Ronahî Nr. 33

Transcription

Ronahî Nr. 33
İnhaltsverzeichnis
Newroz Reise 2012
Konfederalîzma Demokratîk Lêxistingerîya
Netewe Demokratîk ya ne Dewlete ....................................2
Abdullah ÖCALAN
Der Lausanner - Vertrag soll den Kurden
erneut aufgezwungen werden .............................................7
Evrim DEMİR
Der syrische Aufstand .......................................................10
Şores KAMA
17. Kongress der Yekitiya
Xwendekarên Kurdistan ...................................................14
Hüseyin ÇELEBİ
Bio-Macht ............................................................................20
Deniz ÇEWLİK
RONAHÎ
Zeitschrif der Studierenden
aus Kurdistan
Postfach 103831,
50478 Köln
Barzani oder Öcalan .........................................................23
Nick BRAUNS
Öko-Feminismus .................................................................28
Janet BİEHL
Internet
http://www.yxk-online.com
e-mail :
Ökologie ..............................................................................38
Abdullah ÖCALAN
[email protected]
[email protected]
Partizipative Ökonomie......................................................48
Michael ALBERT
Das 4.YXK-Sommercamp .................................................53
Teilnehmer des Sommercamp
Neçunhatîme ......................................................................58
Rawin STERK
Pirsgirêkên Dîrokî û Civakî .............................................59
Azad SÎSER
Rewsa ciwanên kurd li Ewrupa .......................................63
Aras BAGOK
Mit solidarischen Grüßen,
Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V.
Yekitîya Xwendekarên Kurdistan
____________________________________________________
Die 19.Hüseyin Celebi
Literaturpreisveranstaltung ..............................................35
RONAHÎ
Die Erhaltung der Geschichte Dersims.............................42
Jûji
Wie jedes Jahr, werden wir als eine StudentInnen - Delegation aus
Europa, eine Newrozreise in die Heimat unternehmen. Diese
Delegation wird alljährlich, an jedem Märzmonat seitens der YXK
nach Kurdistan entsendet. Dabei werden unterschiedliche Städte wie
Amed, Elîh (Batman), Mêrdîn besucht.
FreundInnen die mit uns reisen wollen, können sich über diese
Email-Adresse bereits im Voraus anmelden:
[email protected]
Bezüglich dem Reiseantritt und den Reisekosten könnt ihr uns
anschreiben.
Wintercamp 2011:
Dieses Jahr werden wir als YXK zum ersten Mal, ein Wintercamp
organisieren. In diesem Camp werden wir einerseits aufkommende
bildungstechnische Fragen sowie andererseits Probleme, die während
unserer Arbeiten aufkamen, versuchen gemeinsam zu lösen. Daneben
werden wir das Neujahr zusammen begrüßen und gemeinsam
Filmabende veranstalten. Während des Wintercamps werden auch
sportliche Aktivitäten in der Akademie angeboten und außerdem werden auch gemeinsame Ausflüge unternommen. Stattfinden tut das
Ganze vom 25.-29. Dezember 2011 bei der UTAMARA, in Bonn.
Bezüglich dem Reiseantritt und den Reisekosten könnt ihr uns
anschreiben.
Mit solidarischen Grüßen,
Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V.
Yekitîya Xwendekarên Kurdistan
Editorial
Im Augenblick befinden wir uns in
einer wichtigen und sehr intensiv
verlaufenden politischen Phase. Dieser
Prozess erinnert uns YXK'ler an die
1990er Jahre, in der die Türkei gegen
die Kurden einen schmutzigen Krieg
geführt hatte. In mancherlei Hinsicht
verlaufen die Angriffe sogar viel intensiver als zuvor. Die islamistischtürkische Strömung ist seit Jahrzehnten darum bemüht, sich innerhalb
des Staatsapparetes zu organisieren.
Insbesondere mit dem Aufkommen
der AKP, hat man mit Unterstützung
der Gülen Bewegung nahezu sämtliche Einrichtungen der Türkei mit eigenen Kadern infiltriert.
Die noch vor einer kurzen Zeit bestehenden Gespräche mit der Befreiungsbewegung und dessen Vorsitzenden, haben sich in einen umfangreichen und systematischen Krieg
umgewandelt. Inbesondere nach dem
diesjährigen erfolgreichen Wahlergebnis der Kurdischen Bewegung,
legte die AKP-Regierung und die
dahinter stehende grüne Ergenekon,
d.h. die Gülen-Bewegung, dieses Resultat als eine Bedrohung fest. Gerade
dadurch startete man schließlich nach
den Wahlen, mit einem neuen Verleumdungs- sowie Vernichtungskonzept. Der Angriff wird aus dreierlei
Richtungen betrieben: Gegen Rêber
APO wird eine scharfe Isolationspolitik umgesetzt. Daneben werden
die Boden- und Luftoperationen gegen die Guerilla in Nord- und Südkurdistan intensiviert. Zuletzt geht
man gegen die legal politischen Struk-
turen vor. Es befinden sich mehr als
4.000 kurdische PolitikerInnen in
den Haftanstalten.
Für uns als YXK ist es eine unverzichtbare Frage, wie wir diesen Prozess zu deuten haben. Wenn wir als
aufgeklärte und studierende Jugend,
darauf eine passende und richtige
Antwort geben können, können wir
gegen den intensiven und breiten Angriff an der kurdischen Gesellschaft,
auch effizient entgegenhalten. In diesem Sinne trägt unser diesjährig stattfindender 17.YXK Kongress eine besondere Bedetung.
Bis zum 17.Kongress wurden ernsthafte Arbeiten unternommen. Einerseits hat der Verband entgegen allen
Entwicklungen reflexartig reagiert
und seine Sensibilität gezeigt. Auf
der anderen Seite wurden, um die
Bildung innerhalb des Verbandes voranzutragen, Bildungs- und Lesetage
ausgetragen. Während dieser Phase
sind wir quantitativ gewachsen; in
Essen, Berli, Bonn, Hannover und
Kaiserslautern wurden neue Hochschulgruppen eröffnet. Die diesjährige Sommerakademie ist trotz der
geringen Teilnahme, aufgrund des
starken Inhalts sehr gut verlaufen
und hat den Mitgliedern eine große
Kraft und Moral gegeben. Diese Arbeiten haben einerseits die YXK gestärkt und dafür gesorgt, dass wir
unsere Mission weiterführen werden.
Der 17.Kongress war in diesem Zusammenhang ein Zusammentreffen,
indem sehr ernsthafte Diskussionen
geführt wurden. Bisherige Bemü-
hungen und Arbeitsweisen wurden
analysiert. Im Anschluss dessen haben
wir daraus neue Methoden und Modalitäten hervorgebracht, die sich
auch in der neu konzipierten Planung
sowie Satzung wiedederfinden. In
der bevorstehenden Phase bilden für
uns die Ergebnisse aus dem 17.YXK
Kongress, für die Umsetzung eine
besondere Bedeutung.
In diesem Rahmen wurde ein neuer
sowie sehr starker Vorstand gewählt
und daneben wurden auch die Kommissionen aufs Neue geformt. Außerdem hat der Verband dieses Jahr,
die 19.Hüseyin Celebi Literaturpreisveranstaltung realisiert und abgeschlossen - die ebenfalls eine besondere Bedeutung für uns trägt. Das
verspätete Erscheinen der vorliegenden Ronahi-Ausgabe ist eigentlich
ein zu kritisierender Punkt. Es ist
darum von besonderer Relevanz, dass
die Zeitschrift zukünftig - mit Unterstützung aller FreundInnen - jeweils
alle drei Monate einmal erscheint.
Alles in allem sollte alle FreundInnen
die vorliegende Phase - insbesondere
was die Perspektiven aus dem 17.Kongress und der uns auferlegten Mission
angeht - entsprechend deuten und
sich den Arbeiten zuwenden. Eine
gesonderte Mission aus dem Kongress, die uns auferlegt wurde, ist
die, dass wir Heval Hüseyin Celebi
uns als Vorbild nehmen und sein als
Erbe hinterlegtes Engagement; seinen
Kampf weiterführen werden. In diesem Sinne wünschen wir euch allen
viel Erfolg!
RONAHÎ
KONFEDERALÎZMA DEMOKRATÎK
RÊXİSTİNGERİYA NETEWA DEMOKRATÎK
YA NE DEWLET E
Abdullah ÖCALAN
“Konfederalîzma
demokratîk pir girîng
e. Em vêya ne tenê ji
bo Kurdan, ji bo
Rojhilata Navîn û her
wiha ji bo cîhanê jî
pêşniyar dikin. Wê
bandoreke pêşî lê
veker di xetimandina
ku jêdera xwe ji
dewlet-neteweê digire
de, bike”
Pêwîste têgîna Konfederalîzma Demokratîk were nîqaşkirin. Ya ez qala
wê dikim demokratîkkirina Komarê
ye. Têgihiştina min ya ji sosyalîzmê
re wiha ye; Sosyalîzma pêkhatî jî
dinavê de, ez têgihiştina sosyalîzmeke
ku xwe dispêre dewletê rast nabînim.
Têgihiştina min ya Konfederalîzma
demokratîk jî ev e. Heta ku demokrasî
neyê pêşxistin sosyalîzm jî nabe. Bi
desthilatiya Sovyetan jî ev çareser
nebû. Sovyet, mîna dewleta rahibên
Sûmeran bûn. Çîn jî wisa. Ji ber vê
yekê jî nekarîn xwe li hember DYE
ser lingan bigirin. Rewşa Rojhilata
Navîn a heyî, ne ji jor de DYE’yê, ne
jî di jêr de gel qebul dike. Rêveber di
vê navberê de tengav bûne. Ya wê
xwe biguherînin, yan jî wê di bin
zextên DYE’yê de biçewisin. Pêla neteweperestiyeke nû çawa bû sedem ku
dema borî da wendakirin, wê îro jî
bide wendakirin. Li vir Konfederalîzma
Demokratîk mîna dermanek e.
Dibe ku DYE bi sorkirina neteweperestiyê re rê li ber wendakirina sedsaleke veke. Neteweperestî sedsalekî
da wendakirin, ji bo ev sedsal jî ne de
wendakirin tê xwastin ku konfederalîzma
demokratîk ji binîve were birêxistin
kirin. Ev xeta serekeye. Tê xwastin ku
sosyalîzmeke xwe dispêre demokratbûnê
hebe. Esasê vêya ew her şeş xalên ku
min di bernameyê de dabû diyarkirine.
YE niha demokratîk dibe, Tirkiye demokratîk dibe, tevgera Kurd demokratîk
2
dibe. Divê ev sentezekî çêbikin. Bila
şaş neyê fêhmkirin, ez nabêjim bila
Tirkiye konfederalîzm be. Bila pêkhateya
xwe ya unîter jî bi parêze, lê ez dibêjim
bila li gel vêya komara demokratîkbe.
Ez li dewsa dewleta Barzanî-Talabanî
dibêjim Konfederalîzma Demokratîk
ya Kurdistanê. Divê ev bi Komara Tirkiyê re dost be. Konfederalîzma demokratîk ne neteweperestiya Kurd e. Ji
netewparêziya dewletî dûr mayîn, girîngî
dayîna netewa demokratîk û pêvajoya
Yekîtiya Ewrûpa wek sentezekî were
fêhmkirin. Li ser vê bingehê dixwazim
gel seferberbe. Bi vî rengî emê netewperestiyê ji xeterbûnê derbixînin. Konfederalîzma Demokratîk diyarî tevahî
gelên cîhanê û Rojhilata Navîn dikim.
Çareseriya heqîqî ya ji bo gelên
Rojhilata Navîn û her wiha ji bo cîhanê
jî konfederalîzma demokratîk e. Konfederalîzma demokratîk rêxistingeriya
netewa demokratîk ya ne dewlet e.
Konfederasyona demokratîk rêxistiniya
hindikahiyaye; rêxistiniya çandî, dînî,
heta ya cinsî û mîna vaye. Ez ji vêya
re dibêjim netewa demokratîk û rêxistiniya çandî. Ji her gundek komînekî
demokratîk dikare derbikeve. Yekbûna
hemû rêxistinên çandî dibe konfederasyon. Divê wekî xet were nîşandan.
Ez ji vêya re dibêjim konfederasyona
demokratîk ya ne dewlet.
Mînakên vê yên dîrokî hene. Beriya
niha demokrasiya Atîna hebû. Di Sûmeran d ejî rêxistiniyeke heman hebû.
RONAHÎ
Konfederalîzma Ewrûpa çêdibe. Konfederalîzma Rojhilata Navîn jî dibe. Ji
bo Kurdan jî li Rojhilata Navîn Konfederalîzma Kurd di cî de ye. Îsraîl û
Flîstîn di navbera xwe de dikarin konfederalîzma demokratîk saz bikin. Ji
bo 22 dewletên Ereban, di navbera
xwede konfederalîzmeke demokratîk
ya demokrasiyê li ber çavan bigire,
dibe. Tirk di navbera xwede dikarin
konfederalîzma demokratîk ya Tirk
saz bikin. Hun nikarin tevahî Tirkan
di bin yek aleke dewletê de bînin
bahev. Ji ber ku tev dewletên netewîne.
Lê di navbera xwede dikarin konfederalîzma demokratîk saz bikin.
Ev ji bo Kurdan jî baş û di cîde
ye. Kurd dikarin di navbera xwede,
bêyku dest bidin sînoran, konfederalîzma demokratîk ya Kurd damezrînin.
Hemû parçeyên Kurdistanê, bêyku
dest bidin sînoran û sînoran ji xwere
wek asteng bibînin, divê sînoran mîna
pirekî bibînin û bivî awayî konfederalîzma xwe ya demokratîk pêşbixînin.
Wê Kurd dinavbera xwede têkiliya
siyasî, çandî û polîtîk pêk bîne. Ez
na bêjim hilweşandina sînoran, dibêjim divê sînoran jixwere bikin pir.
Ti zirer û ziyanekî vêya ji ti kesî/ê re
nîne. Eger ev neyê kirin wê her devereke Kurdistanê bibe gola xwînê.
Kurd tenê bi vî awayî dikarin ji pêvajoyeke bixwîn rizgar bibin.
Demokrasiya Kurd ya bêxwîn encax wiha pêşbikeve. Di rewşeke berovajî de wê pêvajoyeke bixwîn ya
mîna Filîstîn-Îsraîl were jiyankirin.
Ev çareserî, wê pevçûna ku di derdora
netewe-dewleta Kurd de pêşbikeve
asteng bike. Ji bo vê yekê hilbijêrka
tenê ewe ku dewlet netewe ji demokrasiyê re vekirîbe. Wê dest tê
wernedin netewbûna demokratîk ya
Kurd û li hev bikin. Ev wê pir bide
qezenckirin. Pêwîst e Tirkiye, Îran,
Sûrî û heta dewletoka Kurd jî li
pêşiya vêya nebin asteng.
Neolîberalîzm dixwaze dewleta
netewe ji nû ve ava bike lê çi dike
nake bi ser nakeve
Dewleta netewe ya di dused salên
dawî de weke hebûneke herî xwedayî
hat pîrozkirin, di serdema fînansê de
derz lê ketiye, ji ber ku di binya xwe
de rastiyên civakî yên bi darê zorê
helandine û tepisandine, bi awayekî
jê tolê hilînin ketine rojevê û ev pêvajoyên bi hev re têkildar in. Têgihiştina karê ya serdema fînansê veguherîna dewleta netewe ferz dike.
Di sîstematîkbûna pêxîrtengiyê de
ev veguherîn bi roleke girîng radibe.
Neolîberalîzm dixwaze dewleta netewe ji nû ve ava bike lê çi dike nake
bi ser nakeve. Di vî warî de mirov
dikare ji ezmûn û tecrûbeyên Rojhilata
Navîn gelekî hîn bibe.
Ev hêman careke din nîşan didin
ku konfederalîzma demokratîk weke
alternatîfeke bi hêz dikeve rojevê.
Di ezmûna Rûsya Sovyetê de pêşî
ya di rojevê de li pêş hat girtin, konfederalîzm li ser navê dewleta navendî
ji holê hat rakirin ev jî yek ji sedemên
bingehîn ên jihevdeketina sosyalîzma
3
pêkhatî ye. Bi serneketin di demeke
kin de dejenerebûna Tevgerên rizgariya neteweyî ji nêz ve bi pêkneanîna
wan a siyaseta demokratîk û kofederalîzma wê re girêdayî ye. Tevgerên
şoreşger ên dused salên dawî dewleta
netewe şoreşgertir hesibandin konfederalîzm jî weke şêweyekî siyasî
yê paşvemayî dîtin li gorî vê jî bûn
xwedî helwest ev bû bingehê serneketina wan.
Kes tevgerên xwe bi sîleha modernîteya kapîtalîst dewleta netewe
ve girêdan, yeqîn dikirin ku wê di
demeke kin de bi vê sîlehê veguherînên civakî yên mezin pêk bînin, lê
dereng serwextbûn ku bi vê sîlehê li
xwe dane. Nêzîkatiya wan a gerdûnparêz, li ser xeteke rast pêşketî der
barê xwezaya civakî de zû dereng
wan gihandiye têgihiştina sosyalîzma
pêk bê. Eskatalojiya (baweriya bi
axîretê) di Pirtûkên Pîroz de bi awayekî weke sosyalîzmê xwe daye der.
Civak li ser xeteke rast weke modelên
pêş dikevin bi navê destpêk, koledar,
feodal, kapîtalîst sosyalîst teswîr kirine. Li vir bi awayekî din têgihiştina
çarenûs û qederê heye. Ev têgihiştinên
dogmatîk ên kûr em ji wan bi tesîrbûne
RONAHÎ
huzra civakî tê gotin, ji bilî damezrandina serwertiya çîna bûrjûvayê
bêtir tiştekî din nîne. Ji ber ku mêtinkarî zêde bi şêweyên wê yên dewleta netewe îcbarî kirine. Dewleta
netewe ya em dikarin wê weke xwerêxistinkirina desthilatdariyê ya dewleteke herî mezin a navendî bi nav
bikin, şêweyê bingehîn ê rêveberiya
modernîteyê ye.
Di rewşa heyî de alternatîfa tenê
konfederalîzma demokratîk e. Ev,
modela rêxistiniya pramîtî ye. Li vir
axaftin, nîqaş û biyar ya koman e. Ji
herî jêr heta herî jor delege wê bi
hilbijartin werin û di lûtke de koordînasyonê çêbikin. Wê delege mîna
karmendên gel yên salekî bixebitin.
Prensîba diyarkirina çarenûsa
xwe ya netewan ne tenê mafê
avakirina dewlet e
di bingehê wan de çarenûsperestiya
dînî baweriya axîretê heye.
Netewe-dewlet li ser esasê
înkara demokrasiyê û ji vêya jî
zêdetir ya komarê hebûna xwe
diyar dike û pêk tê
Pêvajoya modernîteya kapîtalîst
pêvajoya dewletê ya herî zêde navendî
dibe. Di civakê de navendên hêzê
yên eskerî û siyasî yên ji wan re
otorîte tê gotin ji bo sûdwergirtina
yekdestdariya herî bi hêz têne astengkirin, civak bi awayekî herî zêde
ji aliyê eskerî û siyasî ve bêhêz û bêrêveberî tê hiştin ev rewş jî dihêle
ku rêveberiyên monarşiyên modern
di pey re dewleta netewe ya hatiye
pêşdebirin, civakê herî zêde ji aliyê
eskerî û siyasî ve bê hêz bê sîleh
bikin. Nîzama jêre nîzama huquq
4
Konfederalîzma demokratîk pir girîng e. Em vêya ne tenê ji bo Kurdan,
ji bo Rojhilata Navîn û her wiha ji bo
cîhanê jî pêşniyar dikin. Wê bandoreke
pêşî lê veker di xetimandina ku jêdera
xwe ji dewlet-neteweê digire de, bike.
NY (BM) ya ku dispêre netewe-dewletê
îflas kiriye. Pirsgirêka Iraqê vêya pir
baş raxist berçavan. Neçareseriya ku
di çarika dawî ya sedsala 20. de tê jiyankirin, rewşa Kendavê (Körfez),
Iraq û Afganîstanê di holê de ye. NY
bêçareye, DYE vêya hindek fêhmkiriye
lê pêşkêşkirina modelekê ya emperyalîzmê sînordar e. Li dewsa alternatîfeke demokratîk ya heqîqî di welatên
mîna Tirkiye, Misir û Afganîstanê de
li pey modelên sixte yên demokrasiya
rast berovajî dikin de ne.
Prensîba diyarkirina çarenûsa xwe
ya netewa ne tenê mafê avakirina
dewlet e. Lenîn mehfa vêya anî.
Lenîn û Stalîn ji ber vê prensîbê pir
zêde wek prensîba avakirina dewletê
dest girtin û bi vî awayî felaketên
RONAHÎ
dîrokî bixwere anîn. Ji bo rizgariyê
komên dewletê yên sixte avakir. Ez
diyarkirina çarenûsa xwe ya netewan
wiha fêhm dikim, ji ber ku di Kurdan
de qismeke pey vêya dikevin hene:
ev maf, mafê avakirina demokrasiya
xwe û çêkirina rêveberiyeke xwe
ya ne dewletiye. Mafê avakirina
modelekî ya komên ne dewletîne û
hemû pirsgirêkên xwe di gundan
de, taxan de û di çarçoveya bajaran
de muneqeşe bikin, biryaran bigirin
û çareserbikine.
Min ji bo gelê Kurd mînaka Enkîdoyê hevkar yê ev pênc hezar sale ji
dema Gilgameş ve dabû. Dewleteke
hevkar a erzan didin sazkirin. Ez êriş
nakim ser damezrandina wê dewletê.
Lê wê ev dewlet li Rojhilata Navîn
dawiya dawî karekterê dewleteke destpotîk bigire. Tê zanîn avakarên van
dewletan kî ne. Wê ev dewlet xwîna
gel bimije, ji ber ti pêwendiyeke xwe
bi demokrasiyê re nîne. Niha jî xwe
wek serokê dewletê îlan dikin. Lê dij
derketina min a li dijî netewe-dewletê,
wek derketina Zerduşt û Hz. Brahîm
bimane û bibandor e. Biqasî dij derketina Hz. Brahîm li dijî Nemrût hêjaye.
Ez ji bo pesnê xwe bidim vêya nabêjim,
pêwîstiya min bi pesindanê jî nîne, lê
dij derketina min bimaneye, yên dixwazin fêhm bikin dikarin fêhm bikin.
Qey ezê serî ji Nemrûtan re bitewînim?
Serê xwe ji axayan re danaynim. Îdeolojiya netewe-dewlet heram e, ez hezar
carî nanê tifsî jî bixwim, lê minneta
van dewletan nakim, her tiştê wan heram e.
Di demên krîzan de sîstemên
modern dikarin bizên
Çawa ku di tevahiya dîroka şaristaniyan de hatiye ceribandin, di demên
modern de jî hewldanên sîsteman ên
yekdestdarîbûn û hev tinekirinê encam
nedane, berdêlên wan jî giranbûne.
Bêguman korbûnên di vî warî de bîlançoyên van şerên sîsteman gelekî
giran kiriye. Sîstem wê giraniyê li
ser hev çêkin bixwazin bi vî awayî
jiyana xwe dewam bikin. Ji asta
global heta bi asta xwecihî wê timî
hegemondariyê bêne ferzkirin, berxwedanên dijber jî wê ji ceribandinan
dersan bigirin û bi awayekî herî bi
hêz dewam bikin. Heta çareserî nebe,
em ê şer aştiyê her bi hev re bibînin.
Analîz û çareserî hê bêtir serketî
bibin, rastî, qencî û bedewiyê çiqasî
nîşan bidin, bêguman rewşeke em
karibin jêre bibêjin bêşerî û bêaştiyê
pêk bê em ê karibin dinyayeke bi
nirx bi arez bêtir xeyal bikin, pêk
bînin. Bêguman hê zêdetir aştî hê
kêmtir şer rewşeke bi nirx e, hewldanên ji bo pêkanîna wê jî hêjane
esîl in. Bi şertê ku mirov bi prensîb,
bi anor bi rûmet be.
Me hegemondariya kapîtal a fînans
globalê bi xwe weke pêvajoya krîza
herî kûr terîf kir. Bûyer vê terîfê piştrast dikin. Herweha me bi awayekî
berfireh anî ziman ku krîz sîstemîk
ji avabûnê ye. Nûçeyên rojane yên
der barê krîzê de jî karekterê sîstemîk
avabûnê piştrast dikin. Di demên krî5
zan de sîstemên modern dikarin bizên.
Hinek wexta dizên bi felc tînin, yên
bi awayekî têkûz dizên jî kêm nînin.
Di utopya lîberal a kapîtalîzmê de
paketên çareseriyê yên gelekî berfireh
pevkirî hîç kêm nabin. Nasekinin
planên rojane, hefteyî, mehane, salane,
deh salane pêncî salane dikin. Ev
karê wan in, wê her bikin.
Civak ji her demê zêdetir
ji rastiya xwe ya exlaqî polîtîk
hatiye mehrûmkirin
Di van demên krîzan de şensê hêzên
modernîteya demokratîk dikare zêdetir
bibe. Dîrokeke mezin a berxwedanê
ya pişta xwe danê, utopyayên azadî
wekheviyê pêşiya wan rohnî dike.
Herweha dersên mezin ên ji têkçûn û
kêmasiyan derxistine hene. Dema ku
mirov li hemûyan di zikhev de weke
desteke wezîfeyên entelektuel, exlaqî
polîtîk serwext bibe bixe nava çalakiyê,
bêguman şensê wan ê serketinê zêde
ye. Dîsa jî aliyên xweser ên demên
krîzê yên avabûn sîstemîk hene divê
bi baldarî mirov li ber çav bigire. Herçiqasî li ser şopa rabihuriyê bin jî
zanist felsefeya exlaqî-polîtîk a divê
RONAHÎ
pêk bînin û nûbûnan bigire nava xwe
divê ev neyê paşguhkirin. Naxwe weke
ku gelek caran di demên berê de hatiye
dîtin wê rê li seresere nêzîkbûn û serkoriyê veke. Tew misêwa xwe neo’kirina lîberalîzmê tehlûkeyê mezintir
dike. Divê neyê jibîrkirin ku herkes ji
pêxîrtengiya di sala 1929’an de li nava
dinyayê pêk hat, li hêviya şoreşê bû,
lê pêla faşîzmê ya bilind bû hê dewam
dike. Civak ji her demê zêdetir ji wesfê
wê yê exlaqî polîtîk hatiye mehrûmkirin. Teknolojiya înformatîk, dinyayên
gelekî mezin ên ferazî û derfetên berevajîkirina rastiyên dinyayê pêşkêşî
destê hêzên hegemondar ên îdeolojîk
ên global dike. Avahiyên xwe yên riziyayî bi hêsanî bi sîstemeke nû ambalajkirî mîna nû çêbûye pêşkêş dike
di vê de ti xirabiyê jî nabîne. Girseya
heyî ji zûve veguherandiye girseya
kerî ya faşîzmê. Li şûna hêvî şikandinê,
divê mirov qîma xwe bi anîna cem
hev a rastiya analîtîk hiskirinê neyne,
ji sedî sed em heta jiyana exlaqî polîtîk
nexin her kêlî mekanê xwe, bi hêsanî
em dikarin bêne pûçkirin, ji lewra jî
ez van diyar dikim.
Îslama siyasî îdeolojiyeke
milliyetgiriyê ye, olîgarşiyên
dewletên netewe yên dused salên
dawiyê maske dike
Mirov ‘Îslama nerm’ ji rêrûesmekê
wêdetir weke diyardeyeke modernîst
a dused salên dawiyê di çarçoveya
dewleta netewe de bigire dest, wê manedartir bibe. Mirov wê weke Îslama
ji rêûresma dîn ne, weke milliyetgiriyê
avabûna wê fêhm bike gelekî girîng
e. Ji ber ku ji bo serwextbûnê ev nuqte
kilît e. Prototîpiya milliyetgiriya herêmî
ye, mohra oryantalîzmê li ser e. Vedîtineke oryantalîstan e, ti têkiliya xwe
bi jiyana Îslamî re nîne. Bi belavbûna
li herêmê ya hêzên hegemonîk ên Ewrûpayê, nexasim jî bi hegemonya Elmanyayê re ji nêz ve têkiliya xwe
heye. Di dema dawî de li dijî Rûsya
Sovyetê bi hegemonya DYE’yê ve girêdayî ye. Gelekî girîng e ku mirov
fêhm bike, Îslama siyasî ya hatiye vedîtin têkiliya xwe bi çanda Îslama
dîrokî re nîne, ev cureyê Îslamê milliyetgirî ye, armanca wê jî parçekirina
çanda wê ye, bi vî awayî dixwaze herêmê ji hêz û taqetê bixe.
Îslama siyasî îdeolojiyeke milliyetgiriyê ye, olîgarşiyên dewletên netewe
yên dused salên dawiyê maske dike.
Komara Îslamî ya Îranê vê rastiyê bi
6
awayekî balkêş nîşan dide. Îslama Şîa
ji serî heta dawiyê milliyetgiriya Îranê
ye; îdeolojiya hegemonîk a rêûresma
împaratoriya Îranê ye. Lê weke çanda
orjîn, weke dîrok Îslam hem cuda ye,
hem jî girîng e. Mirov heta Îslamê bi
vê rastiyê ji hev dernexe, mumkîn
nîne çanda Rojhilata Navîn analîz bike
, dabeş bike û bike mijara hin çareseriyan. Deryayeke mezin a çandê ye,
weke wezîfe li benda çareserkirinê ye.
Nexasim di serî de Hz. Muhammed,
ji roja derketina holê heta roja me ya
îro weke hêmaneke demokratîk Îslam
weke hêmaneke desthilatdar Îslam, dîrokek e ku wan ji hev dike, li ser vî
bingehî dîroka gelan, hebûnên xwecihî
û herêmî ji nû ve li benda nivîsandinê
ne. Dîroka civakî bi vê paradîgmayê
were pêşdebirin ji bo rohnîkirina roja
me ya îro, nirxa xwe zêde misoger e.
Şîroveyên bi heman rengî ji bo Cihûtî,
Xirîstiyantî Zerdeştiyê jî (sentezên
mîna Manîheîzmê jî girîng in) bêne
pêşdebirin, çanda Rojhilata Navîn wê
bi awayekî nêzî rastiyê bê analîzkirin
ev yek ê rê li dewlemendiya maneyê
veke.
Ji bo analîzên çandê, orjînên Sumer
û Misrê bi qasî ku kilîta mijarê bin,
girîng in. Rastiyek e ku piştrast bûye,
dînên yekxwedayî û Pirtûkên Pîroz
çavkaniya xwe ev orjîn in. Çanda Serdema Neolîtîkê ji hemûyan re dayiktî
kiriye, ji lewra heta bandorên dîrokî
yên vê çandê neyên analîzkirin, ti çand
têra xwe rohnî zelal nabe. Hegel
analîza çanda dema xwe di wê demê
de spart heta çanda Serdema Antîk a
bi sînor dihat bibîranîn çanda Misrê.
Wexta ku dîroka çandî were tomarkirin
şîrovekirin a derkeve holê wê Ronesanseke çandî be. Di rastiya çanda
Rojhilata Navîn de ev wezîfe hê bi
awayekî serketî bi cih nehatiye anîn.
Fikrên dîroka dîndar milliyetgir ji
pêşkêşkirina dogmayan wêdetir, vegotinekê pêşkêş nakin.
RONAHÎ
Der Lausanner- Vertrag soll den Kurden
erneut aufgezwungen werden
Evrim DEMİR
“In einem so heiklen
politischen Prozess, wo
das bisherige
Gleichgewicht
erschüttert und einer
Transformation
unterzogen wird, haben
die Kurden nun
die Möglichkeit,
den Status der
Verleumdung - der seit
dem bekannten Lausanner-Vertrag währt
- zu überwinden und ihre
gesellschaftlichen sowie
nationalen Rechte
zu erlangen”
Mit dem Frühling der Völker im
Nahen Osten begann nun der Imperialismus aufgrund des Fehlens einer
Alternative für die hinfälligen Regime,
die Reaktionen der Menschen zu missbrauchen und unter dem Mantel des
gemäßigten Islams, die kapitalistische
Moderne den Völkern im Nahostgebiet
aufzudrängen. Auf diese Weise wird
einerseits der Versuch unternommen,
die ökonomischen Ressourcen der
Region zu beschlagnahmen. Andererseits wird so der Radikalislam in
Schacht gehalten und die sozio-kulturelle Dominanz der kapitalistischen
Moderne etabliert. Zu diesem Zweck
hat man sogar - wie sich dies auch
im Fall Lybien gezeigt hat - von
außen interveniert und damit die politische Kraft, mehr mittels eines Putsches, statt durch eine Revolution zu
Sturz gebracht. Wie wir dies jedoch
auch am Beispiel Ägyptens beobachten konnten, haben solcherlei Bemühungen dagegen, keine dauerhaften
Ergebnisse herbeigeführt. Auch wenn
die Reihe der Volksaufstände im Mittleren Osten an sich keine breite und
tiefe gesellschaftliche Revolutionen
ausmachen, haben sich allerdings die
Knoten des Systems in diesem Gebiet
gelöst.
Bis wohin sich der Riss - der durch
die Auflösung dieser Schlingen in
7
der Region hervorgerufen wurde ausbreiten wird, hängt hauptsächlich
auch davon ab, wie die Revolution
in Kurdistan ausgehen wird und welche Ergebnisse daraus abzuleiten sind.
Die kapitalistische Moderne ist darum
bemüht, ihre systemische Krise, durch
die Rückeroberung und durch einen
neuen Entwurf des Nahen - und Mittleren Ostens, diese Last von sich abzuwerfen. Darum werden in dem Gebiet diverse Übergriffe unternommen.
Während der Neugestaltung der Region, wird das bisherige politische
Gleichgewicht erneut einer Prüfung
unterzogen; einstige Positionen und
Rollen der hiesigen Kräfte beginnen
sich zu ändern. In einem so heiklen
politischen Prozess, wo das bisherige
Gleichgewicht erschüttert und einer
Transformation unterzogen wird, haben die Kurden nun die Möglichkeit,
den Status der Verleumdung - der
seit dem bekannten Lausanner-Vertrag
währt - zu überwinden und ihre gesellschaftlichen sowie nationalen
Rechte zu erlangen.
Demgegenüber ist die Türkei jedoch
darum bemüht, das neu zu entstehende
Gleichgewicht in der Region so auszurichten, dass der Lausanner-Vertrag,
die Verleumdung der Kurden, in einer
restaurierten Form weiterhin andauert.
Der türkische Kolonialismus mobilisert
RONAHÎ
darum sein gesamtes Repertoir, sein
ganzes militärisches Potential, um
die Kurdische Befreiungsbewegung
einzudämmen und wenn möglich
auch militärisch zu beseitigen.
Die Kurdische Freiheitsbewegung
ist seit 1993 darum bemüht, durch
das Ausrufen unilateraler Waffenstillstände, die Kurdische Frage auf
demokratischem sowie friedvollem Wege, zu einer Lösung
zu führen. Dies wurde jedoch
bis dato, stets durch das Fortführen der militärischen Operationen ins Leere geführt. Die
Türkei hat den Willen für einen
bilateralen Waffenstillstand bisher nie gezeigt.
