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DNotI
Deutsches Notarinstitut
GUTACHTEN
D o k u m e nt n u m m e r :
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g / R e c ht s s t a n d:
l e t ze S i c h t u n g :
14272
11.5.2007
22.11.2011
HINWEIS:
Ab dem 1. April 2011 gilt in der VR China ein neues Gesetz zum IPR
EGBGB Art. 15, 17, 18, 25, 26
China (Volksrepublik): Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht deutsch-chinesischer Verlobter
I. Sachverhalt
Es geht um die Beurkundung eines Ehevertrags. Der Bräutigam ist deutscher Staatsangehöriger,
die Braut hat ausschließlich die Staatsangehörigkeit der Volksrepublik China. Beide leben
gemeinsam in Deutschland. Eine Rückkehr der Ehefrau nach China ist nicht beabsichtigt.
Durch Ehevertrag soll der Güterstand, der Scheidungsunterhalt und der Versorgungsausgleich
geregelt werden. Ferner überlegt man die Vereinbarung eines wechselseitigen
Pflichtteilsverzichts.
II. Fragen
Welches Recht kommt zur Anwendung und werden die Vereinbarungen auch in der
Volksrepublik China anerkannt?
1.
Vereinbarungen zum Güterrecht,
2.
Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich,
3.
zum Scheidungsunterhalt,
4.
ein Pflichtteilsverzicht?
III. Zur Rechtslage
1.
Güterrechtliche Vereinbarungen
a) Aus deutscher Sicht anwendbares Recht (Art. 15 EGBGB)
Aufgrund der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit der Eheleute und des Umstands,
dass sie beide zum Zeitpunkt der Eheschließung dauerhaft in Deutschland leben, mithin
hier im Zeitpunkt der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben werden, er-
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user/mr/pool/Gutachten/14272.doc
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gibt sich über Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB die Geltung deutschen Rechts als Güterstatut.
Darüber hinaus haben die Eheleute die Möglichkeit, durch ausdrückliche Rechtswahl
gem. Art. 15 Abs. 2 Ziff. 2 EGBGB das deutsche Aufenthaltsrecht zum Güterstatut zu
bestimmen.
b) Aus chinesischer Sicht anwendbares Recht
Das Internationale Privatrecht der Volksrepublik China (Festlandchina) ist nur
unvollständig kodifiziert. Weder die international-privatrechtlichen gesetzlichen Bestimmungen im 8. Kap. der „Allgemeinen Regeln des Zivilrechts der Volksrepublik
China“ vom 12.4.1986 noch die dazu ergangenen „Versuchsweise durchgeführten Ansichten des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Anwendung der Allgemeinen
Regeln des Zivilrechts der Volksrepublik China“ vom 26.1.1988 (deutsche Übersetzung
beider Texte in: Kropholler/Krüger/Riering/Samtleben/Siehr, Außereuropäische IPRGesetze, S. 188 ff.) enthalten eine Regelung, die das auf die Ehewirkungen anwendbare
Recht ausdrücklich bestimmt. Allerdings bestimmt Ziff. 188 der Ansichten des Obersten
Volksgerichts, dass in Ehescheidungsfällen mit Auslandsberührung, die von chinesischen Gerichten angenommen werden, auf die Scheidung und die von der Scheidung
herbeigeführte Vermögensteilung das chinesische Recht angewandt wird. Hieraus lässt
sich folgern, dass chinesische Gerichte nicht nur bei Scheidungen, sondern auch in anderen Verfahren zur Beurteilung güterrechtlicher Fragen chinesisches Recht anwenden,
soweit nur die internationale Zuständigkeit chinesischer Gerichte gegeben ist (vgl. Süß,
in: Rieck, Ausländisches Familienrecht, Länderbericht China, Stand: November 2006,
Rn. 39).
Nach der chinesischen Rechtsprechung müssen sich im Ausland ansässige chinesische
Staatsangehörige für die Scheidung ihrer Ehe grundsätzlich an die Gerichte ihres Ansässigkeitsstaates wenden, selbst dann, wenn beide chinesische Staatsangehörige sind. Eine
subsidiäre Zuständigkeit der chinesischen Gerichte wird nur ausnahmsweise angenommen, wenn sich die Gerichte des Ansässigkeitsstaates für die Scheidung aufgrund der
chinesischen Staatsangehörigkeit der Ehegatten bzw. der Eheschließung in China für
unzuständig erklären (vgl. von Senger, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht
der Volksrepublik China, Zürich 1994, Bd. 1, S. 367; Süß, Grundzüge des chinesischen
Internationalen Privatrechts, 1991, S. 142). Dabei liegt eine Ansässigkeit in einem ausländischen Staat dann vor, wenn ein chinesischer Bürger in einem ausländischen Staat
langfristig wohnt und dort das Aufenthaltsrecht erhalten hat. Langfristig bedeutet hier i.
