Das Buch - Wertschöpfung für die Wirtschaft

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Das Buch - Wertschöpfung für die Wirtschaft
Wertschöpfung
für die Wirtschaft
Was der öffentliche Sektor tun kann, um Unternehmen bei der
Wertschöpfung durch öffentliche digitale Daten,
Verwaltungsleistungen und offene Standards zu unterstützen
Herausgegeben von Elisabeth Slapio, Franz-Reinhard Habbel
und Andreas Huber in der Schriftenreihe des
Innovators Club – Deutschlandforum Verwaltungsmodernisierung
E. Slapio, F.-R. Habbel, A. Huber (Hrsg.): Wertschöpfung für die Wirtschaft
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter
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© Verlag Werner Hülsbusch, Glückstadt, 2013
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Markenerklärung: Die in diesem Werk wiedergegebenen Gebrauchsnamen,
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Schriften des Innovators Club; Bd. 7
Website zum Buch: http://www.wertschoepfung-fuer-die-wirtschaft.de/
Korrektorat und Satz: Werner Hülsbusch
Umschlag: design of media, Lüchow
Druck und Bindung: SOWA Sp. z o. o., Warszawa
Printed in Poland
ISBN: 978-3-86488-051-3
Inhaltsverzeichnis
5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeber
8 9
1
Einführung
13
1.1
Standortfaktor E-Government:
Abstimmung von Wirtschaft und Verwaltung optimieren
Elisabeth Slapio
13
Moderne Wirtschaftsförderung –
Wie Kommunen aus dem Vollen schöpfen können
Franz-Reinhard Habbel
16
Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement
Andreas Huber
29
1.2
1.3
2
Die Rahmenbedingungen schaffen
und Potenziale ausschöpfen
35
2.1
Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative
Entwicklung von Produkt- und Prozessinnovationen aus der Sicht
von Netzwerkforschung und Innovationsmanagement
Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser
35
2.2
Legal Open Data: Wie offen darf die Verwaltung sein?
Dirk Heckmann
46
2.3
Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen
Wirtschaft und Verwaltung aus wissenschaftlich-technischer Sicht
Odej Kao
51
2.4
Change Management in Behörden – Welche Veränderungen
entstehen und wie das Management reagieren kann
Michael Hokkeler
56
Anreizmechanismen für Open Data –
Wie kann Beteiligung maximiert werden?
Justus Lenz
61
Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz –
Wie geht man mit Rechten um?
Jan Dirk Roggenkamp
67
2.5
2.6
6
2.7
2.8
3
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
4
4.1
4.2
4.3
Inhaltsverzeichnis
E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen
Verwaltung und Wirtschaft sein kann
Daniela Riedel
76
Internet der Dienste – Grundlage für das
E-Government der nächsten Generation
Holger Kindler
82
Strategische Ausrichtung von
E-Government — Sicht der Kommune
87
Streckenplan statt Schnittmusterbogen –
Ansätze für eine modernisierte Verwaltung
Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht
87
Eine offene Stadt in einer digitalen Gesellschaft
Sabine Möwes
94
Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit
Open Data gemeint? Wie sollten Daten bereitgestellt werden?
Wolfgang Both
98
Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz
Gregor Kratochwill, Stefan Pawel
105
E-Government als Teil einer digitalen Stadt
Willi Kaczorowski
110
Sicht von Wirtschaft und Verbänden —
Anforderungen an E-Government
und Open Data
117
Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung?
Elisabeth Slapio
117
Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data
aus Unternehmenssicht
Matthias Groll, Sebastian Sklarß,
Martin Herzog, Małgorzata Mochól
122
One-Stop-E-Government für Unternehmen:
Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0
Frank Hogrebe, Wilfried Kruse
128
Inhaltsverzeichnis
4.4
4.5
4.6
4.7
7
Regionales Empfehlungs-Recruiting –
die öffentliche Hand als Anstoßgeber
Wencke Bagger, Martin Gaedt
134
Öffentliche Beschaffung
Edda Peters
140
Open Data Business?
Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer
146
Crowdsourcing –
das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens
Sebastian Haselbeck
155
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
163
Vorwort der Herausgeber
9
Vorwort der Herausgeber
Das vorliegende Buch widmet sich der Frage, was der öffentliche Sektor tun
kann, um Unternehmen bei der Wertschöpfung durch öffentliche digitale
Daten, Verwaltungsleistungen und offene Standards zu unterstützen. Die
Autorinnen und Autoren dieses Herausgeberbandes betrachten das Thema
aus ganz unterschiedlichen Perspektiven.
Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken verändern
Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung fundamental. Immer mehr
geschäftliche, soziale und gesellschaftliche Aktivitäten verlagern sich ins
Internet. Das Internet wird zu einem Lebens- und Wirtschaftsraum. E-Mail,
Google und Mobilfunk sind für die meisten Menschen aus ihrem Alltag nicht
mehr wegzudenken.
Diese Entwicklung fordert auch Politik, Verwaltung und Unternehmen
heraus. Bund, Länder und Kommunen haben begonnen, die Verwaltung zu
vernetzen und Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. Unternehmen streben
danach, die Potenziale des Internets noch besser zu nutzen. Diese Entwicklung wird das Verhältnis zwischen Unternehmen, kommunalen und regionalen Organisationen und Verwaltung verändern. Das Internet eröffnet neue
Wege der Kommunikation zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung.
Auch die Wirtschaftsförderung wird sich immer mehr ins Internet verlagern.
Open Data, E-Government und Web 2.0 beschleunigen diesen Prozess. Ist
das Internet 1.0 ein Netz mit statischen Webseiten, in dem überwiegend Informationen angeboten werden, ist Web 2.0 ein „Netz des Mitmachens“.
Immer mehr Online-Netzwerke und Diskussionsforen entstehen. Web 2.0
bringt Unternehmen, Wissenschaft und Verwaltung zusammen, um sich
gegenseitig mit Wissen zu versorgen und gemeinsam Neues zu schaffen.
Informationen werden schneller und einfacher verfügbar, wovon letztlich alle
Akteure profitieren können.
Das vorliegende Buch „Wertschöpfung für die Wirtschaft“ des Innovators
Club soll einen Beitrag leisten, die Möglichkeiten des Web für die Wertschöpfungsprozesse der Wirtschaft aufzuzeigen. Es richtet sich an Wirtschaftsförderer, Entscheidungsträger in den Kommunalverwaltungen, Unternehmen und interessierte Bürger gleichermaßen. Neben konkreten Konzepten
und Ansätzen aus der Wirtschaftsförderung und der IT-Welt legt es einen
Augenmerk auf die vorhandenen Synergiepotenziale. Anhand von konkreten
10
Vorwort der Herausgeber
Beispielen wird sichtbar, wie Wertschöpfung für die Wirtschaft schon heute
aussehen kann.
Im ersten Buchkapitel „Die Rahmenbedingungen schaffen und Potenziale ausschöpfen“ diskutieren Jana Louisa Baum, Julia Maintz und Markus
Raueiser die Erkenntnisse aus der Netzwerkforschung und dem Innovationsmanagement zur Annäherung an eine heterarchische Organisation von
E-Governance. Dirk Heckmann erörtert die rechtlichen Grenzen von Open
Government Data, die die Vorzüge der Offenheit und Transparenz infrage
stellen. Der nächste Beitrag, ein Interview mit Odej Kao, klärt, was die
wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für eine gelungene
Kommunikation zwischen Verwaltung und Wirtschaft sind. Der Beitrag von
Michael Hokkeler geht der Frage nach, welche Instrumente für ein gelungenes Change Management in der öffentlichen Verwaltung bereits da sind
und welche Herausforderungen für eine nutzerorientierte Verwaltung sowohl
für die Unternehmen als auch die Verwaltung selbst bestehen. Justus Lenz
diskutiert, wie Beteiligung an Open Data durch Anreizmechanismen maximiert werden kann. Jan Dirk Roggenkamp skizziert die Grundlagen des
deutschen Urheberrechts und beleuchtet insbesondere die „Creative-Commons-Lizenz“ als anschauliches Beispiel. Daniela Riedel schildert, wie der
Internetdialog eine Brücke zwischen Verwaltung und Wirtschaft sein kann.
Abschließend geht Holger Kindler der Frage nach, wie das Internet der
Dienste als Basistechnologie und Software der Zukunft eine optimale Integration in Geschäftsprozesse der Unternehmen ermöglicht.
Das zweite Buchkapitel „Sicht der Kommune – Strategische Ausrichtung von E-Government“ beginnt mit einem Beitrag von Ralf Huttanus und
Sabine Möwes, in dem sie sich mit Beteiligungsmodellen für den mündigen
Wirtschaftsbürger befassen. Dirk Furchert und Bianca Thieme zeigen anschließend auf, wie Verwaltungen mit den rasanten Entwicklungen der
„Außenwelt“ Schritt halten können. Dafür muss eine effiziente Selbstorganisation im Zuge permanenter Veränderung ein Teil der Alltagskultur kommunaler Selbstverwaltung werden. Der Frage, welche Daten genau mit Open
Data gemeint sind und wie diese bereitgestellt werden sollten, geht Wolfgang
Both anhand des Beispieles Berlin nach. Gregor Kratochwill und Stefan
Pawel erläutern schließlich anhand des Beispiels „Open-Commons-Region
Linz“, wie ein freier Zugang zu digitalen Kulturgütern ermöglicht werden
kann.
Das dritte Buchkapitel „Sicht von Wirtschaft und Verbänden – Anforderungen an E-Government und Open Data“ beginnt mit den Anforde-
Vorwort der Herausgeber
11
rungen der Wirtschaft an eine digitale Verwaltung. Elisabeth Slapio argumentiert in diesem Beitrag, dass die Akzeptanz in der Wirtschaft z.B. durch
eine Erhöhung der Relevanz der Angebote für den Firmenalltag sowie eine
bessere Darstellung und Vermarkung z.B. der kommunalen E-GovernmentAngebote gestärkt werden muss. Wilfried Kruse und Frank Hogrebe adressieren E-Govenment als strategischen Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft. Ihr Fokus liegt insbesondere auf Potenzialen sowie einer
gemeinsamen Denkweise und Sprache vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderung. Thomas Thurner, Martin Kaltenböck und Andreas
Blumauer beschäftigen sich mit der ökonomischen Verwertung offener Daten
und der Tatsache, dass diese einer ganz neuen Sichtweise auf die Wertschöpfungskette bedarf.
Das vierte Buchkapitel „Technische Konzepte und Architekturen“
beginnt mit dem Croudsourcing-Konzept zur Erschließung lokalen Wissens.
Was man darunter versteht und warum dieses wichtig für den zukunftsfähigen demokratischen Staat ist, beschreibt Sebastian Haselbeck. Willi
Kaczorowski beschäftigt sich mit E-Government als Teil der digitalen Stadt.
Dabei steht insbesondere die Frage der Positionierung der Kommunen im
globalen Wettbewerb und die damit verbundene Wirtschaftsförderung im
Fokus. Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog und Małgorzata
Mochól befassen sich mit Linked Open Government Data aus Unternehmenssicht und dessen ökonomischem und kommerziellem Potenzial.
Elisabeth Slapio, Franz-Reinhard Habbel und Andreas Huber
im Sommer 2013
1.1 Standortfaktor E-Government: Abstimmung von Wirtschaft und ...
1
Einführung
1.1
Standortfaktor E-Government: Abstimmung
von Wirtschaft und Verwaltung optimieren
13
Elisabeth Slapio
Kurzfassung: Electronic Government sind nach der Speyrer Definition nicht nur Prozesse innerhalb des öffentlichen Sektors, sondern
auch jene zwischen öffentlicher Hand und den Bürgern, der Wirtschaft
und „Non-governmental organizations (NGO)“! Bürgerinteressen
wurden schon früh im Zusammenhang mit Informationsportalen, dem
Meldewesen, der Kraftfahrzeugzulassung etc. diskutiert. Schwieriger
erwies sich das Verständnis der Politik, zwischen Verwaltung und
NGOs das Angebot eines „Einheitlichen Ansprechpartners“ nach der
Europäischen Dienstleistungsrichtlinie umzusetzen und dadurch
Dienstleistungsanbietern kurze Wege und weniger Bürokratie anzubieten.
Autorin: Elisabeth Slapio ist seit 1985 in der IHK Köln tätig. Zum
Verantwortungsbereich der Juristin gehören die Themen Handel,
Tourismus, Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne der
Branchenbetreuung. Zu ihren Aufgaben zählt zusätzlich die Leitung
des Rechenzentrums der IHK.
Druck zur Einführung von E-Government-Angeboten steigt
Solche Beispiele zeigen, warum sich viele Betriebe nicht oder nur unwillig
mit Fragen zu Electronic Government befassen wollen. Dennoch gibt es
Gründe für Unternehmen, sich gerade jetzt in den Dialog von Wirtschaft und
Verwaltung einzuschalten. In Zeiten knapper Finanzmittel in Bund, Ländern
und Kommunen steigt der Druck in jeder Verwaltung, Online-Verfahren mit
dem klaren Ziel der Kostensenkung und Prozessoptimierung umzusetzen.
Einige der frühen IT-Projekte schienen zwar geeignet, Aufbau- und Ablauforganisation zu verbessern. Letztlich ist jedoch in vielen Verwaltungen die
14
Elisabeth Slapio
Ernüchterung über Aufwand und Nutzen der Projekte eingetreten. Hauptgrund dafür ist, dass sich der Einsatz der Technik oft darin erschöpft, die
papierbasierten Verwaltungsabläufe elektronisch abzubilden. Dass damit weder der Prozess vereinfacht noch der dringend erforderliche Bürokratieabbau
beschleunigt wird, liegt auf der Hand. Beispiele sind einige der elektronischen Meldeverfahren zwischen Arbeitgebern und öffentlichen Stellen.
Ihnen liegt eine teils unzureichende wechselseitige Prozesskommunikation
zugrunde. Sie verursachen bei den Beteiligten unnötige Bürokratie und
Kosten. Parallele Verfahren, wie sie z.B. bei der Kommunikation von Unternehmen und Sozialversicherung erfolgen (DEÜV-Meldeverfahren), oder das
Lohn-Verfahren der Finanzverwaltung (ELSTER) lassen eine notwendige
Koordinierung und ein abgestimmtes Verfahren vermissen.
Der Einsatz von IT muss strategischer erfolgen
Wie aber kann Electronic Government dazu beitragen, die Abläufe so zu verändern, dass sie für alle Beteiligten produktiver, leistungsfähiger, wirtschaftlicher und sparsamer werden? Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, dass
der Einsatz von IT von Verwaltung und Wirtschaft strategischer erfolgt. Und
dies wiederum bedeutet, dass nicht am Beginn der Prozesses der Einsatz der
IT stehen darf. Stattdessen muss zuvor die erforderliche Reform des fachlichen und organisatorischen Ablaufs ebenso geklärt werden wie die des
operativen und technischen Umfelds. Der Gedanke, wem eine elektronische
Umsetzung nützt, kann zugunsten der verwaltungsinternen Optimierung ausfallen. Mittelbar profitieren dann auch Bürger und Wirtschaft von Verwaltungsvereinfachung und Kostensenkung. Er kann aber auch, orientiert an
Mengengerüsten oder medienbruchfreien Verfahren, zur spürbaren Entlastung von Unternehmen führen, die den einfachen Zugang zu Verwaltungsleistungen immer stärker als Standortvorteil erkennen werden. Instrumente,
Unternehmensbedarf zu ermitteln und den Dialog zwischen Wirtschaft und
Verwaltung zu fördern, gibt es mehr als genug.
Höchste Zeit für einen Dialog
zwischen Wirtschaft und Verwaltung!
Fazit: Unternehmensbedarf für elektronische Prozesse sollte jetzt definiert
werden. Dabei müssen Verwaltungen zulassen, dass gerade bei kleinen und
1.1 Standortfaktor E-Government: Abstimmung von Wirtschaft und ...
15
mittleren Unternehmen fallweise zu prüfen ist, ob, und wenn ja, in welchem
Umfang sie zur Teilnahme am elektronischen Verfahren verpflichtet werden.
Es reicht nicht aus, die fehlende Prozessabstimmung generell zu kritisieren. Unternehmen oder die sie vertretenden Verbände und Institutionen
haben jetzt die Chance, die heterogenen Bedarfe der Betriebe festzustellen
und darauf hinzuwirken, dass detailgenaue Anforderungen an den Prozess
beschrieben werden.
16
Franz-Reinhard Habbel
1.2
Moderne Wirtschaftsförderung — Wie
Kommunen aus dem Vollen schöpfen können 1
Franz-Reinhard Habbel
Kurzfassung: Kein Bereich der Verwaltung wird durch das Internet so
herausgefordert wie die kommunale Wirtschaftsförderung. Sie muss
einerseits den rasanten Wandel in den Unternehmensstrukturen und
der Unternehmensorganisation antizipieren und andererseits die
eigenen Aufgaben und Abläufe neu gestalten. Wirtschaftsförderung 2.0
ist nicht einfach eine kommunikative Neuausrichtung. Es ist eine
grundlegende Veränderung weg von Silostrukturen hin zu Netzwerken,
weg von politischen Vorgaben hin zur partnerschaftlichen Mitgestaltung von Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern.
Autor: Franz-Reinhard Habbel, seit 1982 Sprecher des Deutschen
Städte- und Gemeindebundes. In seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er sich seit Jahren mit der Modernisierung von
Politik und Verwaltung. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den
Themen Modernisierung, E-Government, E-Democracy, Globalisierung und Internet.
Digitale Wertschöpfungsketten
bestimmen die Wirtschaft der Zukunft
Ein der wichtigsten weltweiten Trends ist die Digitalisierung. Was digital
werden kann, wird digital. Das gilt für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik
gleichermaßen. Alle Unternehmen stehen vor der Transformation zur Virtualität. Das gilt für Produkte, Dienstleistungen und Unternehmensstrukturen.
Produkte werden intelligent gemacht, sie werden vernetzt und daraus ergeben
sich neue internetbasierte Service-Geschäftsmodelle. Weltweite Wertschöpfungsketten bilden sich. Geforscht wird da, wo die Bedingungen optimal
sind, produziert, wo die Löhne gering sind und Steuern dort gezahlt, wo die
1 Der Beitrag ist eine Aktualisierung der Veröffentlichung in dem Buch: Habbel, FranzReinhard; Stember, Jürgen (Hrsg.) (2013): Wissenstransfer zwischen Kommunen und
Hochschulen. Berlin u.a.: Lit Verlag.
1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 17
Sätze niedrig sind. Hinzu kommt die Ausrichtung auf den Weltmarkt. Durch
die Verschmelzung von Offline und Online sind Produkte und Dienstleistungen im Prinzip überall verfügbar. Das verbessert die Absatzmöglichkeiten
von Waren. Ein weltweiter Markt entsteht. Auf der anderen Seite zeichnet
sich ein Trend zur regionalen Wirtschaft ab. Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparung führen dazu, dass die Menschen immer mehr Produkte aus ihrer
Region bevorzugen. Die regionale Wirtschaft gewinnt an Bedeutung. Die
Konsumenten möchten wissen, wo Produkte hergestellt wurden, sie möchten
Auskunft über verwendete Stoffe haben. Faire Produktion und fairer Handel
gewinnen an Bedeutung. Die Veränderung von Lebensstilen wie zum Beispiel Nutzen statt Besitzen hat Einfluss auf die Wirtschaft. So werden Billigproduktionen zum Beispiel von T-Shirts in Bangladesch fragwürdiger.
Moderne Informations- und Kommunikationssysteme oder auch soziale
Netzwerke verstärken die Transparenz in der Produktion. Heimische oder
regionale Wertschöpfung ist mehr als ein Trend, es ist neue Lebensweise, die
ökologische und ökonomische Aspekte miteinander verbindet und zu einer
Wertschöpfung durch Wertschätzung führt. Wertschätzung braucht ein
Gesicht, braucht Überschaubarkeit. Die lokale und regionale Wirtschaft
liefert diese neuen Elemente. Ergänzt wird diese Entwicklung durch einen
weiteren Trend, den des „Selbermachens“. Kleine Manufakturen bilden sich,
ihr Marketing findet weitgehend online statt. Damit finden auch Nischenprodukte ihren Markt.
Für die kommunale Wirtschaftsförderung ergeben sich durch diesen
Wandlungsprozess in der Wirtschaft und der Gesellschaft neue Chancen für
die Belebung lokaler und regionaler Räume. Was ist neu in der Region? Wie
setzen sich die Wertschöpfungsketten in einer weitgehend digitalen Welt
zusammen? Welche modernen Infrastrukturen müssen Städte und Gemeinden künftig vorhalten? Welche Auswirkungen hat das Internet der Dinge auf
die Wirtschaft vor Ort? Wie und wo bilden sich Start-ups? Welchen Beitrag
kann die Wirtschaftsförderung im Rahmen von Unternehmensgründungen
leisten? Welche Chancen ergeben sich für die Kommunen in Deutschland
durch das europäische Arbeitskräftepotenzial der jungen Generation? Wie
können junge Menschen insbesondere aus dem europäischen Ausland
angesichts des dramatisch zunehmenden Facharbeitermangels in Deutschland
zum Beispiel hier einen Ausbildungsplatz finden? Wie kann in den
Kommunen ein kulturelles und kommunikatives Ambiente aufgebaut werden? Welche Merkmale muss eine Willkommenskultur aufweisen? Die
Fragen könnten fortgesetzt werden. Auf die Antworten wird es ankommen.
