Chemisch vs. Natürlich ENTWURMEN

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Chemisch vs. Natürlich ENTWURMEN
Chemisch vs. Natürlich
ENTWURMEN
(Von Dr. Frauke Garbers, Biologin)
Bis heute macht man die Pferdhalter geradezu verrückt wegen der angeblichen Gefahren
durch Würmer und nutzt die daraus entstehende Panik, sie zum regelmäßigen Einsatz
chemischer Wurmkuren zu verpflichten.
Chemische Entwurmungsmittel sind Medikamente, die verschreibungspflichtig sind
und deshalb nur vom Tierarzt abgegeben werden dürfen. Medikamente sind sie, weil sie
erhebliche Nebenwirkungen haben können. Der Einsatz von Medikamenten ist
grundsätzlich nur erlaubt, wenn zuvor eine Diagnose gestellt wurde. Das gilt z.B. auch
für Antibiotika, die nur nach einer genauen Bestimmung der Erreger eingesetzt werden
dürfen.
Diagnose bzgl. Würmer bedeutet: Es ist eine Kotuntersuchung erforderlich und die
Anzahl der Wurmeiner pro Gramm Kot muss gezählt werden. Erst dann, wenn die
Belastung größer ist als 200 bis 250 Eier pro Gramm Kot, sollte chemisch entwurmt
werden.
Viel besser ist es, durch Kräuter das Milieu im Darm so zu verändern und
gleichzeitig die Immunabwehr zu stärken, dass sich aufgenommene Larven im
Darm gar nicht erst zu Würmern entwickeln können und Würmer sich so unwohl
fühlen, dass sie mit dem Kot abgehen.
Man hat den Pferdehalterinnen eingeredet, es gäbe eine Zwangsläufigkeit der
Verwurmung, wenn auch nur ein Pferd der Herde mit Würmern belastet sei. Nun gibt
es wahrscheinlich kein Pferd, das nicht einige Würmer beherbergt. Daraus wurde dann
die Pflicht abgeleitet, alle Pferde mehrmals im Jahr zu entwurmen. Ein phantastisches
Geschäftskonzept, meist auch noch damit gerechtfertigt, die Wurmkuren seien völlig
ungefährlich. Viele von Ihnen wissen es besser.
Man muss sich auch mal fragen, wie die Pferde in früheren Jahrhunderten mit Würmern
zurechtgekommen sind. Es gab zigmal mehr Pferde als heute. Auf jeder Straße lag der
Kot und die Möglichkeit, sich mit Larven zu infizieren, war extrem hoch. Und was haben
die Menschen damals gemach? Sie haben ihre Pferde artgerecht gefüttert. Auf Wiesen
und an Rainen wuchsen viele Kräuter, die den Organismus stärkten und vor einer
starken Verwurmung schützten.
Klassischer Entwurmungsplan für Pferde:
Erwachsene Pferde prophylaktisch 4 Mal im Jahr, bei schlechter Hygiene oder Ställen
mit häufigem Pferdewechsel 5 Mal im Jahr. Fohlen werden bei Befall mit dem
Zwergfadenwurm (Strongylide) in der 2. Lebenswoche entwurmt, im weiteren Verlauf
14-tägig bis zur 8. Lebenswoche. Bei Spulwurmbefall (Ascariden) beginnt die
Behandlung im Alter von 1,5 bis 2 Monaten und wird in eben diesen Intervallen bis zum
Absetzen fortgeführt. Stuten sollten am Tag des Abfohlens eine Ivermectin-Wurmkur
erhalten zwecks Reduktion der Larven in der Stutenmilch.
Diese Entwurmungsmaßnahmen lassen Angst und Unsicherheit durchblicken,
unreflektiertes Handeln und mangelndes Vertrauen in die naturgegebenen Fähigkeiten
des Körpers zur Selbstregulation. Geschwächte Abwehrkräfte führen erfahrungsgemäß
zu stärkerem Wurmbefall, etwa bei kranken oder schwachen Tieren, Tieren in
schlechter Haltung oder in kritischen Lebensphasen (Trennung von der Mutter).
Konsequenterweise sollte das Immunsystem gestärkt werden. Der Darm muss saniert
und aufgebaut werden! Stattdessen geschieht das Gegenteil – häufigere Entwurmungen,
höhere Dosen. Die Darmflora des Tieres wird mit jeder chemischen Wurmkur genauso
wie mit einem Antibiotikum zerstört! Die Lebensgemeinschaft der Mikroorganismen
muss anschließend regeneriert werden. Wer weiß das, macht sich diese Mühe und
handelt danach? Die wenigsten Tierärzte klären hier auf … Wahrscheinlich wissen sie es
nicht, haben sich über das Thema Koevolution keine Gedanken gemacht.
Ein
instabiler
Darm
schwächt
das
Abwehrsystem.
Allergien
und
Autoimmunerkrankungen werden unter Umständen Tür und Tor geöffnet. Von
kerniger Gesundheit der Pferde, Hunde und Katzen ist heutzutage ja keine Rede mehr.
