebene zu nützen und außerdem (unabhängig davon) (2) die Möglichkeit, den Erwerb zu steuern. Mit (2) befassen wir uns im nächsten Abschnitt; für
(1) gilt das Folgende: Die Nutzung einer Metaebene war in der G(?)2-Vermittlung der
Vergangenheit lange selbstverständlich.49 Als repräsentativ kann hier gelten die
„Grammatik-Übersetzungs-Methode“.50 In ihr wurde die Metaebene genützt als Ebene, auf der „Regeln“ formuliert bzw. präsentiert wurden. Der Übergang auf die Objektebene erfolgte dann dadurch, dass diese Regeln „angewendet“ wurden, durch
den Bau von regelkonformen Sätzen.51
Die Grammatik-Übersetzungs-Methode wurde schon früh kritisiert, 1882 bzw. 1899.52
Kritikgegenstand dabei waren Sachverhalte, die sich aus dem methodischen Ansatz
ergeben: “ignoring the spoken language, […] and […] presenting isolated sentences
rather than connected texts” (1998: 153), aber auch einer der beiden Kernsachverhalte, die Einbeziehung der L1 in den Vermittlungsprozess. An ihr erschien als negativ “the demotivating difficulty of translating from L1 to L2, the reinforcement of reliance on processing via the L1, strengthening of L 1 interference” (Johnson / Johnson
1998: 154). Die Grammatik-Übersetzungs-Methode wurde verworfen. Zu ersetzen
47 Die Unterschiede zwischen G1- und G2-Erwerb sind in dieser Sicht akzidentiell. Insbesondere die
Tatsache, dass G2- anders als G1-Erwerb “is not inevitable […] and rarely fully successful” (Johnson / Johnson 1998: 129) muss nicht als Ausdruck eines essentiellen Unterschieds zwischen den
Erwerben gesehen werden: Sie kann auf (extrem) unterschied-liche Erwerbsumstände zurückgeführt werden.
48 Die Nicht-Verfügbarkeit einer solchen Ebene unterscheidet den (idealen) Spracherwerb von der
Linguistik.
49 Vgl. dazu Kelly (1969), Howatt (1984).
50 Einzelheiten in Johnson / Johnson (1998: 153f.).
51 Es gibt einen zweiten Kernsachverhalt: Die Regeln waren in der L1 formuliert; auch ihre Anwendung geschah nicht ohne L1, nämlich durch die Übersetzung von L1-Sätzen in die L2. Der L1Gebrauch ist hier jedoch irrelevant, da es um die Sprachgebrauchsebene geht: Die Formulierung
einer Regel wäre auch dann ein Metaebenenphänomen, wenn sie in der L2 geschähe (vgl. auch
Fußnote 54).
52 Viëtor (1882), Sweet (1899).
81
war sie, in der Sicht der Kritiker, durch eine „Direkte Methode”, durch “the teaching of
an L2 using that language […] as a means of instruction” (1998: 154).53
Aus heutiger Sicht erscheinen diese Positionen als akzeptabel, allerdings auch als
(zwangsläufig) nicht hinreichend begründet: In der Kritik bestenfalls implizit angesprochen wird, neben der Vermittlungssprache, der zweite Kernsachverhalt, die Nutzung einer Metaebene: Die L1-Verwendung wird abgelehnt nur als Verwendung einer Nicht-L2, nicht weil die L1, als Medium der Regelformulierung, auf einer Metaebene fungiert. Analoges gilt für die Propagierung der Direkten Methode: In ihr begründet sich die L2-Verwendung nur als Verwendung der Sprache, die nur auf der
Objekt-(und nicht auch auf der Meta-)Ebene fungieren kann.54
In unserer Sicht ist daher der Gehalt der genannten Positionen anzureichern: In der
G2-Vermittlung zu vermeiden ist nicht nur die Verwendung der L1, sondern auch die
Nutzung einer Metaebene, speziell die Verwendung von Aussagen über die L2 (in
welcher Sprache auch immer). In der Vermittlungspraxis wird sich eine solche Vermeidung nicht voll realisieren lassen. In dem Maß jedoch, in dem sie realisiert wird,
bleibt die Interface-Problematik gegenstandslos, die Problematik der Überführung
von “conscious” in “unconscious knowledge”, in die Art von knowledge “which people
have but of which they are unable to give any account” (Matthews 2005: 371).55 Die
G2 wird dann auf direktem Weg vermittelt / erworben und nicht (soweit überhaupt)
auf einem Umweg.
Fazit: Zu wählen ist eine Vermittlungsstrategie, die GG-orientiert ist, orientiert am Erwerb der G1, Organisatorin somit eines G1-Erwerbs-nahen G2 Erwerbs. Strategiecharakteristikum ist damit Operieren auf ausschließlich der Objekt-(vs. Meta-)Ebene.
Welchen Mittels sich dieses Operieren bedienen sollte („Strategiegehalt“), wird im
Folgenden dargelegt.
• Der Strategiegehalt: (Parametersetzungs-)Trigger
Für den G1-Erwerb wird angenommen, dass “children have triggering experiences
that stimulate their genetic properties to develop into their phenotypic properties”
(Lightfoot 2006: 45). Der G2-Erwerb wird hier analog gesehen (wobei „analog“ impliziert, dass die triggering experience G2/G1-kontrastiv figuriert). Noch nicht beantwortet ist damit jedoch die Frage, auf welche Sprachkategorie der Erwerb(er) Bezug
nimmt, auf die E-language, “a language […] external to […] the individual speaker”
(Matthews 2005: 110) oder auf die I-language, “the […] language internalized […] by
individual speakers” (2005: 169).56 Als sachgerecht erscheint hier der I-languageBezug, vertreten vor allem von Lightfoot, J.D. Fodor und auch Hyams.57 Wir übernehmen hier diesen Ansatz.
53 Zur Problematik des Begriffs „Direkte Methode“ Johnson / Johnson (1998: 98f.).
54 Dies trifft in der Sache natürlich nicht zu: Der Verfasser erinnert sich an eine Unterrichtsstunde in
den 60er Jahren, in der ein Strukturphänomen des Französischen in Französisch explizit gemacht
wurde.
55 Matthews bezieht sich auf den Chomsky-Terminus “tacit”; dieser ist gleichbedeutend mit “unconscious”. Eine andere terminologische Alternative ist “implicit” (vs. “explicit”).
56 “Internalize” bezeichnet “the process of constructing representations in the mind. Thus, in learning
a native language, a child was seen as ‘internalizing’ its grammar” (Johnson / Johnson 1998: 183).
57 Den E-Ansatz dagegen vertreten vor allem Clark und Gibson / Wexler.
82
Die I-Elemente, auf die im entsprechenden Ansatz Bezug genommen wird, sind
“cues” (Lightfoot) bzw. “treelets” (Fodor): “Cues are intensional elements, grammar
fragments, and elements of I-language, Fodor’s treelets” (Lightfoot 2006: 79).58 Der
Erwerb einer Parametersetzung wird dann dadurch getriggert, dass diese als Moment der Struktur des gegebenen Inputsatzes erkannt wird. As trigger, a treelet
would be detected in the structure of input sentences […]. As parameter value, it
would then be adopted into the learner’s current grammar […]” (Sakas / Fodor 2001:
199).59 Beispiel eines Triggers in diesem Sinn, des Triggers, der die Endstellung des
Komplements erwerben lässt, ist das treelet (14):
(14)
VP
/
V
\
NP
Mit dieser Vorstellung ist allerdings nur die Oberfläche erfasst. Denn: “More appropriate than ((14)) […] is its ultimate source, i.e., whatever is responsible for the presence of ((14)) in derivations, according to the linguistic theory that is assumed to be
correct” (2001: 200). Im gegebenen (MM-)Fall ist diese ultimate source die Struktur
der VP, die sich aus dem Merging von z.B. writes und books ergibt (vgl. oben, (2b)):
(2b)
writes
/
\
writes books
Es bleibt, anzugeben, wie der Lerner ein Trigger-treelet als solches erkennt.60 Dazu
ist zunächst festzustellen, dass es einen einfachen, ausschließlich oberflächenbezogenen Triggering-Mechanismus nicht gibt. Dies aufgrund des “depth-of-derivation”Problems, der Tatsache, dass die Derivation eines Satzes an der Oberfläche nicht
(vollständig) wahrnehmbar ist. Die Konsequenz daraus ist, dass “an input sentence
could reliably flip a correct parameter switch only after it has undergone a significant
amount of linguistic analysis.”61 Diese Analyse wiederum kann nur erfolgen mit Hilfe
eines (angeborenen) “parsing mechanism”, eines Mechanismus, der ermittelt, welche
Struktur / Derivation einer Oberfläche zugrunde liegt. Mittels des Parsing-Mechanismus wird erreicht, dass “any deep trigger properties (a novel input string) contains
will become visible” (Sakas / Fodor 2001: 176). Parsing ist allerdings mit einem Problem konfrontiert, mit “the existence of parametric ambiguity” (2001: 177). Parametrisch ambig ist z.B. die Folge SVO: SV kann lizensiert sein durch den Parameterwert
+V2 (Deutsch) oder -V2 (Englisch), VO durch ein zugrunde liegendes OV (Deutsch)
oder VO (Englisch). Ambiguität gegenüber gibt es zwei Verhaltensweisen: “a bold
learner might try to guess which structure […] is correct, while a cautions learner
would rather avoid setting any parameters at all when there is danger that the input is
ambiguous” (2001: 177). Modellierungen des Spracherwerbs mittels Parsing folgen
ebendieser Unterscheidung: Gibson / Wexler’sche Lerner ignorieren Ambiguität, mit
58 Lightfoot nimmt an, dass cues die Bezugselemente sind: “there is no parameter as such” (2006:
79) bzw. “the notion of a parameter (is) a metatheoretical relationship between cues” (84). In der
Sache scheint diese Annahme von geringer Relevanz.
59 Hier bleibt zumindest offen, ob, wie bei Lightfoot, die Nicht-Existenz von Parametern angenommen
wird.
60 Laut Sakas / Fodor (2001: 173) umfasst Parameter Setting die drei Phasen “trigger recognition, parameter value adoption, any necessary error correction or other relearning”. Wir beschäftigen uns
hier nur mit Phase eins.
61 Die Sakas / Fodor-Sicht divergiert hier von der cue-based Sicht Lightfoots. Vgl. Sakas / Fodor
(2001: 227, Fn. 7).
83
negativen Folgen.62 Für Sakas / Fodor dagegen versucht der Lerner “always to be
aware of ambiguity and to refrain from adopting parameter values unless (he) has
unequivocal evidence for them” (2001: 178).63
Für die Gestaltung des Vermittlungs-Inputs ergibt sich daraus ein erstes Desiderat:
Als Trigger sind vorzugsweise nicht-ambige treelets zu verwenden. Denn: Je geringer die Zahl ambiger treelets, umso geringer die Zahl der vom Lerner benötigten Inputsätze; umso effektiver damit die Nutzung des verfügbaren Erwerbszeitraums, umso höher damit wiederum die Chance, die G2 innerhalb dieses Zeitraums zu erwerben.64 Deutlich wird dies anhand eines Beispiels, durch die Angabe der Zunahme,
bei konstanter Gegebenheit von r = 15 und e = 5, der Zahl der benötigten Inputsätze
in Abhängigkeit von der Zunahme von Trigger-Ambiguität (r : Gesamtzahl der für G
relevanten Parameter; e: Zahl der in einem Inputsatz ausgedrückten Setzungen). Die
Zahlen in diesem Fall sind die folgenden (2001: 211):
r
e
amb. Tr. (%)
ben. Sätze
15
5
20
27
40
115
60
871
80
27885
Tafel IIIa: Zahl benötigter Inputsätze
Tafel IIIa besagt, dass die Zahl der benötigten Inputsätze mit zunehmendem Prozentsatz ambiger Trigger exponentiell zunimmt (und G bei Überschreitung eines bestimmten Prozentsatzes praktisch unerwerbbar wird).
Ein zweites Desiderat für die Inputgestaltung ergibt sich aus der folgenden Überlegung: Mitbestimmend für den Erwerb ist (das schon erwähnte) e, die Zahl der in einem Inputsatz ausgedrückten Parametersetzungen. Nimmt man nun an, dass eine G
15 Setzungen aufweist, wäre diese zu erwerben auf der Basis eines einzigen Satzes,
wenn dieser alle 15 Setzungen aufwiese (e = 15). Ein solcher Satz kommt natürlich
nicht vor. Was vorkommt, sind Sätze, die geringere Zahlen von Setzungen aufweisen, Teilmengen der Gesamtmenge der G-Setzungen. Diese Teilmengen jedoch fügen sich nicht nahtlos aneinander bzw. zur Gesamtmenge zusammen.65 Damit steigt
die Zahl der benötigten Inputsätze mit der Abnahme von e, und dies überproportional
(wenn auch nicht exponentiell). Für r = 15 können hier (Ambiguität ausgeblendet) die
folgenden Zahlen angenommen werden (2001: 209):
62 Nachweis und Begründung in Sakas / Fodor (2001: 181ff.)
63 Dies einer der Hauptgehalte des Erwerbsmodells. Das ganze Modell in Sakas / Fodor (2001:
199ff.).
64 Dabei ist Nicht-Ambiguität umso effektiver / notwendiger, je weniger weit der Erwerbsprozess fortgeschritten ist: “at the early stages of learning […] the threat of parametric ambiguity is probably at
ist greatest” (Sakas / Fodor 2001: 212).
65 Wäre es anders, dann wären bei e = 5 für r = 15 nur drei Inputsätze nötig.
84
r
e
ben. Sätze
15
1
50
5
9
10
4
15
1
Tafel IIIb: Zahl benötigter Inputsätze
Für die Sprachwirklichkeit sind a (ambiguity) und e (expression rate) nicht zu trennen.
Entscheidend sind dann die Wirkungen der Kombinationen verschiedener a- bzw. eHöhen. Sie werden von Sakas / Fodor so gesehen (211ff.):
(1) Wenn a wie auch e hoch sind, sind nicht-ambige Inputsätze sehr selten. Die Zahl
der benötigten Sätze ist dann sehr hoch, die Chance des G-Erwerbs (innerhalb eines
gegebenen Zeitraums) gering.66
Gleichzeitig jedoch gilt (2): a wird überproportional kleiner bei Abnahme von e. Daraus folgt, dass “humble sentences which reveal only a few parameter values are the
most useful for a learner seeking reliable information” (Sakas / Fodor 2001: 212).
Und solche humble sentences sind die in der Sprachwirklichkeit vorherrschenden:
Sakas / Fodor vermuten, dass “the expression rate for natural languages is as low as
half a dozen parameters per sentence” (2001: 212). Die Schnelligkeit des G(1)Erwerbs würde durch einen solchen Sachverhalt (mit-)erklärt.
Die vorstehenden Überlegungen beziehen sich auf den Erwerb der G1. Gültig sind
sie jedoch auch für den der G2, in einer Sicht, die dessen prinzipielle Nähe zum G1Erwerb annimmt. Zu beachten ist nun natürlich zusätzlich die Rolle der L2/G2, speziell deren Relation zur L1/G1. Diese Relation zu beachten ist umso wichtiger als die
Lerner-G1 im Kontext des G2-Erwerbs ein mächtiges Wirkungspotenzial ist.67 Die
Realisierung dieses Potenzials führt, wenn L2/L1-(Oberflächen-)Ambiguität vorliegt,
normalerweise zu falschen (Teil-)G2s. Ambiguität im Input muss daher unbedingt
vermieden werden: Erforderlich sind Inputsätze, in denen die Andersheit der L2 unzweideutig zum Ausdruck kommt, Sätze wie (16) und (17), während sich Sätze wie
(15) verbieten:
(15 E)
John laughed.
(15 F)
Jean riait.
(15 E) ist eine TP, mit dem Verb in V, (15 F) ist ebenfalls eine TP, mit dem Verb aber
in T. An der Oberfläche ist dies nicht wahrzunehmen. Vor allem aber ist kein Unterschied wahrzunehmen zu dem hier als L1-Satz verstandenen (15 D), der eine CP ist,
mit dem Verb in C:
(15 D)
Hans lachte.
Würde nun dem E- bzw. F-Erwerber als erster Satz (15 E) bzw. (15 F) zugänglich
gemacht, so würde diesen Sätzen die Parametersetzung / Struktur des L1-Satzes
66 Zur Verdeutlichung: Für r = 15 (Tafel IIIa) ergibt sich für a = 60 % eine Zunahme benötigter Sätze
von 871 bei e = 5 (Tafel IIIa) auf 931.323 bei e = 15 (211).
67 Zur (Mit-)Wirkung der G1 im G2-(Nicht-)Erwerb vgl. insbesondere Weigl (2006b).
85
zugeschrieben, somit eine falsche (Teil-)G2 erworben werden. Dies wird verhindert,
wenn die präsentierten Trigger-(Teil-)Sätze nicht-ambig sind:
(16 E)
Yesterday John laughed.
(17 E)
John always laughed.
(16 F)
Hier, Jean riait.
(17 F)
Jean riait toujours.
In den Sätzen (16) kommt zum Ausdruck, dass das Subjekt (nicht in SpecC, sondern) in SpecT steht, die Satzkategorie damit TP ist, in den Sätzen (17), dass das
Verb in V bzw. in T steht. Vom Erwerber kann / muss dies erschlossen werden, da
die Sätze sich von ihren L1-Gegenstücken unterscheiden:
(16 D)
Gestern lachte Hans.
(17 D)
Hans lachte immer.68
Relevant ist hier, dass die Vermeidung von Input-Ambiguität umso wichtiger ist, je
mehr der Erwerb sich im Anfangsstadium befindet. Denn: “there is progressive disambiguation of the input as learning proceeds” (Sakas / Fodor 2001: 205). Dies u.a.
deshalb, weil eine G2 mit fortschreitender Etablierung zunehmend autonom, gegen
G1-Transfer zunehmend immun wird.
In der Perspektive des Verlaufs des Erwerbs / der Vermittlung kommt hier allerdings
die Sequenzierung des Einsatzes von Triggern ins Bild. Um diese zweckdienlich vorzunehmen, bedarf es zunächst (1) der Kenntnis der Gesamtzahl der in G2 relevanten
Parameter sowie (2) der Kenntnis der zwischen diesen bestehenden Relationen. (1)
wie (2) jedoch sind derzeit noch nicht ausreichend vorhanden (Sakas / Fodor 2001,
Longobardi 2003). Unterschieden werden kann jedoch zwischen Parametern, deren
Setzung die Struktur ganzer Sätze betrifft (vgl. (15) mit (17)) und solchen, deren Setzung nur die Struktur von Phrasen betrifft (Longobardi 2003). In der Sprachwirklichkeit sind Letztere sekundär. In der G2-Vermittlung berücksichtigt werden sollten damit Satzparameter und deren Sequenzierung, nach dem Stand der derzeitigen und,
in Zukunft, der hinzugewonnenen Erkenntnisse.
Festzustellen ist auf jeden Fall, dass die (Möglichkeiten der) Vermeidung von InputAmbiguität DAS Spezifikum von G2-Vermittlung ist. Wird Ambiguität vermieden, wird
dadurch das sachbedingte Handicap des G2-Erwerbers gegenüber dem G1-Erwerber wenigstens verringert.
3.2.2. Zur Handhabung der Vermittlungsstrategie
• Trigger-Einsatz qualitativ
Wie nun werden die als Inputelemente ausgewählten Trigger so präsentiert, dass sie
maximal wirksam werden können? Geschehen kann dies durch die Befolgung zweier
(komplementärer) Prinzipien, durch (1) die Fokussierung von Form und (2) die Initiierung von Lerner-Aufmerksamkeit. Im Einzelnen:
(1) Fokussierung von Form (“Focus on Form, FonF”).69 FonF nimmt unter den möglichen Fokussierungen eine Mittelstellung ein: Es schließt die Fokussierung von Form-
68 Ein Unterschied besteht nicht zwischen (17 D) und (17 F). Die (17 F)-Struktur muss erschlossen
werden durch Generalisierung aus (16 F).
86
elementen nicht aus (anders als Fokussierung auf Bedeutung), noch beschränkt es
sich auf sie (anders als “Focus on Forms, FonFs”): Merkmal von FonF ist die Koppelung der Fokusgegenstände Bedeutung und Form. In ihr ist Bedeutung prioritär, was
jedoch die Fokussierung von Form nicht nur nicht verhindert, sondern erst ermöglicht: “the learner’s attention is drawn precisely to a linguistic feature as necessitated
by a communicative demand” (Doughty / Williams 1998: 3) bzw., weitergehend, “meaning must already be evident to the learner at the time that attention is drawn to the
linguistic apparatus needed to get the meaning across” (1998: 4). Wir verdeutlichen
diese Sicht durch ein Beispiel, durch die Präsentation des Triggers für die englische
Parametersetzung „Verb in V“, die Präsentation der Oberflächenabfolge „AdverbVerb“. Dafür wählen wir den folgenden Text:70
“American Divergences from British English. In England ‘corn’ is used for any kind of
grain, but in America, it always means ‘maize’. The first colonists simply named this chief
food of the Indians “Indian corn”. For some time they still distinguished between ‘English
corn’ and ‘Indian corn’, but finally such a distinction was no longer considered necessary.
Where the English speak of the ‘frontier’ between two countries, the American invariably
uses ‘boundary’.
When the term ‘Bill of Rights’ in used in the US, it rarely has anything to do with the English statute of 1689. In the US this name usually refers to the first ten amendments to the
Constitution.”
Für die FonF-Sicht relevant ist hier Folgendes: Bei Kenntnis aller Lexeme (hier vorausgesetzt) ist es sicher der Fall, dass die Bedeutungen der Sätze dem Lerner klar
sind (“it always means” kann kaum etwas anderes bedeuten als “it means always”).
Damit besteht die Voraussetzung für “(drawing the learner’s) attention to the linguistic
apparatus“ (wobei die Zielsetzung natürlich nicht der Erwerb der Oberfläche, sondern
der Struktur ist). Ein communicative demand für diese attention besteht hier allerdings nicht: Der Lerner hat den Text ja verstanden: Ein demand, damit der Zwang,
die Setzung zu erwerben, besteht aber natürlich für die Produktion von Sätzen mit
Adverb. Dem Lerner kann dies dadurch vermittelt werden, dass man ihn baldmöglichst zur Produktion veranlasst. Es kann ihm aber auch schon in der Erschließungsphase vermittelt werden dadurch, dass man seine Aufmerksamkeit auf die relevante
Setzung lenkt.
(2) Aufmerksamkeitslenkung. Unkontrovers ist hier, dass “instructional strategies
which draw the attention of the learner to specifically structural regularities of the language […] will […] significantly increase the rate of acquisition” (Rutherford / Sharwood Smith 1985: 285).71 Aufmerksamkeitslenkung ist also, neben der adäquaten
Erstellung des Input, die zweite Bedingung erfolgreicher G2-Vermittlung. Kontrovers
ist allerdings, in welcher Form Lenkung geschehen soll, ob explizit und/oder implizit.
Unsere Sicht ergibt sich hier aus unserer Grundannahme, dass eine sprachliche Metaebene nicht zur Verfügung steht. Die Aufmerksamkeitslenkung muss somit erfolgen
69 Zur Effektivität von FonF vgl. Norris / Ortega (2000: 267f.). Zu FonF allgemein Long (1991), Williams (1995), Spada (1997), Doughty / Williams (1998), Long / Robinson (1998), Long (2000),
Doughty (2003).
70 Adaptiert aus Beilhardt (1959: 104f.).
71 Zur Aufmerksamkeitslenkung außerdem Rutherford (1987), Schmidt (1990), Fotos / Ellis (1991),
Long (1991), Fotos (1993), Schmidt (1993), Sharwood Smith (1993), Fotos (1994), Leeman u.a.
(1995).
87
“without providing any glossing comment” (Johnson / Johnson 1998: 84).72 Wie aber
ist dies möglich?
Eine erste Möglichkeit ist oben, in “American Divergences …”, schon sichtbar geworden: In einen Text wird die Ziel-Parametersetzung in deutlich überdurchschnittlicher
Häufigkeit eingebaut (“input flood”)73 Der Lerner sollte dieser Häufigkeit entnehmen,
dass mittels Quantität auf Qualität verwiesen wird, auf ein G2-Spezifikum.74
Eine zweite Möglichkeit der Aufmerksamkeitslenkung ist der Einsatz von “task essentialness” (Loschky / Bley-Vroman 1993). Diese ist gegeben, wenn “(a) task cannot be
successfully performed unless the structure is used” (1993: 132). Ein trivialer, doch
gewichtiger Fall von task essentialness ist die Bildung einer Frage mittels eines Satzes mit Fragesatzstruktur. Differiert hier die G2- von der G1-Parametersetzung, so ist
die Differenz meistens größer, damit leichter wahrnehmbar, als die zwischen beispielsweise Verbpositionen: Die G2-Spezifik von Jean achète-t-il un vélo ? (vs. Kauft
Hans ein Rad?) sollte leichter wahrnehmbar (die Struktur damit leichter erwerbbar)
sein als die von it rarely has anything to do with (vs. es hat selten etwas zu tun mit).75
Task essentialness und Vorkommenshäufigkeit einer Struktur / Parametersetzung
lassen sich kombinieren, und sollten kombiniert werden. Notwendig dafür ist die
Wahl des jeweils geeignetsten Texttyps, für Fragesätze z.B. des Typs „Interview“. In
einem solchen ist die Häufigkeit von Fragen natürlicherweise groß. Für andere Strukturen ist der Texttyp „Interview“ weniger geeignet. Was von der Vermittlungsforschung zu erstellen wäre, ist ein Inventar der jeweils optimalen Struktur / TriggerTexttyp-Kombinationen. Das Potenzial an Lenkungsmöglichkeiten könnte dadurch
ausgeschöpft werden.
• Trigger-Einsatz quantitativ
Anzuknüpfen ist hier an die (oben in 3.2.1 referierte) Sakas / Fodor-Sicht quantitativer Sachverhalte (Tafeln IIIa, IIIb). Sie gelten für den G1-Erwerb, können aber, in unserer Sicht, bei entsprechender Modifizierung auch für den G2-Erwerb in Anspruch
genommen werden.
Zentral für den G(1)-Erwerb ist die Zahl der Sätze, die für das Triggern der Parametersetzungen nötig sind. Diese Zahl hängt ab von r, der Gesamtzahl der für G relevanten Parametersetzungen, von e, der Zahl, der in einem Inputsatz jeweils ausgedrückten Setzungen, und von a, dem Anteil der Inputsätze, die ambig sind. Wir illustrieren dies und machen dazu die folgende Annahme: r = 2576, e = 5, a = 20 (%). Es
ergibt sich dann Folgendes: Für die Trigger-Erkenntnis / Setzungs-Adaption von 5
Setzungen sind 55 Fälle von Input erforderlich, das 55malige Auftreten eines ein72 (Sprachlich) explizite Lenkung ist zwar leichter zu organisieren, tendiert aber dazu, die Vermittlung
von L2-Kompetenz (vs. Kenntnis der L2) zumindest zu behindern.
73 In “American Divergences …” sechs Setzungen in zehn Sätzen.
74 Die Wirksamkeit der Häufigkeit kann wohl gesteigert werden durch sichtbare Hervorhebung der
Ziel-Parametersetzungen (Doughty / Williams 1998: 236f.).
75 Das Französisch-Spezifikum hier ist die Setzung „negativ“ des V2-Parameters. Genaueres dazu in
Weigl (2006).
76 Über r gehen die Vorstellungen derzeit weit auseinander: Longobardi (2003: 282f.) sieht allein für
die DP die Zahl von 25 bis 30 Parametern, Cinque (1999: 106) allein für IP die Zahl 32; Sakas /
Fodor (2001: 187) dagegen sehen als Gesamtzahl möglicher Parameter 30 (was eine Beschränkung auf zentrale Parameter implizieren dürfte). Wir folgen hier Sakas / Fodor.
88
schlägigen Inputsatzes (Sakas / Fodor 2001: 211). Nimmt man nun an, idealisierend,
dass sich die Gesamtmenge der Ziel-Setzungen (25) glatt aufteilen lässt in Teilmengen (5), so ergibt sich für die Gesamt-G der Bedarf von (5 x 55 =) 275 Inputsätzen.
Verzichtet man auf die Idealisierung, liegt diese Zahl um einiges höher (350?).
Die G1-Annahmen gelten in unserer Sicht auch für G2. Für deren Erwerb / Vermittlung müssen sie allerdings modifiziert werden, gemäß den Bestimmtheiten dieses Erwerbs. Deren wichtigste ist natürlich die vorgängige Existenz der Lerner-G1. Die G1
war dadurch erworben worden, dass der Lerner die jeweilige Ziel-Parametersetzung
aus dem entsprechenden UG-Angebot ausgewählt (und adoptiert) hatte. Dabei war
er zwangsläufig innerhalb des UG/G1-Systems geblieben: War die Setzungs-Entscheidung nicht ohne Vorurteil geschehen, so konnte dieses nur aus der Kenntnis
der schon etablierten G1 resultieren (und somit positive Wirkung haben). Grundsätzlich anders die Situation / Aufgabe des G2-Erwerbes: Dieser bewegt sich in einem
UG/G1/G2-System. Damit unterliegt er bei seiner G2-Setzungs-Entscheidung vor allem (auch) der Beeinflussung durch die G1: Eine ins Auge gefasste G2-Setzung
wird, bevor sie vorgenommen wird, gegen die entsprechende G1-Setzung „gecheckt“. Wird dabei G2/G1-Identität festgestellt (und die G2 = G1-Setzung damit gutgeheißen), erfordert schon dies Zeit (und Energie). Wird jedoch Differenz festgestellt,
erfordert dies die Adoption einer „neuen“ Setzung. Diese jedoch kann nur in einem
längeren Prozess geschehen, einem Prozess des Übergangs von der G1 zur G2.
Während seiner ist die Sprache des Lerners ein Aggregat aus G1 und G2 (obwohl
diese sich widersprechen). Die G1- und die G2-Anteile sind jeweils stadiumsspezifisch. Die G2 ist dann erreicht, wenn der G2-Anteil 100 %, der G1-Anteil 0 % erreicht
hat.77
Das Auftreten eines entsprechenden Sachverhalts wurde empirisch nachgewiesen
(Weigl 2006a, 2006b). Er erfolgte beim Erwerb einer G3 (des Französischen). G3Erwerb ist hinsichtlich Parametersetzung als komplexer, damit zeitaufwendiger, zu
sehen als G2-Erwerb. Andererseits war der Anteil der G1-G2-Sprache an der Gesamtmenge der Lernersprachen auf nur 9, 29, 5, 9 % gesunken, nach nicht weniger
als drei Jahren Unterricht.78 Dies konstituiert eine höchstens annähernde Erreichung
des Lernziels. Ursächlich für diese kann sein mangelnde Qualität des Inputs und/
oder mangelnde Inputquantität, eine zu geringe Zahl von Inputsätzen, die dem Lerner präsentiert worden waren.79 Bei Ursächlichkeit des Letzteren gibt es zwei mögliche Konsequenzen: (1) Die Inputquantität wird erhöht, oder (2), insoweit (1) nicht
möglich ist bzw. zugestanden wird: Die teilweise Nicht-Erreichung von Syntaxkompetenz wird in Kauf genommen. Begründetes Entscheiden in dieser Sache setzt allerdings die Verfügbarkeit relevanter Erkenntnisse voraus.
3.3.
Zur Validität des Vermittlungskonzepts
In der derzeitigen Forschungslandschaft hat unser Vermittlungskonzept, „Minimalismus“, den Status einer Hypothese. Als solche ist es (1) zwar sachlich begründet, bedarf aber (2), wie eine jede Hypothese, der empirischen Überprüfung bzw. Bestätigung.
77 Dieser Prozess ist die idealtypische Form des Erwerbs bei G2/G1-Differenz. Neben ihm gibt es
auch andere Formen. Ausführlich dazu Weigl (2007: 93f.).
78 Vgl. Weigl (2006a: 74, 2006b: 57f.).
79 Als möglich erscheint hier, dass diese Zahl sogar unter der für den G1-Erwerb anzusetzenden (275
bzw. 350) gelegen hat.
89
(1) Die Begründung des Konzepts ist, dass es „generativ“ ist, basierend auf jenem
Theorieansatz, der den Syntaxerwerb (zunächst den der G1) als spezifischen Erwerb
überhaupt erst thematisiert (und erklärt).80 Darüber hinaus ist das Konzept „minimalistisch“, basierend auf dem derzeit aktuellen Grammatikmodell. Dies nicht deshalb,
weil Aktualität als Wert für sich gesehen würde, sondern weil das Minimalist Model
qua Grammatikmodell als derzeit optimale Bezugsgrundlage erscheint: In ihm sind
„parameter values […] structural elements […] that are present in sentence derivations“ (Sakas / Fodor 2001: 217), vom Lerner damit mit einiger Anstrengung wahrnehmbar bzw. adoptierbar.
Ein minimalistisches Konzept wird in der vorliegenden Arbeit nur in Grundzügen dargelegt. Seiner vollständigen Ausarbeitung stehen derzeit noch Erkenntnisdefizite (Parameter) entgegen. Soweit sie aber möglich ist, muss sie zunächst die jeweils relevanten Parametersetzungen inventarisieren (unter Berücksichtigung einer eventuellen Konfiguration). Für die Erstellung von Lehrmaterial sind diese Setzungen dann in
der Focus on Form-Perspektive zu thematisieren.
(2) Die Überprüfung des Konzepts würde dann dadurch erfolgen, dass minimalistische (gymnasiale) L2-Kurse durchgeführt würden. Die Ergebnisse solcher Kurse wären zu vergleichen mit denen konventioneller Kurse.81 Das Vergleichsergebnis würde
dann figurieren als (Nicht-)Bestätigung des Minimalismuskonzepts. Eine Konzeptüberprüfung dieser Art erfordert allerdings einen Rahmen, der in der derzeitigen Forschungslandschaft nicht zur Verfügung steht, und mangels Einsicht / Interesses der
zuständigen Instanzen(-Vertreter) wohl auch nicht so schnell verfügbar gemacht werden wird.
Literaturverzeichnis
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80 Dies der Unterschied zur „Grundlegung“ der derzeit praktizierten Vermittlung. Deren Grundlegung
(soweit sie überhaupt explizit gemacht worden ist) ist vorgenerativ. Damit kann sie nicht als adäquat (falls überhaupt als wissenschaftlich) gesehen werden.
81 Vgl. dazu Weigl (2007: 108, 2008: 60).
90
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95
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 (2010), 97-151
Erwerb fester Wendungen im L2-Unterricht
Agnieszka Caban
Das Erkenntnisinteresse dieser Studie besteht darin, einen Einblick in die Verarbeitungsprozesse beim Erwerb fester Wendungen im L2-Unterricht zu gewinnen. Hier stellen sich die
Fragen, wie feste Wendungen in der Zweitsprache Deutsch erworben und verarbeitet werden, welche Schwierigkeiten Deutschlernende beim Erlernen formelhafter Wortverbindungen
haben und welche Strategien sie anwenden können, um auf eventuelle kommunikative Probleme zu reagieren und unerwünschte Folgen zu vermeiden.
Inhalt:
0.
1.
1.1.
1.2.
1.3.
2.
2.1.
2.2.
3.
4.
4.1.
4.1.1.
4.1.2.
4.1.3.
4.2.
4.3.
5.
0.
Einleitung
Feste Wendungen in der linguistischen Forschung
Pragmatische Festigkeit fester Wendungen
Kontaktformeln
Gesprächsspezifische Formeln
Funktion fester Wendungen beim Grammatikerwerb
Zu grammatischen Konstruktionen fester Wendungen
Feste Wendungen als Brücke zwischen dem Grammatik- und Lexikerwerb
Vermittlung fester Wendungen im handlungsorientierten L2-Unterricht
Datengrundlage
Klassifizierung und Analyse fester Wendungen nach ihrem Gebrauch
Vollständige Wendungen
Variationen
Nicht übernommene Wendungen
Syntaktische Klassifizierung fester Wendungen
Transkriptionszeichen
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang
Einleitung
Die Studie erfolgt in folgenden Hauptschritten. In einem ersten Arbeitsschritt geht es
darum, einen Überblick über die Forschungslage zur Rolle formelhafter Wendungen
für die Kommunikation und den Zweitspracherwerb zu geben. Dabei wird zunächst
anhand von Vorarbeiten eine Definition des Terminus ,feste Wendung‘ entwickelt, um
dann die pragmatische Charakteristik formelhafter Wortverbindungen unter besonderer Berücksichtigung kommunikativer Formeln zu skizzieren; letztere sind für die
Kommunikation und daher auch für den L2-Unterricht von besonderem Interesse.
Der zweite Abschnitt diskutiert das Verhältnis von Lexikon und Grammatik beim Erwerb bewährter Formulierungsmuster und versucht die Frage zu beantworten, welche Funktion feste Wendungen beim Grammatik- und Lexikerwerb erfüllen? Hierzu
gilt es zuerst zu verdeutlichen, dass die Verwendung von holistisch abgespeicherten
Ausdrücken eine wichtige Voraussetzung für die sukzessive Dekodierung von
sprachlichem Material bildet. Trotz der weitgehend anerkannten Relevanz formelhaf97
ter Ausdrücke für den Zweitspracherwerb ist festzuhalten, dass sich die empirische
Sprachlehrforschung bisher nur marginal mit dieser Thematik beschäftigt hat.
Um einen Bogen vom Schulunterricht zur Realität zu schlagen, wird allgemein empfohlen, dass das Lehrmaterial möglichst authentisch sein soll und die Interessen der
Lernenden berücksichtigt. Von daher sei anschließend die Relevanz formelhafter
Ausdrücke am Beispiel von Fotoromanen aufgezeigt. Da Fotoromane aus Jugendzeitschriften aktuelle Themen und allgemeine Interessen junger Lerner aufgreifen
und die Dialoge eine ganze Palette fester Wendungen enthalten, wird für die Studie
ein Fotoroman aus der Jugendzeitschrift BRAVO ausgewählt.1
In einem letzten Arbeitsschritt wird das Erkenntnisinteresse dieses Beitrags skizziert.
Mit einer empirischen Analyse sind die Aspekte zu erfassen, die das Verstehen und
den Erwerb fester Wortverbindungen im Zweitsprachunterricht beeinflussen. Ziel der
Untersuchung ist, die mentalen Prozesse zu klären, die den Erwerb usueller Muster
in der Zweitsprache Deutsch bestimmen.
1.
Feste Wendungen in der linguistischen Forschung
Im Sprachgebrauch kommen selten isolierte Wörter vor. Neben den einzelnen Wörtern verfügt jede Sprache über verschiedene, nach bestimmten syntaktisch-semantischen Strukturen miteinander fest verknüpfte Ausdruckseinheiten, die im linguistischen Diskurs verschieden benannt werden, u.a. als feste Wendungen, Phraseologismen, Chunks, Idiome, Routineformeln, Redewendungen, Redensarten, phraseologische Ausdrücke, phraseologische Einheiten, sprachliche Fertigteile, feste Phrasen, idiomatische Wortverbindungen, verbale Stereotype, idiomatische Prägungen.
Sie können Funktion und Bedeutung einzelner Lexeme übernehmen und sind damit
ein Mittel zur Erweiterung des Wortschatzes, zur Benennung und Verarbeitung der
Welt in der menschlichen Sprachtätigkeit (vgl. Palm 1995: 1).
„Der Gesamtbestand der Phraseologismen, das Phrasikon, ist – ähnlich wie das Lexikon
einer Sprache – ein offenes Teilsystem des linguistischen Gesamtsystems. Es reagiert
unmittelbar auf gesellschaftliche Veränderungen und reflektiert das Verhalten der Sprachgemeinschaft wie auch der Kommunikationsgemeinschaften. Phraseologismen können in
begrenztem Maße ihre Gestalt verändern, veralten und aus dem Sprachgebrauch verschwinden, durch Neubildungen bereichert werden und regionale Varianten herausbilden.“ (Gläser 1992: 89)
Die Entwicklung der Phraseologieforschung als eigenständige linguistische Disziplin
ist in der jüngsten Vergangenheit umfassend dargestellt worden; auch bezüglich des
Sprachvergleichs liegen zahlreiche Arbeiten vor.2 Die Untersuchungen belegen, dass
feste Wendungen in standardisierten Alltagssituationen eine wesentliche Rolle spielen; ihr Gebrauch gewährt dem Mitglied einer Sprachgemeinschaft ein hohes Maß an
Verhaltenssicherheit, sie sorgen für die Flüssigkeit der Rede, motivieren zum Sprechen und erleichtern dadurch die Kommunikation. Überdies implizieren sie kulturspezifische Konventionen und Verhaltensweisen (Lüger 1993).
1 Nr. 13 vom 22.3.2006, S. 54-59, s. Anhang, S. 141ff.
2 Vgl. Wong-Fillmore (1979), Coulmas (1981), Fleischer (1997), Burger / Buhofer / Sialm (1982),
Burger (2007), Stein (1995), Feilke (1998), Gülich / Krafft (1998), Diehl / Christen / Lauenberger /
Pelvat / Studer (2000), Aguado (2002).
98
Es gibt eine Vielzahl von Einzelstudien, die sich mit der Rolle der Phraseologismen in
Texten (Printmedien, Comics, politischen Reden, Werbe- und Fachtexten, populären
Kleintexten) und im Diskurs beschäftigen.3 Ebenso ist das Interesse an der Phraseologie im Mutter-, im Zweit- und Fremdsprachenunterricht in den letzten Jahren
sprunghaft gewachsen;4 hier geht es vor allem um die Vermittlung und den Erwerb
fester Wendungen.
Neuere Forschungsentwicklungen haben dazu geführt, dass Fragen der Klassifikation und der Terminologie, die in den Anfängen der Phraseologieforschung dominierten, in den Hintergrund gerückt sind. Empirische Untersuchungen aus jüngster Zeit
eröffnen neue methodische Zugänge zur Auffindung und Abgrenzung phraseologischer Ausdrücke (vgl. z.B. Stein 1995, Feilke 1998, Gülich / Krafft 1998).
Der phraseologische Bestand einer Sprache ist sehr heterogen. Insofern überrascht
nicht, wenn hier mehrere auf unterschiedlichen Kriterien basierende Systematisierungsversuche miteinander konkurrieren. Feste Wendungen können u.a. unter morphosyntaktischen, semantischen oder pragmatischen Aspekten klassifiziert werden.5
Der vorliegende Beitrag stützt sich im Wesentlichen auf die pragmatische Klassifikation von Coulmas (1981) und Stein (1995), wobei kommunikative Formeln im Vordergrund stehen.
K o m m u n i k a t i v e F o r m e l n werden in der Literatur auch pragmatische Idiome
(Burger 1973), pragmatische Phraseologismen (Burger / Buhofer / Sialm 1982), Routineformeln (Coulmas 1981), kommunikative Phraseologismen (Burger 1998), gesprächsspezifische Formeln (Stein 1995) genannt.
Coulmas nennt feste Wortverbindungen „verbale Stereotype“ und versteht darunter
„alle festen Lexemverbindungen, die konventionellerweise dazu verwendet werden,
bestimmte Dinge zu sagen und von den Sprechern unabhängig von den grammatischen Regeln der Sprache erlernt werden“ (1981: 3). Er teilt die verbalen Stereotype
in Redewendungen, Sprichwörter, Gemeinplätze und Routineformeln ein und charakterisiert die vier Hauptgruppen mit besonderer Pointierung der Routineformeln und
ihrer Rolle im Diskurs. Coulmas (1985) hat darüber hinaus auf die Bedeutung von
Routineformeln in der Fremdsprache hingewiesen. Er gibt einen ersten Überblick anhand deutscher und japanischer Routineformeln und untersucht die Verbalisierung
von Handlungen wie Grüßen und Vorstellen, Danken und Entschuldigen sowie von
Glückwünschen, Gesprächseröffnungen oder Ess- und Trinkfloskeln.
Die Einbeziehung von Routineformeln / pragmatischen Idiomen in die Phraseologie
wird erstmals von Burger (1973) angeregt. Im Handbuch der Phraseologie von Burger / Buhofer / Sialm (1982) werden sie sodann als ,pragmatische Phraseologismen‘
ausführlicher behandelt. Eine systematische Analyse findet sich jedoch vor allem bei
Coulmas (1981) und, speziell für den mündlichen Sprachgebrauch, bei Stein (1995).
Routineformeln gelten, wie etwa Sprichwörter, als Muster für die Ausführung von
Handlungen, die sich in der alltäglichen Kommunikation einer jeden Sprachgemeinschaft des öfteren wiederholen (Coulmas 1981: 13).
3 Stein (1995, 2007), Elspaß (1998), Rothkegel (1999), Baur / Chlosta / Piirainen (1999), Köster
(2001), Hartmann / Wirrer (2002) u.a.
4 Baur / Ostermann (1999), Häcki-Buhofer (1997, 2007), Hallsteinsdóttir (2001a), ZenderowskaKorpus (2004), Jesensek (2006a, b), Danielsson (2007), Handwerker / Madlener (2009) u.a.
5 Einen kurzen Überblick über Typologisierungsvorschläge gibt Korhonen (2002).
99
Die Einbeziehung kommunikativer Formeln bedeutet ein Überschreiten der Grenzen
der ursprünglichen Idiomatik. Mit dieser Ausweitung des Gegenstandsbereichs geht
die Hereinnahme pragmatischer Kriterien einher; wichtigstes Merkmal ist dabei die
kommunikative Funktion. Kommunikative Wendungen unterscheiden sich besonders
dadurch, dass sie in bestimmten Situationen als Signale fungieren. Aufgrund wiederholter Verwendung lassen sie sich in konkreten Gesprächssituationen oder bei speziellen Anlässen fast automatisch einsetzen, manchmal leicht oder gar nicht verändert, und helfen dem Sprecher, bestimmte kommunikative Aufgaben zu bewältigen.
1.1.
Pragmatische Festigkeit fester Wendungen
In der linguistischen Forschung werden nicht nur mehrgliedrige sprachliche Einheiten
mit übertragener Bedeutung als phraseologisch angesehen (z.B. an jemandem einen
Narren gefressen haben, ohne Wenn und Aber), „sondern auch solche Wortverbindungen, die sich allein durch ihre feste und meist nur in sehr beschränktem Maße
veränderliche Form auszeichnen“ (Stein 1995: 22), z.B. schönes Wochenende, Ebbe
und Flut, das Bett machen, in Anspruch nehmen, sicher ist sicher, verstehst du, Lass
doch mal etwas von dir hören! Stein (1995) und Feilke (1998) sprechen hier von formelhafter Sprache in einem sehr weiten Sinne. Für Stein (1995: 57) sind feste Wendungen Wortverbindungen, die sich durch Rekurrenz verfestigen. Aufgrund der Festigkeit im Gebrauch werden sie lexikalisiert. Sie sind Bestandteile des Wortschatzes
und werden von den Sprechern als fertige komplexe Einheiten reproduziert. Feilke
(1998: 73) betont, die idiomatische Prägung reiche weit über den Bereich des Phraseologischen im engeren Sinne hinaus. Er ist der Ansicht, dass Idiomatik und Phraseologie im herkömmlichen Sinne nur einen Teilaspekt idiomatischer Prägung umfassen, weil sie implizit am Modell des Wortes orientiert seien. Das würde bedeuten,
dass die von Fleischer (1997) genannte Funktion sekundärer Nomination und das
Polylexikalitäts-Kriterium für die idiomatische Prägung nicht relevant sind. Genauso
halten Gülich / Krafft (1998) eine Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Phraseologie für notwendig: Neben idiomatischen Wendungen gebe es eine Vielzahl anderer Ausdrücke, zu denen nicht nur kommunikative Formeln und Kollokationen gehörten, sondern auch alle Arten von Ritualen: Geburts-, Todes-, Heiratsanzeigen,
Glückwunschrituale, Danksagungen, etc. Als Schlussfolgerung meinen Gülich /
Krafft, dass sich der Bereich des Vorgeformten nicht nur auf Phraseologismen im engeren Sinne begrenzen lasse, sondern eine Fülle ganz verschieden gearteter Ausdrücke und Strukturen in den verschiedensten Zusammenhängen umfasse. Die gleiche Ansicht vertritt Günthner (2006); auch sie verweist darauf, dass Vorgeformtheiten nicht nur phraseologische Ausdrücke im engeren Sinne, sondern auch erhebliche
Teile der Grammatik und ganze Diskursmuster betreffen. Diese gelten als zentraler
und nicht als randständiger Bereich menschlicher Sprache und Kommunikation.
In diesem Zusammenhang kommt dem Begriff des Phraseologismus eine weite Bedeutung zu. Im engeren Sinne wird ,phraseologisch‘ mit ,idiomatisch‘ gleichgesetzt,
im weiteren Sinne bedeutet ,phraseologisch‘ – ,fest‘.
Da in dieser Studie Wendungen im weiteren Sinne im Fokus des Interesses stehen,
wird von der Festigkeit im Gebrauch ausgegangen. Als Oberbegriff aller verschiedenen Arten der hier beschriebenen sprachlichen Erscheinungen wird der Terminus
, f e s t e W e n d u n g ‘ verwendet. Im vorliegenden Beitrag geht es vor allem um die
Funktion fester Wendungen in der Kommunikation und im Sprachunterricht. Dabei
kommt eine größere Vielfalt vorgeformter Ausdrücke zur Sprache. Eine Sonderrolle
100
nehmen hier aus pragmatischer Sicht Kontaktformeln und gesprächsspezifische
Formeln ein, da sie für den L2-Lerner von großer Bedeutung sind.
1.2.
Kontaktformeln
Kommunikative Formeln lassen sich in zwei Klassen einteilen: Kontaktformeln (Höflichkeitsformeln) und gesprächsspezifische Formeln. Erstere werden insbesondere in
Eröffnungs- und Abschlussphasen von Gesprächen verwendet.