18
Franz-Reinhard Habbel
Die Wirtschaftsförderung muss künftig ihre kreativen Möglichkeiten komplett ausspielen. Das setzt u.a. eine laufende Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraus. Sie müssen wissen, welche Auswirkungen
neue Technologien auf Menschen und Organisationen haben.
New Work, New Business, New Consumption
Die zunehmende Individualisierung und Demokratisierung der Gesellschaft
macht auch vor der Marktwirtschaft nicht halt. Das Internet und seine
Möglichkeiten der zeit- und raumfreien Kommunikation sorgen für eine
zunehmende Dezentralisierung und Kleinteiligkeit. Ob soziale Wirtschaftsförderung, die Rückbesinnung auf die Regionalität, neue Produktionsformen,
die nicht auf Masse oder Economies of Scale setzen, oder Collaborative
Consumption – Nachhaltigkeit, Ökologie und ein neues Gleichgewicht der
Produktionsfaktoren sind mittlerweile nicht mehr nur Theorie in den Köpfen
Weniger, sie verändern bereits heute unser Wirtschaftsgeschehen.
Die Art und Weise, wie unser Wirtschaftskreislauf funktioniert, hat
Auswirkungen auf unsere gesamte Umwelt. Die Wegwerfgesellschaft, der
Raubbau an der Natur und die moderne Massenindustrie verunreinigen die
Luft und das Wasser. Menschen mit prekären Lebensumständen können ihre
Ideen und Talente ohne Kapital nur schlecht in eine unternehmerische
Tätigkeit umsetzen und die alleinige Fokussierung der Menschen auf ihre
Rolle als Konsumenten verstellt ihnen den Blick auf den Wert der Errungenschaften unserer Wohlstandsgesellschaft.
Doch es gibt Zeichen dafür, dass langsam ein Umdenken stattfindet. Das
steigende Bewusstsein in der Gesellschaft für Ressourcenknappheit, Umweltprobleme und die stetig wachsende Ungleichheit der Lebensverhältnisse
ist Ursache für dieses Umdenken. Das Internet wirkt dazu noch wie ein Katalysator. Schaut man sich mit einer gewissen Sensibilität für diese Themen
in seiner Umgebung um, so gibt es besonders hier in Deutschland viele
Beispiele dafür, dass Menschen die Dinge selbst in die Hand nehmen und
unser Wirtschaftssystem nachhaltig beeinflussen.
New Work in St. Paulis „Makerhood“
Im Hamburger Viertel St. Pauli beispielsweise läuft ein Projekt mit dem
Namen „Makerhood“. Makerhood setzt sich zusammen aus dem englischen
1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 19
Wort für Nachbarschaft „neighbourhood“ und dem Verb „to make“, etwas
machen. Der Name ist treffend, denn das ist genau das, was in diesem Projekt
geschieht. Eine neue innenstädtische Arbeits- und Produktionsform soll die
Trennung von Wohnen und Arbeiten auflösen. Die „Makerhood St. Pauli“
vernetzt Menschen, welche Produkte nicht mehr einfach nur kaufen, sondern
selbst erfinden und herstellen wollen.
Eine kreative Nachbarschaft mit Ateliers, Werkstätten, Laboren, Wohnungen und verschiedensten Working Spaces entstand. Die Makerhood schuf
einen Raum, welcher das alltägliche Wohnen, schöpferisches Gestalten und
Arbeiten sowie Experimentieren miteinander verknüpft. Mithilfe von computergestützten Metall- und Holzfräsen und sogenannten 3D-Druckern können
dort Unikate, Ersatzteile, die es längst nicht mehr zu kaufen gibt, Dinge, die
man sich nicht leisten kann, oder ganz einfach Dinge, die es bislang nur in
den Köpfen der Menschen gab, kostengünstig entwickelt werden. Die
Community der Produzenten im Hamburger Kiez verschmelzen die Rollen
Konsument und Produzent. Eine innovative Form des Wirtschaftens, welche
sowohl auf Regionalität als auch auf dem Potenzial und den Talenten aller
Beteiligten des Wirtschaftskreislaufes beruht, wird im „Makerhood St. Pauli“
zum Leben erweckt.
Der aus Sachsen stammende Frontmann der „New Work“-Bewegung, der
Philosoph Frithjof Bergmann, sagt in seinem Buch Neue Arbeit. Neue Kultur:
„Das Rückgrat dieser neuen Ökonomie besteht darin, dass wir unablässig und
Schritt für Schritt zu einer Wirtschaftsform fortschreiten, in der wir unsere
eigenen Produkte herstellen!“ (Bergmann 2004). Auch Klaus Schwab, der
Gründer des World Economic Forum, spricht von einer neuen Ökonomie,
welche sich in den nächsten Jahren in ihren Grundannahmen ändern wird.
Auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos sprach er davon, dass
die Rolle des Kapitals in mittlerer Frist durch die steigende Bedeutung der
Kreativität und der Fähigkeit zu Innovation ersetzt wird. Die Talente und
Ideen der Menschen werden ein noch entscheidenderer Faktor im kompletten
Produktionsablauf von Gütern und Dienstleistungen (vgl. Schwab 2012).
Neben dem materiellen Output der Hamburger „Makerhood“ wird dort
auch ein immaterieller Output produziert. Dazu zählt der geleistete Wissenstransfer, die Vernetzung und Sensibilisierung der Nachbarschaft füreinander, der Transfer von Kompetenzen, die Demokratisierung der Produktion, die Individualisierung der Produkte und zu guter Letzt wird in der
„Makerhood“ das gute Gefühl erzeugt, etwas selbst erschaffen zu haben.
Durch dieses Konzept werden also nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, diese
20
Franz-Reinhard Habbel
Form des gemeinsamen Produzierens stärkt auch die Innovationsdynamik
aller beteiligten Akteure. Die „Maker“ inspirieren sich gegenseitig, schaukeln
sich immer wieder zu neuen Produkten und Kollaborationen hoch. Die offene
und hierarchiefreie Struktur des „Makerhoods“ lässt erst gar keine Barrieren
für Gedanken und Kooperationen entstehen. Ein sich immer wieder mit
neuen innovativen Ideen selbst bestäubendes Perpetuum Mobile wurde geschaffen.
Die Dezentralität und Individualität der Philosophie dieser produzierenden Nachbarschaft ist ein Zahnrad im Getriebe der derzeitigen Veränderung
des Aufbaus unserer Marktwirtschaft. Der Trend geht hin zu mehr
Demokratie, einer gesteigerten Aktivität des Individuums sowie fortschreitender Dezentralisierung und – parallel zur Globalisierung – einer Rückbesinnung auf das Regionale.
Globalisierung versus Regionalisierung
Moderne Kommunikations- und Informationstechnologie fördert nach der
Globalisierungsthese die Unabhängigkeit der Wirtschaft von geografischen
Gegebenheiten oder Entfernungen. Multinationale Großunternehmen spalten
ihre unternehmerischen Prozesse auf und siedeln die jeweiligen Segmente
dort an, wo die entsprechenden Rahmenbedingungen günstig sind. Entwicklung und Forschung wird da betrieben, wo man auf ein dafür geeignetes
Umfeld trifft: im Zentrum und der Peripherie von Technologiezentren und
Universitäten in hochentwickelten Ländern wie Deutschland und den USA.
Die Unternehmenszentralen und Hauptgeschäftsstellen werden in Regionen
und Länder wie die Schweiz verlagert, wo die steuerlichen Rahmenbedingungen entsprechend günstig sind. Die Produktionsprozesse entstehen dort,
wo die Betriebs- und Lohnkosten niedrig sind. Doch selbst in Schwellenländern steigen die Energie-, Transport- und Arbeitskosten ständig an.
Bedenkt man nun noch die Risiken von langen Transportwegen, politischen
Unruhen, Verständigungsproblemen, ein möglicherweise niedrigeres Bildungsniveau und Naturkatastrophen, so ist die Idee der globalen Just-in-timeProduktion ein wenig zu optimistisch gedacht. Es gibt mittlerweile genügend
Beispiele von deutschen mittelständischen Unternehmen, welche unter dem
psychologischen Druck der Globalisierung und dem eigenen Anspruch,
immer mit den neuesten Trends mitzuhalten, mit ihrer Produktion um den
kompletten Globus reisten, um am Ende wieder zu Hause in der Heimatge-
1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 21
meinde anzukommen. Verlagert man einen Teil der Produktion beispielsweise nach China, sind Transportwege und Lieferzeiten zu lang, die Qualität
oft nur ungenügend und die Betriebsabläufe zu kompliziert. Eginhard Vietz,
Chef der Vietz Pipeline Equipment GmbH, zog aufgrund von Wirtschaftsspionage seine komplette Produktion aus China zurück. Heute wird wieder
im Umland von Leipzig und Hannover gefertigt.
Auch die Fackelmann GmbH & Co. KG holte ihre Produktion nach
Deutschland zurück, nachdem sie erst einige Jahre zuvor in China die
Fabrikation anlaufen ließ. Als Gründe werden steigende Lohn- und Transportkosten der ohnehin unflexiblen Herstellung in China genannt. Der CEO
des Unternehmens, Alexander Fackelmann, ist davon überzeugt, dass in
nächster Zeit mehrere deutsche Unternehmen ihre Produktion wieder in die
Heimat verschiffen werden: „Der Markt hat einen dazu gezwungen, um zu
überleben. Jetzt dreht sich das Rad der Geschichte wieder zurück.“ Aber sind
Globalisierung und Regionalisierung wirklich ein Widerspruch oder vielmehr
zwei Entwicklungen ein und desselben Prozesses? Nach Jahrzehnten des
Outsourcings erlebt die regionale Wertschätzung zurzeit eine Renaissance.
Welche Konsequenzen hat das nun für die Wirtschaft und das allgemeine
Leben in der Region und welche Chancen ergeben sich daraus? In den eher
strukturschwachen neuen Bundesländern ist zunächst einmal festzuhalten,
dass sich die dortige Wirtschaft langsam aber stetig vom Schock der Umkehr
des Wirtschaftssystems erholt, auch aufgrund der Lohnkosten, welche immer
noch geringer als in den alten Bundesländern sind. Sorgen bereiten allerdings
andere Zahlen. Laut dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft sind
die Investitionen in Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland dramatisch gering (vgl. Wissenschaftsstatistik 2012: 40). Die Unternehmen des
bundesweiten Spitzenreiters Baden-Württemberg verbuchen Ausgaben im
Bereich der Forschung und Entwicklung von 1.100 Euro je Einwohner. In
Sachsen sind es 230 Euro, in Thüringen 200, in Sachsen-Anhalt 70 und in
Mecklenburg-Vorpommern nur 60 Euro pro Einwohner. Ob dieser Rückstand in mittlerer Frist aufgeholt werden kann, ist fraglich. Abgesehen von
einigen Zentren – wie Berlin, Chemnitz, Jena, Dresden und Leipzig – sind in
den neuen Bundesländern die Landwirtschaft und Industrie, also die Produktion, die entscheidenden Wirtschaftsfaktoren. Die Lohnkosten stehen im
Vergleich mit der Ausbildung und des Know-hows der Arbeitskräfte aus
Arbeitgebersicht in einem guten Verhältnis. Das Opel-Werk in Eisenach ist
auch deshalb der rentabelste und gesichertste deutsche Opel-Standort überhaupt.
22
Franz-Reinhard Habbel
In gesamtdeutscher Sicht lässt sich der ländliche Raum schon aufgrund
des Süd-Nord- und West-Ost-Gefälles bei bestimmten wirtschaftlichen Indikatoren nicht als eine homogene Masse betrachten, welche nur ein einziges
Allheilmittel benötigt, um eine Lösung für die Probleme verschiedener
Kommunen zu finden. Doch einige grundlegende Bausteine müssen überall
gelegt werden, damit die Vitalisierung des ländlichen Raums in Deutschland
nicht ins Stocken gerät und die Vorteile einer Regionalisierung genutzt
werden können. Der Breitbandausbau ist eine tragende Säule für die zukünftige Entwicklung der Standorte auf dem Land. Vorstellbar wäre beispielsweise die Bildung von verlängerten Werkbänken für die Agglomerationsräume. Die Entwicklungsarbeit und das Design von Produkten finden im
städtischen Zentrum statt und die Produktion verlagert sich, gestützt durch
schnelle Gigabitleitungen, in die ländlichen Randgebiete dieser Zentren. Die
Transaktionskosten bleiben dadurch überschaubar und Transportwege und
-kosten fallen durch Logistikzentren, welche sich schon jetzt bevorzugt in
Randgebieten ansiedeln, gering aus.
Die oben beschriebene Idee des „Makerhoods“ findet nicht nur in Großstädten, sondern auch in ländlichen Räumen Anwendung. Örtliche
Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe beliefern vornehmlich Kunden aus
der eigenen Nachbarschaft. Die Bewohner einer Gemeinde holen sich ihren
Sonntagsbraten vom örtlichen Metzger. Dieser genießt das Vertrauen seiner
Kunden, der Ursprung und die Herstellung des Fleisches aus dem Supermarkt bleibt für viele Verbraucher etwas Unbekanntes und damit ein rotes
Tuch. Die Regionalität von wirtschaftlichem Handeln und deren Vorteile
sind also auch auf psychologische Gründe zurückzuführen. Mittelständische
Unternehmen, welche schon seit Jahrzehnten in ihrer Region verwurzelt sind,
schöpfen aus dem Vertrauen und den Beziehungen der beteiligten Akteure –
sozusagen Wertschöpfung aus langjährigem Vertrauen.
Eine flexible Produktion benötigt laut der These der zunehmenden Regionalisierung räumliche Nähe betriebsinterner und -externer Dienstleistungsunternehmen und Zuliefererbetriebe. Produkt- und Prozessinnovationen
erfordern einen ständigen, persönlichen Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Fertigung, Forschung und Entwicklung, Marketing, Finanzierung sowie Kontakt zu staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen
vor Ort. Durch die räumliche Nähe sinken die unternehmerischen Transaktions- und Organisationskosten. Dies ist besonders bei innovationslastigen
Produkten der Fall, da bei diesen noch wenig institutionalisiertes und allgemein zugängliches Wissen vorliegt. Deshalb ist für unsere technologie-
1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 23
basierte Wirtschaft impliziertes (also personengebundenes) Wissen von
hoher Bedeutung. Dieses Wissen kann in regionalen Netzwerken schneller
fließen und übt somit positive regionale Effekte aus. Durch intensive persönliche Beziehungen, welche in regionalen Verflechtungen von mittelständischen Unternehmen naturgemäß eine größere Rolle spielen als bei multinationalen Großkonzernen, können die Informationen unserer, auf Wissen
und Innovation basierenden Wirtschaft schneller fließen. Damit dieser Fluss
von Wissen auch in Zukunft gesichert werden kann, ist der Breitbandausbau
mit Gigabitleitungen von herausragender Wichtigkeit.
Trotz dieser Regionalisierungstendenzen und der Rückbesinnung auf die
Vorteile der lokalen Cluster lässt sich die in der Bevölkerung oftmals negativ
besetzte Globalisierung nicht aufhalten. Warum auch? Der Erfolg unserer
Mittelständler im internationalen Wettbewerb und Platz drei bei der Exportweltmeisterschaft 2011 zeigen, dass Deutschland sich nicht zu verstecken
braucht und Profiteur der Globalisierung ist.
Globalisierung und Regionalisierung sind dynamische Prozesse, von denen keiner weiß, ob sie einen Endpunkt haben. Kann unsere Welt vollkommen „globalisiert“ bzw. „regionalisiert“ sein? Sicher ist jedoch, dass sich
diese beiden Prozesse nicht in entgegensetzte Richtungen, sondern Hand in
Hand laufen. So bedingt eine globale Wettbewerbsfähigkeit die jeweilig optimale Ausschöpfung der Gegebenheiten und Stärken der einzelnen Regionen
vor Ort. Die Verwurzelung in regional ansässigen, ökonomischen und
sozialen Netzwerken und eine gleichzeitige weltweite Wertschöpfung macht
ein erfolgreich wirtschaftendes transnationales Unternehmen aus.
Ein weiterer Aspekt der Rückbesinnung auf Herkunft und Region liegt
auch in der Dezentralisierung und Individualisierung des privaten Wirtschaftens. Subsidiarität und Eigenverantwortlichkeit spielen in Zeiten leerer
Kassen und der damit verbundenen, nötigen Einschränkung der staatlichen
Fürsorgeleistungen eine immer wichtigere Rolle.
Nutzen statt Besitzen – Das Aufkommen eines neuen
Verständnisses des Konsums, des Besitzes und des Gebrauchens
Wer auf Facebook ist, kennt das: „Freunde“ posten, dass sie ein Loch bohren
wollen und deswegen eine Bohrmaschine brauchen. „Hat jemand eine, die er
mir für einen Tag borgen kann?“, lautet dann oft die Frage, welche an die
300 „Freunde“ gestellt wird. Das Erstaunliche ist, dass diese Vorgehensweise
24
Franz-Reinhard Habbel
anscheinend zumeist funktioniert und man jemanden findet, der einem das
Gerät borgt. Angesichts der Tatsache, dass eine Bohrmaschine bisweilen nur
15 Minuten während der gesamten Lebenszeit des Werkzeuges genutzt wird,
die eindeutig bessere Lösung, als zum Beispiel 50 Euro für den Kauf einer
solchen Maschine auszugeben.
Ein weiteres Beispiel für die Veränderung des Konsumverhaltens ist das
größte deutsche Mitfahrgelegenheit-Portal seiner Art: „mitfahrgelegenheit.de“. Grundprinzip ist, dass jeder, der eine Fahrt geplant hat und einen
oder mehrere Plätze in seinem Privatfahrzeug frei hat, auf der Website von
„mitfahrgelegenheit.de“ sein Angebot und seine Telefonnummer listen lässt.
Andere, die auf einer Suche nach einer Mitfahrgelegenheit sind, kontaktieren
dann den Bieter der Mitfahrgelegenheit und vereinbaren alles weitere dann
im privaten Kontakt. Und das funktioniert gut. Seit einem Jahr sind die
Seitenaufrufe auf „mitfahrgelegenheit.de“ um 30 Prozent gestiegen. An
einem Tag im Mai fuhren über 4.000 Mitfahrgelegenheiten allein von Berlin
ab. Verkehrspolitisch darf man die Masse des über Mitfahrgelegenheiten
geregelten Individualverkehrs nicht unterschätzen, auch wenn man keine
genauen Methoden zur Messung dieser Art von Fortbewegung hat. Sogar
fiskalisch werden Mitfahrgelegenheiten immer bedeutender. Tagtäglich
werden dort mittelweile beträchtliche Umsätze getätigt.
Vergleicht man den Sozialstatus, welchen ein Auto noch vor 20 oder 30
Jahren ausstrahlte, dann hat sich diese Wirkung bis heute grundlegend
geändert. Für die heutige Generation der jungen Führerscheinbesitzer ist es
eher ein Übel als ein Gut, ein Auto zu besitzen. In den 80er-Jahren war es
noch der Traum eines jeden 18-jährigen Mannes, sein eigenes Auto zu fahren
und es jedes Wochenende auf Hochglanz zu polieren. Heute ist ein eigenes
Auto für die meisten Jugendlichen, wenn sie nicht gerade im ländlichen
Bereich wohnen und auf ein Auto angewiesen sind, ein Klotz am Bein. Das
Geld ist knapp, Versicherung und Steuern kosten zusätzlich, das Benzin wird
immer teurer und Parkplätze sind in der Stadt sowieso ein knappes Gut. Das
Ende des Kulturmodells Massenmotorisierung wurde schon vor einigen
Jahren eingeläutet. Ist man dennoch ab und an auf ein Auto angewiesen, gibt
es (in Deutschland seit mittlerweile über 20 Jahren) das Car Sharing. In
nahezu jeder deutschen Stadt gibt es Anbieter von solchen „GemeinschaftsAutos“. Die Grundidee, welche allen Formen von Car Sharing gleich ist, ist,
dass ein Auto mehreren Leuten gleichzeitig bzw. dem Car-Sharing-Unternehmen gehört, es aber jeder nach gegenseitiger Absprache und Abgabe einer
Gebühr nutzen kann.
1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 25
Diese drei beschriebenen Beispiele stehen nur stellvertretend für den
Mentalitätswechsel beim Konsum, welcher sich Collaborative Consumption
nennt. Die alte Systematik hieß: kaufen, gebrauchen, entsorgen. Vor allem
durch das Internet und dessen Möglichkeiten sind nun aber intelligentere
Formen des Konsums möglich. Dies eröffnet Unternehmen vollkommen
neue Chancen, Märkte und Geschäftsmodelle. Ganz verabschiedet von der
Wegwerfgesellschaft haben wir uns sicherlich noch nicht, es findet aber
zunehmend eine Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Konsumgewohnheiten, wenn auch teilweise lediglich durch einen finanziellen
Zwang, statt.
