Aus: Johann Christoph Gottsched, Versuch einer Critischen

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Aus: Johann Christoph Gottsched, Versuch einer Critischen
Aus: Johann Christoph Gottsched, Versuch einer Critischen Dichtkunst (1751 1. Aufl. 1730)
S. 264 – Beispiel
Wenn Aristoteles sagen will, was die Fabel in einem Gedichte eigentlich sey, so spricht er: Es
sei die Zusammensetzung oder Verbindung der Sachen [...] Die Sachen müssen auf das Zubehör der Fabel, als da sind, die Thiere, Menschen, Götter, Handlungen, Gespräche, u.s.w. gedeutet werden. Diese Dinge müssen verknüpfet und verbunden werden, so daß sie einen Zusammenhang bekommen, und alsdann entsteht eine Fabel daraus. [...] Ich glaube derowegen,
eine Fabel am besten zu beschreiben, wenn ich sage: sie sey die Erzählung einer unter gewissen Umständen möglichen, aber nicht wirklich vorgefallenen Begebenheit, darunter eine nützliche moralische Wahrheit verborgen liegt. [...] Wie greift man indessen die Sache an, wenn
man gesonnen ist, als ein Poet, ein Gedicht oder eine Fabel zu machen? Dieses ist freylich das
Hauptwerk in der ganzen Poesie [...] Zu allererst wähle man sich einen lehrreichen moralischen Satz, der in dem ganzen Gedichte zum Grunde liegen soll, nach Beschaffenheit der Absichten, die man sich zu erlangen, vorgenommen. Hierzu ersinne man sich eine ganz allgemeine Begebenheit, worinn eine Handlung vorkommt, daran dieser erwählte Lehrsatz sehr
augenscheinlich in die Sinne fallt. [...] Aus dem allen erhellet nun sonder Zweifel, wie man
mit Grunde der Wahrheit sagen könne, daß die Fabel das Hauptwerk der ganzen Poesie sey;
indem die allerwichtigsten Stücke derselben einzig und allein darauf ankommen. Wer es in
dem Grundrisse zu dieser vorsieht, der darf sich nicht schmäucheln, daß es ihm in der Poesie
gelingen werde; so viel Witz und Gaben er auch sonst haben möchte. [...] Es ist aber auch
daraus abzunehmen, mit wie vielem Grunde Aristoteles von der Dichtkunst sagen können,
daß sie weit philosophischer sey, als die Historie, und viel angenehmer, als die Philosophie.
Denn ein Gedicht hält in der That das Mittel zwischen einem moralischen Lehrbuche, und
einer wahrhaftigen Geschichte. Die gründlichste Sittenlehre ist für den großen Haufen der
Menschen viel zu mager und zu trocken. Denn die rechte Schärfe in Vernunftschlüssen ist
nicht für den gemeinen Verstand unstudirter Leute. Die nackte Wahrheit gefällt ihnen nicht:
es müssen schon philosophische Köpfe seyn, die sich daran vergnügen sollen. Die Historie
aber, so angenehm sie selbst den Ungelehrten zu lesen ist, so wenig ist sie ihm er-baulich. Sie
erzählt lauter besondre Begebenheiten, die sich das tausendstemal nicht auf den Leser schicken; und, wenn sie sich gleich ungefähr einmal schickten, dennoch viel Verstand zur Ausdeutung bey ihm erfordern würden. Die Poesie hergegen ist so erbaulich, als die Morale, und
so angenehm, als die Historie; sie lehret und belustiget, und schicket sich für Gelehrte und
Ungelehrte....
1
Aus: Heinrich Wilhelm Gerstenberg, Briefe über Merkwürdigkeiten der Literatur. 20. Brief.
