NLP - Masterarbeit

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NLP - Masterarbeit
Selbstmanagement im beruflichen Alltag
(NLP – Masterarbeit von Dr. Guido Schneider)
NLP - Masterarbeit
Selbstmanagement im beruflichen Alltag
von
Dr. Guido Schneider (Aachen)
Dr. Peise Training und Coaching
Trainer: Dr. Gerhard Peise
Mai 2011
© Dr. Guido Schneider
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Selbstmanagement im beruflichen Alltag
(NLP – Masterarbeit von Dr. Guido Schneider)
Selbstmanagement im beruflichen Alltag
Der Titel spricht deutlich aus, um was es geht. Offen bleibt die Klärung dessen, was „Selbstmanagement“ genau bedeutet und warum es im Kontext von Arbeiten mit NLP besser „Selbststeuerungsstrategien“ heißen sollte. Spätestens dann wird auch klar, dass dieses Selbstmanagement im privaten
Alltag genauso funktioniert. Beim Selbstmanagement geht es um die Fähigkeit und individuelle Art
und Weise, wie ein Gehirn seine Arrangements mit der Umwelt trifft und dabei das „Ich“ als wichtigsten Regisseur dieses Unterfangens darstellt. So entwickelt jeder Mensch ein Bild von der Welt, mit
der bzw. in der er sich auseinandersetzt (Weltbild, Wirklichkeitsauffassung), und natürlich auch ein
Bild von sich selbst als demjenigen, um dessen Leben und Handeln es dabei immer geht (Selbstbild).
Das funktioniert auch dann, wenn ein Mensch nie einen Gedanken daran verschwendet und sich diese
Zusammenhänge nie bewusst macht.
Bei „Selbststeuerungsstrategien“ geht es dann um Möglichkeiten für das „Ich“, wenn es erkannt hat,
dass das Gehirn es als „Regisseur“ etabliert hat, und nun natürlich auch seinen Einfluss auf das Gehirn
geltend machen will. Hat ein Mensch also einmal begriffen, das und wie seine Selbstauffassung, sein
Umgang mit anderen und sein Verhalten in der Wirklichkeit zusammenhängen, kann er damit beginnen, auf diese Zusammenhänge Einfluss zu nehmen.
Spätestens jetzt sind wir beim Problem der Gliederung: Die individuelle Art und Weise, wie das Gehirn
hier arrangiert, fasst das Kölner Motto „Jede Jeck is anders!“ charmant zusammen. Das wiederum
macht klar, dass eine einheitliche Formate-Strategie hier genauso verführerisch wie gefährlich ist, den
natürlichen Wasserlauf eines großen Flusses unbedingt in eine Kanalführung zu zwingen: So lange
nichts passiert, klappt alles! Die NLP sagt: Wenn etwas nicht klappt, mach’ etwas anderes. Wer schon
einmal die Hochwasserfolgen allzu stark kanalisierter Flüsse erlebt hat, zieht deshalb „1 & 1“ zusammen und macht sich diese Vorgehensweise zu eigen, bevor etwas passiert. Will heißen: Vorgestellte
Formate und Formatsequenzen sind Vorschläge, die sich nicht in eine starre Gliederungs- und Ablaufform zwingen lassen (auch nicht sollten). Formate in der NLP sind methodische Strategien, um Klienten, die ein Problem haben und dies lösen wollen, strukturierte Hilfestellungen geben zu können, dies
auch zu tun. Formate können aber auch wie Türen sein, die in die Räume anderer Individuen führen:
Nicht jede Tür führt gleichermaßen in jeden Raum und unter Umständen geht man aus einem einmal
betretenen Raum durch völlig andere Türen weiter, als man es aus anderen Räumen getan hätte.
Etwas praktischer formuliert: Die gegliederten Konzepte definieren Reihenfolgen, die es mir ermöglichen, einen sinnvoll zusammenhängenden Text zu schreiben, sind ansonsten bloß Vorschläge möglichen Vorgehensweisen, von denen andere abweichen sollten, wenn die Situation bzw. die Klientenpersönlichkeit andere Vorgehensweisen verlangt. Angedeutete Abweichungen oder Benennungen
weiterer möglicher Schrittfolgen zeigen daher alternative Formatverkopplungen, deren Entscheidung
oft erst „vor Ort“ zu treffen ist: Zu Formatwissen kommt also sicherlich Erfahrung des Coachs und eine
gute Portion gesunder Menschenverstand. Wenn ein Leser also an meiner Darlegung von Schrittfolgen
versteht, was gemeint ist, und es dann aufgrund anders angetroffener Bedingungen variiert, hat er
mich wirklich verstanden.
Ein Wort noch zum Thema „gesunder Menschenverstand“: Viele NLP’ler sind keine Psychologen oder
Pädagogen, aber viele Formate aus der NLP haben eine verführerische Kraft zu suggerieren, sie
könnten plötzlich aus Menschen Psychologen und Pädagogen machen. Weit gefehlt: Wenn ich die
NLP-Annahme „Die Landkarte ist nicht das Gebiet!“ verstanden habe, kann ich das Fahrzeug noch
lange nicht reparieren, mit dem ich fahren möchte. Im Beratergewerbe gibt es drei wichtige Verant-
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wortungsbereiche, die Crossman 1966 als die 3 P’s „permission“, „protection“ und „potency“
formulierte1:
ƒ
ƒ
ƒ
Permission bezeichnet die Erlaubnis, die mir der Klient gibt, ihm neue Botschaften über ihn selbst,
über andere Menschen und die Welt, die ihn umgiebt, anzubieten. Permission bedeutet also, dass
ich mir als Coach sein OK für Vorschläge abholen muss und dass meine Vorschläge für und auf ihn
passen müssen, damit er sie annehmen kann.
Protection drückt aus, dass sich ein Klient in den Zeiten, in denen er tiefgreifende Veränderungen
an sich, seinem Verhalten oder seinen Werten und Überzeugungen vornimmt, aus der Sicherheit
vorgegebener oder antrainierter Regeln löst, dadurch Regelverstöße provoziert und unsicher ist.
Wer sich mit einem Klienten auf diesen Weg begibt, muss sich darüber im Klaren sein, dass sich
die Verantwortlichkeit des Coachs nicht mit dem Ende der Sitzungen erschöpft.
Potency schließlich besagt zweierlei: Als Berater muss ich die Kraft dessen, was ich dem Klienten
anbiete, kennen. Ich muss wissen, was ich tue, und ich muss das auch ausstrahlen. Und ebenso
zählt dazu das Wissen um die Grenze: Der Coach muss wissen, wann er an den nächsten fachlich
kompetenten Berater (Psychologen, Pädagogen) abgeben sollte, und er muss dies auch tun. Am
besten wäre allerdings, wenn er das Herannahmen seiner Grenzen schon merken würde, bevor er
sie effektiv erreicht hat, und im Geiste wirklicher Protection für den Klienten weitsichtig (im ganz
wörtlichen Sinne) handeln würde: Solche Intuition hat für mich wesentlich mit jenem gesunden
Menschenverstand zu tun, der es mir als Coach erlaubt, durch die verschiedenen Türen und Räume einer Persönlichkeit zu gehen, aber immer nur so weit, als ich noch weiß, wo ich mich befinde.
Die Arbeit befasst sich jetzt wesentlich mit Hilfestellungen, die der Coach solchen Klienten geben
kann, die Probleme in ihren Abstimmungen von Selbstbild (Identität) und Umwelt(-erwartungen) erfahren, etwa durch Konflikte, Überlastungen, Selbstzweifel, Neuorientierungen u.V.m., und die deshalb nach Wegen und Möglichkeiten suchen, diese Abstimmungsvorgängen wieder selbst strategisch
sinnvoll steuern zu können („Selbst“-„steuerungs“-„strategien“). Sie befasst sich dabei exemplarisch
mit zwei Kernthemen aus einem sehr weiten Feld: Einfluss des Selbstbildes auf das persönliche Handeln in die Umwelt (und damit verbunden auf Konflikte, Akzeptanz und Zielsicherheit) einerseits sowie
die Bedeutung von Entspannung und positiven Gefühlen im Gesamtprozess.
Hinter den dargelegten Problemmustern und Lösungsangeboten stehen konkrete Coachingsituationen,
in denen die erläuterten Formatsequenzen durchgeführt wurden.
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Zit. Nach: Ian Stewart: Transaktionsanalyse in der Beratung. Grundlagen und Praxis transaktionsanalytischer Beratungsarbeit.
Paderborn: Jungfermann, 1991, S. 23 – 28.
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Inhalt
1. Arbeitsfeld: Was „Selbstmanagement“ ist und Coaching nicht sein sollte
1.1
„Selbstmanagement“ und „Selbststeuerungskompetenz“
1.2
Selbstmanagement im beruflichen Alltag
2. Selbstmanagement und Veränderungsarbeit
2.1
Aufgabenprofil
2.2
Formate
2.2.1 Format 1: Logische Ebenen nach Robert Dilts (berufliche Identität)
2.2.2 Format 2: Logische Ebenen nach Robert Dilts (Problemerfahrung)
2.2.3 Format 3: Arbeit mit Systemen: Innenkreis - Außenkreis
2.2.4 Format 4: Metamirror nach Robert Dilts
3. Selbstmanagement und Entspannung
3.1
Aufgabenprofil
3.2
Formate
3.2.1 Format 5: Ressourcenarbeit auf der Timeline
Exkurs Format 6: Past Pace
3.2.2 Format 7: Modelling aus der dritten Position, Mentorentechnik
3.2.2.1 Format 8: Fast Fobia
3.2.2.2 Format 9: Integrierte Timeline-Arbeit
3.2.2.3 Format 10: Mentorentechnik
3.2.3 Format 11: „Trittbrett“-Format für Entspannung
4. Literatur
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1. Arbeitsfeld: Was „Selbstmanagement“ ist und Coaching nicht sein sollte
Der Begriff „Selbstmanagement“ wird innerhalb der Literatur oft schwerpunktmäßig verbunden mit
Maßnahmen zur Einflussnahme auf das emotionale, physische und psychische Gleichgewicht2. Das ist
nicht falsch, aber missverständlich. „Selbstmanagement“ betrifft primär nicht externe Maßnahmen zur
Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung eines persönlichen Gleichgewichts, sondern umfasst sämtliche emotionalen und psychophysischen Reaktionen, über die ein Mensch verfügt, um mit seiner
Selbstdefinition in seinem höchstpersönlichen Modell von der Welt und der Wirklichkeit leben zu können, sich darin zu behaupten, damit zu arrangieren und darin zu organisieren. Das aber bewerkstelligen der menschliche Geist und Organismus auch dann, wenn wir kein theoretisches Konzept davon
haben und auch nicht durch spezielle Maßnahmen auf diese Gleichgewichtsfunktionen Einfluss zu nehmen suchen. „Selbstmanagement“ bezeichnet daher primär etwas Anderes als einen Werkzeugkatalog
oder eine Zielvorstellung für dessen Einsatz. Allerdings hat das von mir zu Grunde gelegte Verständnis
Einfluss darauf, was als Maßnahmen und Formatsequenzen sinnvoll zum Einsatz kommen kann: In Anlehnung an Vera Birkenbihls Konzept vom „gehirngerechten Lernen“3, demzufolge Methoden und Maßnahmen zur Beförderung von Lernen nur dann effektiv sein können, wenn sie mit den Arbeits- und
Funktionsweisen des Gehirns in Einklang gebracht sind, spreche ich lieber von der Entwicklung einer
„Selbststeuerungskompetenz“, die umso besser ist, je intensiver und nachhaltiger sie mit unserem
individuellen Selbstmanagement zusammenpasst. Was dabei im einzelnen zum Tragen kommt an Konzepten und Formaten, ist selten pauschal zu beantworten, denn schon das natürliche Selbstmanagement eines Menschen ist individuell. Eine wie auch immer geartete „Selbststeuerungskompetenz“ kann
nur sinnvoll sein, wenn deren Ziel ist, dem Ich bei der Entfaltung oder Veränderung seines schon vorhandenen Selbstmanagements zu helfen. Diese Auffassung voranzustellen erscheint mir wichtig, wenn
hier über sinnvolles Coaching zum Thema „Selbstmanagement“ nachgedacht werden soll. Allzu leicht
könnte ein Coaching missverstanden werden als Heilungsprozess gestörter Gleichgewichtszustände.