Grundsätzlich ist die Idee, die hinter dem Gedanken der Collaborative
Consumption steht, nicht neu. Nicht alles, was man nutzen möchte, möchte
man auch kaufen. Mieten war schon immer Teil des Konsumverhaltens. Die
Bandbreite der Produkte und Leistungen, welche schon immer über den
klassischen Mietansatz genutzt wurden ist lang: Ob Auto, Wohnungsraum,
Ski für den Tagesausflug in die Berge oder der Strandkorb an der Ostsee. Der
Ansatz des „Besitzes auf Zeit“ bzw. des Nutzens fremder Objekte hat nun
aber durch die Möglichkeiten des Web 2.0, welche nun auch in der gesamten
Breite der Bevölkerung angekommen sind, ein ganz anderes Ausmaß in
quantitativer und vor allem qualitativer Hinsicht erreicht. Die größten Hürden, welche durch das Web 2.0 abgebaut wurden, liegen in der Schwierigkeit
der Abwicklung von Tausch- und Leihgeschäften. Die Kommunikation der
Akteure, die Informationsbeschaffung, die Zahlungsabwicklung sowie die
Geschwindigkeit und Einfachheit aller Prozesse wurde durch die Möglichkeiten des Internets immens verbessert.
Der amerikanische Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin geht so weit,
dass er sagt: „Der Austausch von Eigentum zwischen Verkäufern und Käufern – das Grundschema des neuzeitlichen Marktsystems – wird abgelöst
vom kurzfristigen Zugang“ (Rifkin 2007: 11). Dies würde eine Revolution
unserer Marktwirtschaft bedeuten, die unser gesellschaftliches Konzept in
ihren Grundfesten erschüttern würde: aller Voraussicht nach eine Erschütterung hin zu mehr Effizienz, Nachhaltigkeit, ausgewogener Güterverteilung
und Ökologie.
Wir stehen also möglichen Anpassungen der ökonomischen Theorie auf
der Angebots- und Nachfrageseite gegenüber. Etwas wissenschaftlicher formuliert: Wir können nicht mehr von den früher üblichen Gesetzmäßigkeiten
der Konsumgüternachfrage ausgehen. Bei Einkommenssteigerungen steigt
die Nachfrage bald möglicherweise nicht mehr so stark an, wie es früher
26
Franz-Reinhard Habbel
üblich war. Es ist nur logisch, dass weniger gekauft wird, wenn wir immer
mehr teilen, tauschen und kollaborativen Konsum betreiben. Auf der
Angebotsseite kann, durch die beschriebenen Ansätze der Verschmelzung
von Konsument und Produzent, womöglich nicht mehr von den bisherigen
Entwicklungen der Arbeits- und Kapitalnachfrage ausgegangen werden. Das
Marktgleichgewicht könnte sich also neu definieren.
Natürlich geschieht das nicht alles von jetzt auf gleich, wenn sich eine
solche Veränderung überhaupt einstellt. Die Gesellschaften der neuen Player
der Weltwirtschaft China, Indien und Brasilien setzen auf ein klassisches
Marktmodell mit klarer Rollenverteilung zwischen Produzent und Konsument. Industrie, Ressourcen, Güterproduktion, Finanzwirtschaft und eine
Abhängigkeit von den großen Absatzmärkten, neuerdings auch der jeweilige
Binnenmarkt, geben in der Wirtschaftspolitik den Ton an. Doch in den
westlichen Gesellschaften wie USA, Mitteleuropa und Japan, welche die
Industrialisierung und wirtschaftliche Entwicklung schon seit einem Jahrhundert durchlaufen, besteht die oben ausgeführte Möglichkeit des Neu-Denkens unseres wirtschaftlichen Zusammenlebens. Allein diese Möglichkeit
verpflichtet uns dazu, über Konsequenzen und Maßnahmen, welche den
Übergang möglichst turbulenzfrei gestalten können, nachzudenken.
Maßnahmen für eine Wirtschaftsförderung 2.0
Dass diese neue Wirtschaftsstruktur näher ist, als man zunächst meint, zeigt
die weltweite Entwicklung virtueller Unternehmen. Bestes Beispiel dafür ist
Berlin. In der Stadt, die in der Start-up-Szene für gezielte Förderungen
bekannt ist, finden 12% der deutschen Start-up-Gründungen statt. Was als
kleine Szene begann, ist seit 2008 um 44% gewachsen. Mit rund 8 Milliarden
Euro erwirtschaften die Berliner Start-ups über 4% der Gesamtwirtschaftsleistung der Hauptstadt und mehr Umsatz als die Bauwirtschaft. 47.000
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schuf die Branche. Da das volle
Potenzial des virtuellen Marktes noch nicht ausgeschöpft ist, lässt sich ein
rapides Wachstum erwarten. Start-ups zeichnen sich dadurch aus, dass ihre
Unternehmensstruktur ganz oder teilweise dematerialisiert ist. Das schließt
auch ihre Produkte mit ein. Viele virtuelle Unternehmen entwickeln Software
oder Applikationen für mobile Endgeräte. Diese Produkte brauchen keine
Lagerhallen oder eine umfassende Infrastruktur. Gebäude und Maschinenparks sind schon lange kein ausschließliches Zeichen für Unternehmens-
1.2 Moderne Wirtschaftsförderung – Wie Kommunen aus dem Vollen ... 27
stärke mehr. Dieser Wandel hin zur Dematerialisierung hat für die Kommunen weitreichende Folgen. Die Entwicklung führt zu einer weitgehenden
Entgrenzung von Unternehmen und damit zu einem Problem für die
klassische, raumbezogene kommunale Wirtschaftsförderung. Der physische
Standort wird für Firmen immer unbedeutender. Forschung, Produktion und
Entwicklung finden unabhängig von der Lage statt. Ortsgebundenheit gehört
der Vergangenheit an. Für ein vollständig virtuelles Unternehmen besteht
kein Problem, den Unternehmenssitz per Mausklick innerhalb einer Nacht an
einen anderen Ort zu verlagern. Auch konventionelle Produkte und Unternehmensteile werden zusehends virtuell. Das Design von Autoteilen zum
Beispiel erfolgt im Computer und nicht mehr an der Werkbank. Um möglichst effizient zu wirtschaften, greifen viele Unternehmen auf eine Vielzahl
von Wertschöpfungspartnern zurück und bauen strategische Allianzen auf.
Einzelne Produktions- und Dienstleistungsbereiche können so wie ein Baukastensystem ständig neu zusammengesteckt werden. Neue Technologien
und die Globalisierung fördern diesen Prozess. Auf dynamischen Märkten
können diese Formen der Zusammenarbeit genauso schnell wieder entstehen
wie wieder zerfallen. Unternehmensführung heißt künftig auch Kooperationsmanagement.
Diese Branche, genau wie auch virtuelle Teilbereiche global agierender
Unternehmen, verlangt nach neuen Förderungskonzepten. Unternehmen
orientieren sich bei der Wahl ihres Standortes an neuen Faktoren. Eine dieser
Maßnahmen ist zum Beispiel der allgemeine Zugriff auf Verwaltungsdaten.
Das Prinzip Open Data meint die Bereitstellung öffentlicher Daten der
Behörden. Die Daten bergen ein ungeahntes wirtschaftliches Potenzial, das
durch den Zugriff auf Verwaltungsdaten zur Verfügung gestellt werden kann.
Letztendlich kann auch die Forschung mithilfe von öffentlichem Wissen
innovative Lösungen zur Verbesserung des gesellschaftlichen Umfeldes
beitragen. Der Schritt der Veröffentlichung von Daten verlangt auch nach
einer digitalisierten Verwaltung. Schon jetzt zeigt sich vielerorts in Deutschland die Bereitschaft, das Internet in Verwaltungsprozesse zu integrieren.
Digitale Formulare sind in einigen Jahren an der Tagesordnung. Auch was
die Bürgerbeteiligung betrifft, wird das Internet immer mehr zum Dialogfenster mit dem Bürger. Doch auch hier zeigt sich immer mehr der Trend
einer demokratisierten Gesellschaft. Auch hier liegt die Zukunft im Selbermachen. Durch Crowdfunding-Plattformen lassen sich Mitstreiter für eigene
urbane Projekte finden und animieren. Somit steht es jedem frei eine Idee in
seiner Kommune zu formulieren und mithilfe von anderen Bürgern die Fi-
28
Franz-Reinhard Habbel
nanzierung sicherzustellen. Das führt nicht nur zu einer neuen Wahrnehmung
gegenüber dem regionalen Umfeld, sondern kann auch eine wirtschaftliche
Dimension erreichen. Schon im ersten Quartal 2013 lag die über Crowdfundingplattformen gesammelten Investitionssummen bei über einer Millionen Euro. Und das, obwohl Crowdfunding noch eher unbekannt ist. Welche
Dimensionen Crowdfunding-Projekte annehmen können, zeigt sich in Rotterdam, wo eine Fußgängerbrücke über mehrere viel befahrene Straßen
gebaut wird. Neben Privatpersonen beteiligen sich hier auch Firmen an der
„Schwarmfinanzierung“. Neben dem reinen Bürgerengagement wird es künftig mehr Unternehmensengagement geben. Für die Kommunalpolitik bedeutet dies ein riesiges Potenzial an Fremdengagement. Es ergeben sich neue
Chancen für Entrepreneure, die „Projektfirmen auf Zeit“ einrichten und
führen könnten. Im Rahmen einer modernen Wirtschaftsförderung könnten
Städte und Gemeinden gute Rahmenbedingungen für solches unternehmerische Handeln schaffen, wie zum Beispiel Unterstützung von Communities
oder die Bekanntmachung von Plattformen. Auch solche Start-ups können
sich durch Crowdinvesting über Bürgerbeteiligung finanzieren. Das Engagement um virtuelle Unternehmen hat also auch Vorteile für die Kommune. Je mehr sich eine Gemeinde für diese neuen Projekte öffnet, desto
anziehender wirkt sie dann als Standort für weitere Unternehmen.
Quellen
Bergmann, Frithjof (2004): Neue Arbeit. Neue Kultur – Ein Manifest, Freiamt; zit.
nach: http://www.heise.de/tr/blog/artikel/Die-Zukunft-der-Produktion-271560.html
<3.9.2013>
Rifkin, Jeremy (2007): Access – Das Verschwinden des Eigentums, Frankfurt/Main
Schwab, Klaus (2012): Was nach dem Kapitalismus kommt, in: Süddeutsche.de vom
11.04.2012,
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/world-economic-forum-indavos-was-nach-dem-kapitalismus-kommt-1.1329375 <3.9.2013>
Wissenschaftsstatistik gGmbH im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
(2012): FuE-Datenreport 2012 – Analysen und Vergleiche, Essen
1.3 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement
1.3
29
Wertschöpfung in der Wirtschaft
ist aktives Grenzmanagement 1
Andreas Huber
Kurzfassung: Andreas Huber beschreibt, wie der Einsatz von Web 2.0
als Managementkonzept im öffentlichen Sektor dabei hilft, Synergien
und Produktivitätsreserven in der Wirtschaftsförderung zu erschließen. Dazu zeigt er, wie Wirtschaftsförderer und Unternehmer dazu die
Grenzen ihrer Organisationen überschreiten und in Netzwerken zusammenarbeiten, um ihre Stärken für die Wirtschaftsförderung zu
kombinieren.
Autor: Andreas Huber, Experte für Strategie- und Organisationsberatung, Wirtschaftsförderung, online-basierte Formen der Kooperation bei Web 2.0 und interkommunale Zusammenarbeit.
Wirtschaftsförderung ist eine wichtige kommunale Aufgabe
Für die Handlungsfähigkeit einer Kommune spielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ansässiger Unternehmen eine zentrale Rolle. Erst durch eine
funktionierende Wirtschaft können Steuereinnahmen entstehen, die die Kommune z.B. für soziale Leistungen verwenden kann. Zudem entstehen nur mit
leistungsfähigen Unternehmen Arbeitsplätze, die den Bürgern einer Kommune das Auskommen sichern.
Die Förderung der Wirtschaft ist damit eine der besonders wichtigen
kommunalen Aufgaben. Eine erfolgreiche kommunale Wirtschaftspolitik
stärkt das Image der Kommune und ist die beste Werbung für Investitionen
vor Ort. Es ist daher im Interesse aller Kommunen, Begleiter der Wirtschaft
zu sein – oder wie es der verstorbene OB Erwin aus Düsseldorf ausgedrückt
hatte: „In meiner Verwaltung arbeiten nur Wirtschaftsförderer“.
Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen Kommunen ganz neue Möglichkeiten, die Wirtschaftsförderung noch erfolgreicher zu gestalten. Wirtschaftsförderung ist eine kommunale Funktion, bei
1 Der Beitrag wurde bereits im Sammelband „Wirtschaftsförderung 2.0“ veröffentlicht
(s. www.wirtschaftsfoerderung20.de).
30
Andreas Huber
der es um ein Management von Beziehungen über die Grenzen der öffentlichen Verwaltung hinaus geht. Gerade die Technologien des sozialen Internets, des Web 2.0, können Beziehungen zwischen Unternehmen und Verwaltungen völlig neu gestalten.
Ein mögliches Beispiel ist die Zusammenarbeit von Unternehmen und
Behörde beim Schaffen einer Wissensplattform: Informationen zur Wirtschaftsförderung in einer Region werden künftig nicht mehr nur von der
Behörde kommen. Ein Unternehmen, das in dieser Region investieren will,
wird künftig auf eine Wissensplattform zugreifen können, die von Unternehmen und Kommunen einer Region gemeinsam erschaffen wurde. Unternehmen erhalten so nicht nur „neutrale“ Informationen der Behörde, sondern
können sich auch über die Erfahrungen anderer Unternehmen der Region
informieren. Die Grenzen zwischen der Behörde als Informationserbringer
und dem Unternehmen als Informationsempfänger verschwinden damit völlig. Verwaltung und Unternehmen sind nicht mehr strikt getrennte Strukturen: Unternehmen werden zum Partner der Verwaltung. Beide arbeiten zusammen und können so gemeinsam bessere Informationen zur Wirtschaftsförderung bereitstellen.
Aktivierendes Grenzmanagement ist die Kombination der Stärken
aller Akteure in einer Kommune
Dies ist nur ein Beispiel, wie eine Wirtschaftsförderung 2.0 im Kern einen
Paradigmenwechsel der Innen- und Außenbeziehungen bewirken kann, der
weitreichende strategische Auswirkungen auf die Kommunikations- und
Interaktionswege sowohl von Unternehmen wie auch dem öffentlichen Sektor hat. Web 2.0 wirkt wie ein Mittler zwischen den Unternehmen und den
Behörden. Eine Web-2.0-Plattform stellt ein neutrales Territorium sowohl für
Unternehmen wie Behörden dar. Entscheidend ist, dass diese Plattformen so
gestaltet sind, dass sowohl Unternehmen wie Behörden eine gleichberechtigte Rolle spielen. In dem Beispiel des Aufbaus einer gemeinsamen Wissensplattform für die kommunale Wirtschaftsförderung kann dies bedeuten,
dass eine Information des Unternehmens den gleichen Wert hat wie eine
Information der Behörde. Auf diese Weise können sowohl Unternehmen wie
Behörden bei Funktionen wie Information, Beratung oder Marketing ihre jeweiligen Stärken einbringen. Dieses Ergänzen der Stärken der Partner ist mit
dem Begriff „aktivierendes Grenzmanagement“ gemeint. Behörden und Un-
1.3 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement
31
ternehmen profitieren durch eine gemeinsame Anstrengung als gleichberechtigte Partner beide von einer besseren Wirtschaftsförderung („aktivierend“),
indem sie die Grenzen ihrer jeweiligen Organisationen gezielt überschreiten
(„Grenzmanagement“).
Unternehmen nutzen Web 2.0 – Kommunen müssen nachziehen
Darüber hinaus ist die Beschäftigung einer Kommune mit dem Thema Web
2.0 vor allem deshalb wichtig, weil Unternehmen schon heute damit begonnen haben, die Chancen des sozialen Webs zu nutzen. Das eigentlich Neue
am Web 2.0 ist, dass es einzelnen Internetbenutzern ermöglicht, auf sehr
einfache Weise Inhalte zu erstellen und zu gestalten. Die Schwelle für die
Mitgestaltung liegt dabei so niedrig, dass Nutzer sich sogar als unentgeltliche
Informationslieferanten an der Erstellung von Internetangeboten beteiligen
(„User Generated Content“). So arbeiten Menschen, Unternehmen und Behörden zusammen und schaffen Werte (wie etwa bei der Web-2.0-Wissensplattform Wikipedia).
Diese Möglichkeiten nutzen viele Unternehmen schon heute und verändern damit ihre Geschäftsprozesse. So hat die Firma Google mit dem
aktuellen Zukauf der Firma ReCaptcha gezeigt, dass Web 2.0 sehr wohl
massive Synergiepotenziale für Geschäftsprozesse ermöglicht und hier noch
ungeahnte Produktivitätsreserven schlummern. „Captchas“ sind die häufig
anzutreffenden „tanzenden Buchstaben“ bei Webanmeldungen auf Websites.
Anstatt der „tanzenden Buchstaben“ sollen zukünftig fehlerhaft digitalisierte
Teile des Google-Buch-Scans eingeblendet und durch die Erkennung Kunden
ganz anderer Services digitalisiert werden. Wollte Google das mit eigenem
Personal machen, wären hunderte Digitalisierer notwendig. Durch das neue
Web-2.0-Konzept werden normale Internetnutzer ohne eigenen Nachteil
instrumentalisiert und Google erhält die Informationen quasi kostenfrei. Dieses Beispiel ist kein Modell für den öffentlichen Sektor, aber kann verdeutlichen, wie tief in Geschäftsprozesse Web-2.0-Konzepte eingebaut werden
können.
In dieser Publikation geht es darum, wie die Nutzung von Web-2.0-Konzepten zukünftig Kommunikations- und Geschäftsprozesse verändern wird
und wie der öffentliche Sektor hier begleitend tätig werden kann. Gerade für
die Wirtschaftsförderung ist es unumgänglich zu verstehen, welche Auswirkungen diese innovative Form des Wirtschaftens auf ihre Tätigkeiten haben
werden und schon haben.
32
Andreas Huber
Zeitgemäße Wirtschaftsförderung wird sich sowohl mit „Web 2.0“ als
zusätzliche Methode der Geschäftsprozessgestaltung von Unternehmen beschäftigen müssen als auch damit, dass die Wirtschaftsförderung selbst neue
Möglichkeiten der Interaktion mit Unternehmen und anderen Verwaltungen
erhält.
Der öffentliche Sektor als Multiplikator,
Förderer und Nutzer von Web 2.0
Hier ist der öffentliche Sektor also Multiplikator, Förderer und Nutzer von
Web 2.0. Für den öffentlichen Sektor kann dies unter anderem die Nutzung
von Web 2.0 zum Aufbau zusätzlicher Kundenkanäle bedeuten oder eine
neue Haltung im Bezug auf eine aktive Bestandspflege. Eine Aktivierung
bestehender Unternehmen für die Wirtschaftsförderung kann der Kommune
ganz neue Durchschlagskraft verleihen. Web 2.0 ist einerseits dazu geeignet,
Unternehmen anzusprechen, und setzt andererseits die Hürden für eine
Beteiligung der Unternehmen an der Wirtschaftsförderung sehr niedrig. In
diesem Sinne kann die Wirtschaftsförderung selbst zum „user-generated
content“ werden – von dem die Kommune und die Gesamtheit der Unternehmen entscheidend profitieren können. Wirtschaftsförderung ist mit Web
2.0 also noch besser in der Lage, den Auftrag eines aktiven Grenzmanagements wahrzunehmen und die verschiedenen Akteure zusammenzubringen.
Wirtschaftsförderung 2.0 bedeutet für das Management der Wirtschaftsförderung jedoch auch neue Herausforderungen. Das Beziehungsmanagement zu den Unternehmen ändert sich vor allem dadurch, dass die realen
Beziehungsnetzwerke durch virtuelle Netzwerke ergänzt werden. Dadurch
werden andere Anforderungen an die Kommunikationsstrategien einer Kommune nötig. Auch werden in diesem Zusammenhang andere Anforderungen
an das Personal gestellt. Dabei geht es besonders um den Aufbau von Medienkompetenz in Bezug auf soziale Medien. Dieser Aufbau von Medienkompetenz durch eine Wirtschaftsförderung 2.0 trägt natürlich auch zu einem
Gewinn an Reputation bei. Kommunen und Unternehmen begegnen sich in
einer Wirtschaftsförderung 2.0 auf Augenhöhe. Die Kommune kann so ihr
Tätigkeitsfeld ausweiten. Eine Wirtschaftsförderung 2.0 kann deshalb eine
zentrale Komponente sein, um das Selbstveständnis einer Kommune als gesellschaftlichen Vordenker und Partner der Wirtschaft zu stärken.
1.3 Wertschöpfung in der Wirtschaft ist aktives Grenzmanagement
33
Wirtschaftsförderung 2.0 erzielt mehr Reichweite und Effektivität
Zusammenfassend ist der öffentliche Sektor in einer Wirtschaftsförderung
2.0 sowohl Teil als auch Förderer von Wertschöpfungs- und Kommunikationsketten. In einer Wirtschaftsförderung 2.0 werden die Aufgaben der
Kommune immer mehr zu einer Netzwerkarbeit – sowohl in virtuellen und
realen Netzwerken. Entlang der Strukturen dieser Netzwerke entwickeln sich
Wertschöpfungsketten, die über Grenzen von Kommunen und Unternehmen
hinweggehen. Damit verspricht die Wirtschaftsförderung 2.0 die Kombination von Stärken in Netzwerken. Dadurch wird der Wirtschaftsförderung
durch die Zusammenarbeit vieler Akteure mehr Reichweite und mehr Effektivität verliehen.
