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Zentrum für Medizinische Ethik
MEDIZINETHISCHE MATERIALIEN
Heft 167
KÖRPERMODIFIKATION DURCH PIERCING:
Normalität, Subkultur oder Modetrend?
Arnd T. May, Tanja Kohnen
Mai 2006
Dr. phil. Arnd T May ist Medizinethiker, ausgebildeter Rettungssanitäter, Studium der
Philosophie, Betriebswirtschaftslehre und Völkerrecht in Göttingen und Bochum.
Arbeitsschwerpunkte: Patientenautonomie am Lebensende, Patientenverfügungen,
Ethikberatung, Klinische Ethik Komitees. Mitarbeiter am Zentrum für Medizinische Ethik
(ZME) Bochum an der Ruhr-Universität Bochum.
Tanja Kohnen studiert Komparatistik und Philosophie und ist studentische Hilfskraft am
Zentrum für Medizinische Ethik (ZME) Bochum an der Ruhr-Universität Bochum.
Herausgeber:
Prof. Dr. med. Burkard May
Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass
Prof. Dr. med. Michael Zenz
Zentrum für Medizinische Ethik Bochum
Ruhr-Universität Bochum
Gebäude GA 3/53
44780 Bochum
TEL (0234) 32-22749/50
FAX +49 234 3214-598
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.medizinethik-bochum.de
Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des
ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren
verantwortet. Das Copyright liegt beim Autor.
© Arnd T. May, Tanja Kohnen
Mai 2006
Schutzgebühr: € 6,00
Bankverbindung:
ISBN: 3-931993-48-5
Sparkasse Bochum
BLZ: 430 500 00
Kto.-Nr. 133 189 035
KÖRPERMODIFIKATION DURCH PIERCING:
NORMALITÄT, SUBKULTUR ODER MODETREND?
Arnd T. May, Tanja Kohnen
1. EINLEITUNG UND ÜBERSICHT
Veränderungen am Erscheinungsbild des menschlichen Körpers sind keine
Besonderheit der letzten Jahrzehnte. Die Haare sind Gegenstand vielfältiger Veränderungen
durch Dauerwelle, Tönung, Entfernung der Locken, Einflechten von Echthaar, auszupfen,
Veränderungen der Länge, Wimpern werden verändert und teilweise durch unechte ersetzt
und man trägt falsche Zähne.
Körpermodifikationen können auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Durch
Schönheitsoperationen lassen Menschen ihren Körper verändern, um die Folgen des Alterns
zu verbergen oder den Körper nach ihren ästhetischen Vorstellungen zu verändern. Einige
dieser Körperveränderungen erfolgen aus therapeutischen Motiven, wenn z.B. durch
Brustverkleinerungen die Belastung der Wirbelsäule verringert werden soll. In Einzelfällen
erfolgen Körperveränderungen bei psychischem Leiden am eigenen Körper. Dies durch
Schönheitsoperationen gelinderte seelische Leiden muss psychologisch manifest sein, damit
die Kostenübernahme durch Krankenkassen erfolgt. So kann es im Einzelfall möglich sein,
dass ein und dieselbe Operation von einer Patientin privat bezahlt werden muss und bei der
Bettnachbarin von der Krankenkasse übernommen wird. Die Grenzen von Piercing und
anderen Methoden der Körpermodifikation verlaufen fließend. Die Grenzen zwischen
Körpermodifikation und pathologischen Phänomenen sind nicht klar zu bestimmen.
Neben Schönheitsoperationen werden Körperveränderungen vielfältig vorgenommen
durch dauerhafte oder zeitweise vorgenommene Tätowierungen, Veränderungen der
Hautoberfläche durch Brandmale oder Brandmarken (Branding) oder durch das Implantieren
von körperfremden Materialien unter die Haut.
Nachfolgend werden Körpermodifikationen durch Piercings betrachtet. Dabei ist ein
angrenzendes Kriterium zu anderen Formen der Körpermodifikationen der nötige Einsatz von
technischen Hilfsmitteln. Tätowierungen können selbst durch Nadeln vorgenommen werden,
aber wenn von professionellen Tätowierungen die Rede ist, so wird damit die Benutzung von
Hilfsmitteln wie speziellem stromangetriebenen Werkzeug vorausgesetzt. Beim Piercing wird
ein hautdurchbohrendes Hilfsmittel eingesetzt und in diese Durchbohrung wird ein
Gegenstand eingesetzt wird. In Einzelfällen wie bei Sicherheitsnadeln verbleibt das
1
penetrierende Werkzeug in der Haut. Die übliche Vorstellung von Piercings geht aus von
einer Hautdurchbohrung mit folgendem Einsatz eines Provisoriums während der Heilungszeit
oder dem Verbleib des eingesetzten Schmuckstücks.
Der Handlungsort für Hautdurchbohrungen ist im Gegensatz zu Tätowierungen
weniger eingegrenzt, denn die nötigen Werkzeuge und Hilfsmittel für Piercings lassen sich
einfach transportieren. So kann es dann auch zur mobilen Vornahme von Piercings an ganz
unterschiedlichen Orten kommen.
Ein möglicher Ort für Piercings ist das ärztliche Behandlungszimmer in der Praxis
oder einem Krankenhaus. Ärzte haben kraft Ausbildung die Fertigkeiten zum Durchbohren
der Haut und sind damit zum Piercen prädestiniert. Aus der Vorstellung der Vornahme von
Piercings durch Ärzte stellt sich die Frage, ob ihnen dies erlaubt ist. Eine Erlaubnis oder ein
Verbot muss sorgfältig begründet werden. Dieser Frage geht der Beitrag nach, wenn einerseits
das Selbstbestimmungsrecht des Kunden zu betrachten ist, der nach der bestmöglich
ausgebildeten Person für Piercings sucht und einem sich möglicherweise durch Piercings
wandelnden Bild von Medizinern, die mit Piercings Tätigkeiten ausüben, für die es keine
medizinische Indikation gibt.
Zu
Piercings
existiert
eine
Vielzahl
moralischer
Intuitionen.
Je
nach
Betrachtungsweise kann die Körpermodifikation als positiv wahrgenommener Ausdruck der
Individualität oder als Selbstverstümmelung bewertet werden. Schönheitsideale sind
zeitspezifisch und kulturell beeinflussbar. Die Bundesgesundheitsministerin hat sich 2005 u.a.
mit der Beitragssammlung "Spieglein, Spieglein an der Wand. Zur Diskussion um den
Schönheitswahn"1 in die Diskussion eingebracht: "Man arbeitet an seinem Körper, aber man
verletzt ihn nicht"2. Mit Verweis auf kosmetische Operationen stellt die Ministerin fest:
"Kranke Menschen, die gerne gesund wären, müssen sich unfreiwillig Operationen
unterziehen, während gesunde Menschen ihre Gesundheit riskieren"3.
Für die ethische Beurteilung von Piercings als ärztliche Tätigkeit werden
gesellschaftliche Entwicklungen beschrieben, medizinische Komplikationen diskutiert und
Vorschläge für Qualifikationen von Piercern dargestellt, um dem Leser Hinweise für die
mehrdimensionale Bewertung von Piercings zu geben. Dazu gehört auch die Frage nach der
Reichweite und den Grenzen des Selbstbestimmungsrechts und der Forderung nach
Eigenverantwortung in einer durch Fürsorgeleistungen geprägten Solidargemeinschaft.
1
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hg.): Spieglein, Spieglein an der Wand. Zur
Diskussion um den Schönheitswahn, Reihe "Denk-Anstöße Nr. 3", Berlin 2005, S. 5.
2
Ebd.
3
Ebd., S. 5-6.
2
2. ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DES PIERCINGS UND AKTUELLE FORMEN
In Österreich wird Piercing durch die Ausübungsregeln für das Piercen und
Tätowieren durch Kosmetik(Schönheitspflege)- Gewerbetreibende (Bundesgesetzblatt 14.
Februar 2004, 647) auf Grund des § 69 Abs. l der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994),
BGBI. Nr. 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 111/2002, definiert als:
„das Durchstechen der Haut zwecks Anbringung von Schmuck an Hautfalten, verknorpelten
Stellen des Ohres oder des Nasenflügels, oder an der Zunge vor dem Zungenbändchen, sofern
dazu ein Gerät verwendet wird, das höchstens zwei Millimeter durchmessend in die Haut
eindringt und keine strich- oder flächenförmigen Verletzungen oder Vernarbungen
verursacht“.
Vor der Beschreibung von Piercings in der Gegenwart sind Piercings schon zu
früheren Zeitpunkten vorgenommen worden, denn Piercings sind keine neuen Phänomene.