Richtig verstanden wäre die Funktion des Coaching dann, wenn dem Klienten dabei geholfen wird,
eine geeignete Selbststeuerungskompetenz zu entwickeln, mit der er darauf achten und einzuwirken
lernt, dass sein Geist und Körper sich wieder im ausgeglichenen Maße selbst managen können.
1.1 „Selbstmanagement“ und „Selbststeuerungskompetenz“
Jeder Mensch entwickelt in Berührungen mit der Welt seine eigene individuelle „Wirklichkeit“ und entwickelt diese im Laufe seines Lebens weiter. Das geschieht durch verschiedene Filtervorgänge, durch
die Menschen ihre Wahrnehmungen der sie umgebenden Welt so verarbeiten, dass sie diese Welt verstehen und sich darin orientieren können. Im Laufe des Lebens entwickelt ein Mensch ein Selbstbild,
das geprägt ist von Glaubenssätzen, Wertvorstellungen, Wahrnehmungsvorlieben ebenso wie von
sozialisatorischen Zuweisungen, Elternbotschaften, Zwängen, Widersprüchen und Verdrängungen.
Was Menschen in ihr eigenes Bild von der Wirklichkeit aufnehmen und was nicht, hängt mit davon ab,
wie dieses Selbstkonzept ist, denn Ziel ist es, die Welt so verstehen zu können, dass Menschen sich
mit ihrem Selbstbild darin wieder finden, bestätigen, orientieren, kurz: leben können. Wie die Prägungen des Selbst- und Weltbildes zeigen, können dazu ebenso förderliche wie hemmende Elemente gehören (die Transaktionsanalyse kennt bsw. die dafür wunderbar sprechenden Begriffe der „Antreiber“
2
Feustel, Bert u. Komarek, Iris: NLP-Trainingsprogramm. München: Südwest-Verlag, 2006, S. 124.
Birkenbihl, Vera: Stroh im kopf? Gebrauchsanleitung fürs Gehirn. Speyer: Gabal, 33. Auflage, 1988, S. 11 ff, aber auch ganze
Kapitel dieses Buches.
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und „Erlauber“4). Möglich ist, dass Elemente, die im Weltbild eines Menschen früher einmal wichtig
und förderlich waren, ihre Bedeutung verlieren oder eine negative Bedeutung erlangen, wenn sich die
Anforderungen der Wirklichkeit an das Individuum sich ändern. Dennoch wirken solche Zuschreibungen, denn die angeeigneten Denk-, Fühl- oder Verhaltensmuster werden durch das tägliche Training
in der Bewältigung der Wirklichkeit automatisiert, so dass viele Muster irgendwann nicht mehr bewusst eingesetzt werden. Die Farbe Rot mag symbolisch für „Liebe“ stehen oder für „Leidenschaft“: In
einen schulischen Kontext gebracht löst sie bei den meisten Menschen wohl automatisch unangenehme Erinnerungen und Gefühle an pädagogische Kontrolle, schulische Bewertung und Offenlegung von
Fehlern aus, und das wohl nur deswegen, weil wir alle es oft genug so erfahren haben, bis diese
Erfahrung unbewusste Selbstverständlichkeit werden konnte.
Sind viele Verhaltensmuster einer bewussten Kontrolle entzogen, wird der Wunsch nach einem disziplinierten, rational kontrollierten Lebens letztlich zur Illusion. Wir könnten vermutlich sogar nicht überleben, wenn wir alles immer wieder neu kontrollieren, überprüfen und rational werten müssten, denn
mag es auch viele Situationen geben, bei denen uns ein bisschen weniger automatisiertes Verhalten
gut täte, gibt es unzählige andere, in denen wir uns darauf verlassen müssen, dass häufig gleich erfahrene Sachverhalte künftig auch genauso sein werden: ob es die Haustür ist, die wir jeden Morgen
an der selben Stelle erwarten, oder die Tatsache, dass unser Lebensgefährte oder unsere Kinder uns
ganz selbst verständlich wieder erkennen, wenn wir morgens erwachen5.
Der Anteil unbewusster Verhaltensprogramme ist das eine: Die besondere Bedeutsamkeit von Gefühlen für unsere Entscheidungen und Verhaltensweisen ist die zweite Komponente, die klären kann, dass
Menschen sich nicht primär rational verhalten, vermutlich sogar am wenigsten, wenn wir in der Lage
wären, emotional (mit)-gesteuerte oder rein rational bedingte Verhalten einmal getrennt nebeneinander aufzulisten. Wenn wir uns beruflich dauernd vielseitigen Anforderungen stellen müssen, die
Stress in uns auslösen, werden die wenigsten Menschen sich überhaupt klarmachen, dass solcher
Stress vorrangig in einem emotionalen Erleben der Anforderungen bedingt ist und nicht etwa darin,
die irgendetwas uns „objektiv“ stresst. Und wenn wir gestresst reagieren, können wir uns sicherlich
immer noch rational klarmachen, wie ungünstig sich dieser Zustand auf unser Befinden und unsere
tägliche Arbeit auswirken mag, aber sachlich und rational korrektes Abwägen wird das Stressempfinden nicht unbedingt verhindern.
Was wir glauben, wirkt auch auf unsere Verhaltensmöglichkeiten ein. Wenn ich glaube, dass jemand
mich belügt, werde ich nach Belegen dafür in seinem Verhalten und Sprechen suchen und womöglich
andere Aspekte, die eher belegen könnten, dass er nicht lügt, ausblenden oder erst gar nicht wahrnehmen. Und Werte, die wir vertreten, bewirken dasselbe: Wenn absolute Ehrlichkeit in meiner Welt
wichtig ist, werde ich unter einer Situation leiden, bei der ich womöglich keine andere Möglichkeit
habe als zu lügen.
Es macht Sinn, dieses individuelle Zusammenspiel von Selbstbild, Verhaltens- und Erlebnisweisen,
Denkweisen und Wirklichkeitserfahrungen als „Selbstmanagement“ zu bezeichnen: Mein „Selbst“
managet auf all diesen Ebenen meinen Kontakt und Umgang mit mir, anderen und der Welt so, dass
4
Stewart, Ian und Joines, Vann: Die Transaktionsanalyse. Eine neue Einführung in die TA. Freiburg, Basel, Wien: Herder, 7.
Auflage 1997, S. 151 – 250, insb. S. 228 ff)
5
In diesem Sinne haben die verschiedenen Filtervorgänge Überlebensfunktionen: Tilgungen in der Sprache signalisieren die
Fähigkeit, die Aufmerksamkeit selektiv auf wichtige Dinge zu richten und unwichtige Reize auszublenden, zumal das Gehirn
nicht alles gleichzeitig verarbeiten kann. Generalisierungen sind Zeichen dafür, dass wir Bekanntes, dauernd benutztes Wissen
automatisieren, um Platz für den Erweb von neuem Wissen zu schaffen. Das macht aber auch nur Sinn, wenn Menschen davon
ausgehen, dass automatisiertes Wissen künftig immer noch wie gewohnt zur Verfügung steht und funktioniert
(Generalisierung).
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ich mich jederzeit sicher in meiner Wirklichkeit orientieren und behaupten kann und dass ich weiß,
wer ich in dieser Wirklichkeit bin.
Neu mag vielen womöglich sein, dass dieses „Management“ auch automatisch abläuft, emotional gesteuert, an Wertvorstellungen und Glaubenssätzen ausgerichtet und in Feedbacks aus meiner Umwelt
abgesichert: Dazu mag in gewissem Maße auch die Fähigkeit rationaler Einflussnahme zählen, aber
das Selbstmanagement, das sich jederzeit in jedem Menschen vollzieht, hängt sicherlich nicht allein
davon ab. Das gilt selbst für Menschen, die bewusst und höchst kontrolliert alles in ihrem Leben einem
rationalen Kalkül unterwerfen. Würden sie nämlich anders leben, würden sie sich unwohl fühlen und
den Eindruck von Kontrollverlusten haben, was nicht zu ihren Wertvorstellungen passt.
Wenn sich dieses Selbstmanagement auch dann vollzieht, wenn wir nicht bewusst daran denken und
es rational zu steuern versuchen, so heißt das nicht, dass dies nicht in gewissem Maße möglich wäre.
„Sich selbst verstehen“ oder „Selbstbewusstsein entwickeln“ würde – wörtlich genommen – genau das
bezeichnen. Aber ob uns das letztlich gelingt oder nicht, „Selbstmanagement“ ist dennoch die auch
unbewusst und emotional ablaufende Strategie, mit der unser Gehirn unsere Möglichkeiten, uns in der
Welt zu orientieren und zu bewähren, sicherzustellen versucht.
Was oft „Selbstmanagement“ genannt wird, wäre mit „Selbststeuerungskompetenz“ somit besser bezeichnet, verstanden als eine Kompetenz, die Strukturen, Funktionen und Wirkungen unserer „inneren
Programme“ zu verstehen und unsere Versuche, unser Verhalten in den alltäglichen Umgebungen und
Beziehungen mehr zu kontrollieren, abzustimmen auf das Selbstmanagement, mit dem unser Gehirn
ohnehin arbeitet. Unsere Versuche, Verhaltensweisen, Gefühle und Denkweisen zu beeinflussen und
eventuell zu verändern, würden dann gründen in einem vorausgehenden Verständnisprozess, in dem
wir uns immer erst auch vertraut machen mit den Vorgängen, nach denen diese unsere Umweltstrategien auch dann ablaufen würden, wenn wir uns ihnen nicht mit rationaler Bewusstheit zuwenden würden.