2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ...
2
Die Rahmenbedingungen schaffen
und Potenziale ausschöpfen
2.1
Heterarchische Organisation von
E-Governance: Kollaborative Entwicklung
von Produkt- und Prozessinnovationen
aus der Sicht von Netzwerkforschung
und Innovationsmanagement
Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser
Kurzfassung: Der öffentliche Sektor sieht sich mit der Notwendigkeit
konfrontiert, Strukturen zu schaffen, die es Bürgern ermöglichen, sich
an Entscheidungsprozessen des öffentlichen Sektors zu beteiligen (vgl.
Gräßer/Hagedorn 2012). Darüber hinaus erfordern Informationsgesellschaften und der hiermit einhergehende Zeitgeist eine unverzügliche Bereitstellung von Daten zum inhaltlichen Hintergrund, beteiligten Akteuren und Fortschrittsinformation zu behandelten Themen
sowie von Service-Einheiten, welche die Kommunikation mit den Bürgern – auch online – zeitnah sicherstellen. Der vorliegende Beitrag
skizziert Verwaltungsdienstleistungen als Produkt- und Prozessinnovationen, die kollaborativ mit den Betroffenen entwickelt werden
können. Zur Annäherung an eine heterarchische Organisation von EGovernance werden Erkenntnisse von Netzwerkforschung und Innovationsmanagement diskutiert.
Autor/innen: Jana Louise Baum studierte Wirtschafts- und Medienwissenschaft an der Universität zu Köln und der Universität Zürich,
mit Vertiefungen in Medienmanagement und Kulturwissenschaft. Seit
Juni 2011 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte für Medienmanagement an der Cologne Business School.
Prof. Dr. Julia Maintz ist Professorin für Internationales Management
und Internetökonomie sowie Leiterin des Fachbereichs Medienmanagement/Innovation an der Cologne Business School. Zuvor arbeitete
35
36
Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser
sie in wissenschaftlichen und Management-Positionen zu den Themenfeldern E-Learning/E-Kooperation und virtuelle Netzwerke für Microsoft Deutschland, die Universität Bonn, das UNESCO-UNEVOC International Center und InWEnt.
Prof. Dr. Markus Raueiser ist Professor für Internationales Management und Economic Geography an der Cologne Business School und
Dekan des Fachbereichs International Business. Zuvor war er in
Forschung und Lehre an der Universität zu Köln und der Copenhagen
Business School tätig.
Elektronische Partizipation
an politischen Entscheidungsprozessen
Im E-Governance-Kontext lassen sich Kommunen und Regionen als Dienstleister für Bürger und Wirtschaft entwerfen, die über partizipative und transparente Prozesse kommunizieren, agieren und sich positionieren. Elektronische Partizipation (E-Partizipation) ist im Kontext von E-Government zu sehen. Grundsätzlich werden in der Partizipationsforschung unter den Begriffen „politische Beteiligung“ bzw. „politische Partizipation“ Tätigkeiten bzw.
Handlungen verstanden, „die Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen,
Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu
beeinflussen“ (Kaase 1992: 339, zit. nach Albrecht et al. 2008: 17). Gemäß
der Studie des Bundesinnenministeriums (vgl. Albrecht et al. 2008) scheint
es sinnvoll, Beteiligungsangebote zu betrachten, die auf der OECD-Systematik für verwaltungs- und politikseitig initiierte Beteiligungsangebote aufbauen (vgl. OECD 2001) und zudem auch solche Aktivitäten einschließen,
die hauptsächlich von Bürgern, Nichtregierungsorganisationen und der Wirtschaft ausgehen und sich an Verwaltung und Politik als Adressaten richten.
Grundsätzlich werden Beteiligungsmöglichkeiten in sechs „Formen“
unterteilt, die offline und online realisiert werden können. Diese sechs im
Zentrum stehenden Beteiligungsformen können wie folgt näher charakterisiert werden (vgl. Albrecht et al. 2008: 17–22):
(1) Information: Angebote, die hauptsächlich auf die Bereitstellung und
Erschließung von Informationen abzielen und damit eine wichtige
Voraussetzung für das Gelingen von Partizipation spielen.
2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ...
37
(2) Transparenz durch Dritte: Informelle Angebote, die über Handlungen
von Institutionen der Legislative oder Exekutive informieren und damit
öffentliche Kontrolle ermöglichen (z.B. Wahlomat).
(3) Beschwerde / Eingabe / Petition: Angebote, die es ermöglichen, Vorschläge oder Beschwerden an zur Entscheidung befugte Stellen und Behörden
zu richten.
(4) Konsultation: Alle Beteiligungsformen, die vorrangig das Ziel verfolgen,
von den Bürgerinnen und Bürgern, von Interessengruppen sowie anderen
Akteuren aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Expertise zu bestimmten
Themen zu nutzen sowie Voten und Meinungen zu vorhandenen Planungen und angesetzten Entscheidungen einzuholen und anschließend abzuwägen.
(5) Kooperation: Angebote, die über das Abfragen von Expertise, Präferenzen und Meinungen hinaus gehen und auf engere und oft auch längere,
auch auf eine auf Einvernehmen ausgerichtete Zusammenarbeit zwischen
Verwaltung bzw. Politik und den Bürgern sowie den zu beteiligenden
Gruppen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft abzielen und auch zu Ergebnissen führen können, die von den ursprünglichen Positionen abweichen.
(6) Aktivismus / Kampagne / Lobbying: Beteiligungsformen, bei denen Einzelpersonen oder organisierte Akteure Maßnahmen ergreifen, die darauf
abzielen, Aufmerksamkeit und Unterstützung für Themen und Positionen, aber auch für partikulare Interessen zu erhalten und die damit einen
Beitrag zur politischen Meinungs- und Willensbildung leisten.
Für die Gestaltung der Partizipationsprozesse bieten sich vielfältige auf
Informations- und Kommunikationstechnologien aufbauende Beteiligungsformate an. Folgende Werkzeuge können zur Umsetzung der Beteiligungsformate eingesetzt werden: E-Mail / Mailinglisten, Webcast (mit Feedbackfunktion), Telefon / Call Center, Online-Eingabeformular, Chat, Instant Messaging, Social Tagging, Social Rating, Quick Poll, Online-Befragung, Videokonferenz, Forum, Wiki, Social Network Sites, Online Communities, virtuelle Welten (vgl. ebd.: 17–22). Bei der Umsetzung der Beteiligungsformate
unter Einsetzung der o.g. „Tools“ kann danach unterschieden werden, ob sie
über mobile Endgeräte bzw. stationär von zuhause oder vom Arbeitsplatz aus
genutzt werden.
Motive für eine Beteiligung auf kommunaler Ebene sind besonders die
Betroffenheit und erwartete Wirksamkeit des individuellen Engagements, auf
Bundesebene vordergründig das persönliche Interesse am jeweiligen Thema,
38
Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser
wobei eine erkennbare Einflussnahme bei Letzterem als eher gering
eingeschätzt wird (vgl. Girrger/Schellong 2010: 4). Darüber hinaus gelten
das Ausmaß und die Qualität des Angebots an Partizipationsmöglichkeiten
als wesentliche Faktoren für die Motivation der Bürger zur politischen
Beteiligung. Für die E-Partizipation gilt dies nach Gabriel und Mößner
(2002: 219) sogar in noch stärkerem Maße. Eine neue Form der Partizipation
von Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen ist, nicht zuletzt durch
die intensive und kontroverse Debatte um Verkehrs- und Stadtplanungsprojekte wie Stuttgart 21 und den Einsatz von direktdemokratischen Werkzeugen und der propagierten Open Government Policy der Piratenpartei in
Deutschland in den Fokus der öffentlichen Diskussion gelangt. Von verschiedenen Seiten wird eine Ablösung von der alten politisch-gesellschaftlichen Ordnung hin zu einem neuen, partizipativen und gesellschaftsorientierten Politikbegriff gefordert, der diese Bottom-up-Bewegung als Prozess
der Lösung gemeinsamer Aufgaben abbildet (vgl. Gohl 2002; Dettling 2008;
Patzelt 2011; Gräßer/ Hagedorn 2012).
Der vorliegende Beitrag skizziert Verwaltungsdienstleistungen als Produkt- und Prozessinnovationen, die kollaborativ mit den Betroffenen entwickelt werden können. Hierbei stellt sich die Frage, in welcher Intensität der
Einfluss von Bürgern und Interessengruppen ausgestaltet werden sollte. In
der extremen Ausprägung einer heterarchischen Organisationsform würde
Beteiligung in selbstbestimmte Steuerung übergehen. In einer Heterarchie
stehen die Einheiten einer Organisation nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis, sondern agieren gleichberechtigt. Jede Einheit besitzt
gleichzeitig eine Steuerungsfunktion und kann Koordinationsprozesse beeinflussen. Zur Annäherung an eine heterarchische Organisation von E-Governance werden Erkenntnisse von Netzwerkforschung und Innovationsmanagement diskutiert.
Kommunikations- und Lernprozesse über (digitale)
soziale Netzwerke und Praktikergemeinschaften
Digitale soziale Medien zeigen ein in Bezug auf Nutzerzahlen bislang ungebremstes Wachstum weltweit. Häufig bildet Kommunikation über digitale
Medien soziale Netzwerkstrukturen ab oder führt zur Ausprägung bzw.
Erweiterung sozialer Netzwerke. Dies gilt sowohl für Online-Netzwerke, die
der beruflichen Vernetzung dienen (wie Xing oder LinkedIn), als auch für
2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ...
39
Online-Netzwerke, die sich auf sozialen Austausch fokussieren (Facebook,
etc.). Weiterhin werden Sites, die der Sammlung von digitaler Information
(Video Sharing Sites wie YouTube, etc.) und Sites, die sich der Klassifizierung von Information über Nutzerinteressen widmen (z.B. Social Bookmarking Sites wie del.icio.us), immer einflussreicher. Digitale soziale Dienste bieten die Möglichkeit, Empfehlungen an vernetzte Personen weiterzugeben (vgl. Bry et al. 2010).
Zur Stimulation des Empfehlungs- und Verlinkungsverhaltens von Internet-Nutzern entwickeln sich seit einigen Jahren kreative Ansätze und Geschäftsmodelle. So bietet beispielsweise der E-Commerce-Anbieter Lockerz
seinen Kunden die Sammlung von Punkten an, wenn sie ihren sozialen Netzwerkkontakten Lockerzprodukte empfehlen bzw. infolge dieser Empfehlungen Netzwerkkontakte Kaufentscheidungen treffen. Gesammelte Punkte führen zu Preisreduktionen bei zukünftigen eigenen Einkäufen des empfehlenden Nutzers. Der Einsatz von Anreizmechanismen, um digitale Partizipation und die Weitergabe von Information zu beeinflussen, könnte auch im
E-Partizipationskontext ausgebaut werden. Denkbar wären hier zum Beispiel
reputationsbasierte Mechanismen, etwa die Veröffentlichung der Autoren
von Vorschlägen, die später über E-Partizipationsverfahren ausgewählt werden.
Kommunikation über (digitale) soziale Netzwerken zeigt sich als hochgradig produktiv zur Unterstützung von Lern- und Innovationsprozessen
(vgl. Granovetter 1973; Constant, Sproull & Kiesler 1996; Burt 1992, 2004;
Nooteboom 2000; Reagans/McEvily 2003; Grabher 2004; Grabher/Maintz
2007; Maintz 2010). Nach Granovetter (1973) werden insbesondere über
schwache Netzwerkbeziehungen, d.h. Netzwerkbeziehungen, die durch vergleichsweise geringe Kontakthäufigkeit und Beziehungsintensität gekennzeichnet sind, besonders häufig neuartige Informationen weitergegeben, die
zur Ideen- und Innovationsgeneration zwischen zuvor nicht verknüpften
Gruppen von Personen führen. Im Vergleich dazu zeigen starke Netzwerkbeziehungen, gekennzeichnet durch hohe Kontakt- und Beziehungsintensität,
eher die Eigenschaft der Zirkulation bereits bekannter Information. Gleichzeitig lässt sich Information besonders effizient über schwache Netzwerkbeziehungen viral verbreiten: “[W]hatever is to be diffused can reach a larger
number of people, and traverse greater social distance (i.e. path length), when
passed through weak ties rather than strong” (Granovetter 1973: 1366).
Das Konzept der Praktikergemeinschaft („Community of Practice“)
bezieht sich auf Gruppen von Individuen, die sich für ähnliche Themenfelder
40
Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser
interessieren und sich informell zur Lösung von Problemstellungen bzgl.
dieser Themenfelder face-to-face und/oder online treffen bzw. kommunizieren. D.h. man kann Praktikergemeinschaften als Netzwerke verstehen, deren
Mitglieder über einen längeren Zeitraum in Kooperation stehen. Studien zu
Praktikergemeinschaften konnten die hohe Kreativität und Problemlösungskompetenz dieser informellen Zusammenschlüsse zeigen (vgl. Brown/Duguid 1991, 2001; Wenger/Snyder 2000; Braun-Thürmann 2005). Die in
Praktikergemeinschaften (häufig) stattfindenden vielschichtigen Analysen
von Sachverhalten und die Tendenz zur schnellen Entwicklung relevanter
Lösungsstrategien wird neben der Kompetenz der Mitglieder insbesondere
mit ihrer selbstmotivierten Teilnahme an der Praktikergemeinschaft erklärt,
die aus Eigeninteresse stattfindet – z.B., um eine Problemstellung zu lösen,
die auch im beruflichen Kontext für sie relevant ist bzw. ein persönliches
Interessensgebiet betrifft (beispielhaft für eine Praktikergemeinschaft ist z.B.
die Linux-Community zu nennen). Weiterhin treffen in Praktikergemeinschaften häufig Personen aus unterschiedlichen Kontexten zusammen, die ein
gemeinsames Interesse teilen – d.h. es werden unterschiedliche Kenntnishorizonte zur Problemlösung eingebracht. Kognitive Dissonanz ist durch die
Möglichkeit zur Rekombination von Wissen für ihr kreatives Potenzial
bekannt (vgl. z.B. Granovetter 1973).
Zielgruppenorientierung durch kollaborative Entwicklung von
Produkten, Dienstleistungen und Prozessen
Seit Eric von Hippel das Konzept der kollaborativen Produktentwicklung
entwarf (vgl. Hippel 1976, 1978, 1986, 1994, 2005), haben viele Studien die
Bedeutung der Integration von Information und Rückmeldung von der Kunden-/Anwendungsseite für zielgruppenorientierte und marktrelevante Produkt- und Prozessinnovationen bestätigt (vgl. z.B. Tapscott/Williams 2006:
77–104; Huston/Sakkab 2006). Viele Unternehmen sind den Pionieren IBM
und Procter & Gamble gefolgt, in Forschungs- und Entwicklungsprozesse in
entscheidendem Maße Kunden offline und online, z.B. in Form von Crowdsourcing über Internet-Communities, zu integrieren. Der Ansatz der kollaborativen bzw. offenen Produkt- und Prozess-Entwicklung erweist sich als
sicher bzgl. der Entwicklung von Produkten/Dienstleistungen und Prozessen,
die auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sind, und darüber hinaus als
effizient in Bezug auf die eingesetzten Eigenmittel.
2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ...
41
Es bietet sich auch für den Bereich E-Governance an, zur Einbringung
von Meinungen beteiligter Akteure partizipative – bis hin zu heterarchischen
– Organisationsformen anzustreben. Hier sollte das Potenzial schneller Lernund Organisationsprozesse über persönliche Netzwerke und der Einbindung
von Praktikergemeinschaften in die Entwicklung von Produkten/Dienstleistungen und Prozessen genutzt werden. Über die Etablierung partizipativer
Strukturen und somit die Ermöglichung von potenziell viraler Weitergabe
von Information über persönliche Netzwerke hinaus könnte über Anreizmechanismen nachgedacht werden, die Individuen bzw. Communities insbesondere zur Verbreitung, Systematisierung und Bewertung von Information motivieren könnten. Dies würde u.a. auch ermöglichen, Beteiligte in die Klassifikation großer Informationsmengen einzubinden (z.B. über Social-Ratingoder Social-Tagging-Werkzeuge).
Mobilität und Ortsgebundenheit von E-Partizipation
Die vierte Generation der mobilen Breitbandnetze wird in den kommenden
Jahren auf internationaler Ebene eine weite Verbreitung finden. Mit der 4GTechnologie beschleunigt sich die mobile Datenübertragung entscheidend.
Darüber hinaus ermöglichen 4G-Netze eine sehr stabile mobile Datenübertragung (vgl. Boztepe et al. 2010). Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach
internetfähigen mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets. Mit der
Verbreitung internetfähiger Endgeräte wird das mobile und spontane Abrufen
von Information zu einem entscheidenden Kommunikationskanal mit Internetnutzern, der sich z.B. derzeit im mobilen Einzelhandel etabliert. Ortsgebundene Dienste können den Nutzer darüber hinaus mit ortsgebundenen
Shop- und Produktinformationen versorgen.
„Augmented Reality“, d.h. „erweiterte Realität“, bedeutet die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Diese Information kann
alle menschlichen Sinnesorgane ansprechen. Besonders fortgeschritten ist die
visuelle Darstellung von Informationen, d.h. die Ergänzung von Bildern oder
Videos mit computergenerierter Zusatzinformation oder virtuellen Objekten
mittels Einblendung/Überlagerung. Im Kontext der rapide wachsenden Verbreitung von Augmented-Reality-fähigen Endgeräten wie Smartphones und
Tablets ist in den kommenden Jahren mit einer schnell zunehmenden Entwicklung und Rezeption von Augmented-Reality-Anwendungen zu rechnen
(vgl. Hong/Mukherjee 2011; Mehler-Bicher et al. 2011). Gleichzeitig bieten
42
Jana Louise Baum, Julia Maintz, Markus Raueiser
mobil abrufbare und Augmented-Reality-Anwendungen großes Potenzial für
E-Partizipationsverfahren. So könnten im E-Partizipationskontext digitale Informationen über Augmented-Reality-Anwendungen ortsgebunden „abgelegt“ und über die Verwendung von Augmented-Reality-fähigen Geräten
abgerufen werden. D.h. es kann Hintergrundinformation zum Beispiel an
Orten abgelegt werden, über die in Beteiligungsverfahren entschieden werden soll. Gleichzeitig wird die direkte Möglichkeit zur elektronischen Abstimmung gegeben. So kann elektronische Partizipation wieder an Orte gebunden werden.
Kollaborative Demokratie
Bisherige Ansätze zur E-Partizipation zeigen Schwächen in Bezug auf das
Erreichen und die Beteiligung ihrer Zielgruppen, die Bereitstellung relevanter Angebote und die Realisierung zügiger und transparenter Auswertungsprozesse, d.h. die Implementierung effizienter Informationsmanagement-Technologien und -Strategien. Dieser Beitrag plädiert für die Einbindung von Betroffenen in die Ausgestaltung von Themenfeldern, Dienstleistungen und Prozessen von Politik und Verwaltung. Über den Einfluss von
Zielgruppen kann eine zielgruppengerechte Entwicklung von Produkten/
Dienstleistungen und Prozessen sichergestellt werden. Allerdings stellt sich
die Frage zur Intensität der Einbindung von Zielgruppen: Sollen sie ausschließlich Einfluss nehmen oder Entscheidungen gleichberechtigt steuern,
d.h. sollte eine heterarchische Organisationsform angestrebt werden?
„Dieses Publikum zerfällt im virtuellen Raum in eine riesige Anzahl von
zersplitterten, durch Spezialinteressen zusammengehaltene Zufallsgruppen.
Auf diese Weise scheinen die bestehenden nationalen Öffentlichkeiten eher
unterminiert zu werden“ (Habermas 2008: 162). Eine mögliche disproportionale Einflussnahme von Interessensgruppen, oder auch internetaffiner sozialer Gruppen, stellt eine Gefährdung demokratischer Grundprinzipien dar.
Zu Realisieren ist insofern ein gleichberechtigter Einfluss aller von Entscheidungen betroffener Gruppen. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass heterarchisch organisierte Aushandlungsprozesse in chaotischen Machtkämpfen
ausgetragen werden.
Es wird insofern vorgeschlagen, dass Service-Einheiten in Politik und
Verwaltung, die über partizipative Verfahren definiert werden, moderierende
und organisatorische Funktionen wahrnehmen, um gleichberechtigte Teil-
2.1 Heterarchische Organisation von E-Governance: Kollaborative ...
43
nahme sicherzustellen, d.h. eine vermittelnde und organisatorische Steuerung
von (Online-) Beteiligungsprozessen übernehmen. Wichtig ist, dass diese
Service-Einheiten partizipativ eingebrachte Inhalte und Strukturen repräsentieren. Es ist zu erwarten, dass sich über eine Realisierung von Strukturen
einer selbstbestimmten Gesellschaft die Bereitschaft zur Partizipation entfaltet.
Quellen
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46
Dirk Heckmann
2.2
Legal Open Data:
Wie offen darf die Verwaltung sein?