Die Türkei war jedoch gleich
nach dem 1.Juni 2010 - Start
der militärischen Offensive der
Arbeiterpartei Kurdistans - so
sehr in Bedrängnis geraten,
dass sie mit Rêber Apo einen
Dialogkanal aufgebaut haben
Yazarların isimleri
und mit ihm eine Reihe von Gesprächen führten. Im Zuge dessen
entwarf der PKK Vorsitzende, für
die Lösung der Kurdenfrage, mehrere Protokolle.
Diese wurden jedoch schließlich
aus staatlicher Seite nicht erwidert.
Die AKP-Regierung hat die Gespräche demnach als Ablenkungs-Taktik
8
instrumentalisiert. Im Gegenzug
hat dann Rêber Apo verkündet, dass
er sich auf dem politischen Geschehen zurückziehen werde, womit er
das politische Spiel der AKP, de
facto ins Leere laufen ließ. Als
dieses schmutzige Spiel der Türkei
dann ans Tageslicht kam, begann
das Kabinett, als Gegenzug zu der
Offensive der PKK nun in türkischen Metropolen sowie in
Nordkurdistan, einen politisch
motivierten Gegenangriff - in
Form von Verhaftungen gegen
politische Strukturen der Kurdischen Bewegung. Es wurden
bis dato etwa 4000 Menschen
festgenommen.
Darüber hinaus, hat die Türkei
den Iran dazu verleitet - auf
Basis der bestehenden anti-kurdischen Allianz - eine Bodenoffensive auf Qandil zu beginnen.
Die Türkei dagegen hat damit
gerechnet, aus dem Norden an-
RONAHÎ
zugreifen und die Kurdische Befreiungsbewegung auf diese Weise zu
belagern und so zu begrenzen. Als
die Angriffe der islamischen Republik
nun begannen an der Guerilla in den
Qandilbergen abzuprallen, ging auch
dieser Plan der Türkei zunichte. Als
der militärischen Niederlage auch
noch der Raketenabwehrschild-Vertrag zwischen den USA und der
Türkei hinzukam, hat der Iran die
Qandil-Operation nun völlig quittiert. Diese Konstellation der Tatsachen hat den militärischen Plan der
Türkei zunichte gemacht.
Daneben haben die Kabinetts gelenkten Medien in der Türkei, intensive Propaganda-Nachrichten für
eine mögliche grenzüberschreitende
Militäroperation der türkischen
Streitkraft produziert. Obwohl bezüglich dessen auffällig viel berichtet
wurde, wurde von solch einer Option
bisher kein Gebrauch gemacht. Gerade weil der türkische Staatsapparat
in diesem Punkt auf die psychologische Kriegsführung setzt, wird
gerade daraus deutlich, dass sich
auf militärischem Terrain ein Mangel
an Vertrauen und eine Schwäche
offenbart. Eine grenzüberschreitende
Operation wäre tatsächlich nur dann
möglich gewesen, wenn die Türkei
es geschafft hätte, den Iran in ihr
Konzept zu integrieren.
Als die AKP-Regierung nun begann in einen allgemeinen Angriffsmodus zu wechseln, hat die kurdische Guerilla als Reaktion darauf
auch nicht gezögert. Die große militärische Buße der Türkei in Cele
(Cukurca), hat im Grunde genommen
wiederholt gezeigt, dass die türkischen Streitkräfte die PKK objektiv
nicht besiegen können. Dass die
Türkei nun als Gegenschlag hier
auf chemische Waffen zurückgreift,
führt uns die Hilfslosigkeit der Streit-
kraft vor die Augen. Als nun alle
Absichten des türkischen Staatsaparates diesmal eins nach dem anderen
gegen die Wand schlugen, begann
man neben den intensivierten militärischen und den politisch motivierten Operationen im Norden, die
Isolationspolitik auf Rêber APO zu
aktualisieren und anzustacheln. Seit
nunmehr als 4 Monaten ist Rêber
APO von der Außenwelt völlig abgekapselt.
Um eine objektive Einschätzung
zu machen, kann gesagt werden,
dass weder die Türkei die PKK
schlagen kann, noch die Arbeiterpartei Kurdistans den türkischen
Staat. Ministerpräsident Erdogan
gab dies sogar kürzlich auf einer
9
Presseerklärung zu, indem er betonte,
dass die PKK in ihrem Aktionsradius
maximal nur begrenzt werden kann.
Wenn die sämtlichen Parameter der
politischen Phase nun nebeneinander
gestellt werden, so wird deutlich,
dass wenn die Türkei den Dialog
erneut aufnehmen sollte, sie dies
höchstwahrscheinlich so angehen
wird, dass der PKK davor der Zahn
gezogen werden sollte. Dies wird
insbesondere auch an Erdogans
letzter Aussage deutlich. Aus spieltheoretischer Perspektive. tun Staaten
dies deswegen, weil sie einen schwachen Verandlungspartner vor sich
wünschen, den sie beeinflussen und
die maximalen Forderungen somit
auf ein Minimum reduzieren.
RONAHÎ
Der syrische Aufstand,
die AKP und die kurdische Frage
Şoreş KAMA
“Eine Lösung in Syrien
würde die AKP und den
türkischen Staat in Bezug
auf das eigene kurdische
Problem in Bedrängnis
bringen und diese zur
Lösung auf friedlichem
Wege zwingen”
Auch der syrische Staat wurde im
Zuge des arabischen Frühlings erfasst,
so dass es in einigen Teilen des Landes
zu Massenkundgebungen mit Aufstandscharakter gekommen ist. Getragen
wurde der Aufstand zu Beginn von
der Stadt Dar´a und ist nun auf Hama
konzentriert. Unterschiedlichen Angaben zu Folge sind bis zu 2700 Menschen während der Kämpfe, vor allem
durch staatlich angeordnete gezielte
Tötungen, ums Leben gekommen. Auffällig am Aufstand in Syrien ist vor
allem die AKP-Intervention begleitet
von kriegerischer Rhetorik. Wir können
bereits täglich offene Kriegsdrohungen
vom türkischen Ministerpräsidenten
Erdogan und seinem Außenminister
Davutoglu in Richtung Assad und sein
Regime wahrnehmen.
AKP interveniert sehr offen und
offensiv in den syrischen Aufstand
Die AKP interveniert sehr offen und
offensiv in den syrischen Aufstand und
signalisiert bei jeder Gelegenheit
Kriegsbereitschaft. Fast täglich fordern
Erdogan und Davutoglu den Rücktritt
Assads und legen ihm eine baldige
Lösung nahe, da man laut Aussage
dieser die Geduld verliert. Wenn sie
dabei von einer Lösung reden, dann
stets von einer nach ihrem Verständnis.
10
Dieses beinhaltet unter anderem den
sofortigen Rücktritt Assads und die
Anerkennung und Übergabe der Macht
an den sogenannten Nationalen Rat,
welcher unter Führung Burhan Ghalioun am 02.Oktober in Istanbul gegründet wurde. Dieser ist voll und
ganz in der Hand der AKP und der
letzte seiner Art, der in den letzten
Monaten mit Unterstützung der USA,
EU und Türkei gegründet wurde. Hierbei sollen nun alle größeren Gruppen
vertreten sein und alle samt laut der
Erklärung gewillt strukturiert zusammen
gegen das Regime zu arbeiten. Als
Ghalioun die Erklärung des Rates verlesen hatte hat er bekräftigt, dass man
als Rat eine militärische Intervention
von außen ablehnt. Die Frage dabei
ist nur, ob der Rat und Ghalioun überhaupt die nötige Macht besitzen, um
ein militärisches Eingreifen der Nato
zu verhindern.
Kooperation mit der Nato
Viele der Ratsmitglieder sind teilweise seit Jahrzehnten im Exil und
muten sich an die Interessen des syrischen Volkes vertreten zu können. Klar
ist nur, dass sie sich auf die Nato und
vor allem die Türkei stützen und hierbei
die Frage aufgeworfen werden kann,
inwieweit sie syrische Interessen ver-
RONAHÎ
folgen könnten. Die Geschehnisse in
Syrien ähneln denen in Libyen, wo
ein Übergangsrat/Nationalrat mit Unterstützung der Nato, damit auch der
Türkei, an die Macht gebombt wurde.
Wie in Libyen bedient man sich auch
in Syrien einer Gruppe innerhalb des
Staates, die in Feindschaft oder
Ablehnung zum System steht. Über
diese wird ein Aufstand entweder organisiert oder ein bestehender gepuscht. In beiden Versionen machen
sich die Aufstände stark von der Nato
abhängig, so dass sie unabhängig
von ihrem eigentlichen Willen den
Interessen der Nato dienen müssen.
Dieses Dilemma wird aufgrund der
hohen Erfolgsaussichten in Bezug
auf den Sturz des Regimes in Kauf
genommen, so dass generell momentan eine hohe Bereitschaft zur Kooperation mit der Nato besteht.
Im Unterschied zu Libyen können
wir die Rolle der Türkei in Bezug
auf Syrien klar heraus arbeiten. Im
Falle Libyens haben sich Erdogan
und seine AKP, bevor sie begannen
für den Waffengang zu werben und
diesen zu unterstützen, sich zu Beginn
gegen eine Intervention der Nato ausgesprochen. Die AKP wollte zu Beginn die sehr lukrative Beziehung zu
Libyen unter dem existierenden System fortführen. Als sich jedoch die
Niederlage Gaddafis abzeichnete und
die Nato Druck auf die AKP und Erdogan aufgebaut hatte ging sie dazu
über den Waffengang zu unterstützen,
um eben auch im zukünftigen Libyen
einen Teil des Kuchens für sich beanspruchen zu können. Im Falle Syriens können wir jedoch darauf verweisen, dass Erdogan und seine AKP
eine klare Kriegsposition eingenommen haben, so dass sie, obwohl bisweilen lukrative Beziehungen bestehen, lieber heute als morgen einmarschieren würden. Wie kann man sich
allerdings diesen Widerspruch erklären! Denn die Türkei zeigt zwei sehr
unterschiedliche Herangehensweisen
auf zwei sehr ähnliche Fragen. Daher
müssen wir uns fragen, was ist nun
anders?
KCK-Modell als Lösung
Die Antwort darauf ist, dass es in
Syrien eine sehr gut organisierte kurdische Bewegung gibt, die Teil der
kurdischen Freiheitsbewegung unter
Führung der KCK ist. Die KCK ist
die Vereinigung der Kommunen Kurdistans und ist auf die Ideen Abdullah
Öcalans zurückzuführen. Dabei geht
es um eine friedliche Lösung der
kurdischen Frage auf politischer Ebene
ohne die Staatsgrenzen der betroffenen
Länder in Frage zu stellen. Vorgesehen
ist eine konföderale Organisationsstruktur der Kurden, bei der diese
über die Landesgrenzen hinweg enge
Beziehungen zu einander aufbauen
sollen, und in den jeweiligen Ländern
sich auf allen Ebenen zu organisieren
haben. In diesem Modell sollen viele
der Befugnisse der Zentralmacht an
regionale Verwaltungsstrukturen abgetreten werden, um so auch eine
Gleichberechtigung für die vielen
ethnischen und religiösen Minderheiten zu erlangen. Da nun in Syrien
eine große kurdische Gesellschaftsgruppe unter dem Dach der KCK organisiert ist und diese zu einem erdrückenden Teil Anhänger der von
Abdullah Öcalan propagierten Ideen
sind, ist die Türkei stark beunruhigt,
schon fast panisch. Denn anders
lassen sich die Kriegsrhetorik und
die Bereitschaft zur Aufgabe sehr
großer strategischer und ökonomischer
Vorteile nicht erklären. Es gilt auch
die Haltung der Kurden dem Aufstand
und Regime gegenüber in Syrien zu
analysieren ist.
11
Die Kurden haben, wie man das
auch den Erklärungen der KCK entnehmen kann, vollstes Verständnis
für den arabischen Frühling gezeigt,
der sich nun in Syrien konzentriert,
und bekundeten ihre Sympathien für
diesen. Sie bekräftigten mehrmals
die Bedeutung dieses Aufstands für
die arabische Bevölkerung und haben
auf eine mögliche Aufklärung in der
arabischen Welt hingewiesen. In diesem Rahmen haben die Kurden das
Regime zur Demokratisierung aufgerufen und dabei für sich das Modell
des demokratischen Konföderalismus
der KCK als Perspektive beansprucht.
Die kurdische Bewegung hat, wie
auch in den anderen Teilen Kurdistan,
den Aufbau dieses Modells bereits
sehr weit voran getrieben und ist auf
bestem Wege, auch unter Einbezug
der Erfahrungen im Baskenland und
dem Zapatistengebiet, dieses erfolgreich umzusetzen. Viele Entwicklungen im arabischen Raum begünstigen die Ideen Öcalans zur Lösung
der kurdischen Frage auf friedlichem
Wege und damit das Modell des demokratischen Konföderalismus. Die
Strategie der kurdischen Bewegung
und ihr Lösungsmodell werden zur
Folge haben, dass diese die Funktion
eines Katalysators in der Region
wahrnehmen könnte. Weder im Zuge
des vergangenen Aufstands im Iran
noch beim heutigen in Syrien hat sie
sich aktiv auf einer Seite eingebracht.
Sie hat die Forderungen der Aufständischen inhaltlich unterstützt und sich
klar zu diesen bekannt aber zugleich
die Konfliktparteien zum demokratischen Dialog innerhalb der Landesgrenzen aufgerufen und die eigene
Bereitschaft zur Teilhabe an solch
einem bekundet. Dabei war es ihr
ein zentrales Anliegen sich nicht für
fremde Interessen instrumentalisieren
zu lassen, so dass sie aufgrund vor
RONAHÎ
allem des Natoeinflusses auf den
Aufstand sich auch auf diplomatischem Terrain zurückgehalten hat.
Ihre Strategie bestand darin die Lösung im Innern auf friedlichem Wege
zu suchen und die Einmischung des
Auslands zu verneinen.
AKP in Bedrängnis
Nun da die AKP bei einem Regimewechsel befürchten muss, dass die
Kurden weitgehende Rechte erhalten
werden, ist sie panisch geworden.
Die Unruhe in der AKP und dem
türkischen Staat ist darauf zurück zu
führen, dass man Angst vor weiteren
Errungenschaften der Kurden in Syrien hat, da diese auch sich auf die
anderen kurdischen Regionen reflektieren würden. Man muss hierbei vor
allem den Bezug dieser kurdischen
Bevölkerungsgruppe zur KCK und
damit zur PKK und Öcalan berücksichtigen, so dass diese viel größere
Auswirkungen auf die Entwicklungen
in der Türkei haben werden, als die
in Südkurdistan/Nordirak. Eine Lösung in Syrien würde die AKP und
den türkischen Staat in Bezug auf
das eigene kurdische Problem in Bedrängnis bringen und diese zur Lösung
auf friedlichem Wege zwingen. Fest
steht, dass die Kurden bei einem
friedlicherem Wechsel eine der zentralen Rollen spielen werden, da sie
einen riesen Erfahrungs- und Wissensschatz für ein alternativ-demokratisches System einbringen könnten
und aufgrund ihrer Strategie als Mörtel
für die heterogene Gesellschaft in
Syrien fungieren könnten. Sollte es
jedoch zu größeren kriegerischen
Türkische Agenten als
Provokateure in Syrien
Auseinandersetzungen kommen
und diese sogar den Einmarsch der
Türkei(Nato) zur Folge haben, dann
sind die Risiken nicht kalkulierbar,
vor allem vor dem Hintergrund der
aggressiven AKP-Politik der letzten
Jahre. Die AKP bemüht dieses Szenario durch Provokationen, vor allem
im kurdisch besiedelten Gebiet von
Syrien, indem sie z.B. durch Provokateure und Agenten die türkische
Fahne hissen lässt. Die Vorfälle
haben wiederum den Organisations12
grad der kurdischen Bewegung offen
gelegt, da kaum jemand auf diese
Provokationen eingegangen ist und
somit auch dem syrischen Staat keine
Handhabe für ein brutales durchgreifen gegeben wurde. In diesem Falle
wollte die AKP wohl die Grundlage
für eine militärische Intervention
legen und aus „humanitären Gründen“
mit Billigung und Unterstützung der
Nato einschreiten. Die Entwicklungen
haben die AKP stark überrascht, so
dass sie panisch versucht ihre Politik
und Taktik dem anzupassen.
Weitere Punkte, die den Verdacht
verstärken, dass die AKP auf eine
mögliche Intervention in Syrien hin
arbeitet sind auch die Tatsachen, dass
die AKP bereits mehrere militärische
Manöver direkt an der syrischen
Grenze abgehalten hat und wohl die
syrischen Deserteure aus militärischer
Überlegung heraus aufnimmt und
unterstützt. Erst am 06.Oktober hat
Erdogan Assad aus Südafrika heraus
erneut stark angegriffen und zugleich
verkündet, dass er die syrischen
Flüchtlinge an der Grenze zu Syrien
zu besuchen gedenkt. Dem war dann
auch so, nur mit dem Unterschied,
dass zeitgleich ein großes Militärmanöver an der Grenze zu Syrien abgehalten wurde. Dies war eine klare
Botschaft gen Assad. Jedoch geht es
bei alle dem aus türkischer Perspektive
vor allem um die kurdische Bewegung.
AKP provoziert einen Krieg gegen Syrien
Die AKP und Erdogan riskieren
in Bezug auf Syrien einen Krieg, da
sie bei einer Auseinandersetzung auf
die Nato zählen. Hierbei geht man
davon aus, dass dem Fall Syriens
der Iran folgen könnte, so dass die
türkische Seite sich der Natounter-
RONAHÎ
stützung sicher fühlt. Ob jedoch die
Nato ein instabiles Syrien dem heutigen, relativ stabilen, vorziehen würde
ist eine andere Frage. Auch sie ist
aufgrund der weltweiten Kriege und
der Finanzkrise geschwächt und somit
auch an der Grenze ihrer Belastbarkeit
angelangt. Die AKP hofft wohl eben
auf diesen Zustand und würde sich
im Kriegsfall anbieten und dafür im
Gegenzug von der Nato und den
Westmächten eine freie Hand gegen
die kurdische Bewegung in Syrien
einfordern. So könnte man sich auch
den Druck aus Ankara gegen Assad
erklären, da dieser im Gegensatz zur
Position der Nato, EU und USA,
deutlich Kriegs betonnter ist. Sprich
die AKP riskiert ganz bewusst einen
Krieg und schürt diesen schon ganz
fleißig.
Kurdische Befreiungsbewegung
als Hindernis
Hierbei muss auch beachtet werden,
dass die AKP mit Unterstützung der
nationalistischen MHP und kemalistisch-nationalistischen CHP im türkischen Parlament eine Verlängerung
der Befugnis für grenzüberschreitende
Operationen verabschiedet hat. Diese
Blankovollmacht, begründet mit den
sogenannten PKK-Lagern im Irak,
erlaubt es dem türkischen Militär bei
Bedarf über die eigenen Landesgrenzen hinweg militärische Operationen
durchzuführen. Das türkische Militär
hat in der Vergangenheit bereits 25
grenzüberschreitende Operationen
durchgeführt und dabei nie sein Ziel
erreicht. Warum besteht dann die
AKP, obwohl auch sie eine große
Niederlage bei der Zap-Operation
von 2007 erlitten hat, auf diesem Instrument. Um diese Frage zu beantworten gilt es juristisch zu prüfen,
ob diese Blankovollmacht es dem
türkischen Militär auch erlauben
würde in Syrien einzumarschieren,
oder zumindest ins Grenzgebiet. Wenn
die AKP ernsthaft in Syrien kriegerisch
einzuschreiten gedenkt, wären viele
der Fehltritte Erdogans in den letzten
Monaten aufgeklärt. Die Politik Erdogans und seiner AKP sind voller
Widersprüche, so dass man sich fragen
muss, welche Absichten dahinter stecken. Wird hier bewusst ein Sturm
nach dem anderen losgetreten, um
andere Vorhaben zu kaschieren und
verdeckt zu entwickeln. Man Bedenke
hierbei die rhetorischen Angriffe Erdogans und der AKP in Richtung Israels und Deutschlands. Bei alle dem
wird klar, dass die AKP ihren osmanischen Träumereien hinter jagt und
die kurdische Bewegung, welche das
größte Hindernis auf dem Weg dorthin
darstellt, zu eliminieren gedenkt. Wir
können beobachten, dass sie und ihre
Basis, die Fetullah Gülen Bewegung,
sich aller Argumente unabhängig
ihres Ursprungs und Charakters bedienen, um nur zum Ziel zu gelangen.
Für alle taktischen und strategischen
Überlegungen der AKP stellt die kurdische Bewegung, aufgrund ihres demokratischen alternativen Systemverständnisses, ein Hindernis dar.
Daher ist sie ohne Zweifel, auch entgegen ihrer pseudo kurdischen Öffnung, gewillt die kurdische Bewegung
zu liquidieren.
Als Fazit lässt sich zusammen
fassen, dass die AKP wie alle Regierungen vor ihr die Verleugnungsund Vernichtungspolitik des türkischen Staates in Bezug auf die kurdische Frage als ihre Maxime versteht und nun dazu übergangen ist
dieses Verständnis über die eigenen
Landesgrenzen hinweg aktiv umzusetzen. Diese Politik wird am Widerstand der kurdischen Bewegung
scheitern und dazu führen, dass die
13
AKP, wie bereits knapp ein Dutzend
Regierungen vor ihr, in den Müllkorp
der Geschichte verfrachten wird.
Zur Politik der AKP könnte man
folgendes Zitat von Bertrand Russel
anbringen:“Man sollte eigentlich im
Leben niemals die gleiche Dummheit
zweimal machen, denn die Auswahl
ist so groß“. Der türkische Staat
und auch die noch recht junge AKP
haben in ihrer Geschichte Fehler
dutzendfach wiederholt, da sie nicht
die Größe aufbringen konnten Alternativen zu entwickeln. Nun droht
Ihre Dummheit über die eigenen
Grenzen hinweg einen großen
schmerzreichen Krieg vom Zaun zu
treten. Dazu sind sie bemüht die
Kurden für das Regime in Syrien
als Ziel darzustellen und auch hier
kann die Ermordung des kurdischen
Oppositionellen Temo hinterfragt
werden. Die Demokratische Unions
Partei (PYD) in Syrien unter Führung
Salih Müslüm Muhammeds hat die
Ermordung Temos verurteilt und
darauf hingewiesen, dass die Türkei
hinter der Exukution stecken könnte.
Sie hat in der selben Erklärung dazu
aufgerufen eine Lösung im innern
zu suchen und lehnt eine ausländische Einmischung, somit auch den
sogenannten Nationlrat von Istanbul,
ab. Sie selbst sind Teil eines inländischen Nationalrates, der innerhalb
Syriens gegeründet wurde und die
Lösung im Dialog sucht. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die
Einmischung der AKP in Syrien in
einem Krieg münden wird oder, ob
das syrische Regime sich bereit zur
Demokratisierung erklärt und auf
die Opposition und die kurdische
Bewegung zugehen wird. Im Kriegsfall werden alle leiden und verlieren,
im Dilaog wird der Nahe- und Mittlere-Osten große Errungschaften erlangen.
RONAHÎ
17. Kongress der Yekitiya
Xwendekarên Kurdistan
Hüseyin ÇELEBİ
“Es ist die Zeit zu
wachsen! Mit dem
System der YXK und
dem Ziel zu wachsen
wird sich die YXK in
die Demokratische
Autonomie einbringen
und ihren Platz an der
Seite des kurdischen
Volkes einnehmen,
wenn es seine Freiheit
endlich erkämpft, denn
es ist die Zeit
erfolgreich zu sein”
“Dem dema yekbûyîn û mezinbûnî
ye! Dem dema serkeftinê ye!” (Es ist
die Zeit eine Einheit zu werden und zu
wachsen! Es ist die Zeit erfolgreich zu
sein!) Unter diesem Slogan stand der
17. Kongress der YXK, welcher vom 1.
bis 3. Oktober im Kulturcafé der RuhrUniversität Bochum stattfand und an
dem sich über die drei Tage hinweg bis
zu 100 kurdische Studierende und Jugendliche aus Europa, solidarische AktivistInnen aus Deutschland und patriotische Persönlichkeiten beteiligten. Es
nahmen Delegierte kurdischer Studierendengruppen aus Österreich, Frankreich
und Holland am Kongress teil, eine Genossin des sozialistischen Jugendverbandes Rebell verlas ein Grußwort im
Namen des Verbandes, Grußworte und
Berichte von kurdischen Studierenden
aus Dänemark und Belgien erreichten
den Kongress.
Dieser rege Austausch macht das Bedürfnis der kurdischen Studierenden in
Europa nach einer gemeinsamen Organisierung und Politik deutlich. Es zeigt
sich, dass sich die Jugendlichen und
Studierenden in der Diaspora als Teil
der Lösung der kurdischen Frage begreifen und angemessene Antworten auf
die aktuellen Entwicklungen finden wollen. Der Kongress stand unter dem Zeichen des Krieges gegen das kurdische
Volk und so wurde die Bedeutung der
Mission, welche unser Ehrenvorsitzender
14
Hüseyin Celebi vor der Gründung der
YXK formulierte, betont. Die aktuelle
Lage der kurdischen Frage wurde am
ersten Tag des Kongresses gemeinsam
analysiert, nachdem die männlichen Teilnehmer die Zeit, welche die YXK-JIN
für ihre Selbstorganisation benötigte,
für ein kurzes Seminar über den Feminizid genutzt hatte. Der 17. YXK-Kongress fand zur richtigen Zeit statt, denn
er kann zu einer Antwort der kurdischen
Studierenden in Europa auf die Ausrufung
der Demokratischen Autonomie werden,
wenn sich die Studierenden dieser Möglichkeit bewusst werden. Das kurdische
Volk und seine Freiheitsbewegung sind
den heftigsten Angriffen seit langem
ausgesetzt, doch sind sie heute in der
Lage das Blatt der Geschichte zu wenden
und aus dem Grab zu steigen, in welches
das kurdische Volk vor 100 Jahren gestürzt wurde. Richtiger Weise wurde die
heutige Situation nicht nur mit der Zeit
von 1992 verglichen, sondern vielmehr
mit dem ersten Schuss aus dem Jahr
1984, denn heute steht alles auf dem
Spiel. Es ist nicht sicher, dass der Freiheitskampf gewonnen werden wird,
falsche Sicherheiten können zu großen
Katastrophen führen, doch ist der Kampf
des kurdischen Volkes für Freiheit seinem
Ziel so nah wie noch nie.
Vor diesem Bewusstsein wurde das
vergangene Jahr seit dem 16. Kongress
am zweiten Kongress-Tag eingehend
RONAHÎ
ausgewertet, es wurden Diskussionen
geführt und eine Perspektive für das
kommende Jahr eröffnet. Zentral bei
den Diskussionen waren immer die
Vorstellungen Hüseyin Celebis, die er
der YXK in Form einer Mission auf
ihren Weg mitgegeben hatte. Nach
Hevale Hüseyin ist es nicht ausreichend bestehende Perspektiven nachzuahmen, sondern es besteht die
Notwendigkeit eigene Perspektiven
zu entwickeln, ja die neuen Perspektiven selbst zu sein. Dies betrifft
sowohl die Vorstellung von einem
freien Kurdistan, als auch die YXK.
Aus den Auswertungen der Vergangenheit zeigt sich, dass die YXK in
den letzten Jahren nach ihrem Wiederaufbau ab 2005 ein System geschaffen hat, das funktioniert. Die
YXK hat sich mit ihrer Struktur der
Ortsgruppen, Regionen und des Vorstandes den Anforderungen der Organisierung von Studierenden und Jugendlichen angepasst. Die entwickelten
Methoden – von basisdemokratischen
Treffen auf allen Ebenen neben der
Aufteilung von Funktionen, über die
Erstattung von Berichten und die Kultur
von Kritik und Selbstkritik, bis hin zu
der Arbeit in Kommissionen oder die
Zahlung von Beiträgen – funktionieren,
wenn sie ernsthaft angewandt werden.
Sie müssen in der kommenden Zeit
so schnell wie möglich verinnerlicht
und angewandt werden, damit die
YXK nicht „nur“ eine gemeinsame
Ideologie und Mentalität verbindet,
sondern auch ein System: es ist die
Zeit eine Einheit zu werden! Darüber
hinaus besteht die Notwendigkeit zu
wachsen. Die YXK muss viel mehr
Jugendliche jeglichen Alters, Herkunft
oder Beruf organisieren, die Arbeiten
sind viel zu eng gefasst, weshalb sich
unsere Perspektive oft nicht erweitert.
Es ist die Zeit zu wachsen! Mit dem
System der YXK und dem Ziel zu
wachsen wird sich die YXK in die
Demokratische Autonomie einbringen
und ihren Platz an der Seite des kurdischen Volkes einnehmen, wenn es
seine Freiheit endlich erkämpft, denn
es ist die Zeit erfolgreich zu sein!
In diesem Sinne verabschiedete der
17. Kongress der YXK seine Beschlüsse
und Planungen:
Beschlüsse des 17. YXK-Kongress:
A. Allgemeine Beschlüsse
1. Oberste Priorität ist es sich das
Paradigma einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten
Gesellschaft anzueignen und nach außen zu tragen.
2.Alle YXKlerInnen sind verpflichtet
an den Veranstaltungen des Verbandes
und denen des kurdischen Volkes, Demos usw. teilzunehmen.
3. Die kurdische Frage wird verstärkt
an die Öffentlichkeit herangetragen.
4. Der Verband gründet in Deutschland und in anderen Ländern, in denen
es organisierte StudentInnen gibt, Ortsgruppen. Mit den Arbeiten außerhalb
Deutschlands wird ein Vorstandsmitglied speziell beauftragt. Die Arbeiten
für den europaweiten Dachverband
werden zukünftig intensiviert. Die
YXK- Deutschland bereitet mit Stu15
dierenden-Organisationen in Europa
die Gründung eines europaweiten
YXK- Dachverbandes vor. Eine Konferenz der kurdischen Studierenden in
Europa wird organisiert.
5. Die YXK-Jin stellt ihre selbstständige Planung und Beschlüsse,
sofern sie den gesamten Verband
betrifft, auf den betreffenden Plena
vor. Dieser Raum ist fester Bestandteil
jedes Treffens. Die Planung der YXK
Jin wird vom gesamten Verband getragen.
6. Der YXK-Vorstand wird nach
einer 40%-Quote nach Geschlecht
besetzt.
7. Die Ortsgruppen bestehen aus
mindestens 3 Mitgliedern. Die Ortsgruppen wählen zwei OrtsgruppensprecherInnen, eine Frau und einen
Mann, die die Funktion gemeinsam
ausführen.
8. Die Ortsgruppen halten möglichst
wöchentlich, mindestens aber zweiwöchentlich ihre Versammlungen ab.
Die Ortsgruppentreffen finden entsprechend einer festgelegten Tagesordnung statt und werden protokolliert.
Die Protokolle werden an den/die RegionssprecherIn und alle Ortsgruppenmitglieder gesendet. Die Mitglieder,
die nicht teilnehmen können, müssen
den/die OrtsgruppensprecherIn über
den Grund ihres Fehlens benachrichtigen. Die Versammlungen sollen unter
Disziplin geführt werden.
9. Die OrtsgruppensprecherInnen
sollen in Kontakt zur/zum RegionssprecherIn stehen und diese/n über Aktivitäten und Planungen schriftlich informieren.
10. Berichte der Ortsgruppe enthalten
auch eine Bewertung zur aktuellen
politischen Lage. Dazu wird ein neuer
Leitfaden entwickelt.
11. Die Ortsgruppenmitglieder, die
ihre Mitgliedsanträge noch nicht ausgefüllt haben, sollen diesen bis zum
RONAHÎ
1. Dezember 2011 nachholen. Dabei
sollen andere kurdische Studierende
auch angeregt werden, offizielles Mitglied zu werden. Mitgliedsanträge sind
von dem/ der OrtsgruppensprecherIn
an die/ den RegionalsprecherIn weiterzugeben.
12. Jede Ortsgruppe schafft sich
eine Festplatte an und archiviert ihre
Arbeiten.
13. Eine der wichtigsten organisatorischen Arbeiten ist es, OberstufenschülerInnen zu erreichen und diese
in die Ortsgruppen aufzunehmen. Die
Ortsgruppen kommen ihrer Verantwortung, als Teil der Jugend, bei Bedarf
auch Jugendliche zu organisieren, nach.
Außerdem sollen die Ortsgruppen von
Zeit zu Zeit Veranstaltungen organisieren, mit denen Jugendliche, v.a.
OberstufenschülerInnen erreicht werden
sollen.
14. Jede Ortsgruppe soll mit den
anderen kurdischen Institutionen in
der jeweiligen Stadt über Kommunikations- und Kooperationsstrukturen
verfügen. Die YXK bringt sich aktiv
in die bestehenden Volksräte ein. Die
YXK entsendet ein Mitglied in die
örtliche Jugendkommission sowie ein
Mitglied in die örtliche Außenarbeitskommission.
15. Mit den studentischen und gesellschaftlichen Gruppen, mit denen
man über gemeinsame Vorstellungen
und Interessen verfügt, sollen Kontakte
hergestellt und wenn möglich gemeinsame Aktivitäten durchgeführt werden. Es wird das Ziel gefasst, mit allen
internationalistischen StudentInnen
Kontakt aufzunehmen, diese Beziehungen zu vertiefen und diese an den
Arbeiten des Verbands teilhaben zu
lassen.
16. Jede Ortsgruppe veranstaltet zu
Beginn des Semesters, verstärkt bezogen auf die Erstsemester, eine Aktivität, mit der sie sich vorstellt. Sofern
noch nicht geschehen, melden sich
die Ortsgruppen als Hochschulgruppe
offiziell an. Die Ortsgruppen sind dafür
zuständig, neuen Studierenden kurdischer und anderer Nation/Herkunft
bei ihren studentischen und bürokratischen Anliegen behilflich zu sein.
17. Alle Ortsgruppen sollen sich
auf AStA-Wahlen vorbereiten, mit
Hochschulgruppen Kontakte knüpfen
und intensivieren sowie bei Möglichkeit
eigene KandidatInnen aufstellen.
18. Individuelle Beziehungen und
Kontakte innerhalb der Universität
sollen in Kontakte der Ortsgruppen
und der gesamten YXK umgewandelt
werden und somit offiziellen Charakter
erhalten.
19. Die Ortsgruppen sollten sich an
den ständigen Kommissionen des Verbandes orientieren. Sie sollten in ihren
Ortsgruppen Verantwortliche zu den
verschiedenen Schwerpunkten bestimmen, damit sich diese verstärkt den
speziellen Aufgabenbereichen der Ortsgruppen widmen können und die Kommissionen gegebenenfalls unterstützen.
20. Jede Ortsgruppe übernimmt
mindestens eine Aufgabe, die den ganzen Verband betrifft.
21. Jede Ortsgruppe kommt mit einem/r eigenen Vorstandskandidaten/in
zum Kongress.
22. Die OrtsgruppensprecherInnen
bilden gemeinsam mit der/dem RegionssprecherIn den Regionalvorstand.
Dieser trifft sich alle ein bis zwei Monate mit allen Mitgliedern der entsprechenden Region zum Regionaltreffen. Die Ortsgruppen bereiten sich
auf die Regionaltreffen vor und nehmen
aktiv an diesen Teil.