Piercings können eine schmückende Funktion haben oder auch stimulierend wirken. Das
Durchstechen der Ohrlöcher hat breite Akzeptanz und ca. 80 Prozent aller amerikanischen
Frauen haben durchbohrte Ohren. Piercing sind manchmal Formen der äußeren Sichtbarkeit
einer emotionalen Beziehung, die sonst durch Freundschaftsringe angezeigt werden.
In Europa traten Piercings ab 1975 verstärkt in den "Londoner Slums" auf. Hier
wurden Sicherheitsnadeln benutzt mit dem Ziel zu provozieren und zu schockieren. Für Stirn
hat die Punk-Bewegung Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts das
Piercing entwickelt, welches heute Modetrend ist.
Während Piercings als gewünschte Form des Körperschmucks bei allen sozialen
Schichten, unabhängig von Profession und Alter in zunehmendem Maße zu finden sind, wird
diese Form der Modifikation und Dekoration des Körpers als "milde, benigne Form der
Selbstverstümmelung" gesehen4. Der Trend zu Piercings ist schwer einer bestimmten
gesellschaftlichen Gruppe zuzuordnen.
"Heute gehört es schon fast zum Standard, als Frau einen Nabelstecker, als Mann
einen Brustwarzenpiercing zu tragen. Wer mehr auffallen will, lässt sich ein
Augenbrauenpiercing machen. Wer sexuell neue Wege beschreiten möchte, hat ein Zungenoder, noch schöner, Intimpiercing. Wer weiß heutzutage schon so genau, was der nette
Schalterangestellte um die Ecke alles unter seinem Anzug trägt?"5.
Vermehrt wird von Wünschen nach Piercings im Zuge eines medizinischen Eingriffs
mit Vollnarkose berichtet, da dann das Piercing garantiert schmerzfrei gestochen wird. In der
Reaktion der Freundinnen und Freunde einer bei einer Operation gepiercten 22jährigen
4
5
Strametz: "Komplikationen des Piercing", hier S. 22.
Feige: Tattoo & Piercing richtig gemacht, S. 94.
3
Patientin wurde ihr für ihren Mut Bewunderung ausgesprochen6.
Nach der Präambel zur Leitlinie "Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und
Piercen" des Arbeitskreises "Krankenhaus- & Praxishygiene" der Arbeitsgemeinschaft der
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ist unter Bezug auf die
Rechtsabteilung der Bundesärztekammer Piercing keine ärztliche Tätigkeit7. Dies ergebe sich
aus dem obersten ärztlichen Gebot "primum nihil nocere" sowie aus dem Gelöbnis des
Weltärztebundes.
In Deutschland bewertet z.B. die Ärztekammer Nordrhein Piercen als "nicht sinnvoll"
und "aus berufsethischer Sicht als unärztlich"8. Konkret geht der Justitiar der Ärztekammer
Nordrhein jedoch nicht so weit, dass piercenden Ärzten die Approbation entzogen werde,
denn das ist nur nach strafbaren oder "unwürdigen" Handlungen möglich. Nach Feige ist es
Ärzten nicht nur verboten, Piercings zu stechen, sondern auch dazu zu beraten9. In der
Wahrnehmung von Piercern sind die durch Ärzte gestochenen Piercings "enttäuschend
schlecht" und nur aus finanziellen Motiven angeboten10. Für Roth sind "niedergelassene
kosmetische Chirurgen … eigentlich die besten Piercer"11.
3. BEHANDLUNGSRISIKEN DURCH MEDIZINISCHE KOMPLIKATIONEN DES
PIERCINGS
Bei medizinischen Behandlungen kann es zu Komplikationen durch Piercings
kommen, wenn diese den normalen Ablauf der Behandlung verzögern. Im idealen Fall kann
der Patient die Piercings selbst entfernen oder Hinweise zu deren Entfernung geben. Dabei
sind mehr als 90 Prozent der Piercings durch Schraubbewegungen zu entfernen. Bei der
Einleitung der Narkose kann ein Zungenpiercing stören und somit besitzt ein Zungenpiercing
ein realistisches Gefahrenpotential. Die Aussagekraft radiologischer Untersuchungen kann
durch belassene Piercings vermindert sein. Es können auch Brandverletzungen durch starke
Erwärmungen auftreten, wenn Piercings nicht entfernt wurden. Die Entfernung von Piercings
muss mit Patienten vor Beginn der Operation besprochen werden und falls die Entfernung zu
schmerzhaft ist, muss das Einverständnis des Patienten eingeholt werden zur Entfernung unter
6
Ziegler: Bodypiercing, S. 33.
Arbeitskreis "Krankenhaus- & Praxishygiene" der AWMF: "Empfehlungen zur Hygiene in Klinik und Praxis,
Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und Piercen", in: Hygiene in Klinik und Praxis, Wiesbaden 2004,
S. 148ff.
8
Bernadette Scheuer; Alexandra Lehnen: "Piercing – Ärzte bewegen sich in einer Grauzone", in: Ärztezeitung
vom 3. Dezember 2002
9
Feige: Tattoo & Piercing richtig gemacht, S. 129
10
Ziegler: Bodypiercing, S. 47.
11
nach Marion Kaden; R.H. Bubenzer: "Piercing: Dienstleistung vom Arzt?" in: Münch.med.Wschr. 140:43
(1998) hier S. 13.
7
4
Narkose.
Angesichts der hohen Komplikationsrate, einem möglicherweise entstehenden
gesundheitlichen Schaden mit folgenden Kosten für das Versicherungssystem beim Piercen
wird bezweifelt, dass diese Form des "nicht-medizinischen" Eingriffs für Ärzte ethisch
vertretbar ist. Jedoch kennen sich Mediziner mit den möglichen Komplikationen aus und
verfügen über notwendige Kenntnisse der Hygiene, um möglichst Komplikationen zu
vermeiden. Diese Kenntnisse liegen bei unseriösen Piercern "im Hinterzimmer" nicht vor. Bei
einer Befragung von 273 Patienten mit insgesamt 699 Piercings wurden Piercings ganz
überwiegend von weiblichen Personen unter 25 Jahren gewünscht. Bei 28 Prozent der
Befragten traten Komplikationen auf, die selten zu Dauerschäden (7,3 Prozent) bis hin zum
mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt nach Hepatitiserkrankung reichten12. Als Gefahren
des Piercings werden bakterielle und virale Infekte bis zur Übertragung von Hepatitis B, C
und D genannt13. Teilweise treten bei Piercings der Zunge Atemwegsblockaden (LudwigsAngina) auf, die durch einen Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) versorgt werden mussten14. In
Einzelfällen wird von einer Endokarditis nach Piercing berichtet15. Die Beschreibung von
Komplikationen nach Piercings bezieht sich auf Einzelfallbeschreibungen oder kleine
Patientenkollektive, was die Angabe von aussagekräftigen Zahlen erschwert. Piercing wird
generell als eine sich "rasant ausbreitende, infektionsrelevante Innovation" angesehen16.
4. VORGABEN FÜR NICHTÄRZTLICHE PIERCER
Verbindliche Vorgaben zur Qualifikation hat der Gesetzgeber nicht beschlossen und
berufsrechtliche Vereinbarungen haben den Verbindlichkeitsgrad von Empfehlungen, die
nicht sanktioniert werden können, wenn man vom Ausschluss aus einer unverbindlichen
Gemeinschaft von Piercern absieht. Berufsrechtliche Regelungen sind unbekannt. Ein Piercer
muss nach der Leitlinie "Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und Piercen" des
Arbeitskreises
"Krankenhaus-
&
Praxishygiene"
der
Arbeitsgemeinschaft
der
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) nach Punkt 2 über
"ausreichendes medizinisches Wissen verfügen, um den Eingriff sachgerecht durchführen und
12
Krause: "Komplikationen nach Piercing im Mund und im Gesicht", hier S. 23.
Gudrun Bethke; Peter A. Reichart: "Risiken des oralen Piercings", in: Mund Kiefer GesichtsChir (1999), hier
S. 101.
14
S. Hörle; G.B. Kuba: "Komplikationen nach Brauenpiercing", in: Ophtalmologe (2002), hier S. 201.
15
vgl. Strametz: "Komplikationen des Piercing", hier S. 23; Werner Handrick; Pietro Nenoff; Heidrun Müller;
Wolfram Knöfler: "Infektionen durch Piercing und Tattoos - eine Übersicht", in: Wiener Medizinische
Wochenschrift 153 (2003), S. 194.