Dirk Heckmann
Kurzfassung: Offenheit, Transparenz, „gläserner Staat“: Solche Forderungen werden nicht nur von Piratenpartei oder „Netzgemeinde“
erhoben und tragen ihre Legitimität gleichsam in sich: Wer wollte
gegen Transparenz (des Staates, nicht: seiner Bürger) sein, ohne sich
dem Verdacht der Vetternwirtschaft, der Ineffizienz oder mangelnder
Serviceorientierung auszusetzen? Und doch hat Open Government
Data explizite rechtliche Grenzen.
Autor: Prof. Dr. Dirk Heckmann, MdBayVerfGH, Jahrgang 1960,
zählt zu den IT-Rechts-Pionieren in Deutschland. An der Universität
Passau leitet er die Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik
ForNet, an der Zeppelin Universität Friedrichshafen das Center for
IT-Compliance and Trust. Der Inhaber des bundesweit einzigen
Lehrstuhls für Internetrecht lehrt und forscht seit 15 Jahren zu Rechtsfragen der Internetnutzung, woraus u.a. sein Standardkommentar zum
Internetrecht (Heckmann 2011) hervorgegangen ist.
Offenheit als politisches Versprechen
Open Government. Open Data. Die Forderung nach einer Öffnung der
Verwaltung oder zumindest ihrer Datenbestände für den Bürger ist älter als
das Internet, hat aber durch dieses an Kraft und Realisierungschancen gewonnen. So sind es heute nicht nur die Piratenpartei oder die sog. Netzgemeinde, die sich für eine offene Verwaltung oder gar den „gläsernen Staat“
stark machen. Das Versprechen nach mehr Transparenz und Informationsfreiheit gehört auch bei den etablierten Parteien zum „guten Ton“, ist
Bestandteil der Parteiprogramme und politischen Konzepte von Regierung
und Opposition. Transparenz und Offenheit (oft synonym, zuweilen auch
differenzierend in der Verwendung) sind als politische Forderungen durchweg positiv konnotiert und haben bereits jetzt eine bestätigende normative
Verankerung. Weitaus weniger diskutiert werden die Grenzen solcher Offen-
2.2 Legal Open Data: Wie offen darf die Verwaltung sein?
47
heit im demokratischen Rechtsstaat. Den Forderungen nach Open Data wird
dadurch aber nicht der Wind aus den Segeln genommen.
Transparenz als Rechtsprinzip
Dass der Staat unter den Bedingungen des Grundgesetzes „offen“ sein soll,
und auch offen ist, ist nicht zuletzt eine Folge des Demokratieprinzips und
dessen Umsetzung in einer „gelebten Demokratie“. Hieraus lässt sich Transparenz auch als Verfassungsprinzip herleiten. Volkssouveränität kann es in
einer repräsentativen Demokratie nur geben, wenn sich Staat und Verwaltung
offen zeigen und der Bürger weiß, welche Entscheidungen aus welchem
Grunde ergehen. Deshalb sind Gerichtsverhandlungen in der Regel öffentlich, haben die Bürger Zugang zu den Sitzungen der Vertretungsorgane und
gibt es zahlreiche Vorschriften zu Auskunftsansprüchen der Betroffenen von
Verwaltungsverfahren oder Publizitätsregeln im Hinblick auf Gerichts-,
Verwaltungs- und parlamentarische Entscheidungen. Die einfachgesetzlichen
Ausprägungen dieses Transparenzprinzips gehen aber noch weiter, indem
etwa die Darlegungslast beim Zugang der Bürger zu Verwaltungsinformationen umgekehrt wird. So muss dieser z.B. beim Umweltinformationsgesetz
oder Informationsfreiheitsgesetz nicht darlegen, warum er bestimmte Daten
einsehen möchte. Vielmehr muss die Verwaltung erklären, warum die Information im Einzelfall vorenthalten wird. Auch wenn diese Gesetze nicht das
gesamte Verwaltungshandeln in Deutschland erfassen, zeigen sie doch die
Tendenz, Staats- und Verwaltungshandeln offen zu gestalten.
Open Data als informationstechnische Selbstverständlichkeit
Open Data, so wie dies in aktuellen politischen Konzepten verstanden wird,
klingt zunächst nach einer Selbstverständlichkeit. Staat und Verwaltung
mögen alle Daten, die im Allgemeininteresse erhoben und verarbeitet werden, eben dieser Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Dies solle in bestimmten maschinenlesbaren Formaten geschehen, die eine Weiterverwendung
dieser Daten ermöglichen soll. So kann es auch zu einer Veredelung der
(Roh-) Daten in der Weise kommen, dass nützliche Anwendungen mit Mehrwert für die Bürger entstehen. Vor diesem Hintergrund ist Open Data auch
ein Innovationstreiber, wie man am Wettbewerb „Apps für Deutschland“
sehen kann.
48
Dirk Heckmann
Dass dieses Verständnis von Open Data wiederum eigene Grenzen kennt,
nämlich den Ausschluss des Zugriffs auf personenbezogene Daten, Staatsoder Geschäftsgeheimnisse, unterstreicht die Selbstverständlichkeit. Genau
genommen geht es darum, künftige Geschäftsprozesse der elektronischen
Verwaltung gezielt auf die Transparenzerfordernisse hin zu modellieren.
Früheren Einwänden wird so vorgebeugt: Die wünschenswerte Weitergabe
vieler Daten kann nicht mehr mit dem Argument abgelehnt werden, die
Bereinigung dieser Informationen um geschützte Anteile sei unverhältnismäßig aufwendig. Bei passender Modellierung ist eine solche Trennung
von offenen und nichtoffenen Daten quasi bereits „eingebaut“. Auch fällt nun
etwa das Kapazitätsargument weg, wonach die Verwaltung überfordert sei,
wenn Tausende Bürger Auskunft verlangen würden. Die Information erfolgt
nämlich nicht mehr in der Behörde, sondern per Remote-Zugriff auf die
Verwaltungsserver. Diese stehen rund um die Uhr zur Verfügung.
Grenzen der Offenheit
So positiv Open Data damit besetzt ist, kann es aber nicht grenzenlos gewährleistet werden. Manche Risiken, die mit einer Freigabe von Verwaltungsinformationen verbunden sein können, sind erst auf den zweiten Blick
erkennbar.
a) Schutz vor missbräuchlicher Profilbildung
So warnt der Beauftragte für Informations- und Kommunikationstechnik der
Bayerischen Staatsregierung davor, dass selbst „entpersonalisierte“ und damit anonyme Daten Rechte der Bürger gefährden können. Als Beispiel nennt
er Geodaten, die zunächst sehr nützlich sein können, etwa bei der Feststellung der Hochwassergefährdung in bestimmten Regionen. Doch könnten
solche Daten auch zur Geo-Referenzierung genutzt werden, indem zum
Beispiel Grundbücher, Durchschnittseinkommen und andere Informationen
kombiniert würden, was nachteilige Folgen (etwa bei der Beurteilung der
Bonität) für betroffene Bürger haben kann. Dies spricht für sich noch nicht
gegen die Aufbereitung bestimmter Geodaten in einem „Open-Data-Konzept“. Jedoch muss vor der Freigabe bestimmter Daten sichergestellt werden,
dass diese nicht in einem anderen Kontext, insbesondere zur Profilbildung,
missbraucht werden können.
2.2 Legal Open Data: Wie offen darf die Verwaltung sein?
49
b) Schutz vor kontraproduktiver Entscheidungshemmung
Transparenz hat ohne Zweifel auch eine disziplinierende Nebenwirkung.
Was offen geschieht, ist sichtbar, damit kontrollierbar und steuerbar. Eine
Verwaltung, die so vor den kritischen Augen der Öffentlichkeit agiert, kann
an Qualität und Produktivität gewinnen. Es entstehen aber auch schädliche
Nebenwirkungen. Am Beispiel von Open Government: So kann etwa bei der
Live-Übertragung von Stadtratssitzungen im Internet die Scheu zur Wortmeldung verstärkt werden, mögen die Beteiligten einem fruchtbaren offenen
Schlagabtausch aus dem Weg gehen oder die Transparenz der Sitzung durch
Absprachen im Vorfeld konterkarieren. Ein solches Verhalten mag man
kritisieren. Es ist aber realistisch, menschlich und kaum zu verhindern. Und
es ist in einem gewissen Umfang sogar geschützt, nämlich als Bestandteil des
Schutzes der Unbefangenheit, Unabhängigkeit und Neutralität der behördlichen Entscheidungsfindung. Daraus wird wiederum ein Überlegungs-, Entwurfs- und Vorbereitungsspielraum hergeleitet, der eine Offenheit „zur Unzeit“ beschränkt. In ähnlicher Weise räumt auch das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung einen „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ ein, nach dem ihr ein „nicht ausforschbarer Initiativ-, Beratungs- und
Handlungsbereich“ zusteht. Auch dies setzt dem Gedanken von Open Data
Grenzen. Bei der Bereitstellung von Verwaltungsinformationen ist zu analysieren, inwieweit offene Information und Kommunikation Transparenz tatsächlich herstellt oder nicht am Ende verhindert.
c) Schutz vor indirekter persönlicher Leistungskontrolle
Soweit die Transparenzdiskussion mit der Forderung nach dem „gläsernen
Staat“ an Stelle eines „gläsernen Bürgers“ geführt wird, wird das Dilemma
sichtbar, dass Informationen „des Staates“ nicht immer streng getrennt werden können von Informationen über dessen Bedienstete. Diese mögen formal
als Funktionsträger gesehen werden, deren Handeln dem Staat zugerechnet
wird. Sie haben aber auch den Status als natürliche Personen mit einem
geschützten Rechtskreis. Wenn nun im Rahmen umfassender Bereitstellung
offener Daten Rückschlüsse auf das Arbeitsverhalten und die Arbeitsleistung
dieser Personen ermöglicht werden, bekommen die sachlichen Daten doch
wieder einen persönlichen Bezug. Zwar hat das Prinzip des Benchmarking
der Verwaltung sogar Verfassungsrang erhalten (Art. 91d GG). Dies rechtfertigt aber keine unkontrollierte Analyse und Veröffentlichung von Leistungsdaten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Open Data ist also so zu
gestalten, dass die berechtigten Interessen der Bediensteten gewahrt bleiben.
50
Dirk Heckmann
Fazit
Open Data ist wie gesehen eine informationstechnologische Selbstverständlichkeit, beruht auf einer verfassungsrechtlichen Legitimation und trägt als
Konzept eines freien Informationszugangs mit rechtskonformer Datenverarbeitung bestimmte Schranken (Datenschutz, Geheimnisschutz, Sicherheit)
in sich. Dabei sind aber auch schädliche Nebenwirkungen zu beachten, die
sich aus den Umständen der Datenbereitstellung oder dem Kontext weiterer
Datenverarbeitung ergeben können. Um solchermaßen einen Schutz vor
übermäßiger Leistungskontrolle, Profilbildung oder Entscheidungshemmung
zu gewährleisten, müssen entsprechende technische und organisatorische
Vorkehrungen getroffen werden.
Quellen
Heckmann, Dirk (Hrsg.) (2011): Internetrecht : Telemediengesetz, E-Commerce, EGovernment. 3. Aufl., Saarbrücken: juris.
2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft ... 51
2.3
Interview: Möglichkeiten der Kommunikation
zwischen Wirtschaft und Verwaltung aus
wissenschaftlich-technischer Sicht
Odej Kao
Kurzfassung: Was sind die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für eine gelungene Kommunikation zwischen Verwaltung
und Wirtschaft? Als gelungenes Beispiel kann die Cloud-based Infrastructures in Berlin angesehen werden und als Vorbild für andere
Kommunen dienen.
Autor: Prof. Dr. Odej Kao ist seit 2006 Professor an der Fakultät für
Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin. Des Weiteren leitete er
das Rechenzentrum der TU Berlin und ist Projektleiter des BerlinCloud-based Infrastructures – ein Projekt zur Förderung von IT-Startups durch die nötige Infrastruktur. Prof. Kao ist Mitglied in vielen
internationalen Programm-Komitees sowie in Redaktionen von Fachzeitschriften wie der Parallel Computing. Seine Forschungsgebiete
sind neben dem Cloud Computing und Parallelcomputern komplexe
IT-Systeme sowie Grid Computing.
Welche technischen Möglichkeiten gibt es für eine verbesserte Kommunikation/Kooperation zwischen der Verwaltung und der Wirtschaft?
Grundvoraussetzung für eine verbessere Kommunikation und Kooperation
zwischen Verwaltung und Wirtschaft ist erstens, die eigene Organisation
genau zu betrachten und zu erkennen, welche Vorgänge elektronisch umsetzbar sind, sowie zweitens, sich die nötigen Ziele zu setzen. Nicht jeder
Prozess kann auf elektronischem Wege durchgeführt werden und man
möchte auch nicht jeden auf diesem Wege durchführen. Zudem ist es nötig
klarzustellen, dass ein Einsatz webbasierter Technologien Sachbearbeiter
nicht ersetzt. Diese werden lediglich entlastet und können sich auf Rückfragen der Bürger und die Bearbeitung komplizierter Fälle konzentrieren und
diese schneller bearbeiten.
Auf der Basis dieser Voraussetzungen konnten viele Entwicklungen bei
den technischen Möglichkeiten in den letzten Jahren beobachtet werden. Das
Hauptaugenmerk hierbei liegt – insbesondere bei uns an der TU Berlin – in
52
Odej Kao
der Entwicklung einer überprüfbaren und sichergestellten Kommunikation/
Kooperation. Erhält der Adressat die Daten, welche ich losgeschickt habe?
Werden diese bearbeitet? Ist die Person, welche wir erwarten, auf der anderen Seite? Diese sichergestellte Kommunikation ist für die Kooperation
zwischen Verwaltung und Wirtschaft ebenso wichtig wie zwischen Einzelpersonen. Manipulation wird so vorgebeugt und die Nutzer (Personen/Unternehmen) erhalten eine Sicherheit durch die Möglichkeit der Überprüfung der
Wege.
Ein Beispiel hierfür ist die sichere E-Mail. Diese hat zwar weiterhin
technische Schwierigkeiten, dennoch ist das Prinzip dahinter von besonderer
Wichtigkeit – dem Absender zu ermöglichen, seine Daten/Formulare zu verfolgen, sicherzugehen, ob diese zugestellt werden und wann diese bearbeitet
werden.
Ein weiteres Beispiel ist der elektronische Personalausweis, welcher in
Zukunft bei der Online-Kommunikation sicherstellen soll, dass wirklich die
erwartete Person am anderen Ende der Leitung ist.
Diese sichergestellte Kommunikation/Kooperation ist eine Grundbedingung für die erfolgreiche Nutzung von Web 2.0. Denn so kann man Transparenz erreichen und eine asynchrone Kommunikation ermöglichen.
Transparenz bedeutet, dass die Information jederzeit abrufbar und online
verfügbar sind. Entweder für jedermann, wie z.B. die Betrachtung des Mietspiegels in Berlin, oder in einem Intranet für eine bestimmte Zielgruppe. Diese können die Daten ändern und sichten.
Asynchrone Kommunikation nennt man die Situation, die jedermann
kennt – das Erreichen der Verwaltung. Ein enges Zeitfenster von 8 bis 18
Uhr besteht hierbei für die Nutzer (Personen/Unternehmen) und die Sachbearbeiter (und zwingt beide Seiten zur synchronen, d.h. gleichzeitigen Kommunikation). Eine Online-Bearbeitung ist zu jedem beliebigen Zeitpunkt
möglich – ebenso die Bearbeitung. Je nachdem, wann Zeit oder die Kapazität
vorhanden sind, lassen sich so Anfragen, aber auch die Rückfragen bearbeiten. Wichtig hierbei ist es auch, das entgegenkommende Vertrauen der
Nutzer zu stärken, indem man möglichst transparent die Entwicklung und
Bearbeitung der Daten darlegt. Um den Druck auf die Sachbearbeiter nicht
unnötig zu erhöhen, ist es dabei wichtig, diese „transparente Beobachtung“
nicht zu persönlich auf einzelne Mitarbeiter/Abteilungen durchzuführen. Das
Land Berlin gibt z.B. durch den Eingang der Anfragen an, welche Anfragen
nun bearbeitet werden.
2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft ... 53
Wie sieht die Kooperation zwischen der TU Berlin und der öffentlichen
Verwaltung aus (auf kommunaler und ggf. auf nationaler Ebene)?
Die Technische Universität Berlin entwickelt als ein „verlängerter Arm“ der
Verwaltung Methoden, definiert, wie die Umsetzung aussehen soll, und
arbeitet Ideen aus. Die Universität ist hierbei ein geeigneter Ort, da die
Studenten offen für Veränderungen und mit diesen neuen Technologien aufgewachsen sind. Der nächste Schritt für die Universität ist aber, bei diesen
vielen Ideen herauszufinden, wie das Endprodukt wirklich aussieht. Welche
Verpflichtungen kommen auf das neue Unternehmen zu, welche Probleme
könnten bei der Umsetzung entstehen? Die Technologien sind entwickelt,
aber wie umsetzbar sind diese für die breite Bevölkerung? Genau diese
„Spielwiese“ ermöglicht die TU Berlin. Man versucht, Beispiele für die Unternehmen/Verwaltung „herzustellen“. Wie funktioniert das System, welche
Kosten – Erstellungskosten, aber auch Wartung, Pflege und Betrieb – fallen
an und welche Anzahl an Mitarbeitern werden für dieses Projekt benötigt?
Neben der wissenschaftlichen Herangehensweise und der Identifizierung
sowie Ausarbeitung dieser Spielwiesen ist an der TU Berlin insbesondere das
Projekt Berlin-Cloud-based Infrastructures (BCI) im Fokus.Die TU Berlin
wird von der Senatsverwaltung konkret für diese Arbeit unterstützt, sei es
durch eine enge Kommunikation zwischen der Verwaltung und der
Universität oder die finanzielle Unterstützung wie bei dem BCI-Projekt.
Mit Blick auf das Projekt Berlin-Cloud-based Infrastructure: Inwiefern
kann diese Infrastruktur und Plattform als Instrument der Wirtschaftsförderung dienen?
Die TU Berlin hat die Entwicklung beobachtet, dass bei den Studenten der
Wunsch steigt, nach dem Studium eher ein eigenes Unternehmen zu gründen,
als bei einem großen Unternehmen einzusteigen. Dieses Vorgehen hat die
Universität zuerst durch Tipps und Seminare unterstützt, jetzt hat sie durch
das BCI-Projekt jedoch eine besondere Hilfe – insbesondere für InternetStart-ups – entwickelt.
Facebook (mit seiner Gründung 2004) und Google (mit seiner Gründung
1999) hatten noch eine vergleichsweise lange Entwicklungslaufzeit, aber
heutzutage ist die Entwicklung sehr viel schneller. Auch wenn webbasierte
Ideen auf kommunaler Ebene entstehen, gelten diese für den gesamten
Weltmarkt. Qualität und Geschwindigkeit zählen für den Erfolg – man muss
weltweit der Erste sein mit der Idee.
54
Odej Kao
Problematisch jedoch ist, dass die meiste Zeit – und Kosten – bei der
Entstehung eines Unternehmens in den Aufbau der Infrastruktur investiert
werden müssen, wie z.B. Wohnungen suchen, PCs installieren und warten
usw. Hierfür hat man jedoch auf dem Weltmarkt keine Zeit. Die vorhandene
Energie sollte in die Idee, in die Suche nach Investoren und die Gewinnung
einer Kundengruppe eingehen. Die TU Berlin möchte daher der Gründerszene diese Aufgaben durch die Bildung einer Plattform und die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur unterstützen. Das bedeutet für die jungen
Gründer: keine Sorgen mehr bezüglich der Anschaffung, Stromausfällen,
Updates oder Diebstahl. Auf der Plattform kann man die Ideen entwickeln
und nach außen anbieten, wie z.B. eine Website mit allein nötigen Informationen oder Anwendungen zum Herunterladen. Finanziert wird dieses Projekt
von der Senatsverwaltung und EFRE und soll zunächst kostenlos angeboten
werden.
Entwickelt wurde das Berlin-Cloud-based Infrastructures zusammen mit
Jungunternehmern und Gründungszentren. Zuhören ist dabei das wichtigste
Mittel. Gemeinsam wurde die Frage beantwortet, was neu gegründete Unternehmen benötigen und wer und wie dies anbieten sowie unterstützen kann.
Die TU Berlin hat sich hierbei aufgrund ihrer Kompetenz auf die
Gründerszene konzentriert.
Welche Schritte kann die Verwaltung unternehmen, um die eigene Kommune bzw. die eigene Region als Wirtschaftsstandort in dem Bereich webbasierte Technologien interessanter zu machen?
Die Verwaltung kann eine solche Entwicklung von sich aus und allein nicht
durchführen. Bzgl. BCI war die Voraussetzung der Gründerszene gegeben,
aber diese existiert nicht in allen anderen Städten und Kommunen. Daher ist
es wichtig, zuerst zu analysieren, was die Rahmenbedingungen der eigenen
Kommune sind – dafür ist eine enge Kooperation zwischen Verwaltung und
Unternehmen notwendig. Das Prinzip Zuhören gilt auch hier.