23. Die Mitglieder der Ortsgruppen
einer Region treffen sich neben den
Regionaltreffen alle ein bis zwei Monate zu einem Bildungstag. Alle Ortsgruppen bereiten sich auf diesen Bil16
dungstag vor und gestalten diesen
selbstständig.
24. Lese- und Bildungskreise werden
eingeführt.
25. Es wird eine Fördermitgliedschaft
eingerichtet. Die Fördermitglieder werden verstärkt in die Aktivitäten des
Verbandes eingebunden. Darüber hinaus
werden Aktivitäten für die Fördermitglieder veranstaltet. Der Mitgliedsbeitrag der Fördermitglieder liegt bei
mindestens 10,00 Euro im Monat,
kann aber auch freiwillig höher sein.
26. Die Öffentlichkeits-, Ronahîund die Übersetzungskomission werden
zu der Presse- und Informationskommission zusammengelegt.
27. Die Kurdischkurs-Kommission
wird zur Sprach- und Kulturkommission erweitert.
28. Die Planung des 17. YXK-Kongresses (siehe Anhang) wird angenommen und bis zum 18. YXK-Kongress umgesetzt.
B. Beschlüsse der YXK-Jin
1. Die YXK-Jin trifft sich als Frauen
der YXK zu autonomen Versammlungen
a) Regionaltreffen der YXK-Jin finden in den jeweiligen Regionen statt.
Alle Frauen einer Region treffen sich
regelmäßig zu einer gemeinsamen Sitzung, um den Austausch untereinander
zu ermöglichen.
b) Alle Frauen der YXK-Jin treffen
sich einmal vor dem YXK-Zwischenkongress sowie einmal vor dem YXKKongress zu einer Konferenz, um eigene Beschlüsse gemeinsam zu diskutieren und Projekte zu planen und
um die Kandidatinnen der YXK-Jin
für den Vorstand zu wählen.
2. Die YXK-Jin führt ihre eigene
Bildungsarbeit durch.
a) Die Vorstandsmitglieder der YXKJin kommen zeitnah, zum Kongress
RONAHÎ
zusammen, um sich für die zukünftige
Arbeit zu bilden.
b) Alle Frauen der YXK-Jin bilden
in ihren jeweiligen Ortsgruppen und
Städten Lesekreise, welche auf die
Regionen erweitert werden.
c) Jede Frau, die im Namen der
YXK-Jin an einer Bildungsveranstaltung, an einem Lesekreis etc. teilgenommen hat, wird die erlangte Bildung
an andere Frauen weitertragen.
3. Die YXK-Jin nimmt Frauen-spezifische Anlässe wahr und gestaltet
diese aktiv. Dies sind vor allem der 6.
Februar (Tag gegen Genitalverstümmelung), der 8. März (Frauen-Kampftag), der 4. April (An diesem Tag soll
die Gelegenheit genutzt werden, sich
den kurdischen Mütter unabhängig
des Systems der Kapitalistischen Moderne zu widmen.) und der 25. November (Kampftag gegen Gewalt an
Frauen).
4. Die YXK-Jin greift alle Kampagnen der kurdischen Frauenbewegung auf und trägt diese auf die universitäre Ebene. Alle Aktivitäten und
Veranstaltungen der Frauenbewegung
werden von der YXK-Jin begleitend
unterstützt und getragen. Dazu zählt
vor allem die Kraft und den Einsatz
der Friedens-Mütter und aller anderen
Frauen Kurdistans, wie der Diaspora
an die Öffentlichkeit zu bringen.
5. Die YXK-Jin vertritt sich durch
ihre eigenen Transparente und Flyer.
C. Beschlüsse zu den ständigen
Kommissionen
Zu den Kommission
1. Die Mitglieder der ständigen
Kommissionen werden vom 17. YXKKongress gewählt. Sie sollten sich auf
die Arbeiten der Kommissionen konzentrieren und nicht in zu vielen unterschiedlichen Bereichen Aufgaben
annehmen.
2. Die Kommissionen treffen sich
alle ein bis zwei Monate und üben
ihre Arbeiten eigenverantwortlich aus.
3. Jede Kommission wählt eine/ einen KommissionssprecherIn, die/ der
in regelmäßigem Kontakt zum Vorstand
steht und diesen schriftlich über die
Aktivitäten der jeweiligen Kommission
informiert.
Finanz-Kommission
1. Jede Ortsgruppe bildet eine Finanzkommission aus min. 2 Personen,
die Mitgliederbeiträge in der Höhe
von 25 ğ zu Beginn des Semesters
(innerhalb von 4 Wochen) einsammeln
und an die Zentralkasse übergeben.
2. Bei einem Betrag in der Ortsgruppenkasse ab 250,- Euro muss der
Überschuss an die Zentralkasse übergeben werden.
3. § 15 der Vereinssatzung muss
unbedingt beachtet werden und ihm
muss Folge geleistet werden. (dass
immer min. 2 Kassenwarte zur Unterstützung und Prüfung des Finanzvorstandes vorhanden sind)
4. Der Vorstand hat Sorge zu tragen,
dass bei großen Veranstaltungen Standplätze für den Verband vorhanden sind,
sowie die Ortsgruppen dafür verant17
wortlich sind, auf lokalen Veranstaltungen präsent zu sein.
5. Jede Ortsgruppe soll im Rahmen
der Möglichkeiten für ihre jeweiligen
Veranstaltungen finanzielle Unterstützung suchen und sich dementsprechend
selbstständig finanzieren (Beispiel:
ASten, Ausländerreferate, Kulturgelder
etc.)
6. Der Finanzbericht der Ortsgruppen
ist im Rahmen der Ortsgruppentreffen
an die Regionalverantwortlichen weiterzuleiten, die diesen dem Finanzvorstand weiterleiten. Der Finanzvorstand trägt diese Berichte zusammen
und leistet den Kassenwarten Rechenschaft.
7. Der Verband stellt nach Möglichkeit Anträge bei Stiftungen, Hilfsorganisationen, die dem Verband politisch oder ideologisch nahestehen.
8. Die Finanzkommission erarbeitet
einen Leitfaden, wie Finanzanträge
gestellt werden können.
Sprach- und Kulturkommission
1. Kontaktlisten von Kurdisch-LehrerInnen werden erstellt.
2. Die Kommission arbeitet mit der
YMK und YEK-KOM und dem Kurdischen Institut in Köln zusammen,
RONAHÎ
etwa bei dem Ziel „Anerkennung der
Ausbildung in kurdischer Sprache“.
3. Kommission steht in Rücksprache
mit den Ortsgruppen.
4. Erarbeitetes in Berichten festhalten
und archivieren, um bei Bedarf darauf
zurückgreifen zu können.
5. Das Projekt Kurdisch-LernenLehren wird fortgesetzt.
a) FreundInnen mit Kurdisch-Kenntnissen werden dazu animiert, an Ausbildungskursen teilzunehmen.
b) Selbstlerngruppen werden in allen
Ortsgruppen etabliert, falls keine professionelle Hilfe zur Verfügung steht.
c) Bescheinigung der Kurdisch-Kur-
se mit Zertifikaten. Allgemeine Anerkennung dieser Zertifikate ist Ziel der
YXK.
6. Die kurdischsprachigen Wochenendseminare werden fortsetzen.
7. Die Organisation von Kursen
und Veranstaltungen zur Förderung
der kurdischen Kultur werden unterstützt. Dazu zählen unter ande-rem das
Erlernen Instrumente zu spielen, Aneignung von Tänzen und Liedern, Praktizieren der kurdischen Sprache.
8. Kurdische Filmtage und das Halil
Uysal Filmfestival werden von der
Kommission unterstützt und in Zusammenarbeit mit Tev Cand werden
zentrale Arbeiten übernommen.
9. Die Vielfalt der kurdischen
Sprache mit ihren verschiedenen Dialekten und Mundarten wird erhalten
und gepflegt.
Presse- und
Informationskommission
1. Die Homepage des Verbandes
wird neu gestaltet.
a) Ortsgruppen, Kommissionen und
YXK-Jin erhalten eigenen Raum, den
sie füllen können.
b) Eine digitale Plattform für die
Veröffentlichung von wissenschaftlichen Texten, Präsentationen u.ä. wird
eingerichtet.
c) Die Sprachen der Homepage sollten Deutsch, Kurdisch, Englisch und
weitere mögliche Sprachen sein.
2. Die Accounts unter dem Namen
der YXK in sozialen Netzwerken
u.ä. werden der Medienkommission
übertragen.
3. Die Ronahî wird weiter zu einer
ideologischen Schrift entwickelt. Für
die YXK wichtige politische Schriften
werden durch wissenschaftliche Texte
18
und Beiträge der eigenen Mitglieder
und solidarischer AutorInnen ergänzt.
Um Arbeiten des Verbandes, der Kommissionen und YXK-Jin darzustellen
wird Raum gegeben. Hierzu ist der
gesamte Verband verantwortlich Beiträge zu produzieren.
4. Die Sprachen der Zeitschrift sind
Kurdisch und Deutsch.
5. Die Ronahî soll alle drei Monate
in angemessener Qualität erscheinen
und in größerer Stückzahl an immer
mehr Jugendliche und Studierende
im deutschsprachigen Raum gebracht
werden.
6. Die Notizen der Gespräche zwischen Rêber Apo und seinen AnwältInnen
werden ins Deutsche übersetzt.
7. Die Kommission knüpft ein Netzwerk zwischen den übersetzenden GenossInnen und koordiniert dieses gemeinsam mit dem Vorstand.
a) Bezüglich der schriftlichen Übersetzung von Nachrichten und Stellungsnahmen wird enger mit anderen
Institutionen (insbesondere ISKU) zusammengearbeitet.
b) Simultan-ÜbersetzerInnen werden
vermehrt ausgebildet.
Internationalismus-Kommission
1. Ziel und Aufgabe der Internationalismus-Kommission ist der Aufbau
von strategischen und taktischen Beziehungen zu nicht-kurdischen Organisationen.
a) Mit diesen Organisationen werden
Beziehungen geknüpft und kurz- und
langfristige Planungen aufgestellt und
Veranstaltungen organisiert (z.B.:
Camps, Konferenzen etc.).
b) Die Teilnahme an internationalen Veranstaltungen soll gewährleistet werden. (z.B.: 1. Mai, Weltfriedenstag etc.)
2. Die Internationalismus-Kommission organisiert Delegationen der YXK.
a) Vor dem Antritt der Delegation
RONAHÎ
soll das Ziel des Vorhabens bestimmt
werden. Die Planung für das dortige
Vorgehen, die zu vereinbarenden Termine und Zusammenkünfte müssen
vorher festgelegt werden. Ein detailliertes Programm wird vor der Reise
angefertigt.
b) Die TeilnehmerInnen der Delegationen werden zuvor sorgfältig ausgewählt (Kriterien: Sprachkenntnisse,
Fähigkeit der Vermittlung der eigenen
Organisation etc.)
c) Die TeilnehmerInnen werden vor
ihrer Reise gemeinsam an Vorbereitungsseminaren teilnehmen und z.B.
Informationen über dort anzutreffende
Organisationen und Persönlichkeiten
erarbeiten.
3. Die Kommission lädt andere Organisationen und Persönlichkeiten zu
den Veranstaltungen des YXK ein.
a) Die einzuladenden Organisationen
und Persönlichkeiten werden nach den
Kriterien ausgewählt, inwiefern sie für
den Verband und der Veranstaltung
von Vorteil sind.
b) Diesen werden vorab ausreichende Informationen über die Veranstaltung weitergeleitet und frühzeitig
für die Versorgung und Unterkunft gesorgt. Sie werden in das Programm
der Veranstaltung soweit möglich aufgenommen (z.B. durch Redebeiträge
etc.).
4. Die internationalen kurdischen
Veranstaltungen (z.B. das Amed-Camp
und die Kampagne Tatort Kurdistan)
werden unterstützt.
5. Die allgemeine Öffentlichkeit
wird über aktuelle Ereignisse in Kurdistan regelmäßig informiert.
Antirepressions-AG
1. Die Antirepressions-AG arbeitet
dahingehend, den Verband vor Repressionen zu schützen, indem sie in
den Verband hinein agiert.
2. Eine enge Zusammenarbeit mit
AZADÎ und der Roten Hilfe findet
statt.
3. In Fällen von Repression ist es
die Verpflichtung der Mitglieder dies
an die OrtsgruppensprecherInn
anzutragen. Die Antirepressions-AG steht
dem beratend zur Seite.
Bildungskommission
1. Ein Reader mit Bachelor-Arbeiten
und wissenschaftlichen Publikationen
der Mitglieder zu den Themen KurdInnen, Kurdistan und Kurdische Frage
wird erarbeitet. Ein Konzept für diesen
Reader wird am Zwischenkongress
vorgestellt.
SchülerInnenkommission
1. Die SchülerInnenkommission initiiert ein Mentoring-Projekt. Jede/ jeder
Studierende soll eine/ einen SchülerIn
ein Semester lang betreuen. Dabei
geht es darum, die SchülerInnen nicht
nur auf ihrem Werdegang in der Schule
zu betreuen, sondern auch auf sozialer,
kultureller und familiärer Ebene. Dieses
Projekt dient dazu den SchülerInnen
ihren Weg in Richtung Studium zu erleichtern.
2. Es wird das Projekt „SchülerInnen
helfen SchülerInnen“ gestartet.
19
a) In diesem Projekt sollen Schüler
einander bei Problemen beistehen, um
es präzise auszudrücken: „Schüler sollen sich gegenseitig fördern, indem
sie Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.“
b) Das Projekt wird von der SchülerInnenkommission betreut.
c) Das Projekt organisiert Infoständen
für SchülerInnen beispielsweise in den
Städten, um TeilnehmerInnen anzuziehen.
d) Das Projekt zielt auf die Förderung
der kurdischen Kultur in den Schulen
ab. Hierzu wird enger mit der Sprachund Kulturkommission zusammengearbeitet
e) Kurdische LehrerInnen werden
kontaktiert und in die Arbeiten einbezogen
f) An den Schulen wird Nachhilfe
angeboten, Räumlichkeiten der Schulen
werden genutzt. Diese Arbeit kann
auch mit Jugendhäusern durchgeführt
werden.
3. Zunächst werden die oben genannten Projekte in den Ortsgruppen
vorgestellt. Daraufhin setzen sich
die Ortsgruppen mit den Vereinen
in Verbindung, um die Projekte vorzustellen und diese gemeinsam ins
Leben rufen.
RONAHÎ
Bio-Macht
Deniz ÇEWLİK
“Im Bio-Machtgefüge
wird nicht mehr
lediglich der Arbeiter
oder geschweige denn
nur eine Minderheit
ausgebeutet. Das was
hier nun ausgenommen
wird ist das Leben selbst
als Ganzes.
Die Ausbeutung
geschieht nicht allein in
den Fabriken; es sind
nicht mehr
die Arbeitsstätten. Es
sind der Lebensstil und
die Bestrebungen nach
Freiheit; das alles wird
angegriffen.
Das gesellschaftliche
Leben ist nun nichts
Weiteres als zu einem
Objekt der Macht
degradiert”
Der Machtbegriff beschreibt einen
Ausdruck womit man sich oft auseinandergesetzt hat. Insbesondere in den hierarchischen Modellen der Gesellschaft
bzw. in den etatistischen Systemen ist
der Machteinfluss fast überall ausfindig
zu machen. In diesem Sinne ist ein Staat
ohne Macht auch nicht vorstellbar. Wenn
wir in diesem Rahmen von Macht sprechen, können wir Macht als etwas definieren, dass die rechtliche sowie die tatsächliche Autorität bzw. Gewalt beschreibt,
womit die Gesellschaft gelenkt werden
kann. Wenn wir Macht dagegen unverhüllt
verstehen wollen, ist es natürlich nicht
nur ein Instrument welches permanent
von staatlicher Seite verwendet wird.
Mit dieser Thematik hat sich insbesondere
der französische Denker Michelle Foucault
sehr beschäftigt und umfassende Thesen
dazu aufgearbeitet. Vor allen Dingen, da
aus unserer Perspektive die Demokratische
Moderne nonkonformistisch von Macht
gedeutet wird, ist es vielleicht von Bedeutung, Rolle und Wirkung der Macht
auf der Gesellschaft separat zu behandeln
und zu verstehen.
Eines der wichtigsten Studienthemen
Foucaults definiert seine Theorie über
Wissen bzw. Macht (connaissance / pouvoir). Der Begriff der Bio-Macht erklärt
ein Merkmal der These über Macht und
Wissen. Dieser Ausdruck regiert in den
entlegensten Bereichen des Lebens; es
infiltriert sich überall - ohne sich je be20
merkbar zu machen - und erfüllt all seine
Funktionen. Die Bio-Macht definiert eine
Machtform, die abweichend von Paradigmen der rechtlichen Souveränität, sich
in allen Lebensbereichen etabliert. Es
gestaltet das gesellschaftliche Leben, indem es dieses beobachtet, inhaltlich gestaltet und nach Belieben entsprechend
anpasst. Im Falle Bio-Macht dreht es
sich bei der Macht, um die Produktion
sowie Re-Produktion des Lebens. Im
Bio-Macht Prozess der Macht wird eigentlich die Herstellung sowie Wiederaufbereitung des gesellschaftlichen Lebens
gewährleistet. Im Bio-Machtgefüge wird
nicht mehr lediglich der Arbeiter oder
geschweige denn nur eine Minderheit
ausgebeutet. Das was hier nun ausgenommen wird ist das Leben selbst als
Ganzes. Die Ausbeutung geschieht nicht
allein in den Fabriken; es sind nicht mehr
die Arbeitsstätten. Es sind der Lebensstil
und die Bestrebungen nach Freiheit; das
alles wird angegriffen. Das gesellschaftliche Leben ist nun nichts Weiteres als
zu einem Objekt der Macht degradiert.
Auch wenn eines der wichtigsten Funktionen der Macht, die völlige Einkreisung
des Lebens beschreibt, besteht die wesentliche Aufgabe darin, das gesellschaftliche Leben zu dominieren. So ist die
Bio-Macht als ein Kontrollmechanismus
zu begreifen, das tief in das Bewusstsein
sowie in die Körper der Menschen eingreift, das bedeutet in alle sozialen Be-
RONAHÎ
ziehungen sowie Lebensweisen der Gesellschaft interveniert. Diese neue Macht
inkludiert nicht nur formale politische
Sphären, sondern wirklich das ganze
Leben; Armut und Reichtum; die gesellschaftliche Produktion; d.h. tatsächlich alle Bereiche. Das, was nach Foucault ein Machtverhältnis also definiert,
ist eine Handlungsweise, die auf das
Handeln anderer wirkt.
Foucault trifft auch eine Unterscheidung zwischen klassischer sowie moderner Macht. Er unterscheidet diese
Machtformen in Hinsicht auf ihre Art
und Weise wie sie im Angesicht von
Leben und Tod wirken. Mit der klassischen Macht definiert er eine unmittelbar
Gewalt ausübende Herrschaft, die ihre
Macht aus ihrer Autorität über Leben
und Tod zu entscheiden schöpft. Die
moderne Macht beschreibt Foucault
dagegen als indirekte Macht über Leben
- anstelle des Todes vielmehr eine Macht
die das gesellschaftliche Leben zu regulieren versucht ( M.Foucault, „Right
of Death and power over Life“, New
York 1984).
Da nun kein Zentrum für Macht und
Ausbeutung festgemacht werden kann,
ist Macht und Ausbeutung nun überall
zu orten. In der Kontrollgesellschaft;
der Disziplinar-/ Überwachungsgesellschaft wird das menschliche Individuum
anhand der repressiven Einrichtungen
(Schule, Militär, Krankenhaus, Haftanstalt) so geformt, dass es nach gewünschtem Profil, selbst als ein biopolitisches Machtgefüge funktioniert.
Am Beispiel der Schule kann Mensch
sich Macht folgendermaßen vor die
Augen führen: Dieses Machtverhältnis
in schulischen Einrichtungen verdeutlicht
am Modell "Fähigkeiten-Kommunikation-Macht" . Die Tätigkeit, soll hier
den Erwerb von Fähigkeiten sichern
und entfaltet sich sowohl durch geregelte
Kommunikation in den Unterrichtsstunden, in Form von Ermahnungen,
Fragen und Antworten als auch durch
diverse Machtverfahren wie die der
Belohnung und Bestrafung, der Abschließung, Überwachung und der Bildung von Hierarchienpyramiden (
M.Foucault, „Überwachen und Strafen:
Die Geburt des Gefängnisses“ ). Statt
das Individuum und die Gesellschaft
zu verschließen, wird mit anderen Worten die Gesellschaft in etwas versetzt,
in der es nach eigenen Freiheiten und
Wünschen zu kontrollieren bzw. zu
lenken ist. In der Überwachungsgesellschaft - wie auch Foucault hier betont bestehen zahlreiche Regelungsmechanismen und eine breite Palette an Instrumenten, in der die feinsten Details
der Gesellschaft überwacht werden können. D.h. man kann hier bereits von
Selbstregulierung sprechen. Macht legt
kodierte, bereits vordefinierte Wahlen
und Wünsche fest und bietet diese als
Kriterien der freien Persönlichkeit bzw.
als eine Subjektivität dar. In der Kontrollgesellschaft, werden alle Wünsche
des Individuums, mit der Aufnahme in
das System als Freiheiten geformt. Gerade dies - die Einbeziehung des externen
ins das Innere - beschreibt die mechanische Präsenz bzw. Eigenschaft des
bio- politischen Machtsystems.
21
Auch in puncto der Lebenserwartungsspanne der Bevölkerung, des Gesundheitszustandes etc. wirkt insbesondere Bio-Macht ein. Denn die Lebensdauer und die damit im Zusammenhang
stehenden sämtlichen Konditionen die darauf einwirken - werden schlussendlich durch eine eine Reihe von Interventionen realisiert und das ist nichts
anderes als die Bio-Politik der Bevölkerung. Die souveräne Macht, die einst
durch das Töten symbolisiert wurde,
wird jetzt durch exakte Kalkulationen
an der Population sowie der Kontrolle
bzw. des Managements am menschlichen Körper vollzogen. Auf diese Weise
entsteht eine Ära der Bio-Macht. Foucault argumentiert sogar, dass die BioMacht, eine wesentliches Element der
Entwicklung des Kapitalismus sei; da
der Kapitalismus versucht hätte die
Menschen in den wirtschaftlichen Produktionsprozess einzugliedern und andererseits versucht hätte die Populationszahlen je nach ökonomischem Stand
entsprechend anzupassen.
Gerade wenn wir hier den Terminus
Macht bzw. Herrschaft versuchen zu
beschreiben, sollten wir vielleicht an
erster Stelle auch auf den Gewaltbegriff
ein wenig eingehen. Da es an für sich
RONAHÎ
nicht einfach ist eine Unterscheidung
zwischen Herrschaft und Macht bzw.
Macht und Gewalt zu machen. Nach
dem Soziologen Max Weber ist Macht
eigentlich eine gerechtfertigte bzw. legitimierte und im Rahmen einer minimalen Einwilligung vollzogene Gewaltform. Die Gewalt ist demnach ein
untrennbarer Bestandteil von Macht.
Weber definiert Macht wie folgt: „Macht
bedeutet jede Chance, innerhalb einer
sozialen Beziehung den eigenen Willen
auch gegen Widerstreben durchzusetzen,
gleichviel worauf diese Chance beruht.“
( Max Weber, S.121, UTB, Berlin
2007). Um zum eigentlichen Thema
nochmal zurückzukommen, definiert
der Machtbegriff Foucaults einen der
am schwierigsten zu begreifenden Ausdrücke. Es erscheint hier beachtenswert,
dass er hier Macht nicht lediglich mit
dem Staat sowie den -staatsbildenden
Mechanismen in Verbindung setzt.
Denn wenn Mensch sich den Staat und
die diese Apparatur bzw. diesen Komplex zu errichtende Prozesse weglassen
oder nicht vorstellen würde, würde
sich die Herrschaft/ die Macht verhüllen. Das bedeutet, dass Macht von
der Gesellschaft bereits so verinnerlicht
wurde, dass nach Wunsch des Systems,
eine Selbstregulierung bereits eingetroffen hat.
Belagerung der Sexualität
Innerhalb Foucaults Theorie gesellschaftlicher Macht nimmt auch die
Sexualität eine zentrale Position ein.
In seinem Werk „Sexualität und Wahrheit“ macht er weiterhin folgende
Auslegungen zum Machtbegriff: Hier
unterscheidet er in vier Formen, inwieweit die Bio-Macht, d.h. BioPolitik auch auf der Sexualität einwirkt,
und zwar einerseits durch Ausgrenzungen, Ablehnungen, dem Verstecken
sowie des Maskieren. Das Machtver-
hältnis zur Sexualität sieht so aus,
dass es nichts weiter als eine Anweisung bzw. Untersagung für etwas hervorbringt. Ansonsten besteht kein einziger Nutzen daraus; denn entweder
schafft es Lücken oder einen Mangel;
es ignoriert, schafft Brüche und setzt
Grenzen. Grundlegend kann man sagen, dass Macht ein sogenanntes Sexualitätsgesetz diktiert. Es verhindert
zudem, dass Sexualität in einer verständlichen Form, in ein funktionales
System integriert bzw. aufgenommen
wird. Es wird anhand ihrer Beziehung
mit dem Gesetz enthüllt. Die Eroberung
von Sexualität wird anhand der Sprache, oder besser gesagt mittels des
Rechts vollzogen; denn Macht spricht
und das ist in der Regel Gesetz. Der
Verbotszyklus: Macht übt auf der Sexualität bloß ein Verbotsgesetz aus.
Denn Macht intendiert, dass Sexualität
sich selbst aufgibt. Ihr Werkzeug ist
es mit einer Strafe zu drohen; die
Strafe selbst ist jedoch die Auflösung
der Sexualität selbst. Andererseits versucht Mensch durch Macht, ein logisches Verständnis für die Zensur zu
entwickeln. Man bestätigt, dass es
nicht erlaubt sei, man verhindert den
Ausspruch, ja sogar die Existenz. Die
Logik der Macht über der Sexualität
besteht darin, die Nicht-Existenz, das
Schweigen über ein widersprüchliches
Gesetz zu bewahren.
Institutionalisierung
des Geständnisses
Eine weitere Methode der Macht,
ist die Institutionalisierung zur Bekenntnis. Das Bekenntnis zur Wahrheit
diente der Macht insbesondere dazu,
die Bevölkerung zu individualisieren.
Im Westen diente die Bekenntnis dazu,
das Wahre herauszubilden. So wurde
es in weite Gebiete getragen: wie zum
Rechtswesen, der Medizin, der Lehre,
22
den Beziehungen usw. Man bekannte
sich zu Straftaten, sprach seine Gedanken aus, seine Wünsche. Vor Institutionen und auch in spezielleren
Bereichen wurde auch ein Bekenntnis
gemacht: den Vätern, den Lehrenden,
den Ärzten gegenüber. Foucault behauptet hier, dass der Mensch im
Abendland so zu einem BekenntnisTier wurde - insbesondere auch durch
die Einwirkung der Dominanz der
Kirche.
Foucault beschreibt hier zwei Methoden zur Herstellung der Wahrheit
bzgl. der Sexualität - die in diesem Zusammenhang entstanden sind: a) Gesellschaften die eine sog. ars erotica
gebildet haben. Dazu zählen insbesondere Länder wie China, Japan, Indien
sowie einige arabische Länder. Diese
haben die Sexualität in erster Linie für
sich selbst behandelt; als Vergnügen,
b) Gesellschaften die eine sog. scientia
sexualist geschaffen haben; dies war
hauptsächlich die westliche Welt.
Ab dem 19.Jahrhundert wurden
in Bezug auf der Geschlechtlichkeit
ein besonderes Wissen sowie Machtvorrichtungen entwickelt - anhand:
a) der Hysterisierung des weiblichen
Körpers b) der Sozialisierung des
Fortpflanzungsverhaltens c) der Kinder- Sexualerziehung d) der Behandlung von psychologisch bedingten
Krankheiten.
Sexuelle Orientierungen und auch
demografische Indikatoren bilden eine
enge Beziehung zur Bio-Macht. Die
Sexualität wird im bio-machtpolitisichem
Kontext hier nur grob beschrieben, um
überhaupt ein Verständnis für diesen
Mechanismus herzustellen. Zusammengfasst kann jedoch argumentiert
werden, dass das kapitalistisch - sexistische Klassensystem auf der Gesellschaft eine Machtpolitik ausübt. Diese
Machtpolitik wird genau genommen
durch die Bio-Macht vollzogen.
RONAHÎ
Barzani oder Öcalan?
Zwei Konzepte der kurdischen Nationsbildung
Nick BRAUNS
“Eine Lösung der
kurdischen Frage muss
in allen Teilen
Kurdistans sowohl die
Aufhebung der
Kolonialherrschaft wie
eine Beseitigung der
feudal geprägten
sozioökonomischen
Strukturen beinhalten.
Einseitig auf nationale
Befreiung durch einen
eigenen Staat zielende
Konzepte sind ebenso
zum Scheitern verurteilt
wie Herangehensweisen,
die die koloniale
Unterdrückung
vernachlässigen und die
kurdische Frage alleine
als ein Problem
wirtschaftlicher
Unterentwicklung
darstellen”
Die kurdische Frage in ihrer heutigen
Form ist das Ergebnis der von den
Großmächten betriebenen Aufteilung
des Nahen- und Mittleren Ostens nach
dem Ersten Weltkrieg. Mehrfach schien
der kurdische Traum eines eigenen
Staates greifbar nahe zu sein. Doch
immer wieder mussten die Kurden die
Erfahrung machen, dass sie nur Spielfiguren auf dem Schachbrett der Großund Kolonialmächte sind. Die Briten
hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg
versucht, die Kurden aufzuwiegeln,
um so die ölreiche osmanische Provinz
Mosul kontrollieren zu können. Der
den Osmanen von den Alliierten diktierte
Friedensvertrag von Sèvres 1920 sah
aus diesem Grund einen eigenen kurdischen Staat vor. Doch nach dem türkischen Befreiungskrieg unter Mustafa
Kemals Führung, an dem sich auch
kurdische Stämme beteiligt hatten, fanden die Kurden auf der Friedenskonferenz von Lausanne 1923 keine Vertretung. Ihre Siedlungsgebiete wurden
auf die Staaten Türkei, Irak, Iran und
Syrien aufgeteilt. Mit der von Ölinteressen diktierten Grenzziehung wurde
ein bis heute ungelöster nationaler Widerspruch erzeugt, der vom Imperialismus immer wieder zur Einflussnahme
in der ganzen Region genutzt wird.
Die kemalistische Regierung der
Türkei begann bereits kurz nach Vertragsunterzeichnung mit der Zwangs23
assimilation nichttürkischer Minderheiten. Kurdischer Widerstand zur
Verteidigung traditioneller Autonomierechte wurde blutig niedergeworfen. Rund 1,5 Millionen Kurden wurden bis Ende der 30er Jahre aus ihren
Siedlungsgebieten deportiert oder ermordet. In der Entstehung der kurdischen Frage zeigte sich am deutlichsten
der unzulängliche Charakter der von
Mustafa Kemal geführten und auf
halben Weg abgebrochenen bürgerlichen Revolution der Türkei. So endete
das Modernisierungsprogramm des
kemalistischen Staates westlich des
Euphrat. Um das Emporkommen einer
konkurrierenden kurdischen Bourgeoisie zu verhindern, wurden die
kurdischen Gebiete von der Zentralregierung in Ankara in permanenter
wirtschaftlicher Unterentwicklung gehalten. Die Frage der Beseitigung
feudaler Beziehungen auf dem Lande
als erste und wichtigste Aufgabe jeder
bürgerlichen Revolution wurde von
den Kemalisten niemals ernsthaft angepackt. Großgrundbesitzer, Scheichs
und Sippenchefs repräsentierten so
in den kurdischen Landesteilen weiterhin die unantastbare ökonomische,
politische und religiöse Autorität. In
Gegenden, wo die feudalen Beziehungen stark waren, ist der Staat
fortan Bündnisse mit den Grundherren,
Clanführern und religiösen Würden-
RONAHÎ
trägern gegen das Volk eingegangen,
die dadurch zu einer Agentenklasse
wurden. Weil die bürgerliche "Demokratie" in der Türkei sich stets
auf die Bajonette der Armee stützte
und mit den Feudalherren arrangierte,
konnte sie bis heute weder ernsthafte
Schritte in Richtung wirklicher Demokratisierung unternehmen, noch
die kurdische Frage lösen.
Eine Lösung der kurdischen Frage
muss in allen Teilen Kurdistans sowohl die Aufhebung der Kolonialherrschaft wie eine Beseitigung der
feudal geprägten sozioökonomischen
Strukturen beinhalten. Einseitig auf
nationale Befreiung durch einen eigenen Staat zielende Konzepte sind
ebenso zum Scheitern verurteilt wie
Herangehensweisen, die die koloniale
Unterdrückung vernachlässigen und
die kurdische Frage alleine als ein
Problem wirtschaftlicher Unterentwicklung darstellen.
Nach den niedergeschlagenen kurdischen Aufständen in der Türkei
und dem Irak in den 20er und 30er
Jahren lassen sich zwei Wege der
kurdischen nationalen Befreiung erkennen. Die eine von der ostkurdi-
schen Republik Mahabad 1946 bis
zur heutigen Autonomieregion in
Südkurdistan reichende Linie, die
auf Befreiung durch einen Nationalstaat setzt, ist eng mit dem Namen
des Barzani-Clans verbunden. Die
andere Linie, die nicht eine staatliche
Form sondern den demokratischen
Inhalt in den Vordergrund stellt, wird
durch Abdullah Öcalan und die Arbeiterpartei Kurdistans PKK vertreten.
Von Mahabad nach Hewler
Die 1946 in der Stadt Mahabad
im Iran ausgerufene »Republik Kurdistan« gilt als Symbol kurdischer
Selbstbestimmung. Ihr Scheitern zeigt
zugleich das Dilemma des bis heute
mit dem Namen Barzani verbundenen
Konzeptes eines von den Stämmen
getragenen und von Großmachtinteressen gestützten kurdischen Nationalismus. Als während des Zweiten
Weltkrieges die verbündeten britischen
und sowjetischen Truppen in den Süden und Norden des Iran einrückten,
entstand ein Machvakuum um das
kurdische Gebiet um Mahabad. Um
den Einfluss der USA und Großbri24
tanniens zurückzudrängen, ermutigten
sowjetische Agenten den Demokratische Partei Kurdistans-Iran, den
Richter und religiösen Führer von
Mahabad Ghazi Mohammed zur Ausrufung einer kurdischen Republik.
Die Republik Kurdistan umfasste ungefähr ein Drittel des kurdischen
Siedlungsgebietes im Iran mit rund
einer Million Einwohnern. Doch ihr
reeller Einfluss blieb auf städtische
Zentren beschränkt, da viele strenggläubige Stammeskurden gegenüber
der unter dem Schutz der atheistischen
Sowjetunion gebildeten Republik Distanz wahrten. Innerhalb der anfangs
noch sozialreformerisch orientierten
Demokratische Partei KurdistansIran verhinderten neu hinzu gestoßene
feudale Großgrundbesitzer eine Bodenreform. Gestärkt wurden diese
konservativen Kräfte durch den mit
tausend Stammeskriegern und ihren
Familien vor irakischen Truppen in
den Iran geflohenen Partisanenführer
Mullah Mustafa Barzani, der zum
starken Mann von Mahabad wurde.