16
Thomas Kistemann; Martin Exner: "Bedrohung durch Infektionskrankheiten? Risikoeinschätzung und
Kontrollstrategien", in: Deutsches Ärzteblatt 97 (2000), hier S. 253.
13
5
auf Komplikationen adäquat reagieren zu können" 17. Diese abstrakte Formulierung bleibt in
ihren Grenzen unscharf.
5. BEFRAGUNG ZU EINSTELLUNGEN DES PIERCINGS
Die Verbesserung der Datenlage zum Auftreten von Piercings, die damit verbundenen
Komplikationen und den mit Piercings verbundenen Bewertungen war Anlass zu einer
Befragung an insgesamt 212 Personen über den Zeitraum von Juni bis August 2005.
Beschreibung des Fragebogens
Der Fragebogen umfasst im Ganzen zehn Fragen. Im ersten Abschnitt beantworteten
die befragten Personen geschlossene Fragen hinsichtlich ihres Alters, Geschlecht und
Profession. Auf die Frage „Haben Sie eine Piercing?“ standen die Optionen JA und Nein zur
Auswahl. Personen mit einem Piercing gaben Auskunft über die Piercingart (Ohrlöcher,
Augenbraue, Zunge, Bauchnabel, Brustwarze, Intimpiercing und andere), weiterhin über den
Piercingort (Studio, Arzt, Freund(in) und selbst) und über aufgetretene Komplikationen und
notwendige medizinische Behandlungen. Die persönliche Meinung äußerten die Befragten im
zweiten Abschnitt auf die Fragen, wer für die Komplikationen nach einem Piercing
aufkommen sollte (Der Mensch selbst, Krankenversicherung (Solidargemeinschaften) oder
der Piercer), wer Piercings stechen darf (Menschen ohne besondere Kenntnisse, Menschen
mit besonderen Kenntnissen oder Ärzte) und abschließend, wer über die Risiken des Piercings
informieren sollte (Aufklärungsbogen vor einem Piercing, Krankenkassen, Ärzte oder durch
Medien, Plakate und Anzeigen).
Gruppendarstellung der Befragten
1) Die Verteilung der Geschlechter auf den Ort und die Profession
St. Josef Hospital Bochum: Insgesamt arbeiten von den befragten Personen einer Station 11
Männer im Bereich der Medizin (Frauen: vier), im Pflegedienst beläuft sich die Zahl auf drei
Männer (Frauen: vier) und im Rettungsdienst sind drei Männer beschäftigt (keine Frauen).
Krankenhaus Diako Bremen, Teilnehmer einer Schulungsmaßnahme des Klinischen
Ethik Komitees: Vier Frauen aus dem Bereich Pflege (zwei Personen gaben keine Auskunft
über ihr Geschlecht), eine Ärztin, zwei externe Teilnehmer (männlich und weiblich), eine
männliche Person gab keine Auskunft über die Profession.
17
Arbeitskreis "Krankenhaus- & Praxishygiene" der AWMF: "Empfehlungen zur Hygiene in Klinik und Praxis,
Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und Piercen", in: Hygiene in Klinik und Praxis, Wiesbaden 2004,
S. 148ff.
6
Katholische Akademie „Die Wolfsburg“, Teilnehmer einer Tagung zur Beratung zu
Patientenverfügungen: Vier Frauen sind im Betreuungswesen tätig (Männer: drei), drei
Frauen im Sozialdienst (Männer: zwei). Weiterhin eine Ärztin, zwei Pflegerinnen und drei
Frauen aus dem Bereich „sonstige“.
Katholische Akademie „Die Wolfsburg“, Teilnehmer einer Tagung zu Ethikberatung im
Krankenhaus: Zwei Ärzte (männlich und weiblich), im Bereich Pflege zwei Frauen und ein
Mann und zwei Seelsorgerinnen und ein Seelsorger.
Landesschule des DRK Münster, Teilnehmer der Ausbildung zum Rettungssanitäter: 19
Rettungssanitäter und eine Sanitäterin.
Landesschule des DRK Münster, Teilnehmer der Ausbildung zum Rettungsassistenten:
17 Männer und vier Frauen
Katholische Akademie „Die Wolfsburg“, Teilnehmer einer Begabtenwoche für Schüler
einer 12. Jahrgangsstufe der katholischen Schulen des Ruhrbistums: Sieben Jungen und
17 Mädchen. Weiterhin der Jahrgang einer 12. Klasse (neun männliche und 19 weibliche
Schüler).
Krankenhausseelsorger des Ruhrbistums Essen: Eine weibliche und sechs männliche
Seelsorger
Pflegeschüler in der Ausbildung an einer Pflegeschule in Bremen: Neun Jungen und 39
Mädchen.
Prozentuale Darstellung der Gruppen
Befragte Personen: Σ 212 = 100 %
•
Bremen Pflegeschüler
22,6%
•
Bochum med. Fachpersonal
15,1%
•
Mülheim 12. Jahrgang
12,7%
•
Mülheim Begabtenwoche
11,3%
•
Münster Rettungsassistenten
9,9%
•
Mülheim Beratung zu PV
8,5%
•
Münster Rettungssanitäter
7,5%
•
Bremen KEK
6,2%
•
Mülheim Ethikberatung
3,8%
•
Bistum Essen Seelsorge
3,3%
7
Prozentuale Verteilung der Geschlechter
Insgesamt beteiligten sich 115 Frauen und 91 Männer an der Befragung.
60%
50%
40%
30%
Reihe1
20%
10%
0%
Frauen
Männer
Keine
Angabe
Prozentuale Gegenüberstellung der gepiercten und nicht-gepiercten Personen
Auf die Fragen „Haben Sie ein Piercing?“ antworteten 105 Personen mit JA. Dies entspricht
einem Anteil von 49,5 % gegenüber der Gesamtgruppe. Von den 115 befragten Frauen gaben
74,8 % an, ein oder mehrere Piercings zu tragen. Bei den Männern besitzen 18 % der
Befragten Piercings.
Auswertung der Fragen
Es erfolgt die Darstellung der Antworten hinsichtlich Piercingart, Piercingort,
Geschlechterverteilung und aufgetretene Komplikationen.
Ohrlöcher
Von den 105 gepiercten Personen gaben 87 % der Frauen und 13 % der Männer an,
mindestens ein Ohrlochpiercing zu besitzen. Die Gesamtzahl der Piercings dieser Art beläuft
sich 228. Spitzenreiter hinsichtlich der Anzahl sind Personen mit sieben Piercings in den
Ohrlöchern. Als Piercingort gaben 73 % der Befragten an, dafür in ein Studio gegangen zu
sein, 7,4 % nannten als Ort einen Arzt und einen Juwelier. Eine kleine Gruppe von 3 % führte
das Piercen bei sich selber durch. Komplikationen traten bei fünf Personen nach einem
Besuch im Studio auf. Die Kerngruppe der Personen mit gepiercten Ohrlöchern bilden die
Schüler aus der Pflegeschule in Bremen (35 %), der 12. Jahrgang in Mülheim (16 %) und die
Schüler der Begabtenwoche (17 %).
8
Augenbraue
Das Piercen im Bereich der Augenbraue erfreute sich nicht so einer großen Beliebtheit, wie
im Bereich der Ohrlöcher: Fünf Personen gaben an, ein Piercing dieser Art zu tragen. Die
höchste Anzahl beläuft sich auf ein Piercing pro Person. Für ein Augenbrauenpiercing gingen
drei Personen in ein Studio, zwei zu einem Arzt. Nach dem Stechen traten bei keiner der
Befragten Komplikationen auf.
Zunge
Aus dem Kreis der Gepiercten gaben 16 Personen an, ein Zungenpiercing zu tragen. Die
höchste Anzahl beträgt hierbei ein Piercing. Prozentual betrachtet ergibt sich daraus folgendes
Bild: Von den 16 Personen stellen Frauen mit 81 % die größte Gruppe, auf die Männer
entfallen somit 19 Prozent. Den Spitzenplatz in dieser Gruppe belegen die Pflegeschüler aus
Bremen (75 %) gefolgt vom Rettungsdienst aus Münster (12 %). Als beliebsteter Piercingort
präsentiert sich das Studio mit 75 %, insgesamt 12 % nahmen die Leistungen eines Arztes
oder die Hilfe eines Freundes (!) in Anspruch. Lediglich nach einem Besuch im Studio kam es
nach Äußerungen der Befragten zu Komplikationen.