Dabei ist nicht zu unterschätzen, dass meistens für – insbesondere in der
Gründerszene – Unternehmen weniger die technische Unterstützung notwendig ist, sondern die richtigen politischen und finanziellen Rahmenbedingungen. Die Verwaltung kann insbesondere als Vermittler tätig werden und
Kontakte zwischen Investoren/Universitäten mit den Gründern herstellen.
2.3 Interview: Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Wirtschaft ... 55
Cloud Computing für Kommunen – Wie sinnvoll ist dies und was muss beachtet werden?
Cloud Computing kann für die Verwaltung als Impuls genutzt werden, um zu
identifizieren, was man schon immer online abwickeln oder anbieten wollte.
Die psychologische Hürde, die Daten wegzugeben, ist dabei weitaus beeinflussender für die Frage, ob man es macht, als die technischen Aspekte.
Möglichkeiten, sich vor einem Angriff zu schützen, haben sich als wirksam
herausgestellt. Die Kommune muss der psychologischen Hürde explizit entgegentreten und den so entstehenden Vorteil der steigendenden Attraktivität
als Wirtschaftsstandort nutzen.
Hierbei gibt es zwei Arten von Cloud Computing, welche genutzt werden
könnten. Die bekanntere Public Cloud ist für jeden zugreifbar, die Private
Cloud jedoch ist für Kommunen interessanter. Jede Cloud hat hierbei ihre
eigene Infrastruktur für ihre eigenen Nutzer. Wie bei den Beispielen mit dem
neuen Personalausweis und der sicheren E-Mail ist es hier nun wichtig, die
Kommunikation/Datenübermittlung sicherzustellen.
Um herauszufinden, ob und welche Art von Cloud die eigene Verwaltung
einsetzen sollte, ist es nötig, zuerst die eigenen Bedürfnisse zu identifizieren.
Welche Prozesse möchte ich elektronisch abwickeln, was möchte ich online
nutzen und anbieten, sowie: Soll es eine Informationsplattform oder eine
Anwendungsplattform sein? Im zweiten Schritt wird erst die Cloud mit der
nötigen Infrastruktur entwickelt.
Generell lässt sich sagen, dass Cloud Computing momentan einen neuen
Impuls gibt, einige Prozesse neu durchzuführen, wie z.B. für die Wirtschaftsförderung. Routinemäßige Abfragen/Formularbearbeitungen können für
Unternehmen so eine erhebliche Erleichterung darstellen. Aber vor der Technik muss erst das Ziel klar sein – denn Cloud Computing ist nur eine Technologie, auf die Nutzung dieser kommt es an.
56
Michael Hokkeler
2.4
Change Management in Behörden —
Welche Veränderungen entstehen und
wie das Management reagieren kann
Michael Hokkeler
Kurzfassung: Die Veränderungen in der öffentlichen Verwaltung sind
mehreren Faktoren geschuldet. Einerseits gibt die EU-Dienstleistungsrichtlinie vor, wie eine unternehmensorientierte elektronische öffentliche Verwaltung gestaltet werden kann. Andererseits stellen Bürger
und Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten Welt höhere Ansprüche an die Verwaltung. Herr Hokkeler leitet her, welche Instrumente bereits bereitstehen und welche Herausforderungen bei einer
nutzerorientierten Verwaltung sowohl auf Seiten der Unternehmen als
auch der Verwaltung weiterhin bestehen.
Autor: Michael Hokkeler arbeitete als Referent für Medienbruchfreie
Prozesse mit dem E-Postbrief bei der KGST. Aktuell ist er Senior-Experte bei der Deutsche Post AG für den öffentlichen Sektor.
Einleitung
Die öffentliche Verwaltung bewegt sich in einem Anspruchsumfeld, das sich
ständig verändert. Die zwei wichtigsten Brennpunkte der Veränderungen
waren dabei in den letzten Jahren die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die
gesellschaftlichen Veränderungen insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung der Gesellschaft.
EU-Dienstleistungsrichtlinie stellt hohe Ansprüche
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie beinhaltet hohe Ansprüche an die Verwaltung als Push-Faktor zur Veränderung. Die EG-DLR verpflichtet die öffentliche Hand, alle Informationen zu Verwaltungsleistungen, die für Dienstleistungsunternehmen erbracht werden, zusammengefasst und in hoher Qualität
bereitzustellen. Es soll also nur ein Ansprechpartner für die Dienstleistungsunternehmen zur Verfügung stehen, der schnell und effizient die geforderten
Leistungen eines Unternehmens erbringt. Innerhalb der Behörde, jedoch auch
2.4 Change Management in Behörden – Welche Veränderungen ...
57
über Behördengrenzen hinweg, müssen so Prozesse koordiniert werden, um
eine optimale Kundenorientierung im Sinne eines One-Stop-Agency zustande zu bringen. Dies bedeutet, dass mit der EG-DLR Verwaltungsprozesse
in ihren fachlichen Zusammenhängen über Behördengrenzen hinweg betrachtet werden müssen, um effiziente Prozesse, ausgerichtet auf einen Einheitlichen Ansprechpartner (EA), zu organisieren. Bei diesem müssen zudem
ein umfangreiches Wissen über Leistungen und Abläufe vieler Behörden zur
Verfügung stehen.
Diese vernetzten und zusammengeführten Prozesse müssen zudem gemäß
der EG-DLR in allen beteiligten Behörden klar definierten Qualitätskriterien
genügen (Angemessenheit, Einfachheit, Zugänglichkeit und Fristtreue). Im
Rahmen der Zusammenführung und Vernetzung sollten damit diese Qualitätskriterien handlungsleitend für Prozessveränderungen sein.
Eine weitere Anforderung ist zudem, dass die Interaktionen zwischen
Dienstleistungserbringer und Verwaltung elektronisch zu erfolgen haben. Damit gibt die EU-Dienstleistungsrichtlinie eine direkte Vorgabe dazu, dass EGovernment eingeführt werden soll.
Große Veränderungen durch das Internet
Tatsächlich ist nicht nur die EU-Dienstleistungsrichtlinie der zentrale Faktor
für den zunehmenden Übergang zur elektronischen Verwaltung – wenn auch
ein wichtiger. Auch das veränderte gesellschaftliche Umfeld besonders im
Zuge des Siegeszuges des Internets beeinflusst massiv die zunehmende Einführung elektronischer Lösungen in der Verwaltung.
Tatsächlich verändert das Internet die Gesellschaft sehr schnell. Kaum
zuvor ist ein solcher für jedermann unmittelbar erlebbarer rasanter Wandel
bezüglich der Nutzung von Informationstechnik vollzogen worden. Diese
Revolution und die hierin steckenden Möglichkeiten beginnen den Alltag in
Beruf, Freizeit, sozialem Miteinander, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu
prägen und zu „technisieren“. Aus dem Internet als Kommunikationsplattform wird zunehmend ein Kommunikationsraum mit interaktiven Gestaltungsmöglichkeiten und aus Nutzern werden Mitgestalter oder Mitspieler.
Dabei ist die Veränderungsgeschwindigkeit enorm, sodass die Schnelllebigkeit zu einer wesentlichen Herausforderung von E-Government wird.
Auch die Kommunen sehen sich steigenden Ansprüchen an die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen über das Internet gegenüber. Wer rund
58
Michael Hokkeler
um die Uhr online Reisen bucht oder Bankgeschäfte erledigt, will auch Anträge unabhängig von Zeit und Ort stellen und kommunale Dienstleistungen
online in Anspruch nehmen können. Für die Wirtschaft ist die Servicequalität
ein Standortfaktor im ohnehin schärfer werdenden Wettbewerb der Kommunen und Regionen.
Bürger und Unternehmen wollen Verwaltungsleistungen flexibel für alle
Zugangswege – persönliches Erscheinen, Telefon/Handy, Fax, E-Mail, elektronische Dienste – in Anspruch nehmen. Des Weiteren sollen die Bürger
Dienstleistungen „aus einer Hand“ erhalten, auch dann, wenn verschiedene
öffentliche und private Leistungsanbieter an der Leistungserstellung beteiligt
sind.
Öffentliche Verwaltung in Netzwerken
Trends in der öffentlichen Verw altung
Horizontale Zusammenarbeit
wird zunehmend angestrebt – Arbeiten in
Netzwerken
Vertikale Zusammenarbeit
wird innerhalb des Verwaltungssystems
eingefordert
Kundenerwartungen
werden bei der Prozessgestaltung
berücksichtigt – Qualität, Offenheit und
Transparenz, flexible Zugangswege
E-Government-Lösungen
werden eingesetzt und weiter entwickelt
GPO 5, Dr. Birgit Anne Pickenäcker und Michael Hokkeler
Seite 3
Abb. 1 Trends in der öffentlichen Verwaltung (eigene Darstellung)
Die große Chance für die öffentliche Verwaltung liegt im Zwang zur
Modernisierung von Strukturen. E-Government ermöglicht es durch die „EntRäumlichung“ der Verwaltung, in flexiblen Netzwerken über Verwaltungs-
2.4 Change Management in Behörden – Welche Veränderungen ...
59
und örtliche Grenzen hinaus zu denken und zu handeln. Kommunen könnten
ihr Know-how bündeln und arbeitsteilig Prozesse abwickeln, z. B. könnte
eine Kommune als Personaldienstleisterin für Personalabrechnung, Fortbildung o. Ä. auftreten, die andere über ein verwaltungsübergreifendes Intranet
als Beschaffungsexpertin für eine ganze Gruppe von Verwaltungen in der
Region.
Ist und Soll der Veränderungen
Tatsächlich ist die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung auf dem Weg
zum Handeln in Netzwerken weniger weit gediehen als erhofft. Das Leistungsportfolio der Kommunen ist bekannt und definiert – der erste Schritt zur
Entwicklung einer möglichen Zusammenführung von Prozessen. Auch die
Instrumentarien und das Wissen für Prozessoptimierungen, -kooperationen
und -integrationen ist vorhanden – damit könnten kooperative Leistungen im
Netzwerk konzipiert und potenziell umgesetzt werden. Grundsätzlich sind
auch die technologischen Grundlagen zur Umsetzung solcher Prozesse in
elektronischer Form vorhanden.
Woran es also nicht fehlt, sind das Wissen oder die Technik. Die größten
Hemmnisse sind vielmehr im Bereich der Organisationskultur zu suchen.
Eine Verwaltung, die im Netzwerk, agiert muss auch nach außen offen sein,
d.h. sie sollte kooperationsfähig in der Zusammenarbeit sein. Dazu zählt auch
ein gewisses Maß an Flexibilität und das Zulassen von Fehlertoleranz, weil
Kooperationen z.B. mit Unternehmen schnelles und flexibles Reagieren erfordern, wenn unerwartete oder neue Situationen auftreten. Hinzu kommt
auch, dass Neugier und Innovation eine neue Anforderung sein sollte, um
sich auf ein verändertes Umfeld einzustellen und um mit kreativen Ideen gute
Lösungen zu entwickeln. Genau an diesen Faktoren – Offenheit, Fehlertoleranz und Neugier – sollte demzufolge weiter gearbeitet werden.
Auch auf Seiten der Unternehmen sollte eine solche Kooperation jedoch
als eine Partnerschaft unter Gleichen verstanden werden. Denn in einem
Netzwerk können Partner nur voneinander profitieren, wenn beide Seiten
gemeinsam die Probleme ansprechen und angehen. Dazu muss auch die
Kommunikation zwischen Unternehmen und Verwaltung besser werden.
Die Verwaltung ist auf einem guten Weg. Alle Instrumente zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie sind vorhanden. Der Schlüssel liegt im
eher langwierigen Verändern der Kultur in der öffentlichen Verwaltung und
60
Michael Hokkeler
dem Entwickeln eines neuen Verständnisses der Kooperation zwischen
Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung. Auch darum ist hier ein
Dialogansatz vonnöten, um die Vision einer vernetzen Verwaltung der Zukunft umsetzen zu können:
Die zukünftige Verwaltung ist an Ergebnissen und optimierten Leistungsprozessen ausgerichtet. Sie betreibt ein exzellentes, kundenorientiertes Front
Office im Bürgerbüro, im Call Center, über das Internetportal, in der ersten
Anlaufstelle eines Fachbereichs. Die Produktion der Leistungen im Back
Office erfolgt seltener als heute in der Verwaltung selbst. Vielmehr bewegt
sich die Verwaltung in einem vielfältigen Geflecht von arbeitsteiligen
Leistungsprozessen, von öffentlichen und privaten Akteuren.
2.5 Anreizmechanismen für Open Data – Wie kann Beteiligung ...
2.5
61
Anreizmechanismen für Open Data —
Wie kann Beteiligung maximiert werden?
Justus Lenz
“Ordinary people, regardless of institutional affiliation or professional
status, possess information – serious, expert, fact-based, scientific
information – to enhance decision-making, information not otherwise
available to isolated bureaucrats.” (Noveck 2008)
Kurzfassung: Digitalisierung und Vernetzung verursachen eine
grundlegende und dauerhafte Transformation der Gesellschaft. In
Schlagwörtern wie Government 2.0, Peer Producing oder auch Open
Data steckt zwar immer auch ein bisschen Hype, ein wenig Übertreibung – sie stehen aber auch für wichtige Aspekte dieses grundlegenden Wandels. Peer Producing beschreibt beispielsweise die neue
internetbasierte Möglichkeit der Zusammenarbeit von vielen Menschen an kollaborativen Projekten über Raum- und Zeitgrenzen hinweg. Solche offenen Beteiligungsprojekte, die den Input vieler verschiedener Menschen bündeln können, wären vor kurzer Zeit noch
nicht denkbar gewesen. Verschiedene Beispiele für erfolgreiche derartige Projekte wie Wikipedia oder Online-Petitionssysteme zeigen das
Potenzial der neuen technischen Möglichkeit auf.
Autor: Justus Lenz ist Research Fellow des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, arbeitet bei der FDP-Fraktion im Thüringer Landtag
als Referent für Haushalts- und Finanzpolitik und übernimmt Lehraufträge an der Universität Erfurt. Er hat mehrere Artikel zu den Themen
E-Government und Verwaltungsmodernisierung veröffentlicht und hält
netzpolitische Vorträge.
Fakten zur Beteiligung im Netz
Die Mitwirkung bei offenen Projekten folgt in der Regel einer Pareto-Verteilung. Eine kleine Gruppe unter den Beteiligten ist für eine große Zahl von
Beiträgen verantwortlich. So beschreibt Sunstein (2006), dass bei Wikipedia
nur 0,7% der Mitwirkenden – oder, in absoluten Zahlen ausgedrückt, nur 524
62
Justus Lenz
Personen – mehr als die Hälfte aller Veränderungen an der englischen
Sprachversion von Wikipedia vorgenommen haben. Die aktivsten 2% waren
für fast dreiviertel der Veränderungen verantwortlich. Laut Osimo (2008) gilt
diese Beobachtung allgemein für die Bereitschaft von Internetnutzern, aktiv
Inhalte zu gestalten. Während nur ein kleiner Teil der Internetnutzer bereit
ist, Inhalte selbst zu erstellen (ca. 3%), beteiligen sich mehr Nutzer mit
Kommentaren und Bewertungen (ca. 10%). Die große Mehrzahl der Nutzer
verwendet die neuen Inhalte dagegen nur oder trägt höchstens unintendiert
Daten oder Aufmerksamkeit bei.
Erstellen von Inhalten
Bewertungen/Kommentare
Verwendung der neuen Inhalte
Unintendierte Bereitstellung
von Daten/Aufmerksamkeit
3%
10%
40%
100%
100% entsprechen
allen Internetnutzern
(in Deutschland rund
76% der
Bevölkerung).
Abb. 1 Arten der aktiven Beteiligung von Internetnutzern
(eigene Darstellung nach Osimo 2008)
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist es bei allen Projekten wichtig,
einen realistischen Maßstab zur Erfolgsmessung zu verwenden. So mag es
beispielsweise schon ein großer Erfolg sein, wenn 1 bis 2% der Einwohner
einer Stadt an einem Bürgerbeteiligungshaushalt aktiv teilnehmen – auch
wenn die Zahl zunächst gering erscheint. Die Pareto-Verteilung gilt übrigens
auch für den quantitativen Erfolg offener Beteiligungsprojekte selbst: Die
Mehrzahl der Projekte erreicht eine geringere Anzahl an Teilnehmern und
2.5 Anreizmechanismen für Open Data – Wie kann Beteiligung ...
63
Beiträgen, wohingegen einige wenige Projekte wie Wikipedia durch sehr
viele Teilnehmer und Beiträge geprägt werden.
Anreizmechanismen zur Beteiligungsstärkung
Damit ein Projekt gute Chance auf eine rege Beteiligung hat, sollten einige
grundlegende Regeln bei Design und Durchführung beachtet werden. Der
Schlüssel zum Erfolg ist dabei die Motivation der Nutzer. Sie sind zuerst von
dem Wunsch getrieben, an der Erfüllung eines gemeinsamen ‚guten‘ Ziels
mitzuarbeiten (vgl. Osimo 2008). Deswegen sind Formulierung und Kommunikation eines für einen offenen Beteiligungsprozess geeigneten Ziels die
wichtigste Grundbedingung für den Erfolg. Ebenfalls nicht zu unterschätzende Motivationsfaktoren sind der Spaß an der Beteiligung sowie der
Wunsch nach Anerkennung. Diese immaterielle Anerkennung kann z.B.
durch Kommentare anderer Nutzer erfolgen oder aber auch über die Veröffentlichung von Ranglisten oder Beitragsstatistiken. Um es kurz zu sagen:
Nur wenn es Menschen Spaß macht, sich an einem Projekt zu beteiligen, und
sie das Gefühl haben, etwas Wesentliches zu einem ‚guten‘ Zweck beitragen
zu können, kann ein offenes Beteiligungsprojekt Erfolg haben. Die freiwilllige Mitarbeit kann aber selbstverständlich auch am Eigennutz orientiert sein.
Wie Hippel (2005) anmerkt, ist einer der Hauptgründe für von Konsumenten
vorangetriebene Innovationen der Wunsch, diese selber nutzen zu können.
Ähnliches gilt auch für Beteiligungen in anderen Bereichen – ein Umstand,
der gerade bei Beteiligungsprojekten im öffentlichen Sektor stets beachtet
werden sollte.
Negativ beeinflusst wird die Motivation zur Mitarbeit dagegen beispielsweise durch schlechte Funktionalität und umständliche Prozesse (vgl. Shirky
2008). Bei den bisherigen Versuchen zur Gestaltung von offenen Beteiligungsprojekten hat sich auch deutlich gezeigt, dass eine zu langsame Reaktion auf Vorschläge Nutzer frustrieren kann. Deswegen sollte der Effizienz
der Verwaltungsabläufe bei Einrichtung, Betrieb und Ergebnisauswertung
eines offenen Beteiligungsprojektes große Bedeutung zugemessen werden.
Damit schnell reagiert werden kann, muss nicht nur eine zeitlich unbegrenzte
Betreuung der Seite sichergestellt sein – gerade auch nach Ende der normalen Arbeitszeiten und am Wochenende (zu diesen Zeiten ist die Beteiligung
oft besonders hoch). Vor allem müssen die jeweils Verantwortlichen auch
64
Justus Lenz
eine möglichst große Handlungsautonomie haben, um schnell reagieren zu
können.
Eine zu langsame Reaktion auf Feedback sollte auch bei der Gestaltung
der Plattform für das Beteiligungsprojekt selbst vermieden werden. Ganz im
Gegenteil sollte diese ständig unter Berücksichtigung des Nutzerfeedbacks
verbessert werden. Ziel zu Beginn eines Projektes sollte deshalb nicht die
Gestaltung der ‚perfekten‘ Plattform für den jeweiligen Beteiligungsprozess
sein. Stattdessen sollte die Plattform eher als ,Eternal Beta‘ betrachtet werden, die ständig in Zusammenarbeit mit ihren Nutzern verbessert wird. Diese
Prozesse müssen gerade in der Startphase schnell verlaufen, sonst werden die
ersten Nutzer gleich wieder abgeschreckt. Deswegen sollte das Ziel die
Gestaltung guter Prozesse für den Umgang mit dem Zustand des Eternal Beta
sein.
Laut Osimo (2008) wurden beispielsweise am E-Petitionsservice des britischen Premierministers1 in den ersten 48 Stunden nach der Einführung 15
bedeutende Veränderungen vorgenommen – alle aufgrund der Rückmeldungen der ersten Nutzer. Das beschriebene Vorgehen bietet zudem den Vorteil,
dass eine Plattform schnell den Betrieb aufnehmen kann. Der teure Entwicklungs- und Testprozess lässt sich durch die Einbeziehung der Nutzer
abkürzen und günstiger gestalten. Weiterhin lassen sich so Fehlentwicklungen wie Funktionen, die von den Nutzern nicht angenommen werden, schnell
korrigieren oder sogar ganz vermeiden. Außerdem kann eine solche von
vornherein auf ständigen Wandel eingestellte Plattform schneller an technische Entwicklungen und an verändertes Nutzerverhalten angepasst werden.
Eine schnelle Reaktion sollte möglichst an allen Stellen das Plattformmanagement bestimmen – z.B. auch bei der Bereitstellung von Serverkapazität. Eine erhöhte Aktivität auf der Plattform ist beispielsweise nach Zeitungsartikeln oder Berichten im Fernsehen zu erwarten.
