Spinale Muskelatrophien Typ 1-3

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Spinale Muskelatrophien Typ 1-3
Spinale Muskelatrophien Typ 1-3
(Werdnig-Hoffmann; intermediär; Kugelberg-Welander); autosomal rezessiv
MIM 253300, MIM 253400, MIM 253550
Klinik
Die
autosomal
rezessive
Spinale
Muskelatrophie (SMA) ist eine degenerative
Erkrankung der Zellkörper der -Motoneurone
des Rückenmarks und in schweren Fällen
auch der Zellkerne der bulbären Motoneurone.
Die Formen der Erkrankung mit Beginn im
frühen Kindesalter kommen mit einem Fall pro
6000 Neugeborene sehr häufig vor. Damit sind
diese Formen die zweithäufigste letale
autosomal rezessive Erkrankung bei Weißen
nach der Cystischen Fibrose. Die Klinik variiert
stark in Bezug auf den Erkrankungsbeginn und
auf die von Betroffenen erreichten motorischen
Fähigkeiten. Der Typ 1 (SMA1, WerdnigHoffmann’sche Erkrankung) ist durch einen
pränatalen Beginn gekennzeichnet, wobei die
Betroffenen
i.d.R.
das
Sitzen
ohne
Unterstützung nie erlernen. Die Patienten
versterben meist vor dem 2. Lebensjahr. Beim
Typ 2 (SMA2) ist der Verlauf etwas milder. Die
Kinder können zwar sitzen, laufen aber nur mit
Unterstützung. Die Prognose hängt von der
Beteiligung der Atemmuskulatur ab. Patienten
mit SMA Typ 3 (SMA3, KugelbergWelander’sche Erkrankung) sind in der Lage
zu laufen. Die Prognose ist gut, hängt aber
auch
hier
von
der
Beteiligung
der
Atemmuskulatur ab.
SMN-Gens. Höchstwahrscheinlich hängt die
Ausprägung der Erkrankung davon ab, ob
auch benachbarte Gene deletiert sind. So ist
das benachbarte Gen des ”neuronal apoptosis
inhibitory protein” (NAIP) in 67% der Fälle von
SMA1, in 42% der Fälle von SMA2 und 3, aber
nur bei 2-3% der Kontrollpersonen deletiert.
Die Penetranz der Erkrankung scheint nicht
100%ig zu sein, denn 1% der gesunden
Verwandten
Betroffener
haben
eine
homozygote Deletion des SMN-Gens. Es
scheint darüber hinaus für die Schwere der
Erkrankung auch eine Rolle zu spielen, wieviel
Ausfertigungen der Centromer-nahen SMNKopie bei Betroffenen vorhanden sind.
Die Neumutationsrate der SMN-Deletionen ist
mit 1% sehr klein.
Pathophysiologie
Die Funktion des SMN-Proteins ist noch
unklar. Es wird ubiquitär im Zytoplasma
verschiedenster Zellen exprimiert. Mäuse
besitzen nur eine Kopie des SMN-Gens; fehlt
diese, sterben die betroffenen Mäuse pränatal.
Durch Expression eines menschlichen SMN2Transgens kann dies verhindert werden, wobei
ein der SMA sehr ähnlicher Phänotyp
beobachtet wird.
Indikationen
Genetik
Alle drei Typen der autosomal rezessiven SMA
werden in der weitaus größten Zahl der Fälle
durch Gendefekte in 5q13 verursacht.
Molekulare Untersuchungen zeigten, daß bei
über 95% der SMA-Patienten eine Deletion des
sog. ”survival motor neuron”-Gens (SMN)
besteht. Dieses Gen liegt in zwei Kopien in 5q
vor. Bei SMA-Patienten findet man regelmäßig
ein Fehlen des Exons 7 und meist auch des
Exons 8 in der mehr Telomer-nahen Kopie des
Die SMA-Diagnostik kann zum Zweck der
Differentialdiagnostik
bei
entsprechenden
klinischen Symptomen, zur Bestimmung der
Anlageträger (Heterozygotendiagnostik) und
zur pränatalen Identifizierung Betroffener
(Pränataldiagnostik) eingesetzt werden.
Diagnostik
Der
Mutationsnachweis
erfolgt
mittels
Polymerase-Kettenreaktion
(PCR)
und
anschließender
Quantifizierung
der
zentromerischen und der telomerischen
Kopie des SMN-Gens. Weiterhin wird auch
die Anwesenheit des NAIP-Gens durch die
PCR bestimmt.
Untersuchungsmaterial
•
5 ml EDTA-Vollblut (Versand durch Post
oder Boten)
Dauer der Untersuchung
1 Woche
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