Lippe
Von den Befragten gaben fünf Personen ein Piercing im Lippenbereich an, wobei eine
Schülerin aus Bremen zwei Piercings trägt. Ausschließlich Schüler stellen hierbei den Kreis
der Gepiercten (Pflegeschule in Bremen, Begabtenwoche und 12. Jahrgang in Mülheim). Als
Ort nannten alle Befragten das Studio an, Komplikationen traten hierbei nicht auf.
Ohr
Ein Piercing im Bereich des Ohrs besitzen insgesamt zehn Befragte Personen. Die höchste
Anzahl liegt in diesem Segment bei drei Piercings. Frauen (9) bilden hierbei die größte
Gruppe. Die Verteilung auf die einzelnen Gruppen stellt sich wie folgt dar: Den Kern bilden
wiederum Schüler aus den Institutionen Pflegeschule in Bremen, der 12. Jahrgang in
Mülheim. Weiterhin sind die Gruppen Begabtenwoche, Rettungsdienst und med.
Fachpersonal aus Bochum zu nennen. Die Hälfte suchte für das Stechen ein Studio auf, wobei
es dabei zu häufigen Komplikationen kam.
Bauchnabel
Von den gepiercten Frauen insgesamt tragen 21 ein Piercing im Bauchnabel (Männer: 1). Die
9
höchste Anzahl verhält sich Analog zum Ohr und liegt bei einem Piercing. Die Spitzengruppe
bilden an dieser Stelle wieder die Schüler aus der Pflegeschule in Bremen (72,7 %).
Interessant erscheint die Auswertung hinsichtlich des Orts: Dreiviertel gaben an, für das
Stechen ein Studio gewählt zu haben – bei jedem Dritten traten dabei mittlere oder schwere
Komplikationen auf. Den zweiten Platz belegte der Besuch bei einem Arzt.
Brustwarze
Das Piercen der Brustwarze erfreut in der männlichen Gruppe einer größeren Beliebtheit als
bei den Frauen. Insgesamt tragen 12 Personen ein Piercing in diesem Bereich (Männer: 8 und
Frauen: 4). Zu mittleren und schweren Komplikationen kam es beim Durchstechen der
Brustwarze bei einem Drittel der Befragten nach einem Besuch im Studio. Die Schüler aus
Bremen sowie das medizinische Fachpersonal aus Bochum bilden in dieser Gruppe den Kreis
der Gepiercten.
Intimpiercing
Für ein Intimpiercing suchten alle vier Personen ein Studio auf, es kam zu keinen
Komplikationen. Die Geschlechterverteilung ist ausgewogen. Die höchste Anzahl beläuft sich
auf zwei Piercings bei einer befragten Person.
Andere Piercingarten
Dreizehn Frauen und ein Mann gaben an, Piercings anderer Art zu tragen, der Durchschnitt
beläuft sich auf ein Piercing pro Person. Dreiviertel der Gruppe bilden die Schüler aus
Bermen sowie von der Begabtenwoche. Als Piercingart gaben die Befragten mit über 50
Prozent das Studio am, gefolgt von „selbst durchgeführt“. Die Restlichen gingen hierfür zu
einem Arzt. Schwere Komplikationen traten bei einer Person nach einem Studiobesuch auf.
Der zweite Abschnitt des Fragebogens befasst sich mit den persönlichen Meinungen, welche
die Befragten durch ein Ankreuzverfahren äußern konnten.
Die Frage „Sind Sie schon mal auf Ihr Piercing angesprochen worden?“ beantworteten 13
Prozent
positiv,
bei
einer
Person
aus
dem
Versorgungsverweigerung von Seiten eines Patienten.
10
Pflegebereich
kam
es
zu
einer
Wer sollte für Komplikationen nach einem Piercing aufkommen?
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
r
ce
Pi
er
ka
ke
n
Kr
an
M
en
sc
h
se
lb
s
t
ss
e
Reihe1
Die Grafik zeigt die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für medizinisch nichtnotwenige Eingriffe durch die Person selber. Über 70 % befürworten, dass die Kosten für
mögliche Komplikationen der Mensch selber tragen soll. Im Vergleich: Knapp 17 % sehen
hierbei die Krankenkasse in der Verantwortung, auch diesen Bereich der Gesundheitsfürsorge
zu decken. Interessant erscheint dagegen die Meinung hinsichtlich der Verantwortlichkeit
beim Piercer. 50 Prozent meinen, dass ein Piercer auch nach dem Durchstechen einer
Körperregion
für
mögliche
Komplikationen
aufkommen
sollte.
Die
größte
Befürwortergruppe, dass der Mensch selber seinem Handeln Rechnung tragen sollte, stellen
die Schüler der Pflegeschüler in Bremen mit 33 % der Gesamtbefragten.
Auf die Frage „Wer sollte Piercings stechen dürfen?“ präsentieren sich folgende Meinungen:
81 % der Befragten lehnten es ab, dass von Personen ohne spezielle Kenntnisse Piercings
durchgeführt werden sollen. Die größte Gruppe bilden auch an dieser Stelle die Schüler aus
Bremen mit 36 %. Dagegen bewerten fast 90 Prozent es als akzeptabel, dass Menschen mit
besonderen Kenntnisse Körperregionen durchstechen. (Die größte Gruppe bilden die Schüler
aus Bremen mit dem medizinischen Fachpersonal aus Bochum).
Personen aus dem Bereich „Medizin“ präsentieren sich als die Befürworter bei der Frage, ob
ein Arzt Piercings durchführen sollte. Insgesamt sprachen sich dafür 88 Prozent der
Gesamtbefragten aus.
Wer sollte über die Risiken von Piercings informieren?
In einem unspezifischen Rahmen, d. h. nicht direkt vor einem Piercing, sehen 50 Prozent die
11
Krankenkasse in der Pflicht, über die Risiken aufzuklären. 54 % sprachen sich dafür aus, dass
über die Medien z.B. in Form einer Aufklärungskampagne Personen informiert werden
sollten.
Im spezifischen Rahmen, d.h. unmittelbar vor einem Piercing, erachten es 95 Prozent für
wichtig, dass die Person in Form eines Aufklärungsbogens über mögliche Komplikationen
unterrichtet werden sollte. 57 Prozent der Befragten fordern die Aufklärung im Vorfeld durch
einen Arzt.
Das eigene Piercing als Körperschmuck zu betrachten, stimmten im Ganzen 31 Prozent der
Befragten zu, eine unterschiedliche Wahrnehmung des Piercings zwischen den Geschlechtern
zeigte sich dabei nicht. Sowohl Männer als auch Frauen betrachten ihr Piercing als eine
besondere Form des Schmucks, der eine dauerhafte Zierde des Körpers garantiert. Das
Argument, nicht jeder hat ein Piercing und ich möchte durch mein Piercing anders sein als
andere präsentiert sich bei den Befragten nicht als die primäre Motivation für einen Gang in
ein Studio: Lediglich 18 Prozent möchten mit ihrem eisernen Körperschmuck die
Individualität ihrer eigenen Person unterstreichen und das "anders sein gegenüber anderen"
mit dem Körper nach außen kommunizieren. Dem gegenüber bewerten 12 Prozent ihren
Körperschmuck nicht als notwendigen Ausdruck der persönlichen Individualität und nutzen
das Piercing nicht vorrangig, um ein Gefühl des "anders seins gegenüber anderen" zu
erzeugen. Interessant bleibt aber die Tatsache, dass Frauen in ihrem Piercing weniger das
"anders sein" sehen, als Männer. Die Piercingträgerinnen empfinden es nicht als Motivation,
sich mittels eines Rings oder Stifts ein besonderes Merkmal gegenüber anderen stechen zu
lassen, Männer hingegen beziehen dieses Argument primär in ihre Überlegungen mit ein.
Die Begründung, sich mit einem Piercing einer bestimmten Gruppe zugehörig zu
fühlen, lehnen 45 Prozent der Befragten strikt ab, der Anteil der Frauen liegt in diesem Punkt
höher. Dies erscheint verwunderlich, bezieht man das Ergebnis des letzten Abschnitts mit
hinzu. Frauen sehen in ihrem Piercing nicht die Funktion einer Abgrenzung oder eines
Individualitätsmerkmals – die Motivation erscheint auf dem ersten Blick daraus folgernd auf
einem Gruppenphänomen zu liegen. Aber: 38 Prozent der Trägerinnen möchten die eigene
Motivation für ein Piercing nicht durch einen "Gruppenzwang begründet" sehen.
Als weniger treffendes Argument betrachten die gepiercten Personen die Frage nach
der Selbstbestimmung, d.h. die individuelle Modifikation des eigenen Körpers. 36 Prozent
sehen im Piercing keinen Ausdruck der persönlichen Verfügbarkeit über den Körper. Die
Motivation, das natürliche Aussehen des Körpers auf eine nicht natürliche Weise zu
12
verschönen, begründet sich somit nicht aus dem "Kick", über den eigenen Körper frei
entscheiden zu können. Dem gegenüber betrachten es aber 26 Prozent sehr wohl als eine
Form der Entscheidungsfreiheit, den Körper nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen
zu gestalten. Traten die Männer bei der Frage nach der Abgrenzung gegenüber den
weiblichen Befragten hervor und gestanden sich die individuelle Ausdrucksform zu, so
empfinden 25 Prozent von ihnen ein Piercing nicht als Ausdruck der freien
Entscheidungsgewalt über den eignen Körper.
Einigkeit herrscht unter den gepiercten Personen bei der Frage, ob Piercings als
Körperschmuck angesehen werden können: 72 Prozent definieren die eisernen Zierden als
Schmuck und somit als eine permanente Verschönerung des Körpers. Von den Personen,
deren Körper kein Piercing schmückt, sehen 46 Prozent das Piercing ebenfalls als eine Form
des Körperschmucks an.
Einen anderen Blickwinkel weisen die befragten Personen ohne Piercing aber bei der
Frage auf, ob ein Piercing Ausdruck von Individualität darstellt und somit ein
Abgrenzungskriterium gegenüber anderen: Die Ergebnisse der Befragung verdeutlichen, dass
die Personengruppe ohne Piercing im Stechen keine Form der Abgrenzung gegenüber der
Außenwelt sehen. Die Wahrnehmung eines Gepiercten gegenüber einem Nicht-Gepiercten
scheint sich somit an dieser Stelle zu unterscheiden: Nehmen die Gepiercten ihren
Körperschmuck als eine Art der Abgrenzung war, erzeugen sie in der Gruppe der NichtGepiercten hinsichtlich dieses Betrachtungsmomentes keine große Aufmerksamkeit bezüglich
das "anders seins". Eine andere Wahrnehmung verdeutlich auch die Antwort auf die Frage, ob
durch Piercings eine Gruppenzugehörigkeit suggeriert wird: Nicht gepiercte Personen
verstehen ein Piercing nicht als ein Zugehörigkeitsmerkmal und vermeiden eine
Gruppenzuordnung. Die freie Entscheidungsbefugnis über den eigenen Körper als Motivation
für ein Piercing zu sehen, lehnen der 24 Prozent der Nicht-Gepiercten ab.
Popstars mit ihrem oftmals extrovertierten Aussehen animieren zur Nachahmung und ob Jung
oder Alt, oft wird dies als Argument für Piercings oder Tattos in den Medien als Grund für
eine Modifikation des Körpers angesehen. Von den in der Studie befragten gepiercten
Personen lehnen aber über die Hälfte dieses Argument ab, ihrem Idol nachzueifern und den
Gang in ein Studio als Bekenntnis oder Nachahmung zu nutzen. Zeigte sich schon eine
ablehnende Haltung bei der Frage nach der durch Piercings nach außen kommunizierten
Gruppenzugehörigkeit, so sehen ebenfalls über die Hälfte der Befragten keine Anlass, einen
Piercer aufzusuchen, nur weil im Freundeskreis der „Piercingsport“ betrieben wird. In
13
überlegender Mehrheit lehnen dies vor allem die weiblichen Körperschmuckträgerinnen ab.
Die Rebellion gegen bürgerliche Zwänge möchten die gepiercten Personen nicht entfachen:
55 Prozent der Befragten verneinten dies vehement.
6. DISKUSSION
Piercings sind moderne kulturelle und gesellschaftliche Realitäten; die Verbreitung hat
in den letzten Jahren zugenommen und ist über gesellschaftliche Randgruppen und einer
Jugendkultur hinausgewachsen. Obwohl die Zahl der Piercings stark zugenommen hat,
existiert kein klares Konzept einer berufsständischen Organisation von Piercern zur
Vermeidung von Komplikationen durch unsachgemäßes Stechen von Piercings. Mitarbeitern
in Piercingstudios wird eine Kompetenz zugeschrieben, die sie nach eindeutiger Datenlage
durch die vorliegende Befragung nicht besitzen. Sicher wird die Nachsorge nach einem
Piercing durch den Menschen einen Einfluss auf die Komplikationsrate haben, doch dies
allein ist nicht die Ursache für auftretende Komplikationen. Mangelnde Ausbildung, dürftige
Information und Aufklärung und unzureichende Hygienestandards sind Haupteinflussgrößen.
Hygienisch bedenklich
Die
Gesundheitsämter
in
Deutschland
sollten
den
Kenntnisstand
zu
Hygienevorschriften und die Einhaltung selbiger überprüfen. Die Gewerbeanmeldung von
Piercingstudios wurde an das Gesundheitsamt weitergegeben. Entsprechend durchgeführte
Kontrollen von Tätowierern und Piercern seit 1995 in Frankfurt am Main ergaben zwischen
1995 bis 1997 eine sinkende Beanstandungszahl und nach dem Aussetzen der Kontrollen
1998 wurde in Folge eine vermehrte Zahl der Beanstandungen beobachtet18.
Dem Veranstalter einer "Convention" kommt nach Feige eine hohe Verantwortung zu,
denn Feige versichert in seinem Ratgeber, dass Veranstalter der Messen keine "halbseidenen
Piercer" zulassen würden und somit die "Seriosität" gesichert ist, da sonst die Veranstaltung
in der Öffentlichkeit in Verruf geraten würde19. Gleichwohl werden nach Feige auf einer
Convention nur "schlichte Piercings" gestochen20. Die Ähnlichkeit von Piercingstudios zu
Kliniken ist nach Feige ein Qualitätsmerkmal21.
Für das Gesundheitsamt Bremen wurden Hygienestandards zur Infektionsprophylaxe
in Tatoo- und Piercingsstudios entwickelt und mit einem Beratungsansatz zur Verbesserung
18
U. Heudorf; G. Kutzke; U. Seng: "Tätowieren und Piercing – Erfahrungen aus der infektionshygienischen
Überwachung eines Gesundheitsamtes", in: Gesundheitswesen 62 (2002), S. 219-222.
19
Feige: Tattoo & Piercing richtig gemacht, S. 128.
20
Ebd., S. 129.
21
Ebd., S. 132.
14
der hygienischen Bedingungen ergänzt22. Durch die Initiative des Gesundheitsamtes wurde
die Informationsbroschüre des Gesundheitsamtes in mehr als drei Viertel der aufgesuchten
Studios ausgelegt23.
Für die Vornahme von Piercings muss geeignetes Material vorhanden sein. Eine 1999
in Frankfurt am Main durchgeführte Befragung von 57 Juwelieren ergab in 17 Fällen das
Angebot von Ohrlöchern (11) und zusätzlich Nasenpiercings (6). Dabei wird häufig selbst bei
Nasenpiercings eine Ohrlochpistole eingesetzt, was wegen der unzureichenden Desinfektion
allein durch Einsprühen kritisiert wird24. Durch Ohrlochpistolen wird die Haut zerstanzt und
Gewebereste werden seitlich in den Stichkanal gedrückt, was die Infektionsrate erhöht.
Ohrlochpistolen wurden ursprünglich nur zum Markieren von Rindern eingesetzt25.
Nach der Leitlinie "Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und Piercen" des
Arbeitskreises
"Krankenhaus-
&
Praxishygiene"
der
Arbeitsgemeinschaft
der
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) muss eine "adäquate
Nachsorge und Behandlung ggf. mit Überweisung zu einer entsprechenden Klinik oder Praxis
bei Komplikationen […] jederzeit, auch nachts, sichergestellt sein"26.
Die vorhandenen normativen Vorgaben für Piercings müssen in ihrer Bekanntheit
erhöht werden. Hierbei kommt Gesundheitsämtern und Gewerbeaufsichtsämtern eine
tragende Rolle zu. Die berufsständische Selbstorganisation der Betreiber von Piercingstudios
fällt derzeit gering aus. Die Leitlinie "Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und
Piercen" des Arbeitskreises "Krankenhaus- & Praxishygiene" der Arbeitsgemeinschaft der
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) normiert Vorgaben, deren
Einhaltung überprüft werden müssen. Die Ärztekammern sollten gemeinsam mit anderen
Akteuren als Ansprechpartner für Piercinginteressierte, Betreiber von Piercingstudios und
Piercer initiativ zur Verfügung stehen.
Piercings werden oft als Ausdruck der Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung
dargestellt. Dabei haben Modetrends in den letzten Jahren die Entscheidung der Kunden für
ein Piercing beeinflusst. Mit Sorge wird dies bei Kindern und Jugendlichen betrachtet. Mit
der Koalition gegen den Schönheitswahn hat die Bundesärztekammer im September 2004
22
Ute Zolondek; R. Stelling; H. Hohmann: "Entwicklung von Hygieneregeln für das Tätowieren und Piercing
und ihre Umsetzung", in: Gesundheitswesen, 60 (1998), S. 170-172.
23
Ebd. S. 172; Freie Hansestadt Bremen, Gesundheitsamt: "Tattoos und Piercing, sauber und sicher", Bremen
2003.
24
U. Heudorf; G. Kutzke; U. Seng: "Tätowieren und Piercing – Erfahrungen aus der infektionshygienischen
Überwachung eines Gesundheitsamtes", in: Gesundheitswesen 62 (2002), S. 223.
25
Folz: "Hazards of Piercing and Facial Body Art: A Report of Three Patients and Literature Review", hier
S. 378
26
Arbeitskreis "Krankenhaus- & Praxishygiene" der AWMF: "Empfehlungen zur Hygiene in Klinik und Praxis,
Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren und Piercen", S. 148ff.
15
eine Kampagne gegen die "Verführungen der Schönheits- und Werbeindustrie" gestartet. Der
Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, sieht im neuen Trend
zu Verschönerungen ein "Konsumgut", was über rekonstruktive Hilfe nach Unfällen oder bei
nachgewiesenen schwerwiegenden Leiden hinausgeht27. Kardinal Lehmann begründet dies
mit der dem Schönheitswahn zugrunde liegenden "Verzerrung des Menschenbildes". Für die
Katholische Kirche kommt jedoch die Menschenwürde jedem Menschen zu, auch unabhängig
von dessen "äußerer Situation". Der Mensch ist für die Kirche Ebenbild Gottes. Kardinal
Lehmann sieht durch mögliche Abstufungen der Menschen eine Gefahr durch die
"Verfügungsgewalt gesellschaftlicher Gruppen" und sieht spezifischer bei jungen Menschen
einen "immensen Gruppendruck" welcher sich in der für ihn irrigen Ansicht ausdrückt, dass
die Machbarkeit Ausdruck der Menschenwürde wird. Vermeintliche Selbstbestimmung wird
für Kardinal Lehmann zur "Fremdbestimmung auf Grund von äußeren Einflüssen und
gesellschaftlichem Druck"28. Den gesellschaftlichen und individuellen Auftrag sieht Kardinal
Lehmann mit Verweis auf den Theologen Guardini im Erkennen der "richtigen Balance
zwischen Vernachlässigung seines Äußeren und einer übersteigerten Sorge allein um die
leibliche Erscheinung"29.
Im Gesundheitswesen wird Menschen mit Piercings manchmal mit Ablehnung
begegnet, da entsprechende Wertvorstellungen und moralische Intuitionen anzutreffen sind.
Badke beobachtet bei älteren Patienten eine Ablehnung von Piercings, da diese ähnlich wie
Tätowierungen mit gesellschaftlichen Randgruppen assoziiert werden. Tätowierungen wurden
oft durch "Zuchthäusler, Matrosen, Fremdenlegionäre, Gauner und leichte Mädchen" im 18.
Jahrhundert favorisiert. Punks als Randgruppe wurden nach Badke in den Medien häufig mit
"kriminellen Gewalttaten, Drogenkonsum, sexueller Gewalt und Ausschweifungen in
Verbindung gebracht"30. In der Darstellung der Werbung dominiert hingegen der erotische
und kosmetische Aspekt.
Berufsrechtlich empfiehlt sich die Trennung der Tätigkeit als Arzt und als piercender
Arzt auch rein räumlich. Piercings können nicht mit der Krankenkasse abgerechnet werden.
Der Verkauf von Stickern, Piercing-Schmuck und sonstigem Zubehör in der Praxis ist
berufsrechtlich für Ärzte problematisch. Die Güte von vom Kunden mitgebrachten
einzusetzenden Schmuck sollte überprüft werden. Im Zweifel sollte im Interesse der
27
Karl Kardinal Lehmann: "Gegen den Schönheitswahn", in: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung (Hg.): Spieglein, Spieglein an der Wand. Zur Diskussion um den Schönheitswahn, Reihe "DenkAnstöße Nr. 3", Berlin 2005, S. 12.
28
Ebd., S. 13.
29
Ebd., S. 14.
30
V. Badke, V: "Wertekonflikte zwischen jüngeren Krankenpflegeauszubildenden und älteren Patienten am
Beispiel des Piercings", in: Pflegezeitschrift 9 (2001), hier S. 4.
16
Sicherheit Schmuck mit festzustellender Güte und damit Unbedenklichkeit bevorzugt werden.
Das Vornehmen von Piercings durch Mediziner nach festgelegten Standards liegt im Interesse
des nachfragenden Menschen. Die Alternative zu Piercings durch Ärzte ist die Durchführung
von Piercings von Menschen ohne klar festgelegte Kenntnisse. Manche Kunden möchten
nach der Sensibilisierung für mögliche Risiken das Piercing vom "Fachmann" vornehmen
lassen, was aus unterschiedlichen Gründen nachvollziehbar ist. Nach Risikoabwägung bei
Piercings ist der Wunsch nach einer kompetenten und gut ausgebildeten Person nahe liegend.
Die
gesellschaftliche
Bewertung
von
Piercings
ist
von
unterschiedlichen
Einflussfaktoren und individuellen Ansichten abhängig. Piercings können im Gegensatz zu
Tätowierungen ohne aufwändige technische Begleitparameter vorgenommen werden. Die
zum Piercen notwendigen Hilfsmittel sind transportabel, frei verfügbar und nicht an einen
bestimmten Ort gebunden. Der Ort der Vornahme des Piercings hat Einfluss auf das
Infektionsrisiko.
Die Bandbreite von Piercings ist groß und fast unübersichtlich. Ebenso verschieden
sind die Motive zu Piercings und die Reaktionen auf Piercings. Die ästhetischen
Empfindungen sind bei Piercings unterschiedlich. Insbesondere ist bei Kindern und
Jugendlichen der Wunsch nach Piercings präsent und dies erfordert zielgruppenorientierte
Aufklärungskampagnen. Eine differenzierte Information trägt zum besseren Verständnis der
Risiken bei. Information und Aufklärung ist wesentliches Element der Infektionsverhütung.
Die Wirkung sichtbarer Piercings sollte Gegenstand der Gesundheitserziehung in Schulen
sein. Hierzu können entsprechende Entscheidungsmodelle und -algorithmen eingesetzt
werden.
Eine Selbstorganisation von Piercern und Betreibern von Piercingsstudios ist zum
jetzigen Zeitpunkt nur ansatzweise festzustellen. Eine effektive Qualitätssicherung und
Überprüfung von Hygienestandards ist fern der Realität. Angesichts von festgestellten
Komplikationen auch bei in Studios gestochenen Piercings ist eine Kennzeichnung der
Studios, bei denen bestimmte Standards garantiert werden, dringend geboten. Hierzu müssen
rechtliche Vorgaben Berücksichtigung finden. Über die geltenden Bestimmungen hinaus sind
Piercingsstudios und Berufsverbände zur Qualitätsbeschreibung und Qualitätssicherung
aufgefordert. Denkbar ist ein transparentes Gütesigel zur Ausbildung der Piercer und zur
Einhaltung von Hygienestandards. Zur Information und Aufklärung sind einheitliche
Standards hilfreich, was – in Analogie zur Medizin – die Einzelfallberatung und Aufklärung
nicht ersetzen wohl aber unterstützen kann. Nur durch differenziertes Informationsmaterial
und eine umfangreiche Aufklärung ist die Basis für eine aufgeklärte Entscheidung eines
17
einwilligungsfähigen Menschens herstellbar.
Die Ärztekammern sollten sich aktiv in die Erarbeitung von Kernkompetenzen für
Piercer und ggf. Ausbildung von Piercern einbringen. Wenn Menschen einen hohen
fachlichen Standard und Kompetenzen zur Vermeidung von Komplikationen wünschen, so
liegt der Gang zum Arzt nicht fern. In der vorliegenden Befragung sprachen sich 68 Prozent
der Befragten von den insgesamt 212 Personen dafür aus, dass Ärzte Piercings stechen sollen.
Für das Piercen durch Ärzte spricht die Abwendung von Schaden und Risiken durch
professionelle Piercer, die mit ihrem medizinischen Wissen und unter optimalen hygienischen
Bedingungen arbeiten können. Aus pragmatischen Erwägungen sollten Ärzte Piercings
vornehmen dürfen, wenn sie dazu bereit sind. Ein Anspruch auf Piercings durch Ärzte lässt
sich nicht ableiten. Eine Ablehnung von Piercings steht jedem Arzt aus Gewissensgründen
frei. Hier muss die individuelle moralische Ansicht des Arztes geschützt werden. Wenn Ärzte
es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, Piercings vorzunehmen, so sollten ihnen keine
standesrechtlichen Hürden entgegenstehen. Die Alternative zu Piercings durch Ärzte sind
unter fragwürdigen Rahmenbedingungen
gestochene Piercings. Mittelfristig sollten
entsprechende Rahmenbedingungen für Piercings und den Betrieb eines Piercingstudios
transparent und effektiv überprüfbar sein. Diese Sicherheit dient dann den Kunden. Speziell
Jugendliche haben ein besonderes Schutzbedürfnis.
Seit einiger Zeit wird über die Finanzierung von Lifestyle-Medizin und die
Abgrenzung von Versicherungsleistungen der Solidargemeinschaft zu Leistungen des
Menschen selbst diskutiert. Die Kosten für das Piercings selbst werden durch mögliche
Komplikationen weit überschritten. Wenn nun die Solidargemeinschaft von der Kostenlast für
Komplikationen entbunden werden soll ist dies über die private Bezahlung durch den
Gepiercten möglich. Denkbar wäre auch ein Modell der Zwangsversicherung bei Stechen
eines Piercings, was mögliche Komplikationen umfasst. Diese Versicherung soll fester
Bestandteil der Dienstleistung sein und nicht optionalbuchbar. Diese Regelung verhindert
eine Diskussion um die Sinnhaftigkeit der Versicherung. Hiermit wird der individuelle
Gestaltungsspielraum des Kunden aus übergeordneten Gründen zu seinem Interesse
eingeschränkt. Das Argument der Verteuerung des Piercings und eine damit drohende
Abwanderung
zu
Piercern,
welche
missbräuchlich
die
Zwangsversicherung
nicht
einschließen, muss im Rahmen der allgemeinen Abwägung betrachtet werden. Bereits heute
nehmen Menschen aus unterschiedlichen Piercings selbst vor oder bitten andere Menschen
ohne entsprechende Kenntnisse. Somit entziehen sie sich dem Versicherungsschutz und
müssen die individuelle Kostenbeteiligung für Komplikationen akzeptieren. Die zusätzlichen
18
Kosten nach dem Modell der integrierten Versicherung gegen Komplikationen für diese nicht
abzuwählende Leistung richten sich für die Versicherungsunternehmen nach der
Komplikationsquote und -schwere. Die Versicherer werden ein Interesse an der Reduktion
von Komplikationen haben und vermutlich Impulse für eine Qualitätssicherung zur Vornahme
von Piercings geben.
Die Solidargemeinschaft muss sich verständigen, ob sie weiterhin die Kosten für
Komplikationen bei selbst gestochenen Piercings übernehmen möchte. In der vorliegenden
Befragung befürworteten 73 Prozent die Eigenverantwortung des Gepiercten, der für
mögliche Kosten für Komplikationen selbst aufkommen soll. Für 16 Prozent der Befragten
sollen Krankenkassen für Komplikationskosten aufkommen und für 48 Prozent der Befragten
soll der "verursachende" Piercer die Komplikationskosten übernehmen. Zu diesem
Themenkomplex ist die Ausweitung der gesellschaftlichen Diskussion erforderlich.
Der Selbstbestimmung des Piercers und des Gepiercten kommt eine hohe Bedeutung
zu. Für die Regulierung eines derzeit kaum regulierten und nicht effektiv kontrollierten
Marktes spricht die Reduzierung von Komplikationen nach Piercings. Einen Anspruch auf ein
Piercing haben Kunden nicht. Die Schutzpflichten des Staates und seiner Vollzugsorgane
stehen dem Wunsch nach komplikationsarmen Piercings nicht entgegen, sondern ermöglichen
diese derzeit erst. Subsidiäre Regelungen der Fürsorge sollten in regelmäßigen Abständen in
Erwägung gezogen werden. Die Meinungsvielfalt zu Piercings ist ein konkretes Beispiel für
unterschiedliche Ansichten und Bewertungssysteme, die Ausdruck der Selbstbestimmung des
Menschen sind und Teil seiner Freiheit. Diese Freiheit muss respektiert werden.
19
Zentrum für Medizinische Ethik
Medizinethische Materialien
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Heft 110: Sass, Hans-Martin: Reform von Gesundheitswesen und Krankenhäusern in
verantwortungsethischer Perspektive. August 1996.
Heft 111: Sass, Hans-Martin, Kielstein, Rita: Die medizinische Betreuungsverfügung in der
Praxis. Vorbereitungsmaterial, Modell einer Betreuungsverfügung, Hinweise für
Ärzte, Bevollmächtigte, Geistliche und Anwälte. 7. Auflage Dezember 2000.
Heft 112: Spittler, Johann F.: Sterbeprozess und Todeszeitpunkt - Die biologischen
Phänomene und ihre Beurteilung aus medizinischer Sicht. August 1996.
Heft 113: May, Arnd; Gawrich, Stefan; Stiegel, Katja: Empirische Erfahrungen mit
wertanamnestischen Betreuungsverfügungen. 2. Auflage Juli 1997.
Heft 114: Biller, Nikola: Der Personbegriff in der Reproduktionsmedizin. September 1997.
Heft 115: Kaminsky, Carmen: Gesagt, gemeint, verstanden? Zur Problematik der Validität
vorsorglicher Patientenverfügungen. Oktober 1997.
Heft 116: Baumann, Eva: Gesellschaftliche Konsensfindung und Humangenetik. Oktober
1997.
Heft 117: May, Arnd: Betreuungsrecht und Selbstbestimmung am Lebensende. September
1998.
Heft 118: Zülicke, Freddy: Chancen und Risiken von Gentechnik und Reproduktionsmedizin.
September 1998.
Heft 119: Meyer, Frank P.; Sass, Hans-Martin: Klinische Forschung 2000. Oktober 1998.
Heft 120: Grossmann, Wilfried; Maio, Giovanni, Weiberg, Anja: Ethik im
Krankenhausalltag - Theorie und Praxis. Oktober 1998.
Heft 121: Das Ulmer Modell medizinethischer Lehre: Sponholz, Gerlinde; Allert, Gebhard;
Keller, Frieder; Meier-Allmendinger, Diana; Baitsch, Helmut: Sequenzierte
Falldiskussion für die praxisnahe Vermittlung von medizinethischer Kompetenz
(Ethikfähigkeit); Uhl, Andreas; Lensing; Claudia: Perspektiven und Gedanken zur
medizinethischen Ausbildung. August 1999.
Heft 122: Schmitz, Dagmar; Bauer, Axel W.: Evolutionäre Ethik und ihre Rolle bei der
Begründung einer zukünftigen Medizin- und Bioethik. März 2000.
Heft 123: Hartmann, Fritz: Chronisch Kranksein als Grenzlage für Kranke und ihre Ärzte.
März 2000.
Heft 124: Baberg, Henning T.; Kielstein, Rita; Sass, Hans-Martin (Hg.): Der
Behandlungsverzicht im Blick des Bochumer Inventars zur medizinischen Ethik
(BIME). April 2000.
Heft 125: Spittler, Johann F.: Locked-in-Syndrom und Bewusstsein – in dubio pro vita.
August 2000.
Heft 126: İlkılıç, İlhan: Das muslimische Glaubensverständnis von Tod, Gericht,
Gottesgnaden und deren Bedeutung für die Medizinethik. September 2000.
Heft 127: Maio, Giovanni: Ethik und die Theorie des "minimalen Risikos" in der
medizinischen Forschung. September 2000.
Heft 128: Zenz, Michael; Illhardt, Franz Josef: Ethik in der Schmerztherapie. November
2000.
Heft 129: Godel-Ehrhardt, Petra; May, Arnd T.: Kommunikation und Qualitätssicherung im
Betreuungsrecht – Ergebnisse einer Befragung zur Mailingliste
[email protected]. März 2001.
Heft 130: Dabrock, Peter; Klinnert, Lars: Würde für verwaiste Embryonen? Ein Beitrag zur
ethischen Debatte um embryonale Stammzellen. Juli 2001.
Heft 131: Meyer, Frank P.: Ethik der Verantwortung. Verkommt »Evidence Based Medicine«
zu »Money Based Medicine«? März 2002.
Heft 131: Meyer, Frank P.: Ethik der Verantwortung. Verkommt »Evidence Based Medicine«
zu »Money Based Medicine«? März 2002.
Heft 132: Sass, Hans-Martin: Menschliche Ethik im Streit der Kulturen. März 2002.
Heft 133: Knoepffler, Nikolaus: Menschenwürde als Konsensprinzip für bioethische
Konfliktfälle in einer pluralistischen Gesellschaft. März 2002.
Heft 134: Quante, Michael: Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung und
Menschenwürde. März 2002.
Heft 135: Köchy, Kristian: Philosophische Grundlagenreflexion in der Bioethik. März 2002.
Heft 136: Hengelbrock, Jürgen: Ideengeschichtliche Anmerkungen zu einer Ethik des
Sterbens. Juli 2002.
Heft 137: Schröder, Peter: Vom Sprechzimmer ins Internetcafé: Medizinische Informationen
und ärztliche Beratung im 21. Jahrhundert. Juli 2002.
Heft 138: Zühlsdorf, Michael T.; Kuhlmann, Jochen: Klinische und ethische Aspekte der
Pharmakogenetik. August 2002.
Heft 139: Frey, Christofer; Dabrock, Peter: Tun und Unterlassen beim klinischen
Entscheidungskonfliktfall. Perspektiven einer (nicht nur) theologischen
Identitätsethik. August 2002.
Heft 140: Meyer, Frank P.: Placeboanwendung – die ethischen Perspektiven. März 2003.
Heft 141: Putz, Wolfgang; Geißendörfer, Sylke; May, Arnd: Therapieentscheidung am
Lebensende- Ein "Fall" für das Vormundschaftsgericht? 2. Auflage August 2003.
Heft 142: Neumann, Herbert A.; Hellwig, Andreas: Ethische und praktische Überlegungen
zur Einführung der Diagnosis Related Groups für die Finanzierung der
Krankenhäuser. Januar 2003.
Heft 143: Hartmann, Fritz: Der Beitrag erfahrungsgesicherter Therapie (EBM) zu einer
ärztlichen Indikationen-Lehre. August 2003.
Heft 144: Strätling, Meinolfus; Sedemund-Adib, Beate; Bax, Sönke; Scharf, Volker Edwin;
Fieber, Ulrich; Schmucker, Peter: Entscheidungen am Lebensende in Deutschland.
Zivilrechtliche Rahmenbedingungen, disziplinübergreifende Operationalisierung
und transparente Umsetzung. August 2003.
Heft 145: Hartmann, Fritz: Kranke als Gehilfen ihrer Ärzte. 2. Auflage Dezember 2003.
Heft 146: Sass, Hans-Martin: Angewandte Ethik in der Pharmaforschung. Januar 2004.
Heft 147: Joung, Phillan: Ethische Probleme der selektiven Abtreibung: Die Diskussion in
Südkorea. Januar 2004.
Heft 148: May, Arnd T; Brandenburg, Birgitta: Einstellungen medizinischer Laien zu
Behandlungsverfügungen. Januar 2004.
Heft 149: Hartmann, Fritz: Sterbens-Kunde als ärztliche Menschen-Kunde. Was heißt: In
Würde sterben und Sterben-Lassen? Januar 2004.
Heft 150: Reiter-Theil, Stella: Ethische Probleme der Beihilfe zum Suizid. Die Situation in
der Schweiz im Lichte internationaler Perspektiven. Februar 2004.
Heft 151: Sass, Hans-Martin: Ambiguities in Biopolitics of Stem Cell Resarch for Therapy.
März 2004.
Heft 152: Ilkilic, Ilhan: Gesundheitsverständnis und Gesundheitsmündigkeit in islamischen
Traditionen. 3. Auflage März 2005.
Heft 153: Omonzejele, Peter F.: African Concepts of Health, Disease and Treatment [A
Future for Traditional Medicines and Spiritual Healings? A Postscript on Peter F
Omonzeleje by Hans-Martin Sass]. April 2004.
Heft 154: Lohmann, Ulrich: Die neuere standesethische und medizinrechtliche Entwicklung
in Deutschland – Wandel des Menschenbildes? Mai 2004.
Heft 155: Friebel, Henning; Krause, Dieter; Lohmann, Georg und Meyer, Frank P.:
Verantwortungsethik. Interessenkonflikte um das Medikament - Wo steht das
Medikament? Juni 2004.
Heft 156: Kreß, Hartmut: Sterbehilfe - Geltung und Reichweite des Selbstbestimmungsrechts
in ethischer und rechtspolitischer Sicht.1. Auflage September 2004, 3. Auflage
März 2005.
Heft 157: Fröhlich, Günter und Rogler, Gerhard: Das Regensburger Modell zur Ausbildung in
klinischer Ethik. Dezember 2004.
Heft 158: Ilkilic, Ilhan; Ince, Irfan und Pourgholam-Ernst, Azra: E-Health in muslimischen
Kulturen. Dezember 2004.
Heft 159: Lenk, Christian; Jakovljevic, Anna-Karina: Ethik und optimierende Eingriffe am
Menschen. 2.Auflage Februar 2005.
Heft 160: Ilkilic, Ilhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine
Handreichung für die Gesundheitsberufe. 1. Auflage Juli 2003 (Tübingen), 5.
Auflage April 2005.
Heft 161: Hartmann, Fritz: Vom Diktat der Menschenverachtung 1946 zur "Medizin ohne
Menschlichkeit" 1960; Zur frühen Wirkungsgeschichte des Nürnberger
Ärzteprozesses. 1. Auflage Februar 2005, 2. Auflage März 2005.
Heft 162: Strätling, Meinolfus u.a.: Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung in
Deutschland. Juni 2005.
Heft 163: Sass, Hans- Martin: Abwägungsprinzipien zum Cloning menschlicher Zellen.
Januar 2006.
Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im
Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und
Implementierungsschritte. Januar 2006.
Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror.
Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. Februar 2006.
Heft 164: Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und klinische Ethikberatung im
Krankenhaus. Ein Praxisleitfaden über Strukturen, Aufgaben, Modellen und
Implementierungsschritte. 1. Auflage Januar 2006, 4. Auflage April 2006.
Heft 165: Sass, Hans- Martin: Medizinische Ethik bei Notstand, Krieg und Terror.
Verantwortungskulturen bei Triage, Endemien und Terror. 1. Auflage Februar
2006, 3. Auflage März 2006.
Heft 166: Sass, Hans-Martin: Gesundheitskulturen im Internet. E-Health-Möglichkeiten,
Leistungen und Risiken. 1. Auflage Februar 2006, 2. Auflage März 2006.
Heft 167: May, Arnd T.; Kohnen, Tanja: Körpermodifikation durch Piercing: Normalität,
Subkultur oder Modetrend? Mai 2006
Heft 168: Anderweit, Sabine; Ilkilic, Ilhan; Meier-Allmendinger, Diana; Sass, Hans-Martin;
Cheng-tek Tai, Michael: Checklisten in der klinisch-ethischen Konsultation. Mai
2006
Heft 169: Kielstein, Rita; Kutzer, Klaus; May, Arnd; Sass, Hans-Martin: Die Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis. April 2006
Heft 170: Brenscheidt, Juliane; May, Arnd T.; May, Burkard; Kohnen, Tanja; Roovers, Anna;
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Hefte Nummer: _____________________________________________
ZUSAMMENFASUNG
Tanja Kohnen und Arnd May diskutieren medizinische, gesundheitliche und kulturelle
Aspekte des Körperpiercing als eines über randständische Jugendgruppen hinauswachsenden
gesellschaftlichen und kulturellen Phänomens. Sie legen Ergebnisse einer Befragung von 212
Befragten vor, von denen 105 Körperpiercings trugen. Die Autoren regen einen vertieften
Diskurs über die kulturellen und gesundheitlichen Aspekte des Piercing an und machen
Vorschläge für verbesserte Hygienebedingungen und Aufklärung über gesundheitliche
Risiken; sie stellen die ethischen Argumente der Ablehnung der Durchführung des Piercing
durch die Ärztekammer Nordrhein als unärztlich infrage.
ABSTRACT
Tanja Kohnen and Arnd May discuss aspects of body piercing related to medicine, health and
culture. They present results of reviews with 212 persons, among those 105 with body
piercing. The authors describe piericng as a social and cultural phenomenon growing beyong
the borders of traditional youth cultures. They call for an extended discourse of cultural and
social aspects of body piercing, make recommendations for improvements in hygiene and
information on health risk and question the position of the Northrhein Chamber of Physicians
in calling the medical service of piercing unethical.
ISBN: 3-931993-48-5