d. R. mehr als drei Jahre. Vorübergehende Aufenthalte zur Arbeit oder zum Studium
sind ausgenommen (Süß, Grundzüge des chinesischen Internationalen Privatrechts,
S. 60).
In der chinesischen international-privatrechtlichen Literatur wird von vielen Autoren
dazu, welches Recht aus chinesischer Sicht auf die güterrechtlichen Beziehungen anzuwenden ist, keine Stellung genommen (vgl. z. B. Li Shuangyuan, Shewai hunyinjichengfa (Internationales Ehe- und Erbrecht), Peking 1989, S. 78 ff.). Ein anderer Teil
der Autoren geht davon aus, dass die persönlichen und güterrechtlichen Beziehungen
von Ehegatten, die sich zu beiden Teilen in China aufhalten, auch dann nach dem chinesischen Recht richten, wenn die Beteiligten Ausländer sind. Grund hierfür sei die Geltung chinesischen Rechts als Ausdruck der staatlichen Souveränität (vgl. die Nachweise
bei Münzel, IPRax 1988, 46, 52; Chen Chunlong, in: Juris-Classeur droit comparé,
Chine, 1993, Anm. 150). In konsequenter Weiterentwicklung dieser vom Territoriali-
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tätsprinzip geprägten Anknüpfung wird von diesem Teil der Literatur für Ehegatten,
die beide im Ausland leben, von der Geltung des dortigen Rechts ausgegangen – wobei
jedoch einzelne Autoren in einer Art verstärkten ordre-public-Vorbehalts zusätzlich die
Beachtung grundlegender Prinzipien des chinesischen Rechts verlangen (vgl. von Senger, in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, China, 1990, S. 46,
Chen Chunglong, a. a. O., Anm. 150; Süß, a. a. O., S. 144). Das Schweigen vieler chinesischer Autoren zu dem aus chinesischer Sicht auf die Ehewirkungen anwendbaren
Recht stellt sich vor diesem Hintergrund als Ausdruck eines „stillen Protests“ gegen die
aus ihrer Sicht unzeitgemäße territoriale Anknüpfung des auf die Ehewirkungen
anwendbaren Rechts dar. Mithin geht auch die chinesische Literatur davon aus, dass
aufgrund der aktuellen chinesischen Rechtspraxis für die güterrechtlichen Beziehungen
von Ehepaaren, die beiderseits im Ausland leben, das dortige Recht gilt.
Dementsprechend ist davon auszugehen, dass ein chinesisches Gericht, soweit es sich
für zuständig erklären wird, die güterrechtlichen Verhältnisse wohl nach chinesischem
Recht entscheiden würde.
c) Wirksamkeit der Vereinbarung nach chinesischem materiellem Recht
Gesetzlicher Güterstand ist im Recht der Volksrepublik China gem. Art. 17 ff. des am
28.4.2001 neu verkündeten Ehegesetzes der Volksrepublik China die
Errungenschaftsgemeinschaft. Das heißt, dass das von den Eheleuten in die Ehe eingebrachte Vermögen jeweiliges Eigentum bleibt, während der Dauer der Ehe von den
Eheleuten erworbenes Vermögen aber gemeinschaftliches Eigentum (Gütergemeinschaft) wird.
Allerdings können gem. Art. 19 Abs. 1 EheG die Eheleute vereinbaren, dass das
während der Ehe erworbene Vermögen sowie das eingebrachte Vermögen dem
jeweiligen Ehegatten gehört, also die Gütergemeinschaft ausschließen und eine vollständige Gütertrennung vereinbaren. Eine solche Vereinbarung ist schriftlich abzuschließen. Sie ist gem. Art. 19 Abs. 2 EheG für beide Eheleute bindend (Süß, in: Rieck,
Ausländisches Familienrecht, Länderbericht China, Rn. 11). Dementsprechend würde
das chinesische Recht eine Vereinbarung der Gütertrennung bzw. der Reduzierung der
Errungenschaftsgemeinschaft akzeptieren.