(1767)
Deutlicher, ich glaube, daß nur das Poesie sey, was das Werk des poetischen Genies ist, und
alles übrige, so vortrefflich es auch in jeder Absicht seyn möge, sich diesen Namen mit Unrecht anmaaße, wenn es auch die Tragösie selbst wäre. [...] Man studirt, sagen einige, man
sucht sein Talent; oft verfehlt man es: das Genie entdeckt sich selbst. Das Talent kann vergraben seyn, weil es keine Gelegenheit hat, vorzudringen; das Genie arbeitet sich durch alle Hindernisse hindurch. Das Genie erschafft; das Talent setzt nur ins Werk. Das Genie widmet sich
erhabnen Wissenschaften und Künsten; der unbestimmtere Geist flattert auf alles. [...] Der
beständige Ton der Inspiration, der Lebhaftigkeit der Bilder, Handlungen und Fictionen, die
sich uns darstellen, als wären wir Zuschauer, und die wir mit bewunderndem Enthusiasmus
dem gegenwärtigen Gotte zuschreiben: diese Hitze, diese Stärke, diese anhaltende Kraft, dieser überwältigende Strohm der Begeisterung, der ein beständiges Blendwerk um uns her
macht, und uns wider unsern Willen zwingt, an allem gleichen Antheil zu nehmen – das ist
die Wirkung des Genies! [...]
Sie werden mir zugeben, daß diese Kraft, die ich in Beziehung auf uns Trug oder Illusion
nenne, diese Kraft, die Natur wie gegenwärtig in der Seele abzubilden, in Beziehung auf den
Dichter diejenige entschiedene und hervorstechende Eigenschaft sey, die wir uns unter dem
Namen des poetischen Genies auch da denken, wo wir uns vor unsern Begriffen nicht immer
Rechenschaft zu geben wissen. Sie kann weder durch Kunst, noch durch Fleiß erreicht werden; sie ist einigen, und zwar den wenigsten, Geistern eigenthümlich; kurz, sie ist das Genie.
Dieß ist keine Definition: aber es ist Erfahrung, es ist Gefühl. [...] Die Eigenschaft des Genies,
die ich durch Kraft andeutete, scheint in der That eben das zu seyn, was man mit andern Worten eine bildliche Empfängniß der Objecte in der Seele nennen könnte, – eine Wendung in der
Art zu denken, wodurch jeder bestimmte Gegenstand mit allen seinen Verhältnissen, Beziehungen und Phänomenen, mittelbar oder unmittelbar, zur Individualität des Dichters übertritt.
Die Imagination ist also von dem poetischen Genie unzertrennlich: aber sie ist dieses Genie
nicht selbst. Vor ihr her geht eine andere Kraft, die Kraft der Beobachtung, welche mit einer
dritten ausübenden verbunden seyn muß, die ich durch Klugheit des Genies ausdrücken
möchte, weil sie sich nicht sowol auf das Beobachtete in dem Vorwurfe, als auf das Werk des
Künstlers, und auf dessen Wirkungen in dem Herzen und Verstande des Zuhörers oder Lesers
bezieht. [...] Das dichterische Genie wählt sich neue vehicula, weil es sich in andern nicht so
bequem thätig erweisen kann; ja, es muß sich uns sogar schon seiner Natur nach neu und original darstellen, weil Begriffe, die aus einer solchen Seele kommen, von den gewöhnlichen
durchaus abweichen. Die ganze Schwierigkeit mit zwey Worten zu heben: – wo Genie ist, da
ist Erfindung, da ist Neuheit, da ist das Original; aber nicht umgekehrt.
2
Aus: Paul Celan. Ansprache anläßlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Freien
Hansestadt Bremen, 1958
Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache.
Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch
ihre eigenen Antwortungslosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab
keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch
und durfte wieder zutage treten, „angereichert“ von all dem.
In dieser Sprache habe ich, in jenen Jahren und in den Jahren nachher, Gedichte zu schreiben
versucht: um zu sprechen, um mich zu orientieren, um zu erkunden, wo ich mich befand und
wohin es mit mir wollte, um mir Wirklichkeit zu entwerfen.
Es war, Sie sehen es, Ereignis, Bewegung, Unterwegssein, es war der Versuch, Richtung zu
gewinnen. Und wenn ich es nach seinem Sinn befrage, so glaube ich, mir sagen zu müssen,
daß in dieser Frage auch die Frage nach dem Uhrzeigersinn mitspricht.