Wenn Menschen miteinander kommunizieren, tauschen sie nicht nur Informationen
aus, sondern geben immer auch Hinweise darauf, welche Wertschätzung sie dem
anderen entgegenbringen. Die Art und Weise, wie Gesprächspartner sich wechselseitig ihren Respekt ausdrücken, kann mehr oder weniger höflich sein. Grüße, Entschuldigungen, Bestellungen, Gratulationen, Glückwünsche, Tischsprüche sind
Handlungen, für deren Durchführung normalerweise Höflichkeitsformeln verwendet
werden. Zu den Höflichkeitsformeln gehören:
- Grußformeln: Guten Tag!, Hallo!, Hi, da bin ich!, Herzlich willkommen!
- Tischformeln: Was wünschen Sie, bitte?, Guten Appetit!
- Abschiedsformeln: Auf Wiedersehen!, Tschüss!, Bis bald!
Formeln des Bittens, Dankens, der Entschuldigung, des Wünschens und des Gratulierens können Kontakte zwischen den Gesprächspartnern stabilisieren, vgl. Ich hätte
gern ..., Vielen Dank!, Entschuldigung!, Herzlichen Glückwunsch!, Hals- und Beinbruch!
Eröffnungen und Beendigungen von Gesprächen erfüllen die Funktion „ritueller
Klammern der Kommunikation“ (Lüger 1993: 15). Gesprächspartner kennen üblicherweise Etappen eines typischen Gesprächsverlaufs und verwenden fast automatisch
bestimmte fertige Redemuster. Solche Formeln sind in dem Sinne fest, „dass sie in
den betreffenden Situationstypen an bestimmten, funktional definierten Stellen auftreten“ (Burger 1998: 29). Eine richtig gewählte Formel ist Routinesache, für die Kontrolle sozialer Beziehungen kann sie sehr wichtig sein. Die Verwendung entsprechender Kontaktformeln zeugt von der Kenntnis gegebener soziokultureller Normen.
Die verbalen Formeln können durch nonverbale Signale wie Lächeln, Hutabnehmen,
Kopfnicken, Händeschütteln, Handzeichen, Winken, unterstützt werden.
1.3.
Gesprächsspezifische Formeln
Eine weitere Gruppe von kommunikativen Wendungen bilden gesprächsspezifische
Formeln. Sie sind charakteristisch für gesprochene Sprache und ihre Funktion liegt
im Bereich der Gesprächssteuerung (Burger u.a. 1982: 123ff.).
„Gesprächsspezifische Formeln sind mehrgliedrige (komplexe) und formal (relativ) feste
Einheiten unterschiedlicher Bauart und Größe, die typisch sind für dialogische Texte, in
die sie als fertige und reproduzierte Einheiten einfließen, um eine oder mehrere kommunikative Funktionen zu übernehmen.“ (Stein 1995: 130)
Von der Form her können Gesprächsformeln sehr unterschiedlich sein (vgl. Stein
1995: 137ff.): z.B. Partikelkombinationen: nicht wahr?, nominale Ausdrücke: meiner
Meinung nach, Verbformen: ich finde, Imperativ-Formen: pass mal auf, einfache Frage-Formen: hörst du?, Konjunktionalsätze: wenn ich das sagen darf, Fragesätze:
darf ich dazu was sagen?, (vollständige) Aussagesätze, von denen andere Äußerungsteile syntaktisch abhängen: ich kann nur sagen, dass (…). Die Festigkeit dieser
101
Ausdrücke resultiert daraus, dass sie dem Sprecher als abrufbare Einheiten zur Bewältigung wiederkehrender kommunikativer Aufgaben zur Verfügung stehen. Aufgrund ihrer großen Rekurrenz spielt die wörtliche Bedeutung bei vielen Routineformeln nur noch eine geringe Rolle, oft ist sie gänzlich suspendiert (vgl. Coulmas 1981:
77); z.B. signalisiert man mit der offenen Formel Wie geht’s? die Gesprächseröffnung
bzw. Gesprächsbereitschaft, und nicht unbedingt, dass man seinen Partner nach
dem persönlichen Befinden fragt.
Zu den wichtigsten Funktionsgruppen der gesprächsspezifischen Wendungen rechnet Fleischer (1997: 130):
- Formeln des Zweifels, der Ablehnung, Zurückweisung: Das kommt nicht in Frage!,
Du spinnst doch total!
- Formeln des Erstaunens: Wirklich?, Das kann doch nicht wahr sein!
- Formeln der Zustimmung: Ja, genau!, Ich bin dabei!, Das will ich meinen!
- Schelt- und Fluchformeln: Verflixt und zugenäht!
- Interjektionen, Ausrufe, Floskeln: Na ja, Ach so!, Nicht?
Konstruktionen dieser Art lassen sich nicht vollständig auflisten, weil sie eine enorme
strukturelle Variationsbreite aufweisen und weil sie Züge von Phraseoschablonen
tragen, d.h. strukturelle Muster mit Leerstellen liefern, die durch variable Elemente
ersetzt werden können (vgl. Stein 2007: 231f.).
2.
Funktion fester Wendungen beim Grammatikerwerb
2.1. Zu grammatischen Konstruktionen fester Wendungen
Bei vielen Zweitsprachlernern gilt Grammatik nach wie vor als der Kern des Spracherwerbs und des Sprachunterrichts. Infolgedessen wird ihr im Unterricht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das führt nicht selten dazu, dass Lerner und Lehrer, statt
nach einer kontextualisierten und kommunikativen Verwendung der Grammatik zu
suchen, grammatische Regelkunde und formenbezogene Drillübungen bevorzugen
(vgl. Roche 2001: 128).
Die Phraseodidaktik hat gezeigt, dass über den Grenzbereich zwischen Lexik und
Grammatik nachgedacht werden muss; sie werden im Unterricht oft getrennt behandelt, wobei feste Wendungen sich weder dem einen noch dem anderen Bereich zuordnen lassen:
„Das Sprachwissen besteht […] nicht aus einem Set an Regeln, das auf ein lexikalisches
Inventar angewendet wird, sondern vielmehr zum großen Teil aus fixierten Versatzstükken, die in bestimmten Kontexten vorkommen und nur teilweise frei mit Wortmaterial aufgefüllt werden können.“ (Imo 2007: 23)
Eine wichtige Gruppe fester Wendungen sind kommunikative Formeln. Unter formalen Gesichtspunkten stellen sie eine ausgesprochen heterogene Gruppe von phraseologischen Ausdrücken dar.6 Kommunikative Formeln enthalten zwar eine feste
Struktur, was sie aber nicht unveränderlich macht:
6
Stein (1995: 137ff.) führt als Beispiele unter anderem ich denke, ich würde sagen, ehrlich gesagt,
wenn ich das richtig sehe an. Zur formalen Analyse von gesprächsspezifischen Formeln s. auch
Burger u.a. (1982: 42).
102
„Sie sind morphologisch-syntaktisch oder lexikalisch-semantisch veränderbar und können
an die jeweiligen Äußerungen angepasst werden, ohne dass der Formel-Charakter in Mitleidenschaft gezogen wird.“ (Stein 1995: 148)
Gesprächsspezifische Formeln sind oft Bestandteil komplexer Äußerungen, sie können auch verschiedenartige Verbindungen mit anderen lexikalischen Einheiten eingehen.7 Die Veränderbarkeit variiert von Formel zu Formel. Da sie häufig gebraucht
werden, haben Sprecher die Tendenz, sie zu verkürzen: „im Schweizerdeutschen
sind Formen wie glaub, denk, mein (aus glaube ich etc.) gang und gäbe“ (Burger u.a.
1982: 42).
Viele kommunikative Formeln sind jedoch nicht lexikalisiert. So wünschenswert Lexikoneinträge über kommunikative Formeln für L2-Lerner wären, so schwierig gestaltet
sich die Konzeption solcher Lexikoneinträge, weil oft weder eine feste Form gegeben
ist, noch eine sonst übliche Bedeutungsangabe in Frage kommt. Um den Stellenwert
fester Wendungen in Kommunikationsabläufen zu veranschaulichen, bleibt nur der
Umweg, die kommunikative Leistung an authentischen Materialien zu demonstrieren
(vgl. Stein 1995: 148).
2.2.
Feste Wendungen als Brücke zwischen dem Grammatik- und Lexikerwerb
Wenn man eine Zweitsprache beherrschen will, muss man nicht nur ihre Lexik, sondern auch ihre Grammatikregeln lernen. Eine Grammatikregel benennen zu können,
scheint jedoch eine kategorial andere kognitive Fähigkeit zu sein als die Anwendung
dieser Regel im spontanen Sprachgebrauch.8 Die Diskrepanz zwischen Regelwissen
und Regelaktivierung in der Kommunikation gehört zu einer der größten Herausforderungen des L2-Lerners.
Wie erwerben Lerner die Grammatik einer Zweitsprache? Beim Grammatiklernen
verfahren Zweitsprachenlerner ähnlich wie beim Muttersprachenerwerb. Sie erschließen die Strukturen der L2 aus dem Input in einer bestimmten Reihenfolge und
in einem individuell variierenden Rhythmus. Der Erwerb der Grammatik ist ein allmähliches Heranarbeiten an die Normen und Strukturen der Zielsprache, d.h. vereinfachte ‚Lernerregeln‘ werden mit der Zeit zunehmend ausdifferenziert (vgl. Diehl u.a.
2002: 227ff.).
Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil, der für die Relevanz und den Einsatz fester Wendungen im Sprachunterricht spricht; gemeint sind die grammatischen Konstruktionen,
die in formelhaften Wortverbindungen zu erkennen sind. Hierzu zählen u.a. Imperativformen, Modalverben mit Präpositionalphrasen, Nebensätze und Infinitivkonstruktionen. Als Beispiele seien genannt:9
7
Zu Varianten gesprächsspezifischer Formeln vgl. Stein (1995: 142ff.).
8
Tschirner (2001) argumentiert, dass bewusstes grammatisches Wissen (Regelwissen) nicht automatisierbar sei, sondern dem primären (mündlichen) Spracherwerb nur indirekt helfe, indem es
vor allem über die Verlangsamung der Prozesse im schriftlichen Bereich dafür sorge, dass
grammatisch richtige Syntagmen gespeichert werden könnten, die die Entwicklung des lernersprachlichen Systems vorantrieben.
9
Die oben genannten Beispiele stammen aus dem untersuchten Fotoroman (s. Literaturverzeichnis); zu grammatischen Strukturen in festen Wendungen s. genauer Kap. 4.2.
103
- Imperativformen
Stopp!
Hau bloß ab, du ewige Jungfrau.
Halt endlich mal den Ball flach - und die Klappe!
Halt bloß die Klappe!
-
Modalverben + Präpositionalphrasen
Musst du eigentlich schon morgens auf Tussi machen?
Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
-
Nebensätze
Wenn’s sein muss.
Schön, dass du pünktlich bist!
Wie die obigen Beispiele veranschaulichen, erweisen sich die in festen Wendungen
enthaltenen grammatischen Konstruktionen als eng mit ihrer Verwendung in der
Kommunikation verbunden. Sie können in zahlreichen unterschiedlichen Formen auftreten, werden häufig in formelhaften Verbindungen gebraucht und liefern somit ein
breites Spektrum von Konstruktionen für entsprechende Untersuchungen.10
Die situationsspezifische Festigkeit formelhafter Wortverbindungen kennzeichnet
nicht nur einzelne Ausdrücke, sondern mitunter auch den gesamten Ablauf von Interaktionen; in der jeweiligen Sprachgemeinschaft haben sich für die Bewältigung bestimmter Aufgaben in der Kommunikation komplexe Muster etabliert, u.a. bei Eröffnungs-, Beendigungs- und bestimmten Phasen eines Gesprächs, z.B.:
Hallo!
Hi, da bin ich!
Bis die Tage!
Kein Problem.
Cool, oder?
Hey!
Okay Leute!
Oh no!
Kein Thema.
Cool, ne oder?11
Hey Sisters!
Bis bald, Leute!
Oh, die Kleine
Na?
Hi!
Bis dann.
Oh, Moment mal!
Na toll!
Auf die Musterbildung ist schon Wong-Fillmore (1979) eingegangen. In ihrer in Kalifornien durchgeführten Studie untersuchte sie den Zweitspracherwerb an fünf spanischsprachigen Migrantenkindern aus Mexiko beim Spielen mit englischsprachigen
Kindern. Die Untersuchung ergab, dass alle Kinder anfangs die neue Sprache schrittweise imitieren und dabei formelhafte Äußerungen verwenden und später zerlegen,
deren Bedeutung sie aber zunächst nur aus dem Verhalten ihrer englischsprachigen
Spielpartner erschließen. Sie suchen dabei nach wiederkehrenden Elementen in bekannten Wortverbindungen, dann überlegen sie, wo lexikalische Schnittstellen sind
und füllen sie mit variablen Teilen aus. Auf diese Weise erhalten sie syntaktische
Muster, die mit verschiedenen Elementen gefüllt werden können. Diese Musterhaftigkeit erspart die Erzeugung neuer Sprachmittel, bringt kognitive Entlastung und
Verhaltenssicherheit mit sich. So gesehen kann festen Wendungen im Sprachgebrauch und im Zweitsprachenunterricht tatsächlich eine sehr nützliche Funktion zukommen:
“The point which has been missed so far is that the strategy of acquiring formulaic
speech is central to the learning of language: Indeed, it is this step that puts the learner
in a position to perform the analysis which is necessary for language learning. […] The
10
11
Vgl. Peltzer-Karpf / Zangl (1998), Diehl u.a. (2000).
Zum Erwerb fester Wendungen nach ihrer Realisierungsweise vgl. Kap. 4.1.
104
formulas the children learned and used constituted the linguistic material on which a
large part of the analytical activities involved in language learning could be carried out.
[…] Their function in the language learning process, then, is not only social, but cognitive too, since they provided the data on which the children were to perform their analytical activities in figuring out the structure of the language.” (Wong-Fillmore 1979: 212)
Auch nach den Ausführungen von Gülich (1997: 165ff.) können diese Muster, die als
Ganze gespeichert und abgerufen werden und an den offenen Stellen zu ergänzen
sind, als Voraussetzung für das fließende Sprechen (ohne auffällige Planungspausen
und Verzögerungen) angesehen werden.
Besondere Relevanz weist Aguado (2002) in ihrem Beitrag den formelhaften Wendungen zu. Der Vorteil der Verwendung fester Wendungen ist eindeutig: formelhafte
Wortverbindungen haben eine produktionserleichternde Funktion, weil sie durch ihren hohen Grad an Automatisierung nur einen geringen Aufwand an kognitiver Energie erfordern „und dadurch kognitive Ressourcen freisetzen, die dann für andere
mentale oder den Diskurs betreffende Aktivitäten genutzt werden können. Die Verwendung automatischer Sequenzen erlaubt also die kreative Sprachproduktion und
trägt somit zum Spracherwerb bei“ (Aguado 2002: 40).
Formelhafte Wortverbindungen können entweder holistisch erworben und memorisiert werden, oder sie können mittels gelernter Regeln gebildet und anschließend als
Ganze abgespeichert werden. Diese zwei Prozesse müssen sich gegenseitig nicht
ausschließen, sie können gleichzeitig ablaufen. Grammatisch korrekte und pragmatisch angemessene Formeln dienen dem Zweitspracherwerb, weil sie helfen, sowohl
die grammatische als auch die pragmatische und phraseologische Kompetenz zu
verbessern. Die vom Lerner wahrgenommenen Ausdrücke werden also ganzheitlich
imitiert, memoriert und wieder reproduziert.
„Die Segmentierung dieser Sequenzen zwecks Extraktion grammatischer Information
durch den Lernenden ist für den langfristigen Erwerb zentral und ein wesentliches Merkmal produktiver Kompetenz. Wenn die L2-Lernenden erkennen, dass die von ihnen gebrauchten komplexen Sequenzen aus kleineren Einheiten zusammengesetzt sind, sie diese entsprechend segmentieren, die zwischen den auf diese Weise gewonnenen Einheiten
bestehenden Beziehungen erkennen und analysieren und die Einheiten schließlich produktiv in anderen Kontexten und Konstruktionen verwenden, findet ein direkter Einfluss
formelhafter Sequenzen auf den Erwerb grammatischen Wissens statt. Die genannten
Schritte (Segmentierung und Analyse) sind somit die Voraussetzung für die RE-Strukturierung des lernersprachlichen Systems.“ (Aguado 2002: 40)
Nach den Ausführungen von Aguado ist auch anzunehmen, dass beim Erwerb von
festen Syntagmen verschiedene Erwerbsmechanismen gleichzeitig vonstatten gehen. Der erste wichtige Mechanismus ist die Imitation, die einen ganzheitlichen Erwerb zur Folge hat. Mittels Imitation können Lernende komplexe Äußerungen produzieren, die sich von anderen kreativ konstruierten Äußerungen unterscheiden. Formelhafte Ausdrücke und Imitation sind also eng miteinander verbunden. Der zweite
bedeutende Mechanismus ist die Kreativität, die in einem arbeitsteiligen Verhältnis
zur Formelhaftigkeit steht. Viele feste Syntagmen enthalten lexikalische Leerstellen,
die mit variablen Elementen ausgefüllt werden können und damit produktiv sind. Solche syntaktischen Muster sind erwerbsgünstig, „weil ihnen – im Unterschied zu feststehenden, invariablen Formeln – über den Einzelfall hinausgehende, produktive Regeln zugrunde liegen, die vergleichsweise leicht zu extrahieren sind“ (2002: 42). Abschließend betont Aguado, dass die Vermittlung fester Wendungen eine absolute
Notwendigkeit darstelle. Die Lerner haben den Wunsch, möglichst korrekt und for105
melhaft zu sprechen; dies ermöglichen feste Wendungen, daher sollte ihnen im L2Unterricht ein größerer Platz eingeräumt werden.
Auch plädieren Diehl u.a. (2000) in ihrer Untersuchung Grammatikunterricht: Alles für
der Katz? dafür, dass dem Erwerb von formelhaften Wendungen, die in der Sprachlehrforschung auch Chunks genannt werden, unbedingt Rechnung getragen werden
sollte, weil sie an sich schon grammatische Strukturen enthalten. Somit liefern die
Chunks den Lernern „[…] Daten, die sie für ihre Hypothesen über die Regeln der L2
einsetzen können, sobald sie das hierfür erforderliche Sprachwissen erworben haben“ (2000: 341). Mit der Zeit greifen die Schüler auf gespeicherte sprachliche Fertigteile zurück, ohne deren Struktur durchschaut zu haben. Genauso positiv werden
Chunks von Peltzer-Karpf / Zangl (1998) beurteilt. Ihre Untersuchungen zu den Frühphasen des Erst- und Fremdsprachenerwerbs zeigen, dass die Verwendung von unanalysierten memorisierten Syntagmen eine wichtige Voraussetzung für die allmähliche Dekodierung von sprachlichem Material darstellt.
Auf die Bedeutung dieser Strategie des lexikalischen Lernens für den Erstspracherwerb hat auch Elsen (1999) hingewiesen. Sie verweist darauf, dass der Erwerb von
Strukturen ein Ergebnis aktiver Informationsverarbeitung sei. Es sei klar, dass beim
Spracherwerb eine Regel nach der anderen synthetisch erworben werde. Es gebe
aber auch den umgekehrten Weg, dass zunächst undurchschaute ganzheitliche Äußerungen nicht von einfachen zu immer komplexeren Konstruktionen gebildet, sondern schrittweise zerlegt würden. Elsen fügt hinzu, dass die sprachliche Umgebung
und die Handlungssituationen einen ebenso wichtigen Einfluss auf den Spracherwerbsprozess hätten. Die Lerner kodierten die Informationen über Kommunikationssituation, Kontext und Intention des Sprechers. Wenn eine Wendung in einer bestimmten Situation Aufmerksamkeit auslöse, könne die Erinnerung daran den Erwerb
dieser Wendung unterstützen.
Trotz der weitgehend anerkannten Relevanz formelhafter Sprache für den Zweitspracherwerb ist jedoch festzuhalten, dass diese Form lexikalischen Lernens bisher
unterschätzt wurde.
Wie könnte man den Grammatik- und Lexikerwerb fördern? Nach den obigen Ausführungen liegt die Antwort auf der Hand. Feste Wendungen erweisen sich als eine
Brücke, mit deren Hilfe man den Grammatik- und Lexikerwerb miteinander verknüpfen kann. Sehr wichtig ist es, dass man beide Komponenten in Form eines reichen
und vielseitigen Kontakts mit authentischer Sprache vermittelt, dass man dem Lerner
Material zur Verfügung stellt, das es ihm ermöglicht, Grammatikregeln selbst zu erschließen und auf der Basis sich entwickelnder Regelkenntnis zunächst ganzheitlich
gebrauchte Wendungen zu analysieren.
Es kommt darauf an, dass der Lerner vorgefertigte und automatisierte Äußerungen
zusammen mit ihrer situativen Einbettung speichert. Wichtig ist also die kommunikative Bearbeitung fester Ausdrucksmuster. In dem Zusammenhang erweist sich auch
die Arbeit mit Fotoromanen als sehr sinnvoll; sie erlaubt außerdem die Entwicklung
von Strategien, die die Lerner auch außerhalb des Unterrichts in ungesteuerten Kommunikationssituationen einsetzen können.
106
3.
Vermittlung fester Wendungen im handlungsorientierten
L2-Unterricht
Es wurde mehrmals betont, dass feste Wendungen eine bedeutende Rolle für das
gesprochene Deutsch spielen; besonders wichtig für die Dialogführung sind kommunikative Formeln. Bei der Vermittlung im L2-Unterricht finden sie jedoch meist wenig
Beachtung. Aber auch andere Elemente der face-to-face-Kommunikation werden im
L2-Unterricht nicht berücksichtigt (vgl. Rost-Roth 1995, Liedke 1999, Roche 2001).
Die Ursache dafür liegt darin, dass die meisten Lehrwerke keine authentischen, sondern sprachdidaktisch stilisierte Dialogtexte einsetzen, die eher schriftsprachlich sind.
Der Unterricht ist themen- und formgebunden, im Vordergrund steht die grammatisch-lexikalische Korrektheit der Äußerung, die authentische face-to-face-Kommunikation bleibt dagegen im Hintergrund. Den Lernenden fehlen somit sprachliche und
außersprachliche Mittel, um natürlich in der Zielsprache zu agieren.
Das traditionelle Lernen hat oft keinen direkten Bezug zur Realität. Der Unterricht
findet in der Schule statt, und die Wirklichkeit wird trotz großer Bemühungen seitens
der Didaktiker und Lehrbuchautoren nur gefiltert einbezogen. Von daher ist die Erarbeitung geeigneter Sprachmaterialien, die auf authentischen Alltagsdialogen basieren, von großer Bedeutung (vgl. Huth 1993).
Ziel des L2-Unterrichts ist neben der Vermittlung sprachlicher Fertigkeiten auch die
Stärkung selbständiger Lernformen und die Entwicklung der Persönlichkeit. Die Vermittlung von Grammatik, Wortschatz und Aussprache ist den kommunikativen Zielen
untergeordnet. Es wäre daher wünschenwert, die Zielsprache möglichst umfassend
zum Einsatz kommen zu lassen. Das Lehrmaterial sollte daher möglichst authentisch
sein und die Interessen der Lernenden mit berücksichtigen. Ein moderner Sprachunterricht ist lerner- und produktorientiert; er kann nur in neuen Unterrichtsformen effektiv umgesetzt werden, weil sich nur so die unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse von Lernenden einbeziehen lassen (vgl. Niedersächsisches Landesinstitut für
Schulentwicklung und Bildung 2003).
Im Hinblick auf die Zielgruppe jugendlicher Lerner bilden Fotoromane aus verschiedenen Jungendzeitschriften ein geeignetes Unterrichtsmaterial. Insbesondere die
Vielfalt spannender Themen findet großen Anklang bei den Jugendlichen. In der Regel handelt es sich hier um melodramatische Liebesgeschichten, in denen sich die
Welt der jungen Leser widerspiegelt. Auch der Wortschatz von Fotoromanen kann
zum Gegenstand im L2-Unterricht gemacht werden, denn der Sprachgebrauch ist auf
die jugendliche Zielgruppe zugeschnitten. Die Texte bieten eine große Palette fester
Wendungen, die in erster Linie eine kommunikative Funktion haben. Interjektionen
drücken spontane Emotionen aus (Überraschung, Begeisterung, Freude, Wut, Enttäuschung), mit Anglizismen sollen jugendsprachliche Merkmale betont werden,
Gliederungspartikeln, Rückversicherungsfragen und Modalpartikeln können zusätzliche Aufmerksamkeit erzeugen. Feste Wendungen werden in Fotoromandialogen zu
einem Stilmittel, das Jugendliche sprachlich charakterisiert. Eine weitere Funktion
phraseologischer Wortverbindungen, einschließlich ihrer Variationen, besteht in der
Emotionalisierung von Einzelaussagen und von Texten insgesamt; dies lässt sich vor
allem in Fotoromanen der Zeitschrift BRAVO feststellen. Außerdem erkennen sich viele jugendliche Leser im Gebrauch solcher Wortverbindungen wieder. Gleichzeitig
können die betreffenden Wendungen hilfreich sein, bestimmte Einstellungen zu bekunden und entsprechende Urteile wiederzugeben (vgl. Henne 1986: 115f.).
107
4.
Datengrundlage
Für die im Folgenden darzustellende Untersuchung wurde ein Fotoroman aus der im
deutschen Sprachraum allgemein bekannten Jugendzeitschrift BRAVO (Nr. 13 vom
22.3.2006, S. 54-59) ausgewählt. Die Verbindung zum wirklichen Leben spielt eine
ganz besondere Rolle. Das Projekt wurde im März und im Juni 2006 in der Vorbereitungsklasse einer Schule in Münster durchgeführt.12 Die Materialbasis der empirischen Untersuchung bilden routinisierte Äußerungen aus den Dialogtexten des Fotoromans, die mündliche Kommunikation inszenieren.
Für die Untersuchung wurden sechs SchülerInnen (zwei Mädchen und vier Jungen
im Alter zwischen 15 und 17 Jahren) ausgewählt, die verschiedenen Nationalitäten
angehören: Ghana (Muttersprache Englisch), Kongo (Französisch), Eritrea (Tigrinja),
Russland (Russisch), Türkei (Türkisch), Iran (Persisch, Arabisch). Die Versuchspersonen hatten zur Zeit der Untersuchung seit ca. einem Jahr in Deutschland gelebt.
Vor ihrer Einreise besaßen sie keine Deutschkenntnisse.
Zunächst wurden die Teilnehmer mit der literarischen Gattung ,Fotoroman‘ vertraut
gemacht. Jeder Proband übernahm die Rolle einer Fotoromanfigur, die er nachahmen sollte. Zehn Unterrichtsstunden lang übten und trainierten die Schüler ihre Rollen, die sie anschließend vorspielten. Zehn Wochen später präsentierten sie die Geschichte noch einmal ohne vorherige Vorbereitung. Auf den Fotoroman durften sie
nicht mehr zurückgreifen. Beide Rollenspiele wurden mit einer Videokamera aufgezeichnet, danach transkribiert und anschließend vergleichend analysiert.
4.1. Klassifizierung und Analyse fester Wendungen nach ihrem Gebrauch
Es geht um feste Wendungen, wie sie in den Rollenspielen zum Einsatz kamen.
Ausgangspunkt ist die Frage, wie solche Wortverbindungen im Zweitsprachunterricht
erworben und verarbeitet werden. Die im Korpus belegten festen Wendungen lassen
sich in drei Klassen einteilen (in Prozent die jeweiligen Gebrauchsanteile):
1. Vollständige Wendungen (50 %, zum Teil mit geringer Modifikation, vgl. 4.1.1),
2. Variationen (38 %, vgl. 4.1.2),
3. Nicht übernommene Wendungen (12 %, vgl. 4.1.3).
Diese Klassen werden in den anschließenden Abschnitten näher charakterisiert. Bei
den zitierten Beispielen steht ,F‘ für eine Äußerung aus dem Fotoroman, ,1‘ für die
erste Aufnahme, die weiteren Beispiele ,2‘, ,3‘, ,4‘ benennen die zweite Aufnahme,
die zehn Wochen nach dem ersten Rollenspiel stattfand. Während der zweiten Auf12
Die Vorbereitungsklasse bereitet ausländische Seiteneinsteiger auf die Regelklasse vor. In ihrer
Zusammensetzung sind die Klassen im Vergleich zum „normalen“ schulischen Sprachlernen sehr
heterogen. Die Schüler stammen aus ganz unterschiedlichen Kulturen, Erfahrungsbereichen und
Sprachhintergründen: England, Spanien, Portugal, Polen, Russland, Slowakei, Albanien, Türkei,
Iran, Pakistan, Sri Lanka, Eritrea, Nigeria, Kenia u.a. Viele von ihnen mussten aus ihrem Heimatland mit ihren Familien fliehen oder wurden vertrieben. Sie kommen unabhängig vom Schuljahresrhythmus nach Deutschland, so dass in den Klassen eine große Fluktuation herrscht. Die 12
bis 17 Jahre alten Schüler sind in der Regel in ihrer Heimat in die normale Schule gegangen, die
meisten haben aber kein Deutsch gelernt. Zunächst werden die ausländischen Seiteneinsteiger
in „Vorbereitungsklassen“ für den möglichst schnellen Übergang in Regelklassen vorbereitet. Dazu erhalten sie in sprachheterogenen multinationalen Lerngruppen intensiven Deutschunterricht
und teilweise muttersprachlichen Ergänzungsunterricht (vgl. dazu genauer das Projekt von Brinkschulte / Grießhaber 2000).
108
nahme wurden einige Szenen mehrmals präsentiert. Die Reihenfolge der analysierten Wendungen richtet sich nach ihrer Realisierungsweise. Die Systematik stellt keine geschlossene Liste dar, da weitere Varianten und Modifikationen der formelhaften
Wortkonstruktion möglich sind.
4.1.1. Vollständige Wendungen
Unter vollständigen Wendungen werden vollständig übernommene Wendungen ohne
Modifikation verstanden, die mit den Wendungen aus dem untersuchten Fotoroman
gänzlich übereinstimmen. Hierzu werden auch Wendungen mit geringer Modifikation
auf der morphosyntaktischen und lexikalischen Ebene gerechnet. Die Modifikationen
an den einzelnen Komponenten sind minimal, so dass sie den Inhalt der imitierten
Konstruktionen nicht beeinträchtigen.
a) Vollständig übernommene Wendungen ohne Modifikationen
Aus der Untersuchung der zwei Rollenspiele geht hervor, dass die Hälfte der festen
Wendungen nach zehn Wochen vollständig wiedergegeben wird. In erster Linie handelt es sich um verblose Wendungen, darunter auch nominale Ausdrücke wie: Okay,
Na toll, Na Sister, Vielen Dank!, Keine Chance, Du hässliches Entlein!
Beim zweiten Rollenspiel treten häufiger Einwortäußerungen (Interjektionen, Partikeln) juchu, boah, hm, ja auf, die von den Schülern zusätzlich eingefügt werden. Sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Version der Aufnahme erscheinen neue
Gruß- und Abschiedsformeln (hallo, ciao, tschüss), wobei diese in der zweiten Inszenierung viel frequenter sind. Zu der großen Palette von Ausdrücken, die vollständig
übernommen werden und den Probanden keine Schwierigkeiten bereiten, gehören
Ausrufe wie oh und na.
Warum hier gerade Interjektionen zu den bevorzugten sprachlichen Mitteln gehören,
dürfte damit zusammenhängen, dass sie Emotionen und Gefühle ausdrücken; vgl.
z.B.:
F. Oh no! Wenn sie jetzt echt modelt, wird Trixi ja noch unausstehlicher…
1. Oh no! Wenn sie jetzt wieder modelt werde, werde sie noch unausstehlicher.
2. Oh no! Wenn sie jetzt weiter modelt werde, sie unausstehlicher.
F. Oh, die Kleine habe ich ja glatt übersehen.
1. Oh, die Kleine ha/ habe ich ja glatt übersehen.
2. Oh, die Kleine hab ich nicht so gut gesehen.
Die Interjektion oh drückt im ersten Fall eine als negativ empfundene Betroffenheit
aus. Betroffenheit impliziert oft Überraschung und Verblüffung. Im zweiten Beispiel
signalisiert oh eher erstauntes Bedauern. Eine Funktion von oh kann auch der Ausdruck des Klagens sein. Vorausgegangen sind in dem Fall Ereignisse oder Handlungen, die die persönliche Sphäre des Sprechers berührt und ihn dadurch möglicherweise getroffen haben (vgl. Ehlich 1986: 78f.).
Die nächste Interjektion, von der oft Gebrauch gemacht wird, ist na; auch ihr kommt
in der gesprochenen Sprache eine große Bedeutung zu. Na wird oft verwendet, um
eine Aussage einzuleiten. Im folgenden Beispiel eröffnet na einen Fragesatz. Mit initialem na? kann sich der Sprecher der Aufmerksamkeit des Hörers für die folgende
Äußerung versichern.
109
F. Na? Bin ich gut oder bin ich super? Die Posen hab ich zu Hause alle geübt! Cool,
oder?
1. Na? Bin ich gut oder bin ich super? Die Posen hab ich alle zu Hause geübt! Cool, ne
oder?
2. Na? Bin ich cool oder bin ich super? Die Posen hab ich alle zu Hause geübt. Cool, ne
oder?
Mit Hilfe von na? kann der Sprecher ebenso den Hörer zu einer Sprechhandlung auffordern. In diesem Fall erwartet der Sprecher eine Bestätigung. Diese Form erscheint
auch sehr oft in Kombinationen mit anderen Formelausdrücken wie na und, na ja, na
toll.13 In diesen Verwendungen hat na jedoch eine andere Bedeutung.
Im folgenden Beispiel tritt na in Kombination mit toll auf und drückt Missbilligung aus.
F. Na toll, ich brauche doch keinen Bodyguard – noch nicht! Aber okay, sie kann meine
Klamotten tragen!
1. Na toll, ich brauche doch keinen Bodyguard – noch nicht! Aber okay, sie kann meine
Klamotten tragen.
2. Na toll, ich brauche doch gar keinen Bodyguard. Aber okay, die kann meine Klamotten
tragen.
Verblose Wendungen sind typisch für die erste Phase des Zweitspracherwerbs. Zu
dieser Gruppe gehören sowohl Einwortäußerungen (okay, versprochen, Wahnsinn,
perfekt) als auch Zweiwortäußerungen (Wie bitte?, Nie wieder, Keine Chance, Vielen
Dank!), initiale Anreden (Na Sister, Na du süße Maus) und nominale Phrasen (du
hässliches Entlein).14 Diese verblosen Äußerungen werden von den Probanden vollständig reproduziert:
F.
1.
2.
F.
2.
3.
Okay, aber richte ihr bitte viele Grüße aus.
Okay, aber richtig Biby bitte viel Grüße aus.
Okay. Tschüss, bis bald.
Juchu, cool! Ich werde Sie nicht enttäuschen, versprochen!
Juchu! Isch werde Sie nicht enttäuschen, versprochen!
Juchu! Ich werde Sie nicht enttäuschen, versprochen!
F. Was, das bin ich?! Wahnsinn ...
1. Das bin ich?! Wahnsinn!
2. Was, das bin ich?! Wahnsinn!
F.
1.
2.
3.
Perfekt!
Perfekt!
Perfekt!
Perfekt!
F. Wie bitte? Ich muss mich erst noch beweisen? Reicht meine Optik denn nicht?
1. Wie bitte? Muss ich mich noch beweisen? Reicht mein Optik denn nicht?
2. Wie bitte? Muss ich mich noch beweisen? Reicht meine Optik denn nicht?
F. Nie wieder Einkaufen mit Trixi!
1. Nie wieder Einkaufen mit Trixi!
2. Nie wieder Einkaufen mit Trixi!
13
14
Zu formelhaften Ausdrücken wie Na, wie geht’s?, na und?, na endlich! vgl. Coulmas (1981).
Es sei betont, dass nach der Profilanalyse (Grießhaber 2006) Interjektionen sehr früh, Partikeln
dagegen sehr spät erworben werden. Letztere stellen keine satzwertigen Minimaleinheiten dar,
sondern sind in satzwertige Einheiten integriert und haben einen eher adverbialen Status.
110
F. Keine Chance, Ma!
1. Keine Chance, Mum!
2. Keine Chance, Mum!
F.
1.
2.
3.
4.
Vielen Dank! Ich fühle mich auch richtig wohl vor der Kamera...
Vielen Dank! Ich fühle mich von der Kamera.
Ich fühle mich auch wohl von der Kamera.
Vielen Dank! Ich fühle mich wohl vor der Kamera.
Vielen Dank! Ich fühle mich wohl richtig vor der Kamera.
F. Na Sister, damit hast du wohl nicht gerechnet?!
1. Na Sister, da wohl hast du nicht gerechnet?!
2. Na Sister, da hast du wohl nicht gerechnet?!
F. Na, du süße Maus.
1. Na, du süße Maus.
2. Na, du süße Maus.
F. Halt bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
1. Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
2. Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
Die Lernenden eignen sich nicht nur Wendungen ohne Verb an; auch Begrüßungsformeln, die ein Verb enthalten (Hi, da bin ich!; Schön, dass du pünktlich bist!), Kollokationen (eine Chance haben, Sachen / Klamotten tragen, einen Job bekommen)
und verbale Wendungen mit dem Verb im Infinitiv (auf Tussi machen, auf meine Linie
achten) oder mit einer finiten Verbform (ich hatte den richtigen Riecher, etw. bringt
Spaß) bereiten keine größeren Schwierigkeiten mehr. Einige Beispiele:
F. Hi, da bin ich!
1. Hi, da bin ich!
2. Hi, da bin ich!
F. Schön, dass du pünktlich bist! Ich stelle dich gleich dem Fotografen vor.
1. Schön, dass du pünktlich bist! Ich stelle, ich stelle dich gleich dem Fotografen vor.
2. Schön, dass du pünktlich bist.
F. Aber ich hatte doch noch gar keine Chance zu zeigen, was ich kann.
1. Aber ich hatte doch gar keine Chance zu zeigen, was ich kann.
2. Ich hatte doch gar keine Chance zu zeigen, was ich kann.
F.
1.
2.
3.
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
Oh Gott! Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
F. Ich bekomme den Job UND den Typ!
1. Ich bekomme den Job und den Typ!
2. Ich bekomme den Job und den Typ, jo!
F.
1.
2.
3.
4.
Musst du eigentlich schon morgens auf Tussi machen?
Musst du eingentlich schon morgens auf Tussi machen?
... morgens auf Tussi machen?
Musst du eigentlich schon morgens auf Tussi machen?
Eigentlich schon morgens auf Tussi machen?
F.
1.
2.
3.
Ach, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ah, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ach, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ah, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
111
F.
1.
2.
3.
4.
Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!
Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!
Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!
Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!
Ja, ich hatte den richtigen Riecher!
F. Ich hätte nie gedacht, dass Modeln so viel Spaß bringt!
1. Ich hatte nie gedacht, dass Model so viel Spaß bringt!
2. Boah, ich hatte nie gedacht, dass Model so viel Spaß bringt!
b) Vollständige Wendungen mit geringen Modifikationen
Zu den vollständigen Wendungen zählen ebenfalls Formeln mit geringen Modifikationen. So werden etwa die Wendungen Ach, nicht nötig!, Igitt, Diese kleine Ratte, dieses gewisse Etwas, Wenn’s sein muss, Halt bloß die Klappe, Ich hätte nie gedacht
mit minimalen Änderungen wiedergegeben.
Im folgenden Beispiel ist zu sehen, dass der Lerner bei den Rollenspielen die Interjektionen ach und ah verwechselt. Er kennt den Unterschied nicht, und phonetisch
klingen die zwei Ausrufe für ihn ähnlich:
F.
1.
2.
3.
Ach, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ah, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ach, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ah, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen der Interjektion ach und ah. Die
Formen gehören in jeweils verschiedene Zusammenhänge: ah fungiert als Ausdruck
von Überraschung oder Betroffenheit, ach dagegen drückt die Ablehnung eines Angebots aus. Der Gebrauch solcher Ausdrücke signalisiert Emotionalität und ist für
den Sprecher wie auch für den Hörer gleichermaßen relevant.
Die Interjektion igitt wurde durch iich bei der ersten und ii bei der zweiten Präsentation ersetzt; die Bedeutung der Aussage – Ausdruck von Abscheu – änderte sich dadurch jedoch nicht.
F.
1.
2.
3.
4.
Igitt, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
Iich, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
Iii, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
Iii, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
Iii, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
Im nächsten Beispiel hat der Schüler das Genus von Etwas nicht erkannt und das
Demonstrativpronomen dieses durch diese ersetzt:
F.
1.
2.
3.
Und was soll das sein – dieses gewisse Etwas?
Und was soll das sein – diese gewisse Etwas?
Und was soll das sein – diese gewisse Etwas?
Was soll das sein – diese gewisse Etwas?
Bei der Wendung Wenn’s sein muss wird von der Probandin das enklitisch an die
Konjunktion wenn angelehnte und lautlich reduzierte Pronomen es nicht erkannt und
demzufolge ausgelassen.
F. Wenn’s sein muss.
1. Wenn sein muss.
2. Wenn sein muss.
112
Die Äußerung der Tochter Wenn’s sein muss bezieht sich auf die vorangehende
Aussage der Mutter: Du gehst nicht allein zu dem Shooting! Wer weiß, was für Fotos
die machen wollen … Vielleicht ist das nur ein Trick! Biby begleitet dich! Die Probandin, die die Rolle von Trixi spielt, weiß den Inhalt der vorherigen Aussage nicht mehr
oder erkennt weder das reduzierte Pronomen noch seine Funktion und bezieht das
Pronomen nicht ein.
Die Weglassung von Funktionswörtern (Präpositionen, Pronomen) oder die Weglassung von morphologischen Elementen wie Flexionsendungen sind für Lernersprachen charakteristisch. Im Zweitspracherwerbsprozess entwickeln Lerner ihre eigenen
sprachlichen Systeme, die als L e r n e r s p r a c h e (interlanguage) bezeichnet werden. Lernersprache kann sowohl Merkmale der Muttersprache als auch der Zweitsprache enthalten. Lernersprachen sind ständiger Veränderung unterworfen. Die Dynamik der interlanguage ist dadurch zu erklären, dass sich die Lerner die Grammatik
der Zielsprache schrittweise erschließen. Bei diesem schrittweisen Herausfiltern von
Merkmalen der Zielsprache schaffen sie sich ihr eigenes lernersprachliches Grammatiksystem der Zweitsprache, das auf dem sprachlichen Vorwissen des Lerners basiert.15
In der Lernersprache kann man auch Merkmale finden, die weder der L1 noch der L2
des Lerners entsprechen, z.B. wird bei der Formel Halt bloß die Klappe ein -’s an den
Imperativ Halt angehängt.
F. Halt bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
1. Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
2. Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
Diesem Beispiel liegt eine Übergeneralisierung zugrunde. Sie geht offenbar auf eine
Übertragung von der Wendung Halt’s Maul! zurück, eine Erscheinung, die bei der
Aneignung unanalysierter Formeln durchaus häufig ist.
Schwierigkeiten haben die Lernenden ebenso bei der Wiedergabe des Konjunktivs.
Da diese Formen nicht in allen Wortverbindungen nachvollziehbar sind, werden sie
mehrfach durch das Präteritum ersetzt:
F. Ich hätte nie gedacht, dass Modeln so viel Spaß bringt!
1. Ich hatte nie gedacht, dass Model so viel Spaß bringt!
2. Boah, ich hatte nie gedacht, dass Model so viel Spaß bringt!
Was bedeutet das für die Sprachkompetenz der Schüler? Wie schon erwähnt, ist das
Nichtbeachten bestimmter morphologischer Merkmale ein typisches Kennzeichen
der Lernersprache.
Die insgesamt angeführten Beispiele zeigen eine für die L2-Lerner charakteristische
Vorgehensweise beim Spracherwerb. Wenn Lernende ein sprachliches Phänomen
nicht verstehen oder eine Ausdruckskomponente nicht richtig anwenden können,
versuchen sie, die Äußerung auf andere Weise, und zwar mit ihnen bekannten Mitteln, zu konstruieren. Interessant ist, dass der Sinn der Äußerungen, da stark kontextgebunden, nicht wesentlich verändert, allenfalls abgeschwächt wird. Die präsentierten Beispiele lassen den Schluss zu, dass der Spracherwerb über unanalysierte
komplexe Äußerungen erfolgt, die erst später weiter aufgeschlüsselt werden.
15
Zur Lernersprache vgl. Selinker (1972).
113
c) Vollständige Wendungen mit Modifikationen beim ersten Rollenspiel
Bemerkenswert ist auch, dass die Schüler in manchen Fällen Modifikationen beim
ersten Rollenspiel durchführen, die Äußerungen bei der zweiten Inszenierung dagegen vollständig wie im Fotoroman wiedergeben; z.B. ersetzt man die Zustimmungspartikel okay durch die Doppelform gut gut, was zu einer Verstärkung der gesamten
Aussage führt. Zehn Wochen später werden die Formeln korrekt wiedergegeben.
Das Beispiel zeigt, dass der Proband bei den Rollenspielen eigenes Wissen aktivieren kann; der Ausdruck okay ist allen geläufig und wird durch Zusätze ergänzt:
F. Okay, du bist gebucht!
1. Gut gut okay, du bist gebucht!
2. Okay, du bist gebucht!
Im folgenden Beispiel ist eine ähnliche Strategie zu beobachten. Bei der ersten Aufnahme wird ..., oder? Cool vereinfacht, d.h. die Partikel oder? wird nicht übernommen. Sie wird aber memorisiert und lässt sich nach zehn Wochen wieder reproduzieren:
F. Zeig doch mal! Ich komme gut rüber, oder? Cool ...
1. Zeig mal! Ich komme gut rüber. Cool.
2. Zeig doch mal! Ich komme gut rüber, oder? Cool.
Mit der Rückversicherungsfrage oder? scheint der Sprecher von seinem Gesprächspartner einen möglichen Widerspruch zu erwarten. Der Hörer wird auf diese Weise
stärker involviert und praktisch zur Übernahme der Sprecherrolle aufgefordert. Natürlich rechnet der Ausgangssprecher eher mit einer zustimmenden Reaktion (vgl. Rehbein 1979).
Bei der ersten Präsentation wird oder? jedoch nicht übernommen, was den Charakter der Interaktion stark verändert. Der Sprecher verlangt hier nämlich keine Bestätigung, ohne die Rückversicherungsfrage erhält die Äußerung die Funktion einer Feststellung. Das Sprechhandlungsangebot wird im Fotoroman von den Romanfiguren
nicht beantwortet. Dementsprechend hat die Probandin auch keine Antwort erwartet
und von oder? gar keinen Gebrauch gemacht.
Transkriptionsausschnitt (14-18) aus der ersten Aufnahme
(14) Pat
Top/ eh Fo ((
Hast du schon gemodelt, ich arbeite ((2s)) ich arbeite for eine
Top/ eh Fo ((unv., 3s)).
(15) Biby
Warum fragt er • • nicht mich auch?
(16) Pat
• Oh, die Kleine ha/ • • habe ich ja • glatt • • übersehen.
(17) Trixi
((unv., 1s)).
(18) Trixi
Zeig mal! Ich komme gut rüber. Cool.
Bei der zweiten Aufnahme wird die ganze Äußerung komplett wiedergegeben (…,
oder? Cool). Interessant sind die vorangehenden Sprecherbeiträge, die hier ganz
anders ausfallen als bei der ersten Aufnahme; dies könnte für den anschließenden
Formelgebrauch bedeutsam gewesen sein.
114
Transkriptionsausschnitt (28-31) aus der zweiten Aufnahme
(28) Pat
Darf ich ein Foto von dich machen?
(29) Trixi Natürlich.
(30) Trixi Zeig doch mal! Ich komme gut ((unv., 0,3s)) rüber, oder?
(31) Trixi Cool.
Die vollständige Übernahme der Formel spricht dafür, dass der Lerner zwischenzeitlich die Funktion der Rückversicherungsfrage erkannt hat und sie entsprechend einsetzen kann.
Die obigen Beispiele zeigen, dass einige Diskursformeln, obwohl sie während des
ersten Rollenspiels variiert werden, innerhalb von zehn Wochen gefestigt und bei der
zweiten Aufnahme vollständig reproduziert werden. In der Zwischenzeit erfolgte also
ein Erwerbsprozess, der zur Aufschlüsselung der Formel und somit zur eigentlichen
Verwendbarkeit geführt hat.
Die Modifikationen können vom Situationskontext und von den vorangehenden Äußerungen abhängen. Wenn eine Äußerung anders als im Fotoroman formuliert wird,
dann ändert sich auch die Folgeäußerung und wird anders wiedergegeben. Es gibt
ebenso Formeln, die den Lernern aus ihrem Alltag bekannt sind; in diesen Fällen
versuchen sie, ihre eigenen Sprachkenntnisse durch Einfügungen, Auslassungen
oder durch Ergänzungen anzuwenden. Das Aktivierenkönnen individuellen sprachlichen Wissens hat bekanntlich entscheidenden Einfluss auf die Motivation und den
Erfolg beim Zweitsprachlernen.
d) Vollständige Wendungen mit Modifikationen während des zweiten Rollenspiels
Nicht nur bei der ersten Aufnahme sind kleine Modifikationen zu beobachten, auch
während der zweiten Präsentation haben die Probanden einige Ausdrücke geändert.
Es finden sich bestimmte Modifikationen bei der Satzstellung fester Wendungen, z.B.
wird die Einwortäußerung schade an den Satzanfang gestellt:
F. Mich würde so ein Typ niemals anmachen. Schade.
1. Mich werde ein Typ nie anmachen. Schade.
2. Schade. So ein Type würde mir nie wieder anmachen.
Im ersten Fall bezieht sich schade auf die unmittelbar vorangehende Selbstevaluation. Mit der Position am Satzanfang ergibt sich ein ganz anderer Sinn, schade bezieht
sich nunmehr auf die vorausgehende Äußerung von Trixi: Das glaube ich nicht (36).
