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Unsere Generation- Gesamtausgabe
issue
3/2010
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6-8
1. März 1970: Die politische
Sensation ist perfekt Die SPÖ
wird stimmen- und mandatsstärkste Partei. SPÖ-Vorsitzender
Bruno Kreisky ist der große
Wahlsieger.
Vor
40 Jahren am i. März
1970 kam es bei der Natio-
ANALYSE
Wende-Zeiten
Zwei Jubiläen, wie sie unterschiedlicher nicht sein
könnten: Vor 40 Jahren feierten Bruno Kreisky und
die SPÖ einen sensationellen Wahlsieg und bringen
Österreich zum Blühen. Im Jahr 2000 bildet Wahlverlierer ÖVP-ObmannWolfgang Schüssel eine schwarzblaue Koalition, die unser Land fast verblühen lässt.
-
nalratswahl zur großen
politischen Wende: Die
bislang allein regierende ÖVP verlor sieben Mandate 78 Mandate,
die siegreiche SPÖ gewann sieben
Mandate und erreichte 81 Mandate.
Die Sensation war perfekt. SPÖ-Parteivorsitzender Kreisky bildete rasch
eine Regierung und begann ein Reformwerk, das Österreich moderner
und menschlichermachte und zu
größtem internationalemAnsehen
verhalf. Am 21. April 1970 wird das
Kabinett Kreisky I von Bundesprasident Franz Jonas angelobt. Am
Weg über den Ballhausplatz jubeln
Kreisky die Menschen zu...
Bruno Kreisky hat 1970 ein Land
von der ÖVP-Alleinregierung übernommen, das rückständig, arm und
kulturfeindlich war. Das Pro-KopfEinkommen war eines der niedrigsten in Europa. Die Wohnversorgung ohne Bademöglichkeiten
und Fließwasser unzumutbar. Die
durchschnittliche Alterspension
betrug 1970 bei Arbeitern 1.878
ÖS 136,5 Euro, bei den Angestellten 2.941 öS 213,7 Euro. Die Ausgleichszulage lag bei 1.333 öS 96,9
1/3
So gut wie
unterm Kreisky
ist's uns noch nie
gegangen"
y.'
Von 1966 bis 1970 explo- Das Kabinett Kreisky bei der Angetobung am
21. April 1970: stehend, v.l.n.r.: Staatssekretär
dierten die Staatsschulden.
Dr. Eugen Veselsky, BM Hans Freihsler
Euro.
Bruno Kreisky hochgebildet,
visionär, charismatisch, warmherzig und volksnah, machte Politik für
die Menschen, baute das moderne
Landesverteidigung, BM Dr. Josef Staribacher
Wohlstand.
Christian Broda Justiz, Staatssekretärin
Handel, Gewerbe, Industrie, BM Josef
Moser Bauten, BM Otto Rösch Inneres,
BM Dr. Rudolf KirchschlägerÄußeres,
BM Erwin Frühbauer Verkehr, BM Leopold
Unterricht, Kunst, BM Dr. Hannes
Österreich", führte unser Land zu Gratz
Androsch Finanzen, BM Dr. Johann Öllinger
einem vorher nie da gewesenen Landwirtschaft; sitzend, v.l.n.r: BM Dr.
Wondrack, BK Dr. Bruno Kreisky, BM
Die Pensionen wurden weit stär- Gertrude
Dr. Hertha Firnberg Wissenschaft, Forschung,
ker als die Teuerung angehoben BM Ing. Rudolf Häuser Soziales.
Pensionserhöhung in der Ära Kreis-
ky siehe Kasten rechts unten.
Die Liste der Verbesserungen,
die die
SPÖ ab 1970 für die Men-
In der
Österreich auf die Überholspur: Von
einem armen Land
und Heiratsgeld, und vor allem Voll-
beschäftigung!
lung der Frau.
medizin, 40-Stunden-Woche, mehr
Mindest-Urlaub, Geburtenbeihilfe
e
Ära Kreisky" schwenkte
das Pro-KopfEinkommen lag 1970 nur in den
Diktaturen Spanien, Griechenland
und Portugal niedriger zu einem
der reichsten Länder Europas.
Das Wort Reform" war in den
siebziger Jahren gleichzusetzen
mit Verbesserung". Der Österreichische Weg" der Reformpolitik
Bruno Kreiskys machte vor kaum
einem Bereich halt: Familienrechtsreform, Strafrechtsreform, Medienreform, Hochschulreform, In
der Bildungspolitik wurde möglich
gemacht, dass auch Arbeiterkinder
Matura machenund studierenkonnten. Oder der Beginn der Gleichstel-
schen erreicht, ist lang: Einführung
der Witwen-/Witwer-Pension und
unzählige sozialrechtliche Verbesserungen für Pensionisten, Gratisschulbuchaktion und Schülerfreifahrt, freier Zugang zu den Universitäten, Zivildienst, ein modernes
Strafrecht, eine blühende Epoche für
Kunst und Kultur, eine ForschungsOffensive, die Durchflutung aller
Lebensbereiche mit Demokratie",
Trinkwasserqualität für Seen und
Flüsse, Schutz der Umwelt, Spitzen-
Doppelt soviel
Pension wie 1970.
