Altbewährte Strukturen der Pfandbriefe im Wandel

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Altbewährte Strukturen der Pfandbriefe im Wandel
B˛rsen-Zeitung
Zeitung fˇr die Finanzmärkte
Ausgabe
197 vom 15.10.2015, Seite 2
GASTBEITRAG
Altbewährte Strukturen der
Pfandbriefe im Wandel
B˛rsen-Zeitung, 15.10.2015
Fˇr Emittenten von Pfandbriefen
und Investoren gewinnt die angestrebte Harmonisierung der Rechtsrahmen in Europa zunehmend an
Bedeutung. Ziel ist es, einen europäischen Covered-Bond-Standard zu
etablieren, welcher eine bessere Vergleichbarkeit und h˛here Transparenz erm˛glicht. Neben der angestrebten Harmonisierung sorgten
Covered Bonds jˇngst vor allem
durch die regulatorische Privilegierung (Liquidity Coverage Ratio, bevorzugte Behandlung unter Solvency II und Basel III) fˇr Schlagzeilen.
Zudem sind sie explizit von der Bailin-Regelung ausgenommen. Diese
Entwicklungen in Kombination mit
dem Anleihenkaufprogramm der
Europäischen Zentralbank fˇhrten
zu teilweise rekordtiefen Risikoaufschlägen bei Pfandbriefen.
Mit zunehmendem Fokus der Ratingagenturen auf das Liquiditätsrisiko und damit das Refinanzierungsrisiko etablierten sich gleichzeitig
Soft-Bullet- und Conditional-PassThrough-(CPT)-Strukturen schleichend im Markt. Unter anderem
wandelten zahlreiche Emittenten ihre Hard-Bullet- in Soft-Bullet-Strukturen um. Diese Anpassungen der
Anleihenprospekte finden immer
unter Einbezug der Investoren statt.
Bei einem Soft Bullet Covered
Bond kann im Falle eines Konkurses
des Emittenten die Maturität der Anleihe um ˇblicherweise sechs bis 18
Monate aufgeschoben werden, falls
die Cash-flows aus dem Deckungsstock nicht ausreichen sollten, um
die Gläubiger zu befriedigen. Bei einem CPT Covered Bond kann das
Aufschieben der Maturität mehrfach
wiederholt werden. Dieses Aufschieben der Maturität soll das Fire-SaleRisiko des Deckungsstockes reduzieren und damit eine vollständige
Rˇckzahlung der Verbindlichkeiten
erleichtern.
Rechtsrahmen ˇberarbeiten
Unterdessen sind auch Länder wie
Deutschland, Spanien und Österreich, welche bis dato an den altbewährten
Hard-Bullet-Strukturen
festgehalten haben, dazu bereit, ihren Rechtsrahmen (Legal Framework) zu ˇberarbeiten und entsprechende Anpassungen vorzunehmen.
Zum Beispiel k˛nnten in Deutschland nach einer m˛glichen AnpasID: 2015197009
sung des Legal Framework in Zukunft Soft-Bullet-Strukturen erlaubt
sein. Eine rˇckwirkende Umstellung
von Hard- auf Soft-Bullet-Strukturen dˇrfte aus heutiger Sicht jedoch
nur schwierig zu bewerkstelligen
sein.
Bei einem Ausfall des Emittenten
wird dabei anhand eines Amortisationstests die Cash-flow-Struktur des
Programms untersucht. Falls dieser
Test auf eine Lˇcke hinweist, werden
alle Covered Bonds automatisch einer Pass-Through-Struktur unterworfen und entsprechend den Cashflows aus dem Deckungsstock amortisiert – wie bei Mortgage Backed Securities (MBS, durch Hypotheken
gesicherte Wertpapiere).
Bei kˇrzer laufenden Anleihen
wird es dadurch vermutlich auf eine
verspätete Rˇckzahlung, bei länger
laufenden Anleihen auf eine verfrˇhte Rˇckzahlung hinauslaufen
(Pro-rata-Amortisierung). Alternativ kann wie bei einem normalen
Pfandbrief mit der Verwertung oder
einer Brˇckenfinanzierung die Liquiditätslˇcke geschlossen werden.
Attraktive Alternative
Insbesondere in Staaten wie den
Niederlanden und Italien mit einer
großen Diskrepanz zwischen dem
Laufzeitenprofil der ausstehenden
Anleihen und dem Deckungsstock
sind CPT-Pfandbriefe eine attraktive
Alternative, da so das Liquiditätsrisiko reduziert und die Anforderungen
der Ratingagenturen an ein h˛heres
Rating gesenkt werden k˛nnen
(Überdeckung und Liquiditätspuffer).
Häufig besteht zwischen der Laufzeitenstruktur von Covered Bonds
und dem Deckungsstock ein zeitliches Missverhältnis, was im Falle eines Konkurses des Emittenten dazu
fˇhren kann, dass die Cash-flows
des Deckungsstocks nach dem Zeitpunkt, zu dem die Anleihen zu bedienen sind, anfallen. Die vorhandene Überdeckung und ein Liquiditätspuffer (normalerweise fˇr mindestens sechs Monate) sollen dabei
als Sicherheit fˇr solch eine Lˇcke
dienen.
Fire Sales drohen
Bei Hard Bullet Covered Bonds kann
zudem eine Brˇckenfinanzierung
oder ein Teilverkauf des Deckungs-
stockes helfen, die ben˛tigte Liquidität aufzutreiben. Die Refinanzierung
mˇsste jedoch in einem tendenziell
gestressten Marktumfeld stattfinden, was im Falle einer Verwertung
eine tiefe Recovery Rate impliziert.
Dieses sogenannte Fire-Sale-Risiko
respektive Refinanzierungsrisiko ist
ein Nachteil von Hard Bullet Covered Bonds.
Bei Soft Bullet oder CPT Covered
Bonds wird die Lˇcke durch eine Option fˇr eine Laufzeitverlängerung
der Anleihen ausgeglichen und dadurch zeitlich verschoben. Das
Hauptziel dieser Strukturen ist es,
dem Sachwalter ein angemessenes
Zeitfenster zur Verwertung des Dekkungsstockes zuzugestehen und damit das Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiko zu reduzieren.
Fˇr die neuen Strukturen spricht,
dass das Risiko der zeitlichen Nachrangigkeit reduziert wird. Fˇr den
Investor ist es jedoch unter Umständen ein großer Nachteil, wenn die
Anleihe nicht zum gewˇnschten
Zeitpunkt zurˇckbezahlt wird.
Die Ratingagenturen argumentieren, dass die Anpassung an Soft-Bullet- respektive Pass-Through-Strukturen im Sinne der Investoren sei.
Die Agenturen nutzen das tiefere Liquiditätsrisiko jedoch dazu, um von
den Emittenten tiefere Überdeckungen zu fordern, und gleichzeitig als
Argument fˇr h˛here Ratings – ein
Beispiel dafˇr ist die Monte dei Paschi, welche durch die neue Struktur
(CPT anstelle Soft Bullet) ein um vier
Notches h˛heres Rating erhielt. Die
Investoren mˇssen sich jedoch bewusst sein, dass das Liquiditätsrisiko
lediglich durch ein Aufschubrisiko
ersetzt wurde und somit dieses auf
den Investoren ˇbergeht.
Anleger wollen Planbarkeit
Aufgrund des Asset Liability Matching spielt fˇr gewisse Investoren
wie Versicherungen und Pensionskassen die zeitliche Planbarkeit der
Cash-flows jedoch eine entscheidende Rolle. Zudem dˇrfte nicht jeder
Investor befähigt sein, ABS-Strukturen in den Bˇchern zu halten, was
im Falle einer Umwandlung in eine
amortisierende Struktur zu einem
Marktwertverlust der Anleihe fˇhren
dˇrfte. Weiter ist fraglich, ob die Anleihe nicht aus dem entsprechenden
Index herausfällt, was wiederum zu
einer Spread-Ausweitung fˇhren
dˇrfte. Es bleibt also der Verdacht,
dass die Ratingagenturen im Sinne
der Emittenten und nicht im Sinne
der Investoren handeln.
Die Komplexität nimmt zu
Fast die Hälfte der Neuemissionen
sind bereits mit einer Soft-Bulletoder CPT-Klausel ausgestattet. Somit fand ein fließender Übergang
ID: 2015197009
statt – teilweise, ohne dass es den Investoren bewusst war. Jedoch ist
hier eine zunehmende Sensitivität
auszumachen, da teilweise Änderungen von Hard- zu Soft-BulletStrukturen von den Investoren nicht
akzeptiert werden. Ein Unterschied
im Pricing ist jedoch nicht auszumachen. Schlussendlich fˇhren die
neuen Strukturen zu einer weiteren
Zunahme der Komplexität von Co-
vered-Bond-Programmen, da jeder
Rechtsrahmen die neuen M˛glichkeiten anders interpretiert und umsetzt. Diese Entwicklung ist nicht
f˛rderlich fˇr die gewˇnschte Harmonisierung des Pfandbriefmarkts.
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Christian Fischer, Partner Independent Credit View und Marc Meili,
Credit Analyst Independent Credit
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