Da die zugesagte sowjetische Militärhilfe ausblieb, war die Republik
auf den Schutz der UdSSR angewiesen. Doch für die Sowjetdiplomatie
dienten die Kurden vor allem als
Druckmittel, um Ölkonzessionen im
Nordiran zu erlangen. Als die Rote
Armee vertragsgemäß im November
1946 aus dem Iran abzog, bedeutete
dies den Todesstoß für die kurdische
Republik. Wichtige Stammesführer
hatten zu diesem Zeitpunkt längst
aufgrund von Partikularinteressen ihren Frieden mit Teheran gemacht.
Am 16. Dezember 1946 marschierte
die iranische Armee kampflos in Mahabad ein. Ghazi Mohammed wurde
zusammen mit seinem Vetter Seif
und seinem Bruder Sadr im Morgengrauen des 31. März 1947 in Mahabad hingerichtet. Barzani floh mit
RONAHÎ
500 seiner Krieger ins sowjetische
Exil.
1974 hatte sich der Schwerpunkt
des kurdischen Freiheitskampfes in
den Irak verlagert. Schutzmacht des
Partisanenführers Mullah Mustafa
Barzani war nun die USA, die gemeinsam mit Israel über ihren engsten
Verbündeten Persien die Peschmerga
mit Waffen und logistischer Hilfe
versorgten. Doch auf dem Höhepunkt
der Kämpfe 1975 ließ US-Außenminister Henry Kissinger seine Schützlinge aus taktischen Gründen fallen,
als Persien im Abkommen von Algier
seine Grenzfragen mit Irak regelte.
Die USA ignorierten ihre im Geheimen gegenüber Barzani gegebenen
Versprechungen. Der Schah schloss
die Grenze und sperrte Barzanis
Kämpfern den Waffennachschub und
den Rückzugsraum. Die Peschmerga
erlitten ihre bisher größte Niederlage
gegen die irakische Armee. “Der
größte Fehler meines Lebens war es,
den USA zu vertrauen”, erklärte der
geschlagene Mullah Mustafa Barzani
auf seiner Flucht. Sein Sohn Massoud,
der nun die Demokratische Partei
Kurdistans weiterführte, scheint daraus
nichts gelernt zu haben. Im Anschluss
an die US-geführte Militärintervention
gegen den Irak 1991 ermutigte USPräsident George Bush Sen. die Kurden im Irak zum Volksaufstand. Innerhalb weniger Tage waren die kurdischen Gebiete von der Diktatur der
Baath-Partei befreit. Doch dann zogen
sich die USA zurück. Unter den
Augen der Weltöffentlichkeit schlugen
die Truppen Saddam Husseins den
kurdischen Aufstand nieder. Zwei
Millionen Kurden flohen in den Iran
und in die Türkei. Erneut waren die
Kurden ein Opfer ihres Vertrauens
in eine Großmacht geworden.
Nach dem Golfkrieg 2003, in dem
sich die Peschmerga der großen kur-
dischen Parteien KDP und PUK als
Bodentruppen der US-geführten Invasoren zur Verfügung stellten, wurden sie mit einer Autonomieregion
in drei kurdischen Provinzen unter
KDP-Führer Massoud Barzani als
Präsidenten und dem Posten des irakischen Staatspräsidenten für PUKFührer Jalal Talabani belohnt. Seitdem
weht zwar die kurdische Fahne im
Nordirak, es gibt ein kurdisches Parlament und leicht bewaffnete kurdische Peschmerga-Streitkräfte. Die
eher in Form von Stammeskonföderationen organisierten Parteien KDP
genständige wirtschaftliche Entwicklung eines unabhängigen kurdischen
Staates im Nordirak wäre. Umgeben
von Feinden ist die “Region Kurdistan” vollständig abhängig vom Schutz
und den Dollars der USA. Die Regionalregierung in Hewler ist hilflos
gegenüber den regelmäßigen Bombardierungen grenznaher Gebiete
durch die türkische und iranische Armee. Ein „freies Kurdistan“ existiert
in Südkurdistan so nur der äußeren
Form nach. Es wird sich zeigen, ob
sich die tragische Geschichte des
20.Jahrhunderts wiederholt und die
USA die Kurden als ihre bislang
engsten Verbündeten im Irak erneut
fallen lassen werden.
Von Ankara nach Amed
und PUK haben einen durch und
durch korrupten Polizeistaat errichtet.
Soziale Proteste werden gewaltsam
niedergeschlagen, in kurdischen Gefängnissen wird gefoltert und die
sich auf Abdullah Öcalan beziehende
„Partei für eine Demokratische Lösung Kurdistans“ PCDK wurde verboten. Die USA verhindern im Bündnis mit arabischen Parteien und der
türkischen Regierung zudem die
Durchführung eines von der irakischen
Verfassung vorgesehenen Referendums über einen möglichen Anschluss
der erdölreichen Region um Kirkuk
an das kurdische Autonomiegebiet
was eine Voraussetzung für eine ei25
Die Gründung der PKK im Jahr
1978 bedeutete einen Bruch mit den
bisherigen Konzepten, die Freiheit
der Kurden zu erlangen. Das zeigt
sich bereits an der Biographie eines
Großteils der Gründer der Partei. So
waren Abdullah Öcalan und seine
Genossen keine religiösen Würdenträger wie die Aufstandsführer der
20er und 30er Jahre Sheikh Said und
Seyid Riza oder der Präsident der
Republik Mahabad, Ghazi Mohammed. Sie waren keine Oberhäupter
bekannter und mächtiger Clans wie
die Barzanis, sondern junge Männer
und Frauen aus dem Volk, die ihre
Jugend meist auf dem Dorf verbracht
hatten und als erste in ihren Familien
zum Studium nach Ankara gingen.
Beeinflusst von den weltweiten antikolonialen Kämpfen ebenso wie von
der revolutionären Jugendbewegung
in der Türkei und deren Führern
Mahir Cayan und Deniz Gezmis versuchen Öcalan und seine Genossen,
das sozialistische Gedankengut auf
die kurdische Situation anzuwenden.
RONAHÎ
Aus der Niederlage Mollah Mustafa
Barzanis, der bis dahin auch von vielen Kurden in der Türkei als unangefochtener Führer gesehen wurde,
zog Öcalan die Lehre, dass sich ein
Befreiungskampf allein auf die eigene
Stärke verlassen müsse. Keinesfalls
dürfe sich eine Befreiungsbewegung
in ein Abhängigkeitsverhältnis von
einer der Großmächte bringen lassen.
Barzani war in Öcalans Augen das
typische Beispiel eines „primitiven“
Nationalisten, der sich auf rückständige feudale Stammesstrukturen stüt-
durch kurdische Feudalherren gleichermaßen. Im programmatischen
Manifest der PKK von 1978 liest
sich das wie folgt: „Die Formierung
der Feudal-Kompradoren-Schicht
während der Entwicklungsphase des
türkischen Kolonialismus in eine
Agentenstruktur, die Unmöglichkeit
der Entwicklung des nationalen Kapitalismus und die darauf folgende
Nichtentstehung einer national-bürgerlichen Klasse und die materielle
Abhängigkeit der städtischen Kleinbourgeoisie vom türkischen Kolo-
ze. Alle bisherigen kurdischen Aufstände seien gescheitert, weil sie
weder wirklich sozialistische noch
konsequente nationale Befreiungskämpfe waren.
Im Unterschied zum Barzani-Clan
setzt die PKK in ihrem fast 35 jährigen Widerstand nicht auf feudale
Würdenträger und Stammesloyalitäten, sondern mobilisiert arme Bauern, die Bewohner der städtischen
Elendsviertel und insbesondere die
Frauen gegen den türkischen Kolonialismus und die Unterdrückung
nialismus und von der Feudal-Kompradoren-Schicht lässt die ArbeiterBauern-Allianz als Hauptkraft übrig.“
Dazu kommen die Jugend und die
Intellektuellen sowie die städtische
Kleinbourgeoisie als Bündnisschichten. Ausgehend von dieser Klassenanalyse der kurdischen Gesellschaft
richteten sich die ersten Aktionen
der PKK Ende der 70er Jahre auch
nicht direkt gegen den türkischen
Staat, sondern gegen dessen kurdische
Agenten in Form von Großgrundbesitzern und Clanchefs. Erst im August
26
1984 begann der bewaffnete Kampf
gegen die türkischen Besatzungstruppen. Ein auf die armen Volksmassen gestützter Freiheitskampf
entwickelt eine ganz andere Dynamik
als die von Stammes- und Religionsführern geleiteten Kämpfe von
Stammesföderationen. Wo religiöse
Trennung zwischen Sunniten und
Aleviten und feudale Stammesgrenzen- und -feindschaften bislang einen
gemeinsamen Widerstand verhindert
hatten und oft genug zu Verrat aus
kurzsichtigen und egoistischen Motiven einzelner Stammesführer führten, gelang es der PKK, diese feudalen
Schranken in zunehmenden Maße
zu überwinden. Die Einheit der Volksmassen wurde um die Fahne des
kurdischen Patriotismus gebildet.
Bei ihrer Gründung 1978 trat die
PKK noch für ein aus vereinigtes
Kurdistan als eigenständigen Staat
ein. Dieses längst aufgegebene Ziel
war schon damals nicht primär separatistisch gemeint, sondern fügte sich
in eine antiimperialistische Strategie
zur Befreiung der Türkei und der
Nahostregion insgesamt ein. Im Gründungsmanifest der PKK von 1978
wird Kurdistan so als das schwächste
Glied der imperialistischen Kette im
Mittleren Osten und zugleich der zu
lösende „gordische Knoten“ in der
Region charakterisiert. „So, wie die
Revolution Vietnams unter Führung
des Proletariats eine Schlüsselrolle
für die Revolution Indochinas gespielt
hat, so wird auch die Revolution
Kurdistans unter unterschiedlichen
zeitlichen und örtlichen Voraussetzungen unter der Führung des Proletariats für die Volksrevolutionen des
Mittleren Ostens eine Schlüsselrolle
spielen.“
Die meisten türkischen sozialistischen Organisationen hatten ein Etappenkonzept vertreten. Demzufolge
RONAHÎ
müsse zuerst die Türkei vom Imperialismus befreit werden müsse, ehe das
Selbstbestimmungsrecht der Kurden
zu realisieren sei. Dagegen äußerte
PKK-Mitbegründer Kemal Pir, der
selber türkischer Herkunft war und
sich als Internationalist den Revolutionären Kurdistans um Öcalan angeschlossen hatte, die Überzeugung, dass
der Weg der Befreiung der Türkei über
die Freiheit des kurdischen Volkes
führen müsse. Dies entsprach dem
Diktum von Marx und Engels, wonach
ein „Volk, das andere unterdrückt, sich
nicht selbst emanzipieren“ könne.
Nachdem die PKK durch Serhildans
(Volksaufstände) Anfang der 90er Jahre
zur Massenbewegung auch in den
Städten geworden war, verkündete Abdullah Öcalan im März 1993 den ersten
großen Waffenstillstand. Dabei rückte
er vom bisherigen Maximalziel der
Unabhängigkeit ab. „Uns geht es nicht
unbedingt um eine sofortige Abtrennung
und Loslösung von der Türkei. Wir
sind dafür, auf der Basis gleichberechtigter politisch-militärischer Gleichheit in brüderlichen Beziehungen zusammenzuleben. Wenn dies durch eine
neue Verfassung gesichert würde, können wir unseren Kampf auf eine politische Ebene transformieren.“ An dieser
Linie der PKK, wonach das Ziel nicht
Unabhängigkeit um jeden Preis sondern
geschwisterliches Zusammenleben auf
gleicher Augenhöhe ist, hat sich bis
heute nichts geändert. Statt für einen
zwangsläufig von einer imperialistischen Schutzmacht abhängigen kurdischen Nationalstaat, der sich als Falle
für das kurdische Freiheitsstreben entpuppt, tritt die von der PKK geführte
Befreiungsbewegung heute für demokratische Autonomie durch rätedemokratische Selbstorganisation in allen
Teilen Kurdistans ohne Veränderung
der Staatsgrenzen ein. So könnte den
Großmächten die kurdische Karte aus
der Hand genommen werden, benennt
Öcalan eine solche Lösung der kurdischen Frage zugleich als Voraussetzung
für eine eigenständige demokratische
Entwicklung des Mittleren Ostens.
Nicht Bündnisse mit imperialistischen
Großmächten wie EU und USA, die
ihre eigene Agenda vertreten, sondern
das Bündnis der unterdrückten kurdischen Nation mit den Unterdrückten
der Unterdrückernationen - mit den
türkischen, iranischen, arabischen Werktätigen, Frauen und ethnischen und
religiösen Minderheiten - kann den
wirklichen demokratischen und sozialen
Wandel im Nahen Osten bringen. Notwendig ist für ein solches Bündnis
eine sozialistische Programmatik, die
das Selbstbestimmungsrecht der Kurden
und anderer unterdrückter Nationen
mit den sozialen Interessen der Werktätigen und der Souveränität der Völker
des Mittleren Ostens gegen imperialistische Einmischung verbindet.
Ihre heutige Stärke konnte die kurdische Bewegung in der Türkei durch
die zeitweilige Separation von einer
im Banne des Kemalismus gefangenen Linken in der Türkei erreichen.
Während die türkische Linke den
Schlägen der Putschjunta nach dem
12. September 1980 nicht standhalten
konnte, wuchs der Widerstand gegen
die Militärdiktatur in Kurdistan kontinuierlich an. Es gehört zur Dialektik
der Geschichte, dass die kurdische
Befreiungsbewegung, deren Wurzeln
in der türkische Linken der 60er und
70er Jahre liegen, heute zum Kraftreservoir dieser schwachen sozialistischen Linken geworden ist. Symbolisch dafür steht die Tatsache, dass
im Rahmen des aus der prokurdischen
Partei für Frieden und Demokratie
BDP und sozialistischen Organisationen gebildeten „Blocks für Arbeit,
Demokratie und Freiheit“ erstmals
seit den 60er Jahren wieder radikale
27
türkische Sozialisten ins Parlament
gewählt wurden. So bewahrheitet
sich Kemal Pirs Erkenntnis, dass die
Befreiung der Türkei von imperialistischer Dominanz und Kapitalherrschaft über die Befreiung Kurdistans
führt.
Abdullah Öcalan über zwei Wege
der kurdischen Nationsbildung
„Im Moment versuchen die Kurden
gerade mit zwei ineinander verschränkten Methoden gleichzeitig,
zu einer Nation zu werden. Die erste
Methode ist die der primitiv-nationalistischen, feudal-bourgeoisen kurdischen Oberschicht, welche vom
westlich-kapitalistischen System unterstützt wird und ihr Programm vorläufig im föderalen kurdischen Staat
im Irak konkretisiert. Die zweite ist
die Methode des werktätigen kurdischen Volkes, die auf der eigenen
Kraft beruht und bezweckt, zu einer
demokratischen und freiheitlichen
Nation zu werden. Während die erste
von reaktionären Interessen geleitet
wird und feudale, religiöse und Stammesbindungen benutzt, beruht die
zweite auf demokratischen und freiheitlichen Beziehungen, für die enge
Stammesgrenzen und feudale und religiöse Tendenzen keine Rolle spielen.
Während die Vertreter der ersten Methode hauptsächlich unter den Bedingungen der US-Besatzung in Irakisch-Kurdistan die Führung zu übernehmen versuchen, versucht die zweite, gestützt auf die eigene Kraft, einer
anderen Interpretation von Kurdistan
zum Durchbruch zu verhelfen – nicht
als Hemmschuh für die Demokratisierung der Türkei zu wirken, sondern
als ihr Antrieb.“
(Abdullah Öcalan: Jenseits von
Staat, Macht und Gewalt, Neuss 2010,
S.350)
RONAHÎ
Öko-Feminismus
Janet BİEHL
“Die vom kulturellen
Feminismus
beeinflussten
ökofeministischen
Autorinnen tendieren
ebenfalls dahin,
Frauen eine größere
"Nähe zur Natur"
zuzuschreiben als
Männern und ihre
wahre Natur als
ursprünglich
ökologischer als
die männliche zu
betrachten. Sie legen
uns nahe,
vom Neolithikum eine
Lebensweise
zu lernen,
die gleichzeitig
geschlechtsegalitär ist
und die Natur nicht
unterdrückt”
Der nordamerikanische Ökofeminismus entstand um 1974 am Institut für
Soziale Ökologie in Vermont als ein
Versuch, linke politische Theorie zu
verbreitern und dahingehend zu transformieren, dass sie beides: Feminismus
und Ökologie enthält. Wie die Soziale
Ökologie, von der er beeinflusst ist,
versprach auch der Ökofeminismus ursprünglich, die linke soziale und politische
Analyse so zu erweitern, dass sie das
Beziehungsgeflecht aller Herrschaftsstrukturen beinhaltet. Schon in der Sozialen Ökologie ist die Kritik der Hierarchie fundamentaler als es der Begriff
von der "Klasse" vermag. Im Ökofeminismus bestand nun die Möglichkeit,
Feminismus mit Anarchismus, libertärem
Sozialismus und sozialer Ökologie zu
verbinden. Und dies konkret, nicht idealistisch im philosophischen Sinn. Das
Ziel waren politische, nicht individuelle
Lösungen. Das Potential des Ökofeminismus umfasste mehr als das traditionell
"Linke".
Vierzehn Jahre später ist zu sagen,
dass dieses Potential nicht umgesetzt
wurde. Sobald er sich etabliert hatte,
wurde der Ökofeminismus vom "kulturellen Feminismus" vereinnahmt. Dabei
wurde das revolutionäre Potential völlig
neutralisiert. Weit davon entfernt, die
linke politische Theorie zu erweitern,
hat der Ökofeminismus stattdessen Frau
28
und Natur von der linken Theorie abstrahiert und sich damit selbst eingeschränkt. Der Versuch einer ernsthaften
Kritik des Kapitalismus und des Nationalstaats wurde aufgegeben und stattdessen die persönliche Veränderung betont, dabei sogar Göttinnen-Kult als
Quelle sozialer Veränderung angesehen.
Weit davon entfernt eine konkrete politische Analyse zu erstellen, bietet er
hauptsächlich seine Metaphern über eine
angenommene Beziehung zwischen Frau
und "Natur", und schreibt die Unterschiede zwischen Mann und Frau auf
der ganzen Linie fest. Allmählich setzte
sich der Ökofeminismus nicht nur von
allem Linken ab, sondern wurde sogar
reaktionär. Jedes revolutionäre Projekt
muss sich sowohl auf feministische wie
ökologische Belange beziehen, weil dieser doppelte Bezug im Ökofeminismus
angesprochen ist, muss er als politische
Bewegung rekonstruiert werden. Um
aber zu verstehen, wie es zum gegenwärtigen Zustand kam, müssen wir uns
kurz die Entwicklung der Ideen, die als
Ökofeminismus bekannt sind, vor Augen
führen.
Frau und Natur
Die Konvergenz zwischen feministischem und ökologischem Denken war
nicht willkürlich. Zu vielen (wenn auch
RONAHÎ
nicht allen) Zeiten in der westlichen
Kultur, und in vielen (wenn auch nicht
allen) nicht westlichen Kulturen wurden
den Frauen bestimmte Beziehungen
zur Natur zugesprochen, die Männer
nicht haben. Länger als ein Jahrzehnt
haben Ökofeministinnen verschiedene
Interpretationen der vagen und lockeren
Formulierung von "Frau und Natur"
oder "die Beherrschung der Frau und
die Beherrschung der Natur" vorgenommen. Insgesamt lassen sich ihre
Thesen drei grundsätzlichen Argumentationslinien zuordnen.
"Frau und Natur" als die "
Anderen"
Die erste Argumentationslinie war
die zweier Autorinnen, die den Ökofeminismus in seinen Anfangsjahren
stark beeinflusst haben, Mary Daly
und Susan Griffin. Sie betonten die
aus ihrer Sicht lebensbejahenden Beziehungen zwischen Frau und Natur,
dem "ursprünglichen Anderen" einer
durch und durch todverhafteten patriarchalischen westlichen Kultur. Mit
einer kulturellen feministischen Perspektive prangert Daly die "nekrophilen
Führer einer phallokratischen Gesellschaft" an, die "ihre Programme zur
geplanten Vergiftung allen Lebens auf
der Erde umsetzen" in "fanatischer
Gleichgültigkeit gegenüber der Zerstörung, die sie am 'Anderen' auslassen
- an den Frauen und an 'Mutter Natur'".
"Phallischer Mythos und Sprache erzeugen, legitimieren und verschleiern
die materielle Verseuchung" laut Daly,
"die alles empfindende Leben auf diesem Planeten auszulöschen droht." Sie
ruft die Frauen auf, einen "Sprung" zu
machen in die Leere des Bewusstseins
der Frauen von sich selbst, einen
"Sprung", wie Rachel Carson's "Silent
Spring", der in den Frauen selbst stattfindet, der "das Leben; die Existenz
möglich macht." In Griffin's poetischem
Werk "Woman and Nature "verkündet
ein "Chorgesang über Frau und Natur",
"wir wissen, dass wir von dieser Erde
sind. Wir wissen, dass diese Erde aus
unseren Körpern gemacht ist. Denn
wir sehen uns selbst. Und wir sind
Natur." Schließlich führte der einflussreiche Artikel der strukturellen Anthropologin Sherry Ortner "Verhält
sich das Weibliche zum Männlichen,
wie die Natur zur Kultur?" weiter aus,
dass es ein kulturelles Allgemeingut
sei, dass Frauen eine engere Beziehung
zur Natur haben als Männer; ihr Artikel
rechtfertigte damit den ökofeministischen Gebrauch der Metapher. Nur in
einer Griffin'schen Poesie oder einem
Daly'sehen Wortspiel konnte aber eine
Verbindung von Frauen und Natur im Kontrast zur als männlich angesehenen Kultur - vage als politische Terminologie aufgefasst werden. Denn
keine aufrechte Feministin würde die
gesamte Kultur dem Mann überlassen,
um Frauen mit der Natur identifizieren
zu können. Frauen haben deutlichen
Anteil an der Kultur; so ist es doch
gerade ein Merkmal, das die Menschen
29
von den Tieren unterscheidet, dass sie
kulturelle Wesen sind. Sie mit Natur
gleichzusetzen, würde nicht nur bedeuten, sie völlig außerhalb von Kultur
und Geschichte zu setzen, sondern sie
auch ihrer ureigenen Menschlichkeit
entäußern. Selbst Ortner warnte: "Die
ganze Vorstellung ist eher ein Konstrukt
der Kultur als ein Fakt der Natur. Die
Frau ist 'in Wirklichkeit' nicht näher
an der Natur als der Mann - beide besitzen Bewusstsein, beide sind sterblich."Die "Frau = Natur"-Metapher ist
daher eine Definition der parazentrischen Kulturen, mit der die Unterordnung der Frauen fortgeschrieben wird.
"Männliche" und "weibliche
Natur" - die Parallelisierung von
Frauen- und
Naturunterdrückung
Eine zweite Herangehensweise an
den Begriff von "Frau und Natur" umging diese Falle und definierte Frauen
als kulturelle Wesen. Autorinnen wie
Charlene Spretnak fanden und feierten
Kulturen, die nicht versuchten, die
Natur zu beherrschen, und möglicher-
RONAHÎ
weise matrizentrisch waren, besonders
solche, die dem Aufkommen staatlicher
Gesellschaften im Westen zeitlich vorausgingen, wie im Neolithikum. Die
Autorinnen sahen einen Zusammenhang zwischen der Naturbeherrschung
in den westlichen Kulturen und der
Unterdrückung matrizentrischer Kulturen. Kurz - Frauen und Natur blieben
das "Andere", wie auch schon bei
Daly und Griffin, nur dass diese "Andersartigkeit" eine kulturelle Form annahm. Diese gedankliche Richtung
wurde stark vom "kulturellen Feminismus" beeinflusst, der immer größeren
Einfluss gewann und einen enormen
Umschwung im feministischen Denken
auslöste, kurz nachdem der Ökofeminismus formuliert worden war (eine
Entwicklung, die sozialistische Feministinnen wie Alice Echols oder Hester
Eisenstein pointiert kritisiert haben).
Kulturelle Feministinnen, im Gegensatz
zu ihren Vorgängerinnen, den radikalen
Feministinnen, betrachten Frauen nicht
nur als biologisch vom Mann verschieden, sondern ordnen Frauen und
Männern auch unterschiedliche Wesensmerkmale, Werte, sogar kosmologische Bestimmungen zu. Die Begrifflichkeiten von "männlicher" und
"weiblicher Natur" erinnern kurioserweise an die Vorstellung von "Männlichkeit" und "Weiblichkeit" in vielen
patrizentrischen Kulturen, die radikale
Feministinnen stets vehement bekämpft
haben. Die vom kulturellen Feminismus beeinflussten ökofeministischen
Autorinnen tendieren ebenfalls dahin,
Frauen eine größere "Nähe zur Natur"
zuzuschreiben als Männern und ihre
wahre Natur als ursprünglich ökologischer als die männliche zu betrachten.
Sie legen uns nahe, vom Neolithikum
eine Lebensweise zu lernen, die gleichzeitig geschlechtsegalitär ist und die
Natur nicht unterdrückt. Als Beitrag
in Richtung auf eine ökologische Gesellschaft betrachten sie die Forcierung
"weiblicher" Werte in der gegenwärtigen Frau und Natur verachtenden
Kultur.
Möglicherweise gab es matrizentrische Kulturen, die der Entstehung
30
staatlicher Gesellschaften vorausgingen;
sicherlich bestanden diese auch nicht
auf der Basis einer naturbeherrschenden
Ideologie. Möglicherweise haben sich
noch heute viele Frauen Wesenszüge
wie Fürsorge und Anteilnahme bewahrt
- dies aber nicht nur aus biologischen
sondern ebenso aus historischen und
sozialen Gründen -, Wesenszüge, die
vielen Männern - aus sozialen Gründen
– abhanden gekommen sind (obwohl
Männer, als menschliche Wesen, ebenso
mit den Anlagen zur Fürsorge ausgestattet sind). Diese Unterschiede nun
aber einer ' "männlichen" oder "weiblichen Natur" zuzuschreiben, bedeutet,
die Möglichkeit auszuschließen, dass
auch Männer fürsorglich sein können.
Zudem wird damit den Frauen die
moralische Aufgabenstellung auferlegt,
die Gesellschaft vor der Zerstörung
zu "retten", die ihr Männer in der Vergangenheit antaten. Damit wird eine
unterdrückerische kulturelle Definition
nicht nur aufgegriffen sondern festgeschrieben. Dadurch, dass der Ökofeminismus Frauen dazu bringen will,
ihre eigenen Wesensmerkmale über
die der Männer zu stellen, gerät er
eher zu einer Anleitung zur individuellen Veränderung als zu einer gemeinschaftlichen politischen Kraft.
Auch ignoriert diese Betrachtungsweise
das Ausmaß der sozialen Ursächlichkeiten der "biologischen" Differenzen
zwischen den Geschlechtern. Indem
auf die Männer die Verantwortung für
Krieg und Hierarchie abgewälzt wird,
bleibt den Frauen nichts anderes übrig,
als sich ausschließlich "pazifistisch"
und egalitär zu verhalten. Durch die
Analogie von Frau und Natur, wenn
auch in ihrer kulturellen Form, wird
die ökologische Bedeutung der männlichen Domäne der Jagd ignoriert und
die nichtmenschliche Natur als durch
und durch "gütig" apostrophiert. Zudem
verfällt diese Hervorhebung des Neo-
RONAHÎ
lithikums und seiner Kulturen einem
Atavismus (wissenschaftlicher Begriff
für das unkritische Übertragen der
Wertigkeiten primitiver Kulturen auf
heute, F.K.) - als wäre seit dem Jahre
3000 v.Chr. nichts von besonderer Bedeutung für Frauen mehr geschehen.
Der Grad von Hierarchien in den Kulturen des Neolithikums wird ebenso
ignoriert wie deren spezielle Brutalität.
Ignoriert wird auch das Problem der
Individualität in Gemeinschaften, die
sich mittels Brauch und Tradition regeln, ebenso wie die Probleme einer
Kultur, die sich entlang biologischer
Linien von Alter und Geschlecht organisiert. Und weiter werden nicht nur
die Technologien ignoriert, die seit
damals viel von der Plackerei des
weiblichen Lebenszusammenhangs beseitigt haben, sondern auch die westliche revolutionäre Tradition, an der
auch Frauen teilhatten und die heute
ebenso im Besitz von Frauen wie Männern sein sollte. Zudem werden die
antikommunistischen Tendenzen des
kulturellen Feminismus in dieser ökofeministischen Diskussion durch Klagen
über die feindliche Einstellung der
Linken zur "Spiritualität" noch vertieft.
Schließlich brachten diese Autorinnen
die Verehrung einer "Göttin" in den
Ökofeminismus ein, als einer Metapher
für das Eindringen weiblicher Werte
in die Gesellschaft, eine bizarre Einführung des Übernatürlichen in eine
Bewegung, die ostentativ auf die Natur
bezogen sein will. Diese Richtung des
Ökofeminismus tendiert dahin, die
nicht rationalen menschlichen Fähigkeiten - Intuition und mythische Poesie
-, die für Aberglauben anfällig sind,
als wertvoller als die angeblich "männliche" Rationalität anzusehen und ruft
die Frauen auf, sie als emanzipatorische
Fähigkeiten wahrzunehmen.
Dabei werden kritische Fragen bezüglich des unterdrückerischen Wesens
von Religion und religiöser Hierarchien
vermieden, aus denen die Aufklärung
die Menschen befreite, indem sie sie
lehrte, die Realität mit den eigenen
Fähigkeiten zu begreifen, ohne den
Rekurs auf übernatürliche Fantasien.
Eine Tradition, in der Priesterinnen
einer Göttin die Gesellschaft regieren,
ist es aber ebenso wenig wert, wieder
eingeführt zu werden wie die Tradition
der Krieger der Bronzezeit.
Frau = Natur als Strategie
Die dritte und vielleicht am meisten
die Tatsachen verdrehende Herangehensweise an die Frage von Frau und
Natur vermeidet zwar den Biologismus
der zweiten (obwohl auch hier Atavismus und die Zuordnung von "männlich" und "weiblich" beibehalten werden), indem sie sich auf das soziale
Gefüge bezieht. Obwohl sie die Biologie weder fürchten noch verfluchen,
treten Ökofeministinnen wie Ynestra
King dafür ein, dass sich Feministinnen
bewusst des "Frau = Natur" zu strategischen Zwecken bedienen, im Endeffekt als eines Mythos, um den sich
ökofeministische politische Aktion organisiert.
Es bleibt aber zu fragen, ob ein patriarchalisches Konstrukt für die weibliche Emanzipation instrumentalisiert
werden kann. Das "Frau = Natur", ob
es sich nun biologisch oder sozial herleitet, hat für Frauen, die sich von kulturellen Definitionen zu befreien suchen,
eindeutig ein eher regressives Potential.
Für linke Frauen sollte es doch möglich
sein, sich ohne die beständige Last
des "Frau = Natur" für die Befreiung
sowohl von Frauen wie der Natur einzusetzen. Ich schlage den Feministinnen
in der Ökologiebewegung vor, diese
Deutung eines spezifischen mystischen
Zusammenhangs zwischen Frauen und
Natur beiseitezulegen und stattdessen
31
an das Beziehungsgeflecht zwischen
Frauen - wie auch Männern und dem
ganzen übrigen sozialen Gefüge - und
Natur ontologisch (ihrem Wesen gemäß,
F.K.) heranzugehen. Dabei müssen die
sozialen Realitäten all dieser Beziehungen berücksichtigt werden. So kann
das ursprüngliche Versprechen des
Ökofeminismus eingelöst werden, zur
linken Bewegung beizutragen, wie
auch sie zu vertiefen. Der Problemkreis
"Frau = Natur" ist indes nicht der einzige von Belang im Ökofeminismus.
Andere Fragen sind vielleicht noch
viel fundamentaler. Diese sind aber
nicht auf den Ökofeminismus beschränkt sondern begleiten die ganze
Entwicklung der feministischen Theorie
seit den späten 60er Jahren. Die Probleme des Ökofeminismus anzusprechen, schließt also ein, die Entwicklung
des Feminismus insgesamt zu begreifen.
Radikaler Feminismus
Um die Wurzeln eines wirklich linken ökologischen Feminismus aufzudecken, müssen wir die Entwicklung
des frühen radikalen Feminismus betrachten, um auf seinen Stärken aufzubauen wie auch seine Fehler zu vermeiden. Zu den Stärken des frühen
radikalen Feminismus: von den späten
60er Jahren bis 1974/75 entwickelte
er eine konkrete, materialistische, soziale feministische Analyse. Vor allem
wurde versucht, die soziale Institutionen
und Strukturen zu eruieren, welche
über Ideologie oder gesellschaftliche
Strukturen Frauen daran hinderten,
das ganze Potential ihrer Humanität
zu entfalten - wie z.B. Ehe, die Kleinfamilie, die romantische Liebe, sexuelle
Unterdrückung, Staat und Religion.
Würde ein neuer sozialer Ökofeminismus auf diesen Aspekten des frühen
radikalen Feminismus aufbauen, dann
könnte er sich konkretisieren und das
RONAHÎ
soziale Geflecht der
Herrschaft angehen und die Göttinen
wie auch die religiösen und vereinfachenden Zuordnungen von "männlicher" und "weiblicher Natur" den einfachen Gemütern überlassen.
Die Männer
Ein fundamentales und allgegenwärtiges Dilemma der Feministischen
Bewegung ist, dass versucht werden
muss, um die Frauen zu befreien, die
gesamte Gesellschaft zu verändern.
Denn Frauen können nicht frei sein,
bis nicht auch die ganze Gesellschaft
frei ist. Diese einfache Prämisse hat
ernsthafte theoretische Konsequenzen.
Es bedeutet nämlich, dass der Feminismus entweder auch den Männern
die Emanzipation bieten oder sich
stattdessen in eine übergreifende linke
Theorie integrieren muss. Besonders
für einen ökologischen Feminismus,
der sich mit dem Dasein insgesamt
befasst, ist es wichtig, sich mit der
Frage der Männer zu befassen, denn
die Männer sind nun mal Teil des
Ganzen der menschlichen Gesellschaft.
Genau an dieser Frage scheiterte schon
der frühe radikale Feminismus und
übertrug seine Prämissen auf das spätere
feministische Denken, den Ökofeminismus eingeschlossen. Von Anfang
an - das hat Ellen Willis (eine der
Gründerinnen der "Redstockings") brilliant dargelegt - stand der frühe radikale
Feminismus unter dem durch eigene
Umstände geschaffenen Druck, zu beweisen, dass der Feminismus eine universelle Theorie sein könnte. Der radikale Feminismus, der sich als Folge
unterdrückerischer Bedingungen in
der Neuen Linken entwickelte, beschuldigte die Männer der Neuen Linken des Sexismus. Die Männer schlugen zurück, der Feminismus sei eine
bürgerliche Ideologie. Nun mussten
die radikalen Feministinnen beweisen,
dass weit entfernt von jeder "Bürgerlichkeit" die Unterdrückung von Frauen
von fundamentalerer Tragweite ist als
die Klassenunterdrückung und dass
der Feminismus eine fundamentale
Theorie für die Befreiung aller - ob
Mann oder Frau - ist, die gründlicher
analysiert als jede andere linke politische Theorie. Um dem zu entsprechen,
griffen radikale Feministinnen die
Kritik der Hierarchie selbst auf (die
zunächst von den Sozialen Ökologie,
einer Art Ökoanarchismus entworfen
wurde), wonach die Hierarchie eine
grundsätzlichere soziale Gliederung
bedeutet als Klasse. Radikale Feministinnen behaupteten, dass die Herrschaft über Frauen die erste Form der
Hierarchie war und dass der erste Einschnitt in der menschlichen Gesellschaft
der zwischen Frauen und Männern
war, alle anderen Ausgliederungen erst
später kamen. Willis schreibt selbstkritisch: "Radikale Feministinnen entwickelten in diesem Spiel schon sehr
früh die These, dass die Unterdrückung
der Frauen nicht nur die älteste und
universellste, sondern auch die ursprünglichste Form der Herrschaft war.