Transkriptionsausschnitt (20-22) aus der ersten Aufnahme
(20) Biby
((2s)) Du bist doch nicht gebucht, vielleicht das/ • • eh vielleicht
war • nur ein Trick, (um) diese Nummer zu bekommen.
(21) Trixi
Ah egal, ((unv. 0,3s)) als Model ((unv. 0,3s)).
(22) Biby
Mich werde ein Typ nie anmachen. Schade.
Transkriptionsausschnitt (34-37) aus der zweiten Aufnahme
(34) Trixi
((unv., 2s)) Als Model.
(35) Biby
Du bist doch nicht gebucht, vielleicht • war das nur ein Trick, um ((unv., 2s))
Nummer zu bekommen.
(36) Trixi
Das glaube ich nicht.
(37) Biby
Schade. So ein Type würde mir nie wieder anmachen.
115
Beim Gebrauch der Wendung wäre es bei dir auch nicht getan kommt es bei der
zweiten Präsentation (Punkt 2) insofern zu einer Änderung, als das Pronomen es
nicht übernommen wird und die Konjunktion und an die Stelle der Partikel auch tritt.
Die Lernerin sagt zwar etwas, aber dies bleibt unverständlich, was möglicherweise
auch zu der Verwechslung geführt hat. Schließlich gelingt es aber, die Redewendung
ohne Fehler wiederzugeben:
F.
1.
2.
3.
Mit ein wenig Schminke und Haarspray wäre es bei dir auch nicht getan!
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre es bei dir auch nicht getan!
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre ((unv.,1s)) bei dir und nicht getan!
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre es bei dir auch nicht getan!
Für L2-Lerner können hier zwei Aspekte schwierig sein: die Konjunktivform wäre und
die unpersönliche Konstruktion es wäre nicht damit getan. Die Lernerin ist hinsichtlich der jeweiligen Bedeutung und der Verwendung von wäre und von es unsicher.
Darüber hinaus verändert die Probandin das Nomen Haarspray zu Haarsprayer
(möglicherweise in Anlehnung an Graffitisprayer).
Transkriptionsausschnitt (09-12) aus der zweiten Aufnahme
(09) Biby
Und was soll das sein – • • diese gewisse Etwas?
(10) Mutter
Ach, • • • ach Biby! Du konntest auch etwas • mehr für dich tun: eine neue
Frisur, ein bisschen Make-up.
(11) Biby
Keine Chance, Mum! Ich bleibe wie ich bin. Ich • wollte nicht sein wie Trixi.
(12) Trixi
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre ((unv.,1s)) bei dir und nicht
getan.
Transkriptionsausschnitt (19-22) aus der zweiten Aufnahme
(19) Biby
Was soll das sein – diese gewisse Etwas?
(20) Mutter
Ach Biby! Du konntest auch etwas • mehr für dich tun: eine neue Frisur,
ein bisschen Make-up.
(21) Biby
((3s)) Wie Trixi.
(22) Trixi
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre es bei dir auch nicht getan!
Die Formel das gewisse Etwas haben wird zuerst vollständig übernommen, jedoch
nach zehn Wochen kommt die Partikel schon hinzu, unter Punkt 2 zwischen den einzelnen Komponenten der festen Wendung und bei Punkt 3 vor der Wendung. Der
Lerner sucht nach einer lexikalischen Leerstelle und bemüht sich, sie mit einem variablen Element – der Modalpartikel schon – auszufüllen. Mit der Zerlegung der Konstruktion ist er jedoch überfordert: Der Artikel das eröffnet eine Nominalkonstruktion
und kennzeichnet Etwas als Nomen; der Lerner versteht gewisse aber zunächst als
direktes Objekt von haben und nicht als Attribut zu Etwas. Im Hauptsatz wurde schon
durch denn ersetzt. Nach der Häufigkeitsklasse des Leipziger Wortschatz-Portals16
wird schon seltener als denn verwendet.
F.
1.
2.
3.
16
Wer braucht schon Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse Etwas hat?
Wer braucht schon Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse Etwas hat?
Wer braucht denn Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse schon Etwas hat?
Wer braucht denn Kalorien, wenn er so wie ich schon das gewisse Etwas hat?
Wortschatz-Portal der Universität Leipzig, siehe http://wortschatz.uni-leipzig.de, zuletzt aufgerufen am 18.01.2010.
116
Die Wendung Biby hat den schwarzen Gürtel wurde bei der zweiten Aufnahme ohne
den bestimmten Artikel den und ohne die Endung -n beim Adjektiv schwarzen reproduziert. Der Lerner hat die Wendung, die sich auf eine bestimmte Rangstufe in
Kampfsportarten bezieht, offensichtlich nicht verstanden. Somit kann er sie bei der
ersten Präsentation nicht übernehmen; bei der zweiten versucht er die Formel wiederzugeben, aber mit falschem Genus. Obwohl die Wendung aus grammatischer Sicht
nicht richtig verwendet wird, ist es (wie auch bei den übrigen Beispielen) von Bedeutung, dass der Kern der Äußerung beibehalten wird.
F. Du gehst da nicht allein hin! Man weiß nie! Biby hat den schwarzen Gürtel. Du nimmst
deine Schwester mit, Trixi!
1. Du gehst da nicht allein hin! Man weiß nie! Du nimmst deine Schwester mit, Trixi!
2. Du gehst da nicht allein hin! Man wie nie! Biby hat schwarze Gürtel. Du nimmst deine
Schwester mit, Trixi!
Man kann beobachten, dass die Formeln jeweils so verändert werden, wie die Sprecher sie zuvor verstanden haben. Trotz der Modifikationen wird der Kern der wiedergegebenen Äußerungen so gut wie nicht verändert. Hat man die Formel-Bedeutung
erfasst, dann erfolgen formale Modifikationen, ohne allerdings den Inhalt der Äußerung zu ändern. Daraus kann man schließen, dass die Lerner die formelhaften Wortverbindungen holistisch erwerben, sie memorisieren und als Ganze wiederzugeben
suchen. Diese Strategie wird im folgenden Abschnitt am Beispiel von Variationen
weiter erläutert.
4.1.2. Variationen
Eine ausschlaggebende Rolle bei den Inszenierungen kommt dem Spiel mit sprachlichen Variationen zu. 38 Prozent der Wendungen werden während der Rollenspiele
von den Schülern modifiziert: vereinfacht, teilweise abgebrochen, zerlegt oder durch
andere variable Elemente ergänzt.
Die Vielfalt der in diesem Korpus untersuchten Beispiele zeigt, dass eine große Palette fester Wendungen von den Lernern verändert wird. Sie erscheinen in verschiedenen Variationen und Kombinationen. Aus der Materialsammlung können folgende
Variationstypen herausgearbeitet werden.
a) Einfügung
Aufgrund eigener Kommunikationserfahrungen und des erworbenen Sprachwissens
kommt es zu Differenzen zwischen den beiden analysierten Rollenspielen und den
vorgelegten Dialogtexten aus dem Fotoroman. In erster Linie betrifft dies den mündlichen Sprachgebrauch. Im Vergleich zu den Dialogtexten tauchen bei den Sprachaufnahmen des öfteren gesprochensprachliche Elemente auf: So werden von den
Probanden Interjektionen (boah, ei, oh Gott, juchu), Partikeln (ja, jo, -ne), Gruß- und
Abschiedsformeln (hallo, hi, ciao) bei den Rollenspielen zusätzlich eingesetzt, obwohl diese im Fotoroman gar nicht vorkommen.
Im Fotostudio begrüßt Trixi die Anwesenden anlässlich der ersten und der zweiten
Aufnahme mit der Grußformel Hi, da bin ich. Zur Einleitung eines Telefongesprächs
tauschen zwei Schüler die Formel Hallo aus. In einer anderen Aufnahme wird der
Wendung Ja ja, wir sehen uns morgen der Abschiedsgruß ciao hinzugefügt. Während in alltäglichen Interaktionen Eröffnungs- und Abschluss-Formeln regelmäßig
verwendet werden, fehlen diese Phasen im Fotoroman weitgehend. Die Schüler
können dieses Manko aufgrund eigener Erfahrungen jedoch leicht ausgleichen:
117
1. Wie siehst du denn aus? Du bist ja zugeknallt mit Make-up! Das muss alles runter!
2. Wie siehst du denn aus? Du bist ja zugeknallt mit Make-up. Das muss alles runter!
3. Hi, wie siehst du denn aus? Das ist schrecklich. Mach das runter!
F. Morgen um drei im Studio! Bitte komm ungeschminkt und mit frisch gewaschenen Haaren.
1. Hallo? Morgen um drei Uhr im Studio, bitte komm ungeschninkte und mit frische gewaschene Haare.
2. Hallo. Morgen um drei Uhr im Studio. Bitte komm pünktlich.
F. Ja, ja. Wir sehen uns morgen.
1. Ja, ja. Wir sehen uns morgen. Ciao.
2. Ja. Wir sehen uns morgen. Ciao.
Außer Grußformeln werden vielfach Interjektionen und Emotionsausdrücke zusätzlich verwendet, wodurch die Teilnehmer Einstellungen, Bewertungen und ganz allgemein ihr Engagement zu verstehen geben:
F.
1.
2.
3.
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen? Pink steht mir total super!
Oh Gott! Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen? Pink steht mit total super!
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen? Pink steht mir ...
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen? Pink steht mir total super!
Weitere Beispiele ließen sich anfügen.
Die nächste Gruppe sprachlicher Mittel mit hoher Frequenz sind die Partikeln. Im folgenden Beispiel wird die Formel kein Thema als Zustimmung zu einer Aufforderung
zusätzlich durch die Partikel ja bekräftigt. Ähnlich auch der Gebrauch von jo in der
darauf folgenden Äußerung Ich bekomme den Job und den Typ!
F. Kein Thema, ich bin doch Profi.
1. Kein Thema, ich bin doch Profi.
2. Ja, kein Thema, ich bin doch Profi.
F. Ich bekomme den Job UND den Typ!
1. Ich bekomme den Job und den Typ!
2. Ich bekomme den Job und den Typ, jo!
Die eingefügten Formeln zeigen, dass den Schülern an einer gelungenen Präsentation gelegen ist. Die Beispiele demonstrieren aber auch, dass die Teilnehmer zur Aktivierung von Vorwissen und zum Gebrauch solcher Ausdrücke in der Lage sind. Wegen unterschiedlicher Erfahrungen mit der Zweitsprache fallen die Variationen von
Sprecher zu Sprecher und von Kontext zu Kontext verschieden aus.
Der sprachliche Aneignungsprozess setzt sich aus gesteuerten und ungesteuerten
Elementen zusammen, die potenziell die Variabilität fester Wendungen erhöhen. Zugewanderte Jugendliche, die eine deutsche Schule besuchen, erwerben ihre Sprachkenntnisse in der Schule und gleichzeitig in alltäglichen Situationen. Die gespeicherten Erfahrungen der Lerner sind durch die Alltagskommunikation, durch Schule, Familie, Freunde, Wohnverhältnisse, Freizeitgestaltung, Printmedien, Internet, Fernsehen bedingt. Beim Spracherwerb wirken die einzelnen Faktoren zusammen.
Nach Burger / Buhofer / Sialm (1982: 201) gleichen sich die individuellen sprachlichen Erfahrungen mit dem Alter und mit zunehmender sozialer Integration aus. Die
Sprache prägt das menschliche Denken, die Sprecher machen ständig neue Erfahrungen, die sie mit schon bekannten sprachlichen Mitteln ausdrücken. Auch Hallsteinsdóttir (2001b) geht davon aus, dass gemeinsame Erfahrungen und überindividuelles Wissen über historische Ereignisse die Grundlage für den intertextuellen Be118
zug auf bestimmte Situationen bilden. Darüber hinaus verfügt der Lerner über eine
intralinguale fremdsprachliche Motivierungsbasis sowie vielfältige interlinguale Motivierungsstrategien:
„Die individuelle Erfahrungswelt der Sprecher, die aufgrund kollektiver Lebenserfahrungen
und überindividuellen Wissens Übereinstimmungen mit der Erfahrungswelt anderer Sprecher aufweisen kann, hat vor allem Einfluss auf die Motivierung durch Visualisierung und
logische Schlussfolgerungen, sowie die Erschließung von Informationen aus dem Kontext.“ (Hallsteinsdóttir 2001b: 301)
Auch im vorliegenden Projekt spielen frühere Erfahrungen mit der Zweitsprache und
individuelle Informationen eine bedeutende Rolle. Durch die Einfügungen von Grußformeln, Interjektionen und Partikeln haben die Schüler ein Stück Authentizität vermittelt und das Rollenspiel realistischer gemacht.
b) Ausgewählte Bestandteile von Wortkonstruktionen
Die Vielfalt der in diesem Korpus untersuchten Beispiele zeigt, dass eine große Zahl
fester Wendungen von den Lernern verändert wird. Die betreffenden Wortverbindungen erscheinen in verschiedenen Variationen und Kombinationen:
F. Wenn die wüsste, wie albern das aussieht! Und für den Laufsteg ist Trixi doch sowieso
viel zu klein.
1. Wenn sie wissen, wie albern das aussehe. Und für den Laufsteig ist Trixi doch sowieso
zu klein.
2. Ach, du bist sowieso zu klein.
F. Schleimen alle Models so krass?
1. Störe alle Model so krass?
2. Seh alle Model so doof aus?
Bei den obigen Wortkonstruktionen ist nur der Kern der Äußerungen geblieben: sowieso … zu klein, … alle … so …. Der Sprecher hat nur einen ausgewählten Teil der
Wortverbindung gebraucht und die fehlenden Elemente durch andere sprachliche
Mittel ersetzt. Beispielsweise ist die Komponente schleimen ungewöhnlich und den
Lernern unbekannt. Es wird nach einem situativ und semantisch passenden Ersatz
gesucht, der lautlich möglichst ähnlich ist. Diese drei Aspekte dürften für die Variation
entscheidend sein.
Die Beispiele veranschaulichen, dass die Lerner nach wiederkehrenden Elementen
in bekannten Wortverbindungen suchen. Sie überlegen, wo lexikalische Leerstellen
sind, und füllen sie dann mit variablen Teilen aus, formulieren eine intuitive Wendung
entsprechend der im Fotoroman gegebenen. Auf diese Weise ergeben sich syntaktische Muster, die mit verschiedenen Elementen kombinierbar sind. Diese Strategie
hat schon Wong-Fillmore (1979) in ihrem Aufsatz „Individual Differences in Second
Language Acquisition“ beschrieben:
“Thus the analytical process carried out on formulas yielded formulaic frames with abstract slots representing constituent types which could substitute in them, and it also freed
constituent parts of the formula to function in other constructions either as formulaic units
or as wholly analyzed items. Finally, when all of the constituents of the formula have become freed from the original construction, what the learner has left is an abstract structure
consisting of a pattern or rules by which he can construct like utterances.” (1979: 213)
Eine solche Vorgehensweise greift auch Aguado (2002) auf (vgl. Kap. 2.2). Beim Erwerb formelhafter Wortverbindungen erkennen die Lerner, dass die von ihnen gebrauchten komplexen Wortverbindungen aus kleineren Einheiten bestehen, die sie
119
segmentieren und analysieren, um sie schließlich in anderen Kontexten konstruktiv
und produktiv zu verwenden. Diese Strategie kann man sehr klar am Beispiel der
Konstruktion Schleimen alle Models so krass? beobachten, die nicht aufgelöst, sondern nur zerlegt und durch variable lexikalische Einheiten gefüllt wird. Dadurch wird
die Wortverbindung alle ... so ... zur festen Struktur. Das bedeutet, dass Konstruktionsmuster als Ganzheiten allein schon durch bestimmte Komponenten aktiviert werden können. Wenn die Bedeutung der einzelnen Lexeme den Lernern bekannt oder
aus dem Kontext ableitbar ist, dann wird auch eine konstante Bedeutungszuschreibung möglich.
Das Prinzip der syntaktischen Variabilität lässt Hinzufügungen, Weglassungen, Umstellungen, Ergänzungen, Vereinfachungen zu, die die lexikalisierte Festgeprägtheit
zu tolerieren hat (vgl. Gréciano 1992: 153). Die ganzheitliche Speicherung einer
Wendung ermöglicht also diverse Variationen, die insofern nachvollziehbar sind, als
die verbleibenden Elemente sich gesichert abrufen lassen. Diesen Sachverhalt formuliert Günthner folgendermaßen:
„Sie sind keine homogenen, starren Gebilde, sondern als Orientierungsmuster lassen sie
Ausgestaltungsspielräume: Interagierende können sich bei der Re-Aktualisierung je nach
Grad an Verfestigung und Produktivität eng an prototypische Modelle anlehnen, davon abweichen oder aber Mischformen kreieren bzw. Transformationen vornehmen.“ (2006: 187)
c) Vereinfachung
Einige Wendungen waren zu komplex, deswegen wurden sie vereinfacht. Es ist jedoch auch das Gegenteil denkbar: Eine Wortverbindung klingt so geläufig, dass ihre
Vereinfachung scheinbar offenkundig ist. Einige Lerner reduzieren folglich die betreffenden Konstruktionen und gehen davon aus, dass die Ergebnisse auch für den
Kommunikationspartner verständlich sind. Solche Vereinfachungen kennzeichnen
wiederum die Lernersprache. Die Lerner interpretieren bestimmte Wendungen auf ihre Art, ohne allerdings den Ausdruckskern zu berühren; dies bestätigt noch einmal
die zuvor genannte Strategie der Musterhaftigkeit. Einige Beispiele:
F. Ja, ja.
1. Ja, ja.
2. Ja.
F. Juchu, cool!
1. Juchu!
2. Juchu!
F. Halt endlich mal den Ball flach – und die Klappe!
1. Halt dein Klappe!
2. Halt du eigentlich deine Klappe!
Die Wendung den Ball flach halten kommt aus der Fußballsprache und ist dem Lerner wohl nicht bekannt; da von keinem Ball die Rede ist, läßt sie sich auch nicht
leicht in den Kontext integrieren.
F.
1.
2.
3.
4.
Stopp! Aus! Es reicht! Raus!
Stopp! Raus!
Stopp! Raus!
Raus! Weg!
Stopp! Raus!
Die Ausdrücke Aus! und Es reicht! sind beliebig austauschbar und wohl wegen ihrer
Erwartbarkeit weggelassen worden.
120
d) Ersetzung durch andere Lösungsmuster
Zahlreiche Konstruktionen werden auch durch andere Lösungsmuster ersetzt. Die
ersetzten Elemente zeigen, dass die Schüler die Wendungen nach zehn Wochen erkennen, mit einer bestimmten Situation verbinden und im Zusammenhang mit einem
ähnlichen Handlungsmuster wiedergeben können; hier demonstriert an den Interjektionen Cool und juchu juchu.
F. Cool, dann sehe ich den süßen Typen wieder!
1. Cool, dann sehe ich den süßen Typen wieder!
2. Juchu juchu, dann sehe ich den süßen Typen wieder!
Die Transkriptionsausschnitte aus der ersten und zweiten Aufnahme veranschaulichen wiederum die Kontextabhängigkeit des Interjektionen-Gebrauchs. Während des
zweiten Rollenspiels wird der Äußerung Juchu juchu, dann sehe ich den süßen Typen wieder! (45) noch ein anderer Redebeitrag vorangestellt (44), was zur Variation
geführt haben mag.
Transkriptionsausschnitt (25-29) der ersten Aufnahme
(25) Mutter
Du gehst nicht allein zu dem Sho/ • Shooting, wer wei/ • • wer weiß, was
für Foto die wollen haben.
{droht mit dem Finger}
(26) Mutter
Vielleicht ist das nur ein Trick.
(27) Mutter
Biby geht mit dir.
(28) Trixi
Wenn sein muss.
(29) Biby
Cool, dann sehe ich den süßen • • eh Typen wieder!
Transkriptionsausschnitt (40-45) der zweiten Aufnahme
(40) Mutter Du gehst nicht allein zu dem Shooting, wer weiß, was die für Fotos machen
wollen.
{droht mit dem Finger}
(41) Mutter Vielleicht ist das nur ein Trick.
(42) Mutter Biby begleitet dich.
(43) Trixi
Wenn sein muss.
(44) Trixi
Biby ist wenigstens keine Konkurrenz. Ich bekomme den Job und den Typ,
jo!
(45) Biby
Juchu juchu, dann ((1s)) sehe ich den süßen Typen wieder!
Im nächsten Beispiel wird der Ausdruck hat Potenzial durch hat Etwas ersetzt. In
diesem Fall ist der Kontext in beiden Aufnahmen gleich. Die Bedeutung von Potenzial ist für den Lerner unverständlich. Bei der ersten Präsentation ersetzt er Potenzial
durch Potenziell, bei der zweiten verwendet er eine ihm besser bekannte Formel (hat
Etwas).
F.
1.
2.
3.
4.
Die kleine Schwester hat Potenzial, die könnte einspringen.
Die kleine Schwester hat Potenziell, die könnte einspringen.
Die kleine Schwester, die hat Etwas.
Die kleine Schwester, die/ die hat Etwas, die könnte einspringen.
Die kleine Schwester hat Etwas, die könnte einspringen.
In gleicher Weise werden Abschiedsformeln durch bekanntere Ausdrücke ersetzt:
121
F. Ich rufe dich an und gebe dir die Details durch! Bis dann ...
1. Ich ruf dich an und gebe dir deine Daten doch. Bis dann.
2. Tschüss.
Die Formel tschüss tritt an die Stelle von bis dann. Die folgenden zwei Szenen geben
unterschiedliche Kontexte wieder. Im ersten Fall haben wir die Formeln Tschüss Leute! (48) und bis dann (50), im zweiten lediglich Tschüss (63).
Transkriptionsausschnitt (46-50) der ersten Aufnahme
(46) Biby
((2s)) (Will) Trixi, ob Pe eh/ Pat merkt, dass ich ihn mag?
(47) Trixi
((1s)) Komm, wir gehen Biby.
(48) Trixi
Tschüss Leute!
(49) Fotograf Das Shooting findet • in drei Tage am statt.
(50) Pat
Ich ruf dich an und • • • gebe dir deine • • Daten ((1s)) doch.
Bis dann.
Transkriptionsausschnitt (59-65) der zweiten Aufnahme
(59) Biby
Seh alle Model so doof aus?
(60) Pat
Ja, deine Schwester hat ihren eigenen Stil.
(61) Biby
So Mist.
(62) Trixi
Bis bald Leute, komm!
{Trixi fasst Biby an die Hand}
(63) Pat
Tschüss
(64) Trixi
Tschüss.
(65) Biby
Tschüss.
Im nächsten Fall geht es um die Ersetzung der Partikel doch durch ja:
F. Du spinnst doch total.
1. Du spinnt doch total.
2. Du spinnst/ du spinnst ja total.
Die Partikel doch drückt Widerspruch aus, die Partikel ja dagegen Feststellung, Bestätigung. Die Probandin Biby verwechselt die Ausdrücke (54, 73). Vor der Äußerung
Du spinnst ja total (73) finden sich noch andere Stellungnahmen (keine Ahnung, Das
weißt du) (71, 72). Möglicherweise hat dies den Wechsel von doch zu ja mit beeinflusst.
Transkriptionsausschnitt aus der ersten Aufnahme (51-54)
(51) Trixi
Ich muss noch Laufen üben.
(52) Biby
((3s)) Wenn sie wissen, wie albern das aussehe. • Und für den Laufsteig
ist Trixi doch sowieso zu klein.
(53) Trixi HalHalt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
(54) Biby
((1s)) Du spinnt doch • total. Denk lieber nach ü/ eh über nach deine
• eigene Werte.
122
Transkriptionsausschnitt aus der zweiten Aufnahme (68-73)
(68) Trixi
Als nächst das kommt der Catwalk, da muss ich nur Laufen üben.
(69) Biby
Ach, du bist ((unv., 0,5s)) sowieso zu klein.
(70) Trixi
Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
(71) Biby
((unv., 5s)) Keine Ahnung.
(72) Trixi
Das weißt du.
(73) Biby
Du spinnst/du spinnst ja total. Denk lieber noch deine eigenen • • Wer •
ne.
Mit der Ersetzung bestimmter sprachlicher Elemente geht meist auch eine Änderung
der Handlungsqualität der jeweiligen Äußerungen einher. Fallen feste Wortverbindungen weg, kommt es häufig zu abschwächenden Effekten.
Die hier angeführten Belege lassen den Schluss zu, dass feste Wendungen auf eine
ähnliche Art und Weise, nach einem bestimmten syntaktischen Grundmuster, immer
wieder neu gebildet werden, und genau dies erlaubt den wiederholten Gebrauch
einmal geprägter Wendungen. Festhalten kann man weiterhin, dass die vorgefundenen Variationen (Einfügungen, Vereinfachungen, Ersetzungen) die Kommunikation
keineswegs behindern müssen, da der Kern der Konstruktion und der Inhalt der vermittelten Information ja beibehalten werden.
“Such utterances through repeated or routine use quickly become associated with their related activities, and thus, can be readily interpreted and comprehended.” (Wong-Fillmore
1979: 210)
Im Sprachbewusstsein der Lerner wird ein bestimmter Ausdruck mit einer bestimmten Situation assoziiert, und im Zusammenhang mit ähnlichen Handlungsmustern
werden die vorgeprägten Formulierungsausdrücke wiedererkannt und wiedergegeben. Die Analyse lernersprachlicher Variationen dokumentiert, dass fertige sprachliche Konstruktionen in kleinere Bausteine zerlegt und neu kombiniert werden und im
weiteren Verlauf (des gesteuerten bzw. ungesteuerten Spracherwerbs) zur Reanalyse der Zielsprache führen. Das heißt, dass auch Variationen und Modifikationen einen wichtigen Indikator für den Erwerb fester Wendungen bilden.
4.1.3. Nicht übernommene Wendungen
Ein gewisser Anteil der festen Wendungen wird von den Teilnehmern nicht übernommen (12 Prozent). Sobald ein grammatischer Aspekt unbekannt ist, im Unterricht
nicht behandelt wurde oder die Lernenden mit einer Wendung noch nicht konfrontiert
wurden, kommt es zu Umformulierungen, Vereinfachungen oder zur Nicht-Übernahme. Ein einfaches Beispiel ist die Weglassung der Konjunktivform (wüsste) zugunsten des Indikativs (wissen); schließlich wird die Wendung durch die Interjektion ach
ersetzt:
F. Wenn die wüsste, wie albern das aussieht! Und für den Laufsteg ist Trixi doch sowieso
viel zu klein.
1. Wenn sie wissen, wie albern das aussehe, und für den Laufsteig ist Trixi doch sowieso
zu klein.
2. Ach, du bist sowieso zu klein
123
Auch bestimmte Ein- und Zweiwortäußerungen, z.B. na ja, tja, schade, werden nicht
immer übernommen. Für die Kommunikation sind sie jedoch oft nur von untergeordneter Bedeutung und sind nicht ausschlaggebend für die Verständigung:
F. Na ja, Biby ist wenigstens keine Konkurrenz.
1. ((1s)) Biby ist wenigstens keine Konkurrenz.
2. Biby ist wenigstens keine Konkurrenz.
Anders verhält es sich bei der Äußerung Du spinnst doch total mit deinem albernen
Schönheitswahn und dieser aufgemotzten Kriegsbemalung. Diese Formulierung ist
zu lang und zu schwierig, um von den Probanden noch zitiert zu werden. Längere
Konstruktionsteile werden, wenn überhaupt, nur bei der ersten Aufnahme übernommen; hier können sich die Lerner an den Wortlaut noch erinnern. Bei der zweiten
Aufnahme werden sie entweder frei interpretiert oder völlig weggelassen. Eine automatisierte Reproduktion längerer Äußerungen scheint für die Lernenden eine Hürde
zu sein:
F. Mensch. Lächel! Sei locker! Das süße Mädchen von nebenan, kein sexy Hexy! Natürlichkeit ist gefragt!
1. Mesch lächa, sei locker. Natuschkeit ist gefragt!
2. Sei locker, Baby. Sexy.
F.
1.
2.
3.
Biby hat einen ganz besonderen Look! Klasse...
Biby, Biby hat einen besonderes Look! Klasse!
Biby ist gut.
Biby ist cool.
F. Das hat gesessen! Hau bloß ab, du ewige Jungfrau.
1. Das hat gesessen! Hau bloß ab, ewige Jungfrau.
2. .............................................................................
F. Trixi hat Recht, ich bin eine graue Maus.
1. Ach, Trixi hat Recht, ich bin eine grause Maus.
2. ..........................................................................
F. Du spinnst doch total mit deinem albernen Schönheitswahn und dieser aufgemotzten
Kriegsbemalung …
1. ..........................................................................................................................
2. ..........................................................................................................................
Man darf annehmen, dass bestimmte Aspekte (wie z.B. der Konjunktiv II) nicht wiedergegeben werden, weil sie aus dem Unterricht nicht bekannt sind. Die Lerner sind
jedoch bemüht, bestimmte lernersprachliche Strategien anzuwenden, z.B. gegebene
Konstruktionen umzuformulieren oder zu vereinfachen, dies in der Hoffnung, dass
der Gesprächspartner sie versteht. Die Teilnehmer haben den Wunsch, möglichst
schnell und korrekt die entsprechende Sequenz wiederzugeben. Deswegen versuchen sie, mit mehr oder weniger Erfolg, ihre kognitiven Fähigkeiten einzusetzen, um
schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Die modifiziert formulierten Äußerungen
könnte man auch als kreativen, situationsbezogenen Gebrauch fester Wendungen
betrachten.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine große Zahl formelhafter Ausdrücke
(50 Prozent) vollständig wiedergegeben wird. An erster Stelle stehen hier Einwortäußerungen und nominale Wendungen, es folgen Anreden, Gruß- und Abschiedsformeln; auch diverse verbale Phraseologismen stellen kein Hindernis dar.
Bei der ersten Aufnahme werden feste Wendungen oft direkt übernommen, bei der
zweiten Aufnahme (zehn Wochen später) sind Verarbeitungsprozesse sichtbar, auf
124
die individuelle Erfahrungen einen großen Einfluss haben. Viele Wendungen (38
Prozent) werden verändert: vereinfacht, teilweise abgebrochen, durch andere variable Elemente ergänzt oder zerlegt. Im Vergleich zum Fotoroman treten bei beiden Inszenierungen häufiger Elemente der gesprochenen Sprache auf, z.B. ja, oh, ee,
okay, Na?, Cool, ne oder! Oh no! Die Vielfalt solcher Ausdrücke ist ein Beweis dafür,
dass frühere Erfahrungen mit der Zweitsprache für die Teilnehmer eine bedeutende
Rolle spielen.
Für die alltägliche Kommunikation sind auch Kontaktformeln, z.B. Hi, da bin ich!, Bis
bald, Leute! charakteristisch. Im Fotoroman wird dagegen in vergleichbaren Situationen nicht immer gegrüßt. Diese Lücken versuchen die Schüler auszufüllen. In jeder
Szene haben sie der Eröffnungs- und Abschiedsphase besonderen Wert beigemessen und die Rollenspiele durch zusätzliche Kontaktformeln bereichert.
12 Prozent der festen Wendungen werden nicht übernommen: Ausdrücke mit Konjunktivformeln, bestimmte Einwortäußerungen wie auch ganzheitliche Äußerungen.
Übernahme oder Nichtübernahme kann von verschiedenen Faktoren abhängig sein:
Länge und Komplexität der Äußerung oder mangelnde Kenntnis der grammatischen
Eigenschaften.
Aus diesen Ergebnissen lässt sich die These ableiten, dass die L2-Lerner formelhafte Wortverbindungen als Ganze abspeichern und sie auch ganzheitlich, manchmal
mit Variationen zu reproduzieren versuchen. An den präsentierten Beispielen ist erkennbar, inwieweit die Lerner eine Äußerung verstehen, sich mit ihr auseinandersetzen und nach einer Zeit der Verarbeitung imstande sind, den Kern der vorgeprägten
Formel wiederzugeben. Auch der Grad der Festigkeit zwischen den Wortverbindungen wächst mit der Zeit.
Als relevant erweist sich der Kontext; er kann zum Verstehen beitragen, da feste
Wendungen schneller in ihrer ganzheitlichen als in ihrer wörtlichen Bedeutung zu interpretieren sind. Für eine systematische und effektive Entwicklung der phraseologischen Kompetenz wäre es also wichtig, entsprechende Ausdrücke in möglichst umfassenden Kontexten zu präsentieren und zu bearbeiten. Je umfassender der Kontext, desto weniger Zeit braucht man in der Regel, um feste Wendungen zu verstehen.
Die genannten Beispiele zeigen auch sehr deutlich einen Zusammenhang zwischen
der Länge der Wendung und der anschließenden Wiedergabe. Die nicht wieder aufgenommenen Äußerungen sind meist sehr lang. Aufgrund des begrenzten Arbeitsgedächtnisses sind die Lerner mit der Memorisierung und der Wiedergabe der Wendungen überfordert, ein Punkt, der bei der unterrichtlichen Behandlung zu berücksichtigen wäre.
4.2.
Syntaktische Klassifizierung fester Wendungen
In diesem Abschnitt wird die strukturelle Seite fester Ausdrücke thematisiert. Es ist zu
zeigen, dass formelhafte Wortverbindungen einen direkten Einfluss auf den Grammatikerwerb haben und dass Lerner anhand von unanalysierten Einheiten grammatische Strukturen imitieren und erwerben können.
Bestimmte grammatische Strukturen der deutschen Sprache werden schrittweise
nach einer festen Phasenabfolge erschlossen (vgl. Grießhaber 2006: 73f.). Das
heißt, der Erwerb läuft hier in einer bestimmten chronologischen Reihenfolge ab; es
werden zuerst überwiegend bruchstückhafte Äußerungen mit nur wenigen finiten
125
Verben in verschiedenen Schritten zu Äußerungen mit komplexen Prädikaten ausgebaut.
Als Beispiel für diese Erwerbsstufen ist die Untersuchung von Erika Diehl u.a. (2000)
zu nennen. Diehl u.a. untersuchten den gesteuerten Erwerb des Deutschen bei Lernern, deren Muttersprache Französisch war. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der
Grammatikerwerb im Verbalbereich in festen Abfolgen vollzieht. In ihrer Studie verweisen die Autoren auf die besondere Rolle von Chunks; d.h., die Lerner verwenden
in der ersten Phase des Spracherwerbs vorwiegend Verben im Infinitiv. Es handelt
sich hier um unanalysierte formelhafte Wendungen, die als ganze auswendig gelernt
werden. Das bedeutet, dass die Lerner oft richtige Flexionsformen verwenden, ohne
ihre grammatische Struktur zu durchschauen. Der frühe Erwerb nicht analysierter
Einheiten spricht für ihren Einsatz schon in der ersten Phase des Zweitspracherwerbs. In der zweiten Erwerbsphase entwickeln die Lerner die Konjugation der finiten
Verben. In dieser Phase kann es zur Übergeneralisierung einzelner Personalformen
kommen, z.B. Du kommt aus Kongo. Dabei wird die regelmäßige Konjugation mit der
unregelmäßigen verwechselt, z.B. sie lest, er nehmt. Die selbst gebildeten Formen
zeigen, dass der Lerner sich zunächst auf die Bildung der regelmäßigen Formen
konzentriert; erst dann versucht er die Regel der Zielsprache zu erschließen. In dem
Fall handelt es sich möglicherweise auch um Chunks, da die Lerner nicht in der Lage
sind, die richtige Form zu bilden. Die dritte Phase beginnt mit der Erschließung der
unregelmäßigen Verben, einschließlich zweigliedriger Prädikate. In den nächsten
Phasen werden Perfekt, Präteritum und Verbalmorphologie erworben.
Für Diehl u.a. (2000) kommt den nicht analysierten formelhaften Wendungen eine
besondere Rolle zu, bezüglich ihrer Verbindung zwischen dem Lexik- und Grammatikerwerb erhalten sie noch zusätzliches Gewicht. Die Aktivierung von Wörtern mittels
fester Wendungen hat den Vorteil, dass durch die Kombination bekannter Elemente
eine mehrfache Vernetzung im Gedächtnis erfolgen kann. Die Lerner können die Bedeutung neuer Wortbildungsstrukturen erschließen und auch selbst nach gegebenen
Mustern neue Verbindungen produzieren. Beim Erwerb fester Wendungen erkennen
Lernende, dass die Konstruktionen aus kleineren Einheiten bestehen; sie imitieren
diese Konstruktionen und analysieren die Beziehungen zwischen den jeweiligen Einheiten und verwenden dann diese Muster in anderen Kontexten. Auf diese Weise
findet ein direkter Einfluss formelhafter Wortverbindungen auf den Grammatikerwerb
statt (vgl. Aguado 2002).
Gülich (1997), Elsen (1999), Diehl u.a. (2000) und Aguado (2002) weisen festen
Wendungen ein erhebliches Erwerbspotential zu.17 Hieran anschließend werden nun
anhand fragmentarischer Äußerungen einige syntaktische Strukturen und deren lexikalische Füllung präsentiert. Die folgende Einteilung formelhafter Wortverbindungen
nach grammatischen Konstruktionsmustern soll zeigen, dass L2-Lerner anhand von
festen Wendungen in der Lage sind, syntaktische Strukturen zu imitieren, zu memorisieren sowie die ihnen zugrunde liegenden Regeln zu extrahieren und anzuwenden.
Man kann auch beobachten, wie zielsprachliche grammatische Strukturen in der Lernersprache variieren; so wird deutlich, inwieweit es sich um ein vom Kontext abstrahiertes Muster handelt.
In den anschließenden Abschnitten werden Sprachgebrauchsmuster aus dem untersuchten Fotoroman gruppiert; diese reichen von einzelnen Einheiten über Teilsätze
17 Vgl. dazu genauer Kap. 2.2.
126
bis hin zu vollständigen Sätzen. Es lassen sich zwei Gruppen fester syntaktischer
Strukturen festhalten:
Verblose Strukturen
Verbale Strukturen
I. Einwortäußerungen
II. Zweiwortäußerungen
III. Mehrwortäußerungen
I. Infinite Verbformen
II. Finite Verbformen
Die verblosen Strukturen bereiten kaum Schwierigkeiten, in einigen Fällen sind lediglich geringe Modifikationen zu beobachten (vgl. 4.1.2). Betrachtet man nun, wie die
verbalen Strukturen übernommen werden, ist festzuhalten, dass Lerner anhand fester Wendungen die Regel der Verb-Erst-Stellung, der Verb-Zweit-Stellung in Hauptsätzen und auch der Verb-End-Stellung in Nebensätzen imitieren und lernen können;
z.B.:
F.
1.
2.
3.
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
Oh Gott! Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
F. Du spinnst doch total.
1. Du spinnt doch total.
2. Du spinnst / du spinnst ja total.
F. Hi, da bin ich!
1. Hi, da bin ich!
2. Hi, da bin ich!
F. Schön, dass du pünktlich bist!
1. Schön, dass du pünktlich bist!
2. Schön, dass du pünktlich bist.
F.
1.
2.
3.
Wer braucht schon Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse Etwas hat?
Wer braucht schon Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse Etwas hat?
Wer braucht denn Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse schon Etwas hat?
Wer braucht denn Kalorien, wenn er so wie ich schon das gewisse Etwas hat?
Auch Imperativformen werden übernommen:
F. Halt endlich mal den Ball flach – und die Klappe!
1. Halt dein Klappe!
2. Halt du eigentlich deine Klappe!
F. Halt bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
1. Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
2. Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
Die Lerner behandeln halt und halt’s als Verbformen, die dann als Basis für die ganze Äußerung dienen; die anderen Wortverbindungen werden als variable Elemente
verwendet.
Zu nennen sind als feste grammatische Strukturen außerdem Modalverben mit Infinitivkonstruktionen (sie kann … Klamotten tragen). Die Schüler wissen, dass Modalverben in Verbindung mit Infinitivkonstruktionen verwendet werden und sehen hier
somit eine feste Struktur. Die anderen Teile der Äußerung werden oft variiert. Gleiches gilt für Modalverben mit Präpositionalphrasen (z.B. ich muss ... auf meine Linie
achten).
127
F. Na toll, ich brauche doch keinen Bodyguard – noch nicht! Aber okay, sie kann meine
Klamotten tragen!
1. Na toll, ich brauche doch keinen Bodyguard – noch nicht! Aber okay, sie kann meine
Klamotten tragen!
2. Na toll, ich brauche doch gar keinen Bodyguard. Aber okay, die kann meine Klamotten
tragen!
F.
1.
2.
3.
Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
Die genannten Beispiele illustrieren, dass die Kombinationen mit Modalverben + Infinitivkonstruktionen zu einer festen Wortverbindung neigen.
Die Beispiele belegen, dass innerhalb der genannten syntaktischen Strukturen Konstruktionsmuster mit Leerstellen zu erkennen sind, die mit verschiedenen lexikalischen Komponenten gefüllt werden können. An den übernommenen formelhaften
Sequenzen wird sichtbar, dass die Lerner die Grundmuster erkennen und extrahieren können und die variablen Stellen mit anderen Elementen füllen, z.B.
F. Schleimen alle Models so krass?
1. Störe alle Model so krass?
2. Seh alle Model so doof aus?
F. Pssst, Flirt-Alarm!
1. Oh pssst, guck mal!
2. Pssst, Flirt- Alarm!
F.
1.
2.
3.
3.
Oh, Moment mal!
Oh, Moment mal!
Oh, Moment mal!
Nein.
Oh, warte mal !
F.
1.
2.
3.
4.
Die kleine Schwester hat Potenzial, ...
Die kleine Schwester hat Potenziell, ...
Die kleine Schwester, die hat Etwas.
Die kleine Schwester, die/die hat Etwas, ...
Die kleine Schwester hat Etwas, ...
In der Regel lehnen sich die reproduzierten Sequenzen der Schüler an die festen
Wendungen im Fotoroman an, aber sie entsprechen ihnen nicht in allen Teilen. Die
Sprecher greifen oft auf Vereinfachungs- und Ersatzstrategien zurück. Nicht alle Äußerungen sind immer grammatisch korrekt gebildet; wesentlich ist aber, dass sie nicht
aufgelöst, sondern ganzheitlich wiedergegeben werden.
Die analysierten Beispiele veranschaulichen, dass die Schüler beim Erwerb fester
Wendungen zugleich grammatische Formen und Relationen lernen, denn viele verfestigte Muster entsprechen in großen Teilen standardgrammatischen Regeln. Mit
Hilfe formelhafter Verknüpfungen erwerben die Lerner korrekte grammatische Strukturen der Zielsprache, z.B. die Tempusformen, die Wortstellung in Haupt- und Nebensätzen, Satzkonstruktionen mit Modalverben, Verben mit Akkusativergänzung.
Die Ausführungen dokumentieren, dass Lerner beim Erwerb einer neuen Form oder
Konstruktion feste Syntagmen memorisieren und diese dann syntaktisch analysieren
128
und Regeln extrahieren.18 Die extrahierten syntaktischen Muster beeinflussen den
Kern der grammatischen Konstruktionen nicht. Sie sind vielmehr durch pragmatische
Faktoren wie Sprechhandlung oder semantisch-kommunikative Funktionen bedingt.
Mit der Zeit entdecken die Lerner bestimmte Muster und Strukturen, die sie beim
Lernen auf neu gebildete Wendungen übertragen und in verschiedenen Kontexten
einsetzen.
Zum Beispiel ist der Lerner, sobald er eine gewisse Anzahl von Sätzen mit Modalverben gehört oder wiederholt hat, in der Lage, wiederkehrende Muster zu erkennen
und zu verwenden; zur Begründung vgl. Elsen (1999: 209):
„Wenn beispielsweise eine lexikalische Einheit wiederholt verarbeitet wird, werden die
entsprechenden Knoten über ihre Verbindungen immer häufiger in der angestrebten ‚richtigen‘ Kombination aktiviert, so dass sich mit der Zeit ein eigener Aktivierungspfad, ein bestimmtes Aktivierungsmuster, herausbildet. Abweichende konkurrierende Muster werden
seltener aktiviert und werden schließlich schwächer, bis sie beinahe aussterben. Darum
ist die Verarbeitungsfrequenz einer Einheit ein wichtiger Faktor. Aber auch qualitative
Aspekte spielen eine Rolle: etwas Interessantes, Auffälliges wird schneller gelernt als etwas Uninteressantes – das Aktivierungsmuster ist sofort sehr stark.“
Lerner können viele Äußerungen neu und kreativ bilden, indem sie einzelne Muster
neu zusammenfügen. Die Muster ändern sich nicht und bleiben für die Sprachproduktion verfügbar. Dabei werden Routineformeln mit kreativen Elementen verknüpft.
So gesehen, tragen feste Wendungen sowohl zur produktiven und kreativen Äußerungsformulierung als auch zur Reproduktion bestimmter Formulierungsmuster.
Die Untersuchung hat deutlich gemacht, dass feste Wendungen für die Lernenden
schon in einer frühen Phase des Zweitspracherwerbs wichtig sind, da sie nicht nur
die Wortschatzerweiterung, sondern auch den Grammatikerwerb fördern können.
Das erlaubt den Schluss, dass man bei der Strukturierung des Sprachunterrichts und
bei der Vermittlung der Grammatik die funktionalen und pragmatischen Aspekte des
Erwerbsverlaufs stärker berücksichtigen sollte. Das Lehrmaterial sollte stärker nach
den Bedürfnissen der Lerner ausgerichtet und entsprechend adaptiert werden. Es sei
speziell das explorative Lernen empfohlen, das den Schülern erlaubt, Regeln selbst
zu entdecken und entsprechend zu verarbeiten. Auf diese Weise erworbene Kenntnisse werden besonders gut verankert und sind damit besser anwendbar.
Im Folgenden werden ausgewählte Beispiele fester Wendungen aus dem untersuchten Fotoroman nach syntaktischen Mustern gruppiert.
VERBLOSE STRUKTUREN
I. Einwortäußerungen
II. Zweiwortäußerungen
III. Mehrwortäußerungen
Okay
Tja, ...
Aus!, Raus!
Perfekt!
Klasse …
Wahnsinn!
…, versprochen!
Schade…
Na toll, …
Wie bitte?
Kein Thema, …
Keine Chance …
Nie wieder …
Vielen Dank!
Ja, ja.
Bis dann ...
Na, du süße Maus.
…, du hässliches Entlein!
… dieses gewisse Etwas?
Diese kleine Ratte ...
Oh, Moment mal!
Ach, nicht nötig!
Bis bald, Leute!
18
,Extraktion‘ ist Grießhaber (2009) entlehnt.
129
VERBALE STRUKTUREN
I. Infinite Verbformen
• Partikel mal + Verb im Infinitiv: Mal sehen, …
• Infinitivkonstruktion mit zu: Kaum zu glauben, dass die beiden Schwestern sind.
II. Finite Verbformen
1.
Unpersönliche Verben
1.1. Indikativ
• Konstruktionen mit sein (Das ist doch ein Scherz, oder?!)
• Konstruktionen mit anderen Verben
es + finites Verb (Es reicht!)
man + finites Verb (Man weiß nie!)
Perfektform mit Hilfsverb haben (Das hat gesessen!)
Modalverb + Vollverb (Und was soll das sein, …?)
1.2. Konjunktiv
• Konstruktionen mit Formen von sein
(Mit ein wenig Schminke und Haarspray wäre es bei dir auch nicht getan!)
2.
Persönliche Verben
2.1. Indikativ
• Konstruktionen mit sein:
(Trixi hat Recht, ich bin eine graue Maus.)
(Hi, da bin ich!)
(Was, das bin ich?!)
(Trixi denkt, sie ist cool.)
(Du bist echt talentiert!)
• Konstruktionen mit anderen Verben:
((Trixi) denkt, … Wir sehen uns morgen.)
Modalverb + Vollverb
(Aber okay, sie kann meine Klamotten tragen!)
(Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?)
(Musst du eigentlich schon morgens auf Tussi machen?)
(Ich muss sowieso auf meine Linie achten.)
• Finite Verben mit Ergänzungen:
Finites Verb + Akkusativergänzung: (Perfekt! Du hast Es!)
(Trixi hat Recht, ...)
(Deine Schwester hat ihren eigenen Stil!)
(Die kleine Schwester hat Potenzial, …)
(Biby hat den schwarzen Gürtel.)
(Biby hat einen ganz besonderen Look!)
(Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!)
(Aber ich hatte doch noch gar keine Chance zu zeigen, was ich kann.)
(Ich bekomme den Job UND den Typ!)
Finites Verb + Adverbialergänzung: (Du spinnst doch total.)
(Schleimen alle Models so krass?)
130
Finites Verb + Adverbialergänzung + Präpositionalergänzung:
(Du spinnst doch total mit deinem albernen Schönheitswahn und dieser aufgemotzten Kriegsbemalung.)
• Finite Verben im Nebensatz
(Schön, dass du pünktlich bist!)
(Ich hätte nie gedacht, dass Modeln so viel Spaß bringt!)
(Wer braucht schon Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse Etwas hat?)
(Wenn’s sein muss.)
2.2. Konjunktiv
• Konjunktivkonstruktionen im Hauptsatz:
(Ich hätte nie gedacht, dass Modeln so viel Spaß bringt.)
(…das müsstest du als Mauerblümchen doch wissen ...)
• Konjunktivkonstruktionen im Nebensatz:
(Wenn die wüsste …)
2.3. Imperativ
• Verben im Imperativ:
(Stopp!)
(Entschuldige)
(Komm, ich helfe dir, …)
Trennbares Verb im Imperativ: (Und pass mal auf, …)
• Imperativformen mit Ergänzungen
Trennbares Verb im Imperativ + nominale Phrase als Subjekt:
(Hau bloß ab, du ewige Jungfrau.)
