Broschüre "Produktionstechnik zur Erzeugung funktionaler

Transcription

Broschüre "Produktionstechnik zur Erzeugung funktionaler
Produktionstechnik zur Erzeugung funktionaler Oberflächen
Produktionstechnik zur
Erzeugung funktionaler
Oberflächen
Status und Perspektiven
Produktionstechnik zur
Erzeugung funktionaler
Oberflächen
Status und Perspektiven
Durchgeführt von
Fraunhofer-Institut für
Schicht- und Oberflächentechnik IST
Fraunhofer-Institut für
Werkstoff- und Strahltechnik IWS
Fraunhofer-Institut für
Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Die Untersuchung wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für
­Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb des Rahmenkonzeptes
»For­schung für die Produktion von morgen« (Förderkennzeichen
02PU1050) gefördert und vom Projektträger Forschungszentrum
Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung liegt bei den Autoren.
Braunschweig, Februar 2008
Inhalt
Vorwort ............................................................................................................ 5
1
Zusammenfassung des Forschungs- und Handlungsbedarfs . ............................. 9
2
Einleitung ....................................................................................................... 13
3
Stand der Technik ........................................................................................... 19
4
Ermittlung des Forschungs- und Handlungsbedarfs ......................................... 27
5Handlungsfeld »Energie- und Ressourceneffizienz
in Prozess und Produkt« . ................................................................................ 35
5.1Energie- und Ressourceneffizienz in der Herstellung
funktionaler Oberflächen ................................................................................ 37
5.2 Energie- und Ressourceneffizienz in der Nutzung der Produkte ......................... 41
6Handlungsfeld »Fertigungsintegrierte Erzeugung
funktionaler Oberflächen« .............................................................................. 47
6.1 Beschichtungsverfahren .................................................................................. 49
6.2 Strukturierung ................................................................................................ 54
6.3 Kombinationsverfahren ................................................................................... 59
7
7.1
7.2
7.3 Handlungsfeld »Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen« ............ 65
Fertigungsflexibilität und Prozessintegration .................................................... 65
Modellierung, Simulation ................................................................................ 71
Prozesskontrolle und Charakterisierung . ......................................................... 78
A
Anhang: Ergebnisse der Befragung ................................................................. 83
Impressum ............................................................................................................. 110
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Vorwort
»Made in Germany« – das gilt auch heute noch als Qualitätsmerkmal eines Produktes. Doch die Konkurrenz wächst und
damit Produkte aus Deutschland sich auch in der Zukunft auf
dem Weltmarkt durchsetzen können, muss das Preis-Leistungsverhältnis stimmen: Eine kostengünstige Produktionstechnik
muss mit hohem Kundennutzen, hoher Qualität und mit innovativen Produkten einhergehen. Oberflächen sind ein wichtiger
Schlüssel zu solchen innovativen Lösungen, denn sie bestimmen
oft maßgeblich die Gebrauchseigenschaften. Jeder kennt
Antireflex­beschichtungen für Brillen oder Monitore, Kratzschutzschichten auf Kunststoffen, Verschleißschutzschichten im Motor
oder ­ Bohrer mit Hartstoffschichten, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Das Potenzial funktionaler Oberflächen ist aber noch längst nicht
ausgeschöpft. Bei einer der wesentlichen Herausforderungen
dieses Jahrhunderts, der Steigerung der Energie- und Ressourcen­
effizienz, liefern funktionale Oberflächen wichtige Lösungs­
ansätze. Ein Beispiel sind Schichten für Solarzellen. Weiter kann
durch Oberflächentechnik eine nach­haltige und umweltfreundliche Produktion realisiert werden, indem beispielsweise Schmiermittel reduziert werden. Neue Oberflächen können die Basis für
ganz neue Pro­dukte sein.
Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Potenzial der
Oberflächentechnik in der Produktion genutzt werden kann, ist
neben dem Einsatz von Hochleistungsprozessen die erfolgreiche
Integration in die industrielle Fertigung. Nur so werden funktionale Oberflächen zum Motor für die Volkswirtschaft. Um im
internationalen Wettbewerb zu bestehen und auch langfristig
weitere Marktanteile zu ge­winnen, muss sichergestellt werden,
dass es bei der ­ Produktion von morgen nicht nur »Made in
­Germany«, son­dern »Made AND INVENTED in Germany« heißt.
Einen Beitrag dazu kann die Produktionstechnik zur Erzeugung
funktionaler Oberflächen leisten. Hier den Forschungs- und
Handlungsbedarf zu ermitteln, war die Aufgabe von drei
­Fraunhofer-Instituten, dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, dem Fraunhofer-Institut für
Werkstoff- und Strahltechnik IWS und dem Fraunhofer-Institut
für Schicht- und Oberflächentechnik IST. Um den aktuellen Stand
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
der Produktionstechnik für funktionale Oberflächen, ihre
Zukunftsperspektiven und den Forschungsbedarf festzustellen,
wurden ein Expertenworkshop und zahlreiche Experteninterviews
mit Vertretern aus Industrie, Hochschulen und Verbänden durchgeführt. Die Analyse eines umfangreichen Fragebogens lieferte
eine wichtige Datenbasis, um die Ergebnisse aus den Experten­
interviews zu stützen und zu ergänzen. Im Oktober 2007 wurde
die Untersuchung im Rahmen eines öffentlichen Diskurses am
Fraunhofer IST in Braunschweig vorgestellt und mit den Teil­
nehmern während und nach der Veranstaltung intensiv diskutiert. Dadurch flossen weitere wichtige Aspekte in den vor­
liegenden Bericht ein.
Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. Isabella Wieczorek vom
Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie
Herrn Stefan Scherr vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe (PTKA) für die intensive Betreuung des Projekts.
Weiter danke ich allen Experten aus Industrie und Forschung
sowie den Verbänden DFO, DGO, EFDS, Kompetenznetz INPLAS,
CC-Nano-UFS und VDMA für ihr Engagement und ihre Unterstützung. Mit ihrem Expertenwissen und ihren Zukunftsvisionen
haben sie wertvolle Beiträge für den vorliegenden Bericht
­geleis­tet.
Nicht zuletzt danke ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Fraunhofer-Institute für ihren außerordentlichen Einsatz und die hervorragende Zusam­menarbeit bei der
Durchführung des Projekts.
Dipl.-Ing. Wolfgang Diehl
Stellvertretender Institutsleiter
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Braunschweig, Februar 2008
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Bild 1: Funktionale Oberflächen
für die Automobilindustrie:
Lager, Kurbelwelle, Zahnräder,
Nockenwelle, Tassenstößel,
Kolben.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
1
Z
usammenfassung des Forschungs- und
Handlungsbedarfs
Funktionale Oberflächen sind der Schlüssel zu innovativen
­Produkten. Schon heute bestimmen sie im industriellen und auch
im Endverbraucherbereich zunehmend Gebrauchseigenschaften,
Lebensdauer und Preis der meisten Güter, ganz allgemein also
den Wert für den Kunden. Technologische Fortschritte in der
Oberflächentechnik durch Beschichtung sowie durch Mikro- und
Nanostrukturierung können künftig den Nutzen für Anwender
und Verbraucher noch weiter steigern und dadurch die Wertschöpfung der Produkte erhöhen. Leistungsfähige Oberflächenverfahren für die Produktion bilden damit die Grundlage für
langfristiges Wachstum und die Sicherung der Wettbewerbs­
fähigkeit Deutschlands auch auf internationalen Märkten. Die
Thematik der Energie- und Ressourceneffizienz gewinnt sowohl
unter wirtschaftlichen als auch unter ökologischen Gesichtspunkten eine immer größere Bedeutung für die Zukunft. Kon­
sequentes Handeln und zielgerichtete Entwicklungen in der
­Pro­duktionstechnik sind notwendig, um unter den Randbe­
dingungen knapper werdender Rohstoff- und Energievorräte
auch weiterhin erfolgreich am Markt zu agieren. Dabei besteht
ein Ansatz darin, die Produktionsprozesse für funktionale Ober­
flächen selbst möglichst energie- und ressourceneffizient zu
gestalten. Ein zweiter Ansatz sind funktionale Oberflächen, die
helfen, Energie und Ressourcen bei den jeweiligen Produkten
und Anwendungen einzusparen.
Das zentrale Thema der vorliegenden Untersuchung ist die
Erzeugung lokal funktionalisierter Oberflächen, wobei hier unter
einer lokalen Funktionalisierung das Zusammenspiel von lokaler
Beschichtung, Modifikation und Aktivierung sowie Mikro- und
Nanostrukturierung verstanden wird. Für die Erzeugung funktionaler Oberflächen sind neue Verfahren und Technologien erforderlich, die durch das Verschieben von Prozessgrenzen und die
Intensivierung von Prozessen Möglichkeiten für neue Werkstoffe
und Einsatzfelder eröffnen. Die Kombination von Verfahren
erlaubt die kostengünstige Herstellung von technisch anspruchsvollen Schichten und Strukturen. Um das Innovationspotenzial
neuer Oberflächen zu nutzen, müssen die entsprechenden Verfahren in die industrielle Fertigung transferiert werden. Hierzu ist
eine produktorientierte industrielle Prozessentwicklung erforderlich, bei der Simulation und Experiment Hand in Hand gehen. Für
die effiziente Herstellung funktionaler Oberflächen in der Pro-
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duktion von morgen ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit
zwischen Industrie und Forschungseinrichtungen sowie zwischen
Produktionstechnik und Naturwissenschaften erforderlich. Dieser
Brückenschlag wird durch das Programm »Forschung für die
Produktion von morgen« des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung (BMBF) realisiert. Im Rahmen der vorliegenden
Untersuchung wurden folgende Themen für eine wirtschaftliche
Produktion der Zukunft als vorrangig eingestuft:

Energie- und ressourceneffiziente industrietaugliche Prozesse zur
Herstellung von Produkten mit neuen oder verbesserten Oberflächenfunktionalitäten
Hierzu ist eine Reduktion der eingesetzten Materialmengen in der Produktion in Kombination mit der Entwicklung energieeffizienterer Prozesse erforderlich. Für die Optimierung des Energieeinsatzes ist die Gesamtbetrachtung
der Fertigungskette notwendig (Kap 5.1, 6, 7.1).
10

Energie- und Ressourceneffizienz bei der Nutzung von Produkten
mit funktionalen Oberflächen
Schon bei der Produktentwicklung ist es wichtig, die vielfältigen Möglichkeiten der Oberflächentechnik einzubeziehen. Hierdurch kann über die
gesamte Nutzungsdauer der Produkte ein wichtiger Beitrag zur Ressourcenschonung geleistet werden (Kap. 5.2).

Bereitstellung und Integration von Verfahren zur lokalen
­strukturierten Beschichtung mit zunehmend geringeren Strukturbreiten
Besonderes Potenzial bietet hier die Kombination aus Beschichtung und
Strukturierung zur kostengünstigen und gleichmäßigen Erzeugung
­funktionaler Oberflächen insbesondere auf dreidimensionalen Bauteilen
(Kap. 6.1, 6.2).

Erschließung neuartiger Einsatzfelder für funktionale Oberflächen
durch Kombination von Prozesstechnologien
Die Kombination von heute vorwiegend einzeln genutzten Prozesstechnologien bietet eine Fülle von interessanten Möglichkeiten zur Herstellung von
Oberflächen mit vielen Funktionen (Kap. 6.3).
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Zusammenfassung des Forschungs- und Handlungsbedarfs

Flexible Fertigung durch effektive Integration von Beschichtungsund Strukturierungsverfahren in industrielle Prozesse
Für die Fertigung kleiner Losgrößen mit hoher technischer Qualität und ökonomischer Effizienz ist die Entwicklung von Anlagenkonzepten notwendig,
die eine schnelle und einfache Anpassung an spezifische Bauteile erlauben
(Kap. 6, 7.1).

Integrierte Produktion funktionaler Oberflächen
Hierzu ist es notwendig, unempfindliche, emissionsfreie und kompakte Produktionsanlagen für die Erzeugung funktionaler Oberflächen zu entwickeln,
die sich einfach in bestehende Fertigungsumgebungen integrieren lassen
(Kap. 7.1).

Multiskalensimulation
Eine Simulation und theoretische Beschreibung von Produktionsprozessen
durch die Kopplung von Werkstoff- und Prozessmodellen ist erforderlich,
um Abhängigkeiten zwischen Prozessparametern und späteren Gebrauchseigenschaften der Oberflächen darstellen zu können. Für ein Gesamtverständnis der Prozesse müssen Einzelschritte von atomarer Ebene bis zur
Bauteilgröße betrachtet werden (Kap. 7.2).

Information der Unternehmen über verfügbare Fertigungs­
technologien und Werkzeuge zur Prozesssimulation
Speziell im Bereich der Simulation ist auf Grund der Komplexität der einzelnen Prozesse die Erfahrung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen
als Kompetenzträger und Dienstleister in der Beratung und Problemlösung
unverzichtbar (Kap. 7.2).

Messverfahren für die integrierte Prozessüberwachung und
­Qualitätskontrolle im industriellen Maßstab
Es besteht ein großer Bedarf an Messverfahren, die nicht nur im Labor, sondern auch in der industriellen Fertigung mit geringen Investitions- und
Betriebskosten verbunden sind. Zur Verbesserung der Prozesskontrolle ist
eine detaillierte Voraussage der Produktqualität anhand einfach und kostengünstig zu erfassender Parameter erforderlich (Kap 7.3).
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2
Einleitung
Funktionale Oberflächen als Schlüssel für
­Inno­vationen
Funktionale Oberflächen erweitern die Eigenschaften und damit
die Anwendungsmöglichkeiten verfügbarer Materialien. Kor­ro­
sionsschutzbeschichtungen für Metalle, Antireflexschichten auf
Glas oder Kunststoff, Hartstoffschichten sowie dekorative Oberflächen sind nur einige Beispiele, die aus unserem Alltag nicht
mehr wegzudenken sind. Eine lokale Funktionalisierung kann
durch Beschichtung, gezielte Modifikation und Aktivierung sowie
durch Strukturierung der Bauteiloberflächen erreicht werden.
Diese Techniken können sowohl einzeln als auch in Kombination
eingesetzt werden, um die lokalen Oberflächeneigenschaften
von Bauteilen den gestellten Anforderungen, auch hinsichtlich
Energie- und Ressourceneffizienz, anzupassen. Zunehmend bilden funktionale Oberflächen die Basis für die Funktionsfähigkeit
von Produkten; ein prominentes Beispiel sind diamantähnliche
Kohlenstoffschichten auf der Dieseleinspritzpumpe.
Die hier nur kurz angerissenen Beispiele deuten es an: Die Oberflächentechnik ist eine Schlüssel- und Querschnitts­technologie.
Sie spielt in praktisch allen Branchen eine Rolle: im Maschinenbau, der Fahrzeugtechnik, der Luft- und Raumfahrt ebenso wie
in der Optischen Industrie, der Energie- und Medizintechnik. Die
Kombination von Beschichtung und Mikro- oder Nanostrukturierung erweitert das Potenzial funktionaler Beschichtungen noch,
und zwar sowohl im Hinblick auf die Innovationshöhe wie auch vor
dem Hintergrund der Energie- und Ressourceneffizienz.
Funktionale Oberflächen als Motor für die
Volkswirtschaft
Aus volkswirtschaftlicher Perspektive sind verschiedene Aspekte
der Oberflächentechnik bzw. von funktionalen Ober­flächen von
Bedeutung. Ein zentrales Thema ist die Sicherung des Produktions­
standorts Deutschland, und damit auch die Sicherung von
Arbeitsplätzen, Wohlstand und Wachstum. In der »Forschungs­
agenda Oberfläche« ermittelte die Deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e.V. (DFO) einen Wert­
schöpfungsbeitrag der Oberflächentechnik an den Produkt­kosten
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13
von ca. 3 bis 7 Prozent. Eine Steigerung dieses Wertschöpfungsanteils um nur 5 Prozent könnte einen Kostenvorteil von bis zu
20 Prozent in Billiglohnländern kompensieren.
Deutschland ist Technologiemotor in Europa und Weltmeister
beim Export von Technologiegütern. Produktverbesserungen und
-innovationen durch funktionale Oberflächen, z. B. in oberflächenintegrierten Dünnschichtsensoren zur Kraftmessung, sind
Ansätze, um Deutschlands Position im globalen Wettbewerb zu
sichern und auszubauen. Nur die ständige Weiterentwicklung
technik- und wissensintensiver Produktionstechnologien bietet
langfristig die Chance, neue Marktanteile zu gewinnen und neue
Marktsegmente durch neue Produkte zu erschließen. Darüber
hinaus gewinnt vor dem Hintergrund der Produktpiraterie das
Thema »Markenschutz« zunehmend an Bedeutung. Funktionale
Oberflächen bilden ein zentrales Element bei vielen technischen
Lösungen, wie z. B. bei Hologrammen und anderen Sicherheitsmerkmalen.
Ein ganz anderer Aspekt von volkswirtschaftlicher Bedeutung ist
der Einsatz von funktionalen Oberflächen zur Vermeidung von
Schäden, die z. B. durch Korrosion oder Reibung entstehen. In
den USA wurden für 2001, die direkten durch Korrosion ver­ur­
sachten Kosten auf ca. 276 Milliarden US$ geschätzt, das sind
etwa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Berücksichtigt man
auch die Folgekosten, die durch Produktions- oder Leistungs­
ausfälle verursacht werden, ist der gesamtwirtschaftliche Schaden mindestens doppelt so hoch anzusetzen. Übertragen auf
Deutschland, kann man davon ausgehen, dass auch hier durch
Korrosion und ihre Folgeschäden jährlich Kosten im Bereich von
100 Milliarden Euro verursacht werden, wobei nahezu sämtliche
Industriezweige und Wirtschaftsbereiche betroffen sind.
DFO Deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e.V. (Hrsg.),
Forschungsagenda Oberfläche, Neuss, 2007 [erschienen 2006].
Koch, G. H. et al.: Corrosion Cost and Preventive Strategies in the United
States, 2001; www.corrosioncost.com/downloads/pdf/index.htm; Stand:
21.12.2007.
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Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Einleitung
Funktionale Oberflächen für Energie- und
­Res­sour­ceneffizienz
Energie und Rohstoffe sind knappe Güter. Durch ihre effiziente
Nutzung lassen sich nicht nur Kosten einsparen, sondern gleichzeitig wird auch die Umwelt geschont. Hier liegt ein großes
Potenzial der Oberflächentechnik, und zwar einerseits bei der
Herstellung der Beschichtungen selbst und andererseits durch
den Einsatz von Beschichtungen, auch in Kombination mit Mikround Nanostrukturierung.
Eine wichtige Zielsetzung für die Weiterentwicklung der Produktionstechnik für funktionale Oberflächen ist es, Prozessketten
effektiver zu gestalten, indem beispielsweise Oberflächen als
konstruktive Elemente in der Produktentwicklung frühzeitig
berücksichtigt werden.
Umweltfreundlichere Herstellungsverfahren, eine verbesserte
Ressourcenausnutzung und die Entwicklung von Produktions­
verfahren mit einer höheren Energieeffizienz sind weitere Trends
in Richtung Ressourceneffizienz.
Noch größere Einspareffekte lassen sich durch den Einsatz funktionaler Oberflächen erzielen, denn sie tragen oft maßgeblich
zur Verbesserung der Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus der beschichteten Produkte bei. So erhöhen z. B.
­verschleiß- und korrosionshemmende Beschichtungen die
Lebensdauer der Produkte. Spezielle verschleißbeständige Anti­
haft­beschichtungen ermöglichen den Verzicht auf Trennmittel,
reibungsmindernde Schichtsysteme reduzieren den Schmiermittel- und Treibstoffverbrauch. Darüber hinaus werden Oberflä­
chen­beschichtungen bei der photovoltaischen Stromerzeugung
genutzt und tragen über Innovationen in der Architektur­glas­
beschichtung zur weiteren Senkung des Energieverbrauchs bei
der Raumklimatisierung bei.
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Produktionstechnik für funktionale Oberflächen
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb ist, das Innovationspotenzial der Oberflächentechnik auch in der Produktion zu nutzen. Die breite
Umsetzung der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse bei
den produzierenden Unternehmen fordert eine enge Verzahnung
von Marktkenntnis, Anwenderwissen und technologischem Verständnis des gesamten Prozesses, denn nur so können wirtschaftliche und technische Risiken rechtzeitig erkannt und die
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Marktposition geschaffen
werden.
Die vorliegende Untersuchung zeigt Trends und Ansätze für neue
Konzepte in der Produktionstechnik auf, damit es auch morgen
noch heißt: »Made AND INVENTED in ­Germany«.
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Einleitung
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Fraunhofer-Gesellschaft 2008
3
Stand der Technik
Funktionale Oberflächen bestimmen schon heute bei den meisten Produkten maßgeblich Gebrauchseigenschaften, Lebensdauer und Preis, und damit den Wert für den Kunden. Eine
wesentliche Grundlage für eine weitere Steigerung der Wertschöpfung und des Kundennutzens bilden daher technologische
Fortschritte in der Oberflächentechnik, und zwar sowohl bei der
Beschichtung als auch der Mikro- und Nanostrukturierung.
­Speziell das Zusammenspiel beider Verfahren, d. h. von Beschichtungen mit Mikro- und Nanostrukturierung, eröffnet ein breites
Feld für neue technische Systeme, neue Freiheitsgrade bei der
Kombination von Eigenschaften und damit für innovative Produkte.
Bild 2: Anwendungsfelder
aus­gewählter
Oberflächentechnologien.
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden vor allem
drei Technologiefamilien betrachtet:



Plasmaprozesse einschließlich chemisch reaktiver Vakuum­
prozesse
Nasschemische Prozesse
Laserbasierte Oberflächenbearbeitungsprozesse
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Diese Technologien weisen eine Reihe von spezifischen Vorteilen
auf:
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
Alle Arten von Beschichtung, Aktivierung / Modifizierung
sowie Strukturierung können mit den genannten Techno­
logien hergestellt werden. Die Galvanotechnik bie­tet zusätzlich die Möglichkeit, strukturierte Bauteile auch mit komplexen Geometrien in einem Schritt ­direkt, d. h. generisch durch
Galvanoformung zu erzeugen.