Eine Einschränkung der Wirkungen der Gütertrennung ergibt sich im chinesischen
Recht allerdings daraus, dass gem. Art. 40 chin. EheG bei Vereinbarung der Gütertrennung, der Ehegatte, der Kinder erzogen oder alte Leute betreut hat bzw. dem anderen
Ehegatten bei der Arbeit geholfen hat oder auf andere Weise erhebliche Verpflichtungen übernommen hat, gegen den anderen Ehegatten bei Scheidung einen Anspruch auf
angemessenen Ausgleich geltend machen kann. Dies dürfte insb. den Fall der
typischen „Hausfrauenehe“ umfassen. Da im vorliegenden Fall jedoch weder
gemeinsame Kinder geplant sind noch die Ehefrau unentgeltlich im Betrieb des
Ehemannes mitarbeiten soll, sondern vielmehr dort ein eigenes Einkommen erzielt,
dürfte die Vereinbarung der kompletten Trennung für den Fall der Scheidung hier also
auch aus chinesischer Sicht wohl anerkannt werden.
2.
Versorgungsausgleich
a) Aus deutscher Sicht anwendbares Recht (Art. 17 Abs. 3 EGBGB)
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Die Wirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung über den Versorgungsausgleich unterliegt demgemäß Art. 17 Abs. 3 EGBGB bestimmten Statut des Versorgungsausgleichs. Dieses wiederum bestimmt sich gem. Art. 17 Abs. 3 S. 1, Art. 17 Abs. 1 S. 1,
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB im vorliegenden Fall, da die Eheleute keine gemeinsame
Staatsangehörigkeit haben dem Recht des Staates, in dem sie zum Zeitpunkt der
Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben
werden bzw. zuletzt gehabt haben werden. Diese Verweisung wird im vorliegenden Fall
auf das deutsche Recht führen, da die Eheleute beabsichtigen, beide in Deutschland zu
leben und damit zu rechnen ist, dass selbst dann, wenn nach Scheitern der Ehe die Ehefrau nach China zurückkehrt, zumindest der Ehemann seinen Wohnsitz in Deutschland
beibehalten wird.
Da mithin der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht zu beurteilen sein wird,
wird auch die Wirksamkeit seiner Regelung nach den Vorschriften des deutschen
Rechts zu beurteilen sein. Danach ergeben sich Einschränkungen aus der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
b) Wirksamkeit aus chinesischer Sicht
Dem chinesischen Recht ist der Versorgungsausgleich unbekannt. Folglich fehlen auch
kollisionsrechtliche Bestimmungen über das auf den Versorgungsausgleich anzuwendende Recht. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass der Versorgungsausgleich unter
die vermögensrechtliche Auseinandersetzung in Ziff. 188 der Ansichten des Obersten
Volksgerichts (s. o.) subsumiert werden würde, so dass im Falle der Scheidung durch
ein chinesisches Gericht chinesisches Recht anzuwenden wäre und kein
Versorgungsausgleich durchgeführt werden würde.
3.
Scheidungsunterhalt
a) Aus deutscher Sicht anwendbares Recht (Art. 18 Abs. 4 EGBGB)
Die Wirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung bestimmt sich nach dem auf den Unterhalt anzuwendenden Recht. Der nacheheliche Unterhalt unterliegt gem. Art. 8 Abs. 1
des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht
vom 2.10.1973 (BGBl. II 1986, S. 137), der in Art. 18 Abs. 4 EGBGB inkorporiert
worden ist, dem auf die Ehescheidung angewandten Recht. Maßgeblich ist dabei nicht
das gem. Art. 17 Abs. 1 EGBGB anzuwendende Scheidungsstatut, sondern das tatsächlich auf die Scheidung angewandte Recht (vgl. Palandt/Heldrich, a. a. O., Art. 18
EGBGB Rn. 8, 12). Soweit der Scheidungsantrag in Deutschland gestellt werden wird,
wird dies gem. Art. 17 Abs. 3 Ziff. 1 EGBGB das gewählte deutsche Recht sein.
Sollte die Ehefrau vor der Scheidung die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wäre
bereits aufgrund von Art. 17 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB deutsches Recht
Scheidungsstatut. Auch in diesem Fall käme deutsches Recht auf die anschließende Bestimmung des Scheidungsunterhalts an.