Verb im Imperativ + Akkusativergänzung:
(Halt endlich mal den Ball flach – und die Klappe!)
Verb im Imperativ + Akkusativergänzung + nominale Phrase als Subjekt:
(Halt bloß die Klappe, du hässliches Entlein!)
4.3.
Transkriptionszeichen
01
laufende Segmentnummer im Beispiel
((xs))
x-sekündige Pause
((unv., xs))
nicht verständlich
(xxx)
schwer verständlich
/
Reparatur
...
Abbruch (Äußerung wird nicht beendet)
•
stockender Verlauf
••
Stocken unter 1sek.
•••
Stocken über 1sek.
{
}
Kommentar
131
5.
Zusammenfassung
Die dargestellte Umsetzung erfolgte in zwei Schritten: Zunächst wurden die im Korpus belegten festen Wendungen nach ihrer Realisierungsweise systematisiert und
analysiert. Anschließend erfolgte eine Gliederung nach syntaktischen Kategorien.
Die Vielfalt der im Korpus enthaltenen Beispiele zeigt, dass die vorgeprägten Wendungen verschiedene Variationen und Abwandlungen zulassen, ohne dass ihre
Grundbedeutung verloren geht. Diese vielfältigen Modifikationen sind möglich, weil
zahlreiche phraseologische Wortverbindungen einen festen Kern haben, der mit variablen lexikalischen Komponenten aufgefüllt werden kann.
Die meisten der übernommenen Wendungen drücken Emotionen aus; diese Ausdrücke werden offenbar schneller und dauerhafter im Gedächtnis abgespeichert als
andere Ausdrücke.
Ein Vergleich der untersuchten Rollenspiele ergab, dass feste Wendungen einen direkten Einfluss auf den Grammatikerwerb haben. Man kann generell feststellen, dass
formelhafte Ausdrücke immer wieder nach einem bestimmten syntaktischen Muster
neu gebildet werden. Solche Muster sind erwerbsfördernd, weil ihnen produktive Regeln zugrunde liegen, die leicht zu memorisieren und zu extrahieren sind und dadurch eine wiederholte Anwendung erlauben.
Insgesamt legen die Befunde den Schluss nahe, dass neben dem Regelerwerb auch
gedächtnisbasiertes Lernen beim Erwerb fester Wendungen eine wichtige Rolle
spielt. Den Ausgangspunkt bilden dabei komplexe, unanalysierte Wortverbindungen,
deren interne Struktur im weiteren Verlauf aufgedeckt wird. Dies trägt zur Beherrschung korrekter zielsprachlicher Muster bei. Der Erwerb fester Ausdrucksmuster ist
eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer mentalen Grammatik und schlägt
eine Brücke zwischen dem Lexik- und dem Grammatikerwerb. Von daher sollten
Überlegungen, die die Relevanz und die Vermittlung formelhafter Äußerungen betreffen, auch verstärkt Deutschlehrkräften bewusst gemacht werden.
Literaturverzeichnis
Primärtext
Fotoroman: Model-Träume. In: Bravo Nr. 13 vom 22.März 2006, 54-59.
Sekundärliteratur
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angewandte Linguistik 37, 27-49.
Baur, R.S. / Ostermann, T. (1999): Erwerb von Phraseologismen durch Aussiedler aus Russland. In:
Baur, R.S. / Chlosta, Ch. / Piirainen, E. (Hrsg.): Wörter in Bildern – Bilder in Wörtern. Baltmannsweiler, 47-70.
Baur, R.S. / Chlosta, Ch. / Piirainen, E. (Hrsg.) (1999): Wörter in Bildern – Bilder in Wörtern. Baltmannsweiler.
Brinkschulte, M. / Grießhaber, W. (2000): Übernahme und Kreativität auf dem Weg zur Konvention. In:
PALM 03/00 Münster.
Burger, H., unter Mitwirkung von H. Jaksche (1973): Idiomatik des Deutschen. Tübingen.
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135
Anhang
136
137
138
139
140
141
Transkription der ersten Videoaufnahme
(01) Biby
Musst du eingentlich schon morgens auf Tussi machen?
(02) Mutter
• • Komm, ich helfe dir, bis dein Nagellack ((2s)) ganz trocken ist.
(03) Trixi
Ah, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
(04) Trixi
Wer braucht schon Kalorien, wenn er • so wie ich das gewisse Etwas hat?
(05) Biby
Und was soll das sein – diese gewisse Etwas?
(06) Mutter
Aber du Bi/ aber • • • Biby! Du konntest auch • • • mal etwas mehr für dich
tun: eine neue Frisur, etwas Make-up.
(07) Biby
• • • Keine Chance, Mum! Ich bleibe wie ich bin. Ich werde nie • wie • Trixi.
(08) Mutter
Kaum zu glauben, dass • die • beide Schwester sind.
(09) Biby
Hm, hm.
{leise singend }
(10) Trixi
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre es bei dir auch nicht getan!
(11) Biby
Nie wieder Einkaufen mit Trixi.
{müde }
(12) Trixi
Oh pssst, guck mal! Der Typ da starrt mich an.
(13) Pat
((2s)) Entschuldige, hast du kurz Zeit für mich?
(14) Pat
Hast du schon gemodelt, ich arbeite ((2s)) ich arbeite for eine • Top/ eh Fo
((unv., 3s)).
(15) Biby
Warum fragt er • • nicht mich auch?
(16) Pat
• Oh, die Kleine ha/ • • habe ich ja • glatt • • übersehen.
(17) Trixi
((unv., 1s)).
(18) Trixi
Zeig mal! Ich komme gut rüber. Cool.
(19) Biby
Das geht nicht.
(20) Biby
((2s)) Du bist doch nicht gebucht, vielleicht das/ • • eh vielleicht war • nur
ein Trick, (um) diese Nummer zu bekommen.
(21) Trixi
Ah egal, ((unv. 0,3s)) als Model ((unv. 0,3s)).
(22) Biby
Mich werde ein Typ nie anmachen. Schade.
(23) Trixi
Der Caster hat angerufen, ich bin eingeladen ins Fotostudio!
(24) Biby
Oh no! Wenn sie • jetzt • wieder eh ((2s)) modelt werde, werde sie noch un
• ausstehlicher.
(25) Mutter
Du gehst nicht allein zu dem Sho/ • Shooting, wer wei/ • • wer weiß, was
für Foto die wollen haben.
{droht mit dem Finger}
(26) Mutter
Vielleicht ist das nur ein Trick.
142
(27) Mutter
Biby geht mit dir.
(28) Trixi
Wenn sein muss.
(29) Biby
Cool, dann sehe ich den süßen • • eh Typen wieder!
(30) Trixi
((1s)) Biby ist wenigstens keine Konkurrenz. Ich bekomme den Job und
den Typ!
(31) Trixi
Hi, da bin ich.
(32) Pat
Schön, dass du pünktlich bist! Ich stelle/ • • ich stelle dich gleich dem Fotografen vor.
(33) Trixi
Geil! Mein erster Modelauftrag, aber garantiert nicht mein letzter.
(34) Pat
Moment, das hier sind ((2s)) erste Mal nur Pr/• Proben, du hast deinen Job
noch nicht.
(35) Trixi
Wie bitte?
{schnell }
(36) Trixi
Muss ich mich noch beweisen. Reicht mein Optik denn nicht?
{schnell }
(37) Biby
Mode ist eh eben doch nicht gute Aussehe.
(38) Fotograf ((8s)) Zeig, was du kannst!
(39) Trixi
((5s)) Sie bekommen mich zum Sonderpreis.
(40) Fotograf ((2s)) Gut • • gut ((1s )) okay, du bist gebucht!
(41) Trixi
Juchu! Isch werde Sie nicht enttäuschen, versprochen!
(42) Biby
(Störe) alle • eh Model so krass?
(43) Pat
Deine Schwester hat eigenen • • • stelle mal se/ se wie weit sie kommt
dann.
(44) Biby
((2s)) Mist, das bin ich doch • eh gefolgt.
(45) Biby
((2s)) Hä?
(46) Biby
((2s)) (Will) Trixi, ob Pe eh/ Pat merkt, dass ich ihn mag?
(47) Trixi
((1s)) Komm, wir gehen Biby.
(48) Trixi
Tschüss Leute!
(49) Fotograf Das Shooting findet • in drei Tage am statt.
(50) Pat
Ich ruf dich an und • • • gebe dir deine • • Daten ((1s)) doch. Bis dann.
(51) Trixi
Ich muss noch Laufen üben.
(52) Biby
((3s)) Wenn sie wissen, wie albern das aussehe. • Und für den Laufsteig
ist Trixi doch sowieso zu klein.
(53) Trixi
Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
(54) Biby
((1s)) Du spinnt doch • total. Denk lieber nach ü/ eh über nach deine
• eigene Werte.
143
(55) Trixi
• • Fotografen stehen • auf innere Werte nich - ob Jungs oder nicht, da
musst du als Mauerblümchen doch wissen.
(56) Biby
((1s)) Geht vielleich …
(57) Trixi
Das hat gesessen! • Hau bloß ab, ewige Jungfrau.
(58) Biby
((3s)) Es ist vielleicht nur um Optik?
(59) Biby
Ich habe mich/ ((3s)) ich habe mich im Peter Lächeln verknallt, nich • in
seine • Aussehe, aber • bei dem habe ich wohl • ((unv. 0,3s)) keine Chance.
(60) Biby
Ach, Trixi hat Recht, ich bin eine grause Maus.
{seufzend }
(61) Pat
Hallo?
(62) Trixi
Hallo.
(63) Pat
Morgen um drei Uhr im Studio, bitte komm • • ungeschminkte und mit • frische ge/ gewaschene Haare.
(64) Trixi
• • Kein Thema, ich bin doch Profi.
(65) Pat
Okay, aber richtig Biby bitte viel Grüße aus.
(66) Trixi
Ja, ja. Wir sehen uns morgen. Ciao.
(67) Pat
Ciao.
(68) Mutter
Du gehst da nicht allein hin!
(69) Mutter
Man weiß nie! Du nimmst deine Schwester mit, Trixi!
(70) Trixi
Na toll, ich brauche doch keinen Bodyguard – noch nicht! Aber okay, sie
kann meine Klamotten tragen.
(71) Biby
Hm yeah, dann seh ich • Pan wieder.
(72) Biby
Na sister, da wohl hast du nicht gerechnet?!
(73) Trixi
Hi, da bin ich!
(74) Fotograf Wie siehst du denn aus? Du bist ja • zugeknallt mit Make-up.
(75) Fotograf Das muss • alles runter.
(76) Pat
Ich hab ihr gesagt ungeschminkt.
(77) Trixi
• • Aber ungeschminkt verlasse ich nicht das Haus.
(78) Trixi
So bringe ich nicht den Müll raus.
(79) Biby
((1s)) Pat ist eh total eh genervt von Trixi, ob er merk/ ob er mich jetzt
endlich bemerkt.
(80) Biby
Na, du süße Maus.
(81) Trixi
Biby, auf zu spielen, • • hol mir lieber was zu trinken!
(82) Visagistin Gewöhn du dir lieber al/ einen anderen Ton an.
144
(83) Trixi
Die Farben stehen mir gar nicht, das ist mein Stil, außerdem bekomme ich
davon garantiert Pinkel.
{mit hoher Stimme }
(84) Visagistin Halt dein Klappe!
(85) Trixi
Oh Gott.
{seufzend }
(86) Trixi
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
(87) Trixi
Pink steht mir total super.
(88) Visagistin Hier geht es nicht um deinen persönlichen Geschmack, zieh endlich diese
Top an und zwar ohne Kommentar • und pass auf, • • • es ist ganz easy,
du sollst ei/ als Model funktionieren, deine Meinung • • • interessiert hier
nicht.
(89) Fotograf Mesch lächa, sei locker.
(90) Fotograf Natuschkeit ist gefragt.
(91) Pat
Trixi denkt, sie • ist cool dra/ dabei macht • sie • sich • • nur lächerlich!
Schade ...
(92) Trixi
Na? Bin ich gut oder bin ich super?
(93) Trixi
Die Posen hab ich alle zu Hause geübt!
(94) Trixi
Cool, ne oder?
(95) Fotograf Das muss alles lockerer, kuschel man den Chi.
(96) Trixi
Iiich, der Köter haart und stinkt! Mir wird hübel.
(97) Trixi
((1s)) Die Ratte mach mir nervös! So kann ich nich mich konzentrieren.
(98) Fotograf Stopp!
(99) Fotograf ((1s)) Raus!
(100) Trixi
Aber ich hatte doch gar keine Chance zu zeigen, was ich kann.
{weinerlich}
(101) Visagist
Oh! Moment mal! Die kleine Schwester hat Potenziell, die könnte
einspringen.
(102) Fotograf Perfekt! Das ich will wissen. Du bist perfekt, Biby.
(103) Biby
Das bin ich?!
(104) Biby
Wahnsinn!
(105) Pat
Biby, Biby hat einen besonderes Look! Klasse!
(106) Visagist
Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!
(107) Biby
Ich hatte nie gedacht, dass Model so viel Spaß bringt.
(108) Biby
• • Vielen Dank! Ich fühle mich von der Kamera.
145
Transkription der zweiten Videoaufnahme
(01)
Biby
((unv., 1s)) morgens auf Tussi machen?
(02)
Mutter
Komm, ich helfe dir, bis dein Nagellack ganz trocken ist.
(03)
Trixi
Entschuldigung, wieso machst du so.
(04)
Trixi
Moment, wie • • da muss ich lachen aber
(05)
Biby
Musst du eigentlich • • schon morgens auf Tussi machen?
(06)
Mutter
Komm, ich helfe dir, bis dein Nagellack ganz trocken ist.
(07)
Trixi
Ach, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
(08)
Trixi
Wer braucht denn Kalorien, wenn er so wie ich das gewisse schon
Etwas hat?
(09)
Biby
Und was soll das sein – • • diese gewisse Etwas?
(10)
Mutter
Ach, • • • ach Biby! Du konntest auch etwas • mehr für dich tun: eine
neue Frisur, ein bisschen Make-up.
(11)
Biby
Keine Chance, Mum! Ich bleibe wie ich bin. Ich • wollte nicht sein wie
Trixi.
(12)
Trixi
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre ((unv.,1s)) bei dir und
nicht getan.
(13)
Mutter
Kaum zu glauben, dass die beide Schwester sind.
(14)
Biby
Eigentlich ((1s)) schon morgens auf Tussi machen?
(15)
Mutter
Komm, ich helfe dir, bis dein Nagellack ganz trocken ist.
(16)
Trixi
Ah, nicht nötig! Ich muss sowieso auf meine Linie achten.
(17)
Mutter
Ja.
(18)
Trixi
Wer braucht denn Kalorien, wenn er so wie ich schon das gewisse
Etwas hat?
(19)
Biby
Was soll das sein – diese gewisse Etwas?
(20)
Mutter
Ach Biby! Du konntest auch etwas • mehr für dich tun: eine neue Frisur,
ein bisschen Make-up.
(21)
Biby
((3s)) Wie Trixi.
(22)
Trixi
Mit ein wenig Schminke und Haarsprayer wäre es bei dir auch nicht
getan!
(23)
Mutter
Kaum zu glauben, dass die beide Schwester sind.
(24)
Biby
Nie wieder Einkaufen mit Trixi.
(25)
Trixi
Psst, Flirt-Alarm, der Typ da starrt mich an.
(26)
Pat
Oh, Entschuldigung, hast du kurz Zeit für mich?
(27)
Trixi
Na ja.
146
(28)
Pat
Darf ich ein Foto von dich machen?
(29)
Trixi
Natürlich.
(30)
Trixi
Zeig doch mal! Ich komme gut ((unv., 0,3s)) rüber, oder?
(31)
Trixi
Cool.
(32)
Biby
Und warum fragt er mich nicht auch?
(33)
Pat
Oh, die Kleine hab ich nicht so gut gesehen.
(34)
Trixi
((unv., 2s)) Als Model.
(35)
Biby
Du bist doch nicht gebucht, vielleicht • war das nur ein Trick, um ((unv.,
2s)) Nummer zu bekommen.
(36)
Trixi
Das glaube ich nicht.
(37)
Biby
Schade. So ein Type würde mir nie wieder anmachen.
(38)
Trixi
Ei, der Caster hat angerufen, ich bin eingeladen ins Fotostudioo!
(39)
Biby
Oh no! Wenn sie jetzt weiter • • modelt werde, sie unaustehlicher.
(40)
Mutter
Du gehst nicht allein zu dem Shooting, wer weiß, was die für Fotos
machen wollen.
{droht mit dem Finger}
(41)
Mutter
Vielleicht ist das nur ein Trick.
(42)
Mutter
Biby begleitet dich.
(43)
Trixi
Wenn sein muss.
(44)
Trixi
Biby ist wenigstens keine Konkurrenz. Ich bekomme den Job und den
Typ, jo!
(45)
Biby
Juchu juchu, dann ((1s)) sehe ich den süßen Typen wieder!
(46)
Trixi
Hi.
(47)
Pat
Schön, dass du pünktlich bist.
(48)
Trixi
Ja. Mein erster Modelauftrag, aber garantiert nicht mein letzter
(49)
Pat
Moment mal, das ((unv., 2s)) du hast deinen Job noch nicht.
(50)
Trixi
Wie bitte?
(51)
Trixi
Muss ich mich noch beweisen?
(52)
Trixi
Reicht meine Optik denn nicht?
(53)
Biby
((unv., 0,5s))
(54)
Biby
Mode ist eben als gute Aussehen!
(55)
Fotograf
Okay, zeig, was du kannst.
(56)
Trixi
Sie bekommen mich zum Sonderpreis!
(57)
Fotograf
Okay, du bist gebucht!
147
(58)
Trixi
Juchu! Ich werde Sie nicht enttäuschen, ver • sprochen!
(59)
Biby
Seh alle Model so doof aus?
(60)
Pat
Ja, deine Schwester hat ihren eigenen Stil.
(61)
Biby
So Mist.
(62)
Trixi
Bis bald Leute, komm!
{Trixi fasst Biby an die Hand}
(63)
Pat
Tschüss
(64)
Trixi
Tschüss.
(65)
Biby
Tschüss.
(66)
Trixi
Als nächst das kommt der Catwalk, da muss ich nur Laufen üben.
(67)
Biby
Aach.
(68)
Trixi
Als nächst das kommt der Catwalk, da muss ich nur Laufen üben.
(69)
Biby
Ach, du bist ((unv., 0,5s)) sowieso zu klein.
(70)
Trixi
Halt’s bloß die Klappe, du hässliches Entlein!
(71)
Biby
((unv., 5s)) Keine Ahnung.
(72)
Trixi
Das weißt du.
(73)
Biby
Du spinnst/du spinnst ja total. Denk lieber noch deine eigenen • • Wer •
ne.
(74)
Trixi
Fotografen stehen nicht auf innere Werte und Jungs auch nicht –
(75)
Trixi
da muss du wissen als Mauerblümchen.
(76)
Trixi
Hallo.
(77)
Pat
Hallo. Morgen um drei Uhr im Studio.
(78)
Pat
Bitte, komm pünktlich.
(79)
Trixi
Ja, kein Thema, ich bin doch Profi.
(80)
Pat
Okay.
(81)
Pat
Tschüss, bis bald.
(82)
Trixi
Ja. Wir sehen uns morgen.
(83)
Trixi
Ciao.
(84)
Pat
Ja, tschüss.
(85)
Mutter
Du gehst da nicht allein hin!
(86)
Mutter
Man weiß nie!
(87)
Mutter
Biby hat schwarze Gürtel. Du nimmst deine Schwester • mit, Trixi!
(88)
Trixi
Na toll, ich brauche doch gar keinen Bodyguard. Aber okay, die kann
meine Klamotten tragen.
148
(89)
Biby
Ja.
(90)
Biby
Ja, dann sehe ich • eh ((1s)) sehe ich Pat wieder.
(91)
Biby
Na sister, da hast du wohl nicht gerechnet?!
(92)
Trixi
Hi, da bin ich!
(93)
Fotograf
Hi, wie siehst du denn aus?
(94)
Fotograf
Das ist schrecklich.
(95)
Fotograf
Mach das runter!
(96)
Trixi
Aber ungeschminkt verlasse ich nicht das Haus.
(97)
Fotograf
Das runter, das gefällt mir nicht.
(98)
Biby
Na, du süße Maus.
(99)
Trixi
Biby, auf mal zu spielen, ho/ hol mir was zu trinken!
(100) Visagist
Sprich man mit anderem Ton.
(101) Trixi
Die Farben stehen mir gar nicht.
(102) Trixi
Das ist nicht mein Stil.
(103) Visagist
Halt du eigentlich deine Klappe!
(104) Visagist
Zieh das an.
(105) Trixi
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
(106) Trixi
Pink steht mir …
(107) Visagist
Zieh das an.
(108) Trixi
Kann ich nicht meine eigenen Sachen tragen?
(109) Visagist
Das …
(110) Trixi
Pink steht mir total super.
(111) Visagist
Das interessiert mir nicht, zieh diese Top und kein Kommentar mehr.
(112) Fotograf
((unv., 0,5s)) ((6s)) Sei locker, Baby.
(113) Fotograf
((2s)) Sexy.
(114) Pat
Trixi denkt, sie ist cool,
(115) Trixi
Na? Bin ich cool oder bin ich super?
(116) Fotograf
Ja, du bist ((unv.,1s))
(117) Pat
aber sie ist lächerlich.
(118) Trixi
Die Posen hab ich alle zu Hause geübt.
(119) Trixi
Cool, ne oder?
(120) Fotograf
Ja.
(121) Fotograf
((1s)) Klar, ja.
149
(122) Fotograf
Also, das muss alles locker sein, versuch mal mit • Hund.
(123) Trixi
Iii, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
(124) Fotograf
Also, lass mich ein Foto machen?
(125) Trixi
Die kleine Ratte mach mich nervös! So kann ich mich nicht konzentrieren.
(126) Fotograf
Ja, ist gut.
(127) Fotograf
Das muss alle locker sein, versuch mal mit Hund.
(128) Trixi
Iii, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
(129) Fotograf
Ja, ich weiß. ((unv., 1s))
(130) Trixi
Die kleine Ratte mach mich nervös!
(131) Fotograf
Stopp!
(132) Fotograf
Raus!
(133) Fotograf
Das muss alles locker sein.
(134) Fotograf
Du sollst mit Hund.
(135) Trixi
Iii, der Köter haart und stinkt! Mir wird übel.
(136) Fotograf
So, bis ((unv. 1s))
(137) Trixi
Die kleine Ratte mach mich nervös.
(138) Fotograf
Noch ein.
(139) Fotograf
Noch ((unv. 1s))
(140) Trixi
((4s)) So kann ich mich nicht konzentrieren.
(141) Fotograf
So geht das nicht!
(142) Fotograf
Du sollst normal das machen!
(143) Fotograf
So geht das nicht!
(144) Fotograf
((unv.,2s))
(145) Fotograf
Das muss locker sein.
(146) Trixi
Iii, der Köter haart und stinkt, mir wird übel.
(147) Fotograf
Du sollst sexy bleiben.
(148) Trixi
Die kleine Ratte mach mich nervös, so kann ich mich nicht konzentrieren.
(149) Fotograf
Locker, locker.
(150) Fotograf
Aa, so geht das nicht, kann man nicht mit dir arbeiten.
(151) Fotograf
So geht nicht.
(152) Fotograf
Raus!
(153) Fotograf
Weg!
150
(154) Trixi
((unv. 1s.))
(155) Fotograf
Locker.
(156) Fotograf
Stopp!
(157) Fotograf
Raus!
(158) Trixi
Das war ein Scherz, oder?
(159) Trixi
Ich hatte doch gar keine Chance zu zeigen, was ich kann.
(160) Visagist
Oh, Moment • • mal! Die kleine Schwester, die hat Etwas.
(161) Visagist
Nein. Die kleine Schwester, die •, die • hat Etwas, die könnte einspringen.
(162) Visagist
Oh, warte mal! Die kleine Schwester hat • • Etwas, die könnte einspringen.
(163) Biby
Was, das bin ich?!
(164) Biby
Wahnsinn!
(165) Biby
Boah, ich hatte nie gedacht, dass Model so viel Spaß bringt.
(166) Biby
(1s) Ich fühle mich auch wohl von der Kamera.
(167) Fotograf
Perfekt! Du hast Es! Das war gut, korrekt!
(168) Visagist
Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!
(169) Fotograf
Korrekt darf man nicht, oder?
(170) Visagist
Yeah, ich hatte den richtigen Riecher!
(171) Fotograf
Entschuldigung, noch einmal.
(172) Pat
Biby ist gut.
(173) Biby
Vielen Dank! Ich fühle mich wohl vor der Kamera.
(174) Fotograf
Perfekt! Du hast Es!
(175) Fotograf
Das gefällt mir. Das war Klasse!
(176) Visagist
Ja, ich hatte den richtigen Riecher!
(177) Pat
Biby ist cool.
(178) Biby
Vielen Dank! Ich fühle mich wohl richtig vor der Kamera.
151
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 (2010), 153-187
BiliReal 2012: Bilinguale Züge für Englisch und Französisch
in der Realschule1
Erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Schulversuch
in Baden-Württemberg
Jan Hollm / Armin Hüttermann / Jörg-U. Keßler / Gérald Schlemminger
Der bilinguale Sachfachunterricht insbesondere in den Zielsprachen Englisch und Französisch hat sich seit seinen Anfängen im deutschsprachigen Raum in den 1960er Jahren kontinuierlich ausgedehnt und stellt eine fremdsprachenpädagogische und fachdidaktische Erfolgsgeschichte dar. Der Schwerpunkt dieser Entwicklung liegt im gymnasialen Bildungsgang, aber zunehmend findet dieser Ansatz auch Verbreitung in Real- und Hauptschulen
oder anderen nicht-gymnasialen Schulformen in Deutschland. Der hier vorgelegte Beitrag
thematisiert die spezifische Situation des deutsch-englisch bzw. des deutsch-französisch bilingualen Sachfachunterrichts in der Realschule. Er berichtet von den ersten Ergebnissen eines seit 2007 in Baden-Württemberg laufenden Schulversuchs zu bilingualen Zügen in Realschulen, der von den Pädagogischen Hochschulen Karlsruhe (Französisch) und Ludwigsburg (Englisch) begleitet und wissenschaftlich ausgewertet wird und der 2012 endet.
Die erste Phase des Schulversuchs bis Anfang des Jahres 2010 wird von allen Beteiligten,
insbesondere auch den politischen Entscheidungsträgern in Baden-Württemberg, als so erfolgreich eingeschätzt, dass es auf der Basis der wissenschaftlichen Begleitung bereits ab
dem Schuljahr 2010/11, und damit sogar noch vor Beendigung des Schulversuchs, zu einer
flächendeckenden Ausweitung von bilingualen Zügen in den Realschulen in Baden-Württemberg kommen wird. Eine Ausdehnung auf ca. 20 % aller Realschulen in diesem Bundesland
ist beabsichtigt.
Inhalt:
1.
1.1.
1.2.
2.
2.1.
2.2.
3.
3.1.
3.2.
4.
4.1.
4.2.
4.3.
4.4.
1
Die institutionellen Rahmenbedingungen des Schulversuchs
Vorgaben des Kultusministeriums in Baden-Württemberg
Informationen zu den Schulen
Stand der Forschung und Schulversuche zum bilingualen Sachfachunterricht in der
Realschule
Schulversuch in Nordrhein-Westfalen
Schulversuch in Rheinland-Pfalz
Unser wissenschaftliches Selbstverständnis im Rahmen des Schulversuchs
Epistemologisches Selbstverständnis
Methodik
Die Positionen der Schulleiter im Schulversuch „Bilinguale Züge an Realschulen“
Fragestellung zur Funktion des Schulleiters im Schulversuch
Gespräche mit den Schulleitern des Schulversuchs
Analyse der Aussagen und Interpretation
Zu vertiefende Fragen
Gefördert durch Projektmittel der Abteilungen „Englisch“ und „Geographie“ der Pädagogischen
Hochschule Ludwigsburg, der Abteilung „Französische Sprache und Literatur und ihre Didaktiken“
der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und Mittel des Ministeriums für Kultus, Jugend und
Sport Baden-Württemberg
153
5.
5.1.
5.2.
5.3.
5.4.
5.5.
5.6.
5.7.
6.
7.
8.
8.1.
8.2.
8.3.
8.4.
8.5.
9.
Ergebnisse der Schülerbefragungen
Allgemeine Rezeption durch die Lerner
Durchführung
Positive Stimmen in Bezug auf das Fachwissen
Positive Stimmen in Bezug auf die Unterrichtsmethodik im bilingualen Sachfach
Positive Stimmen in Bezug auf die Unterrichtssprache
Kritische Stimmen
Bilanz und Ausblick
Bilingualer Unterricht aus Sicht der Lehrkräfte
Sachfachperspektiven
Fazit
Erste vorläufige Empfehlungen an die Schulen
Erste vorläufige Empfehlungen an die Staatlichen Schulämter und Regierungspräsidien
Erste vorläufige Empfehlungen an die Entscheidungsträger im Ministerium für Kultus,
Jugend und Sport Baden-Württemberg
Erste vorläufige Empfehlungen an die Staatlichen Seminare für Didaktik und Lehrerbildung (Realschulen)
Erste vorläufige Empfehlungen an die Hochschulen
Zukünftige Entwicklung
Literaturverzeichnis
1.
Die institutionellen Rahmenbedingungen des Schulversuchs
1.1.
Vorgaben des Kultusministeriums in Baden-Württemberg
Das Kultusministerium in Baden-Württemberg schrieb im August 2007 einen auf
sechs Jahre angelegten Schulversuch zur Einrichtung bilingualer Züge an Realschulen aus. Hierbei wurden die folgenden organisatorischen und inhaltlichen Rahmenvorgaben gesetzt:
„Erprobt werden soll an je einer Realschule pro Regierungspräsidium ein Zug mit bilingualem Unterricht in Englisch bzw. zusätzlich an einer Schule in der Rheinschiene in Französisch. Es soll in mindestens zwei Sachfächern pro Klassenstufe bilingual unterrichtet werden. Eine Schule kann entweder in Klasse 5 beginnen und sukzessive aufbauen oder bei
weiterem Entwicklungsstatus auch in mehreren Klassenstufen gleichzeitig einsteigen.
Voraussetzung ist die Entwicklung eines diesbezüglichen Gesamtcurriculums für den bilingualen Zug. Der Schulversuch ist zunächst auf 6 Jahre angelegt. Die Schule muss jeweils zum Schuljahresende einen kurzen Erfahrungsbericht auf dem Dienstweg vorlegen.
Wesentliche Voraussetzung ist, dass die Schule sowie geeignete Fachlehrkräfte bereits
Vorerfahrungen mit bilingualem Unterricht haben.
Zur Erprobung dieses Schulversuchs werden jeder Schule insgesamt 9 zusätzliche Unterrichtsstunden über die Direktzuweisung zur Verfügung gestellt. Das Kontingent beträgt für
die Klassenstufen 5/6, 7/8 und 9/10 jeweils drei zusätzliche Stunden.
Angeschrieben werden diejenigen Realschulen, die aufgrund der Befragung zu bilingualem Unterrichten im vergangenen Schuljahr Mindestvoraussetzungen in bilingualem Sachfachunterricht zurück gemeldet haben.“2
Dieser Schulversuch ist im Kontext eines bildungspolitischen Prozesses in BadenWürttemberg zu sehen, bilinguales Lehren und Lernen in öffentlichen Schulen zu
2 Schreiben des Ministerialrats Dr. Bergner vom 14. August 2007 an „öffentliche Realschulen mit bilingualen Modulen“; Aktenzeichen 34-6531.8.
154
stärken. Einem Antrag vom 8. Dezember 2006 im Landtag folgend, berichtete die
Landesregierung über die Situation des bilingualen Lehrens und Lernens in BadenWürttemberg. In besonderer Weise wurde hierbei nachgefragt, wie sich die Lage in
den nicht-gymnasialen Schulformen darstelle. Als Summe der Antwort des Kultusministeriums lässt sich paraphrasieren, dass eine Stärkung des bilingualen Sachfachunterrichts insbesondere im Bereich der Realschule beabsichtigt ist.3 Bei einer späteren erneuten Anfrage im Landtag wurde ergänzend ausgeführt, dass im Bereich der
Grundschule bereits Schulversuche durchgeführt werden, während über „bilinguale
Hauptschulstandorte“ zum Zeitpunkt der Anfrage keine Erkenntnisse vorhanden seien. Ein Ausbau des bilingualen Unterrichts in der Realschule sei beabsichtigt und
werde durch die Ausschreibung eines Schulversuchs vorbereitet.4
Mit der Durchführung dieses Schulversuchs zu bilingualem Lehren und Lernen verfolgt das Kultusministerium das Ziel, die seit Anfang der 1990er Jahre in BadenWürttemberg vorhandenen Initiativen einzelner Vorreiter-Schulen, aber auch des Arbeitskreises „Bilinguales Lehren und Lernen“ zu bündeln und landesweit vergleichbare Herangehensweisen im bilingualen Sachfachunterricht zu erproben. In diesem Zusammenhang seien die im November 2006 erschienenen Handreichungen zum bilingualen Unterricht in der Realschule in Baden-Württemberg erwähnt, die eine Standortbestimmung des bilingualen Sachfachunterrichts im Kontext des Bildungsplans
von Baden-Württemberg vornehmen. In dieser Publikation, die sowohl als Broschüre
veröffentlicht als auch zum Download auf dem Landesbildungsserver zugänglich
gemacht worden ist, wird die Erörterung grundsätzlicher Aspekte des bilingualen Lernens und Lehrens mit der modellhaften Darstellung des Vorgehens in den einzelnen
Sachfächern verknüpft.5
1.2.
Informationen zu den Schulen
Nach Sichtung der eingegangenen Bewerbungen um eine Teilnahme an dem Schulversuch wählte das Kultusministerium fünf Schulen aus. Es handelte sich hierbei für
den bilingualen Unterricht auf Englisch um die Karl-Spohn-Realschule in Blaubeuren,
die Theodor-Heuss-Realschule in Hockenheim, die Realschule in Jestetten und die
Theodor-Heuss-Realschule in Kornwestheim. Als französisch bilingual unterrichtende
Schule wurde die Mathias-von-Neuenburg-Realschule in Neuenburg ausgewählt. Allen Schulen gemeinsam ist, dass die bilinguale Ausrichtung eine identitätsstiftende
Bedeutung für das Schulprofil besitzt.
3 Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 4. Januar 2007; Nr. 34-6411.4/
109/1.
4 Vgl. hierzu die Anfrage im Landtag von Baden-Württemberg und die Antwort des zuständigen Ministers Rau. Drucksache 14/1334; 25. Mai 2007.
5 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.) (2006): Realschule – Bildung
in Baden-Württemberg. Bilingualer Unterricht. Braunschweig: Diesterweg. Online unter:
www.schule-bw.de.
155
2.
Stand der Forschung und Schulversuche zum bilingualen Sachfachunterricht in der Realschule
Der bilinguale Sachfachunterricht in der Bundesrepublik Deutschland hat seit den
Anfängen in den 1960er Jahren eine enorme Ausbreitung erfahren. Aktuell wird von
über 800 Schulen in Deutschland ausgegangen, an denen bilinguales Lehren und
Lernen stattfindet. Parallel zu dieser Entwicklung haben sich sowohl die beteiligten
Fachdidaktiken als auch in geringerem Maße die Unterrichtsforschung mit dieser
Thematik auseinandergesetzt. Seit den 1990er Jahren entstanden u.a. an den Universitäten Bremen, Kiel, Wuppertal und der Freien Universität Berlin Arbeitsschwerpunkte zu diesem Forschungsgebiet. In Baden-Württemberg wurden Untersuchungen zum bilingualen Sachfachunterricht v.a. an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg im Rahmen des „bilingualen Zusatzzertifikats“ und an den Pädagogischen
Hochschulen Freiburg und Karlsruhe im Kontext des Europalehramts vorangetrieben.
Als Konsens kristallisierte sich in der Forschung hierbei heraus, dass ein Mehrwert
des bilingualen Sachfachunterrichts für den Spracherwerb in der Fremdsprache unbestreitbar ist. In diesem Zusammenhang kann für die Zielsprache Englisch im bilingualen Unterricht auf jüngste Ergebnisse im Kontext der DESI-Studie verwiesen
werden (Nold u.a. 2008: 451-457). Dort wird ausgeführt, dass die durchgeführten Untersuchungen „erstmalig in einer großen Stichprobe“ belegen, „dass das Konzept von
bilingualem Sachfachunterricht die mit ihm verbundenen Hoffnungen umfassend erfüllt“. So erreichten Schüler der neunten Klassen im Durchschnitt bereits ein Niveau,
das bei vergleichbaren Klassen ohne ein bilinguales Programm in der Regel erst in
der Sekundarstufe II verwirklicht werde. Die im bilingualen Sachfachunterricht erreichbare Sprachkompetenz sowie die beobachtbare Vertiefung interkultureller und
methodischer Kompetenzen ermöglichten eine Umgestaltung oder Neuausrichtung
des Fremdsprachenunterrichts der Sekundarstufe I. Da die Schülerinnen und Schüler
die Fremdsprache Englisch sehr viel stärker als Kommunikationsmedium erlebten
und verwendeten, ließen sich schon zu einem früheren Zeitpunkt oder in komplexerer Form kulturell-landeskundliche und interkulturelle Zielsetzungen auf hohem
sprachlichem Niveau verwirklichen (vgl. Nold u.a. 2008: 456). Für die Zielsprache
Französisch liegen vergleichbare Einschätzungen für den bilingualen Sachfachunterricht vor.6
Die Befürchtung aus der Perspektive des Sachfaches, dass der fremdsprachliche
Mehrwert auf Kosten des Lernzuwachses im Sachfach geht, erweist sich im Spiegel
jüngster Forschungsergebnisse zunehmend als unbegründet. Es wird deutlich, dass
ein Sachfachunterricht in einer Fremdsprache eine andere Methodik und Didaktik
notwendig macht, als wenn dieser Unterricht auf Deutsch stattfände. Zugleich gewinnt eine bilinguale pädagogische Komponente zunehmend an Bedeutung in
Deutschland, da die Zahlen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland, die einen Migrationshintergrund aufweisen, kontinuierlich wachsen. Dieses bedeutet, dass
in immer geringerem Maße von einer Schülerschaft mit einer homogenen Sprachsozialisation ausgegangen werden kann, so dass auch die Sachfachdidaktik philologische Aspekte stärker in die eigenen Überlegungen einbeziehen muss, um der
sprachlichen Heterogenität innerhalb der Lerngruppen gerecht zu werden. Insbesondere für Lehrkräfte in Regionen Deutschlands, die stark dialektgeprägt sind und in
denen viele Schülerinnen und Schüler zumal in der Realschule auch aus soziolekta6 Vgl. z.B. Helbig (2001) und Lamsfuß-Schenk (2008).
156
len Gründen im Unterricht ein Code-Switching zur Hochsprache bewältigen müssen,
ist ein Bewusstseinsprozess in Richtung dieser „bilingualen“ Problematik sinnvoll und
notwendig, um den Lernbedürfnissen ihrer Schülerschaft zu entsprechen. Hier ist von
der Möglichkeit der gegenseitigen Befruchtung von Sachfach- und Fremdsprachendidaktik auszugehen. Ein differenzierter Forschungsstand besteht hierzu aber noch
nicht.
Ähnliches lässt sich zu vielen Einzelfragen des bilingualen Sachfachunterrichts sagen. Für die hier dokumentierte Begleitforschung zum Schulversuch „Bilinguales
Lehren und Lernen in der Realschule“ in Baden-Württemberg ist allerdings eine Beschränkung auf den Forschungsstand im Bereich bilinguale Schulversuche und hier
insbesondere für die Schulform Realschule nötig, da eine differenzierte Darstellung
der Forschungsdiskussion den Rahmen dieses Berichts sprengen würde. Was die
Verbreitung, Curricula und Organisationsformen des bilingualen Sachfachunterrichts
an Realschulen oder vergleichbaren Schulformen in allen Bundesländern angeht, sei
auf die Veröffentlichung „Konzepte für den bilingualen Unterricht – Erfahrungsbericht
und Vorschläge zur Weiterentwicklung“ des Sekretariats der Kultusministerkonferenz
vom April 2006 verwiesen, der die aktuell umfassendste Bestandsaufnahme enthält.7
Gegenwärtig findet außer dem 2007 in Baden-Württemberg begonnenen Schulversuch seit dem Schuljahr 2008/09 in Bayern ein bilingualer Modellversuch an 33 Realschulen statt, der von dem Anglisten Heiner Böttger von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt wissenschaftlich begleitet wird.8 Das Kultusministerium in Baden-Württemberg und das Forschungsteam der Pädagogischen Hochschulen Karlsruhe und Ludwigsburg stehen in Kontakt zu dem bayrischen Schulversuch. Da aber
noch keine Veröffentlichung von Ergebnissen stattgefunden hat, ist es noch zu früh,
um hier Details zu thematisieren.
Anders sieht es mit Schulversuchen zum bilingualen Lehren und Lernen aus, die in
der Vergangenheit in anderen Bundesländern stattgefunden haben. Projekte in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind hier von besonderem Interesse, da sie
insbesondere die Realschule untersucht haben, was außergewöhnlich ist, weil die
meisten Untersuchungen und Schulversuche zum bilingualen Sachfachunterricht an
Gymnasien stattgefunden haben. Exemplarisch für andere Studien an Gymnasien
sei in diesem Zusammenhang das Schulprojekt DEZIBEL in Berlin erwähnt, das von
Wolfgang Zydatiß von der FU Berlin wissenschaftlich begleitet wurde (Zydatiß 2007).
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass der bilinguale Sachfachunterricht auch
in den Nachbarländern des deutschen Sprachraums zunehmend Verbreitung findet
und durch empirische Bildungsforschung auf der Basis von Schulversuchen evaluiert
wird. So fand z.B. in der Schweiz im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms
33 „Wirksamkeit unserer Bildungssysteme“ vom August 1993 bis Juli 1997 ein Schulversuch „Französisch – Deutsch: Zweisprachiges Lernen auf der Sekundarstufe I“
statt, der u.a. vom Seminar für Pädagogische Grundausbildung des Kantons Zürich,
der Universität Zürich und der Université de Neuchâtel durchgeführt und wissenschaftlich begleitet wurde (Stern u.a. 1998).
7 Bericht des Schulausschusses vom 10. April 2006; hrsg. v. Sekretariat der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland.
8 Vgl. „Bayern bilingual Realschule“: www.bayern-bilingual.de/realschule. Letzter Zugriff 29.3.2010.
157
2.1.
Schulversuch in Nordrhein-Westfalen
Der bislang umfangreichste Schulversuch zum bilingualen Sachfachunterricht in der
Realschule fand in Nordrhein-Westfalen statt. Ab dem Jahr 1989 wurden dort an 29
Realschulen zuerst für die Zielsprache Englisch, später auch an jeweils vier Schulen
für Niederländisch und Französisch bilinguale Züge eingeführt. Die Schulen mit englischen und niederländischen bilingualen Zügen wurden im Rahmen eines Schulversuchs, der seit 1992 bzw. 1993 unter Aufsicht des zuständigen Ministeriums durchgeführt wurde, von der Universität Düsseldorf unter Leitung des Anglisten Albert-Reiner Glaap begleitet und in Hinblick auf Effektivität und Sinnhaftigkeit des bilingualen
Angebots wissenschaftlich evaluiert. Der Abschlussbericht dieses Schulversuchs erschien 2001.9
Als wichtigste Rahmenbedingungen des Schulversuchs in NRW, die sich teilweise
deutlich von der Situation in Baden-Württemberg unterscheiden, seien hervorgehoben: Einrichtung von jeweils einer Klasse mit bilingualem Zug pro Jahrgang, Erhöhung des Englischunterrichts im bilingualen Zweig in den Klassen 5 und 6 um je zwei
Wochenstunden, in der Klasse 7 wird das Fach Erdkunde bilingual unterrichtet, wobei die Stundenzahl des Erdkundeunterrichts um eine Stunde erhöht wird. Ab der 8.
Klasse wird das Fach Geschichte – ebenfalls mit einer um eine Stunde erhöhten
Stundenzahl – überwiegend in der Zielsprache unterrichtet. In den 9. und 10. Klassen werden mindestens zwei der Fächer Erdkunde, Geschichte und Politik bilingual
unterrichtet. Im Rahmen der Möglichkeiten werden weitere Fächer in das bilinguale
Angebot einbezogen werden, insbesondere Biologie, Kunst, Musik oder Sport. Im bilingualen Unterricht dürfen nur Lehrkräfte eingesetzt werden, die eine Lehrbefähigung im Fach Englisch erworben haben. Der Wechsel aus der bilingualen Klasse in
eine grundständige Klasse ist jeweils zum Halbjahr möglich. Die Schulleitung und
mindestens eine Lehrkraft aus dem bilingualen Zweig nehmen an dem auf Schulbezirksebene angesiedelten Arbeitskreis zum bilingualen Unterricht teil.
Das Fazit des Schulversuchs in Nordrhein-Westfalen, das 2001 gezogen wurde, war
ein ausgesprochen positives. Die fremdsprachliche Kompetenz der Schülerschaft,
die bilingual unterrichtet wurde, war deutlich höher als bei den Schülerinnen und
Schülern, die am regulären Unterricht teilgenommen hatten. – In diesem Zusammenhang sollte aber angemerkt werden, dass schon angesichts der erhöhten Stundenzahlen, in denen auf Englisch unterrichtet wurde, ein anderes Ergebnis sehr überraschend gewesen wäre. – Aus der Perspektive der Sachfachvermittlung wichtig ist der
Befund der wissenschaftlichen Begleitforschung, dass die Sachfachkompetenzen in
den bilingualen Lerngruppen qualitativ gesehen nicht gelitten haben im Vergleich zu
den Regelklassen. Quantitative Reduktionen in den Inhalten würden durch „differenzierte Schwerpunktsetzung, exemplarisches Lernen und die in diesem Unterricht weiter entwickelte Transferfähigkeit ausgeglichen“ (Glaap 2001: 47).
Bezogen auf die Lehrkräfte brachte der nordrhein-westfälische Schulversuch eine
teilweise deutlich höhere Arbeitsbelastung vor allem zu Anfang des bilingualen Unterrichtens mit sich. Zugleich gelang es nach Einschätzung der am Projekt Beteiligten, die kollegiale Interaktion und gegenseitige Unterstützung zu erhöhen, was nicht
zuletzt zu einem verbesserten Schulklima geführt habe. Selbst anfangs skeptische
Lehrkräfte außerhalb der bilingualen Fachschaften hätten mittelfristig die bilingualen
9 Glaap / Müller-Schneck (2001). Wir danken dem Kollegen Glaap für weiterführende Literaturhinweise zum Schulversuch: Glaap (1994) und Müller-Schneck (2006).
158
Züge begrüßt, da in ihrer Schülerschaft ein hohes Maß an Motivation und Leistungsbereitschaft wahrzunehmen war und sie eine identitätsstiftende Bedeutung für die
gesamte Schule entwickelten.
Als Empfehlungen für die zukünftige Durchführung und Organisation bilingualen Unterrichts an Realschulen hebt der Abschlussbericht des Schulversuchs hervor, dass
die Erweiterung des Englischunterrichts in der Erprobungsstufe notwendig und „unverzichtbar“ sei, um den in der siebten Klasse einsetzenden bilingualen Sachfachunterricht vorzubereiten. In diesem Zusammenhang sollte aus heutiger Sicht erwähnt
werden, dass dieser Schulversuch noch vor der Einführung des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule stattgefunden hat, die Schülerinnen und Schüler somit
ohne fremdsprachliche Vorkenntnisse in die Realschule eintraten.
Als besonders geeignet für den bilingualen Unterricht werden die Fächer Erdkunde,
Geschichte und Politik gesehen, wobei aber auch andere Fächer in Betracht kämen.
Die zu Anfang des Schulversuchs geäußerte Sorge, dass der Unterricht im Alltag in
nur geringem Maße in der Zielsprache stattfinden würde, habe sich nicht bestätigt.
Insbesondere geographische Themen hätten sich als Lernanreize für eine intensivere Verwendung der Zielsprache erwiesen.
Die Empfehlungen der wissenschaftlichen Begleitforschungsgruppe in NordrheinWestfalen erstrecken sich des Weiteren auf den Bereich der Materialbereitstellung, in
dem ein Desiderat gesehen wird, und auf die Integration bilingualer Inhalte in das
Lehramtsstudium an den Hochschulen, aber auch in die zweite Phase der Lehrerbildung an den Studienseminaren, die als noch nicht ausreichend angesehen wird.
2.2.
Schulversuch in Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz fand vom Schuljahr 1990/91 bis 1996/97 ein Modellversuch zum
bilingualen Unterricht auf Englisch und Französisch in Realschulen und Hauptschulen statt, der von dem Anglisten Heinz Helfrich und der Romanistin Heidemarie Sarter von der Universität Koblenz-Landau wissenschaftlich begleitet wurde (Helfrich
1994a, b und 1997). Vom Umfang her war dieser Schulversuch deutlich kleiner als
der fast zeitgleich in Nordrhein-Westfalen organisierte, da lediglich fünf Realschulen,
von denen in drei Schulen auf Englisch und in zwei Schulen auf Französisch bilingualer Unterricht stattfand, sowie drei Hauptschulen daran beteiligt waren. Außerdem
wurden in den Realschulen nur zwei Fächer, nämlich Erdkunde und Sozialkunde, in
einer Fremdsprache unterrichtet und an den Hauptschulen lediglich ein Fach, nämlich Arbeitslehre. Schließlich war die Teilnahme an dem Modellversuch für die Schülerinnen und Schüler freiwillig und setzte erst in der siebten Klasse ein.