1.2 Selbstmanagement im beruflichen Alltag
„Selbstmanagement im beruflichen Alltag“ wäre dann sicher nicht in erster Linie der Versuch, unsere
persönlichen Verhaltensmöglichkeiten möglichst optimal auf berufliche Anforderungsprofile abzustimmen. Es wäre vielmehr die Selbststeuerungskompetenz,
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unsere persönlichen Ressourcen und Begrenzungen, Möglichkeiten, Ressentiments,
Gewohnheiten, Eigenheiten und Bedürftigkeiten zu verstehen,
unser daraus resultierendes Einwirken auf unsere Umwelt verstehen und erklären zu können,
unsere bewussten und unbewussten, rationalen und emotionalen Reaktionen auf unsere
Umwelt verstehen zu lernen,
zu begreifen, wo gerade daraus dann unsere Stärken und Schwächen liegen
und sicherlich auch zu berücksichtigen, dass wir und wie wir durch all diese individuellen
Eigenarten Reaktionen unserer Mitmenschen in unserem Umfeld und auf uns selbst mit
erzeugen.
Neu sind Anspruch und Konzept sicherlich nicht. Auch Klienten, die nach den Arbeiten in den hier später beschriebenen Formaten und Formatsequenzen über ihre Eindrücke und Erfahrungen berichten,
kommen häufig zu dem Ergebnis, dass sie die gewonnenen Einsichten irgendwie eigentlich immer
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schon gehabt hätten. Neu ist für sie meistens die Einsicht, dass es völlig normal ist, wenn es nicht
anders geht, als sie versuchen sich einzusetzen, und dass genau das die Wirkungen ihres Selbstmanagements sind, dass sie damit auf ihre einzigartige Weise ihre Umwelt und auch ihr berufliches
Feld mitprägen. Darüber wird ihnen dann schnell klar, dass sie in diesem Kontext vielleicht nicht perfekt funktionieren, sondern genauso so gehandelt haben, wie es unter den erkennbaren und beeinflussbaren Bedingungen für sie die beste Wahl, die beste Entscheidung war, und dass genau das auch
die Ursache dafür ist, warum andere Menschen so auf sie reagieren, wie sie reagieren. Diese Einsicht
ist nicht neu, aber fundamental wichtig: Sie verstehen, dass nicht ein berufliches Anforderungsprofil
und Bewährungsfeld die damit konfrontierten Menschen prägen kann, sondern dass sie alle auf eine
jeweils einzigartige Weise diese Felder und Profile gestalten. Und sie verstehen dann auch, dass die
oft negativen Reaktionen ihrer Umwelt keinesfalls Kritik oder Missachtung oder verweigerte Anerkennung sein müssen, sondern Konsequenzen aus dieser Tatsache sein können, denn auch die anderen
haben ihr eigenes Selbstmanagement und reagieren damit auf das anderer Menschen. Es ist erfrischend und ermutigend zu erleben, wenn solche Klienten dadurch ein völlig neues und persönlich sehr
verständnisgetragenes Verhältnis zu dem Satz „Es gibt keine Fehler, es gibt nur Feedback!“ erhalten.
Selbstmanagement im beruflichen Alltag oder besser die darauf ausgerichtete Selbststeuerungskompetenz ist also darauf ausgerichtet, persönliche Eigenarten sichtbar und deren Auswirkungen auf berufliche Leistungen und Kommunikationsprozesse einsichtig zu machen. Dabei kommt Entspannungstechniken eine besondere Bedeutung zu, nicht als dem wichtigsten Bereich, sondern als einer Steuereinheit, mit denen Klienten sich in die Lage versetzen können, ihr emotionales Auseinandersetzungsniveau in einen mittleren Erregungsbereich zu bringen, denn nur dann sind optimale Lernprozesse
garantiert.
Die neuere Hirnforschung konnte beweisen, dass optimales Lernen nur bei einem mittleren emotionalen Erregungsniveau funktioniert: Wer zu müde oder missgelaunt oder uninteressiert ist, hat etwa dieselben Probleme beim Lernen wie ein übermotivierter, hyperfleißiger, aufgeregter oder völlig begeisterter Mensch6. Werden Leistungsverluste intuitiv eher den ersten Fällen zugeordnet, kennt man heutzutage auch die Defizite etwa beim „Übertraining“ im Sport oder „Überlernen“ in der Informationsverarbeitung: Wer zuviel tut und die notwendige Balance zwischen Informationsaufnahme und –verarbeitung durchbricht und das ohnehin schon in einem Zustand hoher emotionaler Beteiligung, versetzt sich im Prinzip in einen Dauerzustand von Reizüberflutungen, wodurch die Reize als Stressoren
rangieren, weil sie inzwischen ja den gesunden, erforderlichen Verarbeitungsmodus überfordern. Läuft
der Stressapparat aber erst einmal an, reagiert auch unser Gehirn im Umgang mit Informationen darauf: Wurde im ausgeglichenen Zustand noch im Hippocampus abgespeichert, aus dem Informationen
später auch langfristig und sicher wieder abgerufen werden können, wird bei Stresszuständen die
Informationsverarbeitung vorrangig über die Amygdala7 gesteuert. Die Amydala ist ein Gehirnbereich,
der bereits bei der Entstehung von Angst, Unsicherheit, emotionalen Erregungszuständen, auch bei
vegetativen Leistungen (auch Störungen) eine steuernde Funktion hat. Informationen, die unter
Einflussnahme dieses Gehirnteils gespeichert werden, dienen entwicklungsgeschichtlich primär der
Bewältigung der Angst oder Unsicherheit, hinter der ja eine Gefahr stehen könnte. Es müssen also
kurzfristig immer riesige Datenmengen verarbeitet werden, von denen das Meiste aber auch
schnellstens wieder vergessen werden muss, wenn es mit der zu bestehenden Situation nichts zu tun
hat, damit die Speicher wieder frei sind. Andere Informationen werden mit den negativen Gefühlen
verkoppelt und gespeichert. Werden solche Informationen später abgerufen, sind nur noch redu6
Lauer, Visnja: ADS / ADHS bei Jugendlichen (=http://www.lauer-lauer.info/fileadmin/Downloads/ADS_Buch.pdf, etwa Kap. 3.4
„Aktivierungsniveau“, S. 6).
7
S. www.wikidedia.de/wiki/amygdala. Außerdem: Schipek, Peter: Expedition ins Gehirn. Was jeder über das Gehirn wissen
sollte (=http://www.lernwelt.at/downloads/wasjederueberdasgehirnwissensollte.pdf, S. 1 - 2).
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zierte, oft sogar sehr stark reduzierte Bestände nochmals abrufbar und dazu zählen nicht selten
Informationen, die unwillig wieder wachgerufen werden, weil in Folge der emotionalen Kopplungen
unerfreuliche Erinnerungen wachgerufen werden. Solche Erfahrungen haben viele Menschen nach der
Führerschein-Theorieprüfung gemacht: Aufgrund der besonderen (und teuren) Bedingungen wurde
mit hoher Intensität, meist aber unausgeglichen und methodisch sicherlich selten strategisch klug
auswendig gelernt. Die Prüfung haben die meisten dann bestanden, aber einige Zeit später waren
große Anteile des erlernten Wissens nicht mehr verfügbar.
Mit Selbstmanagement im beruflichen Alltag haben diese Erkenntnisstände viel zu tun: Konflikte im
sozialen Umgang, Kritik- und Streitgespräche, Veränderungen im persönlichen oder beruflichen Handlungsfeld, im Führungsstil und in Vielem mehr bedingen eine zerebrale Steuerung der jetzt ablaufenden Informationsprozesse in der Amygdala ebenso wie etwa Unsicherheiten bei Veränderungen, Ärger
bei Kritik, Selbstzweifel oder Angst vor unbekannten Folgen. Veränderungen lassen sich jetzt schlechter umsetzen („Mit dem Rauchen kann ich nicht aufhören, solange ich diesen Stress um die Ohren
habe!“) und neue Automatisierungsleistungen werden nicht schnell und sicher genug erbracht. Vielmehr rasten beim Denken und Handeln unter Stress etablierte Gewohnheiten ein: Sie könnten lebensrettend sein. Um unter Stress dennoch durchsetzungsfähig zu sein, kommen negative Gefühle hinzu:
Engstirnigkeit, Intoleranz, Schwarzweißmalerei8 helfen dabei, selbst solche Situationen zu bewältigen,
die im ausgeglichenen Zustand Werten und Überzeugungen des Betroffenen widersprechen würden.
Die NLP spricht von ressourcearmen Zuständen, in denen die Betroffenen gerade nicht in die Lage
versetzt sind, etwas Neues zu testen, wenn bisherige Verhaltensstrategien nicht funktionieren, sondern – im Gegenteil – eher jetzt an alten Gewohnheiten festhalten, untermauert von schlechten
Emotionen und nicht sicher verankert im tragfähigen Werte- und Überzeugungensystem dieses Menschen. Wir alle kennen sie: die Führungskraft, die als „workoholic“ belächelt wird, nicht abschalten
kann und dadurch immer mehr Fehler produziert, die den Stress vergrößern, oder den unausgeglichenen Chef, der sich zwar vorgenommen hat, dass …, aber „bei der kleinsten Sache“ oder bei „leiser
Kritik“ wieder so austickt, „wie wir ihn ja alle kennen!“. Als dritte Gruppe folgen die Zweifler, die alles
gut machen wollen, die nötige Anerkennung oder das wichtige Feedback nicht erhalten, verunsichert
und selbstzweiflerisch weiterarbeiten, bis ein Burnout sie erwischt.
2. Selbstmanagement und Veränderungsarbeit
2.1 Aufgabenprofil
Ein Aufgabenprofil ergibt sich aus Irritationen und Widerständen innerhalb vertrauter beruflicher Umfelder und Verhaltensweisen. Die Irritationen zeigen sich in der Folge von neuen Teamkonstellationen
oder neuen Aufgabenverteilungen im selben Team. Verhaltensroutinen, kommunikative Gewohnheiten
oder Teamrituale, die bisher nie ein Problem dargestellt hatten, werden jetzt als problematisch erlebt:
entweder, weil die Betroffenen damit neuen Anforderungen nicht mehr gerecht zu werden glauben,
oder solche Gewohnheiten werden von außen her (durch Mitarbeiter) in Frage gestellt und kritisiert.
Die Kritik kann dabei genauso offen mitgeteilt werden wie über Versagen in Aufgabenfeldern erlebt
oder etwa im Rahmen von Psychospielen unterschwellig arrangiert sein. Die von Betroffenen genannten Folgen können sein: Zweifel an der eigenen Führungskompetenz oder Teamfähigkeit, Unsicherheit
8
Den Sachstand fasst gut zusammen: Birkenbihl, Vera: Fragetechnik … schnell trainiert. Das Trainingsprogramm für Ihre
erfolgreiche Gesprächsführung. Landsberg/Lech: mvg, 5. Auflage 1996, S. 141 ff.