Sollte die Ehe in China geschieden werden, wird das chinesische Gericht das chinesische Scheidungsrecht auf die Scheidung anwenden, so dass anschließend ein deutsches
Gericht den Scheidungsunterhalt und die Wirksamkeit einer hierauf bezogenen vertraglichen Vereinbarung nach dem chinesischen Recht zu beurteilen hätte – unabhängig davon, ob die Ehe aus deutscher Sicht nach deutschem oder chinesischem Recht hätte ge-
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schieden werden müssen (s. o.). Etwas anderes gilt allein dann, wenn die chinesische
Entscheidung – ausnahmsweise – nicht anerkennungsfähig wäre.
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b) Aus chinesischer Sicht anwendbares Recht
Gem. Art. 148 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China (a.
a. O.) wird auf den Unterhalt das Recht des Staates angewandt, mit dem der Unterhaltene die engste Verbindung hat. Gem. Ziff. 189 S. 2 der Ansichten des Obersten Volksgerichts der Volksrepublik China (s. o.) hierzu kommen als engste Verbindung des Unterhaltenen die Staatsangehörigkeit und der Wohnsitz des Unterhaltenden wie des Unterhaltenen sowie der Ort des Vermögens in Betracht, aus dem der Unterhalt geleistet
wird. In der Praxis der chinesischen Gerichte wird diese Bestimmung bei Bestimmung
des auf den nachehelichen Unterhalt anzuwendenden Rechts zumeist so ausgelegt, dass
chinesisches Recht zur Anwendung gelangt (s. Süß, Gründzüge des chinesischen IPR,
S. 154).
c) Wirksamkeit nach chinesischem materiellen Recht
Gem. Art. 42 chin. EheG hat nach der Scheidung der geschiedene Ehegatte, der bedürftig ist, gegen den anderen Ehegatten Anspruch auf Hilfe, etwa in der Weise, dass er von
der Wohnung und dem persönlichen Vermögen einen Teil erhält. Die Art und Weise, in
der dieser Anspruch erfüllt wird, ist vorrangig von den Beteiligten zu vereinbaren. Erst
wenn keine Vereinbarung erreicht wird, entscheidet das Gericht durch Urteil. Hierbei
stellt sich dann allerdings die Frage, ob eine Vereinbarung schon bei Beginn der Ehe
möglich ist. Selbst wenn man dieses bejaht, ist es jedoch fraglich, ob eine derartige Vereinbarung dann auch noch bis zur Scheidung bindend ist und nicht widerrufen werden
kann.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die „wirtschaftliche Unterstützung“ des geschiedenen Ehegatten auf den Fall beschränkt ist, dass er „Schwierigkeiten beim Leben“ hat.
Dies bedeutet, dass anders als beim ehelichen Unterhalt der geschiedene Ehegatte in
China lediglich Anspruch darauf hat, dass ein gewisses Grundniveau ermöglicht wird
und das zum Leben Notwendige verlangen kann. Er darf auch auf der Basis des eigenen
Vermögens sowie des aufgrund der Scheidung zugeteilten Vermögens das nach den
örtlichen Verhältnissen grundlegende Lebensniveau aufrecht erhalten. Dies ist z. B. der
Fall, wenn er keinerlei Wohnung hat (s. Wang Hong, Ehe-, Familien- und Erbrecht, Peking 2005, S. 132).
4.
Pflichtteilsverzicht
a) Pflichtteilsverzicht durch die Ehefrau (Art. 25 Abs. 1 EGBGB)
Die Wirksamkeit eines Pflichtteilsverzichts unterliegt dem Erbstatut. Insoweit kommt
also über Art. 25 Abs. 1 EGBGB das Heimatrecht des Erblassers zur Anwendung. Da
die Ehefrau auf die Pflichtteile nach ihrem deutschen Ehemann verzichten wird, gilt
insoweit also hier über Art. 25 Abs. 1 EGBGB für die Wirksamkeit des Verzichts das
deutsche Recht. Daher kann die Ehefrau gem. § 2346 BGB auf Erb- und Pflichtteile
nach ihrem deutschen Ehemann verzichten.
b) Pflichtteilsverzicht durch den Ehemann
Soweit der Ehemann hier ebenfalls auf Erb- und/oder Pflichtteile verzichtet, gelangt
wegen der chinesischen Staatsangehörigkeit der Ehefrau hier über Art. 25 Abs. 1
EGBGB ihr chinesisches Heimatrecht zur Anwendung.