Als Ergebnis auch dieses Schulversuchs wurde ein ausgesprochen positives Resümee gezogen, wobei deutliche Unterschiede zwischen den Möglichkeiten bilingualen
Lehrens und Lernens an Realschulen und Hauptschulen konstatiert wurden. Zwar
wird bilingualer Sachfachunterricht nach Auswertung des Schulversuchs auch für
Hauptschulen propagiert, aber zugleich wird große Skepsis deutlich, wie angemessen bilingualer Sachfachunterricht in der Hauptschule angesichts der besonderen
Leistungsanforderungen dieser Unterrichtsform ist.
Deutlich anders wird die Situation in der Realschule beschrieben, da hier bilingualer
Sachfachunterricht als sehr sinnvoll charakterisiert wurde. Der methodisch-didaktische Zugang in der Realschule stellt sich nach Ansicht der wissenschaftlichen Begleitung der Universität Koblenz-Landau als relativ nah am gymnasialen Bilingualun159
terricht dar. Anders als in der Hauptschule wird kein gänzlich anderes Herangehen
an bilinguales Lehren und Lernen für nötig erachtet.
Forschungsdesiderate bzw. unklare Untersuchungsbefunde wurden im Rahmen des
Modellversuchs vor allem im Bereich der curricularen Strukturierung und der Leistungsbeurteilung im bilingualen Unterricht gesehen, was aber vermutlich v.a. dem
Freiwilligkeitscharakter des Unterrichts geschuldet war. Die besondere Vorbereitung
der Lehrkräfte und die Beratung von Eltern und prospektiven Schülerinnen und Schülern an bilingualen Schulen wurden als weitere Problembereiche benannt. Dessen
ungeachtet wird der bilinguale Sachfachunterricht sowohl auf Englisch als auch auf
Französisch als ausgesprochen erfolgreiche Form von Unterricht angesehen und eine Ausweitung des Fächerkanons über die zwei im Schulversuch gewählten Fächer
Erdkunde und Sozialkunde wird vehement propagiert (vgl. Helfrich 1994a, b und
1997).
3.
Unser wissenschaftliches Selbstverständnis im Rahmen des
Schulversuchs
Im Folgenden soll die Wissenschaftsposition der Begleitforschung im Rahmen des
Schulversuchs „Bilinguales Lehren und Lernen in der Realschule“ in Baden-Württemberg dargestellt und der methodische Ansatz entwickelt werden. Wir beziehen
uns in unseren Ausführungen u.a. auf Heinz Moser (1995) und Werner Helsper und
Jeanette Böhme (2008).
3.1.
Epistemologisches Selbstverständnis
Mit der Arbeit der wissenschaftlichen Begleitung „BiliReal 2012“ befinden wir uns in
dem Paradigma der Handlungsforschung, einem Ansatz der modernen empirischen
Sozialforschung, die auf Kurt Lewins action research (1951) zurückgeht. Etwas vereinfachend lässt sich sagen, dass die heute in der Erziehungswissenschaft gebräuchlichen Begriffe „Aktionsforschung“, „Handlungsforschung“, „Tatforschung“,
„Praxisforschung“ usw. ungefähr dasselbe ausdrücken und die historische Entwicklung dieses Paradigmas aufzeigen.10 Wir verschreiben uns im Speziellen dem emanzipatorischen Ansatz der Kritischen Theorie. Wir verstehen darunter Folgendes:
• Für uns weist Handlungsforschung einen engen Praxisbezug auf, mit dem Ziel,
dass Forscherinnen und Forscher zusammen mit den Untersuchten ein Handlungskonzept entwerfen, das die Einführung des bilingualen Unterrichts als Angebot in einer Vielzahl von baden-württembergischen Realschulen ermöglicht.
• Unser Forschungsziel besteht daher nicht ausschließlich darin, theoretische Aussagen und Ansätze zum bilingualen Lehren und Lernen in schulischen Kontexten
zu überprüfen oder zu gewinnen, sondern gleichzeitig auch praktisch verändernd
in die Schul- und Unterrichtswirklichkeit einzugreifen.
10
In dem französischen Verständnis von recherche-action ist es auch möglich, dass die Personen,
die in einem bestimmten sozialen Feld arbeiten, dieses im Rahmen eines Projekts selbst, ohne
Anstoß aus der Wissenschaft, erforschen, mit dem Ziel, die eigene Praxis zu verbessern, zu verändern. Die handelnden Personen werden somit selbst zu Forscherinnen und Forschern.
160
• Wir betreiben Handlungsforschung nicht wertfrei als so genannte objektive außenstehende Betrachter, sondern greifen als teilnehmende Beobachter parteilich in
den Handlungsprozess ein. Das heißt:
- Als Linguisten, Sprach- und Sachfachdidaktiker und Erziehungswissenschaftler
setzen wir uns zur angemessenen Förderung des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs für das „bilinguale Lehren und Lernen“ ein.
- Wir beobachten und unterstützen gleichzeitig die Aktivitäten vor Ort in den
Schulen.
- Wir schreiben Forschungsarbeiten aus, die unser Erkenntnisinteresse unterstützen.
- Wir entwickeln Handlungskonzepte, um die Einführung des bilingualen Unterrichts in den Realschulen für die Akteure möglich zu machen.
• Wir erarbeiten die Problemauswahl und -definition zusammen mit den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren des Schulversuchs. Diese Arbeit ist an den konkreten Bedürfnissen der Schulen und der bilingualen Unterrichtsgestaltung orientiert,
in die wir auch teilweise verändernd eingreifen. Wir leisten diese Arbeit u.a. im
Rahmen von verschiedenen, eigens dafür geschaffenen Strukturen: Team der
„wissenschaftlichen Begleitung BiliReal 2012“, Lenkungsgruppe im Kultusministerium, Jahrestreffen mit allen Projektbeteiligten.
• Wir verstehen Handlungsforschung als einen gegenseitigen Lernprozess, der sowohl die Forschenden als auch die Untersuchten mit einbezieht. Ein elementarer
Anspruch ist dabei, dass die Untersuchten ein regelmäßiges Feedback über die
Entwicklung der Untersuchung erhalten.
• Entsprechend sehen wir auch die Rolle der Befragten und Beobachteten: diese
sich entwickelnde und im Forschungsprozess auch verändernde Rolle soll so verstanden werden, dass die Beteiligten als Akteure zu Subjekten im Gesamtprozess
des Schulversuchs werden.
3.2.
Methodik
Wir gehen davon aus, dass der Schulversuch als soziales Feld als Gesamtheit angesehen werden muss, der nur begrenzt in einzelne Variablen isoliert werden kann.
3.2.1. Angewandte methodische Verfahren
Wir wenden in unserem Vorgehen folgende Methoden an:
• teilnehmende Beobachtung: in den Klassen, auf Sitzungen der unterschiedlichen
Akteure,
• narrative, themenzentrierte Interviews mit den verschiedenen Gruppen von Beteiligten,
• statistisch auswertbare Umfragen zu bestimmten Fragestellungen,
• Analyse von Protokollen, Berichten usw. der beteiligten Akteure,
• Analyse von Unterrichtsmaterial und unterrichtlich benutzten Dokumenten.
Im methodischen Vorgehen der qualitativen Analyse lehnen wir uns an die in der
Handlungsforschung üblichen interpretativen Verfahren an. Hier seien besonders das
161
(argumentative) Schlussverfahren der Abduktion und das eher assoziative Verfahren
der Transduktion genannt.
• Abduktion: Es wird nicht, wie im quantitativen Ansatz, von einer Theorie ausgegangen, aus der Hypothesen abgeleitet und dann im Feld überprüft werden. Am
Anfang steht ein den Beobachtern auffälliges Phänomen. Es wird eine Annahme,
eine sog. Prozesshypothese aus diesem Einzelfall aufgebaut, die ihn als Regel
möglichst erklären mag. Es werden nun weitere Fakten gesucht, die diese Annahme unterstützen können. Es wird also vom Einzelnen auf eine Regel und dann
auf das Allgemeine geschlossen. Die Erklärung und Begründung der Regelmäßigkeit ist nicht logisch zwingend, aber doch plausibel und überzeugend.
• Transduktion: Bei dieser Methode, eingeführt in die Sozialwissenschaften von
Henri Lefèbvre (1970) und weiterentwickelt von René Lourau (1997), geht es darum, weit(er) auseinander liegende Begrifflichkeiten und (Wissenschafts-) Gebiete
zusammenzubringen, die eigentlich nicht zusammen gehören. Dabei geht es weniger um die Assoziationen an sich, die dabei hergestellt werden, als um die (neuen) Beziehungen und spontanen (mentalen) Operationen, die sich, zunächst über
Analogieschluss, zwischen den Assoziationen herstellen.11 Die Transduktion führt
genaueres, klareres Vorgehen beim Erfinden und Wissen sowie Erkenntnis in die
Utopie ein, wie Henri Lefèbvre schreibt: « Elle introduit la rigueur dans l’invention
et la connaissance dans l’utopie. » (Lefèbvre 2001: 155)
3.2.2. Gütekriterien
Die „wissenschaftliche Begleitung BiliReal 2012“ hat sich folgende Qualitätskriterien,
in Anlehnung an Heinz Moser (1995), auferlegt:
1 . T r a n s p a r e n z : Die Verfahren, mit denen die unterschiedlichen Daten gesammelt werden, werden offen gelegt und genau dokumentiert.
2 . R e g e l g e l e i t e t h e i t : Bei der Untersuchung der Daten trennen wir in Beschreibung der Daten, Analyse, deren Kriterien und Schritte, die wir jeweils darlegen, und
Interpretation.
3 . T r i a n g u l a t i o n : Um die Aussagekraft der Ergebnisse und die Gegenstandsangemessenheit zu erhöhen, werden für die jeweiligen Fragestellungen, je nach Möglichkeit, mehrere Datenquellen, unterschiedliche Interpreten, Methoden und Theorieansätze herangezogen.
4 . K o m m u n i k a t i v e V a l i d i e r u n g / A d ä q u a t h e i t : Die Ergebnisse werden
den „Beforschten“ noch einmal vorgelegt und mit ihnen diskutiert. Die interindividuelle Nachprüfbarkeit und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse werden damit erhöht. Dieses Verfahren gewährleistet ebenfalls eine Multiperspektivität: verschiedene Sichtweisen auf den Gegenstand werden berücksichtigt.
5 . S t i m m i g k e i t : Die Forschungs- und Untersuchungsfragen bestimmen die Datensammlungstechniken (und nicht umgekehrt).
6 . V e r a l l g e m e i n e r b a r k e i t / A n s c h l u s s f ä h i g k e i t : Die Forschungsmethoden, die analytischen Kategorien sowie die Ergebnisse und ihre Interpretation sind so
11
Es handelt sich damit weniger um einen assoziationstheoretischen Ansatz, der auf einer Strukturtheorie basiert, sondern um einen allagmatischen Ansatz, der auf die wechselseitigen Beziehungen und Verfahren von Phänomen aufbaut.
162
explizit gestaltet, dass Vergleiche in bedeutsamer Weise auf ähnliche Situationen
gezogen und damit allgemeinere Empfehlungen entwickelt werden können.
4.
Die Positionen der Schulleiter im Schulversuch
„Bilinguale Züge an Realschulen“
Die Datenbasis dieses Teils beruht auf Mitschriften von Leitfaden-Interviews, die die
„wissenschaftliche Begleitung BiliReal 2012“ bei ihren Schulbesuchen im Jahre 2009
in den fünf Schulen mit dem jeweiligen Schulleiter geführt hat.
Eingangs wollen wir kurz die Stellung des Schulleiters anreißen und unsere Fragestellung darlegen, um dann den einzelnen Schulleitern der fünf Schulen das Wort zu
erteilen. In einem weiteren Teil versuchen wir, die Aussagen der Schulleiter unter
dem Blickwinkel der bilingualen Züge zu analysieren und zu interpretieren.
4.1.
Fragestellung zur Funktion des Schulleiters im Schulversuch
Das Schulgesetz gibt relativ allgemein gehaltene Vorgaben (sie werden durch die
„Dienstordnung für die Schulleiter“ dann näher ausgeführt), die sich hauptsächlich
auf die Schulorganisation und das Weisungsrecht beziehen, u.a.:
§ 41 (2) Aufgaben des Schulleiters: Der Schulleiter ist in Erfüllung seiner Aufgaben weisungsberechtigt gegenüber den Lehrern seiner Schule. Er ist verantwortlich für die Einhaltung der Bildungs- und Lehrpläne und der für die Notengebung allgemein geltenden
Grundsätze sowie ermächtigt, Unterrichtsbesuche vorzunehmen und dienstliche Beurteilungen über die Lehrer der Schule für die Schulaufsichtsbehörde abzugeben. (Schulgesetz für Baden-Württemberg, 18. Dezember 2006)
Folgende Fragestellungen leiten unser Interesse:
• Welche Rollen spielen die Schulleiter im Schulversuch „Bilinguale Züge an Realschulen“?
• Welchen Anteil hat ein Schulleiter an der Umsetzung des bilingualen Unterrichts?
• Welche stundenplantechnischen und organisatorischen Aufgaben stellen sich einem Schulleiter bei den bilingualen Klassen?
• Welchen Handlungsspielraum hat ein Schulleiter im Schulversuch?
4.2.
Gespräche mit den Schulleitern des Schulversuchs
4.2.1. Schule 1 (Interview vom 31.5.2008 und vom 16.7.2009)
Informationen zur Person: Der Schulleiter ist seit drei Jahren im Amt; es ist seine erste Schulleiterstelle. Er hat das Projekt „Bilinguale Französisch-Klasse“ von seiner
Vorgängerin übernommen, die es eingeführt und eine sehr lange Zeit prägend vor
dem eigentlichen Schulversuch begleitet hat.
Aussagen des Schulleiters zum bilingualen Zug:
• Das Sprachenprofil der Schule (Abschluss mit Französisch-Zertifikat usw.) führt
dazu, dass ca. 30 % dieser Schülerinnen und Schüler auf das Gymnasium, 20 %
in die duale Berufsausbildung und ca. 50 % auf andere weiterführende Schulen
wechseln.
• Der Schulversuch ist eine Chance, Innovation in der Kollegenschaft zu etablieren.
163
• Die Herausforderung besteht in der Aufstellung einer Stundentafel, die bilinguale
Klassen angemessen und regelmäßig bedient.
• Ein Wunsch der Lehrpersonen ist die Fort- und Weiterbildung in bilingualem Lehren und Lernen. Hier sind Angebote, auch ggf. grenzübergreifend zu entwickeln.
• Zur Entwicklung des bilingualen Zugs ist ein aktives Mehrsprachenkonzept wichtig; es ermöglicht auch, die beiden Fremdsprachen zu gewichten.
• Eine aktive „Sprachenpolitik“ ist notwendig:
a) in der Schule: Sprachenprofil der Schule muss gemeinsam getragen werden.
b) außerhalb der Schule: Kontakt zu den Grundschulen, zu bilingualen Kindergärten, zu den Bildungsstätten nach der Realschule (Gymnasium, Berufsschule);
Aufwertung des bilingualen Unterrichts durch Zertifikat usw.
• Die Verbesserung der Fremdsprachenlehrerausbildung an der Grundschule ist
wichtig, um ein homogeneres Schülerpublikum in den bilingualen Zug aufnehmen
zu können.
• Der bilinguale Zug an der Realschule ist ein Entscheidungsgrund der Eltern, ihre
Kinder nicht ans örtliche Gymnasium (ohne bilingualen Zug) zu schicken.
• Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sind kein Problem für den bilingualen Zug. Sie sind meist sogar sehr positiv gegenüber dem bilingualen Lehren und Lernen eingestellt.
4.2.2. Schule 2 (Interview vom 7.10.2009)
Informationen zur Person: langjähriger Schulleiter, ursprünglich Mathematiklehrer.
Aussagen des Schulleiters zum bilingualen Zug:
• Die Verbesserung der Fremdsprachenlehrerausbildung an der Grundschule ist
wichtig. Eine bessere Koordination zwischen Grund- und Realschule, Abstimmung
der Lehrpläne usw. wäre gerade bei Anschlussschulen mit bilingualen Zügen
sinnvoll.
• Der Gründungsgruppe „Bilingualer Unterricht“ an der Schule fehlte es zunächst an
einem klaren Konzept.
• Die Nachfrage der Eltern nach dem bilingualen Zug ist größer als das Angebot, so
dass 30-40 % der Anfragen abgelehnt werden müssen, denn es ist nicht möglich,
eine zweite Klasse zu eröffnen (Raumprobleme, ausgebildete Lehrkräfte fehlen).
Die Klassenstärke der bilingualen Klasse ist deshalb auch sehr hoch.
• Selbst sprachlich weniger begabte („schlechte“) Schülerinnen und Schüler sprechen im bilingualen Unterricht in der Zielsprache häufiger als im normalen Fremdsprachenunterricht.
• Es gibt Schwierigkeiten, die neun Bilingual-Wochenstunden, die im Rahmen des
Schulversuchs allen beteiligten Schulen zur Verfügung gestellt werden, auf die im
bilingualen Zug Lehrenden sinnvoll zu verteilen.
• Das Konzept des Vorkurses (= verstärkter Fremdsprachenunterricht) wurde aufgegeben,
a) da direkt für die verschiedenen Sachfächer sprachlich nicht gewinnbringend,
164
b) um möglichst allen / vielen Anfragen nach Aufnahme in die Bilingualklasse
nachkommen zu können.
• Der Mangel an kompetenten bilingualen Sachfachlehrkräften, selbst über schulscharfe Ausschreibungen, stellt ein Problem bei der Durchführung eines bilingualen Zuges dar. Die Einstellungstermine in Baden-Württemberg liegen außerdem
relativ spät im Vergleich zu anderen Bundesländern, was einen Wettbewerbsnachteil bei der Einstellung neuer Lehrkräfte darstellt.
• Die Fort- und Weiterbildung in bilingualem Lehren und Lernen sollte verstärkt werden. Ein Methodenleitfaden und auch Unterrichtshilfen sollten stärker entwickelt
werden.
• Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gehen eher in andere Profilklassen (Bläserklasse).
• Der bilinguale Zug an der Realschule ist ein Entscheidungsgrund der Eltern, ihre
Kinder nicht ans örtliche Gymnasium (ohne bilingualen Zug) zu schicken.
4.2.3. Schule 3 (Interview vom 25.3.2009)
Informationen zur Person: langjähriger Schulleiter; ist für die Einführung des bilingualen Unterrichts (vor dem Schulversuch) verantwortlich.
Aussagen des Schulleiters zum bilingualen Zug:
• Er erklärt hauptsächlich die schulorganisatorische Umsetzung des bilingualen Unterrichts.
• Im Lehrerkollegium gibt es keine Probleme mit der Akzeptanz des bilingualen
Zugs.
• Es gibt keine Untersuchungen, ob die Noten / der Notendurchschnitt in den bilingualen Klassen besser sind oder nicht.
4.2.4. Schule 4 (Interview vom 17.7.2009)
Informationen zur Person: hat vor 15 Jahren das bilinguale Lehren und Lernen im
Fach Geographie selbst in der Schule eingeführt; ist bilingualer Pionier in BadenWürttemberg.
Aussagen des Schulleiters zum bilingualen Zug:
• Die Frage stellt sich, wie neun Bilingual-Wochenstunden, die im Rahmen des
Schulversuchs allen beteiligten Schulen zur Verfügung gestellt werden, auf die im
bilingualen Zug Lehrenden verteilt werden sollen, da insgesamt nur Erdkunde und
Geschichte mit insgesamt drei Lehrpersonen (einschließlich Schulleiter) mit den
bilingualen Klassen betraut sind.
• Ein großes Problem für den bilingualen Zug ist die Lehrerzuweisung / Zuweisung
von Lehrerstunden von Seiten des Schulamtes, die nicht immer den offiziellen ministeriellen Vorgaben und / oder dem Schulbedarf entsprechen.
• Didaktische Fragen (z.B. Platz von Gruppen- oder Tandemarbeit im bilingualen
Unterricht; Umgang der bilingualen Lerngruppe mit Fachvokabular, bzw. Vermittlung von Fachvokabular) werden angesprochen.
165
• Das Konzept des Vorkurses (= verstärkter Fremdsprachenunterricht) macht wenig
Sinn, da es keine direkten Rückwirkungen auf den bilingualen Sachfachunterricht
zeigt. Die classroom phrases usw. lassen sich genauso gut, wenn nicht besser im
bilingualen Sachfachunterricht einführen. Auch bringt es nichts, bestimmtes Sachfachvokabular isoliert von einer inhaltlich-fachlichen Progression in einem Vorkurs
gesondert zu vermitteln.
• Es wird versucht, stundenplantechnisch so zu verfahren, dass die BilingualSachfachlehrperson nicht auch die Englischlehrkraft in der Klasse ist, damit sich
die Lehrperson und auch die Lerngruppe didaktisch vom Sprachlehransatz im
fremdsprachlichen Sachfach lösen können.
• Das Zugmodell (nur 2 Fächer werden durchgehend unterrichtet) hat den Vorteil,
dass nur ein kleiner Lehrerkreis betroffen ist; damit sind die Klassen vom Stundenplan her leichter zu organisieren. Zudem kann die Lehrerkontinuität relativ gut
gewährleistet werden.
• Der bilinguale Zug an der Realschule ist ein Entscheidungsgrund der Eltern, ihre
Kinder nicht ans örtliche Gymnasium (ohne bilingualen Zug) zu schicken.
• Die Nachfrage der Eltern nach dem bilingualen Zug ist größer als das Angebot. Es
gelingt aber eine Regulierung, so dass keiner abgewiesen werden muss.
• Der Mangel an kompetenten bilingualen Sachfachlehrkräften, selbst über schulscharfe Ausschreibungen, stellt ein Problem bei der Durchführung eines bilingualen Zuges dar.
4.2.5. Schule 5 (Interview vom 21.7.2009)
Informationen zur Person: Langjähriger Schulleiter mit viel Erfahrung in Schulentwicklung; sieht im bilingualen Angebot Potential für die Schulentwicklung.
Aussagen des Schulleiters zum bilingualen Zug:
• Als zentrale Bereiche der Schulentwicklung werden vor allem neue Unterrichtsformen und eine neue Unterrichtsorganisation genannt (so werden an der Schule
in allen Bereichen stets 60-Minuten-Einheiten unterrichtet).
• Seit 1998 wird in Kooperation mit dem Fach Geographie an der PH Ludwigsburg
(geleitet vom Geographen Armin Hüttermann) jährlich das Field Study Centre auf
der Isle of Wight besucht; hier lernen Schülerinnen und Schüler der Schule und
Studierende der PH Ludwigsburg in einem Geländepraktikum wesentliche Fachinhalte der Geographie auf Englisch und deren Didaktisierung kennen.
• Die Erfahrungen aus dem bilingualen Arbeiten haben positive Rückwirkungen auf
den Unterricht in den nicht bilingual unterrichteten Teilen des Lehrangebotes.
• Um die Chancengleichheit aller Lerner zu gewährleisten, wird das bilinguale Angebot der Schule nicht in einem Zweig, sondern im Rahmen einer Modulstruktur
durchgeführt; seit diesem Schuljahr erhalten alle Lerner der Schule Teile des
Sachfachunterrichts in englischer Sprache.
• Wer dieses Angebot nicht wünscht, kann diese Schule nicht besuchen.
166
• Die Schulleitung ist daran interessiert, die „Begabungsstruktur der Schülerinnen
und Schüler anders als im herkömmlichen Unterricht zu nutzen“. Hierfür Durchführung von Projekttagen, Gründung von Schülerfirmen etc.
• Wichtig ist ein verlässliches Angebot für alle Lerner, auch im bilingualen Bereich;
daher darf nicht das „Zufallsprinzip“ für Angebote gelten, sondern das Wissen und
die Durchführbarkeit der Angebote ist standardisiert und nicht abhängig von der
aktuellen personellen Situation der Schule gesichert.
• Der Schulleiter stellt das Desiderat für die Schulentwicklung dahingehend auf,
dass das bilinguale Konzept nachhaltig gesichert wird; so wurden bereits mehrere
Lehrkräfte der Schule mit bilingualer Erfahrung als Konrektoren an andere Schulen befördert.
• Seit dem laufenden Schuljahr gibt es an dieser Schule keinen sog. bilingualen
Vorkurs mehr, da die Kinder aus den Grundschulen mit spürbarem Wissen aus
dem Grundschulenglisch an die Schulen kommen und auch sofort in ErdkundeWirtschaftskunde-Gemeinschaftskunde (EWG) mit bilingualen Modulen einsteigen
können.
4.3.
Analyse der Aussagen und Interpretation
Auch wenn die vorausgehende Terminfindung für den Schulbesuch manchmal etwas
komplex war, kann der Empfang in allen Realschulen immer als sehr freundlich und
zuvorkommend bezeichnet werden. Die Leitfaden-Interviews wurden von allen beteiligten Schulleitern (es gibt in diesem Panel keine Schulleiterinnen) positiv, wenn nicht
sogar sehr positiv aufgenommen. Das Interview fand meist am Anfang des Besuchs
statt. Der jeweilige Schulleiter führte die Gruppe der „wissenschaftlichen Begleitung
BiliReal 2012“, meist gegen Ende des Besuchs, durch die Schule.
In den Leitfaden-Interviews mit den Schulleitern lassen sich einige Tendenzen ablesen, die im Folgenden beschrieben werden.
4.3.1. Der Einflussfaktor „Schulleiter“
Der bilinguale Zug ist in jeder Realschule Teil des Schulprofils. Schon aus schulorganisatorischen Gründen (Stundenplan, Lehrkräfte-Klassen-Zuordnung usw.) hat der
Schulleiter somit einen starken Zugriff auf die organisatorische Ausgestaltung des bilingualen Unterrichts. In manchen Realschulen hat der bilinguale Zug den Status der
„Chefsache“ und ist damit stark an die Persönlichkeit des Schulleiters gebunden. Er
beeinflusst das bilinguale Konzept in hohem Maße, unterrichtet auch teilweise selbst
ein Sachfach bilingual.
Es existiert auch das Modell mit einer eigenen bilingualen Fachschaft. Sie wird mancherorts eingerichtet, wenn mehr als zwei oder drei Lehrkräfte betroffen sind. Die
Fachschaft ist unabhängig von der Fachschaft Sprachen (Englisch, Französisch).
Hier gibt der Schulleiter der Fachschaft einen gewissen Spielraum in der Gestaltung
und Organisation des bilingualen Unterrichts. Dieses Modell ist in der Schule vertreten, die den bilingualen Unterricht nach einem Modulplan organisiert.
Es lassen sich (in diesem Stadium der Untersuchung) keine direkten Plausibilitäten
erkennen, weder zwischen dem Konzept „Chefsache“ noch „stärkere Autonomie
durch aktive Fachschaft“ und deren Auswirkungen auf das bilinguale Profil.
167
4.3.2. „Bilingualer Zug mit festgelegtem Fächerkanon“ versus „bilingualer Zug mit
Modulen“
Die Entscheidung „bilingualer Zug mit festgelegtem Fächerkanon“ oder „bilingualer
Zug mit Modulen“ wurde zu Beginn der Einführung des bilingualen Zugs getroffen,
diese liegt meist viele Jahre zurück. Damit trat in den Interviews diese Alternative eigentlich nie als Problem auf. Es wurden immer nur Fragen und Probleme innerhalb
des jeweiligen Systems erörtert. Es zeichnet sich die Tendenz ab, dass es für den
Schulleiter auf der alltagspraktischen, schulorganisatorischen Ebene einfacher ist,
einen bilingualen Zug mit festgelegtem Fächerkanon anzubieten. Denn mit nur zwei
Fächern, die von Klasse 5 bis 10 bilingual durchgezogen werden, sind weniger Kolleginnen und Kollegen betroffen. Der eindeutig genannte Nachteil besteht aber darin,
in Problemfällen (längere Krankheit, Schulwechsel von Lehrkräften etc.) schnell Ersatz zu finden.
4.3.3. Fort- und Weiterbildung
„Ein bilingualer Zug steigt und fällt mit der Qualität der Ausbildung der Lehrkräfte.“
Diese relativ elementare Feststellung taucht eigentlich in allen Gesprächen mit den
Schulleitern auf. In der Tat reicht die Anzahl an Absolventinnen und Absolventen des
Europa-Lehramts der beiden Pädagogischen Hochschulen Karlsruhe und Freiburg,
des „Zusatzzertifikats bilingualer Sachfachunterricht“ der Pädagogischen Hochschule
Ludwigsburg und der Zusatzzertifikate der „Staatlichen Seminare für Didaktik und
Lehrerbildung“ nicht aus, um den Bedarf zu decken.
4.4.
Zu vertiefende Fragen
• Die Auswirkungen der beiden Modelle „bilingualer Zug mit einem festgelegten Fächerkanon – bilingualer Zug mit Modulen“ auf die genaue Stundenplangestaltung
und -organisation verdienen weitere, auch quantitative Untersuchungen.
• Es sollten genaue Zahlen erhoben werden, wie viele Studierende in den letzten
Jahren erfolgreich das Studium des Europa-Lehramts durchlaufen haben oder das
„Zusatzzertifikat bilingualer Sachfachunterricht“ der Pädagogischen Hochschule
Ludwigsburg oder ein Zusatzzertifikat der Staatlichen Seminare erworben haben.
• Es sollte eine Extrapolation für den möglichen Bedarf an Absolventinnen und Absolventen für die laufenden Schulen und für die flächendeckende Ausweitung des
bilingualen Unterrichts erstellt werden.
5.
Ergebnisse der Schülerbefragungen
Die Grundlage für das folgende Kapitel sind die Interviews, die die Verfasser im
Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der fünf Schulen an den jeweiligen Schulen mit Schülerinnen und Schülern zu deren Einschätzung des bilingualen Unterrichts
durchführen konnten. Sämtliche Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert.
An jeder Schule wurden ca. 10-12 Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen
Klassenstufen befragt.
Bei unseren Schulbesuchen kam es uns sehr darauf an, mit Schülerinnen und Schülern ohne deren Lehrkräfte sprechen zu können, da die Lerner in manchen Dingen
sicher unbefangener und offener über die aktuelle Situation des bilingualen Unter168
richts berichteten, als sie es „unter Aufsicht“ getan hätten. Außerdem vermuteten wir,
dass die Sichtweise der Lerner eine eigene Art der Expertensicht darstellt, die die Informationen, die wir von den Schulleitungen und den beteiligten Lehrkräften sowie
durch eigene Hospitationen erhielten, mit wichtigen Details ergänzen kann. Die
durchgeführten Schülerbefragungen bestätigten diese Annahme.
Im Folgenden werden die Einschätzungen der Lerner wiedergegeben und anschließend kurz diskutiert. Um Anonymisierung zu gewährleisten, werden dabei die Aussagen keiner bestimmten Schule zugeordnet. Die Darstellung untergliedert sich in die
folgenden Bereiche:
•
•
•
•
•
•
•
Allgemeine Rezeption
Durchführung
Positive Stimmen in Bezug auf das Fachwissen
Positive Stimmen in Bezug auf die Unterrichtsmethodik im bilingualen Sachfach
Positive Stimmen in Bezug auf die Unterrichtssprache (Englisch/Französisch)
Kritische Stimmen
Bilanz und Ausblick
5.1.
Allgemeine Rezeption durch die Lerner
Die allgemeine Einschätzung nahezu aller Schülerinnen und Schüler zum bilingualen
Lernen ist durchweg positiv. Ausnahmslos berichten die Lerner, dass es Ihnen nicht
schwerer als in nicht-bilingual unterrichteten Fächern fällt, dem Unterricht zu folgen.
Besonders schätzen die befragten Lerner, dass sie durch den erhöhten Input in der
Fremdsprache auch für den Englisch- bzw. Französischunterricht profitieren. Die folgende Aussage steht stellvertretend für die Einschätzung der befragten Lerner aller
Schulen:12
I:
S1:
S2:
S3:
Du findest es besser, vor allem weil dein Englisch besser wird. Habt ihr noch andere
Gründe, warum es interessanter ist? Also manchmal sagt man auch, im bilingualen
Unterricht werden andere Medien benutzt, mehr Filme, mehr Reden, zum Beispiel
im Geschichtsunterricht da werden mehr interessante Medien benutzt als im normalen Unterricht. Gibt es vielleicht andere Gründe, warum es euch gefällt, außer dass
man besser Englisch kann am Ende?
Ach so, vielleicht dass man halt auch über das Wissen nur aus dem Englischbuch
hinaus halt auch noch Sachen macht. Dass man, zum Beispiel nen Film über die
Kriegszeit oder so guckt, auf Englisch dann.
Ich finde das auch viel interessanter, also mir bringt das viel mehr, also ich komm da
effektiver rein, weil es auch mal in ner anderen Sprache zum Beispiel gearbeitet
wird wie in EWG.
Man hat dann ja auch nen Vorteil im Beruf, dann später mal, wenn man schon teilweise Sachen schon auf Englisch weiß.
Transkript Schule 113
12
13
Diese Aussage ist einem der Transkripte der Schülerinterviews entnommen. Bei der Transkription wurde versucht, den Wortlaut der Lerner so originalgetreu wie möglich wiederzugeben. Daraus erklären sich die Abweichungen zur regulären Orthographie.
Aus Datenschutzgründen entspricht die Nummerierung der Schulen nicht der Reihenfolge der
Auflistung zu Beginn des Berichts.
169
Es wird deutlich, dass für die Lerner neben den Vorteilen, die sie sich für den allgemeinen Fremdsprachenunterricht versprechen – und auch erkennen – auch Vorteile
im späteren Berufsleben eine wichtige Rolle bei der Motivation für den bilingualen
Unterricht spielen. Diese Einschätzung wurde in jeder der befragten Schulen gegeben.
Bei all unseren Befragungen fanden wir nur einen Schüler, der den bilingualen Sachfachunterricht weniger gut fand. Um dies nicht zu verschweigen, sei hier seine Auffassung zitiert:
I1:
S:
I2:
S:
Ja und eure Wertung allgemein, gut - schlecht?
Ich bin der einzige, der schlecht gesagt hat.
Da haben wir ihn ja, dann leg mal los!
Ja, also die Wertung von mir, die ich abgebe: Ich seh das Englisch als sehr positiv.
Englisch ist eine wichtige Sprache, man muss es lernen und man muss es auch
anwenden können. Allerdings in Bezug zu dem Fach EWG und Geschichte lehn ich
es komplett ab und zwar aus dem ziemlich einfachen Grund. Ich beschäftige mich
privat sehr gerne mit Geschichte, das ist interessant, aber die Geschichtsbücher, die
wir haben, sind bereits, ich sag es mal, es ist oberflächlich, was wir machen, und
wenn ich das jetzt noch in Englisch mache, dann wird es noch weiter verwässert.
Deswegen halte ich es nicht für sinnvoll das auch noch in Englisch zu machen, das
verwässert es nur noch.
Transkript Schule 1
Relativiert wird diese Aussage dann durch den Schüler selbst, als er betont, jederzeit
wieder den bilingualen Zweig zu wählen. Somit ist die Aussage des Lerners eine interessante, sollte aber nicht als eine deutliche Kritik am bilingualen Unterricht durch
die Lerner gewertet werden.
Nach Aussage der befragten Schülerinnen und Schüler aller Schulen ist auch die
Rezeption des bilingualen Unterrichts durch die Eltern durchweg positiv. Den Eltern
gefällt insbesondere das intensivierte sprachliche Bildungsangebot im bilingualen
Zweig. Hierin sehen die Eltern, aber auch ein Teil der befragten Schülerinnen und
Schüler eine interessante Alternative zum gymnasialen Bildungsgang:
I:
S1:
I:
S1:
S2:
I:
S3:
Wie sieht es bei dir aus?
Ich hätte eigentlich auch die Empfehlung von der Lehrerin fürs Gymnasium gehabt,
aber so wie meine Nachbarin, die sehe ich immer wieder, die sitzt abends immer
noch an den Hausaufgaben. Dann habe ich gesagt, so viel mag ich nicht machen,
ich will auch noch Freizeit und dann war das eigentlich ganz schnell geschwätzt, auf
die Realschule in die bilinguale Klasse.
Und jetzt machst du nicht so viele Hausaufgaben wie die auf dem Gymnasium?
Nein.
Jedes Mal wenn wir Mittagschule haben, ist alles bilingual in der 5. Klasse.
Und die Anderen? Gab es noch andere Gründe?
Bei mir war es so, also meine Eltern haben mich gefragt, ich hätte auch auf’s Gymi
können, aber dann habe ich gesagt, weil mein Bruder da früher auch war, der ist
jetzt auch hier auf der Realschule, dann wollte ich halt nicht auf’s Gymi, dann bin ich
auf die Realschule, dann haben meine Eltern mich gefragt, ob ich in die bilinguale
Klasse möchte, weil das hat mein Bruder in der 8. damals, da hat’s das auch noch
gegeben, da hab ich mir das mal angeschaut und dann wollte ich da halt hin.
Transkript Schule 2
170
Das immer wieder genannte Realschulangebot des bilingualen Zweiges als Alternative zum Gymnasium ist eine wichtige Tatsache. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht
kein grundsätzlicher Unterschied beim bilingualen Lernen in der Realschule und im
Gymnasium. Die Realschule als eigenständige Schulform hat aufgrund ihres Profils
und Bildungsauftrages weitere Alleinstellungsmerkmale; dass einige Schülerinnen
und Schüler gerade den bilingualen Zweig als willkommene Ergänzung für leistungsstärkere Lerner sehen, ist in gewissem Maße nachvollziehbar, der bilinguale Unterricht ist aber so organisiert, dass er eben alle Lerner – und nicht im besonderen Maße die leistungsstärkeren – anspricht (vgl. oben die Ausführungen zur Methodik des
bilingualen Unterrichts).
5.2.
Durchführung
Nach Aussage der befragten Schülerinnen und Schüler unterscheidet sich bilingual
durchgeführter Unterricht von traditionellem Fremdsprachenunterricht insbesondere
dadurch, dass – beispielsweise in Gruppenarbeitsphasen – teilweise auch die deutsche Sprache genutzt werden darf. Auch dürfen die Lerner deutsch sprechen, wenn
sie im Englischen nicht mehr weiter wissen. In einer Schule stellen die Lehrkräfte
nach Aussagen der Schülerinnen und Schüler es frei, ob in der Zielsprache oder auf
Deutsch geantwortet wird.
Die Schülerinnen und Schüler erkennen und benennen deutliche Unterschiede zwischen bilingualem Sachfachunterricht und Fremdsprachenunterricht in Bezug auf das
sprachliche Lernen. So wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Verstöße gegen
grammatische Regeln, aber auch die Aussprache, die im Fremdsprachenunterricht
korrigiert würden, im bilingualen Unterricht keine Rolle spielen. Auch werden Unterrichtsgegenstände, die üblicherweise im Fremdsprachenunterricht behandelt werden,
dort teilweise nicht mehr thematisiert, da sie bereits Gegenstand des bilingualen
Sachfachunterrichts waren:
I.
S1.
S2.
S3.
Und was ist der Unterschied zum normalen Französischunterricht? Also, was ist interessanter Erdkunde, Geschichte, EWG auf Französisch oder Französisch nur auf
Französisch?
Ne, also, wie sie schon gesagt hat. Man lernt andere Wörter, die man jetzt im normalen Französisch, z.B. in EWG die Ländernamen, z.B. Spanien, des lernt man halt
im normalen Französischunterricht nicht. Im normalen Französischunterricht lernt
man Grammatik und Vokabeln und so und in anderen Fächern lernt man halt des
Fach, wo’s halt isch.
Man lernt sozusagen zwei gleiche Sachen, halt ein Fach und dann auf Französisch
dazu ...
Ich denk, Entschuldigung, ich denk, der Vorteil darin ist auch, dass man mal ein
bisschen weg kommt von der ganzen Grammatik, wo man im Französischunterricht
so lernen und das ganze Vokabellernen und im Fach, des man dann bilingual hat,
da lernt man einfach die Sprache noch besser zu sprechen und so, da muss man
nicht auf die Grammatik achten. Also, eher nicht so.
Transkript Schule 3
Diese Beobachtungen durch die Schülerinnen und Schüler verdeutlichen einmal
mehr die Chancen des bilingualen Unterrichts sowohl für das Sachfach als auch für
das fremdsprachliche Lernen. Neben der fast schon automatischen Stärkung des fächerübergreifenden Unterrichts kann im bilingualen Unterricht ohne Angst vor Feh-
171
lern und ohne eine (Über-)Beachtung der Grammatik auch sprachlich gelernt werden.
Das sprachliche Lernen kommt auch bei der Erarbeitung des Fachvokabulars zum
Tragen; in allen Schulen werden nach Auskunft der Schülerinnen und Schüler Vokabellisten für den sachfachspezifischen Wortschatz geführt. Dieses Fachvokabular
wird häufig mehrkanalig, z.B. auch in zielsprachlichen Unterrichtsfilmen umgewälzt.
Eine weitere Beobachtung der Schülerinnen und Schüler zur unterschiedlichen
Durchführung von bilingualem Sachfachunterricht im Vergleich zum Fremdsprachenunterricht ist die, dass im bilingualen Sachfachunterricht der Anteil schriftlicher Übungen deutlich geringer ist als im traditionellen Fremdsprachenunterricht. Dies schätzen
die Lerner besonders.
5.3.
Positive Stimmen in Bezug auf das Fachwissen
Ein von den befragten Schülerinnen und Schülern als wesentlicher Vorteil des bilingualen im Vergleich zum herkömmlichen Sachfachunterricht erkannter Aspekt ist der
Umgang mit neuen Fachbegriffen. Die Lerner erleben und schätzen, dass im bilingualen Sachfachunterricht auch Fachbegriffe vertiefend erklärt werden, über die im
monolingualen Unterricht eher hinweg gegangen worden wäre, obwohl sie auch dort
eher unklar geblieben wären. Aufgrund des Unterrichts in der Fremdsprache trauen
sich die Schülerinnen und Schüler aber eher, bestimmte Begriffe noch einmal zu erfragen. Ein Beispiel aus dem Geschichtsunterricht an Schule 1, das zunächst in der
Hospitationsphase erlebt und dann im Schülerinterview noch einmal besprochen
wurde, ist der Umgang mit dem Fremdwort „Napalm“. Während im herkömmlichen
Geschichtsunterricht häufig noch nicht einmal auf die Bedeutung dieses Wortes eingegangen würde, wurde es im bilingualen Unterricht thematisiert, wie der folgende
Transkriptauszug verdeutlicht.
I:
S1:
S2:
I:
S1:
Du bist in der neunten, ein paar waren in der zehnten mit drin. Da war ein sehr interessantes Beispiel, da war das Wort Napalm und es kam da vor, dass das so eine
grauenhafte Waffe ist, wo Leute verbrennen und da war im englischen Text Napalm
und das hat keiner verstanden oder zumindest hat keiner gewagt, es zu sagen. Hättet ihr es denn auf Deutsch gewusst, das Wort ist nämlich eigentlich ein deutsches
Wort – Napalm?
Ich weiß es!
Eigentlich auch nicht, aber man konnte sich so aus dem Zusammenhang erschließen, was es denn letztendlich ist, weil wir auch schon über Chemikalien zuvor auch
gesprochen haben.
Wahrscheinlich viel besser; dass ihr das auf Englisch noch mal besprochen habt
und dass jeder am Ende wusste, aha, das ist irgendeine Chemikalie, als wenn man
das auf Deutsch, da hätte die Lehrerin gar nicht gewusst, dass ihr das nicht wisst.
Ja natürlich, also ich fand’s auch besser, weil in diesem Zusammenhang hat es
auch dann die Lehrerin noch mal erklärt, weil es einige nicht wussten.
Transkript Schule 1
Ein weiteres Merkmal des bilingualen Sachfachunterrichts, das von Schülerinnen und
Schülern der Schulen immer wieder genannt und als positiv bewertet wird, ist die
Einführung von Fachbegriffen und die Auseinandersetzung mit dem neuen Wortschatz auf mehreren Ebenen. Neben der pantomimischen Darstellung zur Einführung
neuer Wörter werden Fachbegriffe auch verstärkt umschrieben, so dass sich die Lerner häufig auch ohne weitere Nachfragen bzw. ohne Übersetzungen ins Deutsche
172
vorstellen können, was der neue Begriff bedeutet. Die Einführung neuer Begriffe auf
mehreren Ebenen sowie die daran anschließende Umwälzung des Wortschatzes in
unterschiedlichen Kontexten wird allgemein als sehr hilfreich – nicht nur für das Verständnis, sondern auch für das Behalten des Wortschatzes – empfunden.
S1:
I:
S1:
I:
S2:
S3:
Eigentlich ist bilinguales und normales EWG dasselbe, nur dass man beim einen die
Themen auf Englisch behandelt und beim anderen auf Deutsch. Die Parallelklassen
haben dieselben Themen auf Deutsch, wir dann auf Englisch.
Hast du den Eindruck von den Berichten, dass es vielleicht auf Deutsch tiefer geht,
auf Deutsch kann man es vielleicht leichter besprechen, als wenn man auf Englisch
redet?
Auf Deutsch haben die auch viele Sachen gar nicht besprochen, die wir auf Englisch
durchgenommen haben.
Also ist Englisch anspruchsvoller?
Es ist halt so, dass man im Deutschen denkt, dass man es sofort kapieren wird, weil
es halt Deutsch ist. Da muss man nicht viel nachdenken. Im Englischen muss man
mehr nachdenken, was man gehört hat und versucht das zu realisieren, was es
wirklich ist.
Man versucht halt auch immer, wenn es jetzt unverständlich ist, es mit Bildern zu
zeigen, dass man es sich richtig vorstellen kann.
Transkript Schule 4
In diesem Transkriptauszug wird deutlich, dass die befragten Schülerinnen und
Schüler den Eindruck haben, durch die Beschäftigung mit einer Thematik in der fremden Sprache werde auch die Sachebene tiefer gehend behandelt. Dieses zunächst
vielleicht unerwartete Phänomen erklären die Befragten damit, dass sie – aufgrund
der Behandlung des Themas in der Fremdsprache – zu deutlich höherer Konzentration gezwungen seien und somit auch die Inhalte stärker durchdringen würden.
5.4.
Positive Stimmen in Bezug auf die Unterrichtsmethodik im bilingualen
Sachfach
Generell lässt sich feststellen, dass die Schülerinnen und Schüler einen deutlich anderen methodischen Ansatz in den bilingual unterrichteten gegenüber den nicht bilingual unterrichteten Fächern erkennen und positiv bewerten. An allen Schulen
herrscht in den bilingualen Sachfächern eine größere Methodenvielfalt als in den traditionell unterrichteten Parallelklassen. Diese Vielfalt bezieht sich sowohl auf die Sozialformen als auch auf den Medieneinsatz.
In den bilingual unterrichteten Fächern werden nach Auskunft der Lerner deutlich
mehr Gruppenarbeitsphasen und sogar kleinere Projekte durchgeführt. Teilweise
schlägt dies auch auf die in der bilingualen Klasse unterrichteten nicht bilingualen
Sachfächer durch. Hier wird also eine weitere wichtige Synergie des bilingualen Lehrens und Lernens für die allgemeine Schulentwicklung deutlich (vgl. oben die Abschnitte „1.2 Informationen zu den Schulen“ und „4. Die Positionen der Schulleiter“).
S:
I:
S:
I:
In BK [Bildende Kunst] machen wir auch manchmal bilingualen Unterricht. Wir haben da so ein englisches Theaterstück vorgeführt.
War das jetzt gut oder schlecht?
Besser. Da kann man auch andere Sprachen ausprobieren.
Aber so richtig negativ war das jetzt nicht?
173
S2:
S3:
S4:
I:
S4:
Mein Freund findet es doof. Der denkt halt, dass das im Berufsleben nichts bringt.
Dass es umsonst ist und wir uns umsonst bemühen.
Andere meinen, dass der Lehrer schlimm ist, obwohl er nett, eigentlich ganz normal
ist. Er will uns halt auch nur seinen Stoff vermitteln und uns bei der Berufsauswahl
helfen. Wir arbeiten im Bili-Unterricht sehr viel in Gruppen und manchmal sind Professoren im Unterricht und schauen sich das an und helfen auch. Von den DeutschEWGlern habe ich bisher nicht von solchen Projekten gehört.
Es gibt schon manche in der Klasse, die das nicht so toll finden. Aber dann macht
eben das nächste Thema mehr Spaß. Das sind halt unterschiedliche Interessen.
Das liegt also eher am Thema und nicht am Bili?
Ja.
Transkript Schule 4
In diesem Transkriptauszug wird deutlich, dass die größere Methodenvielfalt auch für
die Schülerinnen und Schüler zu einer Mehrbelastung werden kann, die nicht immer
nur positiv gesehen wird. Auf Nachfrage durch die Wissenschaftler wurde aber deutlich, dass dies eher ein themen- und weniger ein methodenspezifisches Problem oder gar eines des bilingualen Lehrens und Lernens darstellt.
I1:
S1:
I1:
S1:
I1:
S2:
I2:
S2:
S3:
Aber findest du, ihr redet normal in Englisch oder wird überhaupt geredet oder
schweigt ihr da nur?
[Bei] 32 Schülern?
Das ist ein Argument, deswegen hab ich auch schon vorhin gefragt 32. Englisch
oder EWG auf Englisch, bei 32 kommt man eh nicht zum Reden.
Genau also von daher. Aber wenn man es in Gruppenarbeit macht, dann kommt
man auch zum Reden.
Man darf nur Englisch reden im EWG Unterricht, wenn der auf Englisch ist?
Es ist auch allgemein für die Klassenlautstärke einfacher, weil dann flüstert man leise Deutsch. (Gelächter)
Du findest es besser, vor allem weil dein Englisch besser wird. Habt ihr noch andere
Gründe, warum es interessanter ist? Also manchmal sagt man auch, im bilingualen
Unterricht werden andere Medien benutzt, mehr Filme, mehr Reden, zum Beispiel
im Geschichtsunterricht, da werden mehr interessante Medien benutzt als im normalen Unterricht. Gibt es also andere Gründe, warum es euch gefällt, außer dass
man besser Englisch kann am Ende?