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darüber, ob die eigenen Verhaltens- und Wertungsmuster angemessen sind, fehlendes klares Feedback.
Die Klienten drücken deutliche Verknüpfungen von Selbstbild, Selbsterfahrungen und beruflichen
Fremderwartungen (Erwartung an Führungsarbeit etwa) aus und stellen häufig intuitiv die eigene
Persönlichkeitsstruktur als vermeintliche Ursache für ein Versagen oder für die Entstehung von Konflikten dar. Im Coaching soll dann das eigene Führungsverhalten / Teamverhalten auf den Prüfstand
gebracht werden.
Ziel kann allerdings nicht sein, dass der Coach aus der Außensicht des „wohlwollenden Beobachters“
dem Klienten nach abgeschlossener Arbeit zertifiziert, das der seiner Arbeit gewachsen ist oder nicht.
Bevor die problematischen Bedingungen eingetreten sind, haben die Betroffenen auf Basis ihrer
Selbst- und Weltbilder ihre Arbeitsumgebungen mit geprägt und aufgebaut. Die darin waltenden
Kräfte und Energien haben homöostatische Felder erzeugt, die offensichtlich gut funktioniert haben,
wenn man das Ausbleiben negativer Feedbacks als Indikator für Funktionieren oder Akzeptanz nimmt.
Treten in solchen homöostatischen Feldern nun neue Bedingungen auf (neue Aufgaben, neue Erwartungen, neue Mitarbeiter oder Teamkonstellationen), werden diese Felder „offen“ für die Ausprägungen neuer homöostatischer Zustände. Der Wandel vom alten in einen neuen Zustand, der noch nicht
abgeschlossen ist, wird negativ erlebt, ohne dies objektiv auch zu sein. Alte Routinen funktionieren
lediglich nicht mehr, was am persönlichen Selbstbild bemessen wird. Das wiederum ist auch die Basis
für die Entwicklung neuer Routinen und steht deshalb eigentlich gar nicht in Frage. Testiert werden
kann vom Coach lediglich ein Veränderungsprozess, auf keinen Fall aber eine Zustandsbewertung.
Falls wertende Einflüsse überhaupt eine Rolle spielen könnten, dann solche des Klienten selbst, der
darüber urteilen kann, ob er die bisher erreichten Veränderungsstände akzeptieren will oder nicht,
wobei auch das selbst nicht unproblematisch ist: Der Veränderungsprozess als Phase einer Verunsicherung kann durchaus negativ erlebt werden und das nicht nur von ihm selbst, sondern genauso
von anderen Beteiligten im Gesamtprozess. Was die Beteiligten wechselbedingt erleben, sind dann die
schmerzhaften Begleiterscheinungen von Veränderungsvorgängen. Was den Klienten jedoch einsichtig
werden soll, ist die Erfahrung, dass sie aufgrund ihrer Selbst- und Weltbilder strukturell befähigt sind,
Veränderungen zu initiieren und zu gestalten, und nicht darauf eingeschränkt sind, homöostatische
Zustände zu erhalten. Alle Veränderungs- und Problemlösungsprozesse, die im Coaching durchlebt
werden, sollen also stets unmittelbar gekoppelt bleiben am Erlebnis des individuellen Selbstmanagements, aus dem heraus ja gerade die Energien kommen, die Veränderungen und Problemlösungen zu
gestalten.
2.2 Formate
Als verlässliches Format zur Selbsterfahrungen der eigenen Persönlichkeitsstruktur haben sich die
„Logischen Ebenen“ nach Robert Dilts erwiesen. Aufgrund der hohen Variabilität dieses Grundmodells
lassen sich Problemerfahrungen durch die Ebenen mit dem Erleben der eigenen beruflichen Identität
verkoppeln und die daraus gewonnenen Erfahrungswerte im Rahmen einer „System-Matrix nach Dilts
und Epstein“ noch vertiefen. Eine Variante zum „Team-Kaleidoskop“ bietet dabei der „Innenkreis –
Außenkreis“ auf der Übungsebene. Beide Formate sind zwar als Teamübungen konzipiert, lassen sich
aber in Individualformate verändern und erlauben dem Klienten dann, Teamstrukturen oder teambedingte Konfliktstrukturen aus der Selbstbefindlichkeit im eigenen Selbstbild zu erleben. Das ohnehin
waltende persönliche Selbstmanagement wird somit zur Basis zum Erleben und im weiteren zum
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Gestalten von Teamstrukturen und Interaktionsweisen. Dazu werden weitere Formate eingebunden:
Meta-Mirror, Modelling, Timeline-Arbeit, Glaubensatz-Arbeit, Installieren von Ankern.
Weitere Formate, die sich anbieten, werden durch die ohnehin meist damit gekoppelte Arbeit zu „Entspannung und Selbstmanagement“ eingebunden und somit im nächsten Schritt auch thematisiert.
2.2.1 Format 1: Logische Ebenen nach Robert Dilts (berufliche Identität)
Im ersten Schritt soll der Klient die „Logischen Ebenen“ so durchlaufen, dass er sein persönliches
Selbstmanagement in seiner beruflichen Identität bewusst erfährt. Der Gesamtprozess darf in keiner
Weise beeinflusst und gestört werden. Nicht nur der Coach hat - im Falle eines nicht verdeckten
Arbeitens – Gelegenheit, in der Landkarte seines Klienten zu erleben, wie dessen Selbstmanagement
ihn dort navigiert: Auch der Klient vollzieht diesen Vorgang gerade bewusst, eventuell zum ersten Mal.
Die Aussagen beim rückwärtigen Durchlaufen der Ebenen werden im zweiten Format eventuell wieder
benötigt; daher sollte sich der Coach Stichworte dazu machen, um dem Klienten später dessen Aussagen vergegenwärtigen zu können.
Ein wichtiger Schritt ist der Wechsel zwischen Identitätsebenen und Metaebene. Diese Wechsel dürfen
vom Coach ruhig auch einige Male häufiger eingesetzt werden, als die standardisierte Schrittfolge es
vorgibt. Der Wechsel markiert immer auch eine weitere Erfahrung, zwischen assoziiertem und dissoziiertem Erleben wechseln zu können und damit emotionale Auswirkungen aktiv mit zu dosieren. Schon
diese Erfahrung, nach Bedarf auf den Ebenen assoziiert „in sich und mit sich“ zu sein und zugleich
dann doch „von außen“ den Zusammenhang dieser Ebenenerfahrungen reflektieren zu können, ist für
manche Klienten eine wichtige Erfahrung, über Selbststeuerungsstrategien bereits zu verfügen, die
zusätzlich verstärkt wird, wenn der Klient im Prozess der Logischen Ebenen tatsächlich etwas (Neues)
über sich erfährt. Sie erfahren diese Ressource zugleich als Möglichkeit, emotionale Befindlichkeiten
im Prozess so auszubalancieren, wie es dem Verstehen am besten entgegenkommt.
Eine solche „emotionale Minimalsteuerung“ erweist sich später (bei der „Problemerfahrung über die
Logischen Ebenen“) als hilfreich für Coach und Klient: In vielen Fällen platzen irgendwelche Knoten
auf den höheren Ebenen von den „Werten und Überzeugungen“ bis zu „Zugehörigkeit“ und oft platzen
sie mit emotionalen „Begleiterscheinungen“ wie Euphorie, Begeisterung, aber auch Tränen. Der Wechsel zwischen Assoziation und Dissoziation hilft den Klienten, solche Befindlichkeiten klarer einzuschätzen bzw. die entstehenden Emotionen als Teilresultate des Ebenen-Prozesses mit in die persönliche
Bewertung einzubeziehen.
2.2.2 Format 2: Logische Ebenen nach Robert Dilts (Problemerfahrung)
Die Ebenen-Arbeit zur Problemerfahrung wird erst im zweiten Schritt durchgeführt; die Formatschritte
bleiben dieselben. Da die „Logischen Ebenen“ in der praktischen Arbeit ohnehin ein zeitaufwendiges
Format sind, stellt sich die Frage nach dem Nutzen für eine solchen Wiederholungsgang, auch wenn
der zweite Durchgang mit dem Wechsel vom Erleben der „beruflichen Identität“ zur „Problemerfahrung“ eine Variante darstellt. Dafür sprechen zwei Gründe.
Die Assoziation mit der Problemerfahrung erfolgt im Ablauf schon sehr früh und prägt als Bezugrahmen die weiteren Schritte. Es kann insofern nicht sichergestellt werden, dass der Klient seine Werte,
Überzeugungen, Identitätsbestimmung und Visionen angemessen auf die Problemerfahrung bezieht,
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(NLP – Masterarbeit von Dr. Guido Schneider)
sondern unter Umständen zu Bestimmungen kommt, die aus einer Begründung der Problemerfahrung
herrührt. Das wird umso schwieriger, wenn der Klient verdeckt arbeiten möchte: Ist er tatsächlich in
der Lage, aus seiner Persönlichkeitsstruktur die Wertigkeit der Problemerfahrung angemessen herzuleiten oder neigt er eher dazu, sich selbst so zu erfahren, dass es zu seinem Problem passt? Werden –
wie hier vorgeschlagen – beide Prozesse auseinandergehalten, so ist der Klient motiviert, zunächst
sein berufliches Selbstbild zu strukturieren, das keineswegs nur von Problemerfahrungen geprägt ist.
Im zweiten Durchgang kann er dann, auf diesem Selbstkonzept aufbauend, erforschen, wie das erlebte Problem dazu passt.
Auf die Praxis bezogen heißt das: Wird auf die Dopplung Formatarbeit verzichtet, so kann der Klient
zu dem Ergebnis gelangen, dass er zwangsläufig in die Problemerfahrung gelangen musste, denn ihm
fehlen ja Verhalten X oder Fähigkeit Y. Im gedoppelten Verfahren kann der Erkenntnisprozess anders
erfolgen, etwa „Mir ist diese Fähigkeit y bislang nicht wichtig gewesen, weil mir der Wert z wichtig
ist!“ oder „Ich habe bisher geglaubt, dass a so sein muss, und daher habe ich nicht gesehen, dass b
möglich sein kann!“ Solche Denkweisen relativieren positiv die bisherige Selbstkritik (die die Betroffenen ins Coaching brachte), etwas nicht zu beherrschen oder zu etwas nicht fähig sein, zur treffenderen Haltung „Bisher war mir noch nicht wichtig, das zu können!“
In der Regel bringen die Klienten von sich aus ihre Erfahrungen aus beiden „Ebenen“-Prozesse in Verbindung. Erfolgt dies nicht von selbst, sollte diese Verknüpfung vom Coach iniitiert werden. Der geeignete Zeitpunkt ist erreicht, wenn der Klient damit beginnt, im „Problemerfahrungsprozess“ die Ebenen
rückwärts zu durchlaufen. Die jeweilige Frage „Hat sich jetzt etwas verändert?“ kann dazu auch in
Verbindung zum „Identität“-Durchgang gestellt werden in Formulierungen wie „Verändert sich jetzt
etwas, wenn Sie ihre jetztigen Erfahrungen einmal vergleichen mit ihrer Antwort beim ersten Durchgang?“ Klienten können erfahrungsgemäß recht zügig erkennen, ob die Problemerfahrung aus einem
Konflikt mit ihren Werten und Überzeugungen resultiert oder daraus, dass ihnen bestimmte Fähigkeiten fehlen oder, gerade umgekehrt, weil sie bestimmte Fähigkeiten haben, die sie eventuell problemförderlich einsetzen: Die Fähigkeit, allein flexibel und schnell Entscheidungen zu fällen und umzusetzen, kann bei Teamplayern Konfliktpotentiale wachrufen, und jemand, der ein Helfer-Syndrom hat,
gerät in Problemlagen, wenn andere sich nicht helfen lassen wollen.