Die Zahl kränkelnder Tiere hat enorm zugenommen – in Relation zum intensiven
Einsatz von Impfungen, Antibiotika, Antimycotica, Anthelminthika (Wurmmittel) und
nicht artgerechten Futtermitteln.
Mittlerweile werden viele Tierhalterinnen vorsichtiger in Bezug auf Wurmkurgaben –
auch die Besorgnis wegen Resistenzen wächst. Es wird geraten, jährlich das
Wurmmittel zu wechseln, oder von Gabe zu Gabe. Darin spiegelt sich die ganze
Hilflosigkeit wider.
Resistenzen
Der häufige Einsatz von Wurmmedikamenten ist Ursache für das Auftreten von
Resistenzen, ebenso der oftmals wahllose Einsatz der Entwurmungsmittel. Auch die
nicht korrekt dem Körpergewicht angepasste Dosierung des Anthelminthikums führt zu
Resistenzen (Unterdosierung durch falsche Gewichtsschätzung). Ende der 1980er Jahre
wurden Empfehlungen ausgesprochen, so wenig wie möglich mit Wurmmedikamenten
zu behandeln – um die Resistenzentwicklung zu bremsen.
Bereits vor 50 Jahren (!) war die Resistenz von Würmern gegenüber Thiabendazol
bekannt. Seitdem besteht eine weltweit verbreitete Resistenzentwicklung gegenüber
Benzimidazolen, die ursprünglich gegen kleine Strongyliden (Blutwürmer) wirkten.
Diese Resistenz gilt für mindestens 13 Arten der kleinen Strongyliden. Schon Ende der
1980er Jahre wurden Mehrfachresistenzen der kleinen Strongyliden vermutet, z. B.
gegen Pyrantel (Wirkstoff in Banminth). Vor 20 Jahren hatte man bereits Kenntnis von
Ivermectin-resistenten Strongyliden bei kleinen Wiederkäuern (Schafe, Ziegen) mit der
Befürchtung der Resistenzentwicklung auch bei Pferden! „Das Moxidectin, das …
zunächst noch erfolgreich gegen die Ivermectin-resistenten Stämme der
Schafnematoden eingesetzt wurde, verliert jedoch durch Entwicklung von
Seitenresistenzen dort immer mehr seine Wirksamkeit…“ ( http://www.diss.fuberlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000000508/0_schu
mann.pdf?hosts ). Moxidectin (ein Milbemycin) gehört mit Avermectinen (z. B.
Ivermectin) zur Gruppe der makrozyklischen Laktone. Moxidectin und Ivermectin
weisen sehr enge biochemische Verwandtschaft mit gleichen biologischen
Eigenschaften auf.
10 bis 15 Jahre später: Auch bei Pferden wird von Resistenzen der Spulwürmer gegen
Ivermectin berichtet. Dem Voranschreiten der Resistenzentwicklungen kann man
offenbar zusehen …
Gängige Entwurmungsmittel sind z. B. Panacur (Fenbendazol-, also Benzimidazolhaltig), Banminth (Pyrantel-haltig), Equimax (Ivermectin-haltig), Equest (Moxidectinhaltig). Hinsichtlich der Resistenzentwicklung ist offensichtlich nichts gelernt worden.
Im Gegenteil – man weiß um die Resistenzen und verabreicht die Mittel weiterhin. Da
werden dann eben die Dosis erhöht und die Frequenz verkürzt. Beispiel Equest,
Kombipräparat Praziquantel mit Moxidectin: Vor ca. 20 Jahren lag die Empfehlung von
Praziquantel (Mittel gegen Bandwürmer) bei 0,5 bis 1 mg/kg Körpergewicht. Heutige
Präparate enthalten Konzentrationen von 2,5 mg/kg Körpergewicht, mal eben das 2,5
bis 5-fache!
Die Wirkung sinkt, die Nebenwirkungen steigen mit der Menge und der Häufigkeit des
Einsatzes.
Toxizität der Anthelminthika
Die "Nebenwirkungen" können sein: Durchfall, vermehrter Speichelfluss, erschwerte
Atmung, Ataxie, Tod.
Beispiel Avermectine: Dazu zählen die Ivermectine und Milbemycine. Ihre
Wirkungsweise gegen Fadenwürmer beruht auf der Aktivierung von GABA (GammaAmino-Buttersäure). Dieser Neurotransmitter spielt eine zentrale Rolle als Rezeptor im
ZNS (Zentralnervensystem) der Säugetiere und ist u. a. an der motorischen Kontrolle
des Kleinhirns beteiligt. Bei Nematoden (Fadenwürmern) findet sich GABA in
neuronalen und neuromuskulären Synapsen (Ort der Erregungsübertragung von
Nervenzellen auf andere Zellen). GABA leitet die irreversible Öffnung der ChloridKanäle in den Muskelmembranen ein: Die Weiterleitung von Nervenreizen ist
unterbrochen, der Wurm wird gelähmt, getötet und durch das Wirtstier ausgetrieben.