Denn das Gedicht ist nicht zeitlos. Gewiß, es erhebt einen Unendlichkeitsanspruch, es sucht,
durch die Zeit hindurchzugreifen – durch sie hindurch, nicht über sie hinweg.
Das Gedicht kann, da es ja eine Erscheinungsform der Sprache und damit seinem Wesen nach
dialogisch ist, eine Flaschenpost sein, aufgegeben in dem – gewiß nicht immer hoffnungsstarken - Glauben, sie könnte irgendwo und irgendwann an Land gespült werden, an Herzland
vielleicht. Gedichte sind auch in dieser Weise unterwegs: sie halten auf etwas zu.
Worauf? Auf etwas Offenstehendes, Besetzbares, auf ein ansprechbares Du vielleicht, auf
eine ansprechbare Wirklichkeit.
Um solche Wirklichkeiten geht es, so denke ich, dem Gedicht.
Und ich glaube auch, daß Gedankengänge wie diese nicht nur meine eigenen Bemühungen
begleiten, sondern auch diejenigen anderer Lyriker der jüngeren Generation. Es sind die Bemühungen dessen, der, überflogen von Sternen, die Menschwerk sind, der, zeltlos auch in
diesem bisher ungeahnten Sinne und damit auf das unheimlichste im Freien, mit seinem Dasein zur Sprache geht, wirkungswund und Wirklichkeit suchend.
3
Aus: Peter Handke, Prosa Gedichte Theaterstücke Hörspiel Aufsätze, 1969, S. 263f.
Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms
Literatur ist für mich lange Zeit das Mittel gewesen, über mich selber, wenn nicht klar, so
doch klarer zu werden. Sie hat mir geholfen zu erkennen, daß ich da war, daß ich auf der Welt
war. Ich war zwar schon zu Selbstbewußtsein gekommen, bevor ich mich mit der Literatur
beschäftigte, aber erst die Literatur zeigte mir, daß dieses Selbstbewußtsein kein Einzelfall,
kein Fall, keine Krankheit war. Ohne die Literatur hatte mich dieses Selbstbewußtsein gleichsam befallen, es war etwas Schreckliches, Beschämendes, Obszönes gewesen; der natürliche
Vorgang erschien mir als geistige Verwirrung, als eine Schande, als Grund zur Scham, weil
ich damit allein schien. Erst die Literatur erzeugte mein Bewußtsein von diesem Selbstbewußtsein, sie klärte mich auf, indem sie zeigte, daß ich kein Einzelfall war, daß es anderen
ähnlich erging. Das stupide System der Erziehung, das wie auf jeden von den Beauftragten
der jeweiligen Obrigkeit auch auf mich angewendet wurde, konnte mir nicht mehr so viel
anhaben. So bin ich eigentlich nie von den offiziellen Erziehern erzogen worden, sondern
habe mich immer von der Literatur verändern lassen. Von ihr bin ich durchschaut worden,
von ihr habe ich mich ertappt gefühlt, von ihr sind mir Sachverhalte gezeigt worden, deren ich
nicht bewußt war oder in unbedachter Weise bewußt war. Die Wirklichkeit der Literatur hat
mich aufmerksam und kritisch für die wirkliche Wirklichkeit gemacht. Sie hat mich aufgeklärt und mich selbst und über das, was um mich vorging.