Abweichende Selbsterfahrungen und Selbstdefinitionen, die ein Klient auf den verschiedenen Ebenen
einmal ohne und einmal unter Einbindung der Problemerfahrung macht bzw. gibt, können in der
Prozessarbeit markante Punkte sein, die der Klient aus der Metaposition erleben und interpretieren
soll: Warum erlebt er sich eventuell selbst als Siegertyp, als „rund“ und zufrieden, wenn keine Problemerfahrung dabei auftritt, während er sich unter Bezugnahme auf das Problem eventuell als hilflos,
unfertig und „klein“ erlebt?
Diese Erläuterungen zum Sinn der Formatdopplung können deutlich machen, dass der Coach dadurch
leichter brauchbare Anhaltspunkte für weitere Formate erhält (Glaubenssatz-Arbeit, Teile-Arbeit, Timeline, 3 Positionen usw.)
2.2.3 Format 3: Arbeit mit Systemen: Innenkreis - Außenkreis
Die Problem- und Konfliktstrukturen erreichen auf den Ebenen „Umwelt“ und „Verhalten“ eine interaktive und soziale Bedeutung. Schon vorher und in der Regel auch nach der Prozessarbeit auf den
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(NLP – Masterarbeit von Dr. Guido Schneider)
Logischen Ebenen bleiben Klienten in der Deutung und Wertung der Problem- und Konfliktpotentiale
in einer subjektiven Befangenheit, die es jetzt aufzubrechen gilt.
Die Überführung des Prozesses in die Systemwahrnehmung lässt sich umsetzen durch eine Übung, in
der das „Innenkreis – Außenkreis“-Format aus der Teamarbeit variiert wird9: Im Einzelcoaching ist das
System nicht materiell anwesend. Letztlich wird bei diesem Format jetzt die Teamarbeit kombiniert mit
Wechseln des Klienten durch die erste bis vierte Position.
Das nicht anwesende System wird daher durch einen Stuhlkreis repräsentiert. Anzahl und Position der
einzelnen Stühle bestimmt der Klient (im Gegensatz zur direkten Teamarbeit, wo die Anzahl der Mitglieder auch die Stuhlanzahl diktiert), unter Umständen wird der Kreis zu unterschiedlichen Zeiten im
Gesamtprozess reduziert oder erweitert.
Zunächst setzt sich der Klient auf „seinen“ Stuhl und gibt seinen persönlichen Standpunkt wieder:
Situation, Problemlage, Begründung dafür, auch Schuldzuweisungen, eventuell Wünsche und Ziele.
Dabei ist er bisher allein im Kreis; bestenfalls kann der Klient mit dem Coach reden. Der allerdings
fordert den Klienten jetzt auf, dass soeben Gedachte / Gesprochene der Person zu sagen, die seiner
Meinung nach im Problem / Konflikt eine maßgebliche Rolle spielt. Es kann durchaus sein, dass der
Klient jetzt Hemmungen aufbaut und die Aussagen nicht in gleicher Weise wiedergeben kann oder
will. Allein das schafft bereits erste Möglichkeiten, um neue Sichtweisen gewinnen zu können.
Im nächsten Schritt erhält die Person, die dem Klienten soeben zuhören musste, nun selbst Gelegenheit zur Darstellung der Situation aus ihrer Sicht. Dazu wechselt der Klient den Stuhl.
Dann könnten beide sich mit weiteren betroffenen (oder sogar unbetroffenen) Personen unterhalten:
Betroffene Mitarbeiter entwickeln sicherlich eine andere Sicht als völlig unbeteiligte Beobachter von
außen. Vertraute, professioneller Ratgeber, die beste Freundin, Vater oder Mutter, der Lebensgefährte
und viele weitere Rollen können besetzt werden. Auf jeden Fall soll der Klient bei jeder neuen Person
einen neuen Stuhl besetzen und die Problemerfahrung aus deren Sicht formulieren.
Am Ende stellt der Coach außerhalb des entstandenen Kreises einen letzten Stuhl bereit. Darauf soll
eine Person gesetzt werden, an die bisher niemand gedacht hat, die aber auch involviert ist. Unter
Umständen taucht diese letzte Person nicht auf, weil das System tatsächlich vollständig ist; aber die
Suche hat einen letzten Blick auch auf das bisher aufgestellte System ergeben, quasi eine erste MetaProbe. Womöglich integriert der Klient aber eine völlig unerwartete Person: Die Chance auf eine noch
nicht ins System eingeschlossene Sicht- und Denkweise wächst, die eventuell auch Lösungsoptionen
bereitstellen könnte. Womöglich findet sich aber tatsächlich noch eine Person im Problemsystem: eine
anscheinend unscheinbare Randfigur wird wichtig, ein Intrigant fällt jetzt auf, eine stille Stimme, auf
die bislang niemand hören wollte, kann lauter werden.
Danach tritt der Klient aus dem Stuhlkreis in die Position des Beobachters, lässt die verschiedenen
Statements Revue passieren und geht dann in beliebiger Reihenfolge hinter die jeweiligen fiktiven
Kreismitglieder, um aus der überblickenden Position heraus die einzelnen Positionen reflektieren zu
können. Der Klient hat stets die Freiheit, sich um den gesamten Stuhlkreis zu bewegen, zu Positionen
zurückzukehren, Statements zu wiederholen, andere zu überschlagen. Allerdings ist er aufgefordert,
9
Das Format ist beschrieben in den Unterlagen zur Master-Ausbildung bei Gerhard Peise auf den Seiten 117 f. Hier wird jetzt
nur noch die Variation wiedergegeben.
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aus der Sicht eines wohlwollenden Beobachters sich in deren Positionen hineinzuversetzen und diese
zu kommentieren.
In einem dritten Durchgang tritt dieser Beobachter jetzt im Rollenspiel in die Funktion eines Coachs,
der Ratschläge erteilt, wer aus seiner jeweiligen Sicht mit welcher anderen Person im System Verbindungen eingehen sollte / könnte oder Gespräche führen müsste. Dieser Coach kann auch einzelne
Personen auffordern, ihre innerste Sicht und ihre Beteiligung am Problem deutlich zu artikulieren, Absichten dabei aufzudecken und Strategien offenzulegen. Während dieser Phase geht der Klient immer
wieder um den Stuhlkreis in der Rolle des Coachs, setzt sich jedoch bei Phasenwechseln kurz auf seinen eigenen Stuhl im Innenkreis, um das soeben Erfahrene kurz auf sich einwirken zu lassen.
Am Ende fordert der „echte“ Coach den Klienten auf, alle jetzt gemachten Erfahrungen zu verbalisieren: beim ersten Mal aus der assoziiert betroffenen Sicht des Klienten im Innenkreis auf seinem persönlichen Stuhl und danach nochmals aus der dritten Position des beobachtenden Klienten im Außenkreis.
Ist Problemortung und Erkennen der systemischen Vernetzung das Ziel, so ist die Formatarbeit jetzt
abgeschlossen. Soll über Zielearbeit auch ein Lösungsangebot angestrebt werden, lassen sich jetzt
Varianten eines Verhandlungsreframings durchführen, davon ausgehend, dass jedes einzelne Teil des
Systems zwar aktiv zum Problem beitragen kann, dabei aber für sich selbst jeweils eine gute Absicht
verfolgt. Zu klären wäre, wie jede gute Absicht auch erfüllt werden könnte, ohne dass das Gesamtsystem das vorliegende Problem hätte10.
2.2.4 Format 4: Metamirror nach Robert Dilts
Das folgende Format kann auch zeitlich der Systemarbeit vorgezogen werden, wenn es sich vom Problemaufkommen her empfiehlt. Oft tun sich jedoch Klienten schwer mit Wahrnehmungen aus den verschiedenen Positionen und das Stuhlkreis-Format erleichtert vielen durch das anschauliche Rollenspiel
die Einübung in diese Wahrnehmungsarbeit.
Sind die „logischen Ebenen“ vom Klienten durchschritten, werden oft schon tragfähige Konzepte einer
Selbstdefinition greifbar, die ihnen klarmachen, warum sie in ihrer spezifisch eigenen Weise mit sich
und ihrer Umwelt umgehen. Dass dieser in den eigenen Überzeugungen und Glaubenssätzen gründende persönliche Umgang mit sich selbst aber auch Signale an die Umwelt sendet, wie nämlich andere
wiederum mit uns selbst umgehen sollen, betrifft eine Ausrichtung der persönlichen Wahrnehmung,
die keineswegs jedem unmittelbar eingängig ist. Dass die persönliche Art und Weise, mit sich selbst
umzugehen, eine Art „umgekehrten Pymalion-Effekt“ bedingt, indem wir durch die Art und Weise unserer persönlichen Selbstbehandlung andere regelrecht dazu einladen, uns genau dasselbe angedeihen zu lassen, ist eine Erfahrung, mit der viele gar nicht rechnen. Dass man in einer schwierigen Kommunikation mit anderen Menschen genauso umgeht wie mit sich selbst, dass diese äußeren Kommunikationsprozesse somit nur ein Spiegel (mirror) der eigenen inneren Kommunikation sind, wird vielen
erst dann klar, wenn sie es am eigenen Leibe spüren.
10
Vorschläge werden hier nicht mehr ausgearbeitet: Je nach Problemsituation oder Systemzustand muss ein anderes Format
verwendet werden. Ein reines Verhandlungsreframing lässt sich je nach Größe des Stuhlkreises nur noch sehr zeitaufwendig
oder nicht mehr effektiv durchführen.
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Der Metamirror ist ein hervorragendes Instrument zur Selbstreflexion, weil er in der gestuften Abfolge
von Selbst- und Fremdbeobachtungen aus den verschiedenen Positionen heraus die Möglichkeit setzt,
die Spielregeln des eigenen inneren Dialogs als Richtwerte auch für den Umgang mit anderen Menschen zu erleben und zu begreifen. Vor allem ist er gut geeignet, um Problemlösungen für eine gestörte Kommunikation mit anderen auch während deren Abwesenheit zu finden. Im Metamirror schafft
es der Klient quasi, von sich selbst einen Schritt zurück zu machen und vergleichend zu erfahren, dass
ein äußerer Konflikt mit einem anderen einem inneren Problem in ihm selbst korrespondiert. Die Bibel
fasst diese Erkenntnis in die Christusbotschaft „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“. Konsequent
weitergedacht bedeutet dann aber der von Führungskräften oft gebrauchte Satz „In meiner Position
kann und brauche ich nicht von allen geliebt werden!“ bereits eine – wertbedingte und in Glaubenssätzen verankerte - Eigenart im eigenen Selbstmanagement, die reflektiert werden sollte, wenn sich in
der Kommunikation mit anderen Menschen qualitativ etwas verbessern soll. Von außen betrachtet
wäre es schon eine Störung, im Selbstmanagement des Klienten wird es aber nicht als Störung gedeutet (daher hier auch „Eigenart“ genannt), die aber als Ursache für Kommunikationsprobleme in der
Umwelt begriffen werden müssen.
Das von Robert Dilts entwickelte Format wurde von Bernd Isert weiterentwickelt und dabei auch
schon intensiv mit der Reflexionsarbeit im Format der „Logischen Ebenen“ verkoppelt. Iserts Modell ist
dadurch unter Umständen besser geeignet, die Einbindung des Metamirrors in das Selbstmanagement
des Klienten zu steuern. Die Variante von Dilts richtet hingegen aus der Perspektive des vergleichenden Spiegels schneller den Fokus auf eine veränderte Kommunikation mit anderen. Was also letztlich
das geeignetere Format ist, richtet sich nach dem Bedarf des Klienten und der Struktur seines Problems.
3. Selbstmanagement und Entspannung
Im persönlichen Selbstmanagement steuert und reguliert ein Mensch sein Verhältnis zur Welt und sein
Handeln darin. Funktioniert das nicht, so tritt der Mensch in Spannung zu seiner Umwelt: Seine Selbststeuerungsstrategien sind gefordert, Veränderungsarbeit zu leisten. Gründe dafür können veränderte
Umweltbedingungen und –erwartungen sein (neuer Partner, neue Arbeit bzw. Funktion), veränderte
Wertvorstellungen und Glaubenssätze („Früher war mir so etwas wichtig, aber heute …!“). Auch im
Falle, dass Menschen ihre Veränderungsarbeit bereits durch geeignete Zielvorstellungen lenken, entstehen Spannungen aus den Tatsachen, dass unbekannte Faktoren eine Rolle spielen, zielbestimmte
Veränderungen noch nicht routiniert sind (was Unsicherheit erzeugen kann) oder ganz einfach nicht
sichergestellt ist, dass und wie die beteiligte Umwelt mitspielt.
Hinzu kommt die Tatsache, dass ein funktionierendes Selbstmanagement nicht unbedingt pragmatisch
klug sein muss: Zu den persönlichen Routinen kann das Erleben von Stress zählen, dessen emotionale
Stärke oder Charakteristik unter Umständen für einen Menschen Maßstab für sein Handeln und seine
Veränderungsarbeit ist11. Das kann einerseits beflügeln (etwa bei einem Menschen, der dem Metaprogramm „weg von …“ folgt), andererseits hinderlich werden, wenn die Gesamtbelastungen so anwachsen, dass ein Mensch nicht mehr abschalten kann.
11
„Normalerweise greifen wir im Alltag bei Anforderungen an unser Verhalten und Handeln auf Erfahrungen zurück, die wir
bereits gemacht haben. Wenn wir einmal gelernt haben, z. B. in einer Streitsituation ruhig zu bleiben, dann können wir uns in
einer späteren ähnlichen Situation auch ähnlich verhalten. Wenn wir über eine solche Erfahrung nicht verfügen, werden wir, wie
bisher immer, mit Aufregung reagieren.“ (Alexa Mohl: Zauberlehrling, S. 138).
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3.1 Aufgabenprofil
Zwei Ausrichtungen der Veränderungsarbeit sind zu berücksichtigen: Aus der Erfahrung von Entspannung sollen Möglichkeiten geschaffen werden, diese Entspannung als Grundbefindlichkeit auch in den
bisher belastenden Alltag hineinzutragen, um dort Entlastung zu schaffen. Man könnte sagen, dass die
Selbststeuerungsstrategien bei solcher Veränderungsarbeit ein verändertes Energiemanagement anstreben12. Die andere Zielrichtung ist die Bewältigung unvertrauter Bedingungen, persönliche Veränderung durch einen umdefinierten Umgang mit der umgebenden Welt. Geht es im ersten Fall vorwiegend darum, „abschalten“ zu lernen und einen gesunden Rhythmus von An- und Entspannung im
Sinne eines effektiven Energiehaushalts zu lernen, zielt die zweite Strategie darauf ab, Ressourcen zu
finden und nutzbar zu machen und sicherzustellen, dass Unsicherheitserfahrungen im Vollzug der Veränderungen dennoch in ressourcereichen Zuständen stattfinden können, bei denen der sich verändernde Mensch die Kontrolle behält über seine neuen Arrangements mit seiner Umwelt. Insofern werden hier die Timeline-Arbeit und Mentoren-Technik wie auch das Future-Pace-Format und die Variante
davon (Past-Pace) dem Entspannungskomplex zugeordnet, wenn sie selbst auch keine Entspannungstechniken sind. NLP geht aber davon aus, dass Stress und Burnouts maßgeblich mit verursacht werden in mangelndem Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl, so dass die Stärkung beider Stress reduzierende Wirkungen haben kann.
Wenn ansonsten Entspannung angestrebt wird, kann auf vertraute Techniken zurückgegriffen werden:
Meditation, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Fantasiereisen, Tranceinduktionen, Atemübungen u. V. m. Diese werden allerdings hier nicht detailliert vorgestellt.
Klassische NLP-Formate zur Stressreduktion und zur Stärkung positiver Befindlichkeit bietet die Arbeit
mit Submodalitäten. Als Variante wird hier das Format Fast-Fobia als integraler Bestandteil der Timeline-Arbeit vorgestellt.
3.2 Formate
Alexa Mohl hat die Bedeutung der hier thematisierten Formate treffend zusammengefasst: „Wenn
manche Menschen weniger erfolgreich sind als andere, dann liegt das häufig nicht so sehr daran, dass
sie über geringere Kenntnisse und Fähigkeiten, begrenzte Erfahrungen, weniger Energie oder
eingeschränktes Engagement verfügen. Was sie von den Erfolgreichen unterscheidet, ist nicht selten
der Umstand, dass sie ihre persönlichen Fähigkeiten und Stärken nicht für alle Situationen, Aufgaben
und Ziele ihres Lebensalltags zur Verfügung haben und deshalb hinter ihren Möglichkeiten
zurückbleiben.“13. Ziel ist es also, die Verfügbarkeit vorhandener Ressourcen zu ermöglichen oder,
falls eine Ressource noch nicht erfahren wurde und daher nicht verfügbar ist, sie neu ins
Verhaltenskonzept zu übernehmen. Im ersten Fall wird mit der Timeline des Klienten gearbeitet, im
zweiten Fall werden Ressourcen von anderen Menschen modelliert (modelling).
Dabei können wir davon ausgehen, dass zwischen erlebter Wirklichkeit und vorgestellter Wirklichkeit
kein entscheidender Unterschied besteht. Eine erlebte Situation zu reaktualisieren und wieder real zu
12
Ganz in diesem Sinne definiert Selye die Funktionalität der Stresssymptome als Allgemeines Anpassungssyndrom (AAS), als
eine unspezifische Reaktion, mit der sich der Organismus neuen Bedingungen anpasst; s. H. Selye: Geschichte und Grundzüge
des Stresskonzeptes. In: Stress. Theorien, Maßnahmen, Untersuchungen. Hrsg. V. J.R. Nitsch. Bern: Huber, 1981, S. 163 – 187.
Vgl. ebenso Gert Kaluza: Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. 2. vollständig
überarb. Auflage Berlin, Heidelberg: Springer, 2011, insb. S. 15.
13
Mohl: Zauberlehrling, S. 137
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erleben oder ein solches Erlebnis innerlich zu konstruieren und in der Vorstellungswelt zu durchleben
ist im Potential nicht grundsätzlich anders: Beides sind letztlich vorgestellte Erfahrungen, lediglich dadurch unterschieden, dass die eine real war und die andere konstruiert ist. Gerade dadurch wird aber
möglich, Fremdressourcen wie eigene zu behandeln und ins eigene Repertoire aufzunehmen.
3.2.1 Format 5: Ressourcenarbeit auf der Timeline
In der Timeline-Arbeit wird der Klient daher zunächst aus der Position des „Hier und Jetzt“ aufgefordert, eine Situation auszumachen, in der er ein Ressourcenproblem hat. Die Situationen werden über
Bodenanker visualisiert und bearbeitet. Die zu bearbeitende Situation ist, vorerst jedenfalls, eine zukünftige. Mittels VAKOG wird die Situation aktualisiert und der Klient aufgefordert, die vorgestellte
Situation zu erleben und dabei zu ergründen, was ihm fehlt, um sie mit einem für ihn erfolgreichen
Ergebnis zu bewältigen14. Ist dies gelungen, wird der Klient auf die Metaposition außerhalb seiner
Timeline gelenkt und soll von dort aus überblicken, wo bzw. wann er in seinem Leben die erforderliche
Ressource bereits gehabt hat. Die entsprechende Situation wird wieder durch einen eigenen Bodenanker repräsentiert.
Bewährt hat sich die Identifikation mehrerer Situationen, die danach auch der Reihe nach durchschritten werden, aus zwei Gründen: Der Klient kann erfahren, dass er sich früher bereits aus bewährter Erfahrung auf diese Ressource verlassen hat; der Transfer in die Gegenwart bzw. in die zukünftige Situation verliert an problematischem Gewicht und wird zu einer weiteren unter bereits mehreren. Das
Gefühl, aus diesen Situationen tatsächlich Kraft schöpfen zu können, wird bereits während der Aufzählung und beim Durchschreiten der Situationen an der Mimik und Körperhaltung sichtbar. Der
Transfer auf die zukünftige Situation wird so – im wörtlichen Sinne – zu einem Akt des „Selbst-Vertrauens“. Zweitens: Gelingt die Identifikation mehrerer Situationen, aber nicht (zumindest nicht unproblematisch) der Transfer auf die künftig zu bewältigende Situation, wird in der Regel auf der dazwischen liegenden Timeline-Strecke eine Blockade vorliegen, die vorrangig zu bearbeiten ist, denn
der Klient traut sich nicht mehr, diese Ressource zu nutzen. Immerhin ist das Vertrauen auf Nutzen
und Wirksamkeit eigener Ressourcen ein geankertes Vertrauen, bedingt in situativen Mustern, die als
Reize die Aktivierung der Ressource als Reaktion auslösen. Solche in der Vergangenheit wirksam gewesenen Anker können zwischenzeitlich durch Schlüsselereignisse abgeschwächt worden oder sogar
kollabiert sein. Beim Wiederfinden und Durchschreiten mehrerer vergangener Situationen mit der Erfahrung wirksamer Ressourcen lässt sich die blockierende Situation schneller und treffender für den
Klienten identifizieren, aber auch – über die Metaposition – ihre Bedeutung gewichten, wenn die verloren gegangene Ressource inzwischen wieder mehr Bedeutung für den Klienten haben sollte. Die
mehrfach erinnerungsfähige positive Wirkung solcher Ressourcen kann die Wirksamkeit blockierender
Situationen entscheidend relativieren.