Toxisch wirken Avermectine auf den entwurmten Wirt, wenn sie die Blut-HirnSchranke überwinden und sich möglicherweise im ZNS anreichern. Hierzu finden sich
in der Literatur widersprüchliche Aussagen:
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„Zudem ist die intakte Blut-Hirn-Schranke bei Vertebraten (Wirbeltieren,
Anmerk. d. Verf.) kaum permeabel für Avermectine, es kommt aber trotzdem
auch an Neuronen des Gehirns von Säugetieren zu einer Verstärkung GABAerger Prozesse…“, so eine Dissertation der Universität München aus dem Jahre
2011(http://edoc.ub.uni-muenchen.de/13502/1/Schnerr_Cornelia_U.pdf).
„Da GABA auch im Gehirn von Säugern vorkommt, wird die Bindung an GABARezeptoren auch als Ursache für die toxischen Wirkungen der Avermectine
angesehen…“
(http://borna-borrelioseherpes.de/allgemein/wurmkurenwirkstoffe.htm).
„Avermectine sind lipophile (Fett liebende) Verbindungen, deshalb „können
Avermectine durch die Membranen jeder intakten Blut-Hirn-Schranke
diffundieren.“
(http://www.vetpharm.uzh.ch/reloader.htm?clinitox/toxdb/SWN_022.htm?clin
itox/swn/toxiswn.htm) - Zellmembranen bestehen großteils aus Fettmolekülen!
Gänzlich unbekannt kann den Produzenten, Tierärzten und Behörden die Toxizität der
Entwurmungsmittel nicht sein: Das Ausbringen entsprechend belasteten Pferdekots
bzw. der direkte Eintrag durch das Pferd ist in Wasserschutzgebieten gesetzlich
verboten! Avermectine und Moxidectine vergiften Fische und im Wasser lebende
Organismen. Sorgt man sich vielleicht auch um die Grundwasserqualität?
Alternative Entwurmungsmöglichkeiten
Wie konnten Wildpferde über Jahrtausende ein Gleichgewicht mit „ihren“ Würmern
herstellen? Die Wildpferde bekamen jedenfalls keine vierteljährliche Wurmkur. Auch
die Dülmener Pferde nicht!
Exkurs: Selektive Entwurmung
Statt prophylaktischer Wurmkuren gezielte, regelmäßige Kotprobenuntersuchungen:
Auf diese Weise kann der Resistenzdruck deutlich reduziert werden. Erst bei EpGWerten (Eier pro Gramm Kot) von ca. 200 -250 wird von stärkerer Wurmbelastung des
Tieres ausgegangen. In der Literatur sind allerdings auch Grenzwerte bis 300 EpG
angegeben. „Der EpG sollte so hoch liegen, dass bei diesem Wert die Infektion noch zur
Ausbildung einer Immunität führt, aber so gering, dass das Risiko einer Erkrankung und
die Umgebungskontamination gering gehalten werden (Uhlinger, 1993).“
(http://www.diss.fuberlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000006478/diss_hin
ney.pdf?hosts=).
Also – sich nicht an ein paar Eiern festklammern, sondern Gelassenheit üben und nicht
auf pauschale Diagnosen ohne Auszählen der Eier reagieren.
In den Ländern Dänemark, Schweden, Finnland, Holland und Italien ist der
prophylaktische Einsatz von Entwurmungsmitteln verboten. Hier gilt die
Verpflichtung, vor jeder chemischen Wurmkur den Nachweis zu erbringen, dass
Wurmbefall vorliegt.
Die Natur bietet vielfältige Möglichkeiten, Würmer im Darm in die Flucht zu schlagen.
Bis vor wenigen Jahrzehnten entwurmte man Pferde, Hunde und Katzen auf „natürliche“
Weise. Chemische Entwurmungsmittel gab es nicht. Hunden und Katzen fütterte man
Fellstücke. Denn alles, was kratzt, mögen Würmer nicht (Haare, Hagebuttenkerne,
Kokosraspel, Kürbiskerne, Walnussblätter). An Pferde verfütterte man Pflanzen mit
wurmtreibender Wirkung, z. B. Meerrettich oder Rainfarn. Auch 2%-ige Propolis
(Bienen-Kittharz)-Suspension über mehrere Tage verabreicht soll erfolgreich gegen
Würmer wirken.
Voraussetzung für ein dauerhaft wurmabschreckendes Darmmilieu ist die Stabilisierung
der Darmschleimhaut, z. B. durch Zufüttern von Kräutern, insbesondere Bitterkräutern.
Das stärkt die Abwehrkräfte der Pferde, Hunde und Katzen – Endoparasiten fühlen sich
unwohl in dieser Umgebung und wandern ab. Die heutzutage einseitige Fütterung
erfordert die Ergänzung mit Kräutern.
Man sieht: Strategien zur sinnvollen Wurmbekämpfung gibt es, verlässliche und
praktikable. Man muss nur wollen…
Quelle und Originaltexte:
Von Dr. Frauke Garbers, Biologin
http://www.artgerecht-tier.de/kategorie/hunde/beitrag/kokosoel-und-parasiten.html
http://www.artgerecht-tier.de/kategorie/hunde/beitrag/hier-ist-der-wurm-drin.html