Seit ich erkannt habe, worum es mir, als Leser wie auch als Autor, in der Literatur geht, bin
ich auch gegenüber der Literatur, die ja wohl zur Wirklichkeit gehört, aufmerksam und kritisch geworden. Ich erwarte von einem literarischen Werk eine Neuigkeit für mich, etwas, das
mich, wenn auch geringfügig, ändert, etwas, das mir eine noch nicht gedachte, noch nicht
bewußte Möglichkeit der Wirklichkeit bewußt macht, eine neue Möglichkeit zu sehen, zu
sprechen, zu denken, zu existieren. Seitdem ich erkannt habe, daß ich selber mich durch die
Literatur habe ändern können, daß mich die Literatur zu einem andern gemacht hat, erwarte
ich immer wieder von der Literatur eine neue Möglichkeit, mich zu ändern, weil ich mich
nicht schon für endgültig halte. Ich erwarte von der Literatur ein Zerbrechen aller endgültig
scheinenden Weltbilder. Und weil ich erkannt habe, daß ich selber mich durch die Literatur
ändern konnte, daß ich durch die Literatur erst bewußter leben konnte, bin ich auch überzeugt,
durch meine Literatur andere ändern zu können. Kleist, Flaubert, Dostojewski, Kafka, Faulkner, Robbe-Grillet haben mein Bewußtsein von der Welt geändert.
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Aus: Peter Handke, Prosa Gedichte Theaterstücke Hörspiel Aufsätze, 1969, S. 286f.
Jedes Engagement also wird durch die literarische Form entwirklicht: in der Geschichte wird
es Fiktion, im Gedicht Poesie, oder beides in beiden. Der engagierte Schriftsteller kann sich,
als Schriftsteller, nicht engagieren. Die Literatur macht alles Wirkliche, auch das Engagement, zu Stil. Alle Wörter macht sie unbrauchbar und verdirbt sie, mehr oder weniger. Sie
überspielt alles; Wörter, die als Handeln gemeint waren, werden zu Spiel: sie macht die Wirklichkeit, die sprachliche, die sie zitiert, und die außersprachliche, die sie benennt, zu Spiel.
Die Literatur ist unwirklich, unrealistisch. Auch die sogenannte engagierte Literatur, obwohl
gerade sie sich als realistisch bezeichnet, ist unrealistisch, romantisch.
Denn engagieren kann man sich nur mit Handlungen und mit als Handlungen gemeinten Wörtern, aber nicht mit den Wörtern der Literatur. Ein Irrtum in dieser Sache ist recht schwerwiegend: leicht kann ein Mann, der Schriftsteller ist, sein Engagement verspielen, indem er
drumherum Gedichte und Geschichten macht, weil er meint, er sei als Schriftsteller zum Engagement verpflichtet und nicht als Angehöriger einer Gesellschaft. Eine engagierte Literatur,
sollte es jemals eine solche geben, müßte jedes spielerische, formale Element aus der Literatur entfernen: sie müßte ohne Fiktion auskommen, ohne Wortspiel, ohne Rhythmus, ohne Stil.
Dazu aber wäre erst eine neue Definition der Literatur nötig. Eine solche Literatur wäre eine
ernste, eindeutige, zur Wirklichkeit gehörende: und nur für sie wäre das Wort 'realistisch' zutreffend.
(1966)
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Aus: Günter Wallraff, Vom Ende der Eiszeit und wie man Feuer macht. (1973)
Seit jeher suggeriert die herrschende bürgerliche Ideologie den Schriftstellern, daß die großen
politischen und gesellschaftlichen Prozesse für sie nicht zu durchschauen seien und sie nur
den eigenen, begrenzten Erfahrungsbereich überblicken könnten. Diese Orientierung führt
den Schriftsteller aus der objektiv bedingten gesellschaftlichen Isolierung nicht nur nicht heraus, sondern drängt ihn immer stärker an die Peripherie gesellschaftlicher Prozesse. Eine solche, bewußt geförderte Praktik hat zur Folge, daß viele Schriftsteller sich selbst zur einzig
beachtenswerten Realität aufwerten und sich schließlich als den liebsten und verhätscheltsten
Gegenstand ihrer Dichtung betrachten.
Die Klassenwidersprüche und -gegensätze kristallisieren sich auch innerhalb der Literatur
immer deutlicher heraus, und es wird einem Autor immer schwerer fallen, zu kaschieren, auf
welcher Seite er in Wirklichkeit steht. Gerade die sich wertfrei und unpolitisch gebende Literatur hat in neuralgischen historischen Situationen immer ihre Tendenz unter Beweis gestellt,
wenn auch nicht immer in dem, was sie aussprach, so aber auf jeden Fall in dem, was sie verschwieg.