Auch eine mangelnde Transparenz bei Implementierung und Begleitung
der Beteiligungsprozesse kann Nutzer abschrecken, demotivieren und zu
einem Abbruch der Beteiligung veranlassen. Der Betreiber des offenen Dialogs sollte deswegen möglichst alle Regeln (beispielsweise, welches Verhalten nicht toleriert wird), interne Prozesse wie Datenschutzregeln, Entscheidungen (Warum wurde ein Beitrag gelöscht?) veröffentlichen und begründen. Auch mit Informationen zur eigenen Position sollte so verfahren
1 Vgl. http://petitions.number10.gov.uk/.
2.5 Anreizmechanismen für Open Data – Wie kann Beteiligung ...
65
werden. Zudem sollte der Betreiber auch zu solchen Governance-Fragen mit
den Nutzern seines Angebots in einen Dialog treten und seine Richtlinien/
Entscheidungen gegebenenfalls verbessern. Der Umgang mit persönlichen
Daten der Nutzer sollte genauso transparent gestaltet werden.
Technisch gesehen sind Modularität und Granularität der Aufgaben von
entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines offenen Beteiligungsprojekts
(vgl. Benkler 2006), denn die Beteiligung erfolgt analog einer Pareto-Verteilung. Einige Mitwirkende werden bereit sein, sich sehr umfänglich zu
beteiligen, während viele nur einen geringen Beitrag leisten möchten. Modularität beschreibt die Möglichkeit, ein Projekt in viele kleine Module aufzuteilen, die unabhängig voneinander bearbeitet werden können. Der Grad der
Granularität beschreibt die Größe dieser Module. Je besser ein Projekt in Module aufgeteilt werden kann und je kleiner der Umfang der einzelnen Module
ist, desto besser eignet es sich für offene Beteiligungsprojekte. Denn dann
können Mitwirkende unabhängig voneinander einzelne Module auswählen,
bearbeiten und zudem auch kleine Beiträge für das Gelingen eines Projektes
leisten. Allerdings müssen nicht alle Module einen geringen Umfang haben.
Einzelne Beteiligte werden bereit sein, auch umfangreichere Arbeiten zu
übernehmen.
Fazit
Offene Beteiligungsprojekte können sehr erfolgreich sein und viele Menschen zur Teilnahme und Arbeit an einem gemeinsamen Ziel motivieren. Das
zeigt nicht nur das prominenteste Vorzeigebeispiel Wikipedia. Garantiert ist
der Erfolg aber nicht. Er ist das Resultat guter Vorbereitung und effizienter
Prozessabwicklung. Bei der Gestaltung offener Beteiligungsprojekte sollten
deshalb folgende Punkte berücksichtigt werden:
- klar definiertes Ziel
- Modularität und Granularität
- Transparenz
- Eternal Beta
- schnelle Reaktionen
- Anerkennungsmechanismen
Zur guten Vorbereitung gehört aber selbstverständlich auch die Formulierung
eines realistischen Ziels für den offenen Beteiligungsprozess. Die ParetoVerteilung gilt wie beschrieben nicht nur für die Beteiligungsraten im In-
66
Justus Lenz
ternet, sondern auch für die Projektgrößen selbst. Nicht jedes Projekt muss
Millionen von Menschen in seinen Bann ziehen, um das anstehende Ziel zu
erreichen. Beim Bürgerbeteiligungshaushalt einer mittelgroßen Stadt kann
schon eine Beteiligung von 500 bis 1000 Bürgern einen großen Erfolg darstellen und wertvollen Input für Verwaltung und Politik liefern. Es lohnt
sich!
Weiterführende Literatur
Benkler, Y. (2006). The Wealth of Networks. New Haven / London: Yale University
Press.
Brandtzæg, P. B. & Lüders, M. (2008). eCitizen 2.0. The ordinary citizen as a
supplier of public sector information. A SINTEF-report written for the
Norwegian Ministry of Government Administration and Reform. online:
http://www.regjeringen.no/upload/FAD/Vedlegg/IKT-politikk/eCitizen20.pdf
<3.9.2013>.
Brown, J. S. & Duguid, P. (2000). The Social Life of Information. Harvard: Harvard
Business School Press.
Hippel, E. von (2005). Democratizing Innovation. Cambridge: The MIT Press.
Müller, P. S. (2012). machiavelli.net: Strategie für unsere offene Welt. München:
Scoventa.
Noveck, B. S. (2008). Wiki Government: How Technology Can Make Government Better, Democracy Stronger, and Citizens More Powerful. In: Democracy,
Issue #7, Winter 2008. online: http://www.democracyjournal.org/7/6570.php
<21.10.2013>.
Osimo, D. (2008). Web 2.0 in Government: Why and How? European Commission Joint Research Centre. online: http://ftp.jrc.es/EURdoc/JRC45269.pdf
<3.9.2013>.
Priddat, B. P. (2004). 2nd-order-democracy. Politikprozesse in der Wissensgesellschaft. In: P. Collin & T. Horstmann (Hrsg.), Das Wissen des Staates: Geschichte, Theorie und Praxis. Baden-Baden: Nomos, S. 72–89.
Robinson, D., Yu, H., Zeller, W. P. & Felten, E. W. (2009). Government Data and
the Invisible Hand. Yale Journal of Law and Technology, Vol. 11, 160–175. online: http://ssrn.com/abstract=1138083 <3.9.2013>.
Shirky, C. (2008). Here comes Everybody. London: Penguin Books.
Sunstein, C. R. (2006). Infotopia. Oxford: Oxford University Press.
2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – …
2.6
67
Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz —
Wie geht man mit Rechten um?
Jan Dirk Roggenkamp
Kurzinfo: Im Folgenden sollen in der gebotenen Kürze die Grundlagen des deutschen Urheberrechts skizziert werden. Sodann werden die
„Creative-Commons-Lizenz“ vorgestellt und ihre einzelnen Varianten
beleuchtet.
Autor: Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp hat Rechtswissenschaften an
der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Universidad de Salamanca (Spanien) studiert. Gleichzeitig arbeitete er als selbstständiger
Anwalt für Mandanten im IT-Bereich. Nach Fertigstellung der Dissertation wechselte er zur internationalen Anwaltssozietät Bird & Bird
nach Frankfurt am Main. Im gleichen Zeitraum war Dr. Jan Dirk Roggenkamp als „Junior Expert“ für IT-Sicherheit im Rahmen eines gemeinsamen Projektes der EU und Chinas aktiv. In den letzten beiden
Jahren war er als Referent im Projekt „Elektronische Akten in Strafsachen“ im Bundesministerium der Justiz bei der Erarbeitung einer
Novellierung der Strafprozessordnung beteiligt. Gleichzeitig war er
Lehrbeauftragter an der FH Trier, der Uni Oldenburg, der FHöV Kehl
und schließlich an der Polizeiakademie Niedersachsen.
Urheberrecht „in a nutshell“
1. Werke
Durch das Urheberrecht werden „Werke“ geschützt. Ein Werk wird in § 2
Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (i.W. UrhG) als „persönliche geistige Schöpfung“ definiert. Durch das Merkmal der persönlichen Schöpfung wird
klargestellt, dass es sich um die Schöpfung eines Menschen handeln muss.
Der durch den Akt persönlicher Schöpfung hervorgebrachte geistige Gehalt
gedanklicher oder ästhetischer Art muss eine wahrnehmbare Formgestaltung
gefunden haben, d.h. in einer wahrnehmbaren Form zum Ausdruck gebracht
worden sein (vgl. Heckmann 2011: Kap. 3.1 Rn. 36 m.w.N.). Reine Ideen
oder Gedanken sind also nicht vom urheberrechtlichen Werkbegriff erfasst.
68
Jan Dirk Roggenkamp
Eine eigene Schöpfung liegt schließlich nur dann vor, wenn eine gewisse
„Schöpfungshöhe“ erreicht wird. Ein Werk muss – vereinfacht ausgedrückt –
etwas individuell Gestaltetes sein. Es muss sich aus der Masse des Alltäglichen und von lediglich handwerklichen und routinemäßigen Leistungen
absetzen. Es handelt sich hierbei nicht um eine allzu hohe Hürde. Ist die
Werkhöhe erreicht, schützt das Urheberrecht einen ganzen Strauß von Werkarten.
In § 2 Abs. 1 Nrn. 1–7 UrhG werden genannt:
- Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
- Werke der Musik;
- pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
- Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und
der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
- Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke
geschaffen werden;
- Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
- Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen,
Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
2. Urheber und Urheberrechte
Der Urheber eines Werks, also dessen Schöpfer (§ 7 UrhG), hat umfangreiche Urheberrechte. Diese Rechte sind an keine weiteren Formalien gebunden. Sie entstehen automatisch mit dem Akt der Werkschöpfung. Erst siebzig
Jahre nach dem Tod des Urhebers erlöschen die Urheberrechte (§§ 64, 69
UrhG). Ab diesem Zeitpunkt sind sie „gemeinfrei“, was bedeutet, dass sie
von jedermann genutzt werden dürfen. Deshalb dürfen z.B. die Werke von
Goethe, Schiller, Mozart und Bach durch jedermann verwendet werden.
Praktisch wichtig: Urheber kann nur eine natürliche Person sein. Wenn also
der für die Stadt X tätige Beamte Max Müller im Rahmen seiner dienstlichen
Aufgaben ein Werk geschaffen hat, ist er und nicht die Stadt X Urheber. Juristische Personen können allenfalls, z.B. aufgrund vertraglicher Vereinbarung
mit dem Urheber, Inhaber von Urheberrechten (sog. Rechteinhaber) werden
(hierzu sogleich).
2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – …
69
Man unterscheidet bei den Urheberrechten zwischen den Urheberpersönlichkeitsrechten und den Verwertungsrechten.
Zu den Urheberpersönlichkeitsrechten gehört z.B. das Recht, selbst zu
entscheiden, ob und wie ein Werk veröffentlicht wird (§ 12 UrhG), und das
Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG), welches dem Urheber u.a. das Recht verleiht zu bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist (§ 13
Abs. 1 Satz 2 UrhG).
Die Verwertungsrechte sind Ausfluss des verfassungsrechtlichen Schutzes der Werke als Eigentum (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz) des Urhebers (sog.
„geistiges Eigentum“), über dessen Verwertung er selbst entscheiden darf.
Dem Urheber stehen u.a. folgenden Rechte zu:
- Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG),
- Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG),
- Ausstellungsrecht (§ 18 UrhG),
- Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG),
- Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG),
- Senderecht (§ 20 UrhG),
- Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger,
- Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22 UrhG).
3. Urheberrechtsschranken und Rechteeinräumung
Eine Nutzung oder Verwertung des Werkes – z.B. durch Herstellung von Kopien, Verbreiten im Internet, Ausstellen, etc. – durch Dritte ist nur zulässig,
wenn entweder der Urheber dem „Verwerter“ entsprechende Rechte eingeräumt hat oder eine sog. Urheberrechtsschranke greift.
a. Urheberrechtsschranken
Bei Urheberrechtsschranken handelt es sich um gesetzliche Einschränkungen (§§ 44a ff. UrhG) der Rechte des Urhebers für einen bestimmten
Zweck. Zu diesen „privilegierten“ Zwecken gehört beispielsweise der
Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch von Kopien (§ 46 UrhG) oder die
Vervielfältigung von Werken zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch
(§ 53 UrhG – sog. Privatkopieschranke). Dem Urheber wird per Gesetz die
Möglichkeit entzogen, eine bestimmte Nutzung seines Werkes – z.B. ein
70
Jan Dirk Roggenkamp
Zitat in einem anderen Werk – zu untersagen. Da jede der Beschränkungen
der Urheberrechte einen gesetzlichen Eingriff in das Eigentumsrecht des
Urhebers darstellt, wird bezüglich des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen ein strenger Maßstab angelegt (zu den einzelnen Schranken ausführlich Dreier/Schulze 2008: Kommentierung der §§ 44a ff.).
b. Einräumung von Nutzungsrechten / Lizenzen
Während die Urheberstellung nicht übertragbar (wohl aber vererbbar, § 29
UrhG) ist, kann der Urheber Dritten Nutzungsrechte einräumen (§ 31 Abs. 1
Satz 1 UrhG). So kann beispielsweise das Recht eingeräumt werden, ein
Werk zu vervielfältigen oder im Internet zu verbreiten.
Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie
räumlich (z.B. auf einzelne Länder bezogen), zeitlich (z.B. einen begrenzten
Nutzungszeitraum) oder inhaltlich (z.B. Nutzung nur als Online-Nutzung im
Internet) beschränkt eingeräumt werden (§ 31 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Für eine
Nutzungsrechteeinräumung gibt es keine spezifischen Formerfordernisse.
Diese kann sich insbesondere auch aus den Umständen der sonstigen Beziehung (z.B. Arbeitnehmer/Arbeitgeber-Verhältnis) ergeben. Für den Fall,
dass bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht
ausdrücklich einzeln bezeichnet wurden, bestimmt § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG,
dass sich „nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck“
bestimmt, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Das gilt auch für die
Frage „ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches
oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und
Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt“ (§ 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG).
c. Exkurs: Einräumung durch Arbeitnehmer / Bedienstete
Die Annahme, dass ein Arbeitgeber stets ein umfassendes Nutzungsrecht an
den von für ihn arbeitenden Arbeitnehmern geschaffenen Werken erhält,
ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (i.W.
BGH) gilt, dass „ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang
Nutzungsrechte einräumt, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies
bedeutet, dass im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich
sind“ (BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 209/07).
2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – …
71
Praktisch wichtig: Im Bereich der öffentlichen Hand ist dementsprechend
davon auszugehen,
„dass ein Beamter, der in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein Werk geschaffen hat, seinem Dienstherrn stillschweigend [nur] sämtliche Nutzungsrechte
einräumt, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. [...] Die
Dienstpflichten des Beamten richten sich nach den für das jeweilige Beamtenverhältnis geltenden Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts; sie können
sich aus dem übertragenen Amt, der zugewiesenen Funktion, dem behördeninternen Geschäftsverteilungsplan oder den Anweisungen des hierzu befugten
Vorgesetzten ergeben. [...] Der Umfang der Verwertungsbefugnis des Dienstherrn ergibt sich aus den ihm obliegenden oder übertragenen Aufgaben“
(BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 209/07).
Im zitierten Fall hatte ein niedersächsischer Landesbediensteter für das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau in Erfüllung seiner Dienstpflichten
einen Entwurf einer Lärmschutzwand geschaffen. Der BGH hat dem Land ein
Nutzungsrecht für den Zweck, nämlich „um damit seiner Aufgabe des Baus
und der Unterhaltung der Bundesautobahnen im gesamten Landesgebiet
nachkommen zu können“ zugestanden. Darüber hinausgehende Rechte – hier
die Unterlizenzierung an andere Bundesländer – werden durch das Bedienstetenverhältnis nicht stillschweigend eingeräumt und sind unzulässig. Übertragen auf eine avisierte Creative-Commons-Lizenzierung von Bediensteten geschaffenen Werken ist im Einzelfall zu prüfen, ob hierzu auf
Seiten der öffentlichen Hand nach dem o.G. überhaupt die notwendigen
Rechte bestehen.
4. Gemeinfreie Werke
Zu berücksichtigen ist, dass das Urheberrechtsgesetz bestimmte „amtliche
Werke“ aus dem Schutzbereich herausnimmt. Sie sind gemeinfrei, d.h. sie
dürfen – ohne dass es einer speziellen Rechteeinräumung bedürfte – von
jedermann frei genutzt werden. Nach § 5 Abs. 1 UrhG handelt es sich im
Wesentlichen um Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfasste Leitsätze zu Entscheidungen.
72
Jan Dirk Roggenkamp
Creative Commons
Wie oben erwähnt, steht es dem Urheber bzw. dem Inhaber entsprechender
Rechte frei, Dritten weitgehende Nutzungsrechte an Werken einzuräumen.
Soll dies beschränkt und gegen Entgelt erfolgen, wird hierfür in der Regel ein
individueller Vertrag zwischen Urheber und Rechteerwerber geschlossen.
Möchte der Urheber respektive Rechteinhaber jedermann, also einem unbestimmten Personenkreis, umfangreiche Nutzungsrechte einräumen, wie
dies z.B. im Bereich Open Content (insb. bei Texten und Fotos) der Fall ist,
bietet sich hierfür die Nutzung einer sog. Open-Content-Lizenz an. Eine der
bekanntesten Open-Content-Lizenzen ist die „Creative-Commons-Lizenz“.
1. Creative Commons
Creative Commons (i.W. CC) selbst ist nach eigener Darstellung eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in San Francisco, „die sich dafür einsetzt,
dass das Internet ein Medium für den freien Austausch von Inhalten bleibt“
(CreativeCommons 2012: FAQ). Es handelt sich bei dem CC Modell um ein
dem traditionellen Urheberrecht gegenübergestelltes Modell, „das einerseits
Offenheit und Teilnahme ermöglicht, andererseits aber nicht die völlige
Aufgabe des Urheberrechts verlangt“ (Lapp 2007: B.II). „Creative Commons
soll dem öffentlichen Interesse an einem freien Informationszugang durch die
Förderung und den intensiven Austausch sowie der Verbreitung von wissenschaftlichen und künstlerischen Inhalten dienen. Wir wollen jenen Rechteinhabern helfen, die anderen großzügige Nutzungsrechte an ihren Inhalten
einräumen möchten“ (CreativeCommons 2012: FAQ). Zu diesem Zweck
wurde ein modulares Lizenzmodell entwickelt, welches verschiedene Stufen
von „alle Rechte vorbehalten“ bis „keine Rechte vorbehalten“ enthält (vgl.
Lapp a.a.O.).
Praktisch wichtig: Im Gegensatz zu stark am amerikanischen Urheberrecht
ausgerichteten Open-Source- bzw. Open-Content-Lizenzmodellen, bemüht
sich CC um eine internationale Anwendbarkeit und Rechtswirksamkeit. Es
existiert ein speziell an das deutsche Recht angepasste Fassung der CCLizenz. CC bietet sich daher für die offene Lizenzierung von „deutschen Inhalten“ an.
2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – …
73
2. Lizenzierung „how to“
Ist die Vorfrage geklärt, ob überhaupt die Berechtigung besteht, bestimmte
Inhalte unter einer Open-Content-Lizenz zur Verfügung zu stellen, ist das
weitere praktische Vorgehen verhältnismäßig anwenderfreundlich.
a. Auswahl der Lizenz
Auf der Webseite creativecommons.org findet sich nach Klick auf den
Button „Choose a license“ ein Lizenzgenerator, der den Nutzer bei der
Erstellung einer individuellen Lizenz unterstützt (s. Abb. 1).
Abb. 1 Unterstützung bei der Lizenzauswahl
(Quelle: http://creativecommons.org/choose/)
Die baukastenartig zusammenstellbare Lizenz erlaubt es grundsätzlich
jedermann, den lizenzierten Inhalt zu nutzen. Grundbedingung ist in jedem
Fall die Namensnennung des ursprünglichen Urhebers. Eine Abwahl dieser
Option ist nicht möglich.
Sodann kann ausgewählt werden, ob Bearbeitungen des Werkes zugelassen sein sollen. Wird hier „Nein“ ausgewählt, ist es Dritten untersagt, das
Ergebnis einer Bearbeitung des Werkes zu vervielfältigen, zu verbreiten, aufzuführen und öffentlich zugänglich zu machen (vgl. aber § 24 UrhG, der
fortgilt). Der Inhalt darf daher nur unverändert oder gar nicht verwendet werden.
74
Jan Dirk Roggenkamp
Es kann auch eine Bearbeitung unter der Bedingung zugelassen werden,
dass „Abwandlungen unter den gleichen Bedingungen weitergegeben werden“. Das bedeutet, dass die Bearbeitung ebenfalls der CC-Lizenz unterliegen soll (sog. „share alike“). Schließlich ist auch die ausdrückliche, unbedingte Gestattung einer Bearbeitung (bzw. deren Veröffentlichung und Verwertung) möglich.
Eine Beschränkung ist weiter dahingehend möglich, dass die Nutzung
(insb. Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung)
des Werkes nur zu nicht-kommerziellen Zwecken gestattet wird. Soll eine
solche dennoch stattfinden, setzt dies eine gesonderte Vereinbarung mit den
Rechteinhabern voraus (vgl. Lapp 2007: C.2).
Praktisch wichtig: Die o.g. Urheberrechtsschranken (z.B. Privatkopie, Zitatrecht) bleiben von den CC-Lizenzen unberührt. Sie können nicht vertraglich
ausgeschlossen werden.
b. Einbeziehung der Lizenz
Damit der potenzielle Nutzer eines Werkes erkennen kann, in welchem Umfang ihm Rechte eingeräumt wurden, ist das Werk entsprechend zu kennzeichnen. Auch hierfür bietet die Creative-Commons-Webseite Hilfestellungen (s. Abb. 2).
Abb. 2 Hilfe bei der Formulierung (Quelle: http://creativecommons.org/choose/)
2.6 Copyrights vs. Creative-Commons-Lizenz – …
75
Unter anderem für Webinhalte wird eine spezifische Infografik mit Symbolen für die jeweils gewählte Lizenzart sowie ein HTML-Code generiert,
der auf einer Webseite im Kontext des jeweiligen Werkes eingebunden werden kann. Aber auch für andere Arten der Publikation kann (über das Dropdown-Feld „License mark“) ein entsprechender Hinweistext erstellt werden.
