Spanien ist nicht Griechenland!

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Spanien ist nicht Griechenland!
Valartis Bank (Liechtenstein) AG
„Spanien ist nicht Griechenland!“
Elena Salgado (ehemalige spanische Finanzministerin), Februar 2010
Europas Schuldenkrise,
ein Schrecken ohne Ende?
Griechenland erhielt seit Ausbruch der Krise zwei
Rettungspakete mit insgesamt über EUR 300
Mrd. Volumen. Darüber hinaus erwarb die Europäische Zentralbank hellenische Staatsanleihen
und ausländische Gläubiger verzichteten im März
des heurigen Jahres noch auf über EUR 100 Mrd.
an Schulden. Diese kostspielige Strategie wird
jedoch nur dann einen Erfolg nach sich ziehen,
wenn die politischen Parteien in Athen ihren Poker beenden und das Land endlich in eine zukunftsweisende Richtung führen. Zwei Wahlgänge
innerhalb der letzten Wochen lassen hier aber das
Schlimmste befürchten.
In der Zwischenzeit legte Europa eine zweite verletzliche Flanke offen. Der iberische Bankensektor
drohte zu kollabieren und wurde deshalb vom neu
gegründeten Eurorettungsfonds mit bis zu EUR
100 Mrd. alimentiert. Der Zuschuss erhöhte die
bereits stark gestiegenen Staatsschulden Spaniens. Die Rekapitalisierung der insolventen Banken führte zu einer gefährlichen Vermischung von
Staat und Finanzindustrie. Die Banken werden
wohl ihren Anreiz verlieren, ihre Immobilienportfolios aufzuräumen und die Politiker sich davor hüten, gegenüber dem Rest Europas die Schwächen der eigenen Finanzindustrie zu offenbaren.
Euroland in Rezession
Die Auswirkungen der europäischen Schuldenkrise auf die Realwirtschaft sind inzwischen unübersehbar. Nach einem äusserst trüben Mai wiesen
die Einkaufsmanagerindizes im Euroraum auch im
Juni auf eine deutlich schrumpfende Konjunktur
hin. Damit reduziert sich das Wirtschaftswachstum das zweite Quartal in Folge, die Voraussetzungen für eine technische Rezession sind somit
erfüllt. Doch nicht genug. Eine nähere Betrachtung sämtlicher konjunktureller Indikatoren lässt
darauf schliessen, dass auch im dritten Quartal
rote Zahlen geschrieben werden müssen. Der
Grund dafür ist, dass inzwischen auch der letzte
grosse Konjunkturmotor ins Stottern geriet:
Deutschland. Befand sich die Stimmung der dort
ansässigen Industrie bereits in einem klar rezessiven Bereich, fiel das Sentiment im Dienstleistungssektor zuletzt so stark wie noch nie seit Erhebung der Daten vor fünfzehn Jahren.
Auch aus den USA trafen durchwachsene Konjunkturdaten ein, wie unter anderem der viel beachtete Index der Notenbank von Philadelphia
belegte. Neben dem als guten Indikator für den
gesamten Staat geltenden Philly-Fed-Index waren
auch die zuletzt publizierten Zahlen aus dem Arbeitsmarkt alles andere als erfreulich. Selbst im
erfolgsverwöhnten China kam es zu einem empfindlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Als
Gradmesser für den Zustand der Weltwirtschaft
gelten vor allem die Nachfrage nach Rohstoffen
wie Öl und Kupfer. Der im zweiten Quartal verstärkt zu beobachtende Preisrückgang sendete in
diesem Zusammenhang ein beunruhigendes Signal aus. Die Notierung für Öl sank seit März um
rund 30%, Kupfer reduzierte sich um 15%.
Börsen auf Schaukelkurs
Die Börsenentwicklung der letzten beiden Jahre
scheint sich auch heuer zu wiederholen. Nach
erfreulichen Avancen in den ersten Monaten brachen die Kurse regelmässig im Frühjahr oder
Sommer ein, um sich danach wieder auf ein ansprechendes Niveau zu erholen. Auch heute
herrscht nur wenig Optimismus vor. Von Panik zu
sprechen wäre jedoch verfehlt. Im internationalen
Vergleich zeigte sich einmal mehr die Wall Street
als robustester Aktienmarkt weltweit. Ebenfalls
das Niveau halten konnte der Hang Seng-Index in
Hong Kong, der zuletzt besonders von der Phantasie der Anleger profitierte, dass die Regierung
Chinas angesichts der tiefen Inflationsrate noch
über genügend Instrumente verfügt, um die heimische Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.
Wenig überraschend ist hingegen das schwache
Abschneiden der europäischen Aktienmärkte.
Selbst der deutsche Leitindex DAX wurde in Sippenhaft genommen und verlor deutlich. In den
Sog der europäischen Schuldenkrise gerieten
Valartis Bank (Liechtenstein) AG
auch die Börsen in Osteuropa, während die deutliche Korrektur in Lateinamerika angesichts der
schwachen Weltkonjunktur vor allem der besonders darunter leidenden brasilianischen Ökonomie
zuzuschreiben war.
Im Rentenbereich war ein erneutes Auseinanderdriften der Zinsunterschiede zwischen den topgerateten Ländern des Euroraums wie Deutschland
und der Niederlande sowie den angeschlagenen
Peripheriestaaten Spanien und Italien zu beobachten. Darüber hinaus konnten die so genannten Semikernländer wie Österreich und Frankreich
ihre Zinsdifferenzen zu deutschen Staatsanleihen
im Berichtszeitraum wieder etwas reduzieren, was
von Marktbeobachtern als erster vom Markt eingepreister Schritt in Richtung Fiskalunion interpretiert wurde. Darüber hinaus war man als Investor
gut bedacht, sein Anleihenportfolio auch mit
Fremdwährungen zu bestücken, wenn man sich
vor allem auf die grossen und liquiden Währungen
wie den US-Dollar, das Britische Pfund oder den
Japanischen Yen konzentrierte.
andernorts aus populistischen Gründen beispielsweise das Rentenalter reduzieren will. Wenn
kollektiv gehaftet werden soll, dann muss es auch
eine einheitliche politische Basis geben. Dazu
zählt unter anderem auch eine gemeinsame Ausgaben- und Einnahmenpolitik. Erst wenn die einzelnen Staaten ihre fiskalische Souveränität abgeben, wird sich Kerneuropa für solche Anleihen
mit einer gemeinschaftlichen Haftung hergeben
oder die Idee des Sachverständigenrats eines
Schuldentilgungsfonds aufnehmen.
Im Gegensatz zum reinen Eurobond würde dabei
nicht nur ein fester Konsolidierungspfad für die
Staatsfinanzen vorgeschrieben, sondern als Gegenleistung für eine gemeinsame Haftung auch
erstmals ein Element der Fiskalunion eingeführt –
die Abgabe der Verfügungsgewalt über einen Teil
der nationalen Steuern. Hinzu käme eine vertragliche Verpflichtung zum Schuldenabbau sowie die
Verpfändung der Gold- und Devisenreserven. Das
wäre glaubwürdig.
Rückkehr der Aktienkultur?
Europas Weg in eine Fiskalunion
Mit der Wahl von François Hollande zum neuen
Präsidenten Frankreichs erhielten die Stimmen,
die der puren, vor allem von Deutschland geforderten Austeritätspolitik eine Absage erteilten,
zusätzlich an Gewicht. Mit einer ausschliesslichen
Fokussierung auf die Fiskalseite bleibt den schlingernden Volkswirtschaften Europas ein tragfähiges Wirtschaftswachstum auf Jahre hinaus versagt. Ohne eine Volkswirtschaft, in der die Menschen Arbeit finden, ist keine nachhaltige Sanierung möglich. Nur wenn die Bevölkerung Einkommen erarbeitet, das der Staat direkt über den
Lohn und indirekt beim Konsum besteuern kann,
kann sich die Lage bessern.
Die Experten sind sich jedoch einig, dass die Zeit
der Politik für Versuch und Irrtum vorbei ist. Ein
Zinsniveau von über 7% für Spanien bringt das
Land an den Rand des Ruins und gefährdet
ernsthaft den gesamten Währungsraum. Eine
Einführung der viel zitierten Eurobonds macht
natürlich keinen Sinn, wenn eine politische Partei
Selten war das Navigieren an den internationalen
Kapitalmärkten so herausfordernd wie heute.
Vermeintlich sicheren Anlagen droht bei einer
Rückkehr von Inflation und Wachstum ein Verlust
durch steigende Zinsen. Solange die Zentralbanken aber die gesamte Zinskurve prägen, kann
man als Anleger weiter daran verdienen. Andererseits skizzierte die renommierte „Financial Times“
bereits das Ende der Aktienkultur, das ein Jahrzehnt ohne Ertrag und mit hoher Volatilität herbeigeführt hatte. Zwei grosse Crashs seit 2000 haben das Vertrauen der Investoren in diese Anlageklasse erheblich erschüttert. Die Stimmungslage gleicht damit jener Ende der Siebzigerjahre,
als die internationalen Aktienmärkte ebenfalls
nicht vom Fleck kamen. „The Death of Equities“
titelte damals das Magazin Business Week und
beschrieb nach einer langen Verlustphase des
amerikanischen Aktienmarkts die ernsthafte Besorgnis bezüglich der trüben Aussichten der USWirtschaft. Kurz danach stiegen die Volumen an
den Börsen deutlich an und es folgte die langjährige Hausse der Achtziger- und Neunzigerjahre.