Ach so, vielleicht dass man halt auch über das Wissen nur aus dem Englischbuch
hinaus halt auch noch Sachen macht. Dass man, zum Beispiel nen Film über
Kriegszeit oder so guckt, auf Englisch dann.
Ich finde das auch viel interessanter, also mir bringt das viel mehr, also ich komm da
effektiver rein, weil es auch mal in ’ner anderen Sprache zum Beispiel gearbeitet
wird wie in EWG.
Transkript Schule 1
Ein typisches Problem in jedem Unterricht ist eine hohe Klassengröße. Davon bleiben auch die bilingual unterrichteten Klassen nicht verschont. Durch die im bilingualen Sachfachunterricht vorherrschende erweiterte Methodenvielfalt, beispielsweise
die stärkere Betonung von Gruppenarbeitsphasen, werden aber mehr Sprechanlässe
geschaffen und Lerner können sich in verschiedenen Gruppen gleichzeitig mündlich
beteiligen. Die Schülerinnen und Schüler betonen in allen Schulen, dass der Einsatz
englischsprachiger Filme zum Verständnis des Unterrichtsstoffes beiträgt, denn
174
durch diese Art der Visualisierung können sie auch komplexere Sachverhalte leichter
nachvollziehen und anschließend in Diskussionen versprachlichen.
5.5.
Positive Stimmen in Bezug auf die Unterrichtssprache
Die Tatsache, dass in den bilingual unterrichteten Sachfächern die Fremdsprache
quasi als Vehikel zur Vermittlung von Inhalten genutzt wird, hat positive Auswirkungen auf den Wortschatz. So stellen die befragten Schülerinnen und Schüler an allen
Schulen immer wieder fest, dass der zusätzliche fremdsprachliche Input im Sachfachunterricht positiv ist. Besonders gefällt den Befragten, dass sich durch den verstärkten Fremdspracheneinsatz im Sachfachunterricht auch die Noten im „normalen“
Englischunterricht oft verbessern.
I:
S1:
I:
S1:
S2:
S3:
S4:
Wie findet ihr denn bilingualen Unterricht? Findet ihr das gut oder schlecht? Was ist
euer Eindruck?
Also das ist so ein Extratraining zum normalen Englischunterricht, wobei wir auch
neue Wörter lernen im Gegensatz zu den anderen und die Wörter werden dann
auch wieder im normalen Englischunterricht verwendet.
Findest Du das gut?
Ja schon. Es ist sehr hilfreich.
Ich finde es gut, weil man auch die englische Sprache erweitern kann und EWG auf
Englisch reden kann und nicht nur auf Deutsch.
Also ich habe es ja selber auch erlebt. Ich war ja vier Monate ungefähr in diesem
Jahr im deutschen EWG. Meine Freundinnen und ich wollten was Neues ausprobieren, weil wir EWG auf Deutsch interessant fanden, da haben wir in bilingual gewechselt und seitdem wir in bilingual sind, haben wir unser Englisch auch noch verbessert.
Wie meine Freundin gesagt hat, wir haben ja ins Englische gewechselt und dadurch
sind auch unsere Noten besser geworden, weil wir das Englisch irgendwie mehr
verstehen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber das Englische kann
man besser als das Deutsche verstehen, finde ich.
Transkript Schule 4
Die Verbesserung des sprachlichen Ausdrucks, die von den Lernern an allen Schulen festgestellt wird, trägt nach Ansicht der Schülerinnen und Schüler auch zur tieferen Durchdringung des eigentlichen Unterrichtsstoffes bei. Durch die Bearbeitung
des neuen Lernstoffes in einer fremden Sprache fühlen sich die Lerner gezwungen,
sich stärker zu konzentrieren und erleben so, dass sie sich auch inhaltlich intensiver
mit der Materie auseinandersetzen. Diese Ansicht wurde in allen Schulen vorgetragen; damit wird aus Sicht der Lerner die manchmal von Eltern und nicht bilingual unterrichtenden Lehrkräften geäußerte Sorge, dass sachfachliches Lernen in der
Fremdsprache zu oberflächlicherem Lernen führe, nicht geteilt.
I1:
S1:
I2:
S2:
Also im Fachunterricht spricht man anscheinend mehr, weil es um Inhalte geht?
In Englisch wird halt nicht viel geredet, nicht viel diskutiert, aber in Geschichte wird
drüber diskutiert, deswegen da können wir ja nicht nur yes oder no sagen, da muss
man ja auch begründen können.
Eigentlich soll man im Englischunterricht auch mal ein paar Sätze sprechen. (Gelächter)
Ja aber im Geschichtsunterricht wird ja noch mehr diskutiert.
Transkript Schule 1
175
Wie weiter oben im Abschnitt zur Unterrichtsmethodik bereits diskutiert, trägt der bilinguale Sachfachunterricht aus Sicht der beteiligten Lerner dazu bei, sich auch in
der Fremdsprache in längeren Zusammenhängen zu äußern. Hier erkennen die befragten Schülerinnen und Schüler ein Potential für einen höheren eigenen Sprechanteil als im traditionellen Fremdsprachenunterricht.
5.6.
Kritische Stimmen
Obwohl fast alle befragten Schülerinnen und Schüler an allen Schulen sehr positiv
über den bilingualen Unterricht berichteten, konnten auf mehrfaches Nachfragen
doch auch einige kritische Aspekte zum bilingualen Lehren und Lernen aus Schülersicht ermittelt werden. Dabei bleibt jedoch festzuhalten, dass diese kritischen Stimmen deutlich in der Minderheit waren und selbst diejenigen Lerner, die sich kritisch
äußerten, eine durchweg positive Einstellung zum bilingualen Unterricht hatten.
Eine Herausforderung ist aus Sicht der Lerner der bilinguale Mathematikunterricht. In
diesem Fach scheint für einige Schülerinnen und Schüler die Erarbeitung komplexerer Regeln in der Fremdsprache nicht hilfreich zu sein.
I:
S1:
S2:
Und wie läuft’s, das ist jetzt die Frage? Gut, schlecht, wo gibt’s Probleme, wo ist es
gut?
Also in der 6. da läuft’s eigentlich gut. Wir haben ja auch ’ne sehr gute Französischlehrerin, die haben wir auch in BK, also Frau [X]. Die kann ja auch sehr gut
Französisch. Sie ist Französin. (Lachen) […]
Also bei uns hat’s gut geklappt in Mathematik und, aber der Nachteil ist jetzt einfach
gewesen, dass Schüler, die deren Schwerpunkt die Sprachen waren, grad’ Französisch, die sind dann in Mathe au’ hängen geblieben teilweise. Es wurde zwar auf
Deutsch au’ öfters ’mal wiederholt, aber da grad’ Regeln und viele schwere Sachen
auf Französisch erklärt wurden, hat dies manchmal den Nachteil, aber es lief gut
au’, und in EWG lief’s sehr gut.
Transkript Schule 3
An anderen Stellen werden – über alle Schulen hinweg – auch zum Teil Probleme
mit dem globalen Verständnis einzelner Themenfelder sowie dem Verständnis von
Fachvokabular geäußert. Diese Äußerungen stehen im Widerspruch zu den im Abschnitt „5.3 Positive Stimmen in Bezug auf das Fachwissen“ erörterten Schüleräußerungen. Dabei ist zu beachten, dass wir in der Befragung stets eine größere Gruppe von Lernern aus dem bilingualen Zweig bzw. den Modulen versammelt hatten und
nicht jeder Punkt von jedem Lerner gleich beurteilt wurde.
Weitere kritische Stimmen bezogen sich auf den Mangel an brauchbaren, d.h. auf die
Schulform Realschule zugeschnittenen, Arbeitsmaterialien für den bilingualen Unterricht (vgl. unten den Abschnitt „6. Bilingualer Unterricht aus Sicht der Lehrkräfte“). Die
Schülerinnen und Schüler schätzen, welche Mehrarbeit ihre Lehrkräfte für die Erstellung von Unterrichtsmaterialien leisten und würden sich wünschen, dass in diesem
Sektor mehr Materialien in ihrem Sprachniveau auch von Schulbuchverlagen angeboten würden.
Eine kritische Stimme meldete sich in Bezug auf die erhöhte Arbeitsbelastung der
Schülerinnen und Schüler im bilingualen Unterricht; interessant ist in dieser Äußerung, dass die Schülerin dieses Argument nicht für sich selbst nennt, sondern von einer dritten Person berichtet.
176
S:
I:
S:
Bevor ich gewechselt habe, habe ich dieses eine Mädchen gefragt, warum sie gewechselt hat. Ihr waren es zu viel Hausaufgaben und das Ganze war eben zu anstrengend. Ich finde es eigentlich besser, wenn es Hausaufgaben gibt, weil man
dann auch zu Hause noch einmal an dem Thema arbeitet.
Würdest Du sagen, dass Bili-Unterricht mehr Arbeit bedeutet?
Man muss sich halt mehr anstrengen als im deutschen.
Transkript Schule 4
5.7.
Bilanz und Ausblick
An allen Schulen wird das bilinguale Angebot von den Schülerinnen und Schülern als
sehr positiv erlebt und beschrieben. Insbesondere das vermehrte fremdsprachliche
Angebot ist für die befragten Lerner ein wichtiger Gewinn in ihrer schulischen Ausbildung, von dem sie sich auch Vorteile im späteren Berufsleben versprechen. Dass
sich der bilinguale Unterricht positiv auf die Fremdsprachenkenntnisse der Lerner
auswirkt, konnten die Befragten eindrucksvoll unter Beweis stellen, als wir mitten in
der Befragung die Sprache wechselten und die Lerner unvermittelt auf Englisch ansprachen. Der folgende Transkriptauszug zeigt, dass die Lerner in der Lage sind,
unabhängig von Unterrichtsthemen und Lehrwerksbezügen frei in der Fremdsprache
zu kommunizieren. Somit ist der bilinguale Unterricht definitiv aus sprachlicher Sicht
ein Erfolg.
I:
S1:
I:
S1:
I:
S1:
S2:
S3:
S4:
I:
S5:
I:
S5:
S6:
I:
S7:
S1:
S8:
And what’s the favourite topic that you worked on in “EWG” in English?
Earthquakes, volcanoes.
So, what did you like about that?
What?
What did you like about that topic?
Nothing.
I like the earthquake also because it was very interesting to know where the earthquakes break off and how many people it killed and something like that.
My favourite topic is deserts and I know how in the desert get water.
My favourite topic is the volcanoes and earthquakes because I already know how
they break out and how they ... whatever ... in German and it was interesting to hear
it in English.
So what else did you learn?
I like the Yano [Yanomami] and the tropical rain forest because the Yano are very
funny and interesting how they get food.
What kind of food do they eat?
Yes.
I like earthquakes and volcanoes, too. By the earthquakes we did something funny.
She read a text with rules for earthquakes and we have to go under the table or ...
So what should you do in case of an earthquake?
I like the Atlantic and the Antarctic and Arctic Area also because it represent the
Arctic and Antarctic the topic to the now bilingual.
Ich habe die Frage vorher falsch verstanden. Ich habe gedacht, was wir gerade im
Moment machen. My favourite topic is the Arctic and Antarctic and California.
My favourite topic was chocolate, but this was in German.
177
S9:
My favourite topic was the deserts and the tectonic plates and by the deserts we
had a presentation on the Didacta.
Transkript Schule 4
Bei aller feststellbaren Begeisterung der Lerner für den bilingualen Unterricht lassen
sich aus den kritischen Stimmen der Lerner auch einige Problemfelder ableiten, die
in Zukunft verstärkt zu bearbeiten sind. Diese liegen auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse des Schulversuches insbesondere in folgenden Bereichen:
• Entwicklung weiterer moderner und handlungsorientierter professioneller bilingualer Unterrichtsmaterialien für die verschiedenen Fächer;
• Kritische Auswahl von für das bilinguale Lernen geeigneten Unterrichtsfächern; bei
bilingual unterrichteten Modulen geeigneten Unterrichtsthemen;
• Klarheit und Transparenz bei der Bewertung von (schriftlichen) Leistungen im bilingualen Sachfach.
6.
Bilingualer Unterricht aus Sicht der Lehrkräfte
Der Einsatz der Lehrkräfte erfolgt nach den Qualifikationen; Sachfächer werden bilingual fast ausschließlich von Lehrkräften unterrichtet, die auch für die Fremdsprache qualifiziert sind. Aus Lehrersicht wird gelegentlich begrüßt, wenn Sachfach und
Fremdsprachenunterricht in der Hand einer Lehrkraft sind.
Die intensivere Arbeit an den behandelten Themen führt dazu, dass zwar die inhaltliche Tiefe gewährleistet wird, dass andererseits aber die thematische Breite eingeschränkt werden muss, auch ist der Zeitaufwand höher. Der wird bei den Schulen
durch die Zusatzstunden weitgehend abgedeckt. Sachunterricht in der Fremdsprache
führt zu einer stärkeren Pointierung, Fokussierung und Stringenz der Inhalte. In allen
Schulen wird betont, dass der notwendige Mehraufwand bei der Vorbereitung nur
mithilfe der Zusatzstunden abgedeckt werden kann.
Vielfach wird erklärt, dass der bilinguale Unterricht zu einer methodischen Einengung
führt. Der Unterricht sei oft lehrerzentriert, andererseits aber auch kleinschrittiger,
stärker visualisiert, mit mehr Medien arbeitend. Das bedeutet einen größeren Vorbereitungsaufwand, eine genauere Planung des Unterrichts. Dadurch wird der bilinguale Sachfachunterricht anschaulicher und medienorientierter. An einer Schule wurde
betont, dass der bilinguale Unterricht möglichst immer mit einem konkreten Beispiel
beginnen sollte. Auch wird betont, dass wegen der gewünschten Einsprachigkeit
Partnerarbeit besser sei als Arbeit in größeren Gruppen. Verschiedentlich werden
neue Medien (Interaktive Whiteboards) eingesetzt, die offensichtlich den Unterricht
aktivierend gestalten.
Bei den meisten Schulen wird in den Sachfächern versucht, die Einsprachigkeit
durchzuhalten. Code-Switching kommt vor, vor allem in den Klassen 5 und 6. Insbesondere in diesen Anfangsklassen nutzt die Lehrkraft auch gelegentlich die deutsche
Sprache, um sich zu vergewissern, dass die Inhalte verstanden sind. Eine Möglichkeit besteht darin, dass in diesen Klassen am Ende der Stunde eine Zusammenfassung des Inhalts auf Deutsch erfolgt. Code-Switching kommt in manchen Schulen in
den Anfangsklassen eher im Fach Geschichte als im Fach EWG/Erdkunde vor. In allen Schulen ist der Unterrichtsfluss wichtiger als eine konsequente Einsprachigkeit.
Von Schülern wurde gewünscht, mehrere Bili-Stunden hintereinander zu haben, um
178
in der Fremdsprache bleiben zu können. Die Vorteile für die Fremdsprachen werden
meist eher im Sprachverständnis, im selbstverständlicheren Umgang mit der Fremdsprache, und weniger im schriftlichen Bereich gesehen.
Probleme beim modularen System bestehen darin, dass der Aufbau eines grundständigen Fachvokabulars nicht in der Hand einer Lehrkraft oder des Fachs liegt.
Absprachen darüber sind notwendig, aber nicht leicht durchzuhalten.
Die Leistungsüberprüfung erfolgt in Klassenarbeiten meist auf Englisch, in Tests ist
der Anteil an Aufgaben in deutscher Sprache größer. Insgesamt zeigen sich hier die
größten Unterschiede zwischen den Schulen und auch zwischen einzelnen Lehrkräften. Meist werden die Fragen auf Englisch gestellt (für das Fach Geschichte wird in
einem Fall berichtet, dass die Klassenarbeit auf Deutsch geschrieben wird), in manchen Schulen kann man pro Frage entscheiden, in welcher Sprache man antwortet,
in einigen Schulen muss man die einmal gewählte Sprache durchhalten. In einer
Schule wurde sogar davon gesprochen, dass es für Antworten in der Fremdsprache
Extra-Punkte gebe. In vielen Fällen zählen nur inhaltliche Fehler bzw. Fehler im
Fachvokabular, in manchen Schulen wird auch sprachlich korrigiert.
Zusatzangebote, die den bilingualen Unterricht attraktiver machen und unterstützen,
bestehen an einzelnen Schulen: „Language Farm“ in Thüringen; Field Study Centre
in England; English Camps. Der Wunsch nach Partnerschulen im Zielland wird von
Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern ausgesprochen.
Weitere Wünsche der bilingual unterrichtenden Lehrkräfte beziehen sich in erster Linie auf praktische Unterrichtshilfen (Material, Medien etc.), auf Fortbildungen (bzw.
den Einsatz von ausgebildeten Lehrkräften) und auf einen bilingualen Fachraum mit
den entsprechenden Medien (gibt es so nur an einer Schule). Brauchbares Lehrmaterial ist noch am besten in EWG vorhanden, Wünsche bestehen vor allem für andere Fächer, insbesondere Geschichte.
In einigen Schulen wird betont, dass die Erfahrungen aus dem bilingualen Unterricht
sich auch positiv auf den deutschsprachigen Sachfachunterricht der beteiligten Lehrkräfte auswirken. Andererseits wird konstatiert, dass Schüler im bilingualen Zweig
sich weniger an den sonstigen schulischen Aktivitäten beteiligen (eher „Sprachler“,
die anderen eher „Macher“).
7.
Sachfachperspektiven
Zusätzlich zu den bereits genannten Aspekten lassen sich einige fachspezifische
Perspektiven anführen, wobei einige Fächer nur in wenigen Fällen vertreten sind,
andere hingegen sozusagen die „Kernfächer“ darstellen. Innerhalb des Fächerverbundes EWG gehört das Fach Geographie neben dem Fach Geschichte zu den „Pionierfächern“ und beide Fächer sind in allen Schulen vertreten.
In vier von fünf Schulen werden bilinguale Zweige angeboten, in der fünften hat man
mit dem Beginn des Schulversuchs von einem bilingualen Zweig auf ein modulares
System gewechselt. Bisher hatte in dieser Schule mit einer langen bilingualen Tradition das Fach Erdkunde die Funktion des Leitfachs für den bilingualen Zug; mit der
Einführung des Fächerverbundes EWG kamen wirtschaftliche und gemeinschaftskundliche Themen hinzu, die sich aus Sicht der Lehrer teilweise weniger oder gar
nicht für den bilingualen Unterricht eignen. Vielfach müssen diese Themen von den
bisherigen Erdkundelehrern auch fachfremd unterrichtet werden, was ebenfalls dazu
179
beiträgt, dass man sie lieber auf Deutsch unterrichtet (entsprechend den vorliegenden Schulbüchern). Durch den Wechsel vom Zweig ins Modul-System wird ein insgesamt breiteres bilinguales Sachfachangebot erreicht. Auch gibt es hierdurch in den
Sachfächern die Möglichkeit, nicht-bilinguale Angebote zu machen, wodurch auch
nicht-bilingual unterrichtende Lehrer in den Sachfächern zum Zuge kommen. Durch
das modulare System werden alle Schülerinnen und Schüler in den bilingualen Unterricht integriert. Dieses System basiert auf einer großen Zahl von Lehrern – mit
dem Nachteil, dass in der Schule ein „Überangebot“ an Englisch-Lehrern besteht.
Auch bedarf es in diesem System einer stärkeren Absprache innerhalb der Fächer
und zwischen den Fächern. Von Vorteil ist, dass die große Bili-Fachschaft gegenseitige Hilfen bereitstellen kann (Materialzusammenstellungen, gegenseitige Hospitationsangebote u.Ä.). Erfahrungen mit Religion, Mensch und Umwelt (MuM) und Technik liegen nur in dieser Schule vor.
Bei den bilingualen Zweigen überwiegt das Modell von zwei Leitfächern, EWG und
Geschichte. Weitere Angebote werden in der Regel, abhängig auch von den verfügbaren Lehrkräften, modular oder in einzelnen Unterrichtseinheiten (BK, Naturwissenschaftliches Arbeiten (NWA), Mathematik, Musik, Sport) durchgeführt.
In den Leitfächern wie auch in den anderen Fächern gibt es einzelne Themen, die
die Lehrkräfte wegen des Themas oder des notwendigen Vokabulars lieber auf
Deutsch unterrichten. Grundsätzlich sind Themen weniger geeignet, die zu wenige
Möglichkeiten der Veranschaulichung/Visualisierung zulassen und gleichzeitig zu
„textlastig“ sind. Hinderlich ist auch, wenn neue Vokabeln nur für den rezeptiven
Wortschatz der Schüler von Bedeutung sind, nicht aber aktiv in der Kommunikation
angewendet werden können. Schwierigkeiten machen z.B. Gesetzestexte, die man
auch aus pragmatischen Gründen auf Deutsch lesen müsste, während Originalquellen durchaus als bereichernd angesehen werden, wenn sie sprachlich nicht zu
schwierig sind.
Aus der Sicht einiger Fächer behindert die Fremdsprache die Ausdrucksfähigkeit bei
Themen mit persönlicher Betroffenheit (z.B. bei Gemeinschaftskunde-Themen, Geschichte, Sport).
Erdkunde in EWG
in allen Schulen;
Geschichte
meist durchgehend, mit einzelnen Ausnahmen
Bildende Kunst
in 3 Schulen, einzelne Module oder Unterrichtseinheiten
Musik
in 3 Schulen, einzelne Module oder Unterrichtseinheiten
Sport
in 2 Schulen, einzelne Module oder Unterrichtseinheiten
Mathe
in 2 Schulen, einzelne Module oder Unterrichtseinheiten
Chemie in NWA
in 2 Schulen, einzelne Module oder Unterrichtseinheiten
Tab. 1: Übersicht über bilingual unterrichtete Fächer in vier Schulen mit bilingualen Zügen
Erdkunde-Wirtschaftskunde-Gemeinschaftskunde
Das Problem des Fächerverbundes besteht darin, dass neben dem Fach Geographie, dessen Themen traditionell vollständig in der Fremdsprache unterrichtet werden konnten (auch schon vor dem Schulversuch), Themen aus den Bereichen Politik
180
und Wirtschaft aufgenommen wurden, die von den meisten Lehrkräften auf Deutsch
unterrichtet werden. Das führte in einem Falle, wo der bilinguale Zweig stark am
Fach Geographie orientiert war, dazu, dass man das Zweig-Modell zugunsten des
Modul-Modells aufgab, um durchgängigen bilingualen Unterricht in allen Klassen und
zu allen Zeiten anbieten zu können. An allen anderen Schulen werden auch in den
„Zweigen“ einzelne EWG-Themen auf Deutsch unterrichtet.
Die Meinungen darüber, welche Themen sich eignen, gehen allerdings auseinander.
In einer Schule werden vor allem die Themen zu Beginn der 5. Klasse (Gradnetz,
Karteneinführung u. Ä.) als zu „abstrakt“ eingeschätzt; andere Schulen unterrichten
auch diese Themen erfolgreich in der Fremdsprache. Themen, die in allen Schulen
auf Deutsch unterrichtet werden, stammen meist aus dem Bereich Gemeinschaftskunde, z.B. Konsumverhalten, Jugendrecht. In manchen Schulen hat man sich auf
die Themen geeinigt, die nicht in der Fremdsprache unterrichtet werden.
Das Fach Erdkunde eignet sich nach Meinung der Lehrkräfte vor allem aufgrund seiner Anschaulichkeit, seines Alltagsbezugs und der dort schon immer umfangreich
eingesetzten Medien. Interessanterweise ergibt sich für EWG, dass Mädchen stärker
motiviert werden. Im herkömmlichen (deutschsprachigen) Erdkundeunterricht sind in
der Regel Jungen stärker motiviert.
Geschichte
Geschichte gehört zu den Kernfächern der bilingualen Zweige. In manchen Schulen
wird mithilfe der Zusatzstunden Geschichte bereits ab Klasse 5 unterrichtet. Häufig
genannt wird allerdings, dass zu Beginn der Unterricht eher auf Deutsch gehalten
wird; der fremdsprachige Anteil wächst mit der Zeit. Auch hier werden manche Themen als ungeeignet für den bilingualen Unterricht angesehen, z.B. „Zeitverständnis“,
„Geschichtsmethode“, „Deutsche Teilung, die DDR“ oder komplexe und kontroverse
Themen.
Bildende Kunst (BK)
BK wird (bilingual) in allen Schulen gelegentlich modular unterrichtet, in Abhängigkeit
von den verfügbaren Lehrkräften. Hierbei stellt Kornwestheim eine Ausnahme dar,
da dort BK in dem modularen Modell regelmäßig unterrichtet wird.
Das Fach wird kontrovers beurteilt. In einer Schule wird ausgeführt, dass es „zu wenig verbale Kommunikation im Verbund [biete], da spricht man Deutsch“, in anderen
Schulen wird es mit Erfolg bilingual unterrichtet. Es sei besonders gut geeignet wegen der Anschaulichkeit und Handlungsorientierung; Schüler werteten es als „bestes
Fach“ für den bilingualen Unterricht.
Naturwissenschaftliches Arbeiten
Der Fächerverbund wird an einzelnen Schulen modular unterrichtet. Er ist nach Meinung einer Schule bilingual besonders in den Klassen 5 und 6 geeignet.
Mathematik
Mathematik wird an einzelnen Schulen modular unterrichtet. Auch hier wird angemerkt, dass sich nicht alle Themen für den bilingualen Unterricht eignen. Insbesondere werden textorientierte Aufgaben als zu schwierig angesehen. Auch aus Schü181
lerperspektive wird Mathematik bilingual als schweres Fach betrachtet. Eine Erklärung hierfür mag nach Ansicht einer Lehrkraft darin liegen, dass Mathematik unabhängig von der besonderen Situation der Vermittlung in einer Fremdsprache grundsätzlich von vielen Schülerinnen und Schülern als schwierig empfunden wird.
Musik
Musik wird an mehreren Schulen modular unterrichtet. Besonders eignen sich Unterrichtseinheiten/Module zur Pop-Musik und zu Musik mit Bezug zum Zielsprachenland. Die Eignung ergibt sich auch durch den Anteil an Singen, Tanzen, Musizieren.
Sport
Sport wird an mehreren Schulen modular unterrichtet. Auch hier ist die Einschätzung
kontrovers, wenngleich überwiegend positiv. Kritisiert wird, dass durch den bilingualen Unterricht die Einführungsphase zu lang werde und zu wenig Zeit für den „eigentlichen Sport“ bleibe. Andererseits wird betont, dass Sport besonders geeignet sei
wegen der starken Handlungsorientierung und sprachlichen Ritualisierung. Probleme
gebe es bei ganz spezifischen Anweisungen (z.B. „Hüfte höher halten“ u.Ä.) und
beim Konfliktmanagement. Die Begriffe für Geräte und Bewegungen müssen sprachlich vorab eingeführt werden. Sport eignet sich „für hands-on-Phasen, weniger für die
Diskussion emotionaler Betroffenheit.“
Religion
Religion wird nur in einer Schule (modular) unterrichtet. Grundsätzlich gibt es positive
Erfahrungen, u.a. da der sprachliche Verfremdungseffekt den Schülerinnen und
Schülern einen Freiraum eröffnet, ungehemmter persönliche Meinungen und Einschätzungen im Bereich religiöser Überzeugungen zu artikulieren.
Schule
Klasse und Fach
Stundenthema
1
Klasse 5: Kunst
Paris, Delaunay et le contraste de couleurs claires et
foncées
2
Klasse 6: Geographie
The Capitals of Europe
3
Klasse 7: Geographie
A Farm in Iowa
Klasse 10: Geschichte
The Vietnam War
4
Klasse 6: Geschichte
Roman Gods and Goddesses
5
Klasse 8: Geschichte
Colonialism in Africa
Klasse 7: Geographie
The Aswan Dam
Tab. 2: Dokumentation der Hospitationen durch die Gruppe „wissenschaftliche Begleitforschung“
Mensch und Umwelt (MuM)
Wird nur in einer Schule (modular) unterrichtet. Dort wird das Fach als geeignet für
den bilingualen Ansatz angesehen.
182
Technik
Wird nur in einer Schule (modular) unterrichtet. Die besondere Eignung ergibt sich
hier, wie im Sport, im handlungsorientierten Ansatz.
8.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach der Hälfte des Schulversuches zu bilingualem Lehren und Lernen in der Realschule in Baden-Württemberg eine ausgesprochen positive Zwischenbilanz gezogen werden kann. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse führen zu der Einschätzung, dass alle am Schulleben beteiligten
Gruppen, also Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Schulleitungen, den bilingualen Sachfachunterricht als große Bereicherung empfinden. Die bisherigen Befragungen dieser genannten Gruppen deuten auch darauf hin, dass die Eltern der
Schülerinnen und Schüler in den bilingualen Lerngruppen die Unterrichtsform, in der
Sachfächer in einer Fremdsprache gelehrt werden, begrüßen, vor allem weil sie davon ausgehen, dass die Kompetenz in der Fremdsprache die Chancen ihrer Kinder
auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Diese Wahrnehmung scheint insbesondere auf die
grenznahe Realschule in Neuenburg zuzutreffen, da die besonderen französischen
Sprachkompetenzen den Schülerinnen und Schülern den französischen Arbeitsmarkt
oder auch Tätigkeitsfelder z.B. im Einzelhandel oder Handwerk öffnen, die ihnen ohne Französischkenntnisse ansonsten verschlossen blieben. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass eine systematische Analyse der Einstellungen der Eltern zum bilingualen Sachfachunterricht in den Schulen noch aussteht. Es
ist aber beabsichtigt, diese Lücke in der zweiten Phase des Schulversuchs durch
Einzeluntersuchungen zu schließen. Die Datenerhebung hierfür hat bereits begonnen.
Zum Schluss werden im Folgenden erste Empfehlungen aus Sicht der Begleitforschung zum Schulversuch vorgestellt. Hierbei handelt es sich um keinen apodiktischen Katalog notwendiger Maßnahmen, sondern vielmehr um den Versuch, eine
Diskussionsgrundlage für die zweite Phase des Schulversuchs bereit zu stellen, die
die Basis für den weiteren Gedankenaustausch aller am Schulversuch Beteiligten
bilden soll.
8.1.
Erste vorläufige Empfehlungen an die Schulen
Generell:
Weiterhin eine angemessene Wertschätzung des besonderen Engagements und der
Leistungen der beteiligten Lehrkräfte vornehmen.
Organisation:
• Intensivierung der Kooperation im Fremdsprachenbereich mit den Grundschulen.
• Sicherung transparenter Aufnahmebedingungen in die bilingualen Klassen.
• Vorkurse erscheinen aufgrund des Fremdsprachenlernens auf der Primarstufe
nicht mehr notwendig.
• Gründung / Stärkung der bilingualen Fachschaft bei gleichzeitiger Integration in
das Gesamtkollegium.
183
• Bilingualer Unterricht sollte auf möglichst „viele Schultern verteilt werden“, so dass
sich die Arbeit nicht als unverhältnismäßig belastend für einzelne erweist.
• Schaffung von Entlastungsmöglichkeiten (z.B. durch Materialpools, Entlastungsstunden).
Methodik / Didaktik:
• Beibehaltung und Weiterentwicklung der bilingualen Stoffverteilungspläne.
• Intensivierung gemeinsamer Materialentwicklung.
• Verstärkte Durchführung des Unterrichts in der Zielsprache.
• Verminderung der sprachlichen Fehlerkorrektur im bilingualen Sachfach.
• Förderung von gegenseitigen Hospitationen.
• Ermöglichung von Hospitationen für neue bilinguale Lehrkräfte.
8.2.
Erste vorläufige Empfehlungen an die Staatlichen Schulämter und Regierungspräsidien
• Ausreichende Versorgung mit bilingual ausgebildeten Lehrkräften.
• Rechtzeitige, für die einzelne Schule angemessene Zuweisung von bilingual ausgebildeten Lehrkräften.
• Weiterhin angemessene Wertschätzung des besonderen Engagements und der
Leistungen der beteiligten Schulleitungen.
• Schaffung von Entlastungsmöglichkeiten für Schulleitungen und Lehrkräfte (z.B.
durch Materialpools, Entlastungsstunden, finanzielle Hilfe für Projekte, bilinguale
Fachräume etc.).
• Regelmäßige, nach Niveaustufen (Grad der bilingualen Lehrerfahrung) organisierte, mit den drei Phasen der Lehrerausbildung vernetzte Fortbildung der Lehrkräfte.
8.3.
Erste vorläufige Empfehlungen an die Entscheidungsträger im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg
• Ausreichende Versorgung mit bilingual ausgebildeten Lehrkräften.
• Schaffung von Entlastungsmöglichkeiten für Schulleitungen und Lehrkräfte (z.B.
durch Materialpools, Entlastungsstunden, finanzielle Hilfe für Projekte, bilinguale
Fachräume etc.).
• Grundständige, flächendeckende Ausbildung von bilingualen Lehrkräften in Baden-Württemberg (auch in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsministerium)
vorantreiben, um den steigenden Bedarf an Fachkräften zu gewährleisten.
• Verstärkte, systematische Verankerung des bilingualen Lehrens und Lernens in
den Bildungsplänen.
• Entwicklung von grundständigen, landesweiten bilingualen Studiengängen für den
bilingualen Sachfachunterricht (additiv zu den herkömmlichen Lehramtsstudiengängen).
184
8.4.
Erste vorläufige Empfehlungen an die Staatlichen Seminare für Didaktik
und Lehrerbildung (Realschulen)
• Fortsetzung der bilingualen Hochschulausbildung in der 2. Phase der Lehrerausbildung mit zertifiziertem Abschluss.
• In der Zwischenzeit verzahnte Kooperation zwischen Hochschulen und Seminaren
auf Grundlage eines gemeinsamen Zertifikats (ergänzend zum „Europalehramt“).
• Entwicklung von grundständigen, landesweiten bilingualen Studiengängen für den
bilingualen Sachfachunterricht (additiv zu den herkömmlichen Lehramtsstudiengängen).
8.5.
Erste vorläufige Empfehlungen an die Hochschulen
• Intensivierung der (verlagsmäßigen) bilingualen Materialproduktion und -evaluation.
• Verstärkte wissenschaftliche Kooperation der Sachfach- und Fremdsprachendidaktiken.
• Entwicklung von grundständigen, landesweiten bilingualen Studiengängen für den
bilingualen Sachfachunterricht (additiv zu den herkömmlichen Lehramtsstudiengängen).
• In der Zwischenzeit verzahnte Kooperation von Hochschulen und Seminaren auf
Grundlage eines gemeinsamen Zertifikats (ergänzend zum „Europalehramt“).
• Einführung einer grundständigen bilingualen Gymnasiallehrerausbildung in Kooperation mit den bilingualen Studiengängen.
9.
Zukünftige Entwicklung
Noch vor Abschluss des Schulversuchs hat das Ministerium für Kultus, Jugend und
Sport in Baden-Württemberg im März 2010 die Ausweitung bilingualer Züge an Realschulen beschlossen.14 Damit wird der Schulversuch, so wie er bisher durchgeführt
wurde, als erfolgreich angesehen:
„Zum Schuljahr 2010/2011 können die Staatlichen Schulämter an je einem Standort einen
bilingualen Zug an einer Realschule einrichten. In den folgenden Schuljahren sollen jährlich pro Regierungspräsidium bis zu je zwei zusätzliche Standorte genehmigt werden. Die
Ausweitung der Standorte mit bilingualem Zug soll im Endausbau auf insgesamt 20 % der
Realschulen begrenzt werden (85 Standorte).“
Voraussetzung ist, dass die eingesetzten Lehrer Englisch bzw. Französisch und ein
Sachfach unterrichten können. Die Schulen erhalten, wie die bisherigen Versuchsschulen, insgesamt neun zusätzliche Lehrerwochenstunden. Die bisherigen Versuchsschulen übernehmen auf Regierungsbezirksebene die Federführung bei der
Einführung der bilingualen Zweige an den neu hinzukommenden Schulen.
14
Mitteilung des Ministeriums auf der Jahrestagung der beteiligten Schulen in Lonsingen am 25.03.
2010.
185
„Bilinguale Züge sind ein Angebot für besonders motivierte Schülerinnen und Schüler, deren Lern- und Arbeitsverhalten sowie der Gesamtnotendurchschnitt überdurchschnittlich
sind. Über die Aufnahme entscheidet die Schulleiterin / der Schulleiter.“ 15
Die Einrichtung eines bilingualen Zuges sieht vor:
• „In jeder Klassenstufe wird in einer bilingualen Klasse durchgängig bilingual unterrichtet (im Endausbau in sechs Klassen, z.B. in Klasse 5a bis 10a).
• In mindestens zwei Sachfächern pro Klassenstufe werden insgesamt mindestens
zwei Stunden pro Woche bilingual unterrichtet (pro Schuljahr mindestens 80 Wochenstunden).
• Die betreffenden Fächer werden in der Regel teilweise in Deutsch und anteilig bilingual unterrichtet.
Die Bildung bilingualer Fachschaften wird empfohlen.
Dabei wird eine klare Entscheidung zugunsten des „Zug-Modells“ getroffen. Drei Varianten werden zur Wahl angeboten:
• Modell1: zwei Fächer (z.B. EWG und Geschichte) durchgängig von Klasse 5 bis
10
• Modell 2: ein Fach (z.B. EWG) durchgängig von Klasse 5 bis 10, als zweite Fach„Säule“ wechseln die Fächer (z.B. Klassen 5-6 Sport, Klassen 7-8 Bildende Kunst,
Klassen 9-10 Geschichte)
• Modell 3: Fachsäule 1 wird getragen von drei Fächern (Klassen 5-6, 7-8, 9-10: wie
bei Modell 2, 2. Fachsäule), Fachsäule 2 ermöglicht die Beteiligung zahlreicher
anderer Fächer
Durch diese Entwicklung öffnet sich ein weites Feld für eine genauere Untersuchung
bilingualen Lehrens und Lernens im Bildungsgang der Realschule. Zugleich ist davon
auszugehen, dass sich der Untersuchungsschwerpunkt der Begleitforschung auch
auf Fragen der erstmaligen Einführung und konkreten Umsetzung von bilingualen
Zügen an dieser Schulform verlagern wird. Die zweite Phase des Schulversuchs wird
voraussichtlich von hiermit verknüpften Fragestellungen geprägt sein.
Literaturverzeichnis
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Kontinuität und Innovation. In: Der Fremdsprachliche Unterricht 28/13, 22-26.
Helfrich, H. (1997): Bilingualer Unterricht an Hauptschulen und Realschulen. Überregionale Arbeitstagung am 11. Juni 1997 (Tagungsbericht). In: Pädagogik zeitgemäß 26, 70-84.
15
Zitate aus der Mitteilung des Ministeriums am 25.03.2010.
186
2
Helsper, W. / Böhme, J. (Hrsg.) ( 2008): Methoden der Handlungs-, Praxis- und Evaluationsforschung.
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3
Lefèbvre, H. ( 2001): Du rural à l’urbain. Paris.
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Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.) (2006): Realschule – Bildung in
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Sachfachunterrichts an Gymnasien. Frankfurt/M.
187
REZENSIONEN
Altmann, Werner / Bernecker, Walther L. / Vences, Ursula (Hrsg.)
(2009): Debates sobre la memoria histórica en España. Beiträge zu
Geschichte, Literatur und Didaktik. Berlin: edition tranvía Verlag
Walter Frey, 350 S., 29,80 €.1
Wer verübte den blutigsten Terroranschlag in der deutschen Nachkriegsgeschichte?
Wer jetzt an die RAF oder gar an islamistische Terroristen denkt, liegt falsch. Es waren vielmehr ein oder mehrere rechtsradikale Täter, die am 26. September 1980 auf
dem Münchner Oktoberfest eine Bombe zündeten, durch die 13 Menschen starben
und 211 verletzt wurden. Trotz der vielen Toten und Verletzten wird das Ereignis in
der deutschen Erinnerungskultur eigentümlich wenig beachtet, ja weitgehend ignoriert. Die Gründe hierfür sollen hier nicht weiter diskutiert werden – das Beispiel zeigt
jedoch sehr deutlich, dass die Erinnerung an vergangene Ereignisse weniger von objektiven Größen als vielmehr von kulturellen Faktoren abhängig ist. Die Kultur, der wir
angehören, formt die Erinnerung, die wir haben. Dabei beeinflusst die menschliche
Gruppe, in der wir leben, nicht nur woran wir uns erinnern, sondern auch wie wir uns
erinnern. Lässt die Größe des Ereignisses, man denke an Krieg oder Völkermord,
das Löschen durch Nicht-Erinnerung nicht zu, werden oft erbitterte Kämpfe um die
Deutungshoheit ausgetragen. War die Ermordung von 800.000 Armeniern im Osmanischen Reich ein Völkermord? Begingen die Soldaten der Wehrmacht systematisch
Kriegsverbrechen? War die DDR ein Unrechtsstaat? Fragen, die Historiker, Journalisten und oft auch Gerichte immer wieder neu ausloten müssen – nicht zuletzt, um
revisionistische Diskurse abzuwehren. In vielen Fällen sind es aber die Familien der
Opfer, die als erste ihre Stimme erheben und Gerechtigkeit einfordern. Manchmal
dauert es jedoch Jahrzehnte, bis sie gehört werden.
In Spanien wird die Debatte um die Erinnerung an die Toten von Krieg und Diktatur
zur Zeit mit harten Bandagen ausgetragen. Gab es lange einen pacto de silencio, einen Schweigepakt, der den Übergang zur Demokratie ermöglichen sollte, ist es wie
so oft die Enkelgeneration, die diesen Pakt nun gebrochen hat und die Wahrheit über
ihre an den Waldrändern des ganzen Landes verscharrten Großeltern erfahren
möchte. Während das konservative politische Spektrum lange die Erinnerung an die
Opfer Francos zu verhindern versuchte und dies weiterhin versucht, sorgen seit Mitte
der 1990er-Jahre Bürgerinitiativen wie die Asociación para la recuperación de la
memoria histórica oder Publikationen wie Las fosas de Franco von Emilio Silva und
Santiago Macías (Madrid 2003: Temas de hoy) dafür, dass Massengräber geöffnet,
Tote identifiziert und Schicksale dokumentiert werden.
Einer der wichtigsten Schritte auf diesem Weg zu einer Normalisierung der spanischen Erinnerungskultur und, wie seine Befürworter betonen, zur Versöhnung der bis
heute tief gespaltenen politischen Lager ist jedoch das Gesetz 52/2007, das am 31.
Oktober 2007 unter dem sperrigen Namen Ley por la que se reconocen y amplían
derechos y se establecen medidas en favor de quienes padecieron persecución o
violencia durante la Guerra Civil y la Dictadura verabschiedet wurde und allgemein
als Ley de Memoria Histórica bekannt ist.
1 Inhaltsverzeichnis und Einleitung des Sammelbands sind über die Internetseite des Verlages verfügbar: http://www.tranvia.de/buecher/vorwort93894435.pdf.
189
Memoria histórica und memoria colectiva sind Begriffe, die inzwischen Teil der Alltagssprache geworden sind. Sie gehen zurück auf das Konzept der mémoire collective, das der französische Soziologe Maurice Halbwachs in den 1920er-Jahren entwickelte. Halbwachs, der 1945 in Buchenwald umkommen sollte, konzipierte seine
gedächtnistheoretische Arbeit insbesondere in Les cadres sociaux de la mémoire
(1925) als Weiterentwicklung und teilweise als Gegenentwurf zu Henri Bergsons und
Sigmund Freuds Gedächtnistheorien. Im Gegensatz zu diesen sah Halbwachs die
Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses nicht in der Reproduktion vergangener Ereignisse, sondern in deren Rekonstruktion. Die wichtigste Rolle für die Gestalt des Erinnerten spielt hierbei nach Halbwachs der soziale Rahmen, in dem diese
Erinnerung stattfindet.
In Spanien hat sich dieser soziale Rahmen seit Mitte der 1990er-Jahre deutlich verschoben und zumindest teilweise ein politisches Klima geschaffen, das eine Aufarbeitung der Kriegsverbrechen während des Bürgerkriegs 1936-1939 und der zahllosen politischen Morde und Menschenrechtsverletzungen während der Franco-Diktatur 1939-1975 endlich ermöglicht. Die traumatischen Erfahrungen Spaniens prägen
das Land bis heute. Daher sind sowohl die Ereignisse selbst als auch die Fragen der
Erinnerung an sie für den modernen, interkulturell ausgerichteten Spanischunterricht
von hoher Bedeutung und zu Recht in allen Rahmenlehrplänen zu finden.
Es scheint daher sehr angemessen, dass der Deutsche Spanischlehrerverband
(DSV) in seiner Reihe „Theorie und Praxis des modernen Spanischunterrichts“ den
neunten Sammelband diesem Themenkomplex gewidmet hat. Der Band vereint 15
Vorträge, welche größtenteils im März 2009 auf dem 17. Hispanistentag in Tübingen
in der Gastsektion des DSV gehalten wurden. Vier Beiträge haben einen historischen, fünf einen literarischen und sechs einen didaktischen Schwerpunkt. 12 der
insgesamt 15 Beiträge sind in spanischer, 3 in deutscher Sprache verfasst. Damit
richtet sich die Publikation eindeutig an das der spanischen Sprache mächtige Fachpublikum.
Walther L. Bernecker, Mitherausgeber des Bandes und einer der renommiertesten
Experten Deutschlands für spanische und lateinamerikanische Geschichte, eröffnet
mit einem Überblick über die verschiedenen Strömungen und Rahmensetzungen der
Erinnerung an den Bürgerkrieg. Die militärische Besetzung von Gebieten ging vom
ersten Kriegstag an einher mit der systematischen Besetzung des öffentlichen Raumes durch die späteren Sieger: Zerstörung von republikanischen Symbolen, Umbenennung von Straßen und Plätzen, Errichtung von Gedenksteinen und Denkmälern
für die caídos por Dios y por España. Bernecker unterstreicht, dass dieser Prozess,
der in der Franco-Zeit konsequent fortgesetzt wurde, ein einziges Ziel hatte: das Regime zu legitimieren, es als quasi logische Folge der glorreichen spanischen Geschichte darzustellen – und die Erinnerung der Kriegsgegner zu zerstören (S. 18).
Berneckers Darstellung zeichnet aber auch die Verschiebungen der Erinnerungskultur nach Francos Tod bis in die jüngste Zeit nach und bietet damit einen Gesamtüberblick über die Erinnerungskultur seit Ausbruch des Bürgerkrieges bis zur Gegenwart.
In demokratischen Gesellschaften verschiebt sich der soziale Rahmen für die historische Erinnerung immer in einem komplexen Wechselspiel zwischen Kräften von unten und oben. Impulse aus der Bevölkerung und politische Projekte bedingen und
beeinflussen sich gegenseitig. Die beiden folgenden Beiträge nehmen daher jeweils
eine dieser Perspektiven in den Blick. Alexandre Froidevaux von der Universität Er190
langen-Nürnberg widmet seinen Beitrag am Beispiel der Region Valencia der Erinnerungskultur desde abajo, also den Bürgerinitiativen und Geschichtsworkshops, den
Vereinen und Stiftungen. Diego Íniguez Hernández beschäftigt sich dagegen mit der
genannten Ley de la memoria histórica, also der lange überfälligen Schaffung eines
rechtlichen Rahmens, der den Opferverbänden unter anderem den Zugriff auf staatliche Mittel etwa zur Aushebung von Massengräbern und Identifizierung der Opfer ermöglicht. Der Autor, Experte für öffentliches Recht und Insider des spanischen Politbetriebs, dokumentiert eindrücklich die heftigen parteipolitischen Auseinandersetzungen, von denen die Erarbeitung und Verabschiedung des Gesetzes begleitet wurden und die deutlich machen, wie stark die spanische Öffentlichkeit in dieser Frage
bis heute polarisiert ist.
Francos Widersacher kamen nicht nur in Spanien ums Leben, sondern auch auf
deutschem Boden. Diesem wenig bekannten Kapitel der spanisch-deutschen Beziehungen widmet Martin Franzbach seinen Beitrag, indem er den Spuren spanischer
Häftlinge im Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg nachgeht und Desiderata für die noch ausstehende Aufarbeitung der an spanischen und französischen
Häftlingen begangenen Verbrechen formuliert.
Der soziale Rahmen für das historische Gedächtnis wird entscheidend von zivilgesellschaftlichen und politischen Initiativen verändert. Für die Wahrnehmung in einer
breiten Öffentlichkeit sorgt aber vielleicht noch mehr der Kulturbetrieb. Der zweite
Teil des Sammelbandes widmet sich daher einigen neueren literarischen Werke.
Nach einer Einführung von Cristina Naupert über die Tendenzen in der Literatur nach
1975 folgen mehrere Beiträge zu Werken von Julio Llamazares (Luna de lobos,
1975), Alfonso Cervera (Maquis, 1997), Ignacio Martínez de Pisón (Enterrar a los
muertos, 2005), Rafael Chirbes (Los disparos del cazador, 1994) und Javier Cercas
(Soldados de Salamina, 2001). Das letztgenannte Werk hat es durch seine Verfilmung von David Trueba auch in ganz Europa zu einiger Bekanntheit gebracht, und
es nimmt noch aus einem anderen Grund eine Sonderstellung ein: es liefert ein eindrückliches Porträt des Dichters und Falangeführers Sánchez Mazas. Werner Altmann vertritt die Ansicht, dass Cercas, der für seinen in Spanien äußerst erfolgreichen Roman auch heftig kritisiert wurde, damit einen für beide politischen Lager akzeptables Weg zur Aussöhnung angedeutet hat und sowohl das Buch als auch seine
Verfilmung daher für die pädagogische Arbeit besonders geeignet sind.