Die jeweiligen Lizenztexte werden auf der CC-Webseite vorgehalten.
Neben einer juristisch ausgearbeiteten Fassung findet sich auch eine „vereinfachte“ Variante, aus welcher auch juristische Laien schnell ihre Rechte
bezüglich des Werkes ablesen können sollen.
Fazit
Die Lizenzierung von Inhalten unter einer CC-Open-Content-Lizenz ist
verhältnismäßig einfach. Zu beachten ist, dass ein entsprechendes Vorgehen
nur möglich und zulässig ist, wenn entsprechende Berechtigungen bestehen.
Dies gilt es im Vorfeld für jedes Werk zu klären, um der Entstehung von
(kostenintensiven) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen vorzubeugen. Die Inanspruchnahme von externem urheberrechtlichem Rat wird aufgrund der mitunter komplexen Sachlage unumgänglich sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Zuführung von Open Content gerade keine vollständige Aufgabe von Urheberrechten ist. Im Gegenteil: Wird gegen die Bestimmungen der CC-Lizenz verstoßen, z.B. weil entgegen dem Willen des Rechteinhabers eine kommerzielle Verwertung erfolgt, kann dies mit den Werkzeugen des Urheberrechts unterbunden und geahndet werden.
Quellen
Creative Commons (2012), Deutsche FAQ (Stand 19.8.2012), http://de.creativecommons.org/faqs/
Heckmann, Dirk (2011). juris Praxiskommentar Internetrecht, 3. Aufl., Saarbrücken:
juris Verlag
Lapp, Thomas (2007). Open Content Lizenzen, Urheberrecht und flexibles Rechtemanagement, in: AnwaltZertifikat IT-Recht, Ausgabe 2/2007
76
Daniela Riedel
2.7
E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine
Brücke zwischen Verwaltung und Wirtschaft
sein kann 1
Daniela Riedel
Kurzfassung: Die Stadt ist ein Verhandlungsraum. Will die Kommune
den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten, dann kommt sie
nicht daran vorbei, das Internet als öffentlichen Raum für den Dialog
zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin zeigt, können Bürger, Blogger, Interessenvertreter gleichermaßen ihre Motive argumentativ und
mit Unterstützung von Online-Moderatoren zusammenführen.
Autorin: Diplom-Ingenieurin für Stadt- und Regionalplanung und
Mitbegründerin von Zebralog e.V. Sie berät Politik, Verwaltung und
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei der Konzeption und Umsetzung medienübergreifender Dialogprozesse auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene.
Raum ist mehr als „gebaute Umwelt“
Raum wird in unserem Sprachgebrauch als etwas selbstverständlich Gegebenes verwendet und mit Wänden und festen Grenzen verbunden. Im Gegensatz zu diesem klassischen Verständnis kann man Raum auch breiter fassen:
als Vorstellungswelt, als Bedeutungssystem und in Form von Handlungsräumen.
Die Stadt ist ein Verhandlungsraum, der materiell und diskursiv umkämpft ist. Die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden hängt davon ab,
welche Akteure und Institutionen über die Flächen verfügen und sich letztlich durchsetzen können.
Traditionell bestimmen die öffentliche Hand und zunehmend private
„Landlords“ über die Stadtentwicklung. Entsteht ein neues Gebäude oder ein
Park, so wird das Bild dieser Akteure in die Wirklichkeit übertragen. Sie
entscheiden, wo und in welcher Form gebaut wird und in welcher Form die
1 zuerst veröffentlicht unter: http://kommune20.de/?p=218
2.7 E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen ...
77
Flächen genutzt werden können. Im Mittelpunkt stehen dabei die Gestaltung
und die Benutzung des baulichen Raumes.
An den Verhandlungen sind zunehmend auch andere gesellschaftliche
Gruppen beteiligt. Junge Architekten- und Stadtplanerteams, Künstler, Kulturinteressierte, soziale Initiativen oder Bewohner fangen an, den Raum zu
besetzen. Sie kreieren neue Verfahren und Instrumente. Dieser Handlungsspielraum wird vor allem an den gesellschaftlichen „Übergangsorten“ möglich, bei Pionier- und Zwischennutzungen. Dabei handelt es sich um ungenutzte Häuser, Flächen oder symbolische und politisch aufgeladene Orte.
Ein Beispiel ist der ehemalige Palast der Republik. Diese Räume wurden
durch soziale und künstlerische Sinnzuschreibungen verändert.
Die verschiedenen Gruppen wollen aufzeigen, was jetzt und in Zukunft
wichtig für die Stadtentwicklung ist: die Gestaltung und das Agieren im
sozialen Raum. Diese neue Haltung drückt sich in einer schrittweisen Entwicklung durch Aneignung und Aktionen statt einer jahrelang vorausschauenden Planung aus. Handlungsspielräume und Diskurse, um andere städtische Lebensweisen und politischer Teilhabe auszuprobieren, werden zum
entscheidenden Gestaltungselement.
Für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Regionen ist es entscheidend, neben der baulichen Gestaltung auch die Bewohner an der Raumentwicklung teilhaben zu lassen und ihren Interessen Rechnung zu tragen.
Das Internet als Verhandlungsraum
Ursprünglich hatten Plätze, Straßen, Parks etc. die Funktion, Orte zu schaffen
für die Öffentlichkeit: für Informationsaustausch und persönliche Auseinandersetzung. Mit zunehmendem technischem Fortschritt wird diese Aufgabe
mehr und mehr von Medien wie dem Mobiltelefon, dem Radio, dem Fernseher und dem Internet übernommen. Ergänzend zur gebauten Realität wird
das Internet zum mächtigen öffentlichen Raum der Meinungsbildung.
Das Internet präsentiert eine völlig eigene Öffentlichkeit: Es lassen sich
Kontakte zur Außenwelt herstellen, ohne auch nur die Wohnung zu verlassen; Information und Wissen kommen via Datenautobahn direkt in die heimatliche Stube.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich ein Prozess der Demokratisierung im Alltag der Bewohner vollzieht. Über Mailinglisten, Blogs oder
Social Networks vernetzen sich die Menschen. Sie begrüßen es, von zu Hau-
78
Daniela Riedel
se aus Kontakte zu knüpfen, sich mithilfe von Videos, Fotos und persönlichen Profilen zu präsentieren, Sichtweisen auszutauschen und Beziehungen
aufrechtzuerhalten.
Berliner Stadtentwicklungspolitik:
Planen mit mehr als 1.000 Beteiligten
Entscheidungen in Städten und Kommunen sind natürlich schon lange keine
Einbahnstraße mehr. Politische Leitideen und städtische Entwicklungen
werden über sehr verschiedene Kanäle gesteuert und kommuniziert. Dabei
findet auch das Internet zunehmend Bedeutung.
Die öffentliche Hand initiierte gelegentlich Online-Umfragen, moderierte
Online-Dialoge oder Online-Petitionen, um die Meinung der Öffentlichkeit
in Entscheidungsprozesse einzubinden. Großstädte wie Berlin, Köln oder
Hamburg zeigen, dass öffentliche Expertisen über das Internet zur kreativen
Ressource der Entscheidungsfindung werden können: zur Bestimmung von
Qualitäten einzelner Orte, von Nutzungsanforderungen und von Gestaltungsideen für Plätze und Parkanlagen sowie für die Entwicklung von Leitbildern
oder das Vorbereiten von Wettbewerbsverfahren.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin setzt bei wichtigen
Entscheidungen auf eine breite Mitwirkung der Bürger. Bewährte Instrumente der Bürgerbeteiligung werden mit innovativen Methoden der elektronischen Kommunikation und einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit kombiniert. So wird ausprobiert, ob Web-Technologien (Wiki, Google Earth, GIS)
und Verfahrenskonzepte (moderierte Online-Dialoge, TED-Meetings, Auswahl der verwendeten Technik und Software etc.) neue Formen von Diskursen hervorbringen und wie sie die Stadtentwicklung beeinflussen.
Konzept-/Masterplan-Diskussion zur Weiterentwicklung
des Kulturforums Berlin (2004/2005)
Das Kulturforum nahe dem Potsdamer Platz war lange Zeit ein planerisch
umstrittener Ort. Durch divergierende architektonische Leitbilder in der
Fachöffentlichkeit konnte bisher kein Konsens zur Platzgestaltung gefunden
werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung entschloss sich, 2004
einen öffentlichen Diskurs zur Entwicklung des Kulturforums in Berlin zu
initiieren.
2.7 E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen ...
79
Parallel zu Architekturgesprächen, Ideenwerkstätten und Vor-Ort-Veranstaltungen wurde ein moderierter Online-Dialog durchgeführt.2 Die Beteiligten konzentrierten sich in der vierwöchigen Diskussion darauf, gemeinsame
Interessen her-aus zu arbeiten: Nutzungsvorschläge und Marketingstrategien
zur Aufwertung des Ortes. Die Teilnehmenden konnten mittels Wikis die
Diskussion mit Unterstützung der Moderation zusammenfassen. Auf diese
Weise entstanden 14 Konsens-Beiträge, die der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung übergeben wurden und in den Masterplan Kulturforum eingingen.
Vorbereitung und Begleitung
Wettbewerb zur Parkgestaltung Gleisdreieck
Die Vorstufe und Begleitung des landschaftsplanerischen Wettbewerbs für
die größte noch bestehende innerstädtische Brachfläche – das Gleisdreieck –
zeigte vor allem die Erwartungen und Anforderungen der Anwohner und späteren Nutzer an den späteren Park. Ziel der Senatsverwaltung war es, neben
den traditionell etablierten Bürgerinitiativen auch die allgemeine Berliner
Öffentlichkeit zu erreichen, die diesen großflächigen Park künftig nutzen
wird.
In drei Wochen moderierter Online-Diskussion auf www.gleisdreieckdialog.de besuchten 50.000 Besucher das Dialog-Angebot. 388 meldeten sich
mit Mailadresse an, um 500 Vorschläge und Kommentare einzureichen. Am
Ende gab es neben diesen zahlreichen Einzelvorschlägen ein gemeinsam
erarbeitetes Empfehlungspapier für die Politik und Verwaltung: das gemeinsame Ergebnis. Diese Ziele, Nutzungs- und Finanzierungsvorschläge wurden
zum festen Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen für den landschaftsplanerischen Architektenwettbewerb.
Um den Wettbewerb für die Erweiterung der Gedenkstätte Bernauer Straße zu konkretisieren, wurde ein moderierter Bürger-Dialog von Senatsverwaltung und künftigem Nutzer, dem Dokumentationszentrum Berliner
Mauer, initiiert. Durch die direkte Ansprache der Anwohnenden, Grundstückseigentümer und anderen Interessensgruppen wurden relevante Gruppen
von Beginn an eingebunden.
2 Vgl. www.kulturforum-dialog.de.
80
Daniela Riedel
In der zweiwöchigen Online-Diskussion auf www.berlin.de/mauerdialog
wurden auf der Grundlage der eingegangenen Beiträge Themenschwerpunkte
gebildet, die unterschiedlich in das weitere Verfahren eingebunden wurden.
Die Online-Diskussion war geprägt von hoher Emotionalität und den vielfältigen Interessen im Spannungsfeld zwischen prosperierender Stadtentwicklung und bewahrendem Gedenken. Stichwortfunktionen ermöglichten ein
schnelles Nachlesen und Vergleichen unterschiedlicher Beiträge. Parallel zur
Diskussion im Internet wurden Mauerstreifen-Spaziergänge mit Informationsstationen initiiert. Auch Menschen, die das Internet nicht nutzen, hatten
so einen unkomplizierten Zugang zum Thema.
Den Abschluss bildete eine Bürgerversammlung der besonderen Art: ein
TED-Meeting. Mithilfe von kleinen Fernbedienungen, sogenannten Keypads,
konnte jeder einzelne Versammlungsteilnehmer per Knopfdruck anonym
abstimmen. Das Ergebnis erschien sofort auf einer Leinwand und wurde von
den Verantwortlichen der Senatsverwaltung und den Nutzern im direkten
Gespräch resümiert. Dieses TED-Meeting leitete in die formelle frühzeitige
Bürgerbeteiligung für den Bebauungsplan über.
Die Beteiligung war insgesamt wesentlich größer als bei klassischen
Verfahren. Innerhalb von nur zwei Wochen informierten sich fast 10.000
Website-Besucher im Online-Dialog. 1.400 Spaziergängern wurden auf den
Mauerstreifzügen die Planungen nähergebracht. Ins Internet wurden über 360
Diskussionsbeiträge eingestellt. Bei dem abschließenden TED-Meeting wurden differenzierte Meinungsbilder von 60 Interessierten per Knopfdruck erfasst.
Fazit: Den öffentlichen Diskurs im Netz aktiv gestalten
Will die Kommune den öffentlichen Diskurs weiterhin aktiv mitgestalten,
dann kommt sie nicht daran vorbei, das Medium Internet für den Dialog
zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern zu nutzen. Es ist ein öffentlicher
Raum, der sonst von anderen gesellschaftlichen Gruppen gestaltet wird.
Nach dem Motto „Hier ist Platz für Ihre Meinung“ sollten Kommunen
öffentliche Kommunikationsräume schaffen, um verschiedene Interessen in
argumentativen Prozessen und mit Unterstützung von Online-Moderatoren
zusammenzuführen.
Bürger, Blogger, Interessensvertreter sind gleichermaßen in Online-Diskussionen gezwungen, ihre Standpunkte mit Argumenten zu untermauern,
2.7 E-Partizipation: Wie der Internetdialog eine Brücke zwischen ...
81
um andere zu überzeugen. Die Sachebene tritt durch die textbasierte Kommunikation in den Vordergrund.
Das Wissen der Bewohner zu laufenden Prozessen wird gewonnen und
genutzt. Starre Pro-Contra-Gegensätze zwischen Verwaltung und Bevölkerung brechen auf. Das Verständnis für Beweggründe und Handlungsoptionen
anderer erhöht sich bei allen Beteiligten. So können Entscheidungsprozesse
erleichtert und verkürzt werden. Durch große Beteiligungszahlen sind zudem
die Pro-Kopf-Kosten vergleichsweise gering.
Damit verbunden ist jedoch nicht nur das Aufsetzen einer Internetplattform, sondern das Online-Angebot muss eingebettet sein in ein Gesamtkonzept der Prozessgestaltung, Politik- und Konfliktberatung und einer öffentlichen Kommunikationsstrategie. Ein sinnvolles Zusammenspiel von diskursiven Elementen – im Internet und auf Veranstaltungen – und die Offenheit
des Ergebnisses bilden die Grundlage für den Erfolg von Online-Dialogen.
Verschiedene zentrale Stränge von kommunaler Politik werden durch EPartizipationsprojekte verbunden:
- ein innovatives Dialogverfahren und Prozessgestaltung für Politik, Verwaltung und Bürger wird konzipiert und umgesetzt
- das Internet wird als Kommunikationsplattform und deliberatives Verständigungsmedium für planerische Entscheidungen genutzt
- Gestaltungsspielräume und Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger
werden eröffnet und direkte Mitentscheidung praktiziert.
- ein Interessen- und Wissensaustausch zu einem aktuellen Thema in der
Stadt wird ermöglicht.
Am Ende können hochwertige Ergebnisse einer großen Öffentlichkeit stehen,
auf deren Basis Entscheidungen demokratischer und qualifizierter getroffen
werden.
82
Holger Kindler
2.8
Internet der Dienste — Grundlage für das
E-Government der nächsten Generation
Holger Kindler
Kurzinfo: Die Technologien, die unter dem Begriff „Internet der
Dienste“ zusammengefasst werden, gelten heute als Basistechnologie
für das Internet sowie die Software der Zukunft. Für das E-Government ermöglicht es maßgeschneiderte Anwendungen, die durch spezielle Schnittstellentechnologien eine optimale Integration einzelner
öffentlicher Services in Geschäftsprozesse von Unternehmen ermöglichen. Damit hat das Internet der Dienste das Potenzial, die Akzeptanzund Kompatibilitätsprobleme der heutigen Generation von Software zu
lösen.
Autor: Der Diplom-Wirtschaftssinologe und Master of Public Policy
Holger Kindler studierte Public Management, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre u.a. in Erfurt und Shanghai. Er ist momentan als
Unternehmensberater tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit konzentrieren
sich auf IT-induzierte Organisationsentwicklung und Innovationsmanagement im organisationalen und organisationsübergreifenden Bereich.
Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist
ein großer Innovationstreiber der letzten Jahre und Jahrzehnte
Ganz neue Wirtschaftszweige wie der Internethandel und Geschäftsmodelle
rund um den Komplex „Social Media“ sind entstanden. Gleichzeitig haben
sich traditionelle Industriezweige wie der Maschinenbau und die Chemieindustrie sowohl in ihren Produktionsprozessen als auch bezüglich ihrer
Produkte grundlegend verändert. Beispielsweise sind Automobile ohne IKT
heute kaum noch denkbar – und aufgrund veränderter Kundenbedarfe auch
kaum mehr massenmarktfähig. Die Steuerung und Kontrolle von Produktionsprozessen wären schon aufgrund des entstandenen Zeitverlustes sehr
viel ineffizienter. Auch die moderne Logistik wäre ohne IKT im globalen
Maßstab kaum realisierbar.
2.8 Internet der Dienste – Grundlage für das E-Government der ...
83
Kurz gesagt hängen viele Produkt- wie Prozessinnovationen mit IKT
zusammen oder sind direkt auf sie zurückzuführen. Als Konsequenz hat IKT
in den letzten Jahrzehnten unsere Wirtschaft verändert und massiv zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen beigetragen.
Unternehmen und Verwaltungen mussten jedoch auch immer wieder
erfahren, dass diese Fortschritte regelmäßig massive Investitionen in Hardware und Software bedeuteten. Zudem stellten sich IT-Systeme im Alltag
häufig als unausgereift heraus, waren ohne große Investitionen in die Anpassung der Systeme unzureichend auf die spezifischen Bedürfnisse der
Unternehmen und Verwaltungen zugeschnitten und dazu noch von Kompatibilitätsproblemen z.T. selbst innerhalb eines einzelnen Systems geplagt.
Außerdem verlangten sie der Belegschaft ständige Anpassungen an immer
neue, oftmals zu den alten Programmen nicht vollständig kompatiblen Anwendungen ab. Dies führte einerseits zu belasteten Mitarbeitern, andererseits
zu der Notwenigkeit, relativ große IT-Support-Abteilungen zu betreiben oder
extern zu bezahlen.
Fortschritte der IKT im „Internet der Dienste“
Das „Internet der Dienste“ ist ein Oberbegriff eines technischen Konzepts,
das darauf abzielt, gerade die oben genannten typischen IT-Probleme der
Gegenwart wie mangelnde Kompatibilitäten potenziell lösen zu können.
Technisch ist diese Vision heute schon zum Teil realisierbar. Cloud Computing – ein wichtiges Konzept aus dem Internet der Dienste – ist bereits weit
verbreitet und im Produktportfolio aller wichtigen IT-Unternehmen nicht
mehr wegzudenken. Spätestens in fünf bis zehn Jahren wird das „Internet der
Dienste“ wohl Realität in vielen Unternehmen und Verwaltungen sein.
Das Potenzial des „Internet der Dienste“ verspricht tatsächlich viele
grundlegende und signifikante Veränderungen.
Infrastructure as a Service
Potenziell kann das Internet der Dienste z.B. die fast gänzliche Abschaffung
der lokalen Hardware bewirken. Das „Internet der Dienste“ ermöglicht es,
beliebig viel Rechenkapazität je nach Bedarf extern für einen zeitlich begrenzten Zeitraum einzukaufen. Damit haben die meisten, oftmals überdimensionierten lokalen Serversysteme ausgedient. Besonders kleine Unter-
84
Holger Kindler
nehmen und Verwaltungen haben damit Zugriff auf Rechnerkapazitäten wie
heute nur Großunternehmen. Diese Dimension des Internet der Dienste wird
häufig „Platform as a Service“ (PaaS) genannt.
Software as a Service
Dazu verspricht das Internet der Dienste die Bereitstellung und Nutzung von
Programmen im Internet – ohne dass eine Installation auf einem lokalen
Computer nötig wäre. Darüber hinaus verspricht es die vollkommen individuelle Zuschneidung der Programme auf Verwaltungs- und/oder Unternehmensbedürfnisse ohne großen Programmier- und damit Kostenaufwand. Der
Vorteil ist, dass keine Standardanwendung wie Microsoft Excel für alle
Prozesse verwandt wird, ob passend oder nicht – so wie es heute in quasi
allen Unternehmen weit verbreitet ist. Dies funktioniert durch die Zusammenstellung kleiner, granularer, zueinander durch spezielle Schnittstellenlösungen vollständig kompatibler Softwarekomponenten. So kann mit dem
Internet der Dienste für jeden beliebigen Prozess eine genau passfähige ITLösung gefunden – und jederzeit nachträglich an neue Gegebenheiten
angepasst werden. Die Unternehmen müssen ihre Prozesse damit nicht mehr
gemäß den Limitierungen ihrer Hard- oder Software ausrichten, wie es heute
häufig der Fall ