Artikel aus Reisemobil International 1/2013

Transcription

Artikel aus Reisemobil International 1/2013
Aus
Reisemobil
International
1/2013
Reportage
VW California Werk
Aufbau
California
Bei einem Besuch in der Fertigung des VW
California ist die Hochzeit der Höhepunkt.
Scheidung ausgeschlossen.
Von Timo Großhans (Text) und Karsten Kaufmann (Fotos)
T
rister Nebel hängt über Hannover, Nieselregen in der Luft. An
Kalifornien erinnert dieses Wetter
nicht im Geringsten.
Im Stadtteil Limmer steht eine
große, graue Halle – die Fertigung
des California. Die ist hier, seitdem
VW den Ausbau Westfalia weggenommen und zu sich geholt hat, das
war zum Modellwechsel T4 auf T5.
Grüne Flaggen wehen am Eingangstor im lustlosen Wetter. Nichts
lässt vermuten, dass dieses Gelände
hier zu VW gehört. „Autovision“
steht auf den Fahnen, der Name der
60 Reisemobil International 1/2013
Tochter-Firma von VW, die in der
ehemaligen Lagerhalle die legendären Campingbusse baut.
Innen herrscht eine andere
Stimmung. Werksleiter Tobias Twele
lacht. Seine Augen sind wach, seine
Sprüche mit Ironie gespickt. Hannover zeigt sich endlich fröhlich.
Er ist locker, entspannt, auch
routiniert, hat die Hände lässig in
den Taschen seines weißen Kittels.
Er grinst und steckt uns auch in weiße Besucher-Kittel, damit wir korrekt
gekleidet sind für den Trip durch die
Geburtsstätte des VW California.
VANY : DER IDEALE VAN
Der Rundgang
Wir treten in den Herbst hinaus.
Auf dem Hof steht eine Art Carport
aus Scheinwerfern, ein T5 steht darunter wie unter einer Dusche aus
Licht. Die weißen Lampen entlarven
jeden Kratzer, jede Unkorrektheit.
Es ist die Eingangskontrolle für die
Busse, die aus dem VW-Werk in Hannover-Stöcken angeliefert werden.
Autovision vertraut den Kollegen,
kontrolliert sie ab noch lieber.
Wenn ein T5 hier ankommt,
ist er geköpft wie ein Frühstücks-Ei,
oben offen, da wo später bei der
„Hochzeit“ das Aufstelldach drauf
kommt. Ein Transportdach schützt
zunächst noch gegen Regen.
Nach der Beschau kommen die
Autos in die Halle zum Akklimatisieren. Sie trocknen, kühlen aus, heizen
auf, sollen die Temperatur der Halle annehmen, um fit zu sein für die
kommenden Fertigungsprozesse.
Nebenan schmieren Arbeiter
in grünen Autovision-Pullovern ,
Neue sehr leistungsfähige
g
run
lie
hochwertige Iso
Halle 5 Stand D 72
®
Pat. pending. Geschütztes Modell
Vany 08 : Exlusiv bei Kastenwagen :
ein richtiges französisches Bett
• Bett: 140 cm breit
• Schönes geräumiges Badezimmer
• Gut durchdachte Ablage - Möglichkeiten
Oben rechts die Eingangskontrolle der VW T5 vor
dem Ausbau. Kern der Fertigung ist das Band (Bild
Mitte). Unten wird das Alu-Dach montiert und die
Dachleiste sauber vernietet.
Reisemobil International 1/2013
61
www.challenger.tm.fr
ARC - RCS 518 520 408 - Photos Ronan KERLOCH
6,36 m
Reportage
VW California Werk
Die Küchen
werden
vormontiert
angeliefert. Im
Hintergrund
hängt seit
einem „Tag der
offenen Tür“
der alte T1 – er
durfte einfach
bleiben.
Oben die
Mechanik der
Elektro-Hydraulik. Rechts
die leichten
und schmalen
Waben-Sandwich-Platten,
aus denen die
Küche besteht.
Bevor die Küche
am RoboterArm ins Fahrzeug gelangt,
wird sie bei VW
endmontiert
und auf die korrekte Funktion
überprüft.
große Würste Dichtmasse auf ein
Aufstelldach. „Übrigens wohl das
größte Alupressteil der ganzen Autoindustrie, gefertigt bei der Firma
Magna“, sagt Twele stolz.
Hier kleben sie den Hilfs-Rahmen ans Aufstelldach. Von der Decke hängen riesige Spritzen, durch
die sich die schwarze Dicht- und Klebemasse quetscht. Zum Schluss des
Arbeitstakts nietet einer die Dachschienen ins Alu.
Twele erzählt, man habe hier im
Werk einen vergleichsweise großen
Arbeitsinhalt pro Takt. „Die Arbeiter
müssen vergleichsweise viele Handgriffe beherrschen.“ Ein bisschen
Manufaktur-Gefühl hier in der Halle.
125 Monteure arbeiten bei der
Autovision, fast alles Männer. Nur
ein paar Frauen fertigen zum Beispiel Rollos. Geschlechter bleiben
anscheinend lieber unter sich, diese
Erfahrung habe man gemacht.
In der Halle ist es trotzdem sauber, klinisch, der Boden rein, klassische Besen hängen an einer Säule,
mit der Patina des täglichen Einsatz.
62 Reisemobil International 1/2013
Die Wände sind weiß getüncht, Helles flutet die Hallen. Es ist weiß und
kalt, nicht warm und gelb wie im
Sunshine-State Kalifornien, in Hannover herrscht eine konzentrierte,
wenn auch stolze Stimmung – der
California soll perfekt werden, er soll
seinem Namen alle Ehre machen.
An einer Wand hängt eine tennisplatzgroße Konstruktionszeichnung eines T1 – das Bewusstsein,
eine Legende zu fertigen, ist da.
Mitten durch die Halle das
„Band“: der Kern der Fertigung. Auf
dem Boden läuft in fast nicht wahrnehmbarer Geschwindigkeit ein
rund 30 Zentimeter breites Transportband. Die beiden linken Räder
der Wagen stehen drauf, ziehen so
die VWs einmal quer durch die Halle, einmal quer durch die Hände
Dutzender Monteure.
Material und Werkzeug warten
links und rechts, die Männer schrauben Möbel und Elektrik rein. Eine
Bandfertigung wie bei Porsche oder
Daimler – oder wie, welche Ironie,
bei Westfalia.
Zum Schluss des Bands der Küchenblock, der kurz vorher noch in
den Händen des Küchenblockbeauftragten ist, der die zugelieferten
Teile der Küche montiert; und der
sagt: „Ich bin stolz, hier arbeiten
zu dürfen, der California ist ja unser aller Baby.“ Werksleiter Twele
grinst, verspricht dem Mann für seine medienwirksame Ansage ein Eis
(„können Sie sich nachher bei mir
abholen“) – der Mann versteht Die Fertigung
• Seit 2004 Serienfertigung in einer
13.000 Quadratmeter großen Halle
eines ehemaligen Elektrogroßhandels in Hannovers Stadtteil Limmer.
• Verantwortlich für die Fertigung ist
die Firma Autovision, eine 100-prozentige Tochter von VW.
• 38.000 Fahrzeuge wurden bisher
ausgebaut.
• Jahresproduktion 6.000 - 7.000, 32
am Tag, seit 2011 in zwei Schichten.
• 125 Mitarbeiter, wovon 110 direkt am
Auto arbeiten.
Reportage
VW California Werk
Kurz vor der
Hochzeit: Innen ist
alles montiert, die
Gasanlage überprüft (rechts).
Links die akkurat
gepflegte Besenstation, bestückt
mit klassischem
Kehrwerkzeug.
den Humor nicht ganz, ist leicht irritiert, er hat es doch nur ernst gemeint. Und Twele nett, kommt aber
doch schnell zurück zum Thema:
„125 Lieferanten haben wir, wovon
25 ausschließlich für den California
zuarbeiten.“ Der Rest sei aus dem
VW-Pool.
VW erwartet von der Tochter
Autovision die gleiche Qualität, die
man bei den Pkw erwartet. Der
Campingbus California ist genauso
ein VW wie jeder andere.
Mit Hilfe eines großen Hebearms schieben zwei Monteure die
leichte Küche aus Alu-Wabenprofilen
durch die Hecktür ins Fahrzeuginnere und schrauben sie in die Wände.
Der Takt ist fertig, das Band auch,
der T5 rollt weiter.
Und zwar zur Hochzeit, dem
wohl entscheidenden Schritt der
Montage, weil er so heißt wie er
heißt und jetzt einen echten Camper aus dem T5 macht: Das Dach
kommt drauf. Der T5 rollt zwischen
zwei hohe Emporen. Von oben
schwingt ein Arm über das Auto,
der mit Vakuum-Saugnäpfen das
64 Reisemobil International 1/2013
Oben: Das Dach hängt an einem VakuumSaugarm, während zwei Monteure das
Gestänge und den Faltenbalg anbringen.
Werksleiter Twele (links) überwacht alles.
vormontierte Dach trägt. Der T5
wird zum California, das Schlafdach
macht ihn zum Klassiker. Sanft berühren sich die Teile zum ersten Mal.
Die Hochzeit ist fast rum.
Zwei Monteure arbeiten jetzt
gleichzeitig, sie legen den Lattenrost ein, schrauben Dämpfer fest.
Mit einem Hammer klopft einer den
Faltenbalg (das Zelt) in den Keder.
Sie lösen den Unterdruck vom Hebearm. Das Dach schließt, die Dichtlippen berühren sich – die Hochzeit ist
vollzogen.
Das Auto ist fast fertig. Die
Scheinwerfer werden nachjustiert,
Zubehör wie Markisen angeschraubt, die Endkontrolle durchgeführt. Bevor der Wagen raus an den
Kunden geht, erfolgt noch die Probefahrt. Das machen Spezialkräfte
aus dem Autovisionspool mit feinem
Gespür für die Feinheiten. In Hannover gibt es bestes Kopfsteinpflaster.
Falls auf dem noch was schnarrt,
können sie noch nachjustieren. Aber
meistens, wenn die Profis von der
Probefahrt über Hannovers schlechteste Straßen zurückkehren, bleibt
den Jungs nur noch das Putzen.
Dann darf der California Hannover hinter sich lassen, Richtung Sonne, Richtung Campingplatz. Dafür
wurde er hier gebaut.
Der California
In der aktuellen Version gibt es ihn in
zwei Hauptvarianten:
• als einfache Variante „Beach“ (ab
37.788 Euro) und als „Comfortline“
(ab 53.288 Euro). Letzterer hat immer
ein elektrohydraulisches Aufstelldach.
• Im Vergleich zum T4-Ausbau sind die
Möbel aus einem Material mit einer
leichten Alu-Wabenstruktur gefertigt.
Diese dünne und stabile Konstruktion
(Bild) ermöglichte es, 2004 im Vergleich zum Vorgänger 36 Liter mehr
Stauraum zu generieren und 40 Kilogramm abzuspecken.
• Der California verfügt über teils doppelt
verglaste Isofenster, jedoch nicht über
eine Wand-Isolierung.
• Klever ist die Idee, die Gasflasche in die
Form des Wassertanks zu integrieren,
was viel Platz spart.
• Für die Autarkie ist der VW California
mit zwei Batterien serienmäßig ausgestattet, eine dritte lässt sich nachrüsten.