Bei allen drei Technologiefamilien kann mit unterschied­lichen
Prozessen entweder eine lokal begrenzte oder eine großvolumige Abscheidung erzeugt werden.

Die einzelnen Technologien können auch im industriellen
Maßstab miteinander kombiniert werden. Für eine Reihe von
Kombinationen liegen bereits Erfahrungen vor.

Alle Technologien haben jeweils ein sehr breites Spektrum
herstellbarer Werkstoffe, Legierungen und Dispersionen,
wobei sich die zugänglichen Werkstoffbereiche ergänzen.
Die erzeugten Schichten können metallisch, keramisch oder
organisch sein, wobei jede Werkstoffklasse ganz spezifische
Anforderungen an die Prozesstechnik stellt.

Mit diesen Technologien können je nach Prozess Schicht­
dicken über einen weiten Bereich von wenigen Nanometern
bis zu mehreren Millimetern erzeugt werden.

Bei allen Technologien gibt es trotz teilweise schon jahrzehnte­
langer industrieller Nutzung auch heute immer noch eine
Vielzahl neuer Entwicklungen bei Prozessen und darstellbaren
Werkstoffen.
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Stand der Technik
Tabelle 1: S
chematische Darstellung des Potenzials verschiedener
­Verfahren zur Erzeugung funktionaler Oberflächen.
Nasschemische
Verfahren
Plasma-/
Vakuumverfahren
Strahlverfahren
Beschichtung
Schichtdicke
500 nm bis einige mm
1 nm bis 1 mm
100 nm bis einige mm
Substrate
Metalle, Polymere
Metalle, Polymere,
Keramik
Metalle, Polymere, Keramik
Schichtmaterial
Viele Metalle,
Legierungen,
Dispersionen
Viele Metalle,
Legierungen,
Dispersionen,
Keramiken
Fast alle Metalle, deren
Verbindungen und
Legierungen, Keramiken,
Polymere
Nur chemische
Ätzverfahren
Komplett und
selektiv möglich
Hauptsächlich
selektiver Einsatz
Aktivierung / Modifikation
Strukturierung
abtragend
Nur elektrochemisches
Fräsen
Plasmaätzen
Laserablation, lokal mit
Strahl oder Maske
auftragend
Strukturbildende
Abscheidung,
selektive lokale
Abscheidung,
Maskenverfahren,
Galvanoformung
Strukturbildende
Abscheidung,
Maskenverfahren
Direktstrukturierung durch
lokale Abscheidung
Das zentrale Thema der vorliegenden Untersuchung ist die
Erzeugung lokal funktionalisierter Oberflächen, wobei hier unter
einer lokalen Funktionalisierung das Zusammenspiel folgender
Komponenten verstanden wird:



Lokale Beschichtung
Modifikation und Aktivierung sowie
Mikro- und Nanostrukturierung
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Lokale Beschichtung
Mit Hilfe von lokalen Beschichtungen können Bauteile genau
dort mit zusätzlichen Funktionen ausgerüstet werden, wo dies
ihre Eigenschaften verbessert. Das können beispielsweise abriebfeste Kanten von Werkzeugen sein, integrierte Dünnschicht­
sensoren oder innenbeschichtete Lagerringe. Alle drei oben
genannten Technologiefamilien bieten Prozesse und Verfahren
für die lokale Beschichtung. Die Selektivität wird entweder durch
das Abdecken der nicht zu beschichtenden Bereiche des Bauteils
erreicht oder indem solche Prozesse genutzt werden, bei denen
die Abscheidung prinzipbedingt lokal begrenzt erfolgt. In der
Galvano- oder Plasmatechnik wird dies beispielsweise über lokale
Elektroden erreicht. Laserverfahren sind ohnehin ortsselektiv,
wenn sie mit einem fokussierten Strahl arbeiten. Fast alle Grundmaterialien lassen sich mit einem oder mehreren Verfahren aus
den Technologiefamilien beschichten, spezifische Einschränkungen existieren jedoch. In den erreichbaren Schichtdicken gibt
es wenig prinzipielle Einschränkungen, möglich sind wenige
Nanometer bis zu mehreren Millimetern. Die Abscheideraten
und damit auch die Produktivitäten der Verfahren unterscheiden
sich jedoch erheblich, sie reichen von wenigen Nanometern bis
zu mehreren Mikrometern pro Minute. Je nach Verfahren sind
auch die zu bearbeitenden Flächen unterschiedlich groß. Eine
Herausforderung in der Produktion stellt heute noch die Realisierung von selektiv beschichtenden Durchlaufverfahren dar.
Modifikation und Aktivierung
Bei der Modifikation einer Oberfläche wird die Struktur oder die
chemische Zusammensetzung des Grundwerkstoffes verändert,
ohne eine Schicht aufzubauen oder Material in größerem Maßstab abzutragen. Das bekannteste Beispiel ist die Oxidation oder
Reduktion in Plasmen, die Sauerstoff oder Wasserstoff enthalten.
Ein anderes Beispiel ist die Aminierung: Durch ein stickstoffhaltiges Plasma wird die Oberfläche eines Polymers mit Aminogruppen angereichert. Dies erleichtert beispielsweise nachfolgende
Druckprozesse oder die Bekeimung mit Palladium für die galvanische Beschichtung. Auch durch chemische Ätzprozesse oder
durch Laserstrahlung lassen sich Oberflächen aktivieren.
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Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Stand der Technik
Eine selektive Modifikation lässt sich einfach mit Strahlverfahren
oder mit atmosphärischen Plasmaverfahren realisieren. Die lokale
Wirkung wird beim Laser durch den begrenzten Strahlquerschnitt
und beim Atmosphärendruckplasma durch die Begrenzung auf
die Fläche der Elektrode, die nahezu beliebig geformt werden
kann, erzielt. Die chemische Aktivierung und die Plasmaaktivierung im Vakuum wirken dagegen auf die gesamte Bauteiloberfläche, für selektive Modifikationen benötigen diese Verfahren
Masken.
Eine weitere Möglichkeit zur Modifikation besteht in der Implantation von Ionen in die oberste Grundmaterialschicht. Dadurch
ändert sich die Struktur der Grenzschicht des Werkstoffes und es
können interessante Eigenschaften eingestellt werden. Die
Ionenimplantation wird heute für spezielle Anwendungen
genutzt, für den breiten Einsatz ist sie aber noch zu aufwändig
und teuer.
Mikro- und Nanostrukturierung
Für die Strukturierung der Bauteiloberflächen gibt es verschiedene Alternativen, die sich grundsätzlich in abtragende, auf­
tragende und prägende Verfahren unterteilen lassen. Die Strukturierung durch Materialabtrag kann entweder direkt auf dem
Grundwerkstoff oder auf einer vorher abgeschiedenen Schicht
erfolgen. Auch hier können entweder Masken- oder direkt­
wirkende Verfahren eingesetzt werden. Der Abtrag kann durch
Verdampfen des Werkstoffes, beispielsweise durch energiereiche
Strahlung oder durch Ätzen im Plasma oder in der Flüssigkeit
erfolgen. Die Auswahl des geeigneten Verfahrens hängt unter
anderem von Grundmaterial, Strukturgröße, Stückzahl und Produktivitätsanforderungen ab.
Zur Strukturierung können auch Verfahren eingesetzt werden,
die Beschichtung und Strukturbildung in einem Prozess vereinen.
Schütze, M.: Nutzung des Halogeneffektes bei Titanaluminiden, Otto-vonGuericke-Preis 2004; www.aif.de/default.php?fnum=113982617359; Stand:
15.1.2008.
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Das Wachstum der Strukturelemente wird durch spezifische
Prozess­bedingungen gestartet und kann auch gesteuert werden.
Die Kontrolle der Selbstorganisation sowie der elementaren
Abscheidevorgänge einzelner Teilchen sind hier wichtig, vielfach
aber noch nicht wirklich verstanden. Die Verfahren der strukturierten Abscheidung senken durch Kombination zweier Schritte
in einem Prozess effektiv Kosten in der Produktion. Solche
Abscheidungen sind mit galvanischen Prozessen, Strahl- und
Drucktechniken, CVD-Prozessen und deren Kombinationen
möglich. Durch die Kombination von Masken und homogenen
Abscheideprozessen lassen sich ebenfalls strukturierte Schichten
herstellen, wobei die Strukturen meist regelmäßig sind. Die Masken können dauerhaft sein, beispielsweise aus Blech, oder aber
temporär. Hier wird oft Photoresist-Lack verwendet.
Ergänzend sei hier noch die Möglichkeit der prägenden Verfahren zur Strukturierung erwähnt, z. B. Nano-Imprint oder HotEmbossing. Diese werden entweder zum Prägen eines relativ
weichen Grundmaterials, beispielsweise eines Polymers, oder zur
Formung eines anschließend auszuhärtenden Werkstoffes verwendet.
In der Produktionstechnik gibt es aktuell verschiedene wichtige
Themen und Aufgabestellungen für künftige Entwicklungen.
Insbesondere in Verbindung mit der Bearbeitung und Gestaltung
technischer Oberflächen sind unter anderem die folgenden
Aspekte wichtig: , 


Verstärkte und verbesserte Integration von Prozessen
Entwicklung kompakter Anlagen
Virtualisierung der Produktionsplanung und der Produktion,
d. h. Nutzung computergestützter Werkzeuge für Planung,
Auslegung und Optimierung von Prozessen und Anlagen,
sowie Nutzung von Simulation für alle Bereiche der Produktion
Nyhuis, P.: Wandlungsfähige Produktionssysteme, Werkzeugmaschinen­
symposium Karlsruhe, Oktober 2007.
Widemann, R.; Schmidt, K.; Brecher, C.; Niehaus, F.; Koerfer, F.: MICROSTRUCT
– Kleinste Strukturen großflächig herstellen, Werkzeugmaschinensymposium
Karlsruhe, Oktober 2007.
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Stand der Technik





Drastische Reduzierung von Rüst- und Nebenzeiten
Prozessregelung auf Basis der detaillierten Kenntnis der Prozessmechanismen
Optimierung von Schnittstellen, insbesondere hinsichtlich
Handhabung und Logistik
Minimierung von Werkstoff- und Energieeinsatz (Ressourcenschonung)
Taktzeitverkürzung, Verbesserung der Prozessstabilität,
Kostenreduktion bei der Bearbeitung
Alle hier betrachteten Technologiefamilien zur Oberflächen­
bearbeitung haben ebenso wie die übrigen Verfahren noch Entwicklungsbedarf bei einem oder mehreren dieser Themen. Auch
verbreitete Verfahren der Oberflächentechnik lassen sich bisher
oft nicht in Fertigungsketten integrieren. Beschichtung und
Strukturierung erfolgen heute meist in großen Anlagen, die nur
von Lohnbeschichtern oder bei Herstellung großer Stückzahlen
wirtschaftlich betrieben werden können. Neue Prozesse werden
dagegen in der Regel im Labor entwickelt, ohne von Beginn an
konsequent auf die Erfordernisse der modernen Produktion ausgerichtet zu werden. Daher müssen sie häufig erst bis hin zur
Produktionstauglichkeit und zur notwendigen Prozessstabilität
weiterentwickelt werden.
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Fraunhofer-Gesellschaft 2008
4
E
rmittlung des Forschungs- und
Handlungsbedarfs
In den vorausgehenden Kapiteln wurde die Bedeutung funktionaler Oberflächen und der Produktionstechnik zu ihrer Herstellung ausführlich dargestellt. Auf den besonderen Forschungs­
bedarf in diesem Themenfeld, und hier insbesondere bei der
»lokalen Funktionalisierung« und »kostengünstigen Erzeugung
mikro- und nanostrukturierter Oberflächen«, weisen auch Professor Kleiner und sein Team in ihrer Untersuchung zur Aktualisierung der Forschungsfelder für das Rahmenkonzept »Forschung
für die Produktion von morgen« hin. Um den konkreten Forschungs- und Handlungsbedarf im Bereich der Herstellung funktionaler Oberflächen zu ermitteln, bündelten drei FraunhoferInstitute, das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und
Automatisierung IPA, das Fraunhofer-Institut für Schicht- und
Oberflächentechnik IST und das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS ihre Kompetenzen und ihr Expertenwissen auf dem Gebiet der Oberflächentechnik und nutzten ihre
vielfältigen Kontakte zu Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden
und Wissenschaft. Die Thesen und Handlungsempfehlungen
dieses Berichts sind die Ergebnisse intensiver Recherchen, Befragungen und Diskussionen:

Im Rahmen eines Expertenworkshops mit insgesamt fünf
Industrievertretern und zwei Vertretern aus der Wissenschaft
wurde der Bedarf für Oberflächenfunktionalitäten in Produkten und für verschiedene Branchen sowie der aktuelle
Entwicklungsbedarf aus Anwendersicht diskutiert und priorisiert.

Weitere Ergebnisse lieferte die Auswertung von insgesamt
78 Rücksendungen aus einer umfangreichen Fragebogen­
aktion (siehe Anhang). Insgesamt wurden mehr als 350 Frage­
bögen an Unternehmen und Forschungs­einrichtungen
versandt, darüber hinaus war der Fragebogen im Internet
verfügbar.
Kleiner, M.: Untersuchung zur Aktualisierung der Forschungsfelder für das
Rahmenkonzept »Forschung für die Produktion von morgen«, Dortmund,
2007; www.produktionsforschung.de/fzk/idcplg?IdcService=PFT&node=230
1&document=ID_057793; Stand: 20.12.2007.
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
Basierend auf den Ergebnissen des Expertenworkshops und
dem Fragebogen erfolgten mehr als 40 intensive Einzelgespräche mit ausgewiesenen Experten aus der Industrie, u. a.
der Automobilbranche, der Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, Galvanotechnik, Vakuum­technik und der Laser­technik.

Die Ergebnisse der Auswertung der Fragebögen und der
Expertengespräche wurden am 8.10.2007 im Rahmen eines
öffentlichen Diskurses am Fraunhofer IST in Braunschweig
über 60 Teilnehmern aus Industrie und Forschung vorgestellt
und mit ihnen diskutiert.