Ursula Vences leitet mit einem Beitrag in den didaktischen Teil des Bandes ein. Sie
unterstreicht das Potential der Themen Bürgerkrieg, Franco-Diktatur und Zweiter
Weltkrieg für fächerübergreifendes Lernen und für die Friedenserziehung. Gerade
die testimonio-Lieratur ist geeignet, so Vences, die für (inter)kulturelles Lernen so
entscheidende Perspektivübernahme anzubahnen. Deutsche Schüler haben zudem
den Vorteil, dass sie in den meisten Fällen an vorhandenes Wissen über die NaziDiktatur und deren Aufarbeitung anknüpfen können. Es folgen mehrere Beiträge, in
denen konkrete Anregungen für die Arbeit im Spanischunterricht ausgearbeitet sind –
zum bereits genannten Roman Soldados de Salamina und seiner Verfilmung, zur
Darstellung des spanischen Bürgerkriegs in den Schulbüchern des Dritten Reiches,
der DDR und der Bundesrepublik im Vergleich, zu Cielos de barro von Dulce Chacón, zum Film Las 13 rosas von Emilio Martínez-Lázaro und schließlich zur Rolle der
Bildenden Kunst in Bügerkrieg und Nachkriegszeit.
Der Sammelband bietet eine fundierte Einführung in die weiterhin andauernde Debatte um die memoria histórica, liefert fundierte Analysen zu wichtigen Beiträgen der
191
Literatur zur Aufarbeitung der jüngeren spanischen Geschichte und stellt wertvolle
didaktische Anregungen für die Arbeit im Spanischunterricht bereit. Trotz der lieblosen editorischen Gestaltung durch den Verlag Walter Frey – man sucht etwa vergeblich nach einem Namens- und Ortsindex, um nur ein Beispiel zu nennen – ist das
Buch für Unterrichtende des Spanischen, aber auch für an der Thematik interessierte
Leser aus angrenzenden Disziplinen ausdrücklich zu empfehlen.
Jochen Plikat
192
Kimmich, Dorothee / Matzat, Wolfgang (Hrsg.) (2008): Der gepflegte
Umgang. Interkulturelle Aspekte der Höflichkeit in Literatur und
Sprache. Bielefeld: transcript, 226 S., 22,80 €.
Höflichkeit ist (wieder) im Gespräch. Hiervon zeugt nicht nur die große Zahl von Ratgeber-Publikationen, sondern auch das gesteigerte Interesse für das Thema in kommunikations- und kulturwissenschaftlichen Arbeiten.1 Ebenso kommen Fragen der
Höflichkeit verstärkt in Arbeiten zur Fremdsprachenvermittlung in den Blick.2 Vor diesem Hintergrund ist auch der hier zu besprechende, von Dorothee Kimmich und
Wolfgang Matzat herausgegebene Band zu sehen. Die einzelnen Beiträge gehen,
wie die Herausgeber in ihrer Einleitung erläutern, auf eine Tagung zum Thema
„Courtoisie – Höflichkeit – Politesse“ zurück, die 2006 in Tübingen stattfand, und
zwar im Rahmen einer deutsch-französischen Kooperation zwischen den Universitäten Aix-en-Provence und Tübingen.
Der Band ist in drei Großabschnitte unterteilt. Der erste, mit „Höflichkeit: Ein schwieriges Erbe“ überschriebene Abschnitt behandelt historische Aspekte, insbesondere die
Entwicklung von Höflichkeits-Traditionen im Zuge der Aufklärung und zu Beginn des
19. Jahrhunderts. Der zweite Teil „Kontinuität und Aktualisierung der Höflichkeitsdiskussion“ ist ebenfalls geschichtlich ausgerichtet, konzentriert sich aber auf soziologische Einblicke zum 19. Jahrhundert und zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Unter dem Titel „Linguistik der Höflichkeit“ werden im dritten Abschnitt vor allem sprachund kommunikationswissenschaftliche Fragen erörtert. Ein Verzeichnis der Autoren
schließt den Band ab.
Den Auftakt bildet der Beitrag von Karl Heinz Götze zur Höflichkeit in der Goethezeit
(S. 19-32). Mit seinem illustren (und kenntnisreichen) „Streifzug durch die Höflichkeitskonzeptionen und -metaphern“ diskutiert der Verf. verschiedene Positionen und
Einschätzungen, wie sie u.a. von Autoren wie Germaine de Staël, Sophie von La Roche oder Schopenhauer vertreten werden. Im Vordergrund steht die kritische Auseinandersetzung mit einer Kultur der Höflichkeit, die, ausgehend von Italien und später Frankreich, die höfischen Gesellschaften in Europa lange Zeit bestimmt hat. In
der Debatte, die im Zuge der Aufklärung verstärkt einsetzt, geht es immer wieder
auch um Begriffsoppositionen wie Authentizität, Natürlichkeit, Ehrlichkeit einerseits
und Geschliffenheit, Verstellung oder Falschheit andererseits. Von speziellem Interesse sind hier ebenso die stereotypen deutschen und französischen Wahrnehmungsmuster, die in Sachen Höflichkeit bisweilen zu recht bizarren Merkmalszuordnungen führen (z.B. natürliche, ehrliche Deutsche vs. verlogene, galante, höfliche
Franzosen bei Ernst Moritz Arndt). Götze gelingt es, die einzelnen Tendenzen in ihren jeweiligen historisch-sozialen Zusammenhang einzubetten und dem Leser so ein
aufschlußreiches Bild von der Vielfalt und der Wandelbarkeit von Verhaltensstan1 Zu nennen wären etwa: Culpeper, J. / Kádár, D. (Hrsg.) (2010): Historical (Im)politeness. Bern;
Siebold, K. (2008): Actos de habla y cortesía verbal en español y en alemán. Estudio pragmalingüístico e intercultural. Frankfurt/M.; Cho, Y. (2005): Grammatik und Höflichkeit im Sprachvergleich.
Direktive Handlungsspiele des Bittens, Aufforderns und Anweisens im Deutschen und Koreani2
schen. Tübingen; Watts, R. / Ide, S. / Ehlich, K. (Hrsg.) ( 2005): Politeness in language. Studies in
its history, theory and practice. Berlin; Ebert, H. (2003): Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation. München; Felderer, B. / Macho, Th. (Hrsg.) (2002): Höflichkeit. Aktualität und
2
Genese von Umgangsformen. München; Lüger, H.H. (Hrsg.) ( 2002): Höflichkeitsstile. Frankfurt/M.
2 Vgl. als jüngstes Beispiel: Ehrhardt, C. / Neuland, E. (Hrsg.) (2009): Sprachliche Höflichkeit in interkultureller Kommunikation und im DaF-Unterricht. Frankfurt/M.
193
dards, von Höflichkeitsnormen und -modellen zu geben. Einen spezielleren, aber
nicht minder aufschlußreichen Zugang wählt Helga Meise: Ausgehend von dem 1740
erschienenen Roman Der Redliche Mann am Hofe von Johann Michael von Loen
und dem Lustspiel Valvaise der würdige Hofmann, 1775 unter dem Kürzel J.S. veröffentlicht, wird untersucht, in welcher Weise die Protagonisten Höflichkeit kommunizieren (S. 33-47). Während das Sprechen über Höflichkeit, der sog. „Höflichkeitsdiskurs“, wider Erwarten kaum eine Rolle spielt, kommt dem Einsatz der Augensprache,
der „Kommunikation via Blicken und daraus entstehenden Blickgefechten“ (S. 42)
hier offenkundig eine weitaus größere Bedeutung zu. Mehr als im Roman kann diese
Augensprache, wie die Verf. an mehreren Beispielen einleuchtend demonstriert, vor
allem im Drama eine intensive, weit über Höflichkeit hinausgehende Wirkung entfalten und beim direkten Austausch die wahren Empfindungen oder Intentionen der Beteiligten (auch gegen deren Willen) zum Ausdruck bringen. Anders als bei der Höflichkeit, wo Eigenes und Geborgtes, Echtheit und Schein durchaus divergieren können, repräsentiert die Augensprache also das nicht zu verbergende Authentische,
das Unverfälschte. Oder mit den Worten Helga Meises:
„An die Stelle der Höflichkeit [...] ist die Augensprache getreten, in der Inneres nach außen gestülpt, Äußeres in Inneres übersetzt wird.“ (S. 45f.)
Ähnlich wie bei Götze und Meise geht es auch im folgenden Beitrag von Ingrid Haag
um die Rolle von Höflichkeitsregeln, um den Widerstreit „zwischen den Imperativen
des Herzens und den Normen der Gesellschaft“, um den Gegensatz von Schein und
Wahrhaftigkeit (S. 49-60). Am Beispiel der beiden Prosatexte Der Waldbruder (1776)
und Der Landprediger (1777) von J.M.R. Lenz bringt die Verf. verschiedene Konsequenzen höfisch-höflicher Lebensformen zur Sprache, wobei nicht nur die möglichen
Handlungsspielräume, sondern vor allem die Barrieren und Probleme sowie die aus
der „Unnatur des aristokratisch-höfischen Musters“ (S. 57) resultierenden Standesgrenzen deutlich werden. Wolfgang Matzat schließlich wählt als Ausgangspunkt
Stendhals Abhandlung De l’amour aus dem Jahre 1822 (S. 61-75). Dieser Text ist für
das Rahmenthema des Bandes insofern von Interesse, als es hier nicht zuletzt um
das Verhältnis von Liebe und Höflichkeit geht und Stendhal gleichsam für den Übergang von aristokratischer Tradition des Ancien Régime zu den Normen eines bürgerlichen Zeitalters steht. Der Verf. skizziert in Grundzügen die Liebeskonzeption Stendhals, erläutert die Bedeutung von amour-goût, amour de vanité, amour-passion und
zeigt die unterschiedliche Bindung an die Höflichkeitsrituale der französischen Salonkultur des 18. Jahrhunderts auf. Die ambivalente Haltung Stendhals spiegelt sich
auch in seinen Ausführungen zum Kulturvergleich wider: Ein bei Deutschen anzutreffendes unverstelltes und von Höflichkeitsregeln absehendes Verhalten kann gleichzeitig als ,natürlich‘ gelobt und als ,unschicklich‘ oder ,anstößig‘ kritisiert werden.
Der zweite Großabschnitt enthält drei eher soziologisch orientierte Beiträge. Ziel der
Studie von Joëlle Gleize ist es darzustellen, in welcher Weise Honoré de Balzac in
verschiedenen Texten den Funktionswandel der Höflichkeit als politisch-soziales
Phänomen beschreibt (S. 79-91). Grob zusammengefaßt, handelt es sich um eine
Krise der Höflichkeitsformen, genauer: um einen generellen Funktionsverlust sozialer
Distinktionsmerkmale, wie ihn die französische Gesellschaft in den post-revolutionären Restaurations-Jahren als Folge egalitärer Tendenzen erlebt:
« La diversité des costumes et des mœurs tendrait à disparaître, dans la mesure où les
codes de comportement peuvent faire l’objet d’un apprentissage et où la politesse aristocratique, par exemple, peut dès lors être imitée par les roturiers. » (S. 81)
194
Die Markierung von Rangunterschieden scheint also schwieriger geworden zu sein;
« les nuances seules permettent aux gens comme il faut de se reconnaître au milieu
de la foule » (S. 83), so eine fast schon resignative Feststellung Balzacs aus dem
Jahre 1830 – und gegen eine solche Entwicklung müßte es eigentlich, wie Balzac
meint, so etwas wie ein nationales Aufbäumen geben. Der zweite thematische Aspekt im Beitrag von Gleize betrifft das Vorkommen und den Einsatz nationaler Klischees. Es zeigt sich, daß auch in dieser Hinsicht ein gewisser Wandel bei Balzac
einsetzt: Stereotypisierende Gegensätze wie « politesse française » vs. « rusticité allemande » werden nach und nach abgelöst durch differenziertere, weniger xenophobe
Wahrnehmungsmuster. Mit der Höflichkeits-Thematik auf den ersten Blick nur lose
verbunden scheint der Beitrag von Volker Mergenthaler (S. 93-105). Der Verf. widmet sich zunächst ausführlich einem Essay des Soziologen Georg Simmel, der „Soziologie der Mahlzeit“ (1910). Den Gedanken von der „Vergemeinschaftung der
Mahlzeit“ und der „Verregelung dieses Zusammenseins“ aufgreifend, läßt sich leicht
ein Bogen schlagen zum Genre der sog. Anstandsliteratur und zu deren Normierungsfunktion. Dieses Verregelungsbemühen ist Ausdruck eines generellen „Mechanismus zivilisatorischer Verfeinerung“ und kennzeichnet – jenseits einer „materialistischen Pointierung des Eßzweckes“ (S. 103) – Tendenzen ästhetischer Selbstinszenierung und sozialer Differenzierung. Die Ausführungen Thomas Kellers konzentrieren sich auf bestimmte Verhaltensmerkmale nonkonformistischer Gruppierungen der
1930er Jahre (S. 107-139). Nonkonformismus zeichne sich, so der Verf., vor allem
durch die „Kombination von Revolte und Höflichkeit, von Aufbegehren und ritterlichen
formvollendeten Umgangsformen“ aus; von daher die Schlußfolgerung:
„Höflichkeit manifestiert sich hier nicht als bürgerliche Wohlanständigkeit, eben nicht als
Konformismus, nicht als passives blindes Beachten der Regeln. Vielmehr ist ihr ein agonales Element eigen. Zugleich hegt sie Konflikte ein und gleicht sie aus.“ (S. 110)
Für Keller stellen Höflichkeitsformen grundsätzlich „leere Zeichen“ dar, die ihren Informationswert verloren haben und die ungeeignet sind, irgendeine Gesinnung oder
innere Einstellung wiederzugeben, die sich aber gerade deshalb vielseitig, d.h. für
unterschiedliche Gruppen oder politische Richtungen, verwenden lassen.
Der dritte Großabschnitt bietet Analysen zur sprachlichen Seite von Höflichkeit. Peter
Koch beschäftigt sich zunächst mit den begrifflichen Grundlagen und kommt zu dem
Ergebnis, daß metonymische Verfahren für die Erklärung von Höflichkeitsphänomenen eine ganz zentrale Rolle spielen (S. 143-184). Ausgehend von Brown / Levinson
(1987), werden insbesondere Maßnahmen zur Vermeidung gesichtsbedrohender Akte auf Metonymien, auf sog. Figur-Grund-Effekte, zurückgeführt. Die für diese Argumentation benötigten Konzepte aus der kognitiven Linguistik führt der Verf. anhand
verschiedener Ausdrucksbeispiele ein und kann dann mit einer sehr stringent durchgeführten Beweisführung darlegen, in welchem Maße gerade Verfahren der negativen Höflichkeit ihren Ursprung in metonymischen ad-hoc-Kreationen haben. Versteht
man zum Beispiel eine Anrede als referentiellen Akt, dann ist mit einem solchen Akt
des Anredens immer auch eine potentielle Bedrohung des negativen Gesichts verbunden.3 Von daher wird plausibel, wenn Sprecher pluralisierte Anredeformen verwenden, um diese Gesichtsbedrohung zu vermeiden oder abzuschwächen (wie beim
Wechsel von lat. tu > tu + vos oder von dt. du > du + ir im 11. Jahrhundert). Die pluralischen Formen können dabei insofern als höflicher gelten, als der Hörer nun als
3 Ähnliche Überlegungen finden sich, wenn auch in anderem terminologischen Gewand, bereits bei
Weinrich, H. (1986): Lügt man im Deutschen, wenn man höflich ist? Mannheim, S. 12ff.; Weinrich,
H. (1993): Textgrammatik der deutschen Sprache. Mannheim, S. 102ff.
195
Teil einer Gruppe und damit weniger direkt angesprochen wird; es handelt sich hier
also um eine totum-pro-parte-Metonymie (= Figur-Grund-Effekt vom frame → Element) (S. 162). Neben den verschiedenen Anrede-Möglichkeiten stellt Koch noch Impersonalisierungs-Verfahren und indirekte Sprechakte zur Diskussion und demonstriert an ihnen die Validität seiner Konzeption. Seinem Fazit, daß „zweifellos die für
die Höflichkeit wirklich vitalen Bereiche der Anrede und des Vollzugs illokutionärer
Akte weithin von der Metonymie beherrscht werden“ (S. 178), darf man sicher zustimmen. Unter dem Titel „(Un)Höflichkeit – (im)politesse im Wörterbuch: eine vergleichende Untersuchung“ gibt Barbara Kaltz Einblicke in eine begriffsgeschichtliche
Analyse (S. 185-198). Den Sinn und die Schwierigkeit einer solchen Studie betonen
schon Diderot und d’Alembert in ihrer Enzyklopädie:
« Pour découvrir l’origine de la politesse, il faudroit la savoir bien définir, & ce n’est pas
une chose aisée. » (S. 186)
Die Verf. versucht, über Wörterbucheinträge und zusätzliche Quellen Begriffe wie politesse, courtoisie, civilité, honnêteté, ... Höflichkeit, Artigkeit, Anstand, Lebensart, ...
(einschließlich der jeweiligen Gegenbegriffe impolitesse, Unhöflichkeit usw.) auch in
ihrer geschichtlichen Entwicklung zu verfolgen. Die zahlreichen Belege dokumentieren nicht nur eine enorme Bandbreite im Begriffsverständnis, sondern auch die enge
Verflochtenheit mit gegebenen gesellschaftspolitischen und ideologischen Strömungen. Ebenfalls begriffsgeschichtliche Interessen verfolgt Tilman Berger (S. 199-217).
Seine Ausführungen betreffen ausschließlich den Bereich slawischer Sprachen. Der
Verf. macht in einem ersten Schritt deutlich, daß hier die Erforschung verbaler Höflichkeit erst am Anfang steht, sich bisherige Untersuchungen meist auf die Beschreibung nominaler und pronominaler Anredeformen beschränken und Studien zur Pragmatik höflicher Äußerungen weitgehend fehlen. Im zweiten Teil des Beitrags geht es
um die Frage, welche Bezeichnungen und Konzepte für ,Höflichkeit‘ in den slawischen Sprachen existieren. Es gibt nicht nur eine große Vielfalt von Bezeichnungen
mit je unterschiedlichen Etymologien, sondern auch recht unterschiedliche Traditionen, die einerseits an westeuropäische Einflüsse anknüpfen, andererseits, z.B. im
Polnischen oder Russischen, auf eigenen Höflichkeits-Normen basieren.
Der Band zeugt insgesamt, wie an den referierten Beiträgen sichtbar geworden sein
dürfte, von einer großen Bandbreite und Vielschichtigkeit der behandelten Höflichkeitsthematik. Und es ist gerade dieser Facettenreichtum, der den Reiz der Lektüre
ausmacht. Es liegt in der Natur des Gegenstandes, wenn divergierende Ansätze und
Methoden bemüht werden. Man mag zwar bedauern, daß nicht alle Autoren von den
Ergebnissen neuerer Arbeiten zur verbalen Höflichkeit Kenntnis genommen haben.
In einigen Fällen wäre sicher auch eine breitere Einbeziehung empirischer Textgrundlagen wünschenswert gewesen, was zweifellos die Plausibilität der betreffenden Argumentationen erhöht hätte. Und schließlich kann man sich fragen, warum nur
ein Beitrag in französischer, alle anderen in deutscher Sprache verfaßt sind. Dennoch bleibt festzuhalten: Die hier zusammengestellten Beiträge liefern zahlreiche interessante Einsichten, die die Höflichkeits-Diskussion nur bereichern können. Das
liegt nicht zuletzt an der Wahl origineller Ausgangspunkte, an der geschickten Verbindung von Literatur und Geschichte und an der kontrastiven deutsch-französischen
Perspektive. Hervorgehoben sei ebenfalls die Einführung der Herausgeber, dies sowohl wegen des gelungenen begriffsgeschichtlichen Überblicks als auch wegen der
klaren Situierung der einzelnen Beiträge bezüglich des Rahmenthemas, eine Einbettung, die allerdings nicht von allen Autoren in dieser Form eingelöst werden kann.
Heinz-Helmut Lüger
196
Buffagni, Claudia / Birk, Andrea (2008): Germania periodica. Imparare
il tedesco sui giornali, 2 Bde. Pisa: Pacini Editore (= Testi e Culture
3), 304 + 96 S., 20,- + 10,- €.
“Il linguaggio giornalistico è de facto ormai da molti anni presente nella didattica delle
lingue straniere, e ciò a tutti i livelli”, so heißt es opimistisch im Vorwort (S. 7) der hier
zu besprechenden Publikation zur Pressesprache von Claudia Buffagni und Andrea
Birk. Warum dann noch diese zweibändige Veröffentlichung? Natürlich sagt die Präsenz eines bestimmten Themas in irgendwelchen didaktischen Programmen oder
Verlautbarungen allein noch nichts aus über die Art und die Intensität der Umsetzung. Insofern bleibt jederzeit genügend Raum für spezielle Fragestellungen, ausgewählte inhaltliche Schwerpunkte oder methodische Innovationen.
In der Arbeit von Buffagni / Birk geht es nun in erster Linie darum, am Beispiel des
journalistischen Sprachgebrauchs den Nutzen, die konkreten Anwendungsmöglichkeiten der Textlinguistik für die Fremdsprachenvermittlung, genauer: für das Lehren
und Lernen des Deutschen, zu veranschaulichen. Ziel ist die Entwicklung eines Lehrund Arbeitsbuchs für italienische Deutsch-Studenten (und Oberstufen-Schüler), und
zwar ab der Niveaustufe A2 bis hin zu C1. Die Hereinnahme des Niveaus A2 mag
zunächst überraschen; die Verf. sind sich jedoch der Problematik bewußt und bemüht, Textauswahl und Aufgabenstellungen auf die erst „elementare Sprachverwendungskompetenz“ abzustimmen.1
Es wäre indes verfehlt, die vorliegende Publikation von Buffagni / Birk ausschließlich
als eine sprachdidaktisch orientierte Arbeit zu sehen. Sie ist darüber hinaus eine
wohlfundierte Einführung in die neuere Medienlinguistik, die sowohl die einschlägigen sprachwissenschaftlichen Grundlagen einbezieht2 als auch mit der Wiedergabe
zahlreicher Textbelege (aus unterschiedlichen Zeitungen und zu verschiedenen Textsorten) einen guten Einblick in die deutsche Presselandschaft gibt. So gesehen, stellt
die Arbeit einen erneuten Versuch dar, Sprach w i s s e n s c h a f t und Sprach v e r m i t t l u n g miteinander zu verbinden, und dies in einer Weise, daß beide Seiten profitieren: Der textwissenschaftliche Zugang kommt ohne Frage dem Ausbau kommunikativer Kompetenzen (Leseverstehen, situations- und adressatenspezifisches Formulieren) zugute, umgekehrt sorgen der intensive Umgang mit konkreten Pressematerialien und die klare didaktische Progression für eine Vertiefung (und Systematisierung) medienlinguistischer Kenntnisse und Analysefertigkeiten. In dieser geschickten
Symbiose darf man ohne Frage einen großen Vorteil sehen.
Wie bereits angedeutet, besteht die Publikation aus zwei Bänden. Band 1 stellt in einem ersten Teil zunächst die medienspezifischen Grundlagen dar (S. 15-225), es folgen im zweiten Teil Texte und Übungen (S. 227-301). Letztere gliedern sich entsprechend den jeweiligen Niveaustufen A2 – C1 in vier Abschnitte; jedem Text sind Worterklärungen und verschiedene Arbeitsaufgaben beigefügt. Die Aufgaben betreffen
1 Zur Niveaustufe A2 vgl. Europarat / Rat für kulturelle Zusammenarbeit (Hrsg.) (2001): Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, S. 35: „Kann
Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen [...]. Kann sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen,
in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht. [...]“
6
2 Als theoretische und methodische Basis fungieren u.a. Brinker, K. ( 2005): Linguistische Textana3
lyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. Berlin; Burger, H. ( 2005): Mediensprache.
Eine Einführung in Sprache und Kommunikationsformen der Massenmedien. Berlin, New York.
197
das Textäußere („Blick auf den Text), inhaltliche und strukturelle Aspekte („Blick in
den Text“), funktionale und interpretative Momente („Blick über den Text hinaus“).
Den Schluß bildet ein italienisch-deutsches Glossar textlinguistischer und journalistischer Termini. Band 2, das Lehrerheft, bietet zu allen Arbeitsaufgaben (aus Band 1)
ausführliche Lösungsvorschläge (S. 13-91). Vorangestellt sind didaktische Bemerkungen (S. 5-12), die nochmals die Ergiebigkeit des textlinguistischen Ansatzes für
die fremdsprachliche Ausbildung unterstreichen:
„Textlinguistische Theorie und sprachpraktisches Können zu verbinden und diese Synergien im Unterricht fruchtbar zu machen, kann ein Ziel sein, das an den Universitäten zur
Integration des DaF-Unterrichts in die sprachtheoretische Ausbildung führt und im schulischen Bereich neue, auf die derzeitige wissenschaftliche Diskussion zurückgehende Akzente setzt.“ (S. 12) 3
In aller Kürze sei noch auf den Hauptteil, die Ausführungen zu den medienspezifischen Grundlagen, eingegangen. Die Darstellung enthält sechs Kapitel, allesamt in
italienischer Sprache verfaßt. Den Anfang bildet ein historischer Überblick zur Entwicklung der Presse in den deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und
der Schweiz (S. 17-68); der Leser findet hier umfangreiche und erhellende Informationen zu landeskundlichen Hintergründen, einschließlich eines exemplarischen Vergleichs mit der italienischen Tagespresse. Es folgt ein insgesamt zentrales zweites
Kapitel (S. 69-124), das a) die allgemeinen Konstitutionsbedingungen von Pressetexten beleuchtet und b) eine detaillierte Differenzierung journalistischer Textsorten (tipi
testuali giornalistici) präsentiert. Positiv hervorzuheben ist, daß alle Unterscheidungen und Zuordnungen anhand von Textbelegen eingeführt und ausführlich erläutert
werden; nützlich aus der Leserperspektive sind ebenfalls die grau unterlegten Zusammenfassungen am Ende eines Abschnitts sowie die kommentierten bibliographischen Angaben. Nicht ganz plausibel erscheinen dagegen, zumindest aus sprachwissenschaftlicher Sicht, die Ausführungen zur Textsorte ,Kommentar‘. Hier werden
folgende Kategorien unterschieden (S. 98ff.):
- commento (Kommentar), mit den Untertypen:
commento argomentativo (Argumentationskommentar)
commento aperto e diretto (Geradeaus-Kommentar)
commento che presenta diversi punti di vista (Einerseits-Andererseits-Kommentar)
- editoriale (Leitartikel)
- rubrica (Kolumne)
Die Auskünfte journalistischer Handbücher verfolgen oft andere Ziele als linguistisch
begründete Beschreibungen, eine direkte Übernahme ist daher nicht immer unproblematisch. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, im Rahmen einer Textsortenklassifikation Zeitungsartikel und Beiträge aus Nachrichtenmagazinen
umstandslos nebeneinanderzustellen.
Die Kapitel 3 (S. 125-146) und 4 (S. 147-171) beschäftigen sich mit den klassischen
Textbildungsphänomenen: den Formen der Wiederaufnahme (rinvio), der Rekurrenz
3 In eine vergleichbare Richtung gehen: Stein, St. (2004): Texte, Textsorten und Textvernetzung.
Über den Nutzen der Textlinguistik (nicht nur) für die Fremdsprachendidaktik, und Franke, W.
(2004): Überlegungen zu einem textorientierten DaF-Unterricht. In: Lüger, H.H. / Rothenhäusler, R.
(Hrsg.): Linguistik für die Fremdsprache Deutsch. Landau, S. 171-222 bzw. 223-255; BachmannStein, A. (2009): Textsortenlinguistik und Fremdsprachendidaktik. In: Bachmann-Stein, A. / Stein,
St. (Hrsg.): Mediale Varietäten. Gesprochene und geschriebene Sprache und ihre fremdsprachendidaktischen Potenziale. Landau, 87-104. Vgl. weiterhin verschiedene Beiträge in: Spiegel, C. /
Vogt, R. (Hrsg.) (2006): Vom Nutzen der Textlinguistik für den Unterricht. Baltmannsweiler.
198
(ricorrenza), den Konnektoren (connettori) und der Art und Weise, wie ein Textthema
entfaltet werden kann (sviluppo tematico). Ausführlicher zur Sprache kommen dabei
verschiedene makrostrukturelle Prinzipien, die zum Schluß noch einmal tabellarisch
zusammengefaßt werden. Kapitel 5 ist – in Anlehnung an Brinker (2005) – zunächst
der Diskussion fundamentaler Textfunktionen gewidmet (S. 173-211); im Anschluß
wird versucht, wiederum anhand reichen Beispielmaterials, entsprechende stilistische Merkmale zuzuordnen. Das letzte, vergleichsweise kurze Kapitel stellt die Kulturspezifik von Texten (la dimensione culturale dei testi) in den Vordergrund (S. 213225). Im Unterschied zu den übrigen Abschnitten beschränken sich hier die Ausführungen weitgehend auf allgemeinere, perspektivische Aussagen und geben keine detaillierten Textanalysen wieder. Gleichwohl findet der Leser eine Reihe anregender
Überlegungen für vergleichende Untersuchungen sowie Hinweise auf aktuelle Fragestellungen, wie sie etwa in der kontrastiven Medienlinguistik diskutiert werden.4
Zusammenfassend sei nochmals betont, daß es den Verf. gelungen ist, eine gut konzipierte medienlinguistische Einführung vorzulegen, in der vor allem die Anwendungsseite nicht zu kurz kommt. Vermittelt wird zudem ein solides Rüstzeug für jede
Art von Textarbeit. Aufgrund einer geschickten didaktischen Aufbereitung mit vielen
Beispielen, exemplarischen Analysen, zusätzlichen Erklärungen und einer immanenten Progression eignet sich diese Einführung gleichzeitig als Arbeitsbuch für fortgeschrittene Deutschlerner. Das gewählte Layout sorgt für Übersichtlichkeit und klare
Strukturierung, Faktoren, die die Publikation gleichermaßen für selbständiges, kursunabhängiges Arbeiten geeignet erscheinen lassen. Man kann dem Werk nur eine
rasche und große Verbreitung wünschen. Ebenso wäre zu hoffen, daß das hier vorgestellte Darstellungsverfahren Nachahmer fände auch und vor allem im Hinblick auf
andere fremdsprachige Adressatengruppen.
Heinz-Helmut Lüger
4 Vgl. ergänzend: Lenk, H.E.H. / Chesterman, A. (Hrsg.) (2005): Pressetextsorten im Vergleich /
Contrasting Text Types in the Press. Hildesheim u.a.; Lüger, H.H. / Lenk, H.E.H. (Hrsg.) (2008):
Kontrastive Medienlinguistik. Landau; Luginbühl, M. / Hauser, St. (Hrsg.) (2010): MedienTextKultur.
Linguistische Beiträge zur kontrastiven Medienanalyse. Landau. Verwiesen sei ebenso auf das Internetportal: www.kontrastive-medienlinguistik.net.
199
Kontrastive Medienlinguistik
Vorgeschichte
In den vergangenen Jahren hat jene Forschungsrichtung innerhalb der Linguistik immer mehr Aufmerksamkeit gefunden, die sich mit dem Sprachgebrauch in den Massenkommunikationsmedien befasst. Angesichts unterschiedlicher Medienkulturen
und diffferenzierter Ausgestaltung von präferenten Textsorten in den Medien verschiedener Länder wuchs dabei das Interesse für vergleichende Untersuchungen.
Dieses Interesse äußerte sich in zahlreichen Publikationen, aber auch in speziellen
Tagungen. So fand im Mai 2004 in Helsinki ein internationales Kolloquium zum Thema Pressetextsorten im Vergleich / Contrasting text types in the press statt. Ihm folgte im Mai 2007 in Landau eine internationale Fachtagung mit dem Titel Kontrastive
Medienlinguistik. Eine dritte Veranstaltung dieser Tagungsserie wurde im März 2010
an der Universität Salzburg ausgerichtet, und eine Fortsetzung der Reihe ist für 2012
in Zürich geplant.
Am Ende der Salzburger Tagung wurde die Anregung vorgetragen, für die immer
prominenter werdende Forschungsrichtung ein Informationsportal im Internet zu begründen. Seit Ende Mai 2010 ist das noch im Aufbau befindliche Webportal ‚Kontrastive Medienlinguistik‘ freigeschaltet. Die Internetadresse lautet
www.kontrastive-medienlinguistik.net
201
Was ist unter 'kontrastiver Medienlinguistik' zu verstehen?
►
‚Kontrastive Medienlinguistik‘ befasst sich in vergleichender Perspektive mit
dem Sprachgebrauch in den Massenkommunikationsmedien.
Der B e g r i f f d e s M e d i u m s gehört zu jenen Grundbegriffen der Kommunikations- und der Sprachwissenschaften, die sich dank ihrer häufigen Verwendung in unterschiedlichen Bereichen durch eine recht unscharfe Bedeutung auszeichnen.
Das Wort ‚Medium‘ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet dort wörtlich ‚Mitte‘
oder ‚das Mittlere‘. In der heutigen deutschen Allgemeinsprache kann man seine allgemeinste Bedeutung umschreiben als ‚vermittelndes Element‘. In dieser Bedeutung
findet es in verschiedenen Wissenschaften, aber auch in Parawissenschaften, Naturreligionen und bei Zaubertricks Verwendung.
In der Linguistik bzw. in den Sprachwissenschaften verwendet man den Ausdruck
‚Medium‘ mindestens in sechs verschiedenen Bedeutungen:
1.
als Bezeichnung für die S p r a c h e selbst, und zwar in ihrer Eigenschaft, Träger des Denkens und der Kommunikation zu sein;
2.
als Bezeichnung für eine g r a m m a t i s c h e K a t e g o r i e des Genus verbi
zwischen Aktiv und Passiv, z.B. im Griechischen und im Sanskrit;
3.
als m a t e r i e l l e B a s i s s p r a c h l i c h e r Z e i c h e n , die in der natürlichen
Kommunikation zwischen Menschen verwendet werden: in der direkten interpersonalen Kommunikation i.d.R. Schallwellen (mündliche Sprachverwendung)
oder z.B. Papier und Tinte bzw. Druckerschwärze (schriftliche Sprachverwendung; schriftliche Zeichen können aber auch durch andere Formen des optischen Kontrasts wie Vertiefungen auf Tontafeln, Farbe auf Felswänden oder
Leuchtpunkte auf einem Bildschirm u. Ä. konstituiert sein);
4.
als t e c h n i s c h h e r g e s t e l l t e P r o d u k t e und Infrastrukturen, die eine
Kommunikation ohne direktes Beisammensein der Beteiligten (am gleichen Ort
zur gleichen Zeit) ermöglichen; solche Produkte sind z.B. das Flugblatt oder
heute: der Flyer, das Buch, die Zeitung oder Zeitschrift, das Plakat, die Postkarte und das Telegramm, das Telefon, heute einschließlich Mobiltelefon mit SMS
202
und MMS, die Grammophon- bzw. Schallplatte, heute die CD und DVD oder der
MP3-Player, Radiosendestationen und -empfangsgeräte, der Kinofilm, Fernsehsender und -empfänger einschließlich Videorekorder bzw. moderner: DVD-Player oder Festplattenrekorder, der Personalcomputer sowie Spielekonsolen mit
entsprechender Software und – last, but not least – das Internet v.a. mit E-Mail
und World Wide Web);
5.
als I n s t i t u t i o n e n u n d O r g a n i s a t i o n e n d e r M a s s e n k o m m u n i k a t i o n (die Presse mit Zeitungsredaktionen, Druckereien und Vertriebsgesellschaften, Radioprogrammanbieter, Fernsehanstalten, Online-Dienste, Nachrichtenagenturen, Buchverlage, Filmagenturen, Musikproduktionsfirmen, Produktionsfirmen für Werbung usw.);
6.
als B e r e i c h e d e r M a s s e n k o m m u n i k a t i o n , die über die unter 5) genannten Institutionen erfolgt.
Die Medienlinguistik, wie sie auf dem Webportal im Mittelpunkt steht, befasst sich
mit verschiedenen Aspekten des Sprachgebrauchs in jenen Massenkommunikationsmedien, die unter Punkt 5 und 6 aufgeführt sind.
Der V e r g l e i c h kann auf verschiedenen Ebenen vorgenommen werden:
a) interkulturell zwischen dem medialen Sprachgebrauch in verschiedenen Kommunikationsgemeinschaften (etwa zwischen verschiedenen Sprachen (innerhalb
und außerhalb von Ländern), zwischen verschiedenen Staaten (und/oder Nationen) mit gemeinsamer Sprache, zwischen Regionen, kulturellen Landschaften
und Gemeinschaften einschließlich Subkulturen usw.)
b)
diachron zwischen verschiedenen historischen Zeiträumen innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft
c)
intermedial zwischen verschiedenen Medien
d)
intramedial zwischen verschiedenen Textsorten / Ressorts bzw. Sendeformaten
oder AutorInnen usw. innerhalb eines Mediums
Was bietet das Webportal?
Die Startseite führt zu speziellen Seiten, von den eine beispielsweise über die bisherigen T a g u n g e n zur kontrastiven Medienlinguistik (mit den jeweiligen Programmen, Abstracts und Publikationen) sowie über bevorstehende Konferenzen, Workshops und dergleichen auf dem Gebiet der (kontrastiven) Medienlinguistik informiert.
Die umfangreichsten Informationen bieten verschiedene B i b l i o g r a p h i e n . Hier
sind nicht ausschließlich kontrastive Arbeiten berücksichtigt. Es sollen alle Untersuchungen berücksichtigt werden, die einen Bezug zur Verwendung von Sprache und/
oder anderen semiotischen Systemen (z.B. grafische Aspekte wie Layout, Bilder, Fotos, Diagramme usw.) in den Massenmedien haben. Ziel ist es, ein möglichst vielseitiges Angebot zu erstellen. Auch wenn die Publikationssprache des Portals Deutsch
ist, sollen in den Bibliographien Arbeiten in und zu allen Forschungssprachen berücksichtigt werden.
Jeweils historisch angeordnet sind Verzeichnisse der M o n o g r a p h i e n und der
S a m m e l b ä n d e , die sich mit dem Sprachgebrauch in Massenkommunikationsme203
dien befassen. Bei einem Teil der Sammelbände sind auch die Inhaltsverzeichnisse
abrufbar.
Die Seiten mit den medienlinguistischen A u f s ä t z e n und R e z e n s i o n e n medienlinguistischer Werke sind in alphabetischer Ordnung nach den Namen der jeweiligen Verfasser(inn)en aufgebaut. Noch in Vorbereitung befindet sich eine Datei mit
Qualifizierungsarbeiten, die nicht über den Buchhandel erhältlich sind oder waren.
Eine weitere Seite enthält eine L i s t e v o n F o r s c h e r i n n e n u n d F o r s c h e r n ,
die auf dem Gebiet der (kontrastiven) Medienlinguistik arbeiten. Neben den Namen
und den Institutionen, an denen die Betreffenden tätig sind oder waren, enthält die
Liste auch Kontaktdaten, Verknüpfungen zu Homepages bzw. Publikationsverzeichnissen und teilweise auch Fotos.
Schließlich kann man sich auch für einen geplanten künftigen Newsletter anmelden,
der in unregelmäßigen Abständen über Tagungen und Neuerscheinungen zur Medienlinguistik informieren wird.
Anregungen, Vorschläge und Kritik zur Gestaltung des Webportals können auf folgendem Wege an H a r t m u t L e n k gerichtet werden:
Universität Helsinki
Institut für moderne Sprachen / Germanistik
Pf. 24 (Unioninkatu 40 C)
00014 Universität Helsinki
FINNLAND
204
Tel. +358-9-19 12 31 76
Fax +358-9-19 12 30 69
Hartmut.Lenk [at] helsinki.fi
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 49 / 2010
Autorenverzeichnis
A. Flavio ALBERTINI
Universität Florenz
in Deutschland: Am Brachfelde 14, D-37077 Göttingen
(afalbert%hotmail.de)
Agnieszka CABAN
Im Flothfeld 102, D-48329 Havixbeck
(a_caba01%uni-muenster.de)
Isabelle FRIEDL
7, allée du stade, F-88460 Cheniménil
(isabelle.friedl%web.de)
Hans W. GIESSEN
Universität des Saarlandes
Im Stadtwald, Bau 4, D-66041 Saarbrücken
(h.giessen%gmx.net)
Jan HOLLM
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Fakultät II, Institut für Sprachen, Abteilung Englisch
Postfach 220, D-71602 Ludwigsburg
(hollm%ph-ludwigsburg.de)
Armin HÜTTERMANN
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Fakultät I, Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung Geographie
Postfach 220, D-71602 Ludwigsburg
(huettermann%ph-ludwigsburg.de)
Jörg-U. KEßLER
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Fakultät II, Institut für Sprachen, Abteilung Englisch
Postfach 220, D-71602 Ludwigsburg
(kessler%ph-ludwigsburg.de)
Heinz-Helmut LÜGER
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Fachbereich 6,
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
Marktstraße 40, D-76829 Landau
(romanistik%uni-landau.de)
205
Jochen PLIKAT
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Romanistik
Unter den Linden 6, D-10099 Berlin
(jochen.plikat%romanistik.hu-berlin.de)
Gérald SCHLEMMINGER
Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Fakultät II, Institut für Fremdsprachen und Sprachlernforschung,
Abteilung für französische Sprache und Literatur und ihre Didaktiken
Postfach 11 10 62, D-76060 Karlsruhe
(gerald.ingo.schlemminger%ph-karlsruhe.de)
Thomas TINNEFELD
Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Angewandte Sprachen
Waldhausweg 14, D-66123 Saarbrücken
(thomas_tinnefeld%htw-saarland.de)
Wilfried WEIGL
Rennweg 29, D-93049 Regensburg
(AN.Eyb%web.de)
(Die E-Mail-Adressen wurden zum Schutz vor Spams verändert; das Zeichen % ist jeweils
durch @ zu ersetzen.)
206
Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung
Die bzf verstehen sich als ein Informations- und Diskussionsforum, das den Erfahrungsaustausch mit anderen Institutionen der Fremdsprachenvermittlung und interessierten Fachvertretern anregen und vertiefen möchte. Willkommen sind Arbeiten
zur wissenschaftlichen Fundierung der Fremdsprachenvermittlung und zur Beschreibung von Gegenwartssprachen. Im Zentrum stehen dabei vor allem Fragen, wie sie
für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen im Hochschulbereich von Bedeutung
sind. Dies schließt landeskundliche und kulturwissenschaftliche Überlegungen ebenso mit ein wie Analysen sprachpolitischer Entwicklungen und Probleme.
Erscheinungsweise
Die 1977 gegründete Zeitschrift erscheint seit 2004 in zwei Ausgaben. Pro Jahr wird
wenigstens ein thematisch gebundenes Sonderheft herausgegeben. Ab Heft 43 /
2005 sind laufende Nummern im Online-Format veröffentlicht, sie können frei zugänglich unter
www.vep-landau.de/bzf
eingesehen werden.
Beiträge
Manuskripte (s. Autorenhinweise) werden in deutscher, englischer oder französischer
Sprache an die folgende Adresse erbeten:
Heinz-Helmut Lüger, Universität Koblenz-Landau,
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik),
Marktstraße 40, D-76829 Landau
E-Mail: [email protected]
Die eingereichten Manuskripte durchlaufen ein Begutachtungsverfahren.
Alle übrigen Zuschriften sollten an die Adresse des Verlags gerichtet werden:
Verlag Empirische Pädagogik e.V.
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Telefon: ++49-6341-280-32-180, Telefax: ++49-6341-280-32-166
E-Mail: [email protected], WEB: http://www.vep-landau.de
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Hinweise für Autoren
Die Redaktion bittet darum, zur Veröffentlichung vorgesehene Beiträge auf Diskette
(vorzugsweise Word für Windows) und mit einem Ausdruck einzureichen. Die Beiträge können auf Deutsch, Englisch oder Französisch abgefaßt sein. Alle eingehenden
Vorschläge werden sorgfältig geprüft. Für die Manuskriptgestaltung bitten wir um die
Beachtung folgender Hinweise.
• Gliederung: Artikelbeiträgen soll eine kurze Zusammenfassung von max. 10 Zeilen
vorangestellt werden; es folgt ein Inhaltsverzeichnis. Die Numerierung der Kapitel
sollte nach dem Dezimalsystem (1., 1.1., 1.1.1. usw.) erfolgen. Bei der Absatzgestaltung auf Einzüge verzichten. Die verwendete Literatur wird am Schluß in einem separaten Literaturverzeichnis aufgelistet.
• Längere Zitate werden als gesonderte Absätze (mit Einrückung) wiedergegeben
und durch Anführungszeichen markiert. Für Quellenhinweise nur Kurzformen benutzen (z.B.: Kühn 1996: 18f.).
• Fußnoten sollten nur bei längeren Anmerkungen eingerichtet werden, Kurzhinweise auf die benutzte Literatur sind dagegen in den Beitragstext zu integrieren.
• Auszeichnungen: Objektsprachliches in aller Regel kursiv setzen, Hervorzuhebendes sperren; Unterstreichungen und Fettdruck möglichst vermeiden.
• Bibliographische Angaben im Literaturverzeichnis nach folgendem Muster:
(Monographie:)
Hessky, R. / Ettinger, St. (1997): Deutsche Redewendungen. Tübingen.
(Zeitschriftenbeitrag:)
Kühn, P. (1996): Redewendungen – nur im Kontext! In: Fremdsprache Deutsch 15,
10-16.
(Beitrag aus einem Sammelband:)
Eggs, E. (1996): Formen des Argumentierens in Zeitungskommentaren. In: HessLüttich, E.W.B. / Holly, W. / Püschel, U. (Hrsg.): Textstrukturen im Medienwandel.
Frankfurt/M., 179-209.
• Schaubilder, Tabellen, Illustrationen, sofern nicht eingebunden, als gesonderte
Repro-Vorlagen beifügen.
Vor dem Druck erhalten die Autoren einen Korrekturabzug ihres Beitrags zur nochmaligen Durchsicht.
208
3. Bremer Symposion
zum Fremdsprachenlehren und -lernen
an Hochschulen
AUTONOMIE UND ASSESSMENT
Testen, Evaluieren, Zertifizieren
in unterrichtlichen und autonomen Lernkontexten
Freitag, 4.3.2011, bis Samstag, 5.3.2011, an der Universität Bremen
Call for Papers
Der breite Trend zur Etablierung von Bildungsstandards hat sowohl im deutschen
Bildungssystem wie auch in den meisten anderen europäischen Ländern zu einer erheblichen Intensivierung der Bemühungen um die Evaluation von Lernergebnissen
durch objektive Test- und Prüfungsverfahren aller Art geführt. Auch die Sprachvermittlung – nicht nur an Hochschulen – ist von dieser Entwicklung stark betroffen. An
den Hochschulen ist es vor allem der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für
Sprachen (GER), der europaweit neue Standards gesetzt hat. So müssen sowohl die
Zugangsvoraussetzungen für viele Studiengänge wie auch die während des Studiums zu erreichenden fremdsprachlichen Kompetenzen immer häufiger durch Zertifizierungen nachgewiesen werden, die sich an den Niveaustufen des GER orientieren.
Aber nicht nur für solche Feststellungsprüfungen sind die Beschreibungen des GER
zur Grundlage geworden, sondern auch für einzelne Sprachkurse wird verstärkt gefordert, dass die erzielten Kompetenzzuwächse im Sinne kontinuierlicher Qualitätssicherung festgestellt und dokumentiert werden.
Vor diesem Hintergrund sind Sprachlehrende heute vermehrt mit den Aufgaben des
Testens von Sprachleistungen konfrontiert, nicht selten ohne dafür auf eine fundierte
Ausbildung zurückgreifen zu können. Dies gilt auch für die Aufgabe, bei den Lernenden die Fähigkeit zur Selbstevaluierung im Rahmen autonomer Lernprozesse zu
entwickeln. Entsprechend groß ist bei vielen Lehrenden der Bedarf an Information
und Austausch zu diesem Thema.
Das dritte Bremer Symposion 2011 greift diesen Bedarf mit seinem Rahmenthema
„Autonomie und Assessment“ auf. Gegenstand des Symposions sind alle Aspekte
rund um die Kernfrage, welche fremdsprachlichen Kompetenzen sich mit welchen
Verfahren in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts an Hochschulen und anderen
Sprachlehr-Einrichtungen messen und auf selbst gesetzte oder vorgegebene Standards beziehen lassen. Der Tradition der Bremer Symposien folgend soll dabei den
Implikationen des Rahmenthemas für das autonome Lernen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, z.B. durch Einschluss der Frage, welche Evaluationsverfahren sich eignen, um sie entweder Lernenden für die Selbstevaluierung zur Verfügung zu stellen oder um LernberaterInnen bei der Begleitung von Selbstlernprozessen zu unterstützen.