Immer mehr Autoren allerdings fangen an, aus ihrem isolierten Einzelgängergehege auszubrechen. Sie haben begriffen, daß, bevor sie „die Wahrheit über die schlimmen Zustände denen sagen, für die die Zustände am schlimmsten sind“ (Brecht), sie zuerst einmal diese Zustände von ihnen erfahren müssen.
Sie kommen nicht als Lehrende, sondern zuerst einmal als Lernende und einige müssen erst
mal eine Fremdsprache dazu lernen, nämlich die des Arbeiters. Einige verkraften es nicht,
wenn sie merken, daß sie mehr zu lernen als zu lehren haben. Entmutigend für Leute, die sich
an ein Milieu gewöhnt haben, in dem es als Tugend gilt, in sich verliebt zu sein. Mancher
kehrt dann auch aus den „Mühen der Ebenen“ zurück in die „unergründlichen Tiefen“ des
reinen kontemplativen Geistes, oder geht „noch weiter nach links“, wo Politik und die winzigen Katastrophen des Alltags verblassen neben dem Antlitz des absoluten Revolutionärs, der,
bei Tageslicht besehen, dem Sonntagsjäger gleicht, der schießt, damit die wilden Tiere kommen.
Den meisten Intellektuellen fällt's nicht leicht, ihr Tun und Lassen bewußt und nüchtern in
den Dienst einer Klasse zu stellen, deren Prinzip die Überwindung des egozentrischen Materialismus und des separatistischen Individualismus ist. [...]
Die Werkkreisautoren beziehen ihr Material nicht über den Umweg „vom Hörensagen“ her;
der Vorwurf ihrer Werke baut auf dem, was sie selbst gesehen und gehört, also erlebt haben.
Werkkreisautoren haben die Konstruktion der Gesellschaft als Klassengesellschaft erfahren,
schreiben von daher aus dem Aspekt des Eingreifens, der Veränderung heraus. Diese Berichterstattung hat jede Spur der beschaulichen Beobachtung abgestreift. Sie will die unhaltbaren
Zustände, die sie aufdeckt, auch abstellen helfen. Den Druck der Verhältnisse macht sie noch
drückender, indem sie ihm das Bewußtsein des Drucks hinzufügt. (Marx)
Realistisch schreiben bedeutet nicht Abfotografieren der Wirklichkeit, also nicht das, was
man zufällig erlebt, verdichten und beschreiben: sondern das eigene Erlebnis bildet die
Grundlage, um darüber hinaus seine Erlebnisse zu organisieren. [...]
Wer schreibt die Dokumentarromane und Drehbücher, die den politisch Gleichgültigen, Verleisterten oder Mutlosen die Zusammenhänge aufzeigen? Die ihn gefühlsmäßig dahin führen,
daß die politischen Begriffe aus den verschiedenen Lagern für ihn überhaupt erst einmal rea6
len Inhalt bekommen, daß er aufnahmefähig wird, die nötige Wachsamkeit, Kritikfähigkeit
und Widerstandsbereitschaft gewinne, um sich gegen die täglichen Verdrehungen und Auslassungen eines Großteils der bürgerlichen Presse und der durch sie gezüchteten Ansichten zu
wehren. Wo sind die Schriftsteller, die wie mit Scheinwerfern hinter die Kulissen der Banken,
der Großindustrie, der Börse, der Politik und des Handels leuchten, auf daß der für dumm
Verkaufte endlich aufhöre, nur die Fassade dieser Dinge zu sehen, während ihr wahres Wesen
ihm verhüllt bleibt. All die Zahlen, Statistiken, Polemiken, die herausgegriffenen Einzelfälle,
die die Presse bringt – und das, was sie verschweigt – all das kann nur von denjenigen richtig
gewertet werden, die die Zusammenhänge zwischen sich und diesen trockenen Angaben – die
nebenbei in jeder Zeitung anders lauten – bereits erfaßt haben.
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