Um die Ergebnisse weiter abzusichern und auf eine breite
Basis zu stellen, wurden die Thesen und Handlungsempfehlungen dieses Berichts mit Vertreten aus relevanten Verbänden diskutiert.
Im Verlauf der Untersuchung wurden drei wesentliche Felder
identifiziert, in denen ein konkreter Forschungs- und Handlungsbedarf besteht. Eine ausführliche Diskussion und Konkretisierung
der Thesen zu den Handlungsfeldern sowie des konkreten Handlungsbedarfs ist in den folgenden drei Kapiteln dargestellt. Hier
sei nur ein kurzer Überblick über die Handlungsfelder und die
zentralen Thesen gegeben.
28
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ermittlung des Forschungs- und Handlungsbedarfs
Handlungsfeld »Energie- und Ressourcen­
effizienz in Prozess und Produkt«
Im Zuge der Verknappung von Rohstoffen und Ressourcen
gewinnt aus wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten
das Thema Energie- und Ressourceneffizienz eine immer größere
Bedeutung. Konsequentes Handeln und zielgerichtete Entwicklungen in der Produktionstechnik zur Erzeugung funktionaler
Oberflächen sind notwendig, um unter den Randbedingungen
knapper werdender Rohstoff- und Energievorräte auch weiterhin
erfolgreich am Markt zu agieren. Dabei besteht ein Ansatz darin,
auch die Produktionsprozesse für funktionale Oberflächen selbst
möglichst energie- und ressourceneffizient zu gestalten. Ein
zweiter Ansatz sind funktionale Oberflächen, die helfen, Energie
und Ressourcen bei den jeweiligen Anwendungen einzusparen.
Zur Sicherung und Stärkung der internationalen Markt­
position Deutschlands ist eine Steigerung der Energie- und
Ressourceneffizienz in der Produktionstechnik notwendig.
Um die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten auszubauen, muss das gesamte Potenzial funktionaler Oberflächen bei ihrer Herstellung und Anwendung genutzt
werden.
These 1
Durch die Verwendung von Produkten mit funktionalen
Oberflächen lassen sich Ressourcen über die gesamte
Lebensdauer einsparen. Dies gelingt am Besten bei frühzeitiger und ganzheitlicher Berücksichtigung ihrer Möglichkeiten und Charakteristika in der Produktentwicklung.
These 2
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
29
Handlungsfeld »Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen«
Eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau des technologischen
Vorsprungs in Deutschland ist der Einsatz neuartiger Prozesse zur
Erzeugung funktionaler Oberflächen. Speziell im Wettbewerb
mit Niedriglohnländern kann der Einsatz von Hochtechnologien
Kostennachteile gegenüber manueller Fertigung kompensieren.
Eine Erweiterung der Eigenschaften funktionaler Oberflächen
kann durch Innovationen in der Prozesstechnologie, der Prozessführung und durch die Kombination verschiedener Verfahren
realisiert werden.
These 3
Hochintegrierte Prozesse sind die Voraussetzung für die
nahtlose Einbindung von Oberflächenfunktionalisierung
in Fertigungsabläufe. Durch das Verschieben von Prozessgrenzen und die deutliche Prozessintensivierung ergeben
sich Möglichkeiten für neue Werkstoffe und Einsatzfelder.
These 4
Optimaler Energie- und Ressourceneinsatz bei gleichzeitig
technisch anspruchsvollen Schichten oder Strukturen lässt
sich oft ideal durch die Kombination von Verfahren erzielen. Insbesondere ungewöhnliche Kombinationen bieten
völlig neue Möglichkeiten.
30
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ermittlung des Forschungs- und Handlungsbedarfs
Handlungsfeld »Produktionstechnologie mit
Hoch­leis­tungsprozessen«
Eine flexible Fertigung und die Integration neuer Technologien in
bestehende Prozessketten stellen auf Grund der Komplexität
vieler Produktionsprozesse eine besondere Herausforderung dar.
Bereits während der Entwicklung neuer Technologien muss daher
eine mögliche spätere Prozessintegration berücksichtigt werden.
Simulationen bieten vielversprechende Möglichkeiten, um bestehende Prozessketten zu optimieren bzw. neue Prozesse effi­zienter
vorzubereiten. Eine verbesserte Qualitätskontrolle und eine Steigerung der Zuverlässigkeit können nur durch eine angepasste
Messtechnik, und zwar in situ zur Prozesskontrolle und ex situ
zur Qualitätskontrolle und Dokumentation, erfolgen.
Nur durch den Transfer neuartiger Beschichtungs- und
Strukturierungsverfahren in die industrielle Serienfertigung lässt sich das Innovationspotenzial funktionaler
Oberflächen nutzen.
These 5
Bild 3: Industrielle Fertigung von
Diamantelektroden.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
31
These 6
Substanzielle Verbesserungen bei der Werkstoffentwicklung, Anlagenoptimierung und Produktion werden durch
die Kombination verschiedener bisher separater Simulationsmodelle erreicht. Speziell die Verknüpfung von
­Werkstoff- und Prozessmodellen auf verschiedenen
Größen­skalen erlaubt die Optimierung komplexer Produktionsprozesse.
These 7
Optimale Regelung komplexer Prozesse ist nur durch
Kopplung von Modellen, Simulation und Messtechnik
möglich. Für eine präzise Überwachung von Hochleistungsprozessen werden kostengünstige, industrietaugliche und onlinefähige Messsysteme benötigt.
Parallel zu der Untersuchung »Produktionstechnik zur Erzeugung
funktionaler Oberflächen (PROFOB)« wurden zwei weitere Untersuchungen im Bereich der Produktionstechnik durchgeführt.
Unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen
und Umformtechnik IWU in Chemnitz erfolgte eine Untersuchung zum Thema »Energieeffizienz in der Produktion (EffPro)«.
Auf dem öffentlichen Diskurs am 21.1.2008 wurde der Handlungsbedarf vorgestellt. Insbesondere die Themen Energieeffizienz in Fertigungsprozessen, geschlossene Energiekreisläufe,
Nullfehlerproduktion/-prozesse sowie Methodenentwicklung für
eine nachhaltige Energie- und Materialwirtschaft werden auch in
der vorliegenden Untersuchung »PROFOB« behandelt.
Unter Leitung des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH
Aachen wurde eine Untersuchung zum Thema »Fertigungs­
bedingte Produkteigenschaften (FEPRO)« durchgeführt. Hier
wurden in erster Linie Verfahren zur Bearbeitung von Grundwerkstoffen untersucht, mit denen unter Ausnutzung der
Öffentlicher Diskurs »Untersuchung zur Energieeffizienz in der Produktion«,
VDMA, Frankfurt am Main, 21.1.2008.
32
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ermittlung des Forschungs- und Handlungsbedarfs
Material­eigenschaften des betreffenden Werkstoffs zusätzliche
Ober­flächenfunktionalitäten und damit Produkteigenschaften
erzeugt werden können. Im Vordergrund stehen klassische Verfahren wie Drehen, Fräsen, Schleifen oder Polieren. Ergänzend
werden Dickschichttechniken wie z. B. Auftragsschweißen oder
thermisches Spritzen betrachtet, mit denen die Oberfläche durch
einen zusätzlichen Materialauftrag beeinflusst wird.
Im Gegensatz dazu befasst sich »PROFOB« mit der gezielten
Erzeugung funktionaler Oberflächen durch die Modifikation von
Oberflächen über Aktivierung oder Beschichtung. Speziell durch
die Kombination von Beschichtung und Modifikation / Strukturierung können gezielt lokale Funktionalitäten erzeugt werden,
die über die Möglichkeiten bzw. das Potenzial des Grundwerkstoffs deutlich hinausgehen. Die Funktionalisierung durch sensorische und aktorische Systeme sowie optisch aktive oder elektrisch funktionale Schichten z. B. zur Energieerzeugung sind nur
einige Beispiele für Oberflächenfunktionalisierungen, die mit den
klassischen Technologien der Untersuchung »FEPRO« nicht realisiert werden können.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
33
34
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
5
H
andlungsfeld »Energie- und
Ressourceneffizienz in Prozess und Produkt«
Bild 4: Nachhaltigkeit über die Produktlebensdauer.
Nach dem Kyoto-Protokoll hat sich im März 2007 die Europäische Union auf ehrgeizige Klimaschutzziele verständigt. Die
Reduktion des CO2-Ausstoßes ist in einem Atemzug mit der Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz zu nennen. Die
Antwort auf diese weltweite Herausforderung liegt in großen
Teilen in Innovationen und technologischen Entwicklungen, die
gleichzeitig die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in Zeiten des Klimawandels sichern und stärken. Ein wichtiger Baustein für die Realisierung der Ziele in Deutschland ist die
Produktionstechnik. Es gilt, einerseits durch neuartige Prozessketten und Produkte den Energieverbrauch zu minimieren, andererseits durch die Einsparung von Ressourcen die Umwelt zu
schonen. In dem Programm COORETEC sucht das Bundesminis­
terium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) nach Lösungen, den
Ausstoß von Treibhausgasen bei der Energiegewinnung aus fossilen Energieträgern zu reduzieren.10 Im Rahmen der Produktionstechnik muss daher der Fokus der Forschung und Entwicklung
auf Energie- und Ressourcen­effizienz in Prozess und Produkt
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.): Die HightechStrategie für Deutschland – Erster Fortschrittsbericht, Bonn, Berlin, 2007.
Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (Hrsg.): Effiziente Energienutzung
in der Galvanikindustrie, Augsburg, 2003; www.lfu.bayern.de/luft/fachinformationen/co2_minderung/doc/leitfaden_galvanik.pdf; Stand: 31.1.2008.
10Projektträger Jülich; www.cooretec.de; Stand 31.1.2008.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
35
gelegt werden. Die Oberflächentechnik ist in diesem Zusammenhang ein besonders wichtiges Handlungsfeld. Energie- und Ressourceneffizienz durch den Einsatz funktionaler Oberflächen in
ganz unterschiedlichen Produkten ist ebenso ein Thema wie die
Energie- und Ressourceneffizienz bei der Produktion der funktionalen Oberflächen selbst. Auf Grund des Querschnittscharakters
der Oberflächentechnik und der weiten Verbreitung der Verfahren besteht hier ein wesentliches Potenzial zur Schonung von
Ressourcen in nahezu allen Branchen der Wirtschaft.
Zur Sicherung und Stärkung der internationalen Marktposition Deutschlands ist eine Steigerung der Energie- und
Ressourceneffizienz in der Produktionstechnik unumgänglich. Um die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten
auszubauen, muss das gesamte Potenzial funktionaler
Oberflächen bei ihrer Herstellung und Anwendung genutzt
werden.
These 1
Auch die im Rahmen dieser Untersuchung befragten Unternehmen sehen vielfältige Möglichkeiten, zukünftig mit funktionalen
Oberflächen Ressourcen einzusparen. Große Vorteile werden
durch die Verfügbarkeit selbstreinigender Oberflächen gesehen.
Aber auch katalytisch wirksame Oberflächen, die Reduktion von
Schmierstoffen und die Erhöhung der Produktlebensdauer werden als vielversprechende Einsparpotenziale genannt. Wichtige
Einsatzfelder für funktionale Schichten sehen die Befragten in
der Instandhaltung, der Reinigung, bei Anwendungen in der
Biotechnologie und in der Photovoltaik (A-28).
36
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Energie- und Ressourceneffizienz
5.1
Energie- und Ressourceneffizienz in der Herstellung funktionaler Oberflächen
Moderne Beschichtungsverfahren sowie der Einsatz lokaler Funktionalisierung ermöglichen minimalen Materialverbrauch für eine
nachhaltige Produktion.11 Mit Blick auf ökologische Ziele und
Notwendigkeiten müssen neue Technologien entwickelt werden,
die den Medien- und Energieverbrauch minimieren. Die Erzeugung und der Einsatz toxischer Stoffe sollte weitgehend vermieden werden. Produktionsprozesse sollten die energie­effiziente
Rückführung von Werkstoffen erlauben, um auf diese Weise
Stoffkreisläufe zu etablieren.
Wichtig bei der Planung von Prozessketten und der Herstellung
von Produkten ist der Blick auf die Gesamtkosten in Produktion
und Nutzung (Total Cost of Ownership). Automatisierte Prozesse
erlauben vor allem eine genaue Planung des Energie- und Stoff­
einsatzes und tragen damit maßgeblich zu Kosteneinsparungen
bei.12 Für eine energieeffiziente Produktion funktionaler Ober­
flächen gilt es, die bestehenden Technologien weiterzuent­
wickeln, so dass eine Effizienzsteigerung bei Einzelprozessen und
Gesamtverfahren erreicht wird.
Speziell in Deutschland werden viele Produkte gefertigt, die den
mittleren bzw. oberen Preissektor bedienen. In Konkurrenz zu
Niedriglohn-Ländern kann eine manuelle Fertigung nicht bestehen. Durch den Einsatz von Hochtechnologien kann der Produktionsstandort Deutschland aber gestärkt werden.
Die Dünnschichttechnik ist auf Grund der geringen umgesetzten
Materialmenge vergleichsweise ressourcenschonend. Beispielsweise benötigt man zur Beschichtung einer Fläche von einem
11Szyszka, B.; Pflug, A.; Berg, S.; Nyberg, T.; Simons, C.; Weigert, M.;
Kiriakidis, G.; Christoulakis, S.: Sputter Yield Amplification - a promising route
towards more efficient coating technology. In: Thin film materials (Heraeus) 9
(2006), pp. 10–11.
12DLR (Hrsg.): Neue Beschichtungsanlage für Turbinenschaufeln in Betrieb – ein
wichtiger Beitrag zu emissions- und verbrauchsarmen Triebwerken der Zukunft (06/2007); www.dlr.de/wf/desktopdefault.aspx/tabid-1676/2301_read9157/; Stand: 31.1.2008.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
37
Bild 5: Beschichtungskopf für
Atmosphären­druck-PlasmaCVD-Beschichtung.
Quadratmeter mit einer Schicht von 100 Nanometern Dicke nur
0,1 cm3 Material. Je nach Prozess sind aber im Vergleich zu anderen Verfahren große Energiemengen notwendig, beispielsweise
zur Vakuumerzeugung. Großes Potenzial bietet daher die selektive Beschichtung, wobei bezüglich der Ressourceneffizienz zwischen tatsächlich selektiver Beschichtung und maskierter
Beschichtung bzw. Beschichtung mit nachträglicher Strukturierung unterschieden werden muss. Den Vorteilen stehen allerdings
aus ökologischer Sicht eine Reihe von Problemen entgegen, die
heute noch nicht gelöst sind:
38

Prozesse der chemischen Gasphasenabscheidung (CVD)
verwenden häufig giftige Ausgangsstoffe, so genannte
­Precursoren, deren Handhabung und Entsorgung aufwändig ist. So wird beispielsweise zur Abscheidung von Si3N4
das gefährliche Silan eingesetzt. Auswege bieten der Ersatz
derartiger Prozesse durch PVD-Verfahren sowie ein Übergang
auf umweltfreundlichere Precursoren. Allerdings existieren für
viele Anwendungsfälle bislang keine Lösungen.

PVD-Prozesse sind unter ökologischen Gesichtspunkten relativ unkritisch, da bis auf Ausnahmen mit reinen, ungiftigen
Ausgangsmaterialien gearbeitet wird und faktisch keine
Abfälle entstehen. Erhebliche Verbesserungen können jedoch
erreicht werden, indem z. B. Verluste durch Streubeschichtung
minimiert werden. Während dies für 2-D-Beschichtungen
konstruktiv gut lösbar ist, existieren für 3-D-Beschichtungen
bisher kaum Ansätze.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Energie- und Ressourceneffizienz

CVD- und PVD-Prozesse finden häufig im Vakuum statt, dessen Erzeugung Energie und Zeit erfordert. Durch neue Prozesse, die reduzierte Vakuumanforderungen stellen, können
Energie- und Zeitaufwand in der Produktion reduziert und so
Kosten eingespart werden (Bild 5).

Galvanikprozesse haben den Vorteil, dass sie mit einfacher
Anlagentechnik zu betreiben sind. Auch hier werden, wie bei
den CVD-Prozessen, zum Teil hochgiftige Substanzen als Ausgangsmaterialien verwendet. Neue Anlagenkonzepte erlauben jedoch eine Reduzierung der Chemikalienmengen einerseits und der Emissionen aus den Prozessen andererseits. Der
Ersatz der Galvanik durch Gasphasenprozesse ist bei
bestimmten Anwendungen möglich, eine vollständige Substitution ist aber mittelfristig schon aus Kostengründen nicht zu
erwarten. Deshalb sollten weiterhin neue Elektrolytsysteme
mit geringerem Gefährdungspotenzial entwickelt werden.
Bild 6: Reinigungsanlage zur
wässrigen Substratreinigung mit
Ultraschallunterstützung.
Reinigungsprozesse sind im Zusammenhang mit Beschichtungsprozessen häufig notwendig. Auch hier wird mit zum Teil
bedenklichen Chemikalien gearbeitet. Der Ersatz der lösemittelbasierten Reinigung durch wässrige Reinigungsmethoden hat in
den letzten Jahren bereits zu großen Fortschritten bezüglich der
Umweltverträglichkeit geführt (Bild 6). Zusätzliches Potenzial
bieten darüber hinaus logistische Ansätze zur Vermeidung von
Kontaminationen und damit zur Vereinfachung der Reinigung.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
39
Die Weiterentwicklung der Simulation unter Berücksichtigung
ganzer Prozessketten13 ermöglicht eine kostengünstige Abschätzung der Marktfähigkeit neuer Produkte ohne den Aufbau kompletter Fertigungslinien. Im Bereich der Galvanotechnik bietet
das Unternehmen Elsyca14 Simulationslösungen an, die optimale
Prozesskonfigurationen für die kundenspezifischen Anforderungen aufzeigen. Im Projekt »Simulation komplexer ober­
flächentechnischer Produktionsprozesse (SIMKOPP)«15 wurden
Werkzeuge zur Nutzung einer virtuellen Beschichtungsanlage
entwickelt. Durch Simulation industrieller Beschichtungsprozesse
lassen sich kundenspezifische Lösungen anbieten (Kap. 7.2). So
werden zeit- und kostenintensive Versuchsreihen in der Produktion vermieden.

Handlungsbedarf bezüglich der Energie- und Ressourcen­
effizienz in der Herstellung funktionaler Oberflächen besteht
in der Reduktion der eingesetzten Materialmengen.

Handlungsbedarf besteht in der verbesserten Rückführung
und Rückgewinnung von Schichtwerkstoffen sowie der
­Etablierung von Stoffkreisläufen.

Handlungsbedarf besteht ferner bei der Entwicklung von
energieeffizienteren Prozessen für die Produktion.

Weiterer Handlungsbedarf besteht in einer Optimierung
des Energieeinsatzes bei der Produktion durch eine Gesamtbetrachtung der Fertigungskette.

Handlungsbedarf besteht auch in der Weiterentwicklung
von Simulationswerkzeugen zur Optimierung der Energieund Ressourceneffizienz.
13Gontermann, D.: Drehzahlregelung reduziert Energiekosten und steigert die
Betriebssicherheit. In: MaschinenMarkt 48/2007, S. 20, Würzburg, 2007.
14Elsyca electronical intelligence; www.elsyca.com; Stand: 31.1.2008.
15Lepski, D.; Mollath, G.; Szyszka, B.; Völlmar, S.: Simulation komplexer oberflächentechnischer Produktionsprozesse. In: JOT + Oberfläche, Journal für Oberflächentechnik 42 (2002), Nr. 1, S. IV-VIII.
40
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Energie- und Ressourceneffizienz
5.2
Energie- und Ressourceneffizienz in der Nutzung der Produkte
Durch die Verwendung von Produkten mit funktionalen
Oberflächen lassen sich Ressourcen über die gesamte
Lebensdauer einsparen. Dies gelingt am Besten bei frühzeitiger und ganzheitlicher Berücksichtigung ihrer Möglichkeiten und Charakteristika in der Produktentwicklung.
These 2
Lokal funktionalisierte Oberflächen erhöhen die Wirkungsgrade
in der Energie- und Kraftfahrzeugtechnik und tragen somit
erheblich dazu bei, Kraftstoffe zu sparen und die CO2-Emissionen
zu senken. Ungefähr 20 Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes
werden im Bereich Verkehr produziert. Davon entfallen 84 Prozent auf die Straße, 12 Prozent auf den Luftverkehr und lediglich
4 Prozent auf die Schiene.16 Effizienzsteigerungen bei der Stromerzeugung und bei Antriebstechniken von Straßenfahrzeugen
und Flugzeugen können z. B. durch eine enorme thermomechanische Langzeitstabilität der Materialien in korrosiver Umgebung
oder durch besondere Reibungsarmut bewegter Teile erreicht
werden.
Bild 7: Reibungsminimierung
im Motor durch beschichtete
Tassenstößel-Oberflächen.
16Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.): Klimaschutz
durch Werkstoffinnovationen im Automobilbau, Bonn, Berlin, 2007.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
41
Diese neuen Funktionen werden im Wesentlichen durch Oberflächenfunktionalisierungen, d. h. Beschichtung und Strukturierung, möglich. Bild 7 zeigt beschichtete Tassenstößel zur Reibungsminimierung im Motor. Durch ihren Einsatz lassen sich im
Bereich von einem Prozent Kraftstoff einsparen.
Die höhere Energieeffizienz technischer Systeme ist mit einer
höheren Produktattraktivität für den Kunden verbunden. Sie
verstärkt gleichzeitig den Absatz von kraftstoffsparenden Technologien und verbessert die Marktposition deutscher Unter­
nehmen im internationalen Wettbewerb.
Innovative Werkstoffe bzw. funktionale Oberflächen erlauben
nicht nur höhere Wirkungsgrade in Kraftwerken, Motoren und
Turbinen. Sie eröffnen auch neue technologische Horizonte,
etwa bei der organischen Photovoltaik oder bei der Entwicklung
neuer leistungsstarker Energiespeichertechnologien.
Bild 8: Einsatz von
Antihaftschichten.
Links: Formwerkzeug
zur Ab­formung
von Kfz-Reifen.
Rechts: Tablettenstempel.
Im Formen- und Maschinenbau kann durch den Einsatz von lokal
funktionalisierten Oberflächen, beispielsweise in Form verschleißfester Antihaftschichten, der Einsatz von Trenn- und Schmier­
mitteln reduziert bzw. vermieden werden. Gleichzeitig lässt sich
die Lebensdauer durch die Beschichtungen erhöhen (Bild 8).
Einen weiteren Beitrag zur Energieeinsparung durch die Nutzung
von Produkten mit funktionalen Oberflächen leisten optische
Beschichtungen. So lässt sich beispielsweise durch Verwendung
von IR-reflektierenden Schichten der Wärmeverlust von Gebäuden durch Abstrahlung wesentlich senken (Bild 9). Im Auto­mobil­
bau werden derartige Wärmeschutzschichten eingesetzt, um die
42
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Energie- und Ressourceneffizienz
Low-E-Glas
IR-Reflektor
Gasfüllung
Innenraum
Außenseite
des Gebäudes
Bild 9: Architekturglas
mit Wärme- und
Sonnenschutzfunktion.
Aufheizung des Fahrzeuginnenraums durch Sonneneinstrahlung
zu verringern und so den Energieaufwand für Klimatisierung zu
senken. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Senkung des Kraftstoffverbrauches und der CO2- Emission.
Dünne Schichten für spanende Werkzeuge sind weit verbreitet.
Die zu erzielenden Effekte reichen dabei von einer längeren
Lebensdauer bis zu wesentlich erhöhten Schnittgeschwindigkeiten in Kombination mit z. B. reduziertem Einsatz von Kühlschmiermitteln. Damit können Ressourcen geschont und die
Umwelt geschützt werden. Insbesondere Einsparungsmöglichkeiten bei Schmierstoffen und Kühlschmiermitteln bieten auf
Grund ihrer weiten Verbreitung und ihrer Bedeutung in indus­
triellen Bearbeitungsprozessen eine große Hebelwirkung.
Durch Sensorik im Motorbereich werden derzeit Kraftstoff­
einsparungen von bis zu 30 Prozent realisiert.17 Ein Potenzial für
17Grütering, U.: 12. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik. In:
MTZ 2/2004, Jahrgang 65, S. 2-6, Wiesbaden, 2004.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
43
Bild 10: Sensorische
Wendeschneidplatte
zur Verschleiß- und
Temperaturmessung.
weitere Minimierung und eine Funktionsintegration bieten hier
oberflächenintegrierte Dünnschichtsensoren, die direkt auf die
Bauteiloberfläche aufgebracht werden können und einen zusätzlichen Mehrwert schaffen. Durch den Einsatz von Stapeln aus
dünnen Schichten lassen sich bestehende Oberflächen um sensorische Funktionen wie Verschleiß- oder Temperaturmessung
unter Beibehaltung der Toleranzen erweitern (Bild 10).18

Handlungsbedarf besteht bei der Entwicklung und Herstellung von Produkten mit funktionalen tribologischen
Ober­flächen, bei denen Reibung minimiert und Kraftstoff
eingespart wird.

Weiterer Handlungsbedarf besteht darin, den Einsatz konventioneller Schmierstoffe weiter zu verringern, zu vermeiden
oder mit neuen Oberflächen die Voraussetzungen für den
Einsatz alternativer, umweltfreundlicher Schmierstoffe zu
schaffen.

Handlungsbedarf besteht ferner in der Produktion funktionaler Oberflächen für Anwendungen zur Energieeinsparung
oder Energiegewinnung.