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Vorgesehene Arbeitsgruppen
Testen und Evaluieren I: Rezeptive Kompetenzen
Testen und Evaluieren II: Produktive Kompetenzen
Standards und Zertifikate
Autonomie und Selbstevaluation
Diagnose und Beratung
Vortragsdauer
25 Minuten plus 10 Minuten Diskussionszeit
Vortragssprachen
Deutsch, Englisch
Vortragsanmeldung
nur durch Einreichen eines Abstracts bis zum 15.10.2010 (Ausschlussfrist)
auf der Webseite:
www.fremdsprachenzentrum-bremen.de/symposion
Abstracts
in Deutsch oder Englisch, max. Umfang: 300 Wörter
Tagungsgebühr
Vortragende zahlen bei Anmeldung nur die ermäßigte Teilnahmegebühr von 45 €
(statt 60 € bzw. 75 € nach dem 31.12.2010)
Teilnahmeanmeldung und weitere Informationen
www.fremdsprachenzentrum-bremen.de/symposion
(Anmeldung möglich ab dem 1. September 2010)
Veranstalter
Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen (FZHB) in Kooperation
mit dem Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute (AKS)
Organisation
Prof. Dr. Dr. Hans Krings (Universität Bremen/ Fremdsprachenzentrum Bremen),
Dr. Bärbel Kühn (Fremdsprachenzentrum Bremen)
Kontakt:
Dr. Bärbel Kühn
Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen (FZHB)
Universität Bremen
Bibliothekstraße 1
28359 Bremen
Tel.: 0421-218-61962
[email protected]
www.fremdsprachenzentrum-bremen.de/symposion
210
Eine neue Zeitschrift stellt sich vor:
Journal of Linguistics and Language Teaching (JLLT)
Das JOURNAL OF LINGUISTICS AND LANGUAGE TEACHING (ISSN 2190-4677) ist ein neues
akademisches Organ, das für die weltweite Publikation wissenschaftlicher Forschungsergebnisse bestimmt ist und die gesamte Bandbreite zwischen der Linguistik auf der
einen Seite und dem Fremdsprachenunterricht – einschließlich DaF – auf der anderen
Seite abdeckt. Zugleich stellt die Zeitschrift eine Diskussionsbasis für Linguisten und
praktizierende Fremdsprachenlehrer dar.
Das JLLT steht für:
die weltweite Publikation wissenschaftlicher Artikel
eine rasche Publikation von Manuskripten
eine fruchtbare und funktionale Verbreitung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse
komplette Hefte (PDF-Format)
zusätzlich direkt auf der Website veröffentlichte Artikel (zur raschen Auffindung durch
Suchmaschinen)
● einen erfahrenen Herausgeber (Prof. Dr. Thomas Tinnefeld)
● einen hochkarätigen Wissenschaftlichen Beirat.
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Adressaten des JLLT:
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Linguistinnen und Linguisten
Fremdsprachendidaktiker(innen)
Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen
Thematische Ausrichtung:
Das (JLLT) deckt die gesamte Bandbreite zwischen der Linguistik auf der einen und
dem Fremdsprachenunterricht auf der anderen Seite ab. Willkommen sind Beiträge zu
den folgenden Bereichen:
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Linguistik: Sämtliche Ebenen und thematische Ausrichtungen
Fremdsprachendidaktik: Alle Stoßrichtungen
Sehr erwünscht: Verbindungen zwischen beiden Bereichen.
Publikationssprachen: Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch
Weitere Informationen auf der Website der Zeitschrift:
http://sites.google.com/site/linguisticsandlanguageteaching/
Beiträge bitte an: [email protected]
211
Bereits erschienen:
Volume 1 (2010) Issue 1
Articles
Esmaeil Momtaz / Mark Garner:
Does Collaborative Learning Improve EFL students’ Reading Comprehension?
Mehrnoosh Fakharzadeh / Abbass Eslami Rasekh:
On the Applicability or Non-applicability of the Gricean Maxims to Nursery Rhymes
Valerie A. Wust:
Pronominalization in French: Bridging the Gap between Research and Practice
University Reports
Rainer Reisel: Das Deutsch-Französische Hochschulinstitut (DFHI) in der vierten
Dekade seines Bestehens – eine Zwischenbilanz
Nadine Imhof / Anne Lejeune / Ann-Katrin Marsel / Marie Philippi /Johanna Volk:
Das DFHI aus studentischer Sicht - L'ISFATES dans une perspective étudiante
ISSN 2190-4677
212
Nouveaux Cahiers d’allemand
Trimestriel de linguistique et de didactique
Sommaire du n° 2010/2 (juillet)
Lucie Houx-Guenzet :
La mise en scène du réchauffement climatique dans le docufiction en Allemagne
Markus Kuhn :
Qualitative Forschungsmethoden – Grundlagen für die Sprachlehrforschung
Adeline Haug :
Les jeux de société en cours d’allemand
Philippe Gréciano & Sylvie Monjean-Decaudin :
Sécurité intérieure en Europe. Les enjeux de la traduction.
Yves Bertrand : Vrai faux passeport
Yves Bertrand :
Traduire les noms composés français. De faute d’orthographe à fer à souder.
Reportage et comptes-rendus.
Un séminaire de linguistique juridique organisé le 8 mars 2010 au Centre de Ressources en Langues à l’Université Paris 7-Denis Diderot, par Philippe Gréciano (233237) ; L’enseignement des langues régionales en France aujourd’hui : état des lieux
et perspectives. Revue TRÉMA (IUFM Montpellier) N° 31/ septembre 2009 par Anémone Geiger-Jaillet et Daniel Morgen (238-240) ; Langues régionales, cultures et développement. Étude de cas en Alsace, Bretagne et Provence. Travaux réunis par
Dominique Huck et René Kahn, 2009, Paris : l’Harmattan = Espaces discursifs, par
Daniel Morgen (240-242) ; Beate Baumann, Sabine Hoffmann, Martina Nied Curcio
Hrsg. (2009) Qualitative Forschung in Deutsch als Fremdsprache = „Deutsche
Sprachwissenschaft international” Band 4 (hrsg von Rudolf Hoberg und Claudio Di
Meola) Peter Lang, Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien,
par Ingeborg Rabenstein-Michel (243-244) ; Korakoch Attaviriyanupap (2009) Hochdeutsch als zweite Fremdsprache. Spracherwerbung von thailändischen Immigrantinnen in der Schweiz, Peter Lang, Frankfurt/Main [u.a.] par I. Rabenstein-Michel
(244-245) ; Jürgen Kreft (2009): Aufsätze zum Deutschunterricht und zur Literaturdidaktik = Beiträge zur Geschichte des Deutschunterrichts Band 64 (hrsg. von Botho
Lecke) Peter Lang, par I.Rabenstein-Michel (245-247) ; Neubauer, Skadi (2009) „Gewinkt oder gewunken - Welche Variante ist richtig?“ Tendenzen von Veränderungen
im Sprachgebrauch aus Sicht der Sprachberatungsstelle der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. (= Wittenberger Beiträge zur deutschen Sprache und Kultur
6), Frankfurt am Main [u.a.]: Peter Lang, 215 p., par Vincent Balnat (247-248) ; Mathieu Guidère (2010) Traduction et médiation humanitaire, Le Manuscrit, Paris, 212 p,
par Philippe Gréciano (249-250).
Annonceurs : Presses universitaires de Nancy (Hommage à Marthe Philipp) p.182 ; MULTICONCORD Université de Nancy 2, p.202 ; Walter de Gruyter (Partikelwörterbuch) p.251252.
213
Nouveaux Cahiers d’allemand
Les N.C.A. paraissent quatre fois l'an et sont administrés par l'association des Nouveaux Cahiers d'Allemand (A.N.C.A.) dont le Conseil d'Administration comprend
— R. MÉTRICH, Université de NANCY 2, Président ;
— F. AURIA, Président de l'ADEAF, Vice-président ;
— E. FAUCHER, Université de NANCY 2, Secrétaire ;
— Mme R. MÉTRICH, Trésorière ;
— Y. BERTRAND, Professeur des universités émérite ;
— M. KAUFFER, Université de NANCY 2
— F. SCHANEN, Université de MONTPELLIER ;
— D. Morgen, I.P.R. honoraire.
Pour tout ce qui concerne la rédaction, adresser la correspondance au président de
l'A.N.C.A., Université II, BP 3397, 54015 NANCY Cedex ; pour l'administration : Mme
MÉTRICH, adresse ci-après.
Les N.C.A. paraissent sous le double sigle "ANCA" et "ADEAF" (Association pour le
développement des études d’allemand en France) en vertu d'une convention de coopération entre les deux associations, dont le texte figure page 267 du n° 1983/4.
ABONNEMENTS
Adresser le titre de paiement (libellé à l'ordre des Nouveaux Cahiers d'Allemand,
CCP 1016 13 B NANCY) à Mme MÉTRICH, 18, rue d'Iéna, 54630 RICHARDMÉNIL.
Abonnement 2010
(particuliers) :
Institutions :
22 euros
35 euros
Tarif Etudiants (photocopie carte d'étudiant) :
17 euros
Prix de vente au n° :
10 euros
ADHESION A L'ASSOCIATION
COTISATION 2010: 4 euros, reçue à l'adresse des NCA.
214
LANDAUER
SCHRIFTEN ZUR
KOMMUNIKATIONS- UND
KULTURWISSENSCHAFT
Herausgegeben von Gerhard Fieguth / Jan Hollm / Heinz-Helmut Lüger
Gerhard Fieguth (Hrsg.) (2003): Begegnungen mit Goethe. Band 1, 152 S., € 14,80
Hans H. Reich (Hrsg.) (2003): Zwischen Regionen. Grenzüberschreitende Beziehungen
am Beispiel des Oberrheins. Band 2, 176 S., € 14,80
Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.) (2003): Im Blickpunkt: das ELSASS. Band 3, 328 S., € 19,80
Heribert Rück (22008, 2004): Fremdsprachen in der Grundschule – Französisch und
Englisch. Band 4, 258 S., € 17,80
Stephan Merten / Inge Pohl (Hrsg.) (2005): Texte. Spielräume interpretativer Näherung.
Festschrift für Gerhard Fieguth. Band 5, 602 S., € 48,Cornelia Frenkel / Heinz-Helmut Lüger / Stefan Woltersdorff (Hrsg.) (2004): Deutsche und
französische Medien im Wandel. Band 6, 260 S., € 19,80
Françoise Hammer / Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.) (2005): Entwicklungen und Innovationen
in der Regionalpresse. Band 7, 334 S., € 19,80
Jacqueline Breugnot / Markus Molz (Hrsg.) (2006): Europa konkret! Grenzräume als
Chance für Bildungsinnovationen? Band 8, 274 S., € 19,80
Annette Kliewer (2005): Unterricht entgrenzen – Interregionale Ansätze in Pfalz und
Elsass. Band 9, 182 S., € 14,80
Michael Baum / Detlev Gohrbandt (Hrsg.) (2007): Wissenschaft der Fachdidaktik. Literatur
und Sprache im Vermittlungszusammenhang. Band 10, 228 S., € 22,80
Heinz-Helmut Lüger / Christine Bergdoll / Saphia Hamza: Un Tour de France. Approche
contrastive en dix étapes. Band 11 (in Vorb.)
Patrick Schäfer (2006): Textgestaltung zwischen Nähe und Distanz. Zum Sprachgebrauch
der deutschen und französischen Regionalpresse. Band 12, 236 S., € 19,80
Hans W. Giessen / Heinz-Helmut Lüger / Günther Volz (Hrsg.) (2007):
Michel Bréal – Grenzüberschreitende Signaturen. Band 13, 412 S., € 29,90
Michaela Sambanis (2007): Sprache aus Handeln. Englisch und Französisch in der
Grundschule. Band 14, 430 S., € 34,90
Heinz-Helmut Lüger / Hartmut E.H. Lenk (Hrsg.) (2008): Kontrastive Medienlinguistik. Band
15, 460 S., € 34,90
Götz Schwab (2009): Gesprächsanalyse und Fremdsprachenunterricht. Band 16, 436 S.,
€ 34,90
ab 2007:
Verlag Empirische Pädagogik
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: 06341-28032-180
[email protected]
Cornichonstraße 7
D-76829 Landau
Tel.: 06341 / 89408
[email protected]
215
LSKK, Band 15
460 Seiten, € 34,90
Heinz-Helmut Lüger / Hartmut E. H. Lenk (Hrsg.) (2008)
Kontrastive Medienlinguistik
Medienlinguistik beschäftigt sich, so tautologisch das klingt, mit dem Sprachgebrauch in den Medien;
sie ist nicht eigentlich eine neue linguistische Teildisziplin, sondern bezeichnet ein (mehr oder weniger)
neues Untersuchungsfeld im Rahmen einer pragmatisch ausgerichteten Sprachwissenschaft. Medienlinguistik partizipiert insofern an Begriffen und Methoden, wie sie aus der Analyse sprachlichen Handelns und kommunikativer Praxis hervorgegangen sind.
Die Beiträge des vorliegenden Bands gehen zurück auf eine internationale Fachkonferenz „Kontrastive
Medienlinguistik“, die am 18./19. Mai 2007 in Landau/Pfalz stattfand; sie bieten Analysen zur Tagesund Zeitschriftenpresse und beleuchten Strategien der Werbung und der "neuen Medien".
Aus dem Inhalt:
H.H. Lüger / H.E.H. Lenk: Kontrastive Medienlinguistik. Ansätze, Ziele, Analysen
I. Medienentwicklung – mit Beiträgen von A. Bachmann-Stein, E.U. Große, G. Held, M. Hoffmann, A.
Hoyer
II. Schreibtraditionen und Kulturkontrast – mit Beiträgen von Z. Bilut-Homplewicz, K. Geyer, H.W. Giessen, F. Santulli
III. Textsorten im Vergleich – mit Beiträgen von M.J. Arévalo, F. Hammer, H. Rahm, L. Ruiz de Zarobe,
D. Sandahl
IV. Gestaltungsmittel im Vergleich – mit Beiträgen von K. Farø, S. Hauser, I. Plaude, H. Schmitt, Ch.
Schowalter
V. Intermedialität – mit Beiträgen von C.M. Kirstein, H.E.H. Lenk, J. Möller-Kiero, S. Stein
Die Herausgeber:
Hartmut E. H. Lenk, Priv.-Doz. und Universitätslektor am Germanistischen Institut der Universität Helsinki.
Heinz-Helmut Lüger, Professor für Romanistik an der Universität Koblenz-Landau.
Verlag Empirische Pädagogik
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-28032-180, Fax: ++49-6341-28032-166
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216
LSKK, Band 16
436 Seiten, € 34,90
Götz Schwab (2009)
Gesprächsanalyse und Fremdsprachenunterricht
Das fremdsprachliche Klassenzimmer ist ein Ort, an dem institutionelle Gespräche stattfinden. Die
Gesprächsforschung hat sich schon seit Längerem der Aufgabe gestellt, solche Interaktionen genauer
zu untersuchen. Was sich allerdings im angelsächsischen Raum unter der Überschrift Conversation
Analysis for Second Language Acquistion etabliert hat, konnte bisher im deutschsprachigen Raum nur
sehr eingeschränkt Fuß fassen. Hier schließt die Arbeit eine Lücke, indem sie einem Paradigma folgt,
welches die unterrichtliche Interaktion als konstitutives Element sprachlichen Lernens und Handelns
erachtet und mikroanalytisch untersucht.
Neben einer konsequent konversationsanalytischen Herangehensweise fokussiert die Arbeit aber auch
auf die besondere Klientel vermeintlich schwächerer Schülerinnen und Schüler, wie sie insbesondere
in Hauptschulen zu finden sind. Dabei werden weniger deren Defizite als ihre Fähigkeiten und Kompetenzen herausgearbeitet, die sich vor allem in dem manifestieren, was der Autor als Schülerinitiative
bezeichnet und in den analytischen Mittelpunkt stellt.
Aus dem Inhalt:
I. Zum theoretischen Hintergrund:
Fremdsprachenunterricht an Hauptschulen • Interaktion und Partizipation im Fremdsprachenunterricht
• Konversationsanalyse und Unterrichtsforschung
II. Konzeption der Untersuchung:
Aufbau und Durchführung • Beteiligungsstrukturen im lehrerzentrierten Unterrichtsdiskurs
III. Schülerbeteiligung im Fremdsprachenunterricht:
Gesprächsinitiativen durch die Lehrperson • Gesprächsinitiativen von Schülerseite • Ausgewählte Sequenztypen innerhalb der lehrerzentrierten Unterrichtskommunikation • Reparatursequenzen im
Fremdsprachenunterricht
IV. Zusammenschau: Untersuchungsergebnisse und Ausblick
Der Verfasser studierte die Fächer Englisch, Geschichte und ev. Theologie / Religionspädagogik für
das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Nach 5-jähriger Lehrtätigkeit an einer Hauptschule wechselte er an die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, um im Fach Englisch zu promovieren. Er ist
heute Leiter der Geschäftsstelle des Forschungsverbunds Hauptschule der Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg.
Verlag Empirische Pädagogik
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
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217
Beiträge zur
Fremdsprachenvermittlung
S o n d e r h e f t e
SH 1
Peter Auer / James Fearns (1993): Türkische Alltagskonversationen (vergr.)
SH 2
Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.) (1992): Gesprächsanalyse und Gesprächsschulung (134 S., 6,- €)
SH 3
Klaus Schenk (1996): Phonetik und poetische Avantgarde – Ausspracheschulung im DaFUnterricht (120 S., 6,- €)
SH 4
Martine Lorenz-Bourjot / Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.) (2001): Phraseologie und Phraseodidaktik (232 S., 29,80 €)
SH 5
Jutta Verena Gilmozzi / Thomas Rist (Hrsg.) (2002): Medienkommunikation und Mediendidaktik (192 S., 6,- €)
SH 6
Andreas Ulrich (2004): Linguistik-Puzzle DaF (74 S., 6,- €)
SH 7
Heinz-Helmut Lüger / Rainer Rothenhäusler (Hrsg.) (2004): Linguistik für die Fremdsprache
Deutsch (284 S., 19,90 €)
SH 8
Isabelle Mordellet-Roggenbuck ( 2010, 2005): Phonétique du français – Théorie et applications didactiques (128 S., 12,90 €)
SH 9
Dirk Siepmann (Hrsg.) (2006): Wortschatz und Fremdsprachenlernen (272 S., 19,90 €)
SH 10
Hartmut E. H. Lenk (Hrsg.) (2006): Finnland – vom unbekannten Partner zum Vorbild
Europas? (486 S., 29,90 €)
SH 11
Günter Schmale (2007): Communications téléphoniques I : Conversations privées. Un corpus
de transcriptions (236 S., mit CD, 19,90 €)
SH 12
Günter Schmale (Hrsg.) (2007): Communications téléphoniques II : Conversations en
contexte professionnel et institutionnel (208 S., mit CD, 19,19 €)
SH 13
Heinz-Helmut Lüger / Andrea Rössler (Hrsg.) (2008): Wozu Bildungsstandards? Zwischen
Input- und Outputorientierung in der Fremdsprachenvermittlung (244 S., 17,90 €)
SH 14
Patrick Schäfer (Hrsg.) (2009): E-Learning im Fremdsprachenunterricht – ein Praxisbuch
(252 S., 17,90 €)
SH 15
Andrea Bachmann-Stein / St. Stein (Hrsg.) (2009): Mediale Vatietäten. Gesprochene und geschriebene Sprache und ihre fremdsprachendidaktischen Potenziale (340 S., 22,90 €)
SH 16
Martin Luginbühl / Stefan Hauser (Hrsg.) (2010): MedienTextKulturen. Linguistische Beiträge
zur kontrastiven Medienanalyse (216 S., 17,90 €)
2
1
Institut für fremdsprachliche Philologien
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Marktstraße 40, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-28033-100/102, Fax: ++49-6341-28033-101, [email protected]
Verlag Empirische Pädagogik e.V.
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-28032-180, Fax: ++49-6341-28032-166, [email protected]
218
Heinz-Helmut Lüger / Andrea Rössler (Hrsg.) (2008):
Wozu Bildungsstandards?
Zwischen Input- und Outputorientierung in der
Fremdsprachenvermittlung
(= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 13)
ISBN 978-3-937333-96-0, ISSN 1861-3632
Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache haben
seit ihrer Veröffentlichung 2003/04 zu beträchtlichen Umorientierungen in der Fremdsprachenvermittlung geführt,
sie gelten heute als Auftakt für eine neue Ära, die mit dem
Etikett „Standard- und Kompetenzorientierung“ verbunden
ist.
Aus dem Inhalt:
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• Andrea Rössler / Heinz-Helmut Lüger: Zur Einführung
• Wolfgang Zydatiß: Kulturelle Inhalte, Mediation zwischen Sprachsystem und Sprachhandeln, Kritikfähigkeit
– auch im Fremdsprachenunterricht
• Andrea Rössler: Standards ohne Stoff? Anmerkungen
zum Verschwinden bildungsrelevanter Inhalte aus den
curricularen Vorgaben
Inez De Florio-Hansen: Wer hat Angst vor Bildungsstandards? Überlegungen zur Kompetenz-,
Aufgaben- und Inhaltsorientierung
Krista Segermann: Output-Orientierung und Inhaltsmotivierung – ein integrativer unterrichtsmethodischer Lösungsansatz
Stephan Breidbach: Fremdsprachliche Kompetenzen jenseits der Standardisierbarkeit
Christiane Fäcke: Fiktionalität im Fremdsprachenunterricht, Kompetenzorientierung und Bildungsstandards: Widerspruch oder Ergänzung?
Peter Jandok / Bernd Müller-Jacquier: Interkulturelle Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht: Ein wissens- und strategiebezogenes Instrument zur Lehrwerkanalyse
Uwe Dethloff: Bildungsstandards und Bologna-Prozess. Die Reform des Lehramtsstudiums
Französisch, Italienisch und Spanisch
Heinz-Helmut Lüger: ,Integrierte Fremdsprachenarbeit‘ und Standards in der Lehrerbildung.
Widersprüchlichkeiten und Defizite
Christoph Schneider / Rainer Bodensohn: Curriculare Standards der fremdsprachlichen Lehrerbildung in der Praxis – Empirische Erkenntnisse.
Die Herausgeber:
Andrea Rössler, Dr. phil., Lehrkraft für besondere Aufgaben an der FU Berlin
Heinz-Helmut Lüger, Professor für Romanistik an der Universität Koblenz-Landau
Verlag Empirische Pädagogik e.V.,
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau / Pfalz
Telefon: ++49-6341-28032-180, Telefax: ++49-6341-28032-166
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.vep-landau.de
219
Patrick Schäfer (Hrsg.) (2009):
E-Learning im Fremdsprachenunterricht –
ein Praxisbuch
(= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 14)
ISBN 978-3-941320-14-7, ISSN 1861-3632, 252 S., € 17,90
Der vorliegende Band ist als Handbuch für die Unterrichtspraxis
konzipiert und möchte Anregungen und Ideen für einen sinnvollen
und gewinnbringenden Einsatz von E-Learning im Fremdsprachenunterricht geben. Die Beiträge des Sammelbandes nehmen unterschiedliche Formen und Möglichkeiten des E-Learning kritisch in
den Blick, prüfen sie auf ihren fremdsprachendidaktischen Nutzen,
stellen praxiserprobte Unterrichtskonzepte vor und bieten konkrete
Umsetzungsmöglichkeiten in Form von Beispielmaterialien, Arbeitsblättern usw. an. Zwar beziehen sich die Beiträge meist auf eine bestimmte Einzelsprache, doch lassen sich die vorgestellten Konzepte
ohne Probleme auch auf andere Sprachen übertragen.
Aus dem Inhalt:
• Patrick Schäfer: E-Learning im Fremdsprachenunterricht.
Zur Einführung
• Jochen Strathmann: Schulischer Fremdsprachenerwerb im Blended Learning-Verfahren. E-Learning für den Italienisch- und Spanischunterricht nach der Methode EuroCom
• Andreas Grünewald: Öffnung des Lehrwerksunterrichts durch Software und aufgabenorientierte
Internetnutzung
• Heide Schrader: TOUT VA BIEN – Unterrichtsbegleitendes Sprachtraining mit Multimedia
• Manfred Overmann: Didaktische Reflexionen zur Lektüre und Produktion von Hyper-Texten im
Unterricht
• Sebastian J. Dorok: Von MTV ins Klassenzimmer – Möglichkeiten und Grenzen produktiven und
rezeptiven Einsatzes von Podcasts im Englischunterricht
• Jürgen Wagner / Verena Heckmann: Virtueller Klassenraum zum Nulltarif – Schritt für Schritt zum
eigenen BlogFolio
• Patrick Schäfer: Interaktive Lern- und Übungsseiten selbst erstellen
• Byrte Oetting Phulpin: Ein spannendes Unternehmen: Landeskunde durch Neue Medien. « Sarkolène » oder die französische Präsidentschaftswahl 2007
• Jutta Verena Gilmozzi: Neue Medien in der Lehrerausbildung für das Fach Französisch
Der Herausgeber:
Patrick Schäfer, Dr. phil., Akademischer Rat am Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
der Universität Koblenz-Landau
Verlag Empirische Pädagogik e.V.,
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau / Pfalz
Telefon: ++49-6341-28032-180, Telefax: ++49-6341-28032-166
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.vep-landau.de
220
Andrea Bachmann-Stein / Stephan Stein (Hrsg.) (2009):
Mediale Varietäten
Gesprochene und geschriebene Sprache und ihre
fremdsprachendidaktischen Potenziale
(= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 15)
ISBN 978-3-941320-15-4, ISSN 1861-3632, 340 S., € 22,90
Die Bezeichnung ,mediale Varietäten‘ erfasst die vielfältigen Facetten
der Erforschung gesprochener und geschriebener Sprache. Die Beiträge des Bandes sind unterschiedlichen Phänomenen auf den Untersuchungsebenen Lexik, Grammatik und Text/Textsorten gewidmet
und stellen sie anwendungsorientiert in einen Zusammenhang mit
Überlegungen zur (Fremdsprachen-)Didaktik.
Aus dem Inhalt:
• Andrea Bachmann-Stein / Stephan Stein: Mediale Varietäten und
Fremdsprachendidaktik – Zur Einführung
• Heinz-Helmut Lüger: Authentische Mündlichkeit im fremdsprachlichen Unterricht?
• Wolfgang Imo: Welchen Stellenwert sollen und können Ergebnisse der Gesprochene-Sprache-Forschung für den DaF-Unterricht
haben?
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Stephan Stein: Modalpartikeln im gesprochenen und geschriebenen Deutsch
Andrea Bachmann-Stein: Textsortenlinguistik und Fremdsprachendidaktik
Nicole Marx / Dorothee Meer: Analyse von Wortbildungsprodukten in der Schule
Inge Pohl: Zur Semantisierung okkasioneller Kontaminationen
Günter Schmale: Phraseologische Ausdrücke als Bestandteil des Fremdsprachenerwerbs
Patrick Schäfer: Nähesprachliche Syntax und Lexik im Französischunterricht. Möglichkeiten zur
Förderung mündlicher Kompetenzen
Mathilde Hennig: Syntaktische Relationen in Nichtsätzen
Michael Hoffmann: Die Sprache der Sportberichterstattung im Varietätenfeld des Deutschen
Elvira Topalovic: Sprache, Grammatik und Emotion. E-Mails und SMS im DaF-Unterricht
Sandra Hansen: Verwaltungssprache in Erpresserbriefen
Christina Gansel: Textsorten und soziale Systeme. Warum Stellenangebote im Kleid der Werbung daherkommen
Die Herausgeber:
Andrea Bachmann-Stein, Dr. phil., Akademische Rätin für germanistische Linguistik an der Universität Bayreuth
Stephan Stein, Professor für germanistische Linguistik an der Universität Trier
Verlag Empirische Pädagogik e.V.,
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau / Pfalz
Telefon: ++49-6341-28032-180, Telefax: ++49-6341-28032-166
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Homepage: www.vep-landau.de
221
Martin Luginbühl / Stefan Hauser (Hrsg.) (2010):
MedienTextKultur
Linguistische Beiträge zur kontrastiven Medienanalyse
(= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 16)
ISSN 1861-3632, ISBN 978-3-941320-17-8, 216 S., € 17,90
Nach den wechselseitigen Bedingungsverhältnissen von Medien, Texten und Kultur(en) zu fragen, ist zu einem der Schwerpunktthemen
der jüngeren kulturwissenschaftlich orientierten Sprachwissenschaft
geworden. Der Band vereint linguistische Beiträge, die sich unter verschiedenen theoretischen und methodischen Vorzeichen mit diesem
Themenkomplex auseinandersetzen.
Aus dem Inhalt:
• Stefan Hauser / Martin Luginbühl: Medien – Texte – Kultur(en).
Anmerkungen zur kontrastiven Medienanalyse aus linguistischer
Perspektive
• Kirsten Adamzik: Texte im Kulturvergleich. Überlegungen zum
Problemfeld in Zeiten von Globalisierung und gesellschaftlicher
Parzellierung
• Eva Martha Eckkrammer: Kontrastive Medientextologie und die historische Dimension. Eine theoretisch-methodische Auslotung
• Birte Bös: People’s voices. Eine diachrone Betrachtung persönlicher Zitate in der britischen Presse
• Heiko Girnth / Sascha Michel: Rapid Response Eine neue Form des Wahlkampfs im Internet
• Luisa Gutiérrez Ruiz / Hartmut E.H. Lenk: Schwarze Hexe sucht männliches Wesen der Nacht!
Subkulturelle Kontaktanzeigen im Gothic-Magazin Orkus
• Stefan Hauser: Zum Problem des Vergleichens von Medientexten aus kulturkontrastiver Perspektive. Methodologische Überlegungen und exemplarische Analyse
• Martin Luginbühl: Sind Textsorten national geprägt? Nachrichtensendungen im Vergleich
Die Herausgeber:
Stefan Hauser, Dr. phil., und Martin Luginbühl, Dr. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiter am Deutschen Seminar der Universität Zürich
Verlag Empirische Pädagogik e.V.,
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau / Pfalz
Telefon: ++49-6341-28032-180, Telefax: ++49-6341-28032-166
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.vep-landau.de
222
Beiträge zur
Fremdsprachen vermittlung
Heft 49 / 2010:
A.F. Albertini / Th. Tinnefeld: Englisch plus X – für eine nachhaltige, institutionalisierte Mehrsprachigkeit in Europa • I. Friedl: Printmedien Frankreichs und Deutschlands. Niederschlag von
Sprechsprache und Diskursrahmen • H.W. Giessen: Eine medienabhängige Zufallsbeobachtung
und ihre möglichen Konsequenzen • W. Weigl: Minimalismus – eine Grundlage der Vermittlung
von Fremdsprachensyntax • A. Caban: Erwerb fester Wendungen im L2-Unterricht • J. Hollm / A.
Hüttermann / J.U. Keßler / G. Schlemminger: BiliReal 2012: Bilinguale Züge für Englisch und
Französisch in der Realschule
Heft 48 / 2009:
B. Lawrenz: Neurowissenschaftlich fundierte Wortschreibungsdidaktik. Kognitive Wortverarbeitung über die semantisch-lexikalische Route • I. Mordellet-Roggenbuck: Europäisches Sprachenportfolio, individuelle Mehrsprachigkeit, Selbstevaluation: die Rolle der Sprachlernbiographie • W. Weigl: Zu einer adäquaten Gestaltung der Vermittlung von Fremdsprachensyntax • N.
Nagy: Die wissenschaftliche Rezension. Ein interkultureller und sprachkontrastiver Textsortenvergleich • P. Heitmann: Integrative Gedichtgrammatik: Mit Gedichten über Sprache nachdenken
• H.H. Lüger: Dezentralisierung im Zentralstaat. Ein weites Aufgabenfeld in der Frankreichkunde
Heft 47 / 2008:
B. Lawrenz: Neurodidaktik des Wortschatzerwerbs – dargestellt am Beispiel englischer Präpositionen • A. Stork / S. Adamczak-Krysztofowicz: Welche Inhalte und Themen für den Fremdsprachenunterricht an der Hochschule? • W. Weigl: Zu den Inhalten des L2-Syntax-Unterrichts
am Gymnasium • I. Metzger: Integrationsprobleme junger Ghettobewohner im Spiegel aktueller
Rapmusiktexte • S. Foffi: Metaphorischer Sprachgebrauch in deutschen und italienischen Tageszeitungen • H.E.H. Lenk: „… moniert die NEUE PRESSE“ – Verben und Wendungen der Zitateinbettung in Presseschauen
Heft 46 / 2007:
A. Rössler: Standards ohne Stoff? Zum Verschwinden bildungsrelevanter Inhalte aus den curricularen Vorgaben. • J. Große: Multilingualism or “English only“ in the European Union? • K. Segermann: Formaneignung und Inhaltsmotivierung im Fremdsprachenunterricht. • D. Siepmann:
Wortschatz und Grammatik: zusammenbringen, was zusammengehört. • W. Weigl: Syntaxerwerb im Französischunterricht des Gymnasiums. • T. Heimo: Vergleich von deutsch- und finnischsprachigen Flyern im Bereich Tourismus. • P. Schäfer: Selbstgesteuertes Lernen mit dem
Autorenprogramm HOT POTATOES.
Heft 45 / 2006:
G. Gesser: Was erwartet Lehramtsanwärter Französisch heute? • B. Smieja: Quo vadis,
IFA? Eine erste Zwischenbilanz zum früh beginnenden Fremdsprachenunterricht in Rheinland-
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Pfalz • W. Weigl: Ein (drittes) G2-Defizit und seine Ursache: Subjekt-/Objekt-Fragesätze im
Französisch deutscher Gymnasiasten • M. Netzlaff: Adverbien kontextualisiert lernen • H.W.
Giessen: Videosegmente als authentische Lehrmaterialien für den Sprachunterricht in computergestützten Multimedia-Produktionen?
Heft 44 / 2006:
B. Lawrenz: Plädoyer für eine gehirngerechtere Vermittlung des syntaktischen Wortes • W.
Diekmann: Mehr sprechen – weniger zappen. Ein netzgestütztes Landeskundeprojekt mit DaFLernern im Selbstversuch. • I. Mordellet-Roggenbuck: Emotion und Kognition beim Aussprachelernen. • F. Schweizer: Metrik als Hilfsmittel des DaF-Unterrichts. • W. Weigl: Ein (zweites) G2Defizit und seine Ursache: Verb-Subjekt-Fragesätze im Französisch deutscher Gymnasiasten. •
I. Lăzărescu: Latinismen, Anglizismen und Romismen in der rumänischen Jugendsprache. • S.
Hamza: Le combat pour la laïcité. • E.U. Große: Deutsch-französische Themen im Internet:
www.deuframat.de.
Heft 43 / 2005:
M. Sambanis: Verstehensbasierte Ansätze im frühen Fremdsprachenunterricht. • Ch. Brand: Internet im Französischunterricht – am Beispiel einer neunten Realschulklasse. • W. Weigl: Zum
„Lernen“ der pronominalen Doppelobjekte im Französischunterricht. • F. Schöpp: Fokuskonstruktionen im Italienischen und Französischen • Ch. Bergdoll: La séparation des Églises et de
l’État.
Heft 42 / 2004:
A. Merlan: Dynamik des Sprachkontakts im Nordosten Portugals. • P. Schäfer: Regionale Identität in Mundartbeiträgen der pfälzischen und elsässischen Presse. • W. Franke: Der Praktische
Syllogismus als textlinguistisches Beschreibungsinstrument. • H. Schmitt: Vokalqualität lehren
mit interlingualen Minimalpaaren. • H.E.H. Lenk: Germanistik im Internet. Erfahrungen mit einem
Einführungskurs an der Universität Helsinki. • I. Mordellet-Roggenbuck: E-Learning und universitäre Fremdsprachenausbildung.
Heft 41 / 2003:
St. Merten: Lernerautonomie und Lernbereitschaft als Voraussetzungen für eine sprachliche
Progression. Eine Fallstudie. • Ch. Schowalter: Eigennamen in der literarischen Übersetzung.
Am Beispiel von Tolkiens The Lord of the Rings. • F. Schöpp: Funktionen der Cleft-Konstruktion
im Französischen. • K. Henk: Französische und deutsche Stellenanzeigen im Vergleich. • W.
Weigl: Objektrealisierung und Fremdsprachenerwerb – Doppelobjektkonstruktionen im Englisch
deutscher Gymnasiasten. • D. Lohr: Ein virtueller Sprachkurs per Internet.
Heft 40 / 2002:
Ch. Weyers: ¿Asturiano, asturianu, bable o leonés? Zur Entwicklung und gegenwärtigen Situation des Asturianischen. • E. Drewnowska-Vargáné: Argumentative Strukturen und Strategien
in Presseinterviews (Teil II). • F. Schöpp: Funktionen der Cleft-Konstruktion im Französischen
(Teil I). • W. Weigl: Objektrealisierung und Fremdsprachenerwerb – Doppelobjektkonstruktionen
im Englisch deutscher Gymnasiasten. • E.U. Große: Die Internationalisierung des Pressemarktes. • R. Métrich: Les Invariables Difficiles. Oder: Was Sie schon immer über deutsche Partikeln
und deren Übersetzung ins Französische wissen wollten.
Heft 39 / 2001:
W. Franke: Überlegungen zu einer Dialog- und Textstilistik. • E. Drewnowska-Vargáné: Argumentative Strukturen und Strategien in Presseinterviews (Teil I). • G. Schmale: Reformulations
comme traitement conversationnel de phrasèmes dans les talk-shows de la télévision alle-
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mande. • W. Weigl: Die Verbposition im Englisch bzw. Französisch deutscher Gymnasiasten. •
J. Petit: Wiederbelebung des deutsch-französischen Bilingualismus. • J. Petit: Esprit (des lois)
es-tu là ? Lettre ouverte au Conseil d‘État. • Th. Rist: Erläuterungen zum Offenen Brief von Jean
Petit.
Heft 38 / 2001 (vergr.):
C. Földes: Was ist „Fremdsprachendidaktik“? • J. Bessen: Französischunterricht und Filmanalyse • R.A. Hartmann: Verletzte Konversationsmaximen? Telefonische Geschäftskommunikation und Konsequenzen für den Unterricht Wirtschaftsdeutsch • P. Schäfer: Verfahren der
Nähekommunikation in der französischen Regionalpresse • Ch. Schowalter: Dezentralisierung
am Beispiel der Region PACA • H.H. Lüger: Frankreich – noch ein zentralistischer Staat?
Heft 37 / 2000:
S. Günthner: Kulturelle Unterschiede in der Aktualisierung kommunikativer Gattungen • R.
Métrich: Zur Übersetzung von deutschen Modalpartikeln ins Französische • W. Weigl: Verb und
Subjekt in Französisch G3 • J. Breugnot: Les éléments de motivation dans l’apprentissage du
français précoce • M. Cloßen: Révolution dans l’apprentissage des langues: l’ère des logiciels •
Ch. Brand / D. Dahlmann / J.V. Gilmozzi / R. Himmler / H.H. Lüger: Autonomes Lernen und Mediennutzung.
Heft 36 / 1999:
M. Badawi: Entlehnungen im modernen Arabisch • W. Weigl: Die Verbposition im Englisch deutscher Gymnasiasten • U. Häußler: Linguistische Aspekte der Pressekarikatur • E. Pokorná:
Fachsprachenunterricht und seine Realisierung auf dem Gebiet der Physiotherapie • C. Reck /
H. Schlemper / P. Schubkegel / Ch. Singer: Literarische Texte im DaF-Unterricht • J. Breugnot:
Des nouvelles voies pour la formation (Bericht).
Heft 35 / 1999:
M. Badawi: Fachsprachliche Probleme im Arabischen (Teil II). • Hans Schlemper: „Ordnung für
die Zusatzausbildung ,Deutsch als Fremdsprache’ an der Universität Konstanz“. • P. Bickelmann: Vorüberlegungen zur Behandlung der Negation im Unterricht Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache • H.E.H. Lenk: Der Explizitätsgrad von Bewertungen in der Textsorte ,Pressekommentar’. • T. Rodríguez: Semblanza de Octavio Paz (1914-1988).
Heft 34 / 1998:
E.U. Große: Italiens Tageszeitungen. • M. Badawi: Fachsprachliche Probleme im Arabischen
(Teil I). • B. Kettemann: John F. Kennedy’s speech on civil rights. • J.V. Gilmozzi: Induktive
Grammatikvermittlung im Italienischunterricht. • H. Schlemper: Zu einem Lehr-/Lernminimum für
die Mittelstufe. • E. Zettl: Briefe an Institutionen – Unterrichtsvorschläge. • K. Schenk: Vorschläge zur Strukturierung von Schreibübungen. • H.H. Lüger: Vom Zitat zur Adaption. Zu einigen
Verwendungsweisen satzwertiger Phraseologismen.
Heft 33 / 1998:
B. Kettemann: Innovation in (foreign) language teaching and learning. • I. Hoffmann / D. Hoffmann: Landeskunde - ein Unfach? • J. Sternkopf: Kollokationen in wissenschaftlichen Rezensionen? • S. Hagmann / D. Hartmann: Phraseologismen in der Werbung. • A. Jahnel: Lerner- und
muttersprachlicher Gebrauch von verba sentiendi und sciendi in Fernsehdiskussionen. • J. Petit:
Natürlicher Spracherwerb des Deutschen im französischen Schulwesen.
Heft 32 / 1997:
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M. Haug: Sprache der Nähe – Sprache der Distanz am Beispiel von „Bouillon de Culture“ und
„Das literarische Quartett“. • A. Lindemann: se faire + Infinitiv. Grammatikalische und translatorische Probleme. • A. Jahnel: Lexikalische Mittel des Bedauerns und der Entschuldigung. Zum
Gebrauch bei nativen und nicht-nativen Sprechern. • H.H. Lüger: Anregungen zur Phraseodidaktik. • Auswahlbibliographie zur Phraseodidaktik.
Heft 31 / 1997:
R.A. Hartmann: Philosophie im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. • St. Hrebicková: Lesekurs
für Historiker – Texte und Übungen. • St. Stein: Formulierungsflauten in der Zweitsprache. • E.
Forgács: Im Sprichwort liegt die Wahrheit (?) • G. Stegert: Die Rezension - zur Beschreibung einer komplexen Textsorte. • D. Marx: Zweisprachigkeit hoch zwei: eine Replik. • J. Kornbeck:
Control is control.
Heft 30 / 1996 (vergr.):
G. Storch: Interaktion im DaF-Unterricht: Die Verteilung von Rede- und Handlungsstrategien. •
D. Hartmann: „Das käm‘ vielleicht echt voll groovy rüber‘: Jugendsprache im DaF-Unterricht. • J.
Bessen: Algerien und die algerisch-französischen Beziehungen als Themen von Französischkursen. • A. Jahnel: Lerner- und muttersprachliche Verwendung von Modalisierungsstrategien in
Fernsehdiskussionen. • H.H. Lüger: Satzwertige Phraseologismen im Text. Elemente eines
Mehrebenenmodells.
Heft 29 / 1995:
K. Schenk: Poetische Strickmuster. Ein Beitrag zur Textproduktion in Deutsch als Fremdsprache.
• D. Schreiner: Das Ende der Weimarer Republik – Anregungen zur Thematisierung von Geschichte im Landeskundeunterricht. • I. Poisson: L’utilisation des documents iconographiques
dans l’enseigement du français langue étrangère. • K. Büchle: Negativ(be)wertung im Deutschen
und Spanischen. Sprachsystematische Bewertungsindikatoren. • M. Jung: Kritisches Sprachbewußtsein auf dem Prüfstand. • H.H. Lüger: Presseanalysen: Meinungsbetonte Texte.
Heft 28 / 1995:
S. Günthner: Language and culture – an analysis of a Chinese-German conversation. • U. Großmaas: Anna Banti: Lavinia – Übertragung aus dem Italienischen, mit einer Einführung in Leben
und Werk der Autorin. • E. Seibold: Vanessa Paradis: A cœur ouvert. Rhetorik und Semiotik von
Titelbildern der französischen Programmzeitschriften. • H.H. Lüger: Presseanalysen: Informationsbetonte Texte.
Heft 27 / 1994:
B. Gügold: Spielfilm – Fremdsprachenunterricht – Interkulturelles Gespräch. Am Beispiel der Bearbeitung des Films „Männer“ von Doris Dörrie. • K. Büchle: Schimpfwörter im DaF-Unterricht –
Tabuthema, Randerscheinung oder doch mehr? • T. Laiho: Sprachliche Höflichkeit als Lerngegenstand im Deutschunterricht in Finnland. • D.M. Hartmann: Simuliert, stilisiert oder stigmatisiert? Der sekundäre Foreigner-Talk in deutschen Texten. • H.H. Lüger: Presseanalysen: Bedingungen der Textkonstitution. • U. Großmaas: Kein Raum, nirgends. Zum 50. Todestag von Maria
Messina.
Heft 26 / 1994 (vergr.):
G. Anderson / W. Fach: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Verbal degradation and the
death penalty. • H. Kotthoff: Georgian toasts and the limits of cross-cultural accomodation. • M.
Lorenz-Bourjot: Kreatives Schreiben im Französischunterricht. • H.R. Beck: Geschichte im DaFUnterricht. Beispiel: „Parteien der Weimarer Republik“. • R. Rothenhäusler / A. Ulrich: Grammatische Strukturen im Anfängerunterricht Deutsch als Fremdsprache: Was wird tatsächlich erwor-
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ben? • H.H. Lüger: Presseanalysen: Fragestellungen und Untersuchungsansätze. • G. Lieber / L.
Katsch: Auswahlbibliographie CALL.
Heft 25 / 1993 (vergr.):
Gesprächsanalyse und Gesprächsschulung. H.H. Lüger: Gesprächsanalyse und Fremdsprachenvermittlung. • E. Köpf: Gesprächseröffnung als Unterrichtsgegenstand. • C. Curti: Übungen
zur Gesprächsbeendigung. • C. Mahler / D. Stern: Anredeverhalten in der mündlichen Kommunikation. • N. Klein: Small talk als Lernziel im Fremdsprachenunterricht. • G. Boesken / Ch.I. Soppa: Widersprechen und Ablehnen. • R. Beck: Argumentative Strukturen und ihre Vermittlung im
DaF-Unterricht. • H. Aufderstraße: Zur Gestaltung sogenannter „Lehrbuchdialoge“. • H.H. Lüger:
Partnerorientiertes Sprechen in Lehrbuchdialogen? • Auswahlbibliographie.
(2. Aufl. als Sonderheft 2/1995)
Heft 24 / 1992 (vergr.):
K. Schenk: Phono-Lektüren. • G. Lieber: Domänenspezifische Barrieren bei der Entwicklung der
fremdsprachigen Schreibkompetenz – eine Sprachvergleichsstudie. • H. Bisle-Müller: Artikelwörter im Deutschen: ein Modell für den Unterricht von Deutsch als Fremdsprache. • K. Hartenstein: Die Vermittlung von Lexemkollokationen im Russischunterricht im Lichte der neueren
phraseologischen Forschung. • J. Freytag: Libération: new journalism auf französisch. • A. Ulrich: Ein Blick über den Zaun: Didaktik in einer Sprachenschule am freien Markt. • U. Großmaas:
Biographische und autobiographische Romane zeitgenössischer italienischer Schriftstellerinnen.
Heft 23 / 1992:
U. Großmaas: Tommaso Landolfis Dialogo die massimi sistemi – Einführung, Übersetzung, Gedanken zur Interpretation. • J.P. Béchaz: Theater im Fremdsprachenunterricht. • K. Büchle:
Sprachveränderungsprozesse im Deutschen nach der Wende. • Ch. Bowers: Comparison of
forms of address between England and Germany. • J. Petit: Der L1- und L2-Erwerb der Lexik.
Heft 22 / 1991 (vergr.):
Landeskunde und Lehrwerkanalyse. H.H. Lüger: Landeskunde – Aspekte eines problematischen
Begriffs. • R. Thierbach: Landeskunde und Deutsch als Fremdsprache vor dem Zweiten Weltkrieg. • U. Jansen: Geschichte als Teilbereich der Landeskunde – Beispiel für eine Unterrichtsgestaltung. • H.H. Lüger: Indirektheit und Höflichkeit – ein landeskundliches Thema? • W.
Hosch: Fort- und Weiterbildung im Bereich Deutsch als Fremdsprache und Germanistik: Ein
Fernstudienangebot. • Auswahlbibliographie.
Heft 21 / 1991 (vergr.):
J. Petit: Konkordanzpaket Konstanz. Version 4. (KPK). • J. Petit: Indexerstellung Konstanz. Version 4 (IEK). • F. Ross: Datenbanken – im Dienste des Lehrers und des Lerners. • S. Meli / F.
Ross: Maschinelle Übersetzung und ein Übersetzungsbüro für die Universität Konstanz. • Carreira, R.M.D.: Brasilianisch in Situationen – eine kommunikative Methode. • H.H. Lüger: Dialoggrammatik versus Konversationsanalyse?
Heft 20 / 1989:
S. Günthner / H. Kotthoff (Hrsg.): Zur Pragmatik fremden Sprechens
S. Günthner: Interkulturelle Differenzen hinsichtlich Lern- und Lehrformen an Hochschulen: Chinesischer Studentenalltag aus westlicher Perspektive • Y. Fan: Kulturelle Aspekte in der interkulturellen Kommunikation und im Fremdsprachenunterricht • H. Kotthoff: Deficient Argumentative
Strategies of Nonnative Speakers • H. Gross: Zur Rolle der Textlinguistik im Hochschulunterricht
DaF • M. Daxer: Verstehen und verstanden werden: Strategien der Verständnissicherung in interkulturellen Gesprächen
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Heft 19 / 1989 (vergr.):
J. Petit: Spracherwerb durch Fehler und fehlerfreier Spracherwerb. Eine psycholinguistische und
sprachtypologische Überlegung • T.S. Karbelaschwili: Einige Notizen zur Frage der deutschen
Wortbildung: Affigierung, Halbaffigierung • J. Petit: NOMGR3: Ein EDV-Programm zur Generierung deutscher Nominalgruppen • F. Ross / P. Williams: The English Grammar Disaster – Computer Learning Programs and How not to Write them
Heft 18 / 1988:
S. Günthner / H. Kotthoff (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation und Fremsprachenunterricht
H. Kotthoff: So nah und doch so fern. Deutsch-amerikanische pragmatische Unterschiede im universitären Milieu • S. Günthner: Interkulturelle Kommunikation und Fremdsprachenunterricht unter besonderer Berücksichtigung deutsch-chinesischer Unterschiede • H. Gross: Schreiben in
der Fremdsprache – Montage von Zitaten • R. Bürner-Kotzam: Rezeption deutscher Literatur in
China
ab Heft 43 online unter: www.vep-landau.de/bzf
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau,
Marktstraße 40, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-28033-100/102, Fax: ++49-6341-28033-101
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E-Mail: [email protected]
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