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Bei dieser Verweisung auf das chinesische Recht ist zu beachten, dass es sich bei China
seit der Rückgabe Hongkongs durch die britische Krone und von Makao durch die
portugiesische Regierung um einen Mehrrechtsstaat im Sinne von Art. 4 Abs. 3
EGBGB handelt, so dass zunächst die einschlägige Partikularrechtsordnung zu
bestimmen ist. Da in China ein einheitliches interlokales Kollisionsrecht im Sinne von
Art. 4 Abs. 3 S. 1 EGBGB fehlt, ist die Verweisung auf diejenige Teilrechtsordnung zu
beziehen, mit der die betreffende Person am engsten verbunden ist. Im vorliegenden
Fall ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht direkt, aus welchem Teil Chinas die Ehefrau
stammt. Sollte sie jedoch aus „Festland-China“ stammen und nicht aus Hongkong,
Makao oder Taiwan, wäre insoweit das dort geltende Recht der VR China anzuwenden.
Diese Verweisung auf das Recht der Volksrepublik China umfasst gem. Art. 4 Abs. 1
S. 1 EGBGB auch das IPR der Volksrepublik China. Insbesondere ist gem. Art. 4
Abs. 1 S. 2 EGBGB eine Rückverweisung zu beachten. Das auf die Erbfolge anwendbare Recht bestimmt § 149 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts wie folgt:
Art. 149
Auf die gesetzliche Erbfolge in Nachlass wird bei beweglichem Vermögen das
Recht des Wohnsitzes des Erblassers zur Zeit seines Todes, bei unbeweglichem
Vermögen das Recht am Belegenheitsort des unbeweglichen Vermögens angewandt.
§ 36 des Erbgesetzes der Volksrepublik China vom 10.4.1985 bestimmt:
§ 36 ErbG
Wenn chinesische Bürger Vermögen außerhalb des Gebiets der Volksrepublik
China oder Vermögen von Ausländern innerhalb des Gebiets der Volksrepublik China erben, wird bei beweglichem Vermögen das Recht des Wohnsitzes
des Erblassers und bei unbeweglichem Vermögen das Recht am Belegenheitsort des unbeweglichen Vermögens angewandt.
Wenn Ausländer Vermögen innerhalb des Gebiets der Volksrepublik China
oder Vermögen chinesischer Bürger außerhalb des Gebiets der Volksrepublik
China erben, wird auf bewegliches Vermögen das Recht des Wohnsitzes des
Erblassers und auf unbewegliches Vermögen das Recht am Belegenheitsort des
unbeweglichen Vermögens angewandt.
Demgemäß käme hier für inländischen Grundbesitz schon aufgrund dessen Belegenheit
in Deutschland deutsches Erbrecht zur Anwendung. Der für die Bestimmung des auf die
Mobiliarerbfolge anwendbaren Rechts maßgebliche Wohnsitz ist nach chinesischer
Lehrauffassung der Ort, an dem eine Person objektiv lange wohnt und sich subjektiv
dort langfristig niederlassen will (Süß, a.a.O., S. 58 m. w. N.). Dabei besteht eine
gewisse Vermutung für den Wohnsitz an dem Ort, an dem die entsprechende Person in
dem Einwohnerregister eingetragen ist. Soweit sich die Ehefrau in China abgemeldet
und in Deutschland seinen Wohnsitz beim Einwohnermeldeamt registriert hat, liegt
danach ein Wohnsitz in Deutschland vor und kommt es zu einer Rückverweisung auf
das deutsche Recht. Soweit sie über kein im Ausland belegenes unbewegliches Vermögen verfügt, wird Erbstatut bei einen Wohnsitz i. d. S. in Deutschland mithin insgesamt
das deutsche Recht sein.
Insoweit wäre im vorliegenden Fall also auch der Pflichtteilsverzicht durch den
Ehemann gegenüber seiner deutschen Braut nach dem deutschen Recht zu beurteilen
und gem. § 2346 BGB möglich.
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Das chinesische Recht kennt keinen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Da nicht
auszuschließen ist, dass durch den Erwerb von Immobilien in China oder durch einen
Umzug der Ehefrau ein ausländisches Recht zur Anwendung kommt, welches den Erbund Pflichtteilsverzicht nicht anerkennt, wäre aber bei einem gegenseitigen Erb- und
Pflichtteilsverzicht durch die Beteiligten noch genauer zu regeln, ob und inwieweit die
Verzichtserklärungen wechselseitig bedingt sein sollen. Ansonsten könnte es nämlich
dazu führen, dass eine gänzliche oder auch nur teilweise Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts durch den Ehemann dazu führt, dass auch der Pflichtteilsverzicht durch die
Ehefrau insgesamt hinfällig wird.