Wir argumentierten, dass sich andere
Ausprägungen der Hierarchie auf der
Grundlage der männlichen Oberherrschaft entwickelte und dementsprechende Formen annahmen - im Ergebnis also spezielle Formen der männlichen Oberherrschaft waren." Des
weiteren behaupteten sie, dass die
männliche Oberherrschaft immer noch
die ursprünglichere Unterdrückung in
der gegenwärtigen Gesellschaft sei.
Dieses Ergebnis erlaubte dem radikalen
Feminismus - wie Willis feststellt sich selbst als universelle Theorie zu
betrachten, die letztendlich die existierende linke Theorie ersetzt. Wenn
die männliche Oberherrschaft die ursprüngliche Form der Unterdrückung
32
sei, dann würde die Befreiung der
Frauen auch die Befreiung der Männer
bedeuten. Wäre einmal der Sexismus
beseitigt, würden auch die anderen
Systeme der Herrschaft aufhören zu
existieren; würde die männliche Oberherrschaft niedergeworfen, so würde
der Kapitalismus unter seinem eigenen
sexistischen Gewicht zusammenbrechen. Diese Formulierung erlaubte
dem radikalen Feminismus sich selbst
als eine universelle emanzipatorische
Theorie zu präsentieren. Nun, tatsächlich verheißt die Befreiung der Frauen
von ihren sexuellen Rollen auch die
Befreiung der Männer von ihren entsprechenden Rollen, was exakt die
Emanzipation der Männer bedeuten
würde. Denn, abgesehen von den offensichtlichen Privilegien, die die Männerherrschaft den Männern verschafft,
fesseln die Geschlechterrollen Männer
an die Männlichkeit und hindern sie
daran, all ihre menschlichen Veranlagungen zu Liebe, Hilfsbereitschaft und
Vertrauen auch zu entwickeln und ihre
entsprechenden Emotionen auszuleben.
In diesem Sinne ist der Feminismus
tatsächlich für Männer befreiend. Auf
ähnliche Weise verspricht die Befreiung
von Schwulen und Lesben die Emanzipation aller von unterdrückerischen
sexuellen Normen - zwingen doch die
"Moral" und andere heterosexuelle
Implikationen die Menschen zu sexuellen Praktiken, die möglicherweise
nicht mit ihren Vorlieben übereinstimmen. Aber darüber hinaus sehen wir
uns nun mit einer Unmenge von Fragen
konfrontiert. Kann die Befreiung der
Männer aus ihren "Geschlechtsrollen"
sie - und die Frauen - auch von der
Herrschaft des Kapitalismus und des
Nationalstaats befreien? Kann der Feminismus die Befreiung der Männer und Frauen - aus allen Systemen der
Herrschaft versprechen? Sind Männer
Kapitalisten, weil sie Frauen hassen
RONAHÎ
und emotional unterdrückt sind? Und
wie kann eine solche psychologische
Erklärung nachgewiesen werden oder
sogar zur Hoffnung auf Veränderung
in der Zukunft Anlass geben? Außerdem sind die Männer nicht ein einheitliches Ganzes; Männer unterdrücken
ebenso Männer in deren Rollen. Falls
diese Formen der Unterdrückung aus
Frauenhass entstehen, wie kann es
dann sein, dass nicht alle Männer Kapitalisten und Dirigisten sind? Noch
bevor diese Fragen befriedigend zugeordnet werden konnten, hatte der
"kulturelle Feminismus" das Thema
bereits biologisiert und damit die Ansicht von der Herrschaft über die
Frauen als ursprünglicher Form der
Unterdrückung im feministischen Denken verankert. Der kulturelle Feminismus betrachtete die reine männliche
Gewalt - besonders Vergewaltigung –
als Brennpunkt der Herrschaft über
Frauen und damit aller Herrschaft.
Der Frauenhass an sich wurde zum
alles betreffenden Dreh- und Angelpunkt kultureller Feministinnen. Diskussionen über die Beziehungen zwischen männlicher Vormachtstellung
und anderen Formen der Herrschaft
versandeten in einem akademischen
sozialistischen. Feminismus. Obwohl
der Ökofeminismus nicht immer dermaßen biologisch geprägt war wie der
kulturelle Feminismus, übernahm er
doch die Voraussetzung, dass die Herrschaft über Frauen die ursprüngliche
Form der Unterdrückung sei und der
"Prototyp" aller anderen Herrschaftsformen. Ein Bestandteil ökofeministischen Denkens blieb die Annahme, es
sei eine universelle radikale Theorie,
dass alle Herrschaftssysteme in "patriarchalischen" Kulturen durch die
Infiltration mit weiblichen Werten umgekrempelt werden könnten. Über den
Problemkreis "Mann" wird in ökofeministischen Zirkeln nicht sonderlich
diskutiert. Frau vermeidet die Frage,
in dem darauf hingewiesen wird, die
Männer müssten das mit sich selbst
ausmachen. Wenn wir uns die Entwicklung ansehen, können wir nur
feststellen, dass die Wahrnehmung von
der Unterdrückung der Frauen als 'ursprünglicher' schwerwiegende Probleme aufwirft. "Diese Annahme", so
schreibt Willis, "beinhaltet, dass die
Männer nur aufgrund ihres MannSeins diese Systeme errichteten und
behaupteten, entsprechend einem besonderen männlichen Charakter oder
spezifisch männlicher vorrangiger Ziele." Wäre die Unterdrückung von Frauen der Prototyp aller Herrschaft, dann
folgte daraus, dass Männer zu Kapitalisten und Etatisten würden, um letztendlich die Frauen zu beherrschen.
Religiöse Priesterschaften, Kapitalismus, der Nationalstaat wären zweitrangige Auswüchse der ursprünglichen
Geschlechterhierarchie, um im Grunde
genommen über Umwege die Frauen
zu beherrschen. Für die radikale politische Theorie ergeben sich daraus
ernste Konsequenzen. Mit der Annahme
des Geschlechts als primärem Ansatzpunkt der Unterdrückung müssen sich
die Ökofeministinnen nicht
33
direkt mit der Bekämpfung von Kapitalismus oder Nationalstaat befassen
und haben keine Veranlassung, den
Ökofeminismus in eine linke politische
Theorie zu integrieren. Antikapitalismus
und Anarchismus werden als eigenständige Antworten auf die Unterdrückung vom ökofeministischen Ansatz
vernachlässigt. Die Theorie von der
"ursprünglichen Unterdrückung" begründet den Ökofeminismus also keineswegs als Theorie der universellen
Befreiung sondern ist die Ursache für
seine Isolation von den Linken.
Nun ist aber noch nicht einmal erwiesen, ob die Unterdrückung der
Frauen tatsächlich die erste Form der
Unterdrückung überhaupt war. Wie
die entwicklungsgeschichtliche Anthropologie gezeigt hat, geht in vielen
Fällen der männlichen Dominanz die
Gerontokratie (Herrschaft der Alten)
voraus. Ebenso wenig ist nachgewiesen, dass Männer ihre eigenen Geschlechtsgenossen zum Zweck der
Unterdrückung der Frauen unterdrücken. Tatsächlich dient diese Unterdrückung gewöhnlich ganz konkreten
Zielen, wie materiellem Besitz oder
ausgedehnterer staatlicher Macht.
Grob gesagt: Frauen und Natur sind
RONAHÎ
nicht die einzigen "Anderen". Für die
herrschenden Männercliquen sind sehr
oft Männer "die Anderen". Männer
sind nicht ein einheitliches Ganzes.
Die Herrschaft von Männern über
andere Männer geschieht aus eigenen,
besonderen Gründen und manifestiert
sich in Formen, die nicht unbedingt
die Unterdrückung der Frauen zum
Vorbild haben müssen, wie etwa industrielle und militärische Hierarchien.
Die darauf aufbauenden Herrschaftssysteme haben eigene "Geschichte,
Logik und Kampf", wie es Susan
Prentice formuliert. Nach Prentice,
einer Kritikerin des Ökofeminismus,
"macht der Ökofeminismus politische
und ökonomische Systeme zu einfachen Derivaten ("Auswüchse") männlichen Denkens, indem er den Ursprung der Herrschaft über Frauen
und Natur im männlichen Bewusstsein
ansiedelt." Und diese Sichtweise der
Unterdrückung der Frauen beraubt
andere Formen der Hierarchie ihrer
Eigengesetzlichkeit. Kapitalismus und
Etatismus sind jedoch eigenständige,
bewusste Unternehmungen. "Die innere Logik des Kapitalismus - beispielsweise seine Beziehungen und
wirksamen Kräfte von Produktion,
Warenverkehr, Fetischismus, Ausbeutung, Herrschaft, Entfremdung usw.
- macht die Ausbeutung der Natur zu
einer bewussten Angelegenheit des
Kapitalismus als eines weltweiten
Systems. Dabei handelt es sich nicht
um einen Fehler oder mangelndes
Bewusstsein, sondern gerade das Bewusstsein wird zu diesem besonderen
Zweck dirigiert und organisiert." Und dieser Zweck hat direkt kaum
etwas mit den Beziehungen zwischen
den Geschlechtern zu tun. Der Ökofeminismus muss die Lektion mancher
radikaler Feministinnen aus den frühen
70er Jahren studieren: dass die Vernachlässigung von Kapitalismus und
Etatismus in der feministischen Theorie den Feminismus 'nicht-revolutionär'
belässt. Willis arbeitet heraus, dass
liberale Frauen als Feministinnen
nicht radikalisiert wurden: "Sie sprangen einfach auf die Idee von der Frauenunterdrückung als primärer auf und
interpretierten sie dahingehend, dass
linke Politik "männlich" und daher
mit gutem Gewissen zu ignorieren
sei, statt dass der Feminismus auch
andere Kämpfe beinhalten und an ihnen teilnehmen müsse." Indem sie
Kapitalismus und Etatismus als sekundäre Probleme wahrnahmen, war
es Liberalen möglich, Feministinnen
zu werden. Dasselbe gilt für einen
Ökofeminismus, der sich von der Linken abgrenzte, wie radikal auch immer
seine Vertreterinnen ihre Theorien
entwarfen. Es wird höchste Zeit, dass
Ökofeministinnen die These von der
"Ursprünglichen Unterdrückung" revidieren und auf diese Weise die Diskussion über die Beziehungen zwischen dem Feminismus und der Linken
neu beleben. Es beeinträchtigt den
feministischen Kampf gegen den Frauenhass (Misogynie) ja in keinster
Weise, wenn Frauen sich klar machen,
dass dies nicht ihr einziger Kampf
ist. Vergewaltigung und andere Formen
der Gewalt gegen Frauen werden ja
nicht von der Misogynie allein verursacht sondern ebenso von anderen
Unterdrückungssystemen, von denen
die Männer selbst gegenseitig betroffen
sind. Auch wenn der Angriff auf die
männliche Überheblichkeit mehr als
notwendig bleibt, muss doch der Ökofeminismus seine Isolierung in selbstmitleidigen Phantasien über eine angeblich ursprüngliche Unterdrückung
überwinden und zu einer antikapitalistischen - und antistaatlichen - Position finden.
Die Analyse einer Bewegung über
Wesen und Ursachen von Unterdrü34
ckung schlägt sich auch in ihren Organisationsformen nieder. Weder eine
separatistische Frauenbewegung noch
das Verschmelzen von Frauenangelegenheiten mit einer männlichen
öko-anarchistischen oder -sozialistischen politischen Theorie entspricht
der Analyse des sozialen Ökofeminismus. Viel eher entspricht dem Verständnis des Beziehungsgeflechts
zwischen Misogynie und der Unterdrückung von Männern - und Frauen
- durch Männer die Integration einer
feministischen Bewegung und Analyse in "männliche" Bewegungen,
unter Beibehaltung ihrer spezifischen
Autonomie. In der Tat sind manche
Männer die Verbündeten von Frauen,
auch gegen andere Männer. Eine feministische "Ethik des Sorgens" ist
antithetisch zum männlichen Herrschen, aber auch solche traditionell
"männlichen" Begriffe wie Freiheit,
Individualität und der Kampf für soziale Gerechtigkeit. Ein Feminismus,
der nicht explizit antikapitalistisch
und antistaatlich ist, kann die Ursachen
der männlichen Vorherrschaft nicht
wirklich bekämpfen. Gleichzeitig
kann auch keine sozialistische oder
anarchistische Theorie wahrhaft links
sein, ohne Sexismus zu bekämpfen
und feministische Ziele zu unterstützen. Ökofeminismus muss in einer
übergreifenden linken politischen
Theorie begründet sein, die all die
sozialen Strukturen herausfordert, die
die Unterdrückung von Frauen beinhalten. Daher ist die Integration des
Feminismus in die linke Politik für
beide - Feminismus und linke Theorie
und Bewegungen - absolut zwingend.
Buch zu bestellen auf:
http://www.anarchia-versand.net/product_info.php/info/p874_Biehl--Janet-Der-soziale-Oekofeminismus.html
RONAHÎ
Die 19. Hüseyin Celebi
Literaturpreisveranstaltung
RONAHÎ
“In diesem Sinne
unterstrich Hevalê
Hüseyîn's Vater
die Bedeutung
der literarischen
Darbietung. Er ehrte in
diesem Sinne erneut
die Gefallenen
der Revolution und
machte daraufhin
deutlich, dass
die Jugendlichen die
revolutionäre
Bewegung umso mehr
aneignen sollten”
Die Preise der 19.Hüseyin Celebi
Literaturpreisveranstaltung haben
nach einer drei monatigen Vorbereitung dieses Jahr, während einer
ansehnlichen Nacht in Hamburg
ihre Besitzer gefunden. Die Darbietung startete mit Seminaren zur
Kurdischen Sprache sowie zum Thema Feminizid. Mamoste Sami, der
das Seminar zum Thema Sprache
leitete, hat das Kurdische aus etymologischer Perspektive behandelt
und den Ursprung der Sprache, dessen Form, Entwicklung sowie Geschichte erläutert. Im Anschluss
wurden im Seminar zum Feminizid,
der gesellschaftliche Sexismus, die
kurdische Befreiungsbewegung umfangreich ausgeführt; in diesem Rahmen wurde dessen Bedeutung und
Eigentschaft als gesellschaftsbefreiende Dynamik deutlich gemacht.
Anschließend begann das Hauptprogramm.
Die Veranstaltung wurde mit etwa
500 TeilnehmerInnen dieses Jahr in
Hamburg ausgetragen - genau genommen an der Universität Hamburg. Dass es in Hamburg stattgefunden hat, trägt eine vielleicht eine
besondere Bedeutung, da wie bekannt wurde, wenige Tage zuvor,
35
türkische Faschisten das Rektorat
der dortigen Hochschule gedroht
haben, um die Veranstaltung annulliert wird. Mit dem Einschreiten
der YXK und den anschließend geführten Gesprächen mit dem Rektorat, konnte dies jedoch erfolgreich
verhindert werden.
Die Ausführung begann mit einer
Hommage und nachfolgend mit
einer Rede der beiden Freunde Naze
sowie Metin. Die YXK Sprecher
haben hierbei zusammenfassend Bezug zu den aktuellen Geschehnissen
in Kurdistan genommen sowie die
Wichtigkeit des hinterlassenen Erbes
Heval Hüseyin Celebi's betont.
Einige Sprecher, die insbesondere
auf die in der letzten Phase geführten
Attacken durch das AKP Kabinett
und der türkischen Streitkräfte aufmerksam machten - v.a. auf die Tötung von 24 Widerstandskämpfern
mittels Chemiewaffen - pointierten
insbesondere, dass diese Angriffe wie zu den Gründungszeiten der
YXK - Vorboten eines umfangreichen sowie schmutzigen Krieges
darstellen würden. Es wurde sodann
betont, dass die Studierenden große
Verantwortungen aufnehmen sollten.
RONAHÎ
nicht so weitergeführt werden könne.
Er unterstrich darum, dass man als
studentische Jugend, die eigene
Kultur, die Sprache sowie die eigenen Institutionen noch mehr als
sonst aneignen und verteidigen müsse.
In diesem Sinne unterstrich Hevalê
Hüseyîn's Vater die Bedeutung der
literarischen Darbietung. Er ehrte
in diesem Sinne erneut die Gefallenen der Revolution und machte
daraufhin deutlich, dass die Jugendlichen die revolutionäre Bewegung
umso mehr aneignen sollten.
Gleich nach seiner Rede wurden
die Literaturpreise verteilt. Da zahlreiche der literarischen Arbeiten
von Revolutionsgefangenen aus den
türkischen Haftanstalten stammten,
konnten diese ihre Preise auch dieses
Jahr nicht persönlich entgegennehmen.
Die SprecherInnen der YXK unterstrichen, dass auch Heval Hüseyin
Celebi während einer solchen Phase
sich entfaltetet und seinen NachfolgerInnen ein wertvolles Erbe zurückgelassen hätte und die Literaturveranstaltung auch in diesem
Rahmen aufgefasst werden müsse.
Die SprecherInnen machten auch
darauf aufmerksam,
dass die literarische
Darbietung Empfindungen hinsichtlich dem
Menschsein, dem Leben, der Revolution,
seit Jahren an die ZuhörerInnen nahe gebracht hätte und dies
auch weiterhin tun werde. Im Anschluss daran
trat Hevalê Zîlan die
Bühne an und faszinierte das Publikum mit ihrer einmaligen Stimme
und ihrem Gitarren.
Später kam Hevalê Hüseyîn's Vater
Onkel Rifat zu Wort und teilte mit
den Anwesenden seine Gefühle und
Gedanken. Er machte dabei v.a. darauf aufmerksam, dass bei der Jugend heute qualitativ als auch quantitativ betrachtet, der Revolution
gegenüber eine Entfremdung eingeschlichen hätte und diese Situation
Werke die es in die Bewertung
geschafft haben:
Kurdische Gedichte;
1Rawîn Stêrk = Neçûn hatî
me
2- Ömer Faruk Baran=Bîrêmjar
3- Leyla Saraç = Yadê
Türkische Gedichte:
1- Resit Balıkkaya- Bizim maceralarımız
2-Resit Balıkkaya- Asılmışlar mavisi
3- Cengiz Sinan Halis Celik- Anzela
Gedicht auf Kurdisch-Dimilkî:
1- Cengiz Sinan Halis Celik ( Ari)Harran
Kurdische Erzählungen:
1- Erol Saybak -Jibirnakirin
2- Sexo Filik -Destan
36
RONAHÎ
3Adar Berdil- Mirina Xwedayeki
Türkische Erzählungen:
1- Muharrem Ender Öndes- Karsilasma
2- Zeynep Parıltı- Taksim altı
3- Bulutların ardında
Die Preise sind noch beim Vorbereitungskomitee verblieben und werden in kürzester Zeit an die Besitzer
weitergeleitet.
lution in Kurdistan und betonte mit
Nachdruck die Bedeutung von Veranstaltungen wie dieser.
Als letzter Sänger nahm Xelîl Xemgîn Platz auf der Bühne. Das Vorbereitungskomitee erwähnte, dass
sich einige Komplikationen beim
Empfang der Werke aus Kurdistan
ergeben haben. Einige literarische
Arbeiten sollen sogar ohne ihre
Empfänger erreicht zu haben, wie-
Anschließend betrat Koma Hîvron
die Bühne und verzauberte das Publikum mit ihrem authentischen
Gesang. Hiernach kam der BDP
Abgeordnete aus Hakkari, Hamit
Geylani zu Wort und bewertete den
laufenden schmutzigen Krieg. Nachher laß Geylani aus seinem eigenen
Werk Gedichte vor. Er unterstrich
die Wichtigkeit der Kultur, der Literatur, der Sprache für die Revo37
der an die Adressaten zurückgeschickt worden sein. Dies lässt darauf schließen, dass die türkische
Post mit größter Wahrscheinlichkeit
die Sendung teils wissentlich blockiert hat. Im kommenden Jahr
wird versucht, dies mit diversen
Methoden zu umgehen.
YXK Hüseyin Celebi Vorbereitungskomitee
RONAHÎ
Ökologie
Abdullah ÖCALAN
“Ökologie ist nicht nur
Ökonomie. Es ist eine
Geisteshaltung, die
Rückkehr zu einem
verlorenen
Naturverständnis von
Lebendigkeit und
Heiligkeit. Ein Leben
ohne das Bewusstsein
von einer Natur, die
quicklebendig ist, mit
uns spricht, mit uns lebt
und durch die wir
leben, ein Leben als auf
einem Boden, der
schwarz wie der Tod ist
und alle Heiligkeit
eingebüßt hat, ist kaum
lebenswert”
Die Geschichte der Mittleren Ostens
ist auch die Geschichte des Todes der
Ökologie. Seit die Klassengesellschaft
die Zivilisation von der Natur entfremdet hat, werden die bleibenden
Umweltzerstörungen immer größer.
Nahezu alle Wälder und Böden, die
einst die fruchtbaren Lebensadern der
Menschheit waren, sind zur Wüste geworden. Diese Gegenden waren es,
deren Pflanzen und Tiere einst der Zivilisation den Weg bereiteten. Als der
Mensch seinesgleichen in die Knechtschaft zwang, legte er auch das gnadenlose Beil der Zerstörung an die
Natur. Er verwandelte Landstriche, die
den Traum Paradies geschaffen hatten,
in Wüsten. Als der Wald verschwunden
war, blieb kein Boden. Als der Boden
verschwunden war, blieben keine Pflanzen, Tiere und Menschen. Sie blieben
hungrig, sie blieben durstig, sie blieben
nicht. Schließlich wurden die reichsten
Böden zu den Ärmsten, von denen
man weiterwanderte. Einst waren aus
allen vier Himmelsrichtungen Menschen auf dieses Stück Erde geströmt.
Es wurde zu einem Boden, von dem
man flieht, zu Steppe und Wüste. Wie
die Geschichte der Frau ist auch die
Geschichte der Ökologie im Mittleren
Osten noch eine ungeschriebene. So,
wie man die Geschichte der Frau kennen muss, um zur freien Frau zu werden, muss man auch die Geschichte
38
der Ökologie kennen, wenn man eine
ökologische Gesellschaft will.
Eine Bewegung für Demokratie und
die Befreiung der Geschlechter wäre
nichts anderes als der patriarchale Rest
der Welt, wenn sie sich nicht zumindest
auf eine große Bewegung für die Wiederaufforstung und den Schutz des Bodens vor Erosion gründete. Eine Ökologiebewegung gehört zu den unverzichtbaren Bestandteilen der neuen
Gesellschaft, die wir errichten wollen.
Ökologie ist nicht nur Ökonomie. Es
ist eine Geisteshaltung, die Rückkehr
zu einem verlorenen Naturverständnis
von Lebendigkeit und Heiligkeit. Ein
Leben ohne das Bewusstsein von einer
Natur, die quicklebendig ist, mit uns
spricht, mit uns lebt und durch die wir
leben, ein Leben als auf einem Boden,
der schwarz wie der Tod ist und alle
Heiligkeit eingebüßt hat, ist kaum lebenswert. Umweltbewusstsein darf sich
nicht nur auf schmutziges Wasser oder
verdreckte Luft beziehen. Es bedeutet
eine demokratische und sozialistische
Gesellschaft, beides hängt eng miteinander zusammen. Es bedeutet Respekt
vor der Kette der Evolution, die auch
den Menschen hervorgebracht hat.
Die natürliche Gesellschaft, die die
Urgesellschaft spontan hervorgebracht
hat, können wir heute mit Hilfe von
Wissenschaft und Technologie bewusster erschaffen. Vielleicht mögen die
RONAHÎ
ökologischen Probleme gegen die
blutigen Konflikte des Mittleren Ostens wie Belanglosigkeiten erscheinen,
für die sich nur Träumer interessieren.
Aber wir dürfen nicht vergessen, dass
es zu Blutvergießen, Hunger und Arbeitslosigkeit durch Verrat an der
Ökologie gekommen ist. So wie es
ohne Heilkunde keine angemessene
Behandlung geben kann, so kann es
auch keine gesunde Gesellschaft geben, die nicht auf Ökologie beruht,
also auch keine demokratische Gesellschaft ohne die Befreiung der Geschlechter.
Der Mittlere Osten und mit ihm
alle seine Völker stehen am Scheideweg. Die USA als Hegemonialmacht mit Tendenz zum Imperium
sind weit davon entfernt, Lösungen
vorzulegen. Es wäre aber auch unrealistisch, dagegen die Schaffung
neuer Vietnams zu proklamieren. Es
wird auch kein Land das wiederholen,
was die Türkei in den zwanziger Jahren getan hat. Ein wichtiger Grund
dafür ist das Fehlen eines Gegengewichts wie der Sowjetunion. Noch
wichtiger
ist aller-
dings, dass der Imperialismus nicht mehr derselbe ist und
deshalb auch ein nationaler Befreiungskampf nach Art der Türkei, oder
wie in Vietnam, nicht in Frage kommt.
Jeder historische Abschnitt hat seine
eigene Bedingungen und Ziele, daher
unterscheiden sich auch die Organisation und die Kämpfe. Das sinnvollste Verhalten gegenüber den USA
und ihren Partnern ist heute, dass
sich aller freiheitsliebenden Kräfte
der Gesellschaft mit einem stimmigen,
umsetzbaren Programm für Demokratie, Freiheit und Ökologie in umfassenden Netzwerken organisatorisch
verbinden und zur Tat schreiten. So wird der Kampf
vielleicht weniger blutig,
aber sehr bewusst und
effektiv geführt werden.
Wir können das
wenn nötig mit
Kompromissen
unter Wahrung von
Prinzipien oder
aber, wo das
nicht möglich
ist, gestützt auf die eigene
Demokratie und die eigenen
Verteidigungskräfte in
Dörfern, Städten,
Bergen
u n d
Wüsten
verwirklichen.
Völker, die sich nicht
demokratisieren, haben keine Erfolgschance. Sie werden sehen, dass
sich jedes gesellschaftliche Ziel erreichen lässt, wenn man sich mit
Kongressen, die den allgemeinen
Willen der Völker vertreten, und allen
Arten von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Kooperativen und kom39
munalen Arbeitsgruppen
an die Arbeit
macht.
Auf
diese
We i s e
werden in
diesem neuen
historischen Abschnitt die Völker des
Mittleren Ostens aufstehen.
Deshalb werden
sie nicht nur die
alten und ähnlichen neuen
Pläne des Imperialismus vereiteln, sondern können
durch sinnvolle, prinzipientreue Kompromisse sogar zum Vorbild
für eine friedliche Demokratisierung werden. Solch ein
Aufstehen wäre den historischen Zivilisationen würdig.
Nun mag man fragen, welche Rolle
für die Revolutionäre bleibt. Vor
allem müssen sie sich mit den skizzierten sozialwissenschaftlichen Tatsachen vertraut machen. Wenn man
Revolutionen oder soziale Umwälzungen ohne sozialwissenschaftlichen
Hintergrund betreibt, können sich
unbemerkt Verbrechen und Verrat
einschleichen. Wir können das nur
verhindern, indem wir die Sozial-
RONAHÎ
wissenschaften den Kräften des
Macht-Wissen-Komplexes aus der
Hand nehmen und sie neu gestalten.
Wir müssen unsere eigenen sozialwissenschaftlichen Schulen und Akademien errichten. Die Geisteshaltung
hinter unserer Politik muss auf Sozialwissenschaft fußen. Vielleicht noch
wichtiger: Wir müssen der gesellschaftlichen Moral zum Vorgang verhelfen. Richtige moralische Politik
bedeutet Anspruch, Überzeugung und
Geduld, den abgesteckten Weg bis
zum Ende zu gehen. Es bedeutet,
nicht umzukehren, keinen Verrat zu
üben und keine Ausflüchte zu suchen.
Eine Geisteshaltung, in der Moral
und Wissenschaft zu einer Synthese
finden, bedeutet, sich unserer Welt
stündlich neu anzupassen und stets
bewusst zu leben. Wir werden also
sehen, dass wenn sich Wissenschaft,
politischer Verstand und Moral die
Hand reichen, jeder Dienst an der
Menschheit und insbesondere an den
Völkern unserer Region als ihrem
untrennbaren Bestandteil möglich
wird, dass es keinen gesellschaftlichen
Kampf gibt, der uns mehr als je
zuvor, Politik in diesem Bewusstsein
zu betreiben, um die gewünschten
gesellschaftlichen Veränderungen herbeizuführen.
Wir können die Optionen der Völker des Mittleren Ostens in der Zeit
des Übergangs zur demokratischen
Zivilisation in drei Punkten zusammenfassen. Die erste Möglichkeit ist
die Fortsetzung des Status quo ohne
Veränderung. Das System, welches
von den Kräfteverhältnissen des 20.
Jahrhunderts profitierte, ist jedoch
am Ende. Mit dem Zerfall des Realsozialismus verschärfte sich zum
einen die Krise, zum anderen entstand
die heutige, überwiegend unipolare
Situation. Oben wurde beschrieben,
wie das Imperium des Chaos unter
US-Hegemonie versucht, die Krise
zu meistern. Gleichzeitig findet die
dritte große Offensive der kapitalistischen Globalisierung statt. Dem gigantischen Überangebot an Waren,
der durch die revolutionären Ent-
40
wicklungen in Wissenschaft und Technik zustande kommt, stehen die besitzlosen Massen gegenüber. Die Globalisierung kann nicht ans Ziel kommen, ohne diesen Widerspruch zu
lösen. Die konservativen Strukturen
der Nationalstaaten gelten dabei als
Haupthindernis und sollen zunehmend
zugunsten von Individualisierung,
Liberalisierung und Demokratisierung
überwunden werden.
Diese Entwicklung birgt für die
breite Bevölkerung sowohl positive
als auch negative Aspekte. Demokratische Aufbrüche und Bewegungen
werden dadurch beschleunigt. Die
Bewahrung des Status quo wird zunehmend unmöglich, da einerseits
die Hegemonialmacht, andererseits
Volksbewegungen von unten seine
Abschaffung fordern. Die konservativen Kräfte werden sich immer
weiter isolieren, wenn sie jegliche
Problemlösung behindern und ansonsten versuchen, kleine Retuschen
vorzunehmen, sobald sie in Bedrängnis geraten, und sich durch gelegentliche Provokationen auf den Beinen halten. Hinter ihnen stehen nicht
mehr wie einst die USA oder die
Sowjetunion, und so versuchen sie
Zeit zu gewinnen, indem sie auf der
Stelle treten. Gleichzeitig werden sie
dabei immer aggressiver.
Es scheint auch, dass sie nicht
mehr wie früher mit pseudolinker
oder –rechter Demagogie zum Erfolg
kommen können. Die Kontrolle von
Staat und Gesellschaft durch Faschismus oder Totalitarismus erfreut sich
nicht mehr der gleichen Unterstützung
wie ehedem. Da also der nationalstaatliche Status quo immer mehr die
Unterstützung des Volkes verliert und
sich auflöst, die Oberschicht sich in
die neuen Hegemonialstrukturen integriert und die Volksmassen an der
Basis nach einem demokratischen
RONAHÎ
System streben, scheidet diese erste
Option aus.
Selbst wenn dieser Prozess, den
wir im Mittleren Osten tagtäglich
erleben, nicht völlig zu einer Lösung
führt, kann er dazu beitragen, dass
die besagten Kräfte aufhören, Hindernisse darzustellen. Insbesondere
die arabischen Staaten, allen voran
Ägypten, sowie Pakistan, die Türkei
und der Iran schwanken zwischen
dem Status quo und der Veränderung.
Sie sehen sich nicht in der Lage,
klare Entscheidungen für die vor
uns liegende Zeit zu treffen. Jedoch
spricht einiges dafür, dass sie unter
dem Einfluss des Greater Middle
East Project von oben und des Projekts einer demokratischen, geschlechterbefreiten und ökologischen
Gesellschaft des Volkes von unten
in einen Prozess der Veränderung
eintreten werden.
Die zweite Option ist die eher
pragmatische einer begrenzten Demokratie. Die Zeiten, in denen der
Imperialismus einseitig eine Ordnung
nach seinem Willen errichtete, sind
vorbei. Es ist unwahrscheinlich, dass
die USA als neue Hegemonialmacht
in ähnlicher Weise einseitig ein System
errichten und aufrecht erhalten werden. Auf der anderen Seite haben die
Nationalstaaten, die verschiedene nationale Gemeinschaften in der jüngeren Vergangenheit errichtet haben,
ihre Fähigkeit zur Problemlösung
eingebüßt und sind selbst für In- und
Ausland zum Problem geworden. Es
fällt ihnen zunehmend schwerer, ihre
Unabhängigkeit wie in den Zeiten
der Kräftegleichgewichte aufrecht zu
erhalten.
In der heutigen Zeit stehen gegenseitige Abhängigkeiten im Vordergrund. Die dritte große Offensive
der Globalisierung beschleunigt diesen Prozess weiter. Die Ära der in-
ternationalen Beziehungen weicht
einer Ära der Beziehungen zwischen
Konzernen. Der Nationalstaat verwandelt sich in einen Konzernstaat.
Das nationale Kapital weicht dem
Kapital der internationalen Konzerne. Auf der anderen Seite erwachen
lokale Kulturen zu neuer Blüte. Das
Lokale ist ein Wert, der zunehmend
an Bedeutung gewinnt. Im Lichte
diese Faktoren können wir unsere
Zeit als eine Zeit definieren, in der
das Globale und das Lokale in den
Vordergrund treten.
Dem entsprechen auf der politischen Ebene weder die entwickelten
national-bürgerlichen Demokratien
und der Faschismus, noch der Realsozialismus unterentwickelter Nationen und der Totalitarismus nationaler Befreiung. Möglicherweise
werden Demokratien mit Mischcharakter entstehen, in denen zwei Systeme koexistieren. Demokratische
Allianzen von gesellschaftlichen
Gruppen lokalen und nationalen Zuschnitts könnten dafür die praktikabelste Methode darstellen. Die
Einparteienmodelle der Linken und
Rechten, die weder eine innerparteiliche noch eine parlamentarische
Opposition zuließen, weichen effektiveren Mehrparteiendemokratien.
41
So kann jede Gruppe, die in der
Lage ist, sich repräsentieren zu lassen, in direkteren, flexiblen Kontakt
mit dem globalen System treten und
den Angebotsüberschuss reduzieren.
Dieser Prozess, der auf der ganzen
Welt abläuft, wird auch für den
Mittleren Osten immer wahrscheinlicher. Diese Option wird aktuell,
weil die alten Strukturen des Status
quo überwunden werden müssen.
Das Greater Middle East Project
der USA entstammt dieser Notwendigkeit. Den Völkern des Mittleren
Ostens hingegen fehlt das Bewusstsein und der Organisationsgrad für
den Aufbau einer authentischen Demokratie auf eigene Faust. Ihr Wille
ist uneinheitlich, sie erwachen gerade
erst und beginnen zu handeln. Das
erschwert ihnen den einseitigen Aufbau einer wahrhaft demokratischen
Option. Trotzdem bleibt der Aufbau
einer eigenen, inneren Demokratie
eine dringende und unverzichtbare
Voraussetzung für prinzipientreue
Kompromisse. Das Chaosintervall
mit seinen Möglichkeiten für Freiheit
und Kreativität macht diese Übergangszeit so wichtig und bietet die
Möglichkeit, dass in gemischten
Demokratien die Völker zu den
wichtigsten Akteuren werden.
RONAHÎ
Die Erhaltung der Geschichte Dersims
Der kurdische Schriftsteller Haydar Işık über das Massaker
an den dersimer Kurden in den Jahren 1937/ 38
Jûjî
YXK - Kassel
“Die Rolle Deutschlands ist
dabei auch nicht
zu übersehen.
Der deutsche Staat hilft
diesem Unrechtsland,
diesem rassistischen Land,
um die Kurden
zu verfolgen bzw. um sie
Repressalien auszusetzen.
Kein Mensch hat meinen
Ausführungen Beachtung
geschenkt”
Herr Işık, Sie sind einer der renommiertesten kurdischsprachigen
Autoren in Deutschland. Bis jetzt
wurden leider nur Ihre Romane
„Der Agha aus Dersim“ und „Die
Vernichtung von Dersim“ ins Deutsche übersetzt. Können Sie uns sagen,
wie die Presse/ die Kritiker Ihre Romane aufgenommen haben?
Meine Romane wurden ganz gut
aufgenommen. Der „Agha aus Dersim“
und auch „Die Vernichtung von Dersim“ wurden von vielen Literaturkritikern, Schriftstellern und Journalisten
als „gut“ bezeichnet. Natürlich bin ich
stolz darauf, dass diese Bücher auch
in deutscher Sprache ebenfalls gut angekommen sind.
Jedoch muss gesagt werden, dass
die Verleger, durch meine Arbeit im
Bezug auf die Kurden, mit der Zeit
Angst hatten, mit mir als Schriftsteller
zusammen zu arbeiten.
Sie wollten die Kooperation mit einem Menschen, wie mir, in der Türkei
werde ich als Separatist, hier in Deutschland als Terrorist bezeichnet, vermeiden.
Mein Schicksal ist es, wie das aller
Kurden, seit der Geburt an verfolgt zu
werden. Schließlich ist es dieses Schicksal, welches verhindert, dass auch
meine anderen Romane, die in türkischer Sprache veröffentlicht worden
42
sind und die meiner Ansicht nach sehr
gelungen sind, auf Deutsch verlegt
werden können. Ich finde keinen Verlag,
der meine Werke publizieren will, bis
jetzt sind lediglich drei meiner Bücher
auf Deutsch erschienen.
Ok. Also wenn Sie Kontakt mit
Verlagen aufnehmen, sagen diese
Ihnen von Anfang an „Wir drucken
das nicht, das ist separatistisch oder
für die PKK gesprochen!“ ? Ich
meine es gibt so viele auf Deutsch
erschienene Romane, die das Kurdische/ das Kurdentum behandeln,
aber welche konkreten Gründe geben die Verleger beim Ablehnen
Ihrer Manuskripte an?
Die Verleger sagen sehr höflich,
dass sie meine Romane nicht in ihr
Programm aufnehmen wollen. Diese
Höflichkeit ist sehr formell. Die Wahrheit ist einfach, dass diese Verleger
nach der Recherche auf Google schon
eine voreingenommene Meinung über
meine Person haben. Meine Bücher
zu verlegen, ist uninteressant für sie.
Aus diesem Grunde sagen sie „nein“.
Obwohl mich diese Ablehnungen
nicht traurig stimmen, denke ich
manchmal, dass es schön wäre, wenn
die deutsche Öffentlichkeit mehr von
meinen Büchern erfahren würde.
RONAHÎ
Es geht hier nicht nur um die
deutsche Öffentlichkeit. Diese spielt,
meiner Meinung nach, eine untergeordnete Rolle! Es gibt etliche in
Deutschland geborene, aufgewachsene und sozialisierte junge KurdenInnen, die nur auf Deutsch lesen
und schreiben können und es sind
gerade diese jungen Kurden, die
nicht an Ihre Werke rankommen.
Also, ich z.B. habe die beiden Romane, die zurzeit im Buchhandel
erwerblich sind, gelesen und suche,
suche, suche immer neueren Stoff.
Gibt es demnächst wieder Übersetzungen Ihrer Romane? Ist es möglich, dass man Ihre Bücher ins Deutsche übersetzt und dann über den
Mesopotamienverlag eigenständig
in Druck gibt, sodass die Masse
Ihre Bücher konsultieren kann?
Der Mesopotamienverlag müsste
das eigentlich tun, aber leider ist
auch dieser Verlag nicht imstande
dieses große Projekt, auf Deutsch
ein Buch zu übersetzen und zu verlegen ist durchaus eine Herausforderung, umzusetzen.
Scheitert das Projekt an der
Übersetzung?
Es geht nicht nur ausschließlich
um die Übersetzung. Eine Übersetzung, die literarischen Kriterien genügt, ist, durch meine Kontakte zu
einer Übersetzerin, zu bewerkstelligen. Der Verlag muss über gewisse
Geldquellen, Sponsoren verfügen.
Auch manche deutsche Verlage
verfügen nicht über diese Ressourcen, zumindest behaupten sie
es. In der Vergangenheit hatte ich
einmal Kontakt zu einem deutschen Verlag aufgebaut, der sich
im Hinblick auf diese Thematik
sehr interessiert zeigte. Gegen
Ende des Gespräches sagte er mir
jedoch: „Wenn viele
Sponsoren hinter Ihnen stehen würden,
würden wir eines Ihrer Werke drucken.“
Daraufhin erwiderte
ich explizit, dass ich
Literatur schaffen
würde und möchte,
dass es so verlegt werde. Also, ich suche keinen Sponsor. Ich bin
Schriftsteller und ich
schreibe!
Ferner denke ich, dass
die literarische Qualität
meiner Werke nicht
schlechter ist als die eines türkischen Schriftstellers, aber da ich ein
Kurde bin und dieses
Schicksal mich von Geburt an verfolgt und weil
ich mich für meine
Volkszugehörigkeit engagiere, werde ich mit
diesen Problemen konfrontiert. Mein Schreibberuf macht mir in
Deutschland zu schaffen. Die Publikation meiner Bücher in türkischer
Sprache ist unkomplizierter. In Istanbul wird jedes meiner Werke verlegt, aber auf Deutsch oder in andere
Sprachen ist das bisher nur selten
oder gar nicht geschehen. Leider sind
die Kurden auch nicht in der Lage,
ihr eigenes Schicksal mittels anderer
Sprachen zu thematisieren.
Ich habe in Deutschland eins als
Erster gesehen: Bei meinen etlichen
Vorträgen habe ich immer darauf
aufmerksam gemacht, dass die Türkei so viele unserer Menschen umbringt. Die Rolle Deutschlands ist
dabei auch nicht zu übersehen. Der
deutsche Staat hilft diesem Unrechtsland, diesem rassistischen
43
Land, um die Kurden zu verfolgen
bzw. um sie Repressalien auszusetzen. Kein Mensch hat meinen Ausführungen Beachtung geschenkt.
Ich habe viele Jahre an einer Realschule Türkisch unterrichtet, darüber hinaus war ich in der Lehrergewerkschaft GEW organisiert.
Während dieser Zeitspanne habe
ich jede Situation, egal ob auf Landesvertretersammlungen oder woanders, als Anlass genutzt, um auf
das Schicksal der Kurden aufmerksam zu machen.
Als ich 70 Jahre alt wurde, habe
ich meine Kolleginnen und Kollegen
eingeladen und da sprach einer ganz
ehrlich: „Wir haben Haydar immer
als einen wahrgenommen der, ob-
RONAHÎ
zwölf Tage lang in Untersuchungshaft genommen, obwohl es keinen
Anlass zur Gesetzwidrigkeit gab.
Man hat mich wirklich traurig gemacht.
wohl es nicht im Programm stand,
immer die Situation der Kurden thematisiert hat. Wir waren so sauer
auf Haydar, aber jetzt haben wir
begriffen, warum dieser Mann das
tut.“ Die Mitglieder der GEW haben
nicht nachvollziehen können, warum
die Kurden so verfolgt werden, warum sie nicht ihre Muttersprache
sprechen dürfen, warum sie ihre
Identität leugnen müssen. In diesem
Jahrhundert ist es eine unmenschliche Situation, gar eine faschistische
Haltung, dass uns unsere Grundrechte vorenthalten werden. Ich habe
wirklich jede Gelegenheit instrumentalisiert, um auf die Unterdrückung der Kurden aufmerksam zu
machen.
Jetzt ist es so, dass es von Seiten
des deutschen Staates in der Vergangenheit oft Repressionen/ Anzeigen gegen Sie gab, unter anderem wegen Ihrer schriftstellerischen Tätigkeit. Warum ist es dem
deutschen Staat, trotz der angeblichen Pressefreiheit hierzulande,
so wichtig Ihre Stimme als kurdi-
scher Autor im Keim zu ersticken?
Also, ich lebe sehr legal. Ich habe
überhaupt nichts Kriminelles oder
Gesetzwidriges unternommen. Ich
lebe hier wie ein Europäer, aber bei
den Behörden, obwohl ich gesagt
hatte, dass ich ein deutscher Staatsbürger bin, habe ich zweimal erfahren, dass die Beamten mir sagten:
„Aber Sie sind ein Kurde!“. Das
heißt also ein Kurde, obwohl er Europäer ist, hat kein Recht über die
Situation der Kurden in der Türkei
zu berichten. Dieser Umstand hat
mich natürlich sehr traurig gemacht,
daraufhin habe ich mich noch mehr
für diese Sache engagiert. Ich bin
bemüht das Kurdenproblem in die
Öffentlichkeit zu transportieren, aber
die Behörden versuchen natürlich,
Deutschland und die Türkei arbeiten
zusammen und sie versuchen uns
Kurden hier zu verfolgen, dies zu
verhindern. Der lange Arm der Türkei reicht bis nach Deutschland, bis
nach München. Mein Haus wurde
fünf Mal durchsucht. Beim letzten
Mal, also 2007, haben sie mich
44
Was war der Grund für Ihre
Festnahme?
Es wurde mir vorgeworfen eine
terroristische Organisation zu unterstützen. Aber dies ist nicht mein
Aktionsfeld. So etwas habe ich nicht
gemacht. In München habe ich zwar
viele Vereine für Kurden gegründet,
aber was daran ist illegitim? Sie
versuchten mich mit Gewalt ins Gefängnis zu bringen. Am Ende hat
mich der Richter freigesprochen,
der Gerichtsbeschluss war rehabilitierend.
Kommen wir nun zu Ihren Werken. Ihr Werk „Die Vernichtung
von Dersim“ wird als Roman bezeichnet. Beim Lesen stellt man
fest, dass die Trennlinie zwischen
Realität und Fiktion nicht klar
zu bestimmen ist. Warum haben
Sie sich für diese Form der Epik
entschieden?
Ich versuchte das Schicksal meines Volkes anhand einer Erzählung,
die beim Leser gut ankommen würde, zu schildern. Wenn ich knallhart
von den dort geschehenen Fakten
berichtet hätte, wäre dieses Werk
wahrscheinlich nicht lesbar gewesen,
weil die Tatsachen grausam sind.
Dies würde kein Leser, auch keine
Frau, lesen können. Mittels der
Liebe zur Natur, zu Schönheiten
sowie zu Menschen versuchte ich
über dieses Massaker zu berichten.
Ich habe immer versucht ein hartes
Geschehen zu erzählen und gleichsam war ich bemüht, dem Leser
eine Pause anzubieten. In diesem
Stil schreibe ich die meisten meiner
RONAHÎ
Bücher.
Der Grund warum ich so intensiv
über diesen brutalen Völkermord
schrieb ist, dass ich oft mit den Erzählungen der Frauen konfrontiert
wurde, die davon berichteten, was
ihnen während der Zeit der Dersimvernichtung 1937/ 38 wiederfahren war. Ich versuchte diese „harte“ Geschichte so verständlich wie
möglich wiederzugeben, sodass der
Leser nicht abgeschreckt war, sondern der Handlung mit Ruhe und
Gelassenheit folgen konnte.
Wie sind Sie beim Schreiben
dieses Romans vorgegangen?
Stand z.B. die Art des Erzählers
von Anfang an fest oder hat sich
diese erst im Laufe der Handlung
entwickelt? Wie kamen Sie zu den
Figuren?
Zu Beginn meiner Schreibtätigkeit
erstellte ich mir zunächst einen Plan,
wie ein Architekt oder sagen wir wie
ein Kelimknüpfer. Anschließend überlegte ich lange, wie ich diesen Plan
umsetzen könnte. In einem nächsten
Schritt suchte ich Material und zum
Schluss versuchte ich mittels dieses
Plans die Protagonisten, die ich dem
Leser präsentieren wollte, zu beschreiben und nahe zu bringen.
Haben Sie sich bei der Erschaffung der Figuren des Romans an
Menschen orientiert, die Sie wirklich einmal kannten oder sind das
rein Figuren, die aus Ihrer Fantasie entspringen oder sind es Figuren aus den Erzählungen der
Frauen, die über die Jahre 1937/
1938 berichteten?
Die Figuren habe ich von der Geschichte Dersims übernommen, z.B.
gab es den Kurden Seynel Tschausch
so wurde er von den Menschen genannt. In meinem Roman habe ich
genau diesen Kurden beschrieben,
jedoch habe ich ihn unbenannt. Das
gleiche gilt auch für Memik Agha.
Der hieß in der Realität nicht Memik
Agha, sondern Use Mırç. Bei den
Figuren sind nur die Namen fiktiv,
ansonsten sind die Figuren authentisch.
sie alt, jung oder gar schwanger
waren. Sie haben Zehntausende, die
Kurden sagen Siebzigtausende ermordet, verbrannt, vergiftet, vergast.
Einige kurdische weibliche Kinder
jedoch wurden von den türkischen
Soldaten als „besleme“, als Dienstmädchen, mitgenommen. Schließlich
Wofür steht die Figur des Alibinat? Sowie die Figur der Gule?
Alibinat ist ein Weise. Es gibt in
der kurdischen Gesellschaft, in jedem
kurdischen Dorf eine weise Person.
Diese weise Person versuchte ich
in der Figur des Albinat wiederzugeben. Auf Kurdisch sagt man zu
diesen weisen älteren Menschen
„rezipi“. Meist werden die Männer
als rezipi bezeichnet. Jedoch habe
ich meine Mutter als weiser erlebt
als meinen Vater, welcher weniger
intelligent war. Zumindest hatte ich
diesen Eindruck.
Die Figur der Gule war für mich
ein Trauma. Die Türken haben in
Dersim nicht nur Menschen willkürlich umgebracht, es war egal ob
wurden sie, sobald sie erwachsen
waren, als Erst- oder Zweitfrau mit
einem türkischen Mann verheiratet.
Die Figur Gule ist aus meinem Wissen über die Tochter eines Verwandten, die ihm von türkischen Streitkräften weggenommen worden war,
entstanden.
Bereits im Jahre 1990 habe ich
über dieses Thema geschrieben und
berichtet, dass dies in Dersim geschehen war. Damals hat sich kein
Mensch für diese Tatsache interessiert, aber heute sehen wir hunderte
Frauen und Kinder, von den Türken
verschleppt und als „besleme“ gehalten, die sich zu ihrem Schicksal
äußern. Die Frau von Kenan Evren
ist angeblich auch solch eine Frau!
Auf unsere Dersimkonferenzen,
45
RONAHÎ
Was den Hasen betrifft gilt Folgendes:
Eines Tages sah ich, dass mein
Vater zwei Hasen tötete und sie den
Hunden vorwarf. Unsere Hunde fraßen die Hasen, wir jedoch hatten
kein Fleisch. Wir haben sehr selten
Fleisch gegessen. Da der Hase kein
Wiederkäuer ist und angeblich wie
die Frauen blutige Tage hat und
schließlich nach der Ansicht der
Dersimer den Hunden oder anderen
Viechern näher steht, essen sie ihn
nicht. Aber ehrlich gesagt, habe ich
das Ganze auch nicht verstanden.
Ich hätte gerne Hasenfleisch gegessen, aber man hat es uns nicht gegeben [lacht].
die regelmäßig stattfinden, versuchen
wir überlebende Zeugen einzuladen,
die von ihren eigenen Erfahrungen
berichten können. So war z.B. die
Großmutter der türkischsprachigen
Autorin Sema Kaygusuz ebenfalls
eine Kurdin aus Dersim, auch sie
wurde damals von den Mördern
ihrer Familie als „besleme“ mitgenommen und später mit einem Türken verheiratet.
Ich habe auch eine telefonische
Verbindung zu einer älteren, in Istanbul wohnende Dame, welche als
vier jähriges Mädchen aus Dersim
verschleppt worden ist. Weil diese
Frau sich in Interviews zu ihrer
Herkunft geäußert hatte, haben ihre
beiden leiblichen Kinder, welche in
Deutschland leben, den Kontakt zu
ihr abgebrochen.
Beim Lesen Ihres Romans sind
mir zwei Dinge aufgefallen, die
mich lange beschäftigt haben. Zum
einen gilt mein Interesse dem Hasen, den die kurdischen Aleviten
stark verachten. Was steckt hinter
dem Hass diesem Tier gegenüber?
Zum anderen stößt man in Ihrem
Werk sehr oft auf die Blut- und
Bodenideologie. Warum betonen
Sie diesen Aspekt so intensiv?
Meine Mutter hat nicht studiert
und nicht die Schule besucht, sie
war Analphabetin. Sie sagte zu mir,
als sie sich mit mir in die Berge
verschanzt hatte: „Schau, dieses
Feld ist rot.“ Sicherlich wusste ich
aus welchen Gründen das Feld rot
aussah. Auf dem Feld befand sich
ein Eisenoxid und dieses Mineral
verlieh dem Feld die rote Farbe.
Aber meine Mutter, von dieser Verbrennung und Tötung stark erschüttert, war der Ansicht, dass der Boden
seine Farbe durch das Blut der Menschen verliehen bekommen hatte.
Das war eine authentische Erzählung
meiner Mutter.
46
Das Ende Ihres Romans stellt
kein Happy End dar. Warum lassen Sie Mirzali nicht seine Tochter
Gule ansprechen?
Die Menschen, die aus der Verbannung zurückkamen, habe ich beobachten können. Sie waren besser
angezogen als die, die in Dersim
geblieben waren. Die Einheimischen
waren sehr arm. Diese Gule, die
nach Dersim zurückkam, war Lehrerin geworden, sie hatte sich gebildet. Als der Vater sie erkennt,
fragt er sich, was er mit ihr anfangen
könnte. Er spricht sie nicht an, zum
einen, weil er Scham vor den Umherstehenden empfindet und zum
anderen, weil er seine Geschichte
dort beenden will.
Übrigens sind wir noch nicht in
der Lage, ein Happy End feiern zu
können. Wir, die Kurden, sind immer
in dramatischen Situationen. Für
ein Happy End ist es noch zu früh.
Wir befinden uns zurzeit in einer sehr kritischen Phase. Am 12.
Juni wird in der Türkei ein neues
Parlament gewählt. Es wurde ver-
RONAHÎ
mehrt von einem Frieden oder einem totalen Krieg nach den Wahlen gesprochen. Wie bewerten Sie
die gegenwärtige Lage?
Also, ich muss gestehen, dass ich
nicht optimistisch bin. Die Situation
geht leider auf einen Krieg zu, da
sich die türkische Regierung für
diesen Weg entschieden hat. Die
Umstände zeigen, dass die Türkei
den Kurden ihre Rechte vorenthalten
möchte. Obwohl die Kurden ihre
Forderungen so heruntergesetzt
haben, versucht die Türkei sie
mit allen Mitteln zu unterdrücken.
Ich habe viel mitgemacht,
seit 50 Jahren arbeite ich für
die Kurden. Die Aufklärung
der jungen Menschen war nicht
einfach. Wir haben wirklich
viel Mühe gehabt, um ein paar
junge wissende Kurden heranzubilden. Gleichwohl haben
wir heutzutage in Europa viele
junge Menschen, die unsere
Aufgabe viel besser machen
als wir früher. Sie machen heute
das, was wir früher zu tun nicht im
Stande waren. Ich glaube, die Kurden
werden sich nicht mehr so klein stellen. Die Türken werden irgendwann
zur Vernunft kommen und mit den
Kurden eine Koexistenz aufbauen.
Wir sind ein Volk. Wir sind stolz.
Warum sollen wir unter dem Jocht
der Türken leben? Wir sind Kurden,
Menschen, Demokraten! Wir wollen,
genau wie die Türken, weder mehr
noch weniger als ein Türke, ein Leben
in der Türkei führen. Das ist unser
gutes Recht. Da die Türkei uns dieses
Recht vorenthält, müssen wir Widerstand leisten. Unsere kurdische Gesellschaft muss auf jeder zivilen
Ebene einen gesellschaftlichen Widerstand gegen die türkische Unrechtspolitik leisten.
Was möchten Sie uns, kurdischen Studenten, zuletzt mit auf
den Weg geben?
Als ich Student war, hat mir kein
Mensch gesagt, dass ich Kurde sei
oder dass ich mich für die Kurden
engagieren müsse. Keiner hat mir
einen Weg gezeigt, aber ich habe
mit meinen Studentenfreunden gesehen, dass wir Kurden sind. Wir
haben wirklich viel für die Kurden
getan. Natürlich weniger als die
heutigen Studenten, dies lag auch
daran, dass wir weniger gut organisiert waren, wie die heutigen kurdischen Studentengruppen, aber wir
haben immerhin diese kurdische
„Kerze“ nicht erlöschen lassen, versucht das Kurdentum auf den Beinen
zu halten.
Ich habe damals in der Türkei
oft an sozialistischen Demonstrationen, an Antikriegsdemonstrationen
teilgenommen und auch gegen den
Vietnamkrieg bzw. gegen den amerikanischen Imperialismus protestiert. Mein Aufruf an die kurdischen
Studenten, welche die Intelligenz
unseres Volkes verkörpern, ist, sich
mehr zu engagieren. Wir erwarten
mehr, die kurdischen Studenten müssen mehr für ihr Volk tun. Mit einem
47
Arbeiter kann man nur bedingt was
erreichen, sie haben auch ihren Platz
in der Gesellschaft, jedoch sollten
die Studenten dem Rest des Volkes
den Weg weisen, Führung übernehmen.
Aber das heißt nicht, dass die
StudentenINNEN ihr Studium abbrechen sollen, um auf die Berge
zu gehen, oder?
Nein das heißt es nicht, im Grunde
ist es egal, wie man
sich für die kurdische
Thematik engagiert,
wichtig ist nur, dass
man es tut.
Ich habe z.B. einen
Verwandten, der noch
letztes Semester Medizinstudent war, heute aber als freiwilliger
Arzt in den Bergen
tätig ist. Ich plädiere
dafür, dass die StudentINNEN der Lage
der Kurden mehr Aufmerksamkeit schenken und sich effektiver organisieren.
Die YXK muss sich gegenüber allen
kurdischen Studentinnen und Studenten öffnen, um mehr Einfluss
nehmen zu können.
Vielen Dank, dass Sie sich die
Zeit für das Interview genommen
haben!
Anmerkung:
Den Roman „Die Vernichtung
von Dersim“ könnte ihr als ordentlich eingeschriebener Student kostenfrei über die Bibliothek eurer
Uni bestellen. Die meisten Bibliotheken nehmen eure Büchervorschläge ohne Probleme an. Das Buch
wird dann in den Katalog eurer Unibibliothek aufgenommen.
RONAHÎ
Partizipative Ökonomie
Michael ALBERT
“Michael Alberts
Werk über
partizipatorische
Ökonomie skizziert
bis hin zu gehaltvollen
Details das
Programm eines
radikalen Umbaus.
Es präsentiert eine
Vision, die aus einer
reichen Tradition an
Ideenwelt und Praxis
der libertären Linken
und sozialen
Bewegungen
schöpft, aber neue
kritische Analysen,
präzise Konzepte und
Formen ihrer
Umsetzung
hinzufügt. Parecon
gebührt große
Aufmerksamkeit,
Diskussion und
Wirkung”
Mein Name ist Michael Albert, ich
lebe in den Vereinigten Staaten und
arbeite bei Z Magazine und ZNet, einer
Website. Daneben bin ich Co-Autor und
Vertreter einer ökonomischen Vision, die
sich partizipative Ökonomie oder kurz
„Parecon“ nennt.
Partizipative Ökonomie ist eine Alternative zum Kapitalismus, die auf wenigen zentralen Werten und Institutionen
basiert: Gleichheit, Solidarität, Vielfalt
und Selbstverwaltung.
Gleichheit bezieht sich darauf, wie
viel wir für unsere Arbeit erhalten. Die
Norm ist, dass wir für unsere Anstrengung
entlohnt werden sollten, nicht für Eigentum oder Verhandlungsmacht. Der Begriff
der Solidarität beinhaltet, dass sich die
Menschen umeinander kümmern und
aus der Gemeinschaft Nutzen ziehen
können, statt miteinander zu konkurrieren
und sich gegenseitig niederzutrampeln.
Mehr Solidarität ist besser als weniger.
Bei Vielfalt geht es um die Auswahl, die
wir haben; mehrere Optionen sind besser
als Homogenisierung und Reduktion der
Auswahlmöglichkeiten. Selbstverwaltung
hat mit dem Ausmaß der Kontrolle zu
tun, die wir über unser eigenes Leben
ausüben, dem Maß der Entscheidungsautonomie bei Sachverhalten, von denen
wir betroffen sind.
Die Entwicklung einer wirtschaftlichen
Vision bedeutet für mich, sich Institutionen
auszudenken, die Produktion, Konsum
48
und Allokation auf eine Art ermöglichen,
die Gleichheit, Solidarität, Vielfalt und
Selbstverwaltung erhöhen statt verringern.
Zum Beispiel ArbeiterInnen- und KonsumentInnen-Räte sind direktdemokratische Mittel, mit denen die Menschen
ihre Präferenzen entwickeln, organisieren
und zum Ausdruck bringen können. In
diesen Räten kommen selbstverwaltete
Methoden der Entscheidungsfindung zur
Anwendung, um zu bestimmen, wie viel
und was produziert und konsumiert werden soll.
Die Idee der ausgewogenen Arbeitsbündel (balanced job complexes) ist die
Überwindung der üblichen Arbeitsteilung.
Anstatt die befriedigenden und verantwortungsvollen Aufgaben auf wenige
und die untergeordneten und Routinearbeiten auf die Mehrheit der Beschäftigten
zu verteilen, schlage ich eine gerechtere
Arbeitsteilung vor. Idealerweise teilen
wir Arbeitsaufgaben und Verantwortungen
so auf, dass alle einen fairen Anteil an
ermüdender Routinearbeit und als Ausgleich dazu angenehmere Tätigkeiten
übernehmen. Das sollte dazu führen, dass
nicht 20 Prozent der Leute die erfüllenden
Arbeiten monopolisieren und 80 Prozent
mit den Routinearbeiten enden – eine
Klassenspaltung, in der die erste Gruppe
die KoordinatorInnenklasse darstellt, und
die zweite die ArbeiterInnenklasse. Dessen
entledigen wir uns durch ausgewogene
RONAHÎ
Arbeitsbündel, die allen Arbeiten geben,
die sie in ähnlichem Ausmaß ermächtigen.
Darüber hinaus soll das Ausmaß der
Anstrengung die Bezahlung bestimmen.
Das Einkommen bemisst sich nach
dem Zeitaufwand, der Schwere und
der verursachten Ermüdung der Arbeit.
Kommen wir zum Problem der Allokation. Wie wird entschieden, was
und wie viel produziert wird? Die typische Prozedur dafür in den USA sind
Märkte, in der Sowjetunion war es die
zentrale Planung. Partizipative Ökonomie lehnt beides ab und schlägt stattdessen partizipative Planung vor. Die
zentralen Elemente dieses Modells sind
ArbeiterInnen- und KonsumentInnenRäte, selbstverwaltete Entscheidungsfindung, Bezahlung nach Anstrengung,
ausgewogene Arbeitsbündel und „partizipative Planung“. Das System, das
sich daraus ergibt, ist eine Alternative
sowohl zum Kapitalismus als auch zum
so genannten Sozialismus der Vergangenheit, der in Wahrheit eine Wirtschaft
war, in der eine KoordinatorInnenklasse
die Macht und alle mit Befehlen verbundenen Arbeiten für sich monopolisierte.
In jeder Wirtschaft üben die Leute
ihre wirtschaftliche Aktivität, ihre Arbeit,
aus. Diese Arbeit produziert einen Output, das Sozialprodukt. Die Frage ist,
wie dieser Kuchen aufgeteilt wird, nach
welchen Kriterien die Entlohnung erfolgen soll.
In manchen Wirtschaftssystemen ist
eine der Normen, dass sich die Entlohnung nach dem Eigentum richten
soll, das jemand besitzt, nach dem Produkt, das aus diesem Eigentum resultiert,
das Profit genannt wird. Ich weise diese
Idee zurück. Für mich macht das keinen
Sinn, und ich lehne es ab, da dieses
Prinzip ökonomisch nicht notwendig
ist und zudem eine ganze Reihe von
Ungerechtigkeiten herbeiführt. Eine an-
dere Einstellung, die sowohl von der
Harvard Business School als auch von
den meisten Kriminellen vertreten wird,
ist, dass wir haben sollen, was wir uns
gewaltsam aneignen können – eine Art
Hooligan-Zugang zur Verteilungsfrage.
Wir verhandeln und nutzen unsere
Macht, um mehr zu bekommen. Die
Norm ist hier also, dass wir gemäß unserer Macht entlohnt werden sollten.
Auch dieses Prinzip ist weder ökonomisch erforderlich noch moralisch vertretbar.
Das dritte mögliche Kriterium ist
die Entlohnung entsprechend der Arbeitsanstrengung einer Person. Diese
Norm scheint auf den ersten Blick wünschenswerter. Doch impliziert sie zum
Beispiel, dass Michael Jordan, zu der
Zeit als die Chicago Bulls Jahr für Jahr
die US-Basketballmeisterschaft gewannen, jedes Jahr Millionen Dollar für
seine Arbeit erhalten sollte. Und zwar,
weil sie von der Gesellschaft so hoch
geschätzt wurde. Es bereitete den Menschen Vergnügen, ihm bei seiner Tätigkeit zuzusehen. Ob das auch Sinn
machte, ist irrelevant. Fest steht, dass
Menschen sich daran erfreut und es
sehr geschätzt haben. Aber denken wir
deshalb, dass Leute wie Michael Jordan
für ihr Glück in der „genetischen Lotterie“, wie man es nennen könnte, entlohnt werden sollten? Ich könnte von
jetzt an bis ins Jahr 4042 trainieren
und wäre nicht in der Lage, so Basketball
zu spielen, wie Michael Jordan es tut,
noch könnte ich lernen, wie Mozart zu
komponieren usw. Jordan und Mozart
wurden mit bestimmten Talenten geboren, die andere Menschen bewundern,
die sich daran erfreuen und davon profitieren. Dass daraus ein Anspruch auf
hohes Einkommen erwächst, ist allerdings nicht einzusehen.
Die bessere Ausstattung mit Hilfsmitteln und Werkzeugen, die zu höherer
Produktivität führen, sollte ebenfalls
49
keinen Einkommensvorsprung rechtfertigen. Die Entlohnung sollte in Relation zur Anstrengung stehen, die uns
die Arbeit kostet. Arbeit, die anstrengt,
länger dauert und intensiver ist, sollte
zu mehr Lohn führen.
Was Entscheidungen betrifft: Man
könnte wochenlang darüber philosophieren, wie Entscheidungen getroffen
werden sollen, aber ich denke, es ist
ganz einfach.
Wenn eine Entscheidung nur mich
betrifft, zum Beispiel ob ich das Bild
meiner Lebensgefährtin auf meinem
Büroschreibtisch aufstellen darf, sollte
ich sie allein treffen dürfen. Geht es
darum, im Gemeinschaftsbüro ein Radio
aufzustellen, dann sollten alle mitbestimmen, die davon betroffen sind. Alle
Menschen sollten dem Maß ihrer Betroffenheit entsprechend an Beschlüssen
beteiligt sein. Das ist die anzustrebende
Idee, das ist Selbstverwaltung. Was das
bedeutet, ist nicht im Allgemeinen festlegbar. In einigen Fällen kann das
heißen, dass alle je eine Stimme haben
und Mehrheitsabstimmungen durchzuführen sind. In anderen Fragen sollte
eine Dreiviertelmehrheit erforderlich
sein. Einige Belange werden konsensual
zu lösen sein, andere autoritär. Es gibt
viele unterschiedliche Situationen, und
die jeweilige Regel sollte nur die Methode zur Erreichung des ultimativen
Ziels sein – der Selbstverwaltung.
Der alte Entscheidungsmechanismus
in Jugoslawien war weit von diesem
Ideal entfernt. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass die Selbstverwaltung die ursprüngliche Idee war. Die Arbeitenden sollten
ihre Arbeitsplätze eigenständig kontrollieren. In der alten sowjetischen
Verfassung findet sich ein ähnlicher
Gedanke: Die Beschäftigten in den Fabriken sollten die höchste Instanz für
Entscheidungen am Arbeitsplatz sein.
Tatsächlich lag die Macht jedoch bei
den zentralen PlanerInnen. In Jugosla-
RONAHÎ
wien schuf das Marktsystem, das für
die Allokation zuständig war, eine Dynamik, die die Arbeitsteilung in der jugoslawischen Fabrik hervorbrachte. Es
gab ein Management, Ingenieure und
eine kleine Minderheit von Leuten, die
ein Monopol auf die täglichen Entscheidungen und die ermächtigenden
Arbeiten ausübten, die zu Wissen,
Selbstvertrauen und Kenntnissen verhelfen, die für Beschlüsse und die Entwicklung von Plänen Voraussetzung
sind. Daneben gab es die 80 Prozent
der Bevölkerung, die den Tag mit repetitiven und ermüdenden Tätigkeiten
verbrachten. Durch die Verfassung hatte
diese Mehrheit der Beschäftigten zwar
eine formale, aber keine reale Macht.
Wenn die ArbeiterInnenräte in Jugoslawien schließlich zu Abstimmungen
zusammenkamen, dominierten die 20
Prozent, die alles Wissen und Selbstvertrauen auf ihrer Seite hatten. Um
wahre Selbstverwaltung und Klassenlosigkeit zu erlangen, muss diese Kluft
überwunden werden. Das System der
Selbstverwaltung setzt eine institutionelle
Struktur voraus, die ein solches Modell
der kollektiven Souveränität überhaupt
möglich macht. Der Schlüssel dazu
sind ausgewogene Arbeitsbündel und
der Allokationsmodus.