Das ist der
österreichische
Weg
Pensionserhöhungen
von 1970 bis 1983
1970 5,4%
1971
1972
1973
1974
1974
1975
1975
7,1 %
7,4%
9,0%
10,4%
3,0%
10,2%
3,0%
1976 11,5%
1977 7,0%
1978
1979
abi.1.
ab 1.7.
ab 1.1.
ab 1.7.
1980
1981
1982
1983
6,9%
6,5 %
5,6%
5,1 %
5,2%
5,5%
...
Kreiskys Weltoffenheit, seine Entspannungspolitik, sein Bemühen
um einen Nahost-Frieden machten
Österreich zu einem Zentrum der
Weltpolitik.
2/3
Zum Vergleich: Bruno Kreisky schreitet am 21. April 1970 umjubelt über den Ballhausplatz zur Angelobung bei Bundespräsident Jonas.
Im Februar 2000 demonstrieren Tausende gegen die schwarz-blaue Regierung. Kanzler Schüssel muss unterirdisch zur Angelobung.
Die schwarz-blaue Wende
2000
verlief gänzlich anders: Wolfgang
Schüssel, der große Wahlverlierer,
wurde sogar nur Dritter bei der Nationalratswahl 1999. Er ging entgegen seiner Ankündigung nicht in
Opposition, sondern mit Jörg Haider
ein Bündnis ein mit für Österreich
weitreichenden, zum Teil irreversiblen Verschlechterungen, unter
denen die Österreicherinnen noch
heute leiden.
Österreichs Vermögen wurde
noch dazu dilettantisch verscherbelt Abverkauf/Privatisierung von
-
Staatsdruckerei, Flughafen, OMV,
voestalpine, Böhler, AUA, Telekom,
Post, VA-Tech, BUWOG, Austria-
Jahre waren die Pensionisten: reale
Tabak u.v.a.m., selbst vor den
Goldreserven machten Schüssel
und sein Finanzminister nicht halt.
Das viel gepriesene Nulldefizit"
konnte trotz Hochkonjunktur nie
erreicht werden. Man huldigte einer
neoliberalen Mehr privat, weniger
Staatspolitik, deren Auswirkungen
gerade jetzt in Krisenzeiten doppelt
hart zu spüren sind. In nie dagewesenem Umfang wurde von unten
nach oben umverteilt.
formen mit massiven Verschlechterungen im Pensionsrecht, Aushöhlung des staatlichen Pensionssystems.
Viele Gesetze hielten dem Verfassungsgerichtshof nicht stand. Österreich kamen die politische Moral und
die Verhandlungsdemokratie abhanden, dafür blühte der schwarz-blaue
Postenschacher. Die Wende des Jahres 2000 wurde zum Bruch: Schüssel
wollte den modernen Wohlfahrtsstaat
zu einem Sozialhilfestaat rückbauen.
Die grollten
Verlierer der Schüssel-
Pensionskürzungen, Pensionsre-
SCHWARZ-BLAUE BELASTUNGEN VON 2000 BIS 2006
Die Belastur gsmaßnahmen der schwarz-blau-orangen Regierungen Schüssel in den
Jahren 2000 bis 2006 brachten eine Fülle von nicht mehr rückgängig zu machenden
Verschlechterungen. Vor allem die Pensionisten waren die großen Verlierer.
:
m Verteuerung bei Strom, Gas, Kohle,
Reale Pensionskürzungen
Die Unfallrenten wurden besteuert
Der Kaufkraftverfust durch Pensionsanpassungen weit unter der Teuerungsrate
liegt bei rund 10 Prozent, wirkt dauerhaft
und ist nicht mehr einholbar
Nachhaltige Verschlechterungenim
Pensionsrecht Pensions-Kürzungsmit Pensionskürzungen,
massiven Abschlägen, Benachteiligungen
Reform"
von Frauen
Saftige Anhebungen der Rezeptgebühr
und des Spitalskostenbeitrages
Einführung von Ambulanzgebühren
mussten später wieder abgeschafft
werden, Anhebung der Selbstbehalte und
Erhöhungen des Krankenvers.-Beitrages
Pflegenotstand geleugnet und ungelöst
hielt vor dem Verfassungsgerichtshof
nicht stand
Einführung der beitragsfreien Mitversicherung für Ehepartner
Die Krankenkassen wurden durch Aufhalsen externer Kosten beinahe ruiniert
Hohe Arbeitslosigkeit, besonders bei
der Jugend trotz Hochkonjunkturjahren
Umverteilung: Großkonzeme wurden
entlastet, Klein- und Mittelbetriebe nicht
Abverkauf von Volksvermögen und
dilettantische Privatisierungen
Gebührenlawine z.B. Reisepässe und
Autobahnvignette doppelt so teuer
Universitätsbudget gekürzt, Studiengebühr eingeführt
-
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Benzin, Diesel durch Erhöhung der Ener-
i
gieabgabe
Weniger Polizei: Seit dem Jahr 2000
wurden 3.000 Dienstposten bei der
Exekutive abgebaut; auch das Gendarmerie-ZPolizei-Postennetz wurde reduziert: von 1.041 Dienststellen auf 921.
120 Polizeiposten wurden aufgelassen.
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Zugesperrt: Fast 951 ! Postämter
wurden geschlossen, rund 10.000
Arbeitsplätze bei der Post seit 1999
gestrichen; ebenso wurden 70 Bezirksgerichte zugesperrt,
50 Kasernen und
17 Bahnlinien
stillgelegt.
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