Ein dritter Nutzen ergibt sich aus dem Wiederholungseffekt im Timeline-Prozess, denn der Klient, der
vorhandene Ressourcen in die Gegenwart hineinholt, schafft Gewissheit, seine Probleme und Konflikte
selbst effektiv und mit eigenen Möglichkeiten lösen zu können und übt dieses Lösungsverhalten
zugleich ein15.
14
Es kann Sinn machen, die Timeline-Arbeit direkt im Anschluss an die „Logischen Ebenen“ durchzuführen, wenn der Klient
darin etwa klare Vorstellungen über seine Ressourcen bekommen habt (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verhalten).
15
Im Prinzip wird hier das Verfahren variiert, in dem der Klient nach dem Hineintragen von in der Vergangenheit als bewährt
erfahrenen Ressourcen in die zukünftige Problemlage dies gegebenenfalls mit weiteren benötigten Ressourcen so oft
wiederholt, bis er selbst ein gutes Gefühl entwickeln kann, für die reale Lösung gut aufgestellt zu sein.
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17
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Ist eine Ressource faktisch nicht verfügbar oder aus einer waltenden Blockade auslösbar, so kann sie
modelliert werden. „Das heißt nichts anderes, als dass Menschen sich durch Beobachtung auch die
Ressourcen anderer aneignen und in Kontexte eigener Erfahrung integrieren können.“16
Exkurs Format 6: Past Pace
Eine blockierte Ressource kann wieder nutzbar gemacht werden, wenn der Klient die Situation, in der
die Blockade aufgebaut wurde, anders erleben lernt. Eine solche Blockade kann in Glaubenssätzen
und Überzeugungen gründen, die den Widerstand gegen diese Ressource sinnbestimmen. In solchen
Fällen ist eine Arbeit an Glaubenssätzen notwendig, die als komplexeres Arbeitsfeld hier nicht eingebunden werden soll. Unter Umständen ist die Ressource selbst Anlass und Ursache für ein Problem
geworden.
In anderen Situationen, in denen die Ursachen für die Blockaden einfacher liegen, kann es ausreichen,
Klienten die realen Erfahrungen so anders durchleben zu lassen, dass sie diese anders bewerten. In
Variation eines Future Pace könnte dies in Form eines „Past Pace“ erfolgen. Die vergangene Situation
soll mit allen Sinnen (VAKOG) erlebt werden, der Klient soll ganz in die Problemsituation eintreten und
dann sofort in die Metaposition treten, um dissoziiert die Ressourcenfrage klären zu können. Hier wäre
als erstes zu klären, ob die fragliche Ressource eher fehlt oder eher stört, um das Problem angemessen zu lösen. Fehlt die Ressource, sind im nächsten Schritt die Gründe dafür zu klären. War sie nicht
verfügbar, grundsätzlich aber vorhanden, mündet die Bearbeitung der Blockade jetzt ein in einen in
den gesamten Timeline-Prozess eingebettenen Timeline-Subprozess. Dabei können eventuell die im
Verhältnis dazu vergangenen Situationen, in denen die Ressource bereits verfügbar war, als Potentiale
genutzt werden. In einem „Was-wäre-wenn“-Rahmen kann durchgespielt werden, wie die reale Situation alternativ zu einem gewünschten Ergebnis geführt haben könnte. Falls andere Bedingungen dazu
geführt haben, das die gesuchte Ressource nicht eingesetzt werden konnte, sind zunächst diese Probleme im Subprozess zu klären und dann das alternative Erlebnis der freigelegten Ressource umzusetzen.
Sinnvoll bleibt am Ende jedenfalls ein Ökocheck, denn es muss abgeklärt werden, ob die Blockade
nicht eventuell im Rahmen einer internen Schaden-Nutzen-Bilanz des Klienten das kleinere Übel gewesen ist. Stellt sich dies etwa heraus, empfiehlt es sich, den Prozess zunächst mit dem Format des SixStep-Reframings oder eines Verhandlungsreframings weiterzuführen, bis eine Möglichkeit gefunden
ist, die gesuchte Zielressource doch weiterzuverwenden. Auf alle Fälle ist eine gesteigerte Aufmerksamkeit des Coachs gefragt, denn hinter der Blockade könnten neurotische oder psychotische Erlebnismuster stehen, die die Hartnäckigkeit der Blockade erklären, eine nicht psychologisch fachlich abgesicherte Vorgehensweise aber nicht weiter empfehlen. Hier empfiehlt es sich eher, die Ressource als
nicht (mehr) nutzbar zu deklarieren und Alternativen zu erforschen.
Wird ein „Past Pace“ durchführbar, soll der Klient, der die Ressource in diese vergangene Problem„Gegenwart“ eingeführt hat, strukturiert für sich die Frage klären, was jetzt anders erlebt werden
kann und wie das Problem anders gelöst werden könnte, wenn es erneut gegenwärtig real wäre. Dabei empfiehlt es sich, den Klienten diese Veränderungsarbeit durch alternierende Wechsel zwischen
assoziiertem (Problem)-Zustand und dissoziiertem (Lösungs)-Zustand durchführen zu lassen. Im assoziierten Zustand ist er fähig, den emotionalen Erlebnisuntergrund seiner bisherigen Blockade aufzuweichen, indem er die alternativ verlaufende Erlebnissituation mit besseren Gefühlen verbinden kann.
16
Mohl: Zauberlehrling, S. 140.
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Im dissoziierten Zustand kann er diese Umwertungsarbeit bewusst mitvollziehen und so reflexiv absichern, ohne zugleich der Gefahr emotionaler Ausbruchsversuche zu unterliegen.
3.2.2 Format 7: Modelling aus der dritten Position, Mentorentechnik
Verfügt der Klient nicht über die Ressource, kann er sich diese durch Übernahme von anderen aneignen. Dazu stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Im Rahmen eines „Modellings aus der
dritten Position“ kann eher ein Klient gut arbeiten, der proaktiv die Gestaltung der eigenen Probleme
angehen kann und Kontrolle ausüben will. Klienten, die sich eher auf Vorbilder oder Leitbilder verlassen und deren „Ratschläge“ anwenden, kommen vermutlich schneller mit der Mentoren-Technik weiter.
3.2.2.1 Format 8: Fast Fobia
Das Fast-Fobia-Format kommt aus der Bewältigung von Phobien, lässt sich aber gleichermaßen für die
Entwicklung von Ressourcen nutzen. Das Selbstmanagement liegt in der situationsbezogenen Entwicklung hilfreicher Ressourcen, der Entspannungseffekt ist mittelbar gegeben in der versuchsweisen Gestaltung von Situationen, die dadurch nicht mehr unbekannt sind.
Klassisch versetzt sich der Klient in eine beängstigende Situation, die er dann etwa wie einen inneren
Film ablaufen lässt. Der Film läuft bis zu einem Zeitpunkt kurz vor dem Durchbrechen der Angstreaktion (point of no return) und wird dort angehalten. In der submodalen Steuerung kann der Klient den
Film jetzt beliebig und beliebig oft vor- und rückwärts ablaufen lassen und bei jedem neuen Durchlauf
Details verändern: Lautstärke, Helligkeit, Größenverhältnisse, Farbigkeit, Tempo, bis das innere Erlebnis an phobischer Intensität verliert oder die Phobie sich auflöst.
Diese Technik kann in das Timeline-Format integriert werden. Die Anwendung speziell dieses Formats
erweist sich als besonders hilfreich, wenn Klienten die klassische Formatarbeit mit Submodalitäten
nicht effektiv durchführen, weil sie sich nicht darauf einlassen (können). Die Hemmschwelle wird
durchaus nachvollziehbar, wenn man sich auch typische Fehleinschätzungen von Stressursachen vor
Augen führt. Für viele Menschen sind die äußeren Anforderungsbedingungen als Stressoren die materialen und objektiven Stressfaktoren: Dass Stress eine innere Reaktion auf diese Stressoren ist, die
zudem durch persönliche Stressverstärker (Glaubenssätze, Werte, Überzeugungen) subjektiv motiviert
wird, ist vielen Menschen nicht klar. Weil ihnen dies nicht klar ist, verkennen sie dann in der Folge
logischerweise auch, dass eben die eigenen Glaubenssätze, Werte und Überzeugungen wie auch ein
klares Bewusstsein der eigenen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Grenzen als persönliche
Stressreduktoren wirken können17. Die innere Stressbefindlichkeit hat für sie vielmehr äußere Ursachen, und wenn das Stressempfinden heftig und belastend ist, muss auch die äußere Ursache ein
entsprechendes Ausmaß haben. Solchen Ursachen dann aber nur durch ein geistig-kreatives Spielen
mit submodalen Wahrnehmungsveränderungen zu begegnen, das kann auf dem Hintergrund solcher
Einstellungen zunächst hinderliche Ressentiments wachrufen.
Auch im Fast-Fobia-Format wird mit der Veränderung von Submodalitäten gearbeitet. Diese Arbeit
wird jedoch erstens eingebettet in ein planvolles Konstruieren von konkreten Situationen im Sinne von
„Szenarien“, wie es vielen vertraut ist, so dass die Submodalitäten-Arbeit psychologisch etwas an vor17
Vgl. dazu Kaluza: Stressbewältigung, S. 12 – 14.
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dergründiger Gewichtigkeit verlieren kann. Außerdem kann dieses Format integriert werden in die
Timeline-Arbeit, die aufgrund der Suche und Übertragung von Ressourcen in Problemsituationen als
aktive Erarbeitung persönlicher Stressreduktoren wahrgenommen wird.
3.2.2.2 Format 9: Integrierte Timeline-Arbeit
Die Timeline des Klienten kann dabei entweder vor dem Fast-Fobia-Format bearbeitet werden oder
schrittweise mit diesem Format gekoppelt. Zunächst wird eine Problemsituation, die der Klient in naher Zukunft bewältigen soll, festgelegt: etwa ein verändertes Führungsverhalten ausprobieren, um
damit Personalgespräche zu führen, oder auch ein entspannterer Umgang mit Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder beruflichen Anforderungen.
Die Timeline wird mittels Bodenanker fixiert und der Klient sucht nach der Identifikation von Ressourcen, die ihm in der künftigen Situation noch fehlen, nach Quellensituationen in seiner Vergangenheit und holt von dort die Ressourcen in die Gegenwart zum Transfer in die zukünftige Situation18.
Wird die Timeline-Arbeit vor dem Fast-Fobia-Format abgeschlossen, so wird der Vorgang der Ressourcesuche und des Ressourcetransfers so oft wiederholt wie nötig. Werden beide Formate integriert,
so wird jede erworbene Ressource im Fast-Fobia-Format auf ihre Situationstauglichkeit getestet und
dann überprüft, ob weitere Ressource-Suchvorgänge notwendig werden.
Wir gehen hier davon aus, dass die Timeline-Arbeit zunächst abgeschlossen wurde und der Klient jetzt
über ein Arsenal brauchbarer Ressourcen verfügt, die er für sein künftiges Verhalten und Handeln nutzen will. Dazu startet er jetzt seinen inneren Film einer solchen Situation, deren Zielsetzungen er
kennt, in die er aber aufgrund seiner konkreten Erfahrungen potentielle Problem- und Konfliktmuster
einbaut, die auftreten können und die so auch erwartbar sind. An beliebigen Stellen und Zeitpunkten
hält er den Film an und integriert in sein Verhalten eine Ressource, die ihm brauchbar erscheint und
die er testen will. Sinnvoll ist es, die Ressourcetests voneinander getrennt durchzuführen und nicht
alle Ressourcen auf einmal zu integrieren, damit der Klient die Wirksamkeit und Effizienz jeder einzelnen Ressource auch tatsächlich erleben kann.
Mit der integrierten Ressource verändert der Klient die künftige Situation und spielt sie durch. Bleiben
Unsicherheiten oder unangemessene Anspannungen, kann er die Wahrnehmung der Situation durch
Veränderung submodaler Muster abwandeln oder – und das wäre hier zu empfehlen, da es um Vertrauenserwerb für neue Ressourcen geht – die gerade integrierte Ressource anders einsetzen oder
gegen eine andere austauschen bzw. um eine weitere ergänzen. Der Gesamtprozess ist bekannt aus
der Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“, in dem die männliche Hauptfigur in jeder Wiederholungssituation ein Detail verändert, bis das gewünschte Ergebnis eintritt. Erscheinen dem Klienten
integrierte Ressourcen sinnvoll und brauchbar, führen aber in diesem tentativen Vorgehen noch nicht
zum gewünschten Resultat, so kann er auch den Verlauf der ganzen Situation ändern und so trainieren, mit Hilfe der neu gewonnenen Verhaltensoptionen ganz andere Situationsabläufe zu strukturieren.
Wenn der Prozess erfolgreich abgeschlossen wird, hat der Klient ein strategisch modelliertes Future
pace erzeugt, an dem er sich orientieren kann.
18
Das Procedere beschreibt G. Peise im Reader „NLP Practitioner Business“, Teil 2: Aufbautraining, S. 35 ff.
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3.2.2.3 Format 10: Mentorentechnik
Dieses Format variiert lediglich die Quellensuche. Es kann sein, dass Klienten sich sicherer fühlen,
wenn sie vertrauten Vorbildern nacheifern können. Die Technik lässt sich zudem dann einsetzen,
wenn ein Klient eine erforderliche Ressource im eigenen Verhaltensrepertoire auf der Timeline nicht
findet. Die hier entscheidenden Punkte formuliert G. Peise: Unterstützende Ressourcen kann der Klient
da suchen, wo er sie findet. „Das können Personen, Film- oder Märchengestalten oder auch Tiere oder
Symbole sein.“19
Verfahrenstechnisch „geht [der Klient] dann in die Mentorposition und assoziiert sich mit diesem. Er
nimmt die typische Körperhaltung an, macht typische Bewegungen usw. Daraufhin wird die Aufmerksamkeit des Mentors auf den Klienten in seiner Problemsituation gelenkt. Er soll wahrnehmen, was der
Klient empfindet, was dieser braucht und was er ihm geben könne. Sobald der Mentor etwas gefunden hat, wird dies mit einer Botschaft an den Klienten in der Problemsituation kommuniziert. Der Mentor beobachtet die Wirkung seiner Botschaft am Klienten.“20
Die integrative Leistung, quasi das Austesten der gewonnenen Mentorenressource im situativen Feld
kann der Klient wiederum selbst arrangieren. Er hat jetzt bildhaft gesprochen die Hosen eines Mentors
an, kann aber immer noch entscheiden, ob er sie mit Gürtel trägt oder die Hosensäume aufschlägt.
3.2.3
Format 11: „Trittbrett“-Format für Entspannung
Egal durch welche Faktoren sich in die Situationen Stresserlebnisse mischen: In der Regel wirken hier
Reiz-Reaktion-Ketten, in denen äußere Anker als Stressoren fungieren und das innere Stressgefühl
auslösen. Wieso welche Reize diese Wirkungen haben, wird sich in vielen Fällen kaum vollständig erschließen lassen, weil vielfältige und womöglich komplex strukturierte Umweltbedingungen hier ebenso eine Rolle spielen wie Schlüsselerfahrungen, Erziehungsmuster, Glaubenssätze und Werte des
Klienten.
Hinzu kommt aber noch ein anderer Punkt: Sicherlich lassen sich Entspannungstechniken trainieren
und als Schutzverhalten gegen Stressreize entwickeln. Wenn aber Umweltreize als Stressauslöser
wirksam werden und der Betroffene nicht sofort bewusst Entspannungsverhalten als Gegenkonzept
dazu praktiziert, wird er von der nächsten Stresslawine einfach wieder überrollt. Sinnvoll ist es daher,
typische Stressreize ausfindig zu machen und diese im Rahmen eines Trainingsformats zu verändern
zu Entspannung auslösenden Ankern. Tritt also der Stressor auf, wird Entspannung die unbewusste
Reaktion, die eintrainiert wurde: Die Stressempfindung wird zum „Trittbrett“, auf dem der Betroffene
mitfährt und die Entspannungsreaktion auslöst.
Zunächst soll der Klient im Rahmen einer kurzen Fantasiereise Entspannung erleben. Diese einleitende
Übung dient vorrangig dazu, ein erhöhtes Stresslevel abzubauen, damit die Folgeschritte effektiv erlernt werden können. Deshalb erfolgt nach einer kurzen Pause eine zweite Fantasiereise, diesmal gekoppelt mit einer Tranceinduktion, bei der der Klient im Zustand der Entspannung durch verschiedene
Körperpartien geleitet wird und kinästhetisch den Zustand von Entspannung signifikant „am eigenen
Leibe“ spüren soll. Ziel ist es, sich solche signifikanten Wahrnehmungen zu merken, damit diese spä-
19
20
Peise: Practitionertraining II, S. 57
Peise a.a.O.
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Selbstmanagement im beruflichen Alltag
(NLP – Masterarbeit von Dr. Guido Schneider)
ter als Anker genutzt werden können. Diese kinästhetischen Anker sollen mit den Stressreizen
verkoppelt werden.
Anker sind als Reiz-Reaktion-Muster klar besetzt; werden verschiedene (eventuell sogar entgegengesetzte) Reize mit einer Reaktion verkoppelt oder umgekehrt ein Reiz zur Auslösung unterschiedlicher Reaktionen trainiert, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der Anker sich abschwächt oder sogar
vollständig seine Wirkung verliert (kollabiert). Da im laufenden Format aber jetzt Anker als persönliche
Stressverstärker und als persönliche Stressreduktoren miteinander in Zusammenhang gebracht werden sollen, muss die Gefahr kollabierender Anker vermieden werden. Aus diesem Grund werden im
nächsten Schritt visuelle und auditive Anker aus der alltäglichen Umgebung des Klienten als Stressoren gesucht und besonders solche, die sich in dessen Feld der Überzeugungen, Werte und Glaubenssätze unmittelbar mit Stressauslösern verkoppeln. Wir suchen also die „roten Tücher“ für den Stier. Es
werden ganz bewusst visuelle und auditive Anker gesucht, weil diese Stress auslösenden Anker so
qualitativ besser von den kinästhetischen als Stress reduzierende Anker getrennt werden können.
Arbeitstechnisch gibt es verschiedene Möglichkeiten: Gespräch mit dem Klienten über stressige Alltagssituationen mit regelmäßigen Erlebnismustern, Assoziieren mit Alltagserfahrungen mittels VAKOG
usw. Entscheidend ist, dass der Klient am Ende auflisten kann, welche visuellen und auditiven Anker
solche Situationen bereithalten, auf die er dann mit Stress reagiert.
Im nächsten Schritt müssen die verschiedenen Anker jetzt sequentiell verkoppelt werden. Der innere
Lernprozess ist das Erfahren eines Ablaufmusters: Situation – visuelle und auditive Anker zur Stressauslösung – Wahrnehmung der Stressreaktion – Auslösung der kinästhetischen Entspannungsanker –
Entspannung. Die Brückenbildung zwischen den Ankertypen muss eingeübt werden. Gelingt sie, kann
sogar die Stressreaktion selbst vermieden oder mindestens eingeschränkt werden, weil nicht die
Stressreaktion selbst, sondern schon der vorgelagerte visuelle oder auditive Anker die Entspannung
auslöst. Die Übung erfolgt daher durch die assoziierte Wahrnehmung einer gewöhnlich Stress auslösenden Situation oder Handlung mit besonderer Vergegenwärtigung der entscheidenden visuellen
und auditiven Anker: besondere Stimmen, besonderer Klang, bestimmte Personen usw. Sind diese
Wahrnehmungen bewusst präsent, wird der kinästhetische Anker damit verkoppelt, indem der Klient
jetzt ganz im Sinne eines Biofeedbacks signifikante Körpererfahrungen im Zustand der Entspannung
erinnert und abruft. Mit dem Abruf soll er sich zugleich vollständig in die erinnerte Entspannung hineinfallen lassen. Diese Prozessfolge muss sicherlich oft eingeübt werden, um automatisiert werden zu
können. Die Automatisierung der Reaktionsfolgen ist unerlässlich, da die eingebettete Stressempfindung, falls sie tatsächlich mit ausgelöst wird, bewusste Verhaltensleistungen massiv einschränken
kann. Unter Stress zeigen sich vorrangig solche Verhalten, die vorher am besten eingeübt, d.h. automatisiert wurden. Bei genügender Übung ist das die Stress reduzierende Wirkung der Ankersequenz.
© Dr. Guido Schneider
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Selbstmanagement im beruflichen Alltag
(NLP – Masterarbeit von Dr. Guido Schneider)
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© Dr. Guido Schneider
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