Zuerst gilt es zu klären, was der Begriff „ausgewogene Arbeitsbündel“ bedeutet: Üblicherweise werden die verschiedenen Tätigkeiten in einem Betrieb
auf verschiedene Jobs aufgeteilt. Ein
Job ist eine Mischung aus Aufgaben,
ein Bündel von Verantwortlichkeiten
und Aufgaben. Durch die Kombination
der Aufgaben kann man Hierarchien
einrichten: An der Spitze sind die ermächtigenden Aufgaben – sie haben
nicht nur Fähigkeiten und Wissen zur
Voraussetzung, sondern liefern den Ausführenden auch Fähigkeiten und Wissen.
Sie übertragen Selbstvertrauen und
Kontrolle über die Vorgänge am Arbeitsplatz. Je tiefer man die Hierarchie
hinuntergeht, desto routinierter und untergeordneter werden die Tätigkeiten,
durch welche die ArbeiterInnen ihrer
Potenziale und Talente beraubt werden.
In diesem Kontext wird die Gruppe
am Fuße der hierarchischen Pyramide
von der Spitze beherrscht – und das ist
die Spaltung in koordinierende und arbeitende Klassen. Diese Teilung muss
aufgehoben und durch ausgewogene
Arbeitsbündel ersetzt werden. Jeder
Job würde dann den gleichen Anteil
ermächtigender und Routineaufgaben
umfassen, wodurch alle ArbeiterInnen
50
in die Lage versetzt würden, in den
Räten über die gemeinsamen Aufgaben,
die Tagesordnung und die anstehenden
Probleme zu bestimmen. Niemand könnte die anderen dominieren, weil alle
vergleichbare Aufgaben – im Hinblick
auf ermächtigende Aspekte – haben.
Ein häufiger Einwand gegen dieses
Modell ist, dass diese Arbeitsaufteilung
eine Verschwendung der Zeit hochproduktiver und qualifizierter ArbeiterInnen
verursachen würde. Wäre es für die
Gesellschaft als Ganzes nicht gewinnbringender, wenn sich jeder darauf konzentriert, was er am besten kann? Die
Antwort ist: Im Moment führt die gängige Arbeitsteilung dazu, dass bei 80
Prozent der Leute Fähigkeiten und Talente in der Arbeit vernichtet werden,
während einige Genies sich entfalten
können. Bei ausgewogenen Arbeitsbündeln würde aus allen das Beste herausgeholt werden.
Es wird in einer partizipativen Ökonomie vermutlich mehr Mozarts geben,
dafür auf einem etwas niedrigeren Niveau. Wir werden diese Talente in mehr
Menschen entdecken. Zudem fließt in
einer Wirtschaft wie der jetzigen das
kreativste Talent in den Verkauf von
Waren, nicht in die Produktion von
Kunstwerken, die erfreuen und zum
Nachdenken anregen, sondern in die
Herstellung manipulativer Bilder und
Worte – wie etwa in der Werbung.
Dorthin geht das meiste künstlerische
Talent. In einer partizipativen Ökonomie
verbringt jede talentierte Person eine
gewisse Zeit damit, ihre Begabung
nicht einzusetzen, dafür werden aber
insgesamt mehr Talente entdeckt und
diese werden für sinnvollere Zwecke
eingesetzt.
Aber nehmen wir einen anderen Fall,
etwa eine Chirurgin. Ist es vorstellbar,
dass diese hochqualifizierte Spezialistin
einen Teil ihrer Zeit damit verbringt,
die Betten zu machen? Die Antwort
RONAHÎ
ist: ja. Erstens verbringen auch im Kapitalismus ChirurgInnen ihre Arbeitszeit
nicht ausschließlich mit Operieren, sondern ebenso mit Golf spielen und mit
dem Konkurrenzkampf am Arbeitsplatz.
Aber auch wenn das nicht so wäre –
wäre der Gewinn, den wir durch ausgewogene Arbeitsplätze erlangen
würden, nämlich Gleichberechtigung
und eine Beseitigung der Klassenspaltung, nicht den Verlust an ChirurgieSpezialistInnen-Output wert? Außerdem
wird mit jenen 80 Prozent der Bevölkerung, die vorher ausschließlich eintönige Arbeiten verrichteten, ein breiterer
Pool möglicher ChirurgInnen erschlossen.
Um zu sehen, wie das funktioniert,
muss man in Betracht ziehen, dass in
den USA die American Medical Association eine Institution von ÄrztInnen
ist. Sie existiert nicht, um die Gesundheitsfürsorge voranzubringen, sondern
die Privilegien von ÄrztInnen zu verteidigen. Und das tut sie vor allem,
indem sie andere daran hindert, die Talente und Fähigkeiten zu erwerben, um
medizinische Arbeit zu leisten. Sie hindert KrankenpflegerInnen daran, mehr
zu tun als die begrenzte Arbeit, die
ihnen eine eingeschränkte Verhandlungsmacht verleiht, wodurch der Anteil
der ÄrztInnen am Vermögen aus der
Gesundheitsversorgung ungerecht hoch
bleibt. Wenn wir also zu ausgewogenen
Arbeitsbündeln wechseln, gewinnen
wir nicht nur Gleichheit, Vielfalt und
Solidarität sowie die Beseitigung diverser
Übel, die aus der Klassenspaltung
folgen; es würde auch die Gesamtproduktivität steigen, indem nämlich die
produktiven Potenziale und Fähigkeiten
jener 80 Prozent der Bevölkerung, die
in einer Klassengesellschaft unterdrückt
werden, freigesetzt werden würden.
Jenseits von Entlohnung und Arbeitsteilung muss jede Wirtschaft die
Allokationsfrage lösen. Das ist der kompliziertere Teil der Wirtschaft. Es geht
hier um die Bestimmung, wie viel
Inputs jedes Unternehmen erhält, wie
viel es damit produziert und wie das
bewertet wird.
Die archetypischen wirtschaftlichen
Allokationssysteme sind Märkte und
zentrale Planung. Im Fall von Märkten
konkurrieren KäuferInnen und AnbieterInnen untereinander. Sie versuchen,
sich einen Vorteil zu verschaffen, und
und Gruppen von KonsumentInnen
beinhalten, müssen zu wirtschaftlichen
Entscheidungen kommen. Auf jeder
der beiden Seiten muss es Verbände
geben, da ein bedeutender Anteil des
Konsums kollektiv erfolgt: zum Beispiel
Parks, Straßen, Luft etc.
Zwischen den KonsumentInnen- und
ArbeiterInnenräten muss es Kommunikation geben, die folgende Form hat:
Ein zentraler Planer/eine zentrale Planerin gibt seine/ihre Instruktionen weiter,
wenn der/die KäuferIn einen Vorteil
erzielt, verliert der/die AnbieterIn. Das
ist die Dynamik des Wettbewerbs. Beim
Modell der zentralen Planung gibt es
einen Planungsapparat, der die relativen
Inputs und Outputs aller Einheiten bestimmt. Im Marktsystem ist es die Wettbewerbsdynamik zwischen AnbieterInnen und KäuferInnen, die zur Festlegung
von Inputs und Outputs führt; in der
geplanten Wirtschaft bestimmt der Befehl von oben. Partizipative Ökonomie
hat ein anderes Allokationssystem –
die partizipative Planung.
Beschäftigte in ArbeiterInnenräten,
die Individuen, Gruppen und Branchen
beinhalten, und KonsumentInnen in
KonsumentInnenräten, die Einzelne
und alle melden zurück, ob sie die Vorgaben erfüllen können – ein autoritäres
System. In einem Marktsystem schlägt
im Wesentlichen jede/r AkteurIn vor,
was er/sie tun möchte, und konkurriert
im Versuch, so viel wie möglich für
sich herauszuschlagen. Die EigentümerInnen versuchen ihren Profit zu
maximieren, die Beschäftigten ihre
Löhne und die KonsumentInnen versuchen so billig wie möglich zu kaufen
und so weiter.
Bei partizipativer Planung hingegen
schlagen die KonsumentInnen und die
Beschäftigten ihre Pläne vor. Aufgrund
der institutionellen Rahmenbedingungen
sind beide Parteien in der Lage, die
Vorhaben der anderen zu bewerten und
51
RONAHÎ
zu verstehen. Es gibt dann eine zweite
Runde, in der alle Seiten ihre Vorschläge
im Lichte des Feedbacks der anderen
überarbeiten, eine dritte und vierte
Runde usw. Dieser Prozess ist eine bewusste kooperative Anstrengung zur
Festlegung der Inputs und Outputs, ein
kooperatives verhandelndes Planen aller
Beteiligten.
Partizipative Planung bezieht die
wahren sozialen Kosten und Nutzen
mit ein und lässt die Beteiligten die
Entscheidungen in dem Ausmaß beeinflussen, in dem sie von deren Konsequenzen betroffen sind. Das Endergebnis sollte dann mit den Wünschen
aller Parteien übereinstimmen.
Was passiert, wenn die partizipative
Ökonomie eines Landes neben der kapitalistischen Wirtschaft eines anderen
existiert? Das kommt darauf an. Ist es
ein relativ kleines Land, in dem das
Konzept der partizipativen Ökonomie
umgesetzt wurde, und steht diesem als
kapitalistisches Land die USA gegenüber, so wird die USA alles daran setzen,
das andere Land aufgrund der „Gefahr
des guten Beispiels“ zu vernichten. Die
USA werden verhindern wollen, dass
eine alternative Gestaltung der Wirtschaft, die human und nutzenstiftend ist,
Bedürfnisse befriedigt, Potenziale entwickelt und Werte fördert, der Welt als
reale Möglichkeit vorgeführt wird. Wenn
sich eine Bewegung dem Konzept der
partizipativen Ökonomie nähert, sagen
wir in Brasilien, Argentinien oder irgendeinem anderen Staat der Welt, wird
es immensen internationalen Druck geben, diesem Prozess zu widerstehen
und ihn umzudrehen, vor allem von
den USA, Europa und anderen Industrieländern. Darum geht es beim Empire.
Die Möglichkeit, diesem Druck entgegenzuarbeiten, liegt dann bei den Bevölkerungen in den USA, Europa etc.
Organisationen in den reichen Zentren
müssen durch ihre Solidaritätsarbeit die
Niederschlagung alternativer Bewegungen in peripheren Ländern verhindern.
Partizipative Ökonomie wird sich nicht
in den USA oder Kuba oder Südafrika
oder sonst wo in nächster Zeit durchsetzen. Es braucht Zeit. Aber welchen
Sinn hat es dann, diese Vision für die
Zukunft im Kopf zu behalten?
Eine Vision ist von entscheidender
Bedeutung, um sich immer wieder vor
Augen zu führen, dass die Probleme
unserer Zeit – wie Krieg, wirtschaftliche
Ausbeutung, allgemeine Armut – keine
unverrückbaren Naturgesetze sind, zu
denen es keine Alternative gibt. Wir
brauchen eine bestechende Vision, die
sich viele Leute mit der Zeit aneignen
können, die Hoffnung und das Gefühl
nährt, dass etwas Besseres möglich ist.
Viele Menschen zögern, sich einer
Bewegung anzuschließen, wenn sie
wenig Freizeit haben und das politische
Engagement Mühsal und Risiken bedeutet; viele lassen sich entmutigen
von der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg des Kampfes
sehr gering ist und vielleicht wenig bewirkt, weil er vermutlich rasch zurückgeschlagen wird. Wenn ich aus Erfahrung das Gefühl habe, der Kapitalismus
macht jeden kleinen Gewinn (Lohnerhöhung, Arbeitsbedingungen, Demokratie) wieder zunichte, warum sollte
ich mich einer Bewegung anschließen,
die genau diese Allmacht dieses Kapitalismus seit 30 Jahren kritisiert? Das
sieht doch hoffnungslos aus.
Manche Leute rufen dazu auf, einfach
aus Prinzip den Kampf aufzunehmen.
Für viele ist das aber nicht motivierend
genug. Sie wollen ihre Familien nicht
gefährden. Deshalb brauchen wir eine
Vision – um zu kommunizieren, dass
es nicht bloß ums Prinzip geht, sondern
um den Kampf für etwas Reales. Wir
brauchen eine Strategie. Wir müssen
den Menschen verständlich machen,
dass ihre Beteiligung am Kampf ihnen
52
unmittelbaren Nutzen bringt, der dauerhaft ist und in einer ganz neuen Welt
endet. Es ist vor allem ein emotionales,
psychologisches Motiv.
Eine Vision hat auch die Funktion,
den Handlungen eine Orientierung zu
bieten. Denn es besteht die Gefahr, für
eine neue Welt zu kämpfen und schlussendlich einen Zustand herbeizuführen,
der in dieser Art gar nicht gewünscht
war. Das ist immer wieder passiert.
Wir müssen also wissen, was wir erreichen wollen. Wenn wir etwa partizipative Ökonomie als Ziel haben, hat
das Implikationen für die Organisation
und Entwicklung der Bewegung; für
die interne Arbeitsteilung wäre das zum
Beispiel die Einrichtung ausgewogener
Arbeitsbündel. Unser Aktivismus sollte
zu jener Wirtschaft führen, die wir anstreben. Wir müssen darauf achten, keine
bestehenden Hierarchien und Entlohnungsnormen zu reproduzieren. Wir
sollten konkrete Alternativen zu den
derzeitigen ungerechten internationalen
Beziehungen erarbeiten, Forderungen
an Organisationen wie IWF und Weltbank richten – mit der klaren Perspektive,
wohin das führen soll. Keine Vision zu
haben, ist wie zum Flughafen zu gehen,
ohne zu wissen, wohin man fliegen
will. Geld herzugeben und sich einfach
irgendein Ticket ausstellen zu lassen,
führt einen vermutlich an einen Ort, an
welchem es unter Umständen noch
schlechter ist. Dasselbe gilt für soziale
Ziele.
Buchtipp:
Michael Albert
Parecon: Leben nach dem Kapitalismus
übersetzt von Helmut Richter
350 Seiten
18 Euro
ISBN 3-931786-33-1
Neuerscheinung im Oktober 2005
erschienen beim Trotzdem Verlag
RONAHÎ
Das 4. YXK-Sommercamp
Teilnehmer des Sommercamps
“Das Leben in der
Akademie soll nach
kommunalen Werten
gestaltet werden,
welche sich an
der Ideologie von einer
demokratischen,
ökologischen und
geschlechterbefreiten
Gesellschaft
orientieren.
Dementsprechend
besuchen verschiedene
Gruppen
die Akademie zu
Lehrgängen, in die sie
ihr spezifischen Wissen
und die ihr
charakteristischen
Anforderungen
einbringen”
Eine/ ein TeilnehmerIn des Camps
Die Sommercamps zählen zu den
wichtigen verbandsweiten Veranstaltungen der YXK. Sie ermöglichen den
wichtigen intensiven Austausch unter
den YXKlerInnen über einen längeren
Zeitraum und sollen mit dem Erproben
des gemeinsamen Lernen und Lebens
eine Idee von dem vermitteln, was außerhalb des Studieren im System möglich
ist. Dieses Jahr konnte das YXK-Sommercamp bereits zum vierten Mal organisiert werden. Allerdings unterschied
es sich grundlegend von den vorherigen
Camps.
Das 4. YXK-Sommercamp fand vom
7. bis zum 13. August 2011 in der Mesopotamien Akademie für Gesellschaftswissenschaften im belgischen Charleroi
statt. Diese Akademie wurde am 4.
April diesen Jahres eröffnet und soll
eine neue Form des gemeinsamen Lernens und Lebens aufgreifen. Die Schranke zwischen Lehrenden und Lernenden
wird aufgehoben. Gemeinsam werden
sich Themen erarbeitet und der Austausch, die zielgerichtete Diskussion ist
Anliegen des Unterrichts. Des Weiteren
wird ein ganzheitlicher Lernansatz verfolgt. Das Lernen beschränkt sich nicht
nur auf die Unterrichtszeit, sondern
auch auf die Arbeit im Haushalt und im
53
Garten. Allen BewohnerInnen der Akademie kommen die gleichen Aufgaben
zu und niemand soll den kollektiven
Arbeiten fern bleiben können. Das Leben
in der Akademie soll nach kommunalen
Werten gestaltet werden, welche sich
an der Ideologie von einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft orientieren. Dementsprechend besuchen verschiedene
Gruppen die Akademie zu Lehrgängen,
in die sie ihr spezifischen Wissen und
die ihr charakteristischen Anforderungen
einbringen.
Das YXK-Sommercamp bildete den
fünften Lehrgang (Phase genannt), der
in der Akademie stattfand. Unserer
Phase gaben wir den Namen „Hüseyin
Çelebi“ in Gedenken an unseren Ehrenvorsitzenden. Die TeilnehmerInnen der
Phase, die ausdrücklich zu BewohnerInnen der Akademie erklärt wurden,
teilten sich auf drei Kommunen auf,
die sich an der Verteilung der Schlafplätze
orientierte: Kommune „Agit“, Kommune
„Halim Dener“ und Kommune „Dara
Jiyan“. Die BewohnerInnen der Akademie wählten darüber hinaus ihren
Akademievorstand aus drei GenossInnen
und zwei weitere GenossInnen, denen
die Aufgabe der Logistik übertragen
wurde. Die Kommunen trafen sich jeden
Abend, um gemeinsam den Tag auszu-
RONAHÎ
werten und Verbesserungsvorschläge
zu sammeln. Die Ergebnisse dieser tekmil (Versammlungen) wurden jeden
Morgen vom Akademievorstand zusammengetragen und vorgestellt, Beschlüsse wurden von den BewohnerInnen
gemeinsam getroffen. Die einzelnen
Kommunen waren für die Organisierung
ihres Lebens innerhalb der Kommune
selbst verantwortlich, sodass sich schon
nach kurzer Zeit ein Verantwortungsgefühl unter den GenossInnen füreinander entwickelte. Des Weiteren übernahmen die BewohnerInnen als Kommunen Aufgaben für die gesamte Akademie, so wurde stets gemeinsam gekocht und geputzt. Dieser kommunale
Geist des Zusammenlebens ergriff
schnell die meisten der GenossInnen,
das Gefühl der Gemeinsamkeit und des
Zusammenhaltes erstarkte merklich.
Die YXK-Jin fand während der
Phase Zeit zur Selbstorganisierung und
nutzte den Raum, um sich losgelöst
von den Genossen mit der Geschlechterfrage auseinanderzusetzen (siehe
hierzu auch den Artikel der YXK-Jin
in der vorliegenden Ronahî-Ausgabe
Nr. 33). Neben den Seminaren, die
fast den gesamten Tag ausfüllten, wurde
morgens oder abends eine Stunde Kurdisch-Unterricht gegeben. Für ein Freizeitprogramm ließen die anstrengenden
Tage kaum noch Raum. Die Freizeit
in den Mittagspausen oder am Abend
wurde zur fortführenden Diskussion
aus den Seminaren genutzt, wir spielten
gemeinsam Gesellschaftsspiele oder
Fußball und schauten zusammen einen
Film, wenn die Kräfte nicht mehr reichten noch produktiv zu sein.
Die meisten Zeit des Tages widmeten
wir den Seminaren, der intensiven Bildung und Diskussion. Themen des diesjährigen Sommercamps waren die Geschichte des kurdischen Widerstands
(2. Tag), die Demokratische Zivilisation
(3. Tag), die Kapitalistische Moderne
und die Jugend in Europa (4. Tag),
sowie gesellschaftlicher Sexismus (5.
Tag) und Orientalismus (6.Tag). Den
letzten Tag nutzten wir gemeinsam, um
das 4. YXK-Sommercamp auszuwerten
und die kommenden Aufgaben und
Planungen der YXK zu besprechen.
Die Seminare nahmen jeweils einen
gesamten oder gar anderthalb Tage Referat, Fragen, Diskussionen und vor allem Überlegungen und Reflexionen
ein, sodass hier nur kurz der Inhalt angerissen werden kann und sich außerhalb
dieses Artikels mit den Inhalten befasst
werden muss.
Die Geschichte des kurdischen Widerstandes:
Warum ist „Geschichte“ wichtig?
Warum sollten sich YXKlerInnen die
Geschichte des kurdischen Volkes, ihre
eigene Geschichte aneignen? Die Geschichte und das Wissen um sie stellen
ein kollektives Gedächtnis dar, aus diesem Gedächtnis heraus kann sich ein
gemeinsamer Widerstand und die miteinander geteilten Werte einer demokratischen Moderne entwickeln. Vor
diesem Bewusstsein legte der Referent
die Geschichte des kurdischen Volkes
dar. Der fehlenden Zeit geschuldet,
konnte die Darstellung der Geschichte
nur schemenhaft erfolgen.
Die Geschichte des Kyaxares, der
die Stämme der MederInnen, auf welche
die KurdInnen zurückzuführen sind,
im Widerstand gegen das Assyrische
Reich 715 v. Chr. einigte und somit
das Reich Medien als Stammes-Föderation begründete, stellt den ersten Widerstand der kurdischen Geschichte dar,
dem es gelang die Spaltung in Stämme
zu überwinden und die Kräfte des
Volkes zu vereinen. Den ersten Verrat
in der kurdischen Geschichte beging
Harpagos, ein Adliger aus der medischen
Oberschicht, der die Widersprüche in54
nerhalb Mediens zu seinen eigenen
Vorteilen nutzte, indem er sich mit den
verfeindeten PerserInnen verbündete.
Harpagos' Verrat ist der erste in der
kurdischen Geschichte am eigenen Volk,
sein Verrat ist die erste Lähmung des
kollektiven Gedächtnisses der KurdInnen. Diese Geschichte von Fremdherrschaft und Assimilierung, die im
kollektiven Verrat gegenüber der eigenen
Identität und Geschichte gipfelt, wurde
durch Alexander den Großen, das Römische Reich, die Islamisierung, den
Einfall der TürkInnen und die Errichtung
des Seldschuken-, sowie des Osmanischen Reiches durch diese über die
Völker Anatoliens und Mesopotamiens
gebracht, vor allem auch über die KurdInnen.
Nach dem ersten Weltkrieg und dem
Zerfall des Osmanischen Reichs wurden
die KurdInnen den Interessen der jungtürkischen Revolution, welche die
Führung in der neu-ausgerufenen Republik Türkei erlangt hatte, und den
imperialistischen Mächten Großbritanniens und Frankreichs geopfert. Bereits
seit dem Soran-Aufstand von 1836 leisteten die KurdInnen gegen den Zentralstaat erbittert Widerstand, der sich
in bis heute 29 Aufständen äußerte.
Die 28 ersten Aufstände wiesen stets
die Mängel einer fehlenden Einheit,
einer fehlenden gemeinsamen Ideologie
und fehlenden Wissens um die größeren
Zusammenhänge der Unterdrückung
auf. Der Şêx Said-Aufstand von 1925
in Dersim zeigt die Möglichkeit diesen
28. Aufstand zu zerschlagen, indem er
diffamiert wurde, seine Führung exekutiert und seine Einheit gespalten wurden. Dieser letzte Widerstand der KurdInnen führte zur unvorstellbaren Rache
des Staates gegen jegliche Autonomiebestrebungen, sodass er im Völkermord
gipfelte. Deportationen, Massenmorde,
systematische Assimilation und Gräueltaten gegen die Menschlichkeit brachen
RONAHÎ
über das kurdische Volk herein: Es soll
kein Stein mehr auf dem anderen liegen!
Diese Grausamkeiten brennen sich auch
in das kollektive Gedächtnis des kurdischen Volkes ein. Die Studierenden,
die 1972 den 29. kurdischen Aufstand
begannen, sind Kinder dieser Geschichte,
dieses Erbes, auf das sie die PKK gründeten.
Diese Jugendlichen wurden an türkischen Hochschulen politisiert, erlebten
die Ereignisse des weltweiten Aufbruchs
Ende der 1960er Jahre und waren doch
von tiefer Assimilation und Verleugnung,
systematischer Gewalt und offenem
Rassismus gezeichnet. Gerade die Anfangsjahre der PKK nach der Zeit der
ideologischen Gruppe (1972-1978) und
der Parteigründung bis zum Beginn
des bewaffneten Kampfes (1978-1984),
die im Nachhinein als erste Phase des
Freiheitskampfes charakterisiert wurde,
ist eine Zeit des erbitterten Kampfes
gegen die staatliche und feudale Übermacht, ein Kampf gleich Don Quixotes
gegen die Windmühlen, und doch ist
es auch eine Zeit des Aufbruchs, eine
Zeit des Widerstandes. Dieser Widerstand wurde vor allem in den türkischen
Gefängnissen geführt. Allein die Behauptung KurdIn zu sein reichte, um
Menschen in diesen Folter- und Todesmaschinen umkommen zu lassen, damit
ihnen jegliche Menschlichkeit genommen würde. Viele GenossInnen wurden
in den Gefängnissen gewaltsam aus
dem Leben gerissen, an niemandem
ging die Folter spurlos vorüber. Trotzdem
wurde den KämpferInnen für die Freiheit
des kurdischen Volkes klar, was Leben
überhaupt bedeutet: Berxwedan jiyan
e! Widerstand ist Leben!
Die Demokratische Zivilisation/ Das
Geschichtsverständnis
Rêber Apos:
Grundlegende Wichtigkeit für ein
Verständnis der Ideologie von der demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft ist das
Geschichtsverständnis Rêber Apos. Das
Individuum und die Gesellschaft können
nicht von ihrer Geschichte getrennt
werden. Während bürgerliche Geschichtsschreibung Geschichte als losgelöst von Menschen und Gesellschaften
betrachtet, versucht sie die Geschichte
aus der Sicht der Herrschenden und als
alternativlos, sowie abgeschlossen darzustellen. Demgegenüber steht eine
linke Geschichtsauffassung, die Geschichte als „Aufhebung“ (im doppelten
Sinne: bewahrend, aber auch beendend)
des Altern im aber auch durch das Neue
begreift. Diese Entwicklung setzt sich
kontinuierlich in Form der Dialektik,
der Einheit und Verschmelzung der Gegensätze fort.
Rêber Apo knüpft an linke Denkströmungen an und entwickelt darauf
basierend seine eigenen Vorstellungen.
Er sieht die gesellschaftlichen Widersprüche als Triebkraft für Geschichte,
jedoch nicht ausschließlich in der Reduzierung auf Klassenkämpfe. Stattdessen bildet die zentrale treibende
Kraft der Widerspruch zwischen der
natürlichen/ demokratischen Gesellschaft
55
und der Herrschaft/ dem Staat. Die
Werte der natürlichen Gesellschaft, des
kommunalen Lebens finden sich in
allen Gesellschaften der Geschichte
wieder, doch werden sie von gesellschaftlichen Gruppen, welche die Mentalität der Herrschaft den kommunalen
Werten entgegensetzen und versuchen
die natürliche Gesellschaft zu bekämpfen, unterdrückt. Der Geschlechterwiderspruch bildet diesbezüglich den tiefsten Widerspruch, er etabliert in der
sonst egalitären und kollektiven natürlichen Gesellschaft das Denken in
Herrschaftskategorien. Das kollektive
Gedächtnis von der natürlichen, herrschaftsfreien Gesellschaft lässt Herrschaft als negativ empfinden. Dieses Wesen
von Gesellschaft steht im grundlegenden
Widerspruch zur Herrschaft. Von daher
bilden das historische Subjekt, diejenigen
Menschen, welche Geschichte vorantreiben, die in jeglicher Hinsicht Unterdrückten. Dieser Herrschaft, die heute
am deutlichsten in Form des Staates
auftritt, muss grundsätzlich entgegengetreten werden, der Herrschaft darf
sich nicht hingegeben werden. Dies
war auch der größte Fehler der sozialistischen Bewegung bis Ende des letzten
Jahrhunderts. Sie setzte auf den Staat
RONAHÎ
und alle ihre Errungenschaften konnten
innerhalb kürzester Zeit vereinnahmt
werden.
Demgegenüber setzt die Ideologie
von der demokratischen, ökologischen
und geschlechterbefreiten Gesellschaft
eine Alternative. Ihr Demokratiemodell
beruht auf Gruppen, nicht auf Individuen.
Das Individuum findet sich in den einzelnen Gruppen (der Kommune, der
Ethnie, dem Geschlecht, dem Alter, der
Berufsgruppe, der Religionsgemeinschaft etc.), die sich jeweils in Räten
organisieren, wieder. Des Weiteren ist
das Demokratiemodell Rêber Apos ein
direktdemokratisches, das heißt, dass
eine direkte Beteiligung der Menschen
ohne Abgabe ihres politischen Willens
unerlässlich ist, diese organisiert sind,
teilnehmen und teilhaben und in ständiger politischer Diskussion stehen.
Demokratie bedeutet für Rêber Apo
Politik, die außerhalb des Staates, des
Denkens in Herrschaft stattfindet.
Die Kapitalistische Moderne und
die Jugend in Europa:
Die 5.000-jährige Geschichte der
Staaten ist eine andere als die 300.000-
jährige Geschichte der Menschheit. Den
Jugendlichen wird allerdings bewusst
die Geschichte der Staaten, der Herrschenden gelehrt. Die Kapitalistische
Moderne ist ein gesellschaftlicher Genozid, das erbarmungsloseste System
der Geschichte, welches darauf abzielt
alle gesellschaftlichen Zusammenhänge
und Werte zu durchdringen und schließlich zu vernichten. Sie fußt auf den
drei Säulen der Kapitalanhäufung, des
Nationalstaates und der Industrialisierung. Das Übel der Staaten nahm seinen
Ausgang mit der Entstehung der Staaten
im Osten, der Kapitalismus hat seine
Wurzeln im Westen geschlagen. Die
demokratische Gesellschaft wird in jeglicher Hinsicht entmündigt und kriminalisiert, während sich der Staat als
Destillat von Herrschaft jegliche Macht
aneignet und sich selbst legalisiert. Der
technische Fortschritt kann heute allen
Menschen ein gutes Leben ermöglichen,
doch lässt dies der Staat nicht zu, es
wird nicht einmal gefragt, wie ein gutes
Leben für alle aussehen könnte. Stattdessen wird der Fortschritt in den Dienst
des Staates gestellt, um Gesellschaftlichkeit weiter zu zerstören.
Dementsprechend ist auch die (aka56
demische) Jugendbewegung sehr verletzt, man schaue sich nur im eigenen
Semester um oder frage die KommilitonInnen, ob sie wirklich glücklich
seien. Eigentlich bedarf es einer Therapie für die Studierendenschaft und
Jugend in Europa, doch niemand nimmt
sich dieser Aufgabe an. Eine Gesellschaft muss mit der Politik verbunden
sein, um eine Gesellschaft zu bleiben.
Der Staat zielt darauf ab die Gesellschaft und als bedeutende gesellschaftliche Gruppe die Studierenden von
der Politik zu trennen. Eine Gesellschaft
muss nicht nur politisch, sondern auch
organisiert sein, damit sie eine wirkliche
Gesellschaft ist. Jedes Mitglied der
Gesellschaft muss zu einem selbstständigen und verantwortungsvollen
Teil der Gemeinschaft werden und
sich in den Dienst der Gesellschaft
stellen, das ist es, was das System der
Kapitalistischen Moderne zu verhindert
sucht. Es geht nicht darum Menschen
zu bekehren oder ihnen einen Glauben
zu vermitteln, es geht darum, dass
sich kein kurdischer Jugendlicher, keine/ kein StudentIn und kein Mensch
überhaupt diesem System der kapitalistischen Moderne hingibt und seine
eigene Menschlichkeit verrät.
Der gesellschaftliche Sexismus:
Sexismus ist die ideologische und
institutionalisierte Unterdrückung, die
über das Geschlecht zugeschrieben
wird. Er manifestiert sich in gesellschaftlichen Normen, die zwar institutionell verankert, aber individuell verinnerlicht werden. Die Geschichte der
Herrschenden ist nicht zuletzt die Geschichte des Patriarchats. Dem 5.000jährigen Patriarchat ging ein 4.000-jähriger Kampf voran, indem sich die
Herrschaft über das Geschlecht erst
durchsetzte. Dieser Widerstand der Frau
ist in vielen Sagen festgehalten, doch
RONAHÎ
aus der Geschichtsschreibung weitestgehend gestrichen worden. Das Patriarchat hat sich mittlerweile zu einer
Ideologie entwickelt, die über die Medien, die Bildung, die Erziehung in alle
Gesellschaftsbereiche getragen wird
und vor allem durch Religion, Philosophie, Wissenschaft und Justiz manifestiert werden.
Im Grunde geht es bei der Befreiung
vom Patriarchat zuerst darum, sein eigenes Denken von der Mentalität der
Herrschaft freizumachen. Erst dann
kann eine Geschichte der Frau und der
geschlechterbefreiten Gesellschaft geschrieben werden. Der Apoismus greift
die unterschiedlichen Schwerpunkte
anderer revolutionärer Ideen auf: Staat
und Macht des Anarchismus, Kapital
vs. Arbeit des Marxismus, Umwelt des
Öko-Anarchismus, die Gesellschaft des
Kommunismus und nicht zuletzt der
Geschlechterwiderspruch des Feminismus. Der Ideologie von der demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft umfasst all die
geschichtlichen Widersprüche und versucht den Widerstand gegen die Herrschaft zu bündeln.
Orientalismus:
Die Sicht des Westens auf den Osten
hat sich in den letzten hunderten Jahren
derart herausgebildet, dass sie von Vorurteilen geprägt ist. Dem Osten werden
exotische Attribute zugeschrieben, wobei
er allerdings auf seine Kultur, Gesellschaft und Geschichte reduziert wird.
Des Weiteren wird der Osten als rückständig dargestellt, dem es aus Sicht
des Westens zu helfen gilt. Diese Mentalität schlägt sich in der Praxis nieder,
etwa wenn der Westen „die Demokratie“
in die Länder des Ostens tragen will.
Der Westen hingegen wird mit durchweg
positiven Attributen aufgeladen: fortschrittlich, ethisch, zivilisiert, gebildet,
reich, schön etc. Diese Sichtweisen des
Ostens aber auch des Westens schlagen
sich in der Wissenschaft, den Medien,
der Politik, der Kultur nieder und erringen einen so hohen Grad des Rassismus, dass sie in der Bezeichnung
des Orientalismus gipfeln. Der Orientalismus umfasst also nicht nur Menschen des Nahen und Mittleren Ostens,
sondern alle Coloured-People, also
Menschen, die nicht zu den weißen
Ethnien des Westens gehören.
Dieser Orientalismus findet im Alltag einen großen Widerhall, etwa in
der europäischen Integrationsdebatte.
Integration widerspricht einer Gleichberechtigung, einem Entgegentreten
und Miteinander-Leben auf Augenhöhe. Die Jugend spielt dabei eine
zentrale Rolle, so stehen sich Integration und Jugend eigentlich als Gegensätze gegenüber. Die Jugend darf
sich nicht (in das System der kapitalistischen Moderne) integrieren lassen,
denn das würde bedeuten, dass sie
ihren Drang sich Wissen anzueignen
und nach der Wahrheit zu streben,
aufgibt und sich dem Strom der Masse
hingibt. Doch nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.
Zwischen der Frauenunterdrückung
und dem Orientalismus gibt es viele
Parallelen, die solche Herrschaftsverhältnisse besser begreiflich machen.
Ziel ist es den Osten/ die Frau zu unterdrücken, wofür er/ sie zum Objekt
erklärt wird. Ihm/ ihr wird die Fähigkeit
abgesprochen selbst für sich zu denken
oder zu handeln, sondern gilt als
immer abhängig vom Westen/ Mann.
Dem Osten/ der Frau werden die
eignen Ideen, die Errungenschaften,
die Werte und die Geschichte geraubt,
bis sie selbst die Empfindung verinnerlichen, dass das herrschende System
der Unterdrückung richtig sei. Ist
dieses System erst einmal errichtet,
werden einzelne Zugeständnisse an
die Unterdrückten gemacht, so kann
57
eine Frau Bundeskanzlerin oder ein
Schwarzer US-Präsident werden, doch
an dem System ändern solche Zugeständnisse nichts. Trotzdem müssen
solch Zugeständnisse erst erkämpft
werden und die Unterdrücker stellen
sich paternalistisch dar, dass die Unterdrückten für Zugeständnisse noch
dankbar sein sollten.
Der gesamte heutige Ist-Zustand
wird vor allem von der Jugend zunehmend unhinterfragt angenommen.
Vor all dem Leid können aber nicht
länger die Augen verschlossen bleiben.
Dem Orientalismus, aber auch anderen
Widersprüche wie der Geschlechterhierarchie, kann eine gut organisierte
Gesellschaft entgegentreten. Es reicht
nicht nur die Widersprüche zur Kenntnis zu nehmen oder sie zu studieren,
sondern sie müssen aktiv überwunden
werden, wozu es die Vision einer Alternative bedarf. Die Ideologie einer
demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft bildet
hierfür eine Möglichkeit, sich eine
Alternative zum herrschenden Status
Quo zu schaffen.
Das vierte YXK-Sommercamp hat
den TeilnehmerInnen viele neue wichtige Perspektiven eröffnen können,
die an dieser Stelle nur angerissen
werden konnten. Ach die ganze Woche an Bildung reichte bei weitem
nicht aus, um sich die gesamten Themen zu erarbeiten. Darum ist es
wichtig sich dieser Denkanstöße anzunehmen und sich die Themen
selbstständig anzueignen. Nur ein
breites Wissen über die Geschichte
und Gesellschaft kann eine politische
Praxis erfolgreich werden lassen.
Mit der voranschreitenden Bildung
der europäischen Jugend wird der
Prozess der Demokratischen Autonomie in Kurdistan nicht nur begleitet, sondern auch in Europa aufgegriffen und vorangetrieben werden.
RONAHÎ
Neçûnhatîme
Miriyekî neşûştî me li ser mewşiya çavên te
Laşekî genîbûyî,
Bêhneke ji bîra miraran,
Meyîtekî axnediyîme di navbera biriyên te
yên li hevdurî.
Bê dua hatim şewitandin bi agirê cehnima
te.
Marîpişteke ji hevdeketîme li ber bayisoka
bevilên te.
Çêrmekî kurmlêbarî,
Çavvekiriyekî neçûyîme di dergûşeke nehêjanti de
RAWİN STERK
Rawin Sterk, di sala 1981'an de li
Bûwûka (Bağlıca) gundê bi ser Semsûrê ve ji dayik bû. Dibistana seretayî
li vir, lîse li Meletiyê xwend. piştre li
zanîngeha silêman demirel, di bêşa
şano de bi cî bû. nêzî 5 sala di gelek
saziyan de rojnamegerî jî kir. di gelek
lîstikên şano û kurtefîlman de cî girt.
di sala 2010'an de li stenbolê komeke
şanoyê a bi navê Teatra Demsal avakır û lîstika Turgay Nar a bi navê
Sergo, bi kurdî anî ser dikê. Di rojnameyê wek, Ozgur Gundem, Ozgur Politika, Azadıya Welat, Radikal,
Cumhurîyet de û di kovarên wek, W,
esmer, amigra, qijika reş û gelek malperên internetê de nivîsên wî hatin
weşandin. Sterk, niha li stenbolê dijî
û di warê sînema û nivîsîna senaryoyan de xebatên xwe dimeşîne. çend kitêbên ku ji tirkî wergerandî kurdî jî li
ber çapkirinê ne...
Peywendi: [email protected]
05324244928
Bostan mh. Dilbaz sk. No. 2/4
Beyoğlu
İstanbul
Zindiyê yekem ê şahide xwekuştina xwe,
Li xwe mikurhatekî qewirandîme li neh
gundan.
Xofgirtekî tirsnak,
Qebûlnebûyekî goristanan,
Ne li dêran bi weftîz, ne jî hitinşûştiyeki li
mizgeftan.
Dilteresekim êdî qirêjgirtekî berling.
Bê olekî redkirîme li binevşa xwedayê teyî
zalim
Geflêxwarekî çar kitêban,
Xêreke jebirîme êdî li çoltêra zimanê te
Bira zerzengkirîbe,
Xemalindî û xweşkujêrbe gotinên te yên li
minbarî
Tenê dilopekim ji çavên te, nebarî
Rawin Sterk
58
RONAHÎ
Pirsgirêkên Dîrokî û Civakî
Azad Sîser
“Rêberê me bi
Manîfestoya Şaristaniya
Demokratîk re nêzîkatî
û nêrînên teng ên ji
pirsgirêkên dîrokî û
civakî re derbaz kir, bi
şîroveyên xwe yên nû re,
bi awayek kûr, felsefeya
yekpareyî û dîyalektîk ji
nû ve pênase dike”
Rêberê me bi Manîfestoya Şaristaniya Demokratîk re nêzîkatî û nêrînên
teng ên ji pirsgirêkên dîrokî û civakî
re derbaz kir, bi şîroveyên xwe yên
nû re, bi awayek kûr, felsefeya yekpareyî û dîyalektîk ji nû ve pênase
dike.
Ji ber pirsgirêkên civakî hatine asteke wisa ku; civak ji civakbûnê hatiye
derxistin û civak hatiye anîn asta qedandinê. Dînamîkên bingehîn yên civakê hatine perçiqandin, qadên ehlaq
û polîtîka ku raçingên (doku)civakê
ne hatine anîn rewşeke ku nikaribe
kar bike û civak vekirî hatiye hiştin ji
her cureya mêtingeriya hêzên hegemonîk û yekdest re. Ji ber vê jî neçare
bi awayekî yekpareyî ji nû ve pirsgirêkên civakê werin destgirtin û rêbazekî çareseriyê were pêşxistin.
Pirsgirêkên civakî çawa
derketin holê?
Pirsgirêkên civakî ew pirsgirêkên
ku bi destê mirov hatine afirandin in.
Pirsgirêkên civakî bi xirabûna têkiliyên
di navbera kesayet-civak, xwezacivak, jin û zilam de derketine holê.
Piştî civak ji pêşketina xwe ya xwezayî
hate qûtkirin û ev pêşketin ji aliyê
pergala zilamê desthilatdar ve ji rê
hate derxistin şûndetir, herku çû pirsgirêkên civakî zêde bûn û di nava
pêşketineke herdayîm de heya roja
me ya îro hat.
59
Destkeftiyên madî û manewî yên
di civakê de têne qezenckirin piştî rahîbên Sumeran xesp dikin, berhema
bermayî digirin destê xwe û pergala
xwe didamezirînin; bîrdoziya vê derdixînin holê şûndetir yekemîn car xirabûna civakî di dîrokê de derdikeve
holê û van pirsgirêkan bi kûrbûnê ve
heya roja me ya îro hatine. Li serê hêzên ku weke sazî û pêkhateyan nirxên
bermayî xest dikin û civakê di bingeh
de digewirînin (oyma) de yekdestên
(tekel) sermaye û îqtîdarê tên. Eger çi
bi destê dewletê be, çi jî taybet be nirxên bermayî bi rêkên çandinê, sanayî
û tîcarî hatibine gel hev, tê wê wateyê
ku yekdest çêbûne. Tekelên ku di qada
aborî, leşkerî, polîtîk, tîcarî û bîrdozî
de çêbûne tevahî nirxên bermayî û
berhemên bermayî yên ji keda civakê
mêtine û bi qasî hêza xwe di navbera
xwe de parvekirine. Vana di nava
dîrokê de dabeşî saziyên cûrbecûr
bûne. Lê weke cewherîn heya roja
me ya îro domane.
Şaristaniya Navendî him encam
him jî sedema pêşketina zîncîrî ya
yekdestiyê ye
Dema yekdest xwe bi berfirehkirinê
û mezinkirinê re gihandiye roja îro,
civak jî ji kevneşopiyên xwe yên dîrokî
hatine qûtkirin, hatine bê bextkirin û
mêtingerkirin. Sedemên ku pirsgirêkên
civakî dizên bajêr, çîn û dewlet e ku
RONAHÎ
cewherê yekdestan çêdikin. Herku
derfetên nirxên bermayî zêde bûn,
yekdestî zêde bûne, têşeyên bajêr,
çîn û dewlet li pey hev hatine damezirandin. Ji bo ku van pêkhateyên rewabûna xwe çêbikin kevneşopiyên
hişk/tund çêkirine û ti çîrok-meselên
derew nemane ku pêşnexistine. Di
pêşketinên dîrokî de pêkhateyên weke
saray, gor, tapinax û stadyum ên bi
keda mirov hatine çêkirin, dibin şanîkerên hêzên yekdest. Piştî pirsgirêkên
civakî hatin damezirandin şûndetir
gelek bîrdoziyên dij pergal xwestine
pirsgirêkan çareser bikin. Lê ji ber
pirsgirêk rast pênase nekirine û rast
tehlîl nekirine, nikarîne çareseriya
rast jî danin holê. Mînak; ji bo pirsgirêkan çareser bikin teologî nêzîkatiyên olî pêşkêş dikin, Marksîstî jî
tenê ji aliyê aborî ve tehlîla çînî dikin
û hewl dane bi venêrîneke teng ve
pirsgirêkan çareser bikin. Lê ji ber
nekarîne pirsgirêkan di çavkaniya
wan de çareser bikin bi demê re nikarîne xwe ji ketina bin xîzmeta pergalê rizgar bikin.
Dema şaristaniya dewletî pirsgirêkan digire dest xwe dike navend,
xwe bi anîna asta nedestdayînê ve
qismeke elît esas digire, qismên din
ên civakê jî neyî dihesibîne. Nêzîkatiya
Zanyariya Pozîtîvîst jî civaka xwezayî
dadixîne ser hezaran diyardeyan, nirxên wan ên civakî çalexwer dike û
didaxîne bin xîzmeta desthilatdar;
wekî ku tu car nehatine jiyîn nêzî
berxwedanên civakî dibe. Ji ber vê jî
zêdetirî çareserkirina pirsgirêkên civakî
girantir kiriye û van pirsgirêkan bi
pêvajoya modernîta kapîtalîzma îro
re gihiştiye rehenga kanserolojî yê.
Ekol û hizrên cûrbecûr hene ku
xwedî nêrînin di derbarê pirsgirêkên
civakê yên bingehîn in. Mînak; anarşîst
her cûreya otorîte û teşeyên dewletê
red dikin, lê nikarin projeyeke çareseriyê deynin şûna wê. Ji ber Femînîst
pirsgirêkê di ferq û cûdahiya di navbera
jin-zilam de dibînin û bi awayekî seranser pirsgirêkê dadixin ser her du
zayendan, nikarîne bersivekê ji pirsgirêkên civakî re çêbikin. Ji derveyî
vana hinek îqtîdar û dewletê, hinek
xîzanî û bêkariyê, hinek mîlîtarîzmê
û hinek jî ketina ehlaqî weke pirsgirêka
civakî dibînin. Tevî para rastiyê di
van tevahiyan de heye jî, lê nekarîne
xwe bigihînin çavkaniya pirsgirêka
civakî. Ji ber vê sedemê jî bersivek
60
neafirandine ji pirsgirêkê re.
Paradîgmaya Marksist; bi awayekî
yekpareyî pirsgirêkên civakî negirtiye
dest, civak tenê ji aliyê du çînan ve
girtine dest û pirsgirêka bingehîn ya
civakî nedîtine. Tevî berxwedan û
têkoşînên pir mezin pêşkêş kirine jî,
ji ber nekarîne bi awayekî rast pirsgirêkên civakî tehlîl bikin, piştî demekê şûndetir bûne cîgirê (yedek)
şaristaniya dewletî. Rêberê me him
pir rexne li şaristaniya dewletî him jî
li venêrîna paradîgmaya Marksîst kiriye û bi pêşxistina dewlemendiya
rêbaz re bi awayek yekpare pirsgirêkên civakî digire dest û çareseriya
wê pêş dixîne. Diyar dike ku şaristanî
û şaristiniya kapîtalîst ne têşeyekê
civakê ye, vana rûyê din yê madalyon
in, lê rûyê wê yê din jî civaka xwezayî
çêdike. Ango şaristanî, xwe li ser
nirx û nuveyên civaka xwezayî kirine
heyîn.
Civak çî ye?
Civak ew komcivaka mirov ya ku
di erdnîgariyeke diyar de dijî, xwedî
berjewendiyên hevpar e, di navbera
wan de piştevanî û nûkertî heye,
xwedî çandeke hevpar e û xwe birêxistin kiriye. Cihê hevpar, ax, berjewendiyên hevpar, çand û rêxistin
kevirên bingehîn yên civakekê çêdikin. Civak organîzmayeke zîndî ye.
Di avahiyeke ku dînamîk e, diguhere
û veduguhere de ye. Di civakîbûnê
de hertimîtî û nejêbirînî (kesintîsîzlik)
heye. Li ku derê zîndî hebe, li wir civak û komcivak heye. Di tevahî qadên
madî-manewî de, di mercên wextcîh de rastiyên civakî têne damezirandin, têne selihandin, têne hilweşandin û şûna wê cihên nû têne avakirin.
Ji ber rastiyên civakî ew rastiyên ku
hatine damezirandin in. Bi qabiliyeta
mirov têne damezirandin. Civak ne
damezînekên sermirovahî ne. Wekî
RONAHÎ
ku ji aliyê mirovan ve hatine damezirandin, ew bi xwe jî kesayetên
mirov didamezirîne. Ya civakekê dike
civak, nirxên wê yên manewî ne.
Van nirxên manewî jî; diyardeyên
weke ehlaq, polîtîka û zîhniyet in.
Civak xwe bi van re îfade dike û nasnameya xwe bi saya vana çêdike.
Dema rastiyên civakî weke yên li
jor de hatine îfadekirin in, lê civaka
kevneşopiyên dewletê, avahiyên olî
û bîrdoziyên dewletî weke avahiyên
statîk ku nayên guhartin ser civakê
têne ferzkirin, hewl didin civakê bi
xew ve bibin û bi vî rengî hewl didin
serhildan û têkoşînên civakî bisînor
bikin. Cîhazên weke îqtîdar, mêtinger
û berjewendiyan jî weke hebûnên
xwedayî didin nîşandan, rengdêrên
weke dest nikare lê were dayîn, pîroz
û mezin in lê bardikin û bi vî rengî
hewl didin desthilatdariya xwe li ser
civakê pêkbînin. Ango dikevin nava
nêzîkatiyeke weke hertişt di mucîda
çarenûsê de pêktê, eger di hênînûsê
(alınyazısı) de çi hebe wê ew pêk
were de ne. Ji bo vê jî amûrên bîrdozî
pêşdixînin. Van amûran; amûrên olî,
hizrî, hunerî, çandî û medyatîk in.
Pirsgirêkên civakî ew pirsgirêkên
ku bi destê mirov hatine
damezirandin in
Me li jor de jî diyar kiribû ku bi
destê mirovan pirsgirêkên civakî hatine
çêkirin. Wê demê gelo, em dikarin ji
her pirsgirêkên ku di civakê de têne
jiyankirin re bêjin pirsgirêka civakî?
An jî ma civakan di dîroka xwe de pêvajoyeke bê pirsgirêk jiyan nekirine?
Mînak; gerûşeyên (afet) xwezayî
gerûşeyên ku ji derveyî vîna mirov in
û em nikarin ji van re bêjin pirsgirêkên
civakî. Felaketên weke erdhej, hezaz
(heyelan), ziwayî, şewitîna daristanan
û nexweşiyên cûbecûr ên şewbê, ne
pirsgirêkên civakî ne. Lê pirsgirêkên
civakî ew pirsgirêkên ku bi destê
mirov hatine damezirandin in. Û bi
giştî jî piştî ku civaka xwezayî li
berveyî şaristaniyê ve hate birin şûndetir pirsgirêkên civakî derketine holê,
ku ev jî xwedî dîrokeke pênc hezar
sal e. Ev pênc hezar sal jî tenê ji %2
dîroka civakan pêktîne. %98 jî di
têşeya civaka xwezayî de pêşketiye û
di vê wexta %98 de jî mirov nayê rûberûyê ti pirsgirêkên civakî. Ji ber feraseta jiyaneke wekhev û komînal
serwer e. Dîyardeyên weke dewlet,
îqtîdar, mêtingerî û çînahî nîne di van
civakan de û civak biyaniyê têgehên
wekî vana ye; zîhniyeta wî jî dest
nade pêkhateyên wisa. Ji ber bi gelemperî jine ya ji vê civakê re pêşengiyê
dike û rengê xwe didê, bi hezaran
salan li hemberî şaristiniya dewletî
ya pişt re derketiye holê têkoşîn daye.
Me li jor de sedema derketina pirsgirêkên civakî diyar kiribû, ji derveyî
wê jî me venêrînên cûrbecûr û nêzîkatiyên cûrbecûr yên di derbarê pirsgirêka civakê re jî diyar kiribû. Em li
vir careke din jî pêwîst dibînin ku vê
bikirpînin; Rêbertî diyar dike ku pirs61
girêka bingehîn ew e ku civak ji civakbûnê hatiye derxistin. Eger civakek
hatibe vê astê ku nirxên hebûna wî
yên bingehîn nexebite û êrîş li dijî
van nirxan hebe, li vir pirsgirêk heye
û ev pirsgirêk mezin e. Me li jor de
qala nirxên bingehîn yên civakê kiribû.
Eger ehlaq û polîtîka ku raçîngên
(doku) bingehîn yên civakê ne hatibin
korkirin, li wê rewşê de be ku nikaribe
rola xwe bilîze, civak nikaribe jiyana
xwe ya xwezayî berdewam bike, nikaribe xwe bi xwe birêve bibe, nikaribe
di rastereya vîna xwe de bîryaran
bigre, ji lewra nikaribe xwe ji bûna
tabiyê pergalê û ketina bin mêtingeriya
wî de rizgar bike. Ev tê vê wateyê;
Raçinga ehlaqî û polîtîk ya civakê
hatiye anîndin asteke wisa ku nikaribe
bixebite û civak ji civakbûnê hatiye
derxistin. Ev rewş civakê bi demê re
tîne rewşa bêparastin, ku ji vê xalê
şûndetir jî êdî ji bilî nîjadkujiyan,
şkestina civakan derdikeve holê. Mînaka vê ya herî şênber jî di roja me ya
îroyîn de, di pêvajoya modernîta kapîtalîst de tê jiyîn. Pêşengiya modernîteya kapîtalîst jî DYE dike.
RONAHÎ
Di roja me ya îro de pirsgirêkên civakî gihiştiye lûtkeyê
Di roja me ya îro de pirsgirêkên civakî ku bi derketina şaristaniyê re
gelek têşe û rêjeyên cûda qezenc kiriye,
li her qadê gihiştiye lûtkê. Tevî tevahî
pêşketinên zanyar-teknolojîk, endûstriyel û yên din pirsgirêk nehatine çareserkirin, berevajî qetmer bûye û gihiştiye rehenga kanserolojîk. Çar salên
dawiyê yên şaristaniya Ewrûpa şahîdî
ji şerên zêdetirî tevahiya dîrokê kiriye.
Bi mîlyonan mirovan di van şeran de
jiyana xwe ji dest dane, welat hatine
rûxandin û jenosîd hatine jiyîn. Pirsgirêkên zîhnî, siyasî, aborî, leşkerî,
demografîk, ekolojîk gihiştine asta herî
jor û di maskekirin û kûrkirina pirsgirêkên civakê yên weke zayendîperestî,
neteweperestî û oldarî de, bi awayekî
pir girîng, rola negatîf lîstiye û dilîze.
Şaristanî di çavkaniya pirsgirêkên
civakî yên pênc hezar sal an de dirazê,
ku ji xwe şaristanî bi xwe bûye gloka
pirsgirêkên mezin. Hegemonya yekdestî
xwe xistiye nava tevahî qadên jiyana
civakê. Pirsgirêkên civakê bi modernîteya kapîtalîst gihiştiye rewşeke wisa
ku civak ji civakbûnê hatiye derxistin
û hatiye xistin nava şkestina civakê.
Hegemonya yekdestî ji bo bikaribe
civakê ji mêtingeriyê re vekirî bihêle
sanaltî afirandiye û hewl daye bi bombebarana medyayê re zîhna wan çelexwer bike û fetih bike. Civakan ji
kevneşopiya wan, ji dîroka wan qût
dike, wan tîne rewşa kêriyan û wan bê
vîn dihêle.
Me got ku yekdestiya sermaye û
îqtîdarê ku xespa berhem û nirxa bermayî pêktîne, çavkaniya pirsgirêkan
çêdike. Rêberê me di bin 12 de serekeyan de van pirsgirêkan hîn şênbertir
rêz dike. Vanan;
1- Pirsgirêka îqtîdar û dewletê
2- Pirsgirêka civakê ya ehlaq û polîtîka
3- Pirsgirêka civakê ya zîhniyet
4- Pirsgirêka civakê ya aborî
5- Pirsgirêka civakê ya endustriyalîzmê
6- Pirsgirêka civakê ya bajêrvaniyê
7- Pirsgirêka civakê ya çînahî û bîrokrasî
8- Pirsgirêka civakê ya zayendparêzî,
malbat, jin û nifûsê
9- Pirsgirêka civakê ya ekolojî yê
10- Pirsgirêka civakê ya perwerde
û tenduristiyê
11- Pirsgirêka civakê ya meteryalîzmê
12- Pirsgirêka civakê ya aştî û demokrasiyê
Pirsgirêka dewlet û îqtîdarê çavkaniya pirsgirêkên civakî ye. Fonksiyona
wî ya xwe ji derketinê heya roja me
ya îro ya bingehîn; civak bi bêhêz
hiştinê re bêparastin hiştin, bi lewaz
kirina raçingên wî yên ehlaqî û polîtîk
re wî ji mêtingeriya yekdest re amade
kirin e.
Di bingeha tevahî pirsgirêkên ku di
roja me ya îro de têne jiyîn de, pirsgirêka
dewlet û îqtîdarê heye. Wana bi polîtîkayên ku dimeşînin û bi hêrsa xwe
ya kar re civak ji civakîbûnê derxistine.
Azadiya civakê hatiye fedakirin ji azadiya kes re. Kesayet; bi navê ezezîgerî
û azadiyê de ji kesayîbûnê hatiye derxistin û ew li hemberî cîvakê anîne
rewşa pirsgirêka civakî. Şîrketên kûrewî
yên tevahî çavkaniya fînansê di destên
xwe de digirin jî weke lîstokan di
destê dewlet û îqtîdara xwe de têne
lîstin, di oxira berjewendiya xwe de
dema dixwazin wan diguherînin û yên
nû didanin şûna wan. Civak tu caran
weke vê demê bi talûkeya belavbûnê
re nehatiye rûberû, ti caran weke vê
demê bi hilweşandina ehlaqî û polîtîk
re nehatiye rûberû û nejiyaye.
Dewlet û îqtîdarê huqûq danîye
şûna ehlaqê û îdaregeriya dewletê danîye şûna polîtîka. Di ehlaqê de xira62
bûnek bi pêşxistina vê re hatiye jiyîn.
Xirabûna ehlaqê, girêdayî tekelên ku
li jorî nirxan pêşketine. Hilweşandina
ehlaqî bi modernîteya kapîtalîst re jî
gihiştiye lûtkê. Civak anîne rewşeke
wisa ku nikaribe nefes bigre, xwe binase, rêgezên xwe yên ehlaqî pêkbîne,
nîqaşên polîtîk ji bo pêdiviyên xwe
yên bingehîn nikaribe bike û nikaribe
bîryaran bigre.
Dema Rêber Apo di Manîfestoya
xwe ya Şaristaniya Demokratîk ku
manîfestoya sedsala 21. ne de derketina ji pirsgirêkan, çavkanî û pêşketina wê didane holê, rêkên çareseriya
wê jî didane holê. Bi awayekî şênber
didane holê ku wê ji nû de rojenekirina
nûve û nirxên manewî yên civaka
xwezayî bi têşeya civaka demokratîk,
bibe çareserî ji pirsgirêkan re. Di
bingeha pêşxistina şaristaniya demokratîk li hemberî şaristaniya kapîtalîst,
pêşxistina modernîteya demokratîk
li hemberî modernîteya kapîtalîst û
rêkên çareseriyê didane holê. Hewl
dide ji bo vê jî zanista civaka şaristaniya demokratîk û têgehên wê çêbike, ji nû ve wan têgehên ku navaroka
wan ji aliyê modernîta kapîtalîst ve
hatine valekirin pênase bike û biwate
bike û têgehên zanisteke civakî ya
nû çêbike. Bi pênasekirina civaka
ehlaqî û polîtîk re rêkên çareseriya
pirsgirêkên civakî didane holê. Van
rêkên çareseriyê bi awayeke berfireh
di Manîfestoya xwe ya Şaristaniya
Demokratîk de vedike.
Tişta dikeve ser milê me;
Tişta dikeve ser milê yên ku ji
xwe re dibêjin şoreşger im, demokrat
im, welatparîz im jî ev e; pêwîstê em
li hemberî pirsgirêkên civakê hîn bihişyartir bin, bi zanista wê pirsyariya
ku ji nûve avakirina civaka exlaqî û
polîtîk dide ser milê me bitevgerîn û
di vê bingehê de bibin xwedî helwestek, seknek û tekoşînekê ye.
RONAHÎ
Rewşa ciwanên kurd li Ewrupa:
“Jiyana di navbera du çanda”
Aras BAGOK
“Ciwan êdî bi giranî
tevlî ziman û çanda
beyanî dibin. Her
çiqas nêzî jiyan û
civaka wî welatê
beyanî dibin, ewqas
jî dûrî çand û zimanê
xwe dikevin. Jiyana
di navbera pergelê û
malbatê de ji
ciwanan re êdî dibe
kemîn. Bi bandora
dewletê gelek
malbatên kurd bi
van rêbaziyan hatine
perçe kirin û ciwan
jî ji dûrî malbat û
civakê hatine
derxistin”
Ciwanên kurd bi piranî di salên
1980-90 bi tenê anjî bi tevahiya
malbatên xwe, ji ber rewşa dagirkerî û desthilatdariya dewlêtên li
kurdistanê revîn diasporayê, bi taybetî ewrupayê û hêviyên xwe bi jiyaneke rehet û azad û dûrî şer û
pirsgirêkan parvekirin.
Ez jî dikarim weke ciwan û
xwendekarekî kurd kû zêdeyî 24
salan li Almanya jiyan dike, rewşa
ciwanan bi giştî li gor ezmûnên
xwe bînim ekranên we. Zahmetiyên bingehîn kû tên kişandin em dikarin bi „Jiyana di navbera du
çanda“ bi nav bikin û her wiha
ciwan di nav cudatiya çanda xwe û
ya beyanî rastî pirsgirêkên kûr yên
civakî û siyasî tên û heya niha jî tu
derfetên encamkirinê ji aliyên dewletan ve jî nediyarin. Bêguman encamkirina van pirsgirêkan ne di
xwezaya nîzama dewletê de ye û
girîng nabînê jî kû ji xwe re bikê armanc. Pêwistî tenê di wan xakan tê
dîtin kû mirov di destpêkê de fêrî
zimanê beyanî bibe û piştire bi erf
û edetên wê dewletê tevbigerê. Her
wiha polîtika yên lêanînê (hokirin,
integrasion) pêş dixê. Di warê siyasî de kurd weke gelekî xwedî
pergal (statu) û nasname nayên
dîtin û her wiha weke mirovên
ereb, tirk anjî fers tên naskirin. Ji
63
ber vê yekê jî derfetên perwerdekirina zimanê kurdî jî nayên dayîn.
Êdî li ber çavane kû pirsgirêkên civakî yên kûr dikevin dewrê. Pirsgirêka sereke, ji dûr ketina çanda xwe
û bi giranî ji bir kirina zimanê zikmakiye. Ji ber kû ji aliyên wan
dewletên kû ew ciwanên kurd lê
dijîn, ti hewldan ji bo wan nayên
pêrabûn kirin, derfetên naskirin
anjî fêrbûn çanda xwe ji bo wan jî
nînin. Mirov dikarê bêje kû di serî
de çareseriyên van pirsgirêkan di
reşgeşa (qonsept) wan dewletên
ewrupayê qet tine.
Ciwan êdî bi giranî tevlî ziman û
çanda beyanî dibin. Her çiqas nêzî
jiyan û civaka wî welatê beyanî
dibin, ewqas jî dûrî çand û zimanê
xwe dikevin. Jiyana di navbera pergelê û malbatê de ji ciwanan re êdî
dibe kemîn. Bi bandora dewletê
gelek malbatên kurd bi van rêbaziyan hatine perçe kirin û ciwan jî ji
dûrî malbat û civakê hatine derxistin. Her çiqas ew ciwan dûrî civaka
xwe dikevin, bi tirsên wendakirina
nasnamê ewqas jî nijadperstî bi
wan re pêş dikevê. Ew ramanê nijadperest dibe wateya benê herî
dawî kû bi herdû destan xwe li dijî
wendahiyan pêdigrin û xwe bi
herdû destan û herdû lingan diparêzin. Em dikarin bêjin, di her qadan
RONAHÎ
de ciwan bi kemînên pergela (sîstem) dewletê rû bi rû û neçar dimînin kû xwe li dijî wan pergelên
xapînok biparêzin. Yên kû xwe li
dijî wan wendahiyan bi hewldanên
rêxistinî bixwazin biparêzin, rastî
astengiyên dewletê dibin û rêya
wan jî bi madeyên dadgeriyê tê xitimandin. Û yên kû xwe bi rexistin
jî nekê û li gor xwestek anjî armanca dewletê tenê bimînê û bi
serê xwe tevbigerê, karek anjî sinhetik ji xwe re dîtibe, pêwîst dimînê di rojê de zêdeyî 8-10
demjimêran li ser kar be û bi ser wê
ve jî, nêzî nîvê wan perê kû bi dest
dikevê ji aliyê dewletê ve tê girtin.
Ew kemînên kû min behs kiribû,
gelek ji wan bi rêya aboriyê ve jî
tên danîn. Weke karkeran pirsgirekên xwendekaran jî ne gelek cûda
ne, lê belê dîsa ji nav ciwanên kû
herî zêde bi rê û rêçkên dewletê ve
bi demdirêjî tên girêdan û xapandin, xwendekarin. Mînak girîng
eve: Ji bo kû derfetên wan ciwanên
kû dixwazin dest bi xwendinê bikin
hebin, lê belê rewşa wan ya aboriyê
lewaz be, dewlet di wê astê de alikariyê pêşkeşî wan dike û krediya
dide. Dema kû ew xwendekar êdî
xwendina xwe diqedînin û dest bi
kar dikin, dewlet dîsa dikeve dewrê
û wê krediyê weke taqsîtên bi fayîz
distînê. Bi vî awahî ew ciwan di
demek dirêj de dibin deyîndarê
64
dewletê û bi wê ve tên girêdan. Biserda ew rewşa aboriyê zêde terî jiyankirinê nake û xwendekar edî
gerek dimînin, ji xeynî xwendinê
dest bi kar jî bikin û wext ji bo têkiliyên civakî û malbatî jî namîne.
Ev rewş û minakên kû hatin bilev
kirin, bi taybet ji dûrketina nasnmê
xwe, li ser pişta ciwanan dibe barekî
giran û di demek dirêj de zirarê dide
piskolojiya wan kû gelek dikevin
bin bandorek piskosomatik (nexweşiya derûnî/pîskolojîk).
Dema kû ez li ser vê rewşa necar
diponijim, çawa ciwan di her qonaxan tên bikaranîn, ez hêrs dibim.
Gelek ciwanên kurd kû welatê xwe
diberdin û tevlî jiyana ewrupayê
dibin, ew hêvî û xeyalên wan yên
destpêkê tên hilweşandin û piştî
qutkirina têkiliyên civakî, êdî
mirov bi zahmetî dikarê xwe dîsa ji
wan kemînan azad bike. Kêm ji
wan kesên kû di destpêkê de wan
pirsgirêkan dibînin û xeteriyê kû di
bin qalibê pergelê de verşartî ne
nasdikin, di demek kin de dîsa zîvirin welatê xwe.
İnhaltsverzeichnis
Newroz Reise 2012
Konfederalîzma Demokratîk Lêxistingerîya
Netewe Demokratîk ya ne Dewlete ....................................2
Abdullah ÖCALAN
Der Lausanner - Vertrag soll den Kurden
erneut aufgezwungen werden .............................................7
Evrim DEMİR
Der syrische Aufstand .......................................................10
Şores KAMA
17. Kongress der Yekitiya
Xwendekarên Kurdistan ...................................................14
Hüseyin ÇELEBİ
Bio-Macht ............................................................................20
Deniz ÇEWLİK
RONAHÎ
Zeitschrif der Studierenden
aus Kurdistan
Postfach 103831,
50478 Köln
Barzani oder Öcalan .........................................................23
Nick BRAUNS
Öko-Feminismus .................................................................28
Janet BİEHL
Internet
http://www.yxk-online.com
e-mail :
Ökologie ..............................................................................38
Abdullah ÖCALAN
[email protected]
[email protected]
Partizipative Ökonomie......................................................48
Michael ALBERT
Das 4.YXK-Sommercamp .................................................53
Teilnehmer des Sommercamp
Neçunhatîme ......................................................................58
Rawin STERK
Pirsgirêkên Dîrokî û Civakî .............................................59
Azad SÎSER
Rewsa ciwanên kurd li Ewrupa .......................................63
Aras BAGOK
Mit solidarischen Grüßen,
Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V.
Yekitîya Xwendekarên Kurdistan
____________________________________________________
Die 19.Hüseyin Celebi
Literaturpreisveranstaltung ..............................................35
RONAHÎ
Die Erhaltung der Geschichte Dersims.............................42
Jûji
Wie jedes Jahr, werden wir als eine StudentInnen - Delegation aus
Europa, eine Newrozreise in die Heimat unternehmen. Diese
Delegation wird alljährlich, an jedem Märzmonat seitens der YXK
nach Kurdistan entsendet. Dabei werden unterschiedliche Städte wie
Amed, Elîh (Batman), Mêrdîn besucht.
FreundInnen die mit uns reisen wollen, können sich über diese
Email-Adresse bereits im Voraus anmelden:
[email protected]
Bezüglich dem Reiseantritt und den Reisekosten könnt ihr uns
anschreiben.
Wintercamp 2011:
Dieses Jahr werden wir als YXK zum ersten Mal, ein Wintercamp
organisieren. In diesem Camp werden wir einerseits aufkommende
bildungstechnische Fragen sowie andererseits Probleme, die während
unserer Arbeiten aufkamen, versuchen gemeinsam zu lösen. Daneben
werden wir das Neujahr zusammen begrüßen und gemeinsam
Filmabende veranstalten. Während des Wintercamps werden auch
sportliche Aktivitäten in der Akademie angeboten und außerdem werden auch gemeinsame Ausflüge unternommen. Stattfinden tut das
Ganze vom 25.-29. Dezember 2011 bei der UTAMARA, in Bonn.
Bezüglich dem Reiseantritt und den Reisekosten könnt ihr uns
anschreiben.
Mit solidarischen Grüßen,
Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V.
Yekitîya Xwendekarên Kurdistan