Handlungsbedarf besteht in der Erhöhung der Produkt­
funktionalität durch oberflächenintegrierte Sensorik und
Aktorik.
18Lüthje, H.; Nordmann, K.; Schmitz, R.: Intelligenter Drehmeißel – IDEE, Ab­
schluss­bericht, Braunschweig, 2003.
44
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Energie- und Ressourceneffizienz

Handlungsbedarf besteht darin, bereits bei der Produkt­
gestaltung die Möglichkeiten funktionaler Oberflächen einzubeziehen, um über die gesamte Produktlebensdauer Energie
und Ressourcen zu sparen.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
45
46
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
6
H
andlungsfeld »Fertigungsintegrierte
Erzeugung funktionaler Oberflächen«
Bild 11: Die Integration weiterer Funktionen in Bauteile erfordert Produktionsprozesse für Oberflächen, die in vorhandene Fertigungsabläufe eingepasst sind.
Der Einsatz neuartiger Prozesse in der industriellen Fertigung ist
eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt des technologischen
Vorsprungs Deutschlands. Gemeinsam mit einer kosten- und
ressourcensparenden Beschichtungs- und Strukturierungstechnik
trägt dies zur Sicherung der internationalen Position bei. Eine
Auflistung der wichtigsten Kosteneinsparungspotenziale ist im
Anhang A-27 zu finden.
Innovationen in der Prozessführung und die Kombination
­verschiedener Verfahren führen zu erweiterten Eigenschaften
funktionaler Oberflächen. Im Anhang ist in A-19 die Bewertung
verschiedener Oberflächenfunktionen hinsichtlich ihrer techno­
logischen Reife und ihres Entwicklungspotenzials dargestellt.
Unter A-7 sind zudem die wesentlichen Defizite in der Werkstoffentwicklung aus Sicht der befragten Unternehmen aufgelistet.
Einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung dieser Defizite können
innovative Prozesstechniken und neue Verfahrenskombinationen
leisten. Die Bewertung der verschiedenen Technologien ist in A-5
zusammengefasst. Das technologische Potenzial der nachfolgend
beschriebenen Technologien wird von befragten Unternehmen
und Forschungseinrichtungen als hoch eingeschätzt. Tabelle A-5
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
47
enthält ebenso den abgeschätzten weiteren Entwicklungsbedarf
dieser Technologien. Ergänzend sind in A-6 Technologien aufgeführt, die für die Zukunft als besonders relevant eingestuft wurden.
Bei der Weiterentwicklung der Produktionstechnologien ist eine
Kompatibilität zu bestehenden Verfahren besonders wichtig,
damit neue Hochleistungstechnologien einen schnellen Einzug in
die industrielle Fertigung finden können. Rund 70 Prozent der
befragten Unternehmen schätzen die Fertigungsintegration der
verschiedenen Herstellungsverfahren von funktionalen Oberflächen als wichtig bis sehr wichtig ein (A-22).
These 3
48
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Hochintegrierte Prozesse sind die Voraussetzung für die
nahtlose Einbindung von Oberflächenfunktionalisierung
in Fertigungsabläufe. Durch das Verschieben von Prozessgrenzen und die deutliche Prozessintensivierung ergeben
sich Möglichkeiten für neue Werkstoffe und Einsatzfelder.
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen
6.1
Beschichtungsverfahren
Für die Erzeugung funktionaler Oberflächen sind Beschichtungsverfahren unabdingbar. Neben den etablierten Verfahren sollen
hier neue technologische Varianten vorgestellt werden, die sich
durch eine besondere Energie- und Ressourceneffizienz auszeichnen. Wichtige Entwicklungsziele sind Einsparungen in der
An­lagentechnik für Prozesse bei Atmosphärendruck und im Grob­
vakuum, die Effizienzsteigerung von Beschichtungen durch Hoch­
rateprozesse und die Weiterentwicklung von Niederdruckverfahren.
Atmosphärendruck-Verfahren
Neben den bekanntesten Atmosphärendruck-Verfahren, den
nasschemischen Beschichtungsverfahren, gibt es unter anderem
auch Plasmaverfahren, die bei Atmosphärendruck arbeiten und
dadurch deutlich kostengünstiger als Vakuumverfahren sind.
Durch einfachere Anlagen und den Verzicht auf die Vakuum­
erzeugung sinken die Investitions- und Betriebskosten. Drei
besonders interessante Beispiele werden an dieser Stelle kurz
vorgestellt:

Der Plasma-Jet ist ein Plasma-Hochrate-Verfahren zur lokalen
Oberflächenbeschichtung bei Atmosphärendruck. Es können
selektive Beschichtungen mit verschiedenen, beispielsweise
siliziumbasierten oder plasmapolymerisierten Werkstoffen
durch­geführt werden. Durch die einfache Beweglichkeit der
Plasmaquelle ist die Beschichtung sowohl flacher als auch
strukturierter und dreidimensionaler Bauteile möglich.

Mit der dielektrischen Barriereentladung lassen sich Flächen
effektiv funktionalisieren und Schichten mit einer Dicke im
Nanometerbereich auftragen. Die Verwendung geformter
und strukturierter Elektroden erlaubt selektive Abscheidungen
und der Einsatz von Precursoren ermöglicht den Aufbau komplexer Schichten. Dieses Verfahren ist ebenfalls in Kombination mit der chemischen und galvanischen Verstärkung sehr
interessant (Kapitel 6.3).
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
49

Beim Jet-Plating wird ein Elektrolytstrahl, in dem sich die
Anode für den Abscheideprozess befindet, auf das zu
beschichtende, leitfähige Grundmaterial gerichtet. Der Strom
fließt dann entlang dieses Strahls zum Substrat und bewirkt
dort die Abscheidung von Metall. Auf diese Weise kann eine
lokale Beschichtung realisiert werden. Diese Prozesstechnik
wird heute vorwiegend in Sonderanwendungen eingesetzt.
Für die Fertigung von kleinen Bauteilen, wie sie in der Mikrosystemtechnik verwendet werden, ist die Miniaturisierung des
Jet-Plating-Prinzips ein viel versprechender Ansatz, mit dem
sich feine Strukturen mit Breiten von einigen Mikrometern
herstellen lassen.
Gasfluss-Sputtern
Ein weiteres Plasma-Hochrate-Verfahren, das sich auch für die
Beschichtung großer Flächen aufskalieren lässt, ist das GasflussSputtern.19 Durch die Verwendung einer Hohlkatodenentladung
lassen sich hohe Ionisierungsgrade in der Quelle und damit hohe
Abscheideraten von mehreren zehn bis hundert Mikrometern
pro Stunde realisieren. Da dieses Verfahren unter Grobvakuum
arbeitet, verringern sich sowohl Investitions- und Betriebskosten
als auch Pumpzeiten gegenüber den klassischen Niederdruck­
verfahren. Neben der Erzeugung von Wärmedämmschichten
lassen sich auch magnetische und piezoelektrische Schichten
effizient abscheiden.
19Ortner, K.; Birkholz, M.; Jung, T.: Neue Entwicklungen beim HohlkatodenGasflusssputtern, Vakuum in Forschung und Praxis, 15 (2003) 5, pp. 236239.
50
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen
Bild 12: Plasma einer GasflussSputterquelle.
Gepulste Verfahren
Im Bereich der Niederdruckplasmen sind Verfahren der physikalischen und chemischen Gasphasenabscheidung seit Langem
etabliert. In den letzten Jahren wurden mit gepulsten Modifika­
tionen dieser Verfahren verbesserte Schichteigenschaften
erzielt.
Speziell für die Abscheidung dichter Schichten bzw. zur Modifikation der Schichteigenschaften wird das Arc-Verdampfen
genutzt, welches ein vollständig ionisiertes Beschichtungsplasma
liefert. Mit einem gepulsten Entladungsstrom kann eine deutliche
Verbesserung der Schichtqualität (Dichte, Defektarmut) im Vergleich zu herkömmlichen Arc-Verdampfern erreicht werden.
Beim LaserArc-Verfahren20 beispielsweise wird das Beschichtungsplasma durch eine stromstarke, gepulste elektrische Bogenentladung produziert. Die Zündung der Entladungspulse erfolgt
dabei durch einen Laser. Durch Ergänzung mit neuartigen Filtertechniken können Partikel aus dem Plasma eliminiert werden,
wodurch Schichten für höchste Ansprüche vom Nano- bis in den
Mikrometerbereich hergestellt werden können. Eine modulare
Bauweise ermöglicht eine wirtschaftliche Integration in indus­
trielle Anlagentechnik.
20Scheibe, H.-J.; Schultrich, B.: DLC-film deposition by Laser-Arc and properties
study. In: Thin solid films, 246 (1994) pp. 92-102.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
51
Bild 13: Ti3SiC2-Dünnschichten:
Rechts: Die reine DCSputter-Abscheidung
erzeugt eine säulenartige
Schichtstruktur. Links: Durch
das Hochleistungs-PulsMag­netronsputtern wird
bei sonst vergleichbaren
Bedingungen eine glasartige
Schichtstruktur erzielt.
500 nm
500 nm
Eine neuartige Entwicklung bei den Niederdruckverfahren ist das
Hochleistungs-Puls-Magnetronsputtern (HPPMS, HIPIMS).21 Für
die Realisierung der HPPMS-Prozesse kann eine vorhandene
PVD-Anlage durch den Einbau einer entsprechenden Pulseinheit
kostengünstig erweitert werden. Mit Hilfe der gepulsten Entladung kann der Target-Ionenanteil im Plasma auf weit über
70 Prozent erhöht werden. Dadurch lassen sich die Schichteigenschaften modifizieren, d. h. beispielsweise Härte, Dichte,
­Verschleißfestigkeit oder Brechungsindex, erhöhen. In Bild 13
veranschaulichen Bruchkantenbilder die Schichtmodifikation. In
diesem Fall zeigt die mit dem herkömmlichen Sputter-Prozess
abgeschiedene Schicht eine säulenartige Struktur und die Schicht,
die mit dem HPPMS-Prozess hergestellt wurde, eine glas­artige
Struktur.
Ein weiteres Beschichtungsverfahren im Niederdruckbereich ist
das PLD-Verfahren (Pulsed Laser Deposition), bei dem mit einem
gepulsten Laserstrahl Material von einem Target abgetragen
wird. Gepulste Verfahren gibt es auch in der Galvanik, hier wird
z. B. das »Pulse Plating« zur gezielten Beeinflussung der Schichteigenschaften eingesetzt.22, 23
21Kouznetsov, V.: A novel pulsed magnetron sputter technique utilizing very
high target power densities. In: Surface and coatings technology, 122 (1999),
pp. 290-293.
22Tang, P. T.: Pulse reversal plating of nickel alloys. Transactions of the Institute
of Metal Finishing, 85 (2007) 1, pp. 51-56.
23Yueli, L.; Lei, L.; Jinchai, L.; Chunxu-Pan: From copper nanocrystalline to CuO
nanoneedle array: synthesis, growth mechanism, and properties. Journal of
physical chemistry C, 111 (2007) 13, pp. 5050-5056.
52
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen

Handlungsbedarf besteht bei der Entwicklung industrietauglicher Pulsprozesse zur Verbesserung von Oberflächenfunktionalitäten.

Weiterer Handlungsbedarf besteht in der Entwicklung von
Hochrateprozessen zur Reduktion der Prozesszeiten.

Weiterer Handlungsbedarf besteht in der Bereitstellung von
Atmosphärendruck-Prozessen. Hierdurch ist eine Kosten- und
Energieeinsparung durch Verzicht auf aufwändige Anlagentechnik, insbesondere zur Vakuumerzeugung, möglich.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
53
6.2
Strukturierung
Strukturen mit Abmessungen von wenigen Mikro- oder Nanometern zeigen ein anderes Oberflächenverhalten als makroskopische Flächen. Beispielhaft sei hier die Benetzbarkeit von flüssigkeitstragenden und flüssigkeitstransportierenden Bauteilen
genannt. Zur genauen Einstellung der Transporteigenschaften
sind sehr feine Mikro- und Nanostrukturen erforderlich, die heute
zum Großteil noch nicht industriell hergestellt werden können.
Die von den Experten im Workshop der Untersuchung und in
den Interviews als relevant eingeschätzten Technologien zur
Mikro- und Nanostrukturierung wurden in der Befragung von
Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen bewertet.
Das technologische Potenzial der Strukturierungsverfahren wurde
durchgängig als hoch eingeschätzt. Die Daten hierzu sind in
A-10 dargestellt. Die Tabelle enthält ebenfalls den Entwicklungsbedarf aus Sicht der befragten Unternehmen. Ergänzend sind
unter A-11 weitere zukünftig besonders relevante Strukturierungsverfahren aufgelistet.
Grundsätzlich unterscheidet man bei den Strukturierungstechnologien abtragende und auftragende Verfahren. Für abtragende
Verfahren werden sowohl chemische als auch elektrochemische
oder mechanische Prozesse verwendet. Der Laser lässt sich
sowohl abtragend als auch auftragend für Strukturierungen verwenden. Andere Strahlquellen, wie Elektronen- und Ionenstrahl
können ebenfalls für auftragende Verfahren eingesetzt werden.
Dabei kann die Strukturierung entweder direkt oder mit Hilfe von
Masken erfolgen. Diese hier beschriebenen Verfahren besitzen
ein großes technisches Potenzial für neue und verbesserte Prozesse zur Funktionalisierung, wurden bisher aber nicht konsequent in diese Richtung weiterentwickelt. Daher sind hier noch
erhebliche Innovationen zu erwarten.
54
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen
Laserstrukturierung
Laserstrahlquellen werden seit
Langem in der Industrie für
abtragende Strukturierungsverfahren eingesetzt. Innovativ ist
ihr Einsatz im Bereich der Mikro­
strukturierung. Hier se­hen auch
die befragten Unternehmen
und Forschungsinstitute ein
besonders hohes technologisches Potenzial. Ein Beispiel ist die Strukturierung von Cr2O3Keramik. Die Tendenz in der Druckindustrie zeigt, dass für immer
höhere Auflösungen immer kleinere Strukturen dringend notwendig sind. Heute werden bei den Applikationen im Druckbereich Strukturbreiten von einigen zehn Mikrometern realisiert.
Diese könnten aus Sicht von Druckmaschinenherstellern noch
kleiner sein. Bild 14 zeigt die Oberflächenstruktur einer Rasterwalze, die zur Aufnahme der Druckfarbe für den Druckvorgang
dient. Entscheidend ist eine möglichst deutlich höhere Stand­
festigkeit der Strukturen im späteren Einsatz.
Bild 14: Mit Laser erzeugte
Mikrostrukturen auf Cr2O3.
Mikro- und Nanostrukturen mit spezifischen Oberflächeneigenschaften wie z. B. Hydrophobie, Hydrophilie, Oleophobie, Oleophilie, Härte oder Verschleißfestigkeit lassen sich durch Beschichtungs- oder Strukturierungsverfahren allein unzureichend
realisieren. Eine Kombination von Beschichtungs- und Strukturierungstechnologie erlaubt ein ortsselektives Abtragen von
beschichtbaren Substraten, wie Bild 15 für eine dekorative
Anwendung zeigt.
Bild 15: Laser-ArcBeschichtungsverfahren/
Laserstrukturierungstechnologie
für dekorative Anwendungen.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
55
Direktstrukturierung simultan zur Abscheidung
Mit galvanischen Verfahren ist es möglich, durch die Steuerung
der Abscheideparameter während der Erzeugung einer Schicht
auch eine Struktur wachsen zu lassen. Das wurde für verschiedene Metalle und Geometrieelemente bereits gezeigt (Bild 16).
Anwendung finden die abgebildeten Chromschichten beispielsweise beim Flüssigkeitstransport in Druckmaschinen. Vorteilhaft
ist, dass eine Basisschicht und eine darüberliegende Strukturschicht aus demselben Werkstoff in einem Schritt aufgebracht
werden können. Ähnliche Topographien lassen sich auch bei der
Herstellung von DLC-Schichten im Niederdruckverfahren erzeugen.24
Bild 16: Direkt strukturierte
galvanische Oberflächen.
Links: Chrom.
Rechts: Kupfer.
20 μm
10 μm
Galvanoformung im Rolle-zu-Rolle-Prozess
Für sehr große Flächen oder die Strukturierung von Rollenware
ist die Kombination eines konventionellen Abscheideprozesses
mit dem Funktionsprinzip der Galvanoformung eine interessante
Möglichkeit.25, 26 Bei der Galvanoformung werden auf Modell-
24www.vdivde-it.de/innonet/projekte/in_pp127_dlc.pdf; Stand: 11.1.2008.
25Slafer, D.: Systems and methods for roll-to-roll patterning. WO/2007/001977;
www.wipo.int/pctdb/en/wo.jsp?wo=2007001977&IA=WO2007001977&DIS
PLAY= STATUS; Stand: 8.1.2008.
26Warlimout, H.: New light weight battery grids by electroforming. In: 16th
­Annual Battery Conference on Applications and Advances. Proceedings of the
Conference, Long Beach, CA, USA, 9-12 Jan. 2001 Piscataway, NJ, USA: IEEE,
2001, pp. 195-198.
56
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen
körpern dreidimensionale Strukturen durch elektrochemische
Abscheidung hergestellt. Diese Körper können aus Kunststoff
bestehen oder beispielsweise als strukturierter Photoresist-Lack
auf einer Fläche aufgebracht sein. Im ersten Fall lässt sich eine
selbsttragende Struktur generisch erzeugen, sie muss nach der
Abscheidung vom Modell getrennt werden. Im zweiten Fall entsteht die Negativstruktur zum Photoresist, der nach der Abscheidung entfernt wird; die abgeschiedenen Strukturelemente sitzen
nun auf dem Substrat. Durch die Kombination einer separaten
Maske mit einem Durchlaufprozess kann die Strukturierung von
Metallbändern oder beschichteten Folien weiterentwickelt werden. Dadurch würden hohe Produktionskapazitäten mit einer
kostengünstigen Prozesstechnik vereint werden.
Nano-Imprint
Nano-Imprint ist eine junge Technologie zur Herstellung nano­
skaliger Strukturen im Bereich der Nanoelektronik, Photonik und
Biotechnologie.27 Die befragten Unternehmen schätzen das technologische Potenzial der Nano-Imprint-Technologie als hoch ein,
jedoch sehen die Teilnehmer der Befragung bei dieser Technologie noch Entwicklungsbedarf hinsichtlich der Zuverlässigkeit des
Prozesses. Die Nano-Imprint-Technologie konkurriert mit der
Lithographie und ermöglicht eine sehr hohe Auflösung bei
wesentlich geringeren Kosten. Basis dieser Technologie ist die
Replikation von Strukturen, welche in ein Template, einen Stempel, geätzt oder mit Elektronenstrahl geschrieben wurden. Die
Strukturerzeugung erfolgt durch das Eindrücken dieses Templates
in einen UV-aushärtbaren Resist-Lack mit geringer Viskosität.
Nach dem Auffüllen aller Hohlräume des Templates mit dem Lack
wird die Lackschicht mittels UV-Licht oder thermisch ausgehärtet.
Bild 17 zeigt eine mit Hilfe der Nano-Imprint-Lithographie
erzeugte Nanostrukturierung in einem dünnen Polymerfilm.
27Deutsches Patent: DE 102 17 151 A1.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
57
Bild 17: Nanostrukturierter
Polymerfilm, hergestellt mit Hilfe
der Nano-Imprint-Lithographie.
Das Laser-Assisted-Direct-Imprint (LADI)-Verfahren, eine neue
Variante der Nano-Imprint-Technologie, erlaubt die Herstellung
2,5-dimensionaler Strukturen im Nanometerbereich.28 Die Struktur wird dabei durch eine Kombination von Aufheizen und
gleichzeitiger Prägung der Oberfläche erzeugt. Mit dem LADIVerfahren können zukünftig optische Bauelemente wie z. B. Filter- und Monochromatorgitter mit einer gegenüber aktuellen
Verfahren deutlich verbesserten Auflösung hergestellt werden.
Realisierbar sind Perioden von 100 Nanometern und weniger.29
In der Umfrage geben 35 der befragten Unternehmen an, dass
das Thema »Mikro- und Nanostrukturierung« für ihr Unternehmen relevant ist (A-8). 28 Unternehmen sehen einen Bedarf an
neuen Strukturierungsverfahren (A-9). Die Frage an die Experten,
ob Mikro- und Nanostrukturierungen heute schon auf großen
Flächen homogen und reproduzierbar herstellbar sind (A-12),
wurde von 34 Prozent der Befragten mit »Ja« und von 39 Prozent der Befragten mit »Nein« beantwortet. Hier zeigt sich, dass
in diesem Bereich noch ein erheblicher Entwicklungsbedarf
besteht. In welchen Bereichen der Strukturierung von Forschung
und Industrie aktuell Defizite gesehen werden, ist im Anhang
28Chou, S. Y.; Keimel, C.; Gu, J.: Ultrafast and direct imprint of nanostructures
in silicon. In: Nature, 417 (2002), pp. 835-837.
29EU-Projekt »The Emerging Nanopatterning Methods (NaPa)«; www.phantomsnet.net/NAPA/index.php?project=3; Stand: 11.1.2007.
58
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen
unter A-14 aufgeführt. Aus den dort genannten Themen und
der Diskussion mit verschiedenen Experten ergibt sich der Handlungsbedarf für die Zukunft:

Handlungsbedarf besteht bei der Weiterentwicklung der
Genauigkeit der Strukturabbildung mit guter Reproduzierbarkeit auf großen Flächen. Gleichzeitig ist es erforderlich, die
Strukturgrößen weiter zu reduzieren.

Handlungsbedarf besteht bei der Bereitstellung von Simulationen von Werkstoffeigenschaften in Abhängigkeit von der
Oberflächenstruktur.

Weiterer Handlungsbedarf besteht bei der Bereitstellung
kostengünstiger Produktionsanlagen für die Großserien­
fertigung. Erforderlich aus Sicht der Industrie sind einfache,
schnelle und kontinuierliche Strukturierungsprozesse mit
geringen Betriebskosten.

Handlungsbedarf besteht zudem in der Steigerung von
Haftfestigkeit und Langzeitstabilität der hergestellten Strukturen.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
59
6.3
Kombinationsverfahren
Die Integration der einzelnen Verfahren zur Beschichtung, Strukturierung und Modifikation von Oberflächen in die Prozesskette
bietet vielfältige Möglichkeiten zur Herstellung funktionaler
Oberflächen. Durch die prozesstechnische Kombination von
Beschichtungs- und Strukturierungstechnologien zu einer
gemeinsamen Hybridtechnologie werden neue Wege zur Erzeugung von innovativen Oberflächeneigenschaften zugänglich.
Optimaler Energie- und Ressourceneinsatz bei gleichzeitig
technisch anspruchsvollen Schichten oder Strukturen lässt
sich oft ideal durch die Kombination von Verfahren erzielen. Insbesondere ungewöhnliche Kombinationen bieten
völlig neue Möglichkeiten.
These 4
Galvanik und Lasertechnik
In der Galvanotechnik gibt es viel versprechende Ansätze für die
Herstellung von strukturierten oder lokal funktionalisierten
Schichten. Für die Bearbeitung von Flächen bis zur Größe von
einigen 10 Quadratdezimetern kommt die Kombination eines
konventionellen Prozesses mit einer zweiten, steuerbaren Energiequelle wie beispielsweise einem Laser in Frage. Solche Prozesse sind in der Literatur an verschiedenen Stellen beschrieben,
jedoch noch nicht in die Praxis übertragen worden.30, 31, 32 Die
Herstellung von Strukturen mit einer Auflösung von einigen 10
bis einigen 100 Mikrometern ist möglich. Bei Einsatz eines Lasers
30Kordas, K.; Remes, J.; Leppavuori, S.; Nanai, L.: Laser assisted selective deposition of nickel patterns on porous silicon substrates. In: Applied surface
science, 178, (2001), 1-4, pp. 93-97.
31Zahavi, J.; Halliwell, M.: Laser beam inducing selective plating processes on
gas semiconductor substrates. In: Proceedings – INTERFINISH 84, 11th World
Congress on Metal Finishing, Jerusalem, Isr, 1984, pp. 173-177.
32Zahavi, J.; Tamir, S.; Halliwell, M.: Laser induced direct metal deposition on semiconductor and polymeric substrates from electroplating solutions. In: 72nd
AES Annual Technical Conference Proceedings, Detroit, USA, 1985, o. 2p.
60
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen
Bild 18: Mikroplasma
zur Erzeugung einer
Interdigitalstruktur mit einer
Linienbreite von 200 µm.
Bild 19: Prinzip des PlasmaPrinting mittels dielektrischer
Bariereentladung (DBD) bei
Atmosphärendruck.
ist durch die flexible Ansteuermöglichkeit gleichzeitig eine hohe
Flexibilität des Prozesses gegeben.
Plasma-Printing bei Atmosphärendruck und
­galvanotechnische Metallisierung
Eine neuartige, derzeit im Labormaßstab befindliche Technologie
zur Herstellung flexibler Leiterplatten beruht auf der Kombination aus einer strukturierten Aktivierung durch Plasma-Printing
mit anschließender außenstromloser Metallisierung und galvanischer Nachverstärkung.
Unter Plasma-Printing versteht man in diesem Zusammenhang
die lokale Oberflächenmodifizierung von Polymeren mittels
­dielektrischer Barriereentladung (DBD) bei Atmosphärendruck.
Durch Verwendung geeigneter Prozessgase, z. B. Stickstoff oder
Formiergas, die eine Aminofunktionalisierung der Polymeroberflächen bewirken, können haftfeste Metallisierungen hergestellt
werden. Erzielte Schälhaftfestigkeiten von Kupferschichten auf
Polyimid liegen bei über 0,8 N/mm und erreichen damit die nach
DIN 53494 für flexible Schaltungsträger geforderten Werte.
Durch die Eingrenzung der Entladungsräume können in diesen
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
61
Kavitäten Mikroplasmen erzeugt werden, mit denen derzeit
minimale Strukturbreiten und Strukturabstände von 100 Mikrometern möglich sind. Die Kombination des sehr energieeffi­
zienten und umweltfreundlichen Plasmaprozesses und der darauf
angepassten ressourcenschonenden Elektrochemie zeigt das
zukünftige Potenzial dieser Technologie. Die nächsten Ziele sind
daher eine weitere Verringerung der Strukturbreiten und
-ab­stände auf unter 50 Mikrometer sowie die Umsetzung in ein
Rolle-zu-Rolle-Verfahren.33
Laser-CVD-Verfahren
Eine Möglichkeit zur ortselektiven Beschichtung von Fasern bietet das Laser-CVD-Verfahren.34 Grundprinzip des Laser-CVD-Verfahrens ist, dass ein CVD-Beschichtungsprozess nur dort auf
Bild 20: Kontinuierliche LaserCVD-Beschichtung von Fasern.
33Möbius, A.; Elbick, D.; Borris, J.; Thomas, M.; Zänker, A.; Klages, C.-P.; Weidlich, E.-R.; Feldmann, K.; Schüßler, F.: Plasma-printing and galvanic metallization hand in hand – a new technology for the cost-efficient manufacture
of flexible printed circuits. In: Proceedings zur Konferenz »Euro Interfinish
2007«, Athen, 2007.
34Hopfe, V.: Laser CVD-Status und industrielles Potenzial der Faserbeschichtung.
In: Vakuum in Forschung und Praxis, 14 (2002) Nr. 4, S. 206-212.
62
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Fertigungsintegrierte Erzeugung funktionaler Oberflächen
einer Oberfläche erfolgt, wo eine Bestrahlung mit einem Laser
stattfindet. Hierfür müssen die Faserbündel vor dem Eintritt in
die Beschichtungszone aufgespreizt werden, damit der ­Precursor
die Einzelfaser ringsherum umspülen kann. Anschließend läuft
die Faser in die Bestrahlungszone und wird kurzzeitig geheizt
und dabei beschichtet (Bild 20). Auch eine strukturierte Abscheidung ist denkbar, wenn der Laser »schreibend« eingesetzt wird.

Handlungsbedarf besteht in der technologieübergreifenden Bewertung von Verfahrenskombinationen für relevante
Anwendungsfelder.

Handlungsbedarf besteht bei der anwendungsorientierten
Entwicklung und Bereitstellung von Verfahrenskombina­
tionen zur Erzeugung funktionaler Oberflächen. Wesentliche
Gesichtspunkte bei der Auswahl der Einzelprozesse sollten
Kosten, Energie- und Ressourceneffizienz sowie die Komplexität des Gesamtprozesses sein.

Weiterer Handlungsbedarf besteht bei der produktionstauglichen Integration der Einzelprozesse, bei der Entwicklung
kompakter Anlagen, abgestimmter Übergabestellen sowie
einer ganzheitlichen Verfahrenssteuerung.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
63
64
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
7
7.1
H
andlungsfeld »Produktionstechnologie
mit Hochleistungsprozessen«
Fertigungsflexibilität und Prozessintegration
Bild 21: Voraussetzungen und Komponenten für moderne Produktions­
anlagen zur Herstellung funktionaler Oberflächen.
Nur durch den Transfer neuartiger Beschichtungs- und
Strukturierungsverfahren in die industrielle Serien­fertigung
lässt sich das Innovationspotenzial funktionaler Oberflächen nutzen.
These 5
Die Herstellung funktionaler Schichten erfolgt heute in vielen
Fällen durch externe Beschichtungsdienstleister. Diese müssen
aus wirtschaftlichen Gründen ihre Anlagen so gestalten, dass sie
für ein breites Bauteilspektrum geeignet sind. Dadurch können
sie in vielen Fällen die Beschichtungsprozesse nicht angepasst
und für das jeweilige Bauteil optimiert betreiben. Dies führt zu
höheren Fehlerraten oder Beschichtungen außerhalb der Spezifikation.
Die Anpassung von Beschichtungsanlagen an spezifische Bauteile erfordert spezielle Konzepte und ist mit höheren Kosten
verbunden. Außerdem ist die Auswahl der idealen Anlagen­
konfiguration schnell und sicher meist nur mit Hilfe von Simula-
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
65
tionswerkzeugen möglich. Beispielsweise kann in der Galvanotechnik durch die Nutzung von Simulation beim Einsatz von
Form-Anoden eine anforderungsgemäße Schichtverteilung auch
auf komplexen Bauteilen in nur wenigen Tagen erreicht werden.35
Konventionell wird eine geeignete Konfiguration durch Versuche
bestimmt, die sich je nach Bauteil über Wochen oder sogar
Monate hinziehen können.
Bei CVD-Prozessen ist die Beschickung der Beschichtungskammern für unterschiedliche Teilegeometrien und Füllungsgrade ein
qualitätsbestimmender Faktor. Strategien zur Planung des Prozesses, die auch bei starker Variation der Bauteile die reproduzierbare Herstellung hoher Qualität erlauben, sind heute noch
nicht verfügbar. Das führt vor allem bei kleinen Serien oft zu
erheblichen Problemen bei der Einhaltung der geforderten Qualität. Bestätigt wurde dies in der Befragung (A-5). Bei vielen der
aufgeführten Prozesstechnologien sehen über 40 Prozent der
Befragten noch Entwicklungsbedarf bei der Zuverlässigkeit. Dies
gilt auch für etablierte Technologien wie die Galvano­technik, das
Sputtern oder die Lackiertechnik.
Um die skizzierten Probleme zu lösen, sind grundlegende Entwicklungen bei der Anlagentechnik notwendig. Die meist mittelständischen Beschichtungsfirmen haben normalerweise unzureichende Ressourcen, um solche langfristigen Projekte umzusetzen.
Sie stehen unter hohem Kostendruck ihrer Kunden und können
nur solche Entwicklungen durchführen, die zu kurzfristigen
Kostenvorteilen führen. Dies bestätigen auch die Gespräche mit
großen Firmen, die Dienstleistungen im Bereich Oberflächen­
bearbeitung extern einkaufen. Nur wenn die potenziellen Einsparungen sehr hoch eingeschätzt werden, besteht die Bereitschaft zur Entwicklung innovativer und damit risikoreicher
Lösungen.
Die Entwicklung hochflexibler, einfach umzurüstender Beschichtungsanlagen zum Preis konventioneller Anlagen würde zukünftig auch kleinen und mittleren Firmen den Zugang zu optimierten
35Elsyca electronical intelligence; www.elsyca.com; Stand: 31.1.2008.
66
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen
Prozessen ermöglichen. Damit könnten sie Spitzenprodukte zu
konkurrenzfähigen Preisen anbieten und ihre Stellung im Markt
auch gegen internationale Konkurrenz sichern. Neben dem
Maschinenkonzept muss allerdings auch ein Bediensystem
bereitgestellt werden, welches die Möglichkeiten der Anlagentechnik auch für geringer qualifizierte Bediener nutzbar macht.
Fertigungsflexibilität
In der modernen Produktion sind die Reduzierung von Rüst- und
Nebenzeiten sowie der Einsatz hochflexibler Werkzeuge für
bestimmte Fertigungsaufgaben zentrale Herausforderungen.
Insbesondere für die Strukturierung oder selektive Funktionalisierung stehen verschiedene Fertigungsverfahren zur Verfügung.
Gerade in der variantenreichen Produktion sind kurze Konfigurationszeiten und die sichere Überwachung verschiedener Prozessvarianten sehr wichtig. Daneben sind Sensoren für die Über­
wachung heute noch nicht erfassbarer Bauteil- oder
Schichteigenschaften und die Rückführung solcher Informationen in die Prozesssteuerung ein wichtiger Baustein für eine
schlanke und konkurrenzfähige Fertigung.36 Für die Varianten­
fertigung kommen auch neue Anlagenkonzepte mit einer universellen Plattform, welche die notwendige Prozessinfrastruktur
enthält, und bauteilspezifischen Erweiterungen in Frage. Den
Potenzialen einer solchen Fertigungstechnik stehen allerdings
einige Risiken entgegen. Da die Vorteile solcher neuen Konzepte
meist nicht a priori bezifferbar sind, scheitert ihre Evaluierung an
der notwendig kurzfristigen Strategie der meisten Unternehmen.
Eine Vereinfachung und Verkürzung der Fertigungsketten durch
hochintegrierte Prozesse reduziert die effektiven Produktions­
kosten. Durch den Einsatz von Industrierobotern lässt sich beispielsweise eine hochflexible nasschemische Oberflächen­
beschichtung realisieren. Der Verzicht auf die klassische
36Manufuture Platform Strategic Research Agenda; www.manufuture.org/
SRA/2005-12-06%20Manufuture%20SRA%20%20SUMMARY1.pdf; Stand:
8.1.2008.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
67
Anlagentechnologie kann das erforderliche Investitionsvolumen
für kleine, modular aufgebaute Anlagen auf 10 bis 20 Prozent
der üblichen Kosten reduzieren. Durch die kompakte Bauweise
lässt sich die benötigte Infrastruktur minimieren, die Prozesse
sind hochflexibel und lassen sich individuell gestalten. Somit ist
auch eine flexible Umstellung der Fertigung bzw. des Produktions­
spektrums ohne geometrische Einschränkung im Rahmen des
verfügbaren Prozessvolumens möglich. Darüber hinaus kann das
Volumen der Prozessmedien drastisch reduziert werden: statt
80 000 l Chemikalien werden beispielsweise nur noch 800 l
benötigt. Heute sind solche Anlagen für die Beschichtung, nicht
aber für die selektive Funktionalisierung oder die Strukturierung
verfügbar. 37
Die homogene und reproduzierbare Herstellung von Schichten
und Strukturen ist heute immer noch eine sehr große Heraus­
forderung in der Produktion, vor allem bei kleinen Losgrößen.
Dies verdeutlicht die Einschätzung der befragten Firmen zur
homogenen und reproduzierbaren Herstellbarkeit von Mikround Nanostrukturen. Nur 34 Prozent der Befragten halten diese
heute schon für möglich (A-12). Die wichtigsten Anforderungen
an lokale Beschichtungs- und Strukturierungsprozesse aus einer
individualisierten Produktion sind nach Ansicht der Experten und
den befragten Unternehmen (A-21)






die definierte Beschichtung oder Strukturierung nach Spezifikation,
ein individueller Schichtaufbau,
individuelle Schichtdickengradienten mit höchster Schicht­
dickenpräzision, sowohl für Einzelstücke als auch in der Kleinserie,
die Wirtschaftlichkeit der Prozesse auch bei kleinen Los­
größen,
Prozessfähigkeit sowie
eine große Bandbreite bei Geometrien und Werkstoffen.
Besonders interessant ist eine hohe Flexibilität auch für die
Beschichtung oder Strukturierung im Durchlauf oder von Rolle
37Carat robotic innovation GmbH; www.gavaro.de; Stand 31.1.2008.
68
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen
zu Rolle. Durchlaufprozesse besitzen meist eine sehr hohe Produktivität und können auch aufwändige Bearbeitungen für
Massen­produkte interessant machen. Daher sollten zukünftig
verstärkt auch solche Fertigungsverfahren entwickelt werden, in
denen die Strukturierung und Funktionalisierung im Durchlauf
geschieht. Mögliche Prozesse sind hier




Prägen und Drucken,
Abtrag mit Strahltechniken,
elektrochemische Verfahren sowie
Plasmaverfahren im Grobvakuum oder bei Atmosphärendruck.
Eines der interessantesten Anwendungsfelder ist zur Zeit die
Photovoltaikfertigung,38, 39 aber auch im Bereich der Displays40
oder Elektronikkomponenten41 sind mikro- und nanostrukturierte
funktionale Oberflächen wichtig.
Prozessintegration und Kompatibilität
Nicht immer ist die Integration eines Beschichtungsprozesses
direkt in eine Fertigungslinie die bestmögliche Lösung. Allerdings
gibt es auch bei der Offline-Kopplung von Fertigungsschritten
vor allem an den Schnittstellen zur Beschichtung häufig Effizienz­
verluste. Ursachen können unterschiedliche Prozesstypen
(kontinu­ierliche vs. Batchprozesse), verschiedene Taktzeiten oder
inkompatible Handhabungs- und Transportkonzepte sein. Allein
durch die Synchronisierung dieser Aspekte zwischen Beschichtungs-/Strukturierungsprozessen und den vor- und nachgelager-
38IDTechEx Ltd: Reel to Reel Production of CIGS Photovoltaics; www.idtechex.
com/printedelectronicsworld/articles/reel_to_reel_production_of_cigs_photovoltaics_00000676.asp; Stand: 8.1.2008.
39ZSW Baden-Württemberg, Jahresbericht 2006; http://jahresbericht.zswbw.de/jb2006/pdf/mat.pdf; Stand: 8.1.2008.
40Novel Roll-to-Roll Metal Patterning on Flexible Substrates for Thin Organic
Field Effect Transistor Technology; www.mrs.org/s_mrs/sec_subscribe.asp?CI
D=2628&DID=116613&action=detail; Stand: 8.1.2008.
41Fahlbusch, T.; Herschmann, R.; Camp, M.; Meier, D.; Hüske, M.; Overmeyer,
L.: Verfahren zur Produktion von UHF-Labels auf laserstrukturierten Substraten; www.smartdevices.de/sds_german/publikation45.pdf; Stand: 8.1.2008.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
69
ten Bearbeitungsschritten lassen sich Aufwand und Kosten in der
Fertigung senken. Besondere Effizienzgewinne sind zu erwarten,
wenn solche Betrachtungen und Optimierungen auch über Firmengrenzen hinweg, beispielsweise zwischen einem Komponentenhersteller und einem Beschichtungsdienstleister, durchgeführt werden.
Die Bedeutung von Fertigungsintegration unterstreicht die Tat­
sache, dass in der Befragung jeweils über 62 Prozent der Firmen
dieses Thema als wichtig oder sehr wichtig für Beschichtung,
Modifikation und Strukturierung einschätzen (A-22). Bisher sind
allerdings noch keine Beispiele für konsequente Effizienzoptimierungen entlang kompletter Fertigungsketten mit Oberflächen­
prozessen für funktionale Oberflächen bekannt. Diese sind aber
ein wichtiger Faktor für den Standort Deutschland, wie die
befragten Firmen bestätigten. Fast 88 Prozent der Befragten halten
die Entwicklung neuer Verfahren mit lokaler Beschichtung für
wichtig oder sehr wichtig für die Sicherung heimischer Produktions­
standorte. Bei lokaler Oberflächenmodifikation sind es 89 Prozent
und bei Mikro- und Nanostrukturierung 84 Prozent (A-31).
70

Handlungsbedarf besteht bei der Entwicklung von Anlagen­
konzepten, die eine schnelle und einfache Anpassung an
spezifische Bauteile erlauben, um auch kleine Losgrößen mit
hoher Qualität und wirtschaftlich effizient zu fertigen.

Weiterer Handlungsbedarf besteht in der Entwicklung von
robusten, emissionsfreien und kompakten Produktions­anlagen
für die Erzeugung funktionaler Oberflächen, die sich einfach
in bestehende Fertigungsumgebungen integrieren lassen.

Daneben besteht Handlungsbedarf bei der Analyse der
Schnittstellen zwischen verschiedenartigen konventionellen
und Schicht­prozessen und der Entwicklung von Integrationsmethoden. Äußerst wichtig ist es, Methoden und technische
Lösungen an konkreten Beispielen zu demonstrieren und die
Optimierungspotenziale detailliert darzustellen und zu kommunizieren.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen
7.2
Modellierung, Simulation
Substanzielle Verbesserungen bei der Werkstoffentwicklung, Anlagenoptimierung und Produktion werden durch
die Kombination verschiedener bisher separater
Simulations­modelle erreicht. Speziell die Verknüpfung von
Werkstoff- und Prozessmodellen auf verschiedenen
Größen­skalen führt zur Optimierung komplexer
­Pro­duktions­prozesse.
These 6
Die steigenden Anforderungen an die Funktionalität und Leistungsfähigkeit beschichteter Werkstoffe erfordern zunehmend
den Betrieb der Beschichtungsprozesse in Grenzbereichen. Beispielsweise steigen bei silberbasierten, wärmedämmenden
Schichten für Architekturglas durch neue Wärmeschutzverordnungen und den Konkurrenzdruck die Ansprüche an die Defektfreiheit und Reproduzierbarkeit des Schichtwachstums. Nur
durch ständige Verbesserung der Abscheidung können die Hersteller die erforderlichen Produkteigenschaften erzielen und ihre
Marktposition behaupten. An großflächig abgeschiedene Interferenzsysteme, z. B. Farbfilter für Displays, werden extrem hohe
Anforderungen hinsichtlich der Schichthomogenität gestellt.
Die Erweiterung der Betriebsbereiche der Prozesse erfordert
einerseits eine detaillierte Kontrolle der Wachstumsbedingungen
am Substrat in Abhängigkeit der Maschinenstellgrößen, andererseits ist bei Vakuum-Depositionsverfahren wie dem MagnetronSputtern ein kontinuierliches Langzeit-Prozessdriftverhalten
typisch, welches ein Nachregeln von Maschinenstellgrößen erfordert. Für sensible Beschichtungen wie beispielsweise hochleit­
fähige, dünne Silberschichten lässt sich der komplexe Prozess auf
rein empirischer Basis nur noch unzureichend kontrollieren. Das
Einfahren solcher Hochleistungsprozesse erfordert bisher das
Einstellen jeder einzelnen Teilschicht im Rahmen von aufwändigen Experimenten für jede einzelne Anlage.
Schon im Vorfeld der Produktion gibt es eine Vielzahl von Optimie­
rungsmöglichkeiten in der Gestaltung der Anlagen­komponenten,
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
71
die jedoch bei den komplexen Abhängigkeiten nicht empirisch
erarbeitet werden können. Ohne Simulation ist eine wirklich
kunden- oder produktspezifische Auslegung oder die wirtschaftliche Optimierung nur eingeschränkt möglich. Um aber die auf
dem Weltmarkt steigenden Ansprüche auch an Energie- und
Ressourceneffizienz bedienen zu können, benötigen die Anlagenhersteller Unterstützung durch Simulationswerkzeuge.
Die detailgetreue Simulation eines Beschichtungsprozesses hinsichtlich der Materialentstehung, angefangen von der Leistungseinkopplung, Precursorenaufbereitung über den Materialtransport bis hin zur Strukturbildung während des Schichtwachstums,
berührt viele regelungstechnische, physikalische und chemische
Problemstellungen, die in Bild 22 nach ihrer jeweiligen Größenskala geordnet dargestellt sind. Der Rechenaufwand steigt dabei
mit jeder Verkleinerung der betrachteten Elemente stark an. Die
exakte Berechnung von Bindungszuständen und Elektronendichte-Verteilungen (»ab initio«) auf subatomarer Ebene ist selbst
mit Hochleistungsrechner-Clustern derzeit nur für Modellsysteme
von maximal ca. 100 Atomen realisierbar. Mit diesen Ab-initioMethoden lassen sich jedoch vereinfachende, parametrisierbare
Modelle für die Wechselwirkungspotenziale finden, die in der
empirischen Molekulardynamik in Systemen mit bis zu
106 Atomen verwendet werden können. Diese Modelle wiederum erlauben Untersuchungen, die für die Morphologie-Bildung
beim Schichtwachstum relevant sind.
Neben der Materialmodellierung spielt die Transportsimulation
der Precursoren eine wichtige Rolle. Diese teilt sich je nach
Material­system in Kontinuumsmodelle (Galvanik, viskose Gas­
strömung) und Partikelmodelle (Niederdruck-Gas­ström­ungen,
insbesondere beim Magnetron-Sputtern) ein. Da die Teilchen­
wechselwirkung hier nur noch schwach ausgeprägt ist, lassen
sich mit moderatem Aufwand bereits Volumina beschreiben,
die in der Größenordnung typischer Anlagen­dimensionen liegen.
Für die Produktentwicklung wird die Simulation von den
befragten Firmen als ein wichtiges und hilfreiches Werkzeug
gesehen. Allerdings gibt es noch Vorbehalte hinsichtlich der
Relevanz heutiger Simulationsmethoden für die Probleme in der
72
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen
industriellen Praxis. Simulation zur Gestaltung eines Schicht­
systems kombiniert mit Versuchen zur Verifizierung ist für viele
der Befragten der ideale Weg in der Entwicklung (A-17).
Prozessmodelle sind einerseits für die Gestaltung von Beschichtungsanlagen und ihren Komponenten und andererseits für die
Bereitstellung von Werkzeugen zur möglichst genauen Prozessregelung in der Produktion notwendig. Eine modellgestützte
Prozessregelung und ein schnelles Einfahren von Anlagen erfordert Optimierungen durch Parametervariation. Mit detaillierten
Tranportsimulationen auf Partikel- oder FEM-Basis ist dies nicht
sinnvoll durchführbar, so dass hierfür schnelle, vereinfachte, heuristische Prozessmodelle zum Einsatz kommen, die auch externe
Einflussgrößen erfassen und auf bestimmte Beschichtungs­
anlagen hin kalibriert sein müssen.
Bei der Auslegung neuer Beschichtungsanlagen sind auch numerisch aufwändigere Verfahren interessant, mit denen die aus der
Quellengeometrie und den jeweiligen Randbedingungen resultierenden Wachstumsbedingungen am Substrat mit hohem
Detailgrad beschrieben und somit Rückschlüsse für die Konstruktion der Beschichtungsquelle gezogen werden können.
a
k
Bild 22: Überblick über die unterschiedlichen Größenskalen für verschiedene Aspekte eines Beschichtungsprozesses von der Prozessregelung
über die Precursorenaufbereitung bis hin zur Strukturbildung während
des Schichtwachstums.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
73
Die skizzierten Bausteine für eine durchgängig mit Modellen
unterstützte Entwicklung und Produktion funktionaler Ober­
flächen sind bisher erst teilweise verfügbar. Die entwickelten
Werkzeuge unterscheiden sich zudem stark in Bezug auf ihre
Praxisnähe und den Aufwand beim Einsatz. So dienen Ab-initound molekulardynamische Verfahren der Modellierung der
Struktur­bildung. Die Transportsimulation bietet Ansätze zur
Berechnung der lateralen Verteilung schichtbildender Spezies. Im
Bereich plasmagestützter Vakuumbeschichtungsverfahren ist die
Vorhersage von Plasmadichten und Energieeinträgen möglich,
und heuristische Modelle von Beschichtungsverfahren eignen
sich schon heute für eine schnelle modellgestützte Prozessregelung. Es fehlt jedoch noch die wichtige Verknüpfung der einzelnen Modelle. In einigen Fällen ist die Anknüpfung der heuris­
tischen Modelle an die Transportsimulationen schon vorbereitet,
aber noch nicht industriell umgesetzt. Bei der Optimierung von
Beschichtungsprozessen halten 70 Prozent der befragten Unternehmen die Simulation für wichtig oder sehr wichtig (A-18) und
73 Prozent erwarten durch den Einsatz von Simulationsverfahren
eine Reduktion der Entwicklungszeit von Beschichtungen oder
Schichtsystemen.
Für Schichten existieren zahlreiche Simulationsverfahren für die
Bestimmung beispielsweise der optischen und mechanischen
Eigenschaften in Abhängigkeit der Abfolge der Einzelschichten.
Eingesetzt werden sie unter anderem für die Berechnung
optischer Filter mittels Multilagen-Algorithmus, für die mechanische Modellierung der Schichthärte oder von Schichtversagenskriterien oder für die Simulation der Performance von Solarzellen. Diese theoretische Vorab-Analyse der funktionalen
Eigenschaften von Beschichtungen mit Hilfe entsprechender
Modelle halten 64 Prozent der befragten Unternehmen für wichtig oder sehr wichtig (A-18). Gelänge es, diese Modelle mit den
heuristischen Modellen für die Schichtbildung zu koppeln, ergäbe
sich hieraus ein hohes Potenzial in Richtung computerunterstützter, maßgeschneiderter Fertigung. Im SIMKOPP-Projekt42
42Lepski, D.; Mollath, G.; Szyszka, B.; Völlmar, S.: Simulation komplexer oberflächentechnischer Produktionsprozesse. In: JOT + Oberfläche, Journal für Oberflächentechnik 42 (2002), Nr. 1, S. IV-VIII.
74
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen
entstandene Software­umgebungen wie RIG-VM® sind für diesen
Schritt bereits ausgelegt. Erste Ansätze einer industriellen Umsetzung dieser Verknüpfung befinden sich im Planungsstadium.
Beispiel: Modellierung der Target-Erosion beim
Magnetron-Sputtern
Bei der Konstruktion von Magnetron-Sputtertargets sind die aus
der Geometrie und dem Magnetfeld-Design resultierende
Beschichtungshomogenität und Materialausnutzung wichtig.
Der wesentliche Materialabtrag erfolgt im ringförmigen Erosions­
graben, der durch die Form des Magnetfelds vorgegeben ist. Für
planare Targets ist ein Materialausnutzungsgrad von 25 Prozent
typisch. Die in Bild 23 gezeigte Simulation der auf die Target­
oberfläche projizierte Ar+-Ionendichte in Abhängigkeit des
Magnetfelds zeigt, dass aus einem nicht-optimalen MagnetfeldDesign eine inhomogene Ar+-Ionendichte resultieren kann, deren
Maxima jeweils kurz hinter den Wendepunkten an den TargetEnden lokalisiert sind. So würde an diesen Stellen eine stärkere
Erosion eintreten, wodurch der Materialausnutzungsgrad noch
weiter reduziert wäre.
Mit Hilfe der Simulation kann das Magnetfeld so gestaltet werden, dass keine lokal erhöhte Erosion auftritt.43 Der komplette
Abtrag eines Sputtertargets lässt sich in mehreren Teilschritten
Bild 23: Modellierung der
Sputterstromdichte auf
Planartargets in Abhängigkeit
vom Magnetfelddesign.
43Siemers, M.; Pflug, A.; Szyska B.: Three dimensional model for Anomalous
target erosion in magnetron Sputtering. Society of Vacuum Coaters (SVC):
Technical Conference Proceedings 1991-2007, Albuquerque, 2007, pp. 160162.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
75
simulieren, daraus kann der Materialausnutzungsgrad bestimmt
werden. Dies war bisher nur experimentell möglich, indem eine
Sputterquelle teilweise über mehrere Wochen im Dauerbetrieb
brannte.
Damit wird deutlich, dass die hohe Kosteneinsparung der Simulation gegenüber dem Experiment auch aufwändige Simulations­
projekte rechtfertigt. Solche Projekte werden heute von Firmen
häufig an Forschungseinrichtungen vergeben, da oft nur dort die
Expertise für eine schnelle und richtige Nutzung der Simulationswerkzeuge vorhanden ist. Beim Einsatz von Simulation steht für
die Beschichtungsindustrie weniger der Softwareaspekt als der
Werkzeugcharakter der Simulation im Vordergrund. Die Unternehmen sind an Lösungen zu konkreten technischen Problemstellungen interessiert. Zur Entwicklung von Lösungsansätzen
werden in den meisten Fällen Simulationsaufträge extern ver­
geben. Derzeit betreiben nur wenige große Unternehmen eigene
Simulationsabteilungen. Allerdings verfügen vor allem mittelständische Firmen häufig nur über unzureichende Informationen
über die heutigen Möglichkeiten von Simulation und über Wege
zu ihrer Nutzung.
Mittelfristig ist zu erwarten, dass sich aus den Forschungseinrichtungen kleine und flexible Unternehmen ausgründen werden,
die spezielles Wissen für Simulationsprojekte anbieten und
zusam­men mit Instituten und Prozessbetreibern die Werkzeuge
weiterentwickeln. Dadurch könnten vorhandene Werkzeuge um
geeignete Bedienoberflächen und Wissensdatenbanken erweitert und dadurch die Verbreitung der Simulation unterstützt
werden. Erst eine deutlich vereinfachte Bedienung der Simulations­
werkzeuge wird den breiten Einsatz auch in kleineren Unternehmen ermöglichen.
Neben wirtschaftlichen Vorteilen führt ein breiterer Einsatz von
Simulation vor allem bei Kopplung mit schneller Messtechnik zu
Einsparungen von Energie und Ressourcen. Dies resultiert zum
einen aus effizienteren Prozessen mit besserer Materialaus­
nutzung und zum anderen aus Einsparungen bei Versuchen und
reduzierter Nacharbeit in der Produktion auf Grund genauer
Vorgaben und vorhersehbarer Beschichtungsergebnisse.
76
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen

Handlungsbedarf im Bereich der Simulation besteht somit
in der Information der Unternehmen über verfügbare Werkzeuge zur Prozesssimulation und deren Einsatzgebiete. Auf
Grund der Komplexität der Problemstellungen sollten Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Kompetenzträger
ihre Erfahrung als Dienstleistung zur Verfügung stellen.

Handlungsbedarf besteht ferner in der Kopplung von
Werkstoff- und Prozessmodellen zur Herleitung von Prozess­
parametern für gewünschte Änderungen von Werkstoff­
eigenschaften oder für die Untersuchung der resultierenden
Werkstoffänderungen für bestimmte Parametervariationen.

Handlungsbedarf besteht auch in der Kopplung von Modellen für verschiedene Bereiche der Größenskala (Multiskalensimulation).
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
77
7.3
Prozesskontrolle und Charakterisierung
Optimale Regelung komplexer Prozesse ist nur durch
Kopplung von Modellen, Simulation und Messtechnik
möglich. Für eine präzise Überwachung von Hochleistungsprozessen werden kostengünstige, industrietaugliche und onlinefähige Messsysteme benötigt.
These 7
Für eine zuverlässige Fertigung neuartiger Produkte mit mikround nanostrukturierten Oberflächen ist eine automatisierte
Inline-Prozessüberwachung und -regelung wichtig. Diese Einschätzung ergibt sich auch aus der Befragung der Unternehmen
im Rahmen dieser Untersuchung. Für lokale Beschichtungsprozesse halten 83 Prozent eine Inline-Prozessüberwachung für
wichtig oder sehr wichtig, bei der lokalen Modifikation sind es
76 Prozent und bei der Mikro- und Nanostrukturierung 75 Prozent (A-24). Durch die direkte Kontrolle kann bei Störungen
schneller in den Fertigungsablauf eingegriffen werden, dadurch
lassen sich Ausfallzeiten und Ausschuss minimieren. Ziel ist ein
zeitlich stabiler und zuverlässiger Prozess, der innerhalb der
zulässigen Toleranzen liegt.
Heute sind die Anforderungen an die Qualität und Wieder­
holbarkeit der Prozesse sowie an die Ausbeute sehr hoch. Die
­tatsächlich erreichten Prozessfähigkeiten oder Gesamt­aus­
bringungen von Verfahren bleiben aber hinter den Erwartungen
zurück. Wie in der Halbleiterindustrie lässt sich hier nur durch
eine umfangreiche Datenerfassung und -auswertung, verbunden
mit einer Rückführung der Messdaten in die Prozessregelung, ein
deutlicher Fortschritt erzielen. Nur mit einer durchgängig detaillierten Prozessüberwachung und der Regelung funktions­
relevanter Parametergruppen ist letztlich eine kontinuierliche
Optimierung und Weiterentwicklung der Funktionsschichten
technisch und zu wirtschaftlichen Konditionen möglich.
Durch die Weiterentwicklung funktionaler Oberflächen werden
neue Messmethoden für Bereiche erforderlich, in denen es bisher
78
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen
keine etablierten Prüfungen gibt. Die hier betrachteten lokalen
funktionalen Beschichtungen sowie die Mikro- und Nanostrukturierungen bieten auch selbst die technische Basis zur Entwicklung
neuer Analyse- und Charakterisierungsverfahren. Ein Beispiel
sind die zuvor bereits erwähnten oberflächenintegrierten Dünnschichtsensoren, die durch ihren geringen Raumbedarf dem
Trend zur Miniaturisierung Rechnung tragen.
Für die Überwachung komplexer Produktionsschritte ist es wichtig, dass bereits bei der Entwicklung der Schichten und Verfahren
Charakterisierungsmethoden eingesetzt werden, die sich für eine
Integration in die industrielle Fertigung eignen. Grundsätzlich
hat die Industrie einen ständigen Bedarf an schnellen, kostengünstigen und robusten Messverfahren. Je nach Anwendung
müssen hierfür Laborverfahren in produktionstaugliche OnlineCharakterisierungs-Verfahren überführt werden. Interessant sind
flexible Methoden, bei denen z. B. durch eine modulare technologische Plattform die Analyseverfahren an die Produktionsan­
forderungen angepasst und je nach Bedarf erweitert werden
können. Das Ziel ist eine Erhöhung der Zuverlässigkeit durch
integrierte Überwachung sowie die Bereitstellung einer neu­
artigen Sensorik zur Gewährleistung der Qualität der erzeugten
Schichten und Strukturen im Prozess. Letztendlich soll Qualität
produziert werden. Der Prozess soll also derart zuverlässig sein,
dass eine nachlaufende Qualitätskontrolle nicht mehr zur Prozess­
kontrolle eingesetzt wird, sondern lediglich der Dokumentation
der Einhaltung von Standards dient. Aus Sicht der Industrie ist
die schnelle Prozessüberwachung und -steuerung wichtig, wie
auch 90 Prozent der befragten Unternehmen bestätigen. Die
Qualitäts­prüfung ist jedoch immer noch für 87 Prozent der Firmen wichtig oder sehr wichtig, während die Dokumentation dies
nur für 68 Prozent ist (A-25). Für die Realisierung einer InlineProzess­überwachung sehen 49 Prozent der Unternehmen Defizite bei der Messtechnik, 41 Prozent halten die verfügbaren
Prozess­modelle und 42 Prozent die verfügbare Prozesssteuerung
für nicht ausreichend (A-26).
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
79
Bild 24: Großflächige
periodische
Netzstrukturen im
Mikrometermaßstab,
die sowohl die
Kombination
unterschiedlicher
Metalle als auch
definierte Höhenskalen
im Nanometerbereich
erlauben.44
Ein Beispiel ist die Prozesskontrolle bei der Herstellung von Mehrschichtsystemen. Hohe Anforderungen an Homogenität in
Schichtdicke, Zusammensetzung und Leit­fähigkeit, aber auch an
störstellenfreie Isolations­eigenschaften und Strukturierung
machen es notwendig, jeden einzelnen Prozessschritt zu kontrollieren. Dies ist insbesondere dann eine große Herausforderung,
wenn die Prozessabfolge im Vakuum oder unter reaktiven
Umgebungs­bedingungen stattfindet. Außerdem sollten die
Messtechniken berührungslos funktionieren und eine Probenahme ­vermeiden. Die für die Zukunft sehr interessante Rolle-zuRolle-Beschichtung stellt zusätzliche Anforderungen an die
Prozess­kontrolle, hier müssen sehr schnelle Mess- und Auswertetechniken eingesetzt werden. Vor allem die kurzen Messzeiten
erfordern teilweise ganz neue Messwertaufnehmer und Datenvorverarbeitung.
Bild 25 (links): Abscheidung
im Rolle-zu-RolleVerfahren: Gedruckte
Sensoren auf
Polymerfolie.
Bild 26 (rechts): Katalytische
Nickelstruktur für
Spezialelektroden zur
Wasserstofferzeugung.
44Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe / Universität des Saarlandes, »Werner­Köster-Preis« der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde, 7 / 2007.
80
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Produktionstechnologie mit Hochleistungsprozessen
Ein weiteres Beispiel, bei dem viele Unternehmen noch einen
Entwicklungsbedarf sehen, ist die Prozesskontrolle bei groß­
flächigen Mikro- und Nanostrukturierungen. Die anspruchsvolle
Aufgabe besteht darin, Messsysteme mit ausreichender Auf­
lösung bei gleichzeitig sehr kurzen Messzeiten aufzubauen, um
industrietaugliche Taktzeiten mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu kombinieren (A-15).

Handlungsbedarf zur Verbesserung der Prozesskontrolle
besteht bei der systematischen Analyse der Prozesse hinsichtlich einfach zu bestimmender Führungsgrößen. Einfach
und kostengünstig zu erfassende Parameter sollen mit Hilfe
entsprechender Modelle zur detaillierten Voraussage der Produktqualität genutzt werden.

Weiterer Handlungsbedarf besteht bei der Schaffung der
Voraussetzungen für den industriellen Einsatz von Messverfahren, die heute vorwiegend im Labor eingesetzt werden.

Zusätzlich besteht Handlungsbedarf bei der Entwicklung
von modular aufgebauten Messtechnikplattformen, die flexibel verschiedenen Varianten einer Messaufgabe angepasst
werden können.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
81
82
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
A Anhang: Ergebnisse der Befragung
Eine wichtige Basis für die in der vorliegenden Untersuchung
dargestellten Handlungsfelder, Thesen und Handlungsempfehlungen waren neben einem Expertenworkshop und zahlreichen
Experteninterviews die Ergebnisse einer Fragebogenaktion. Die
Erhebung wurde von Juli bis Oktober 2007 durchgeführt. Insgesamt wurden ca. 350 Fragebögen an Unternehmen aus den
Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Automobil- und Fahrzeugtechnik, Oberflächentechnik, Lasertechnik, Optik, Medizinund Informationstechnik sowie an Forschungseinrichtungen
versandt. Darüber hinaus war der Fragebogen im Internet verfügbar. Nach Ende des Erhebungszeitraums lagen 78 auswertbare Fragebögen vor. Die Ergebnisse der Befragung wurden am
8. Oktober 2007 im Rahmen eines öffentlichen Diskurses am
Fraunhofer IST in Braunschweig vorgestellt und mit den Teilnehmern aus Forschung und Industrie diskutiert. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der Befragung dargestellt, die die
bisherigen Ausführungen ergänzen sollen. Die Datenbasis »n«
gibt jeweils die Anzahl der Unternehmen an, die die jeweiligen
Fragen beantwortet haben.
Angaben zu den befragten Unternehmen
1 - 20 Mitarbeitern
20 - 100 Mitarbeitern
100 - 500 Mitarbeitern
A-1: Anzahl der Mitarbeiter der befragten Unternehmen (Datenbasis n=76).
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
83
Bezüglich der Branchen war die Erhebung wie oben bereits
erwähnt, sehr breit angelegt. Schwerpunkte des Rücklaufs lagen
in den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Automobilindus­
trie und Zulieferer, Lohnbeschichter, Lasertechnik sowie Medizintechnik. Bei den befragten Unternehmen handelt es sich in der
Mehrzahl um kleine und mittlere Unternehmen. 61 Prozent
haben weniger als 500 Mitarbeiter (A-1). Doch auch für große
Unternehmen und Forschungseinrichtungen ist die Oberflächentechnik von zentraler Bedeutung. 20 Prozent der Unternehmen
haben einen Jahresumsatz von über 500 Mio 1 angegeben
(A-2).
40
35
30
Anteil [%]
25
20
36,6 %
15
21,1 %
10
5
9,9 %
19,7 %
12,7 %
0
<1
1-5
5-20
20-500
>500
Mio €
A-2: Jahresumsatz der befragten Unternehmen (n=71).
Die FuE-Aufwendungen der befragten Unternehmen liegen in
der Regel unter 20 Mio 1. Ausnahmen bilden hier Forschungseinrichtungen und Großunternehmen (A-3).
84
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
35
30
Anteil [%]
25
20
33 %
15
29 %
10
15 %
11 %
5
4%
4%
4%
300
> 1500
k. A.
0
<1
11–20
1–10
21–100
Mio €
A-3: FuE-Aufwendungen in Mio 7 pro Jahr (Datenbasis n=52).
In Produktion und FuE sind bei den befragten Unternehmen in
der Regel jeweils bis zu zehn Personen tätig, die sich mit den
Themen »Lokale Modifikation« und / oder »Mikro- und Nanostrukturierung« befassen. Große Forschungs- und Industrie­
unternehmen beschäftigen zum Teil deutlich mehr Mitarbeiter in
diesen Bereichen.
60
1
3
3
Anzahl der Unternehmen
50
40
4
30
4
1
2
6
20
5
45
1
32
27
10
>50 Mitarbeiter
21-50 Mitarbeiter
11-20 Mitarbeiter
0,5-10 Mitarbeiter
18
1
17
12
0
Produktion
(n=33)
FuE
(n=52)
Lokale Beschichtung
Produktion
(n=18)
FuE
(n=30)
Lokale Modifikation
Produktion
(n=13)
FuE
(n=36)
Mikro- und Nanostrukturierung
A-4: Mitarbeiterstruktur der befragten Unternehmen in Produktion und
FuE.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
85
Technologien zur lokalen Beschichtung und
Modifikation
Das Spektrum an Technologien, die zur Erzeugung funktionaler
Oberflächen durch lokale Beschichtung oder Modifikation eingesetzt werden können, ist sehr groß. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden im Wesentlichen drei Technologiefamilien
betrachtet, auf die sich auch die folgenden Ergebnisse und Ausführungen beziehen (Kapitel 3). Tabelle A-5 gibt einen Überblick
über die Relevanz der jeweiligen Technologien für die befragten
Unternehmen sowie deren Einschätzung im Hinblick auf Reifegrad, technologisches Potenzial und Entwicklungs­bedarf.
Die Ergebnisse der Befragung spiegeln die Tatsache wider, dass
die Galvanotechnik unter den genannten Technologien die am
weitesten ausgereifte ist, hier aber dennoch ein großes Entwicklungspotenzial gesehen wird. Obwohl die Galvanotechnik bereits
seit über 100 Jahren industrielle Anwendung findet, besteht ein
großer Bedarf für neue technologisch interessante Lösungen,
verbunden mit einer Verbesserung der Prozesszuverlässigkeit
und einer weiteren Senkung der Kosten.
Das höchste technologische Potenzial wird in der Umfrage bei
vakuumbasierten Technologien und Atmosphärendruck-Plasmaverfahren gesehen. Senkung der Prozesskosten, Steigerung der
Energie- und Ressourceneffizienz sowie Verbesserung und Optimierung der Prozesse und ihrer Zuverlässigkeit sind wichtige
Themen, für die hier ein Entwicklungsbedarf gesehen wird.
86
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
A-5: Überblick über Einsatz und Einschätzung verfügbarer Technologien
zur lokalen Beschichtung und Modifikation. Die jeweilige Datenbasis ist
in Klammern angegeben. Die Top2 geben jeweils die Anzahl der Unternehmen an, für die die genannte Technologie wichtig oder sehr wichtig
ist. Die Bewertung des Reifegrads erfolgte mittels der Skala 1=unreif,
2=großer Entwicklungsbedarf, 3=geringer Entwicklungsbedarf, 4=ausgereift und ?=weiß nicht, die Bewertung des technologischen Potenzials
mittels der Skala 1=gering, 2=eher gering, 3=eher hoch, 4=sehr hoch,
?=weiß nicht.
Entwicklungsbedarf (% von
relevanten Top2)
Technologie
Relevanz für
eigenes
Technologisches
Unternehmen
Reifegrad
Potenzial - Kosten-senkung
Top2 Mittelwert
Mittelwert
%
absolut
Galvanotechnik (n=59)
50,8
30
2,9
2,6
63,3
56,7
42,9
Zuverlässigkeit
des Prozesses
Vakuumgestützte Verfahren
PVD
Pulsed Laser Deposition (n=39)
17,9
7
1,9
2,7
71,4
Elektrodenstrahlbedampfung (n=43)
34,4
15
2,5
2,9
26,7
53,3
Sputtern (n=50)
66,0
33
3,0
3,6
45,5
42,4
29,4
Bedampfung (n=44)
38,6
17
3,0
3,0
35,3
Arc-Beschichtung (n=43)
25,6
11
2,4
2,8
63,6
27,3
Ionenstrahlgestütze Sputtern (n=42)
23,8
10
2,4
3,2
60,0
50,0
Gepulste Verfahren (n=41)
39,0
16
2,2
3,2
43,8
31,3
CVD
Thermisches CVD (n=47)
19,1
9
2,5
2,7
33,3
44,4
Plasma-CVD (n=48)
39,6
19
2,5
3,4
36,8
52,6
Atmosphärendruck-Plasmaverfahren
Atmosphärendruck-Plasmaspritzen (n=37)
16,2
6
2,0
3,0
66,7
50,0
Atmosphärendruck-CVD (n=36)
19,4
7
1,7
3,0
57,1
42,9
Flammspritzen (n=40)
10,0
4
2,0
2,7
100,0
50,0
Lackierung (n=55)
38,2
21
2,6
2,8
42,9
42,9
Sol-Gel (n=47)
29,8
14
2,0
2,8
50,0
57,1
Drucktechnik (n=47)
23,4
11
2,3
2,5
45,5
36,4
30,8
16
2,7
2,8
56,3
31,3
4,1
2
2,0
2,3
100,0
50,0
Flüssigphasenbeschichtung
Weitere Technologien
Wärmebehandlungsverfahren (n=52)
Inchromieren (n=49)
Neben den in Tabelle A-5 genannten Technologien besitzen aus
Sicht der befragten Unternehmen die unter A-6 genannten
Beschichtungstechnologien eine besondere Relevanz für die
Zukunft.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
87
A-6: Weitere zukünftig relevante Beschichtungstechnologien aus Sicht
der befragten Unternehmen.









Pulstechniken (gepulstes Sputtern, gepulster Arc, Hochleistungs-Puls-Magnetronsputtern HPPMS)
Verfahren mit zusätzlicher Plasmaanregung
Kombinationsverfahren (Hybrid- und Duplexverfahren),
z. B. Galvanotechnik kombiniert mit Lacksystemen
Beschichtungstechnologie für biologische Materialien (selbstorganisierende Schichten, Ankopplung biologisch aktiver
Substanzen)
Alle relevanten Technologien zur Herstellung einer verschleißbeständigen, selbstschmierenden Oberfläche auf Stahl und
Keramik sowie auf Kunststoffen
Ortsselektive Abscheidung von Nanopartikeln
Atomic Layer Deposition ALD
Abscheidung von Self Assembled Monolayern (SAM)
Plasma-Jet-Beschichtungen
Neben den Verfahren zur Beschichtung spielen auch die Werkstoffe selbst bei der Entwicklung eine wichtige Rolle. Aus Sicht
der Unternehmen gibt es eine Reihe von Defiziten in der Werkstoffentwicklung (A-7).
A-7: Defizite in der Werkstoffentwicklung aus Sicht der befragten Unternehmen.









88
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Benetzbare Oberflächen
Passive Oberflächen
Unvollständige Materialkennwerte für Simulationen
Kostengünstige und umweltfreundliche Werkstoffe als Ersatz
für Cr, Ni, Cu
Elektrisch leitende Schichten
Haftfestigkeit der Metallisierungen auf thermoplastischen
Substraten
Lichtoptische Absorbermaterialien
Mechanische und chemische Beständigkeit optischer Schichten
Umformbare und tiefziehfähige Lackschichten
Ergebnisse der Befragung
Technologien zur Mikro- und Nanostruktu­rierung
Das Thema »Mikro- und Nanostrukturierung« ist für 35 Unternehmen relevant (A-8). 28 Unternehmen sehen einen Bedarf an
neuen Strukturierungsverfahren.
1 (1 %)
?
33 (48 %)
Nein
35 (51 %)
Ja
26 (45 %)
?
28 (48 %)
Ja
4 (7 %)
Nein
A-8: Einsatz von Mikro- und Nanostrukturierung in den Unternehmen (Datenbasis n=69).
A-9: Bedarf an neuen Strukturierungsverfahren (Datenbasis n=58).
Eine Auswahl von Technologien zur Mikro- und Nanostrukturierung sowie deren Bewertung hinsichtlich Reifegrad, technologischem Potenzial und Entwicklungsbedarf ist in Tabelle A-10
zusammengestellt. Alle genannten Technologien bieten noch ein
deutliches Entwicklungspotenzial.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
89
A-10: Technologien zur Mikro- und Nanostrukturierung. Die jeweilige
Datenbasis ist in Klammern angegeben. Die Top2 geben jeweils die
Anzahl der Unternehmen an, für die die genannte Technologie wichtig
oder sehr wichtig ist. Die Bewertung des Reifegrads erfolgte mittels der
Skala 1=unreif, 2=großer Entwicklungsbedarf, 3=geringer Entwicklungsbedarf, 4=ausgereift und ?=weiß nicht, die Bewertung des technologischen Potenzials mittels der Skala 1=gering, 2=eher gering, 3=eher
hoch, 4=sehr hoch, ?=weiß nicht.
Entwicklungsbedarf (% von relevanten Top2)
Relevanz für
eigenes Unternehmen Top2
Technologie
Reifegrad
Mittelwert
Technologisches
Potenzial -
Mittelwert
Kosten-
senkung Zuverlässigkeit
des Prozesses
60,9
%
absolut
48,9
23
2,5
3,4
39,1
7,9
3
2,2
3,0
0,0
0,0
Ätztechnik (n=48)
43,8
21
3,0
3,2
28,6
47,6
Lithographie (n=42)
50,0
Abtragende Verfahren
Lasertechnik (n=47)
Elektronenstrahltechnik (n=38)
23,8
10
2,7
3,5
50,0
Elektroerodierung (n=42)
7,1
3
2,4
2,3
66,7
33,3
Ionenstrahltechnik (n=39)
17,9
7
2,3
3,0
42,9
57,1
46,5
20
2,9
2,9
35,0
50,0
Auftragende Verfahren
Galvanotechnik (n=43)
Vakuumgestützte Verfahren
PVD (n=40)
55,0
22
2,8
3,6
36,4
50,0
CVD (n=34)
28,9
11
2,3
3,6
45,5
45,5
Atmosphärendruck-Plasmaverfahren (n=34)
23,5
8
1,8
3,0
50,0
62,5
Lasertechnik (n=35)
45,7
16
2,4
3,2
50,0
43,8
Elektronenstrahltechnik (n=33)
15,1
5
2,0
3,5
20,0
0,0
Drucktechnik (n=34)
17,6
6
2,6
2,8
50,0
16,7
Nano-Imprint (n=38)
15,8
6
1,6
3,1
50,0
100,0
Hot-Embossing (n=41)
22,0
9
2,0
3,3
44,4
55,6
Prägende Verfahren
Neben den in Tabelle A-10 genannten Technologien besitzen aus
Sicht der befragten Unternehmen die unter A-11 genannten
Beschichtungstechnologien eine besondere Relevanz für die
Zukunft.
90
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
A-11: Zukünftig besonders relevante Strukturierungsverfahren aus Sicht
der befragten Unternehmen.







Alle Technologien, die zu einer Optimierung tribologischer
Funktionen führen
Inline-Verfahren für Rolle-zu-Rolle-Produktion
Technologie zur Erzeugung langlebiger Strukturen auf Kunststoffen
Lithographie mit Elektronenstrahl bzw. Röntgen, XUV
Verfahren zur Selbstorganisation
Verfahren zur ortsselektiven Abscheidung von Nanopartikeln
3-D-Lasersintern
Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen schätzt die Bedeutung mikro- und nanostrukturierter Werkstoffe hoch ein. Etwa
ein Drittel hält es bereits heute für möglich, Mikro- und Nanostrukturen homogen auf großen Flächen reproduzierbar herzustellen. Hier ist jedoch der Anteil derjenigen, die keine Aussage
machen können, mit 27 Prozent relativ hoch, was ein Indiz für
ein Informationsdefizit in diesem Bereich ist. Zwei Drittel der
Befragten sehen die Notwendigkeit einer in den Herstellungs­
prozess integrierten Überwachung der erzeugten Strukturen, um
die Zuverlässigkeit des Prozesses zu gewährleisten. Interessant ist
auch der Entwicklungsbedarf im Strukturierungsbereich aus Sicht
von Forschung und Industrie. Die homogene und reproduzierbare Herstellung von Schichten und Strukturen ist heute immer
noch eine sehr große Herausforderung in der Produktion, vor
allem bei kleinen Losgrößen. Dies verdeutlicht die Einschätzung
der befragten Firmen zur homogenen und reproduzierbaren
Herstellbarkeit von Mikro- und Nanostrukturen. Nur 34 Prozent
der Befragten halten diese heute schon für möglich (vgl. A-12).
Die Bedeutung mikro- und nanostrukturierter Werkstoffe wird
künftig weiter wachsen. Über 90 Prozent der befragten Unternehmen halten mikro- und nanostrukturierte Werkstoffe für
wichtig oder sehr wichtig (A-13).
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
91
19 (34 %)
Ja
15 (27 %)
?
22 (39 %)
Nein
A-12: Einschätzung der Möglichkeit, bereits heute Mikro- und Nanostrukturen homogen und reproduzierbar herzustellen (ja = Herstellung möglich, nein = Herstellung nicht möglich, ? = keine Einschätzung).
100
90
12
80
70
46
22
Anteil [%]
60
sehr wichtig
wichtig
eher unwichtig
unwichtig
weiß nicht
50
40
30
22
20
10
14
2
5
5
heute (n=63)
zukünftig (n=65)
0
A-13: Einschätzung der Bedeutung mikro- und nanostrukturierter Werkstoffe heute und zukünftig.
92
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
Die folgende Liste A-14 fasst den Entwicklungsbedarf für die
Mikro- und Nanostrukturierung zusammen.
A-14: Wichtiger Entwicklungsbedarf für die Mikro- und Nanostrukturierung.









Erhöhung der Genauigkeit der Strukturabbildung
Reduktion der Strukturgrößen
Verbesserung der Reproduzierbarkeit der Strukturen auch auf
großen Flächen
Simulation der Werkstoffeigenschaften in Abhängigkeit von
der Struktur
Entwicklung kontinuierlicher Produktionsprozesse mit hoher
Prozesssicherheit
Verbesserung der Verfügbarkeit großserientauglicher Anlagen
(schnell, einfach, billig)
Senkung der Kosten von Material und Prozess
Erhöhung der Haftfestigkeit und Langzeitstabilität
Weiterentwicklung atmosphärischer Prozesse
Für die Produktion ist eine integrierte Überwachung der erzeugten
Strukturen notwendig, wie 66 Prozent der befragten Unternehmen angeben (A-15).
9 (17 %)
?
9 (17 %)
Nein
35 (66 %)
Ja
A-15: Notwendigkeit einer in den Herstellprozess integrierten Überwachung der erzeugten Strukturen (Datenbasis n=53).
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
93
Simulation
Das Thema »Simulation« ist bei den Unternehmen nach wie vor
von großer Bedeutung. 70 Prozent sehen in der Simulation ein
wichtiges Mittel zur Optimierung von Beschichtungsprozessen.
Fast drei Viertel der Befragten erwarten durch den Einsatz von
Simulationsverfahren eine Reduktion der Entwicklungszeit von
Beschichtungen/Beschichtungssystemen (A-16).
Für die Produktentwicklung wird die Simulation von den
befragten Firmen als ein wichtiges und hilfreiches Werkzeug
gesehen. Allerdings gibt es noch Vorbehalte hinsichtlich der
Relevanz heutiger Simulationsmethoden für die Probleme der
industriellen Praxis. Simulation zur Gestaltung eines Schicht­
systems in Verbindung mit Versuchen zur Verifizierung ist für
viele der Befragten der ideale Weg in der Entwicklung.
6 (9 %)
?
11 (17 %)
Nein
48 (74 %)
Ja
A-16: Einschätzung einer Reduktion der Entwicklungszeit von Beschichtungen / Beschichtungssystemen durch den Einsatz von Simulationsverfahren (Datenbasis n=65).
Die in A-17 aufgelisteten Stellungnahmen der befragten Unternehmen und Forschungseinrichtungen zum Thema »Simulation
und Experiment« dokumentieren den unterschiedlichen Wissens­
stand und die damit verbundenen unterschiedlichen Einschätzungen der Möglichkeiten von Simulationen.
94
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
A-17: Einschätzung der Bedeutung ganzheitlicher Ansätze zur Erzeugung
funktionaler Oberflächen (Simulation und Experiment).








»Sowohl Simulation als auch Experiment ist wichtig.«
»Einem gelungenen Experiment vertraut man mehr als einem
PC-Modell.«
»Simulation kann eine wichtige Rolle spielen, wenn sie
kostengünstig ist und die Realität gut abbildet.«
»Simulationen erweitern das Verständnis von Experimenten.«
»Simulation dient nur als Basisinformation, Experimente sind
hingegen wichtig zur modellhaften Erprobung von Eigenschaften und Machbarkeit.«
»Simulation als unterstützende Funktion bei der Optimierung /
Festlegung von Prozessparametern.«
»Simulationen sind die Basis für schnelle Überführung von
FuE-Ergebnissen in Produkte und ermöglichen eine verkürzte
Entwicklungszeit und somit Kostenreduktion.«
»Wichtig für die Eigenschaftsvorhersage: Kopplung von
Struktur (oder anderen Eigenschaften) und Prozessgrößen.«
Bei der Optimierung von Beschichtungsprozessen halten 70 Prozent der befragten Unternehmen die Simulation für wichtig oder
sehr wichtig, 73 Prozent erwarten durch den Einsatz von Simulationsverfahren eine Reduktion der Entwicklungszeit von Beschichtungen oder Schichtsystemen. Die theoretische Vorab-Analyse
der funktionalen Eigenschaften von Beschichtungen mit Hilfe
entsprechender Modelle halten 64 Prozent der Befragten für
wichtig oder sehr wichtig.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
95
Bedeutung von Simulation für
Mikro- und Nanostrukturierung
für die Anwendung bzw. die
Produktentwicklung (n=58)
19
12
Bedeutung der theoretischen
Vorabanalyse der funktionalen
Eigenschaften von Beschichtungen
mit Hilfe einer entsprechenden
Modellierung (n=62)
21
Bedeutung der Simulation zur
Optimierung von
Beschichtungsprozessen
(n=63)
7
19
26
0
10
4
20
13
18
30
40
16
50
11
60
70
80
4
5
2
6
90
sehr wichtig
wichtig
eher unwichtig
unwichtig
weiß nicht
100
Anteil [%]
A-18: Einschätzung der Bedeutung der Simulation zu Test und Qualifizierung, Optimierung von Beschichtungsprozessen, Vorab-Analyse theoretischer Eigenschaften aus Sicht der Unternehmen.
Produkteigenschaften und Funktionalitäten
Das Spektrum an Funktionalitäten verschiedener Oberflächen ist
sehr breit, das Innovationspotenzial für Produkte mit funktionalen Oberflächen hoch. Tabelle A-19 gibt einen Überblick über
die Einschätzung der allgemeinen Relevanz verschiedener Funktionalitäten sowie über Reifegrad und Entwicklungsbedarf bei
den Schichtsystemen.
96
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
A-19: Produkteigenschaften und Funktionalitäten. Die jeweilige Datenbasis ist in Klammern angegeben. Die Top2 geben jeweils die Anzahl der
Unternehmen an, für die die genannte Technologie wichtig oder sehr
wichtig ist. Die Bewertung des Reifegrads erfolgte mittels der Skala
1=unreif, 2=großer Entwicklungsbedarf, 3=geringer Entwicklungsbedarf,
4=ausgereift und ?=weiß nicht.
Entwicklungsbedarf (% von relevanten Top2)
Produkt
Allgemeine Reifegrad
Relevanz Top2 Mittelwert
Kostensenkung
Verbesserung
der Funktion
Zuverlässigkeit
der Funktion
%
absolut
Verschleißfestigkeit (n=61)
96,7
59
2,8
54,7
66,0
58,5
Reibungsarmut (n=59)
96,6
57
2,6
54,8
71,4
57,1
Strömungsoptimierung (n=52)
63,5
33
2,1
35,7
50,0
50,0
Tribologische Schichten
Korrosionsschutz-Schichten
Korrosionsfestigkeit (n=63)
88,9
56
2,7
62,0
58,0
56,0
Selbstheilung (n=53)
58,5
31
1,9
51,9
63,0
48,2
Transparenter Kratzschutz (n=62)
62,9
39
2,4
43,8
53,1
53,1
Entspiegelung (n=52)
65,4
34
3,0
46,4
32,1
21,4
Dekoration (n=48)
54,2
26
2,9
47,4
15,8
10,5
Leuchtend / Fluoreszenz (n=43)
32,6
14
2,1
37,5
50,0
37,5
Sensorische Schichten (n=42)
66,7
28
2,1
40,0
66,7
40,0
Temperatursensorik (n=33)
63,6
21
2,4
33,3
41,7
25,0
Schaltbare Schichten (n=27)
48,1
13
1,9
20,0
40,0
30,0
Elektrochemie (n=25)
44,0
11
2,0
57,1
57,1
28,6
Optische Schichten
Sensorische Schichten
Schaltbare Schichten
Elektrische Schichten
Elektrische Schichten (n=25)
80,0
20
2,4
50,0
50,0
35,7
Leitfähigkeit / Isolation (n=44)
68,2
30
2,7
52,9
44,1
41,2
Heizbarkeit (n=38)
42,1
16
2,5
50,0
30,0
20,0
Informationsspeicherung (n=32)
68,7
22
2,8
16,7
50,0
0,0
Stromerzeugung (DS-Photovoltaik) (n=39)
82,1
32
2,0
81,3
62,5
56,3
Easy-to-clean (n=49)
83,7
41
2,1
32,3
51,6
58,1
Hydrophilie (n=42)
64,3
27
2,2
36,0
60,0
60,0
Hydrophobie (n=42)
89,0
29
2,3
30,8
46,2
57,7
Adhäsion (n=43)
72,1
31
2,4
25,0
43,8
37,5
Haptik (n=37)
45,9
17
2,4
20,0
40,0
20,0
Keimhemmung (n=43)
53,5
23
2,0
15,8
52,6
26,3
Biokompabilität (n=44)
67,1
29
2,5
33,3
33,3
33,3
Barriereschichten (n=43)
69,8
30
2,3
35,7
46,4
50,0
Katalytische Schichten (n=38)
63,2
24
2,2
35,7
78,6
57,1
Weitere Schichtfunktionen
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
97
Individualisierung der Produkte
Die zunehmende Individualisierung von Produkten in allen
Bereichen der Wirtschaft führt zu kleineren Losgrößen in der
Produktion und bedingt eine hohe Flexibilität sowohl der einzelnen Prozesse als auch der gesamten Produktion. Entwicklungen
der virtuellen Produktion oder der maximalen Konfigurierbarkeit
von ganzen Fertigungsstätten sind Versuche, den Anforderungen
der immer kürzeren Produktzyklen und der fortschreitenden Individualisierung in der Praxis zu begegnen.
Der Anteil der Befragten, die lokale Beschichtung, Modifikation
oder Strukturierung für bedeutsam in der Entwicklung individualisierter Produkte halten, ist in allen drei Kategorien jeweils etwa
gleich groß (zwischen 59 und 64 Prozent). Jeweils mehr als die
Hälfte der Unternehmen halten diese Techniken für wichtig, das
korrespondiert mit der Einschätzung der zukünftigen Bedeutung
mikro- und nanostrukturierter Werkstoffe (A-13) und mit der
Einschätzung der Bedeutung der genannten Technologien für
die Standortsicherung in Deutschland (A-31).
100
90
80
19
24
25
70
sehr wichtig
Anteil [%]
60
50
22
18
wichtig
14
eher unwichtig
unwichtig
40
weiß nicht
10
30
9
8
20
7
5
9
10
11
Lokale
Beschichtung
(n=67)
Lokale
Modifikation
(n=64)
Mikro- und
Nanostrukturierung
(n=66)
10
6
0
A-20: Einschätzung der Bedeutung lokaler Beschichtung, Modifikation
sowie Mikro- und Nanostrukturierung für die Entwicklung individuali­
sierter Produkte aus Sicht der Unternehmen.
98
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
Etwa 60 Prozent der befragten Unternehmen schätzen Beschichtung, Modifikation sowie Mikro- und Nanostrukturierung als
wichtig oder sehr wichtig für die Erzeugung individualisierter
Produkte und für den Plagiatschutz ein (A-20). Die Aufzählung
A-21 fasst die Anforderungen an die Prozesse zur Herstellung
individualisierter Produkte zusammen. In diesem Zusammenhang
ist auch der hohe Stellenwert zu beachten, den die Befragten der
Flexibiltät in der Produktion zuweisen (A-23).
A-21: Anforderungen an Prozesse zur individualisierten Produktion.











Kostengünstig, automatisierbar, flexibel
Prozesssicherheit, Prüfbarkeit, Genauigkeit, Reproduzierbarkeit
Optimierte Haftung
Wirtschaftliche kleine Losgrößen
Prozessfähigkeit
Große Bandbreite bei Geometrie und Größe, Werkstoff
Kosteneinsparung durch Ressourceneinsparung
Homogene Abscheidung, definierte Gradienten
Kostengünstig und einfach in der Handhabung, dabei aber
schwer kopierbar
Zusätzliche Funktionalitäten
Definierte Strukturierung nach Anforderungen
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
99
Produktion
Um das Innovationspotenzial funktionaler Oberflächen nutzen
zu können, ist eine erfolgreiche Fertigungsintegration dringend
erforderlich, dies bestätigt jeweils die Mehrzahl der befragten
Unternehmen, wie A-22 zeigt.
100
90
80
21
29
27
70
sehr wichtig
Anteil [%]
60
wichtig
50
40
23
eher unwichtig
17
20
unwichtig
weiß nicht
30
20
10
6
1
6
1
9
2
10
11
10
Lokale
Beschichtungsverfahren
(n=66)
Lokale
Modifikation
(n=62)
Mikro- und
Nanostrukturierungsverfahren
(n=65)
0
A-22: Fertigungsintegration für lokale Beschichtungsverfahren, lokale
Modifikationen sowie Mikro- und Nanostrukturierungsverfahren.
Individualisierte Produkte und schnelle Produktionszyklen erfordern in immer mehr Märkten hochflexible Produktionsmethoden
und -ausrüstungen, die sich schnell an neue Anforderungen
anpassen lassen. Dies zeigt auch die Einschätzung der Bedeutung
flexibler Fertigungsketten durch die Befragten. Fast drei Viertel
von ihnen halten die Flexibilität für wichtig oder sehr wichtig
(A-23).
100
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
Einschätzung
sehr hoch
hoch
29
17
8
4
5
eher gering
gering
weiß nicht
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Anteil [%]
A-23: Bedeutung der Flexibilität von Fertigungsketten (n=63).
Für eine zuverlässige Fertigung neuartiger Produkte mit mikround nanostrukturierten Oberflächen ist eine automatisierte
Inline-Prozessüberwachung und -regelung wichtig. Diese Einschätzung ergibt sich auch aus der Befragung der Unternehmen
im Rahmen dieser Untersuchung. Für lokale Beschichtungs­
prozesse halten 83 Prozent eine Inline-Prozessüberwachung für
wichtig oder sehr wichtig, bei der lokalen Modifikation sind es
76 Prozent und bei der Mikro- und Nanostrukturierung 75 Prozent (A-24).
Die Inline-Prozessüberwachung ist eine Voraussetzung für eine
optimale Prozesssteuerung sowie ein wichtiges Hilfsmittel bei
der Qualitätsprüfung und Prozessdokumentation. Sie bietet ein
großes Potenzial zur Einsparung von Kosten sowie zur Steigerung
der Energie- und Ressourceneffizienz. Dementsprechend stufen
mehr als 75 Prozent der Befragten die Inline-Prozessüberwachung als wichtig oder sehr wichtig ein.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
101
100
90
80
32
28
24
70
sehr wichtig
Anteil [%]
60
wichtig
50
eher unwichtig
23
40
30
19
10
weiß nicht
23
20
4
1
6
unwichtig
6
6
9
10
Lokale
Modifikationsprozesse
(n=62)
Mikro- und
Nanostrukturierungsverfahren
(n=63)
0
Lokale
Beschichtungsverfahren
(n=66)
A-24: Bedeutung von Inline-Prozessüberwachung für lokale Beschichtungs­
verfahren, lokale Modifikationen und Mikro- und Nanostrukturierungsverfahren.
Aus Sicht der Industrie ist die schnelle Prozessüberwachung und
-steuerung wichtig, denn 90 Prozent der Befragten halten dies
für eine wichtige oder sehr wichtige Aufgabe. Die Qualitäts­
prüfung ist immer noch für 87 Prozent der Firmen wichtig oder
sehr wichtig, die Dokumentation für 68 Prozent (A-25).
102
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
100
90
23
80
70
34
36
Anteil [%]
60
sehr wichtig
wichtig
50
18
eher unwichtig
unwichtig
40
weiß nicht
30
19
18
20
10
0
14
2
4
4
4
Schnelle Prozessüberwachung/
-steuerung (n=59)
Qualitätsprüfung (n=62)
5
Dokumentation (n=60)
A-25: Bewertung der Aufgaben einer Inline-Prozessüberwachung.
Für die Realisierung einer Inline-Prozessüberwachung sehen
49 Prozent der Befragten Defizite bei der Messtechnik, 41 Prozent halten die verfügbaren Prozessmodelle und 42 Prozent die
verfügbare Prozesssteuerung für nicht ausreichend (A-26).
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
103
100
80
23
24
38
Anteil [%]
60
Ja
Nein
?
9
40
24
35
24
20
9
0
5
Messtechnik (n=78)
Prozessmodelle (n=56)
Ausreichend feine Prozesssteuerung
(n=57)
A-26: Einschätzung bestehender Defizite, die eine Realisierung von InlineProzessüberwachung / -regelung erschweren / verhindern.
Wirtschaftliche Faktoren in der Produktion
– ­Kos­ten-, Energie- und Ressourceneffizienz
Für die Umsetzung und Weiterentwicklung funktionaler Oberflächen und eine wirtschaftliche industrielle Fertigung ist eine
Kosteneinsparung notwendig. Einsparpotenziale, die von den
befragten Unternehmen benannt wurden, sind exemplarisch in
der Liste A-27 zusammengestellt.
A-27: Potenziale zur Kosteneinsparung.





104
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Verkürzung der Entwicklungszeit
Ersatz von Batch-Prozessen durch kontinuierliche Prozesse
Steigerung der Produktivität durch höhere Beschichtungsraten,
kürzere Zykluszeiten und Reduzierung des Wartungsaufwands
Reduzierung der Materialkosten durch Schichtdickenreduzierung, durch Einsatz kostengünstigerer Materialien, durch die
Etablierung von Stoffkreisläufen und Reduzierung des Chemi­
ka­­lieneinsatzes
Erhöhung der Prozessstabilität durch weitgehende Automatisierung, Optimierung der Prozesssteuerung und Qualitätskontrolle
Ergebnisse der Befragung




Wechsel zu technologisch einfacheren Herstellungsverfahren
Energiereduzierte Verfahren
Reduzierung und Ersatz von Schmierstoffen
Verminderungen von Fehlereinflüssen und Nacharbeit
Durch die Anwendung lokaler Beschichtungs-, Modifikationssowie Mikro- und Nanostrukturierungstechniken ergeben sich
zahlreiche ökologische Vorteile. Hervorzuheben sind hier die
Einsparung von Energie und Material bzw. Werkstoffen, die
Erhöhung der Lebensdauer, des Wirkungsgrads und der Nutzleis­
tung der Produkte sowie die Vermeidung gesundheits- und
umweltschädlicher Stoffe, insbesondere auch mineralölhaltiger
Schmierstoffe. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusam­
men­hang tribologische Systeme, optische Funktionsschichten
sowie Oberflächen mit definierten Adhäsionseigenschaften.
Die Möglichkeiten zur Ressourcenschonung durch den Einsatz
von Beschichtung, lokaler Modifikation oder Strukturierung sind
vielfältig. Tabelle A-28 fasst die wichtigsten Nennungen der
befragten Unternehmen zusammen.
Einsparungen sind sowohl durch geringere Kosten (Beispiel:
Erhöhung der Produktlebensdauer), durch Senkung des Energieund Ressourcenaufwandes in Produktion und Nutzung (Beispiel:
Reduktion von Schmierstoffen) sowie durch neue oder verbesserte technische Funktionen (Beispiel: katalytisch aktive Oberflächen) möglich. Wichtige Anwendungsfelder, bei denen funktionale Schichten ein Schlüssel zur Einsparung von Ressourcen sind,
sehen die Befragten bei der Instandhaltung, der Reinigung, in
der Biotechnologie, der Medizintechnik und Photovoltaik.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
105
A-28: Zukünftige Möglichkeiten zur Ressourcenschonung
funktionale Oberflächen aus Sicht der Unternehmen.
Einsatzgebiet
Einsparpotenzial
Kostenreduktion
Energieeffizienz
durch
Ressourcenschonung
Antihaftende Oberflächen / Lotuseffekt
Verzicht auf Trennmittel
X
X
Erhöhung der Materialausbeute
X
X
Energieeinsparung
X
Reduktion / Vermeidung von
Schmierstoffen
X
X
Lebensdauererhöhung
X
X
X
X
Reibungsminderung
Verschleißschutz
X
Selbstreinigende Oberflächen
Wartungsfreundlich
Lebensdauererhöhung
X
(Fassaden / Dächer)
Katalytische Oberflächen
Energieeinsparung
X
Bioanwendungen (z. B. Lab on Chip, Mikroreaktionstechnik), Medizintechnik
Energieeinsparung
X
Materialeinsparung
X
Zeiteinsparung (Reaktionszeit)
X
Haftungsverbesserung
(z. B. von Farben)
X
Materialeinsparung
X
X
Textiltechnik
X
X
X
Photovoltaik
Energieerzeugung
Wärmedämmung / Sonnenschutz
106
Effizienzsteigerung
X
Energieeinsparung
X
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
X
X
X
X
Ergebnisse der Befragung
Verwertungsmöglichkeiten für Produkte mit funktionalen Oberflächen sehen jeweils über 80 Prozent der befragten Unternehmen in erster Linie in Deutschland und in der EU (A-29, A-30).
Gerade große Märkte mit hohem Innovationsdruck wie die USA
oder Asien sind für deutlich weniger Unternehmen potenzielle
Absatzmärkte für High-Tech-Lösungen mit Oberflächen. Insgesamt wird international den Industrieländern ein höheres Potenzial für die Vermarktung funktionaler Oberflächen zugeschrieben
als allen Märkten zusammengenommen. Dies deutet darauf hin,
dass die genauen Potenziale der verschiedenen Klassen funktionaler Oberflächen von der Industrie noch weiter analysiert und in
neue Produktkonzepte integriert werden müssen, um die vielfältigen Chancen zu nutzen.
100
5
15
80
14
13
11
Anteil [%]
20
10
60
9
9
14
10
18
40
13
9
sehr gute
eher gute
eher schlechte
keine
weiß nicht
1
9
4
1
20
4
14
3
9
4
5
D (n=41)
EU (n=41)
10
9
0
USA (n=41)
Fernost (n=41) Int.-Ind. (n=39) Int.-ww. (n=40)
A-29: Märkte für technologische Lösungen mit Mikro- und Nanostrukturierung.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
107
100
5
90
11
80
18
20
Anteil [%]
70
16
14
27
60
50
8
sehr gute
eher gute
eher schlechte
keine
weiß nicht
18
11
40
12
18
30
20
10
0
9
12
9
3
1
1
1
1
2
2
3
D (n=43)
EU (n=42)
7
USA (n=42)
5
7
8
Fernost (n=42) Int.-Ind. (n=40) Int.-ww. (n=40)
A-30: Märkte für technologische Lösungen mit lokaler Beschichtung.
Verfahren zur Erzeugung funktionaler Oberflächen sind ein
wichtiger Faktor für die Sicherung des Standorts Deutschland,
wie die befragten Firmen bestätigen. Fast 88 Prozent der
Befragten halten die Entwicklung neuer Verfahren mit lokaler
Beschichtung für wichtig oder sehr wichtig für die Sicherung
heimischer Produktionsstandorte. Bei lokaler Oberflächenmodifikation sind es 89 Prozent und bei Mikro- und Nanostrukturierung
84 Prozent (A-31).
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Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Ergebnisse der Befragung
100
90
80
31
70
38
39
Anteil [%]
60
sehr wichtig
wichtig
eher unwichtig
unwichtig
weiß nicht
50
40
30
24
19
14
20
10
5
0
2
Lokale
Beschichtung
(n=65)
2
1
5
Lokale Oberflächenmodifikation
(n=62)
6
3
1
Mikro- und
Nanostrukturierung
(n=63)
A-31: Beitrag zur Standortsicherung durch die Entwicklung neuer
Verfahren zur Erzeugung funktionaler Oberflächen aus Sicht der befragten
Unternehmen.
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
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Impressum
Produktionstechnik zur Erzeugung funktionaler
Oberflächen
Status und Perspektiven
Beteiligte Institute
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Bienroder Weg 54 E
38108 Braunschweig
Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS
Winterbergstraße 28
01277 Dresden
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik
und Automatisierung IPA
Nobelstr. 12
70569 Stuttgart
Ansprechpartner
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Dipl.-Ing. Wolfgang Diehl
Stellvertretender Institutsleiter
Telefon +49 (0) 531/2155-515
Fax +49 (0) 531/2155-900
[email protected]
Autoren
Dr. Ralf Bandorf (Projektleitung)
Dipl.-Ing. Wolfgang Diehl
Dipl.-Phys. Ulrike Heckmann
Dipl.-Ing. Harald Holeczek
Dr. Udo Klotzbach
Dr. Simone Kondruweit-Reinema
Dr. Andreas Leson
Dr. Martin Metzner
Dr. Andreas Pflug
Dr. Otmar Zimmer
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Fraunhofer-Gesellschaft 2008
Redaktion, Satz und Gestaltung
Dr. Simone Kondruweit-Reinema
Dipl.-Dok. Simone Peist
M.A. Anika Heddergott
Dipl.-Des. Brigitte Jorns
Manuela Lingnau
Gesamtherstellung
Arnold & Domnick, Leipzig
Verlagsproduktion – alle Medien
Bildernachweis
Fraunhofer IPA: Bild 16, 26
Fraunhofer IST: Bild 2, 4, 6, 7, 8, 10, 11, 12, 13, 18,19, 21, 22, 23
Fraunhofer IST / Fotograf Meier, R., Wittmar: Bild 1, 3
Bild S. 4, 8, 12, 18, 26, 34, 46, 64
Fraunhofer IWS: Bild 5, 9, 14, 15, 20
Fraunhofer IZM-M: Bild 25
micro resist technology GmbH: Bild 17
Universität des Saarlandes, Mücklich, F.: Bild 24
ISBN 978-3-00-024076-8
Fraunhofer-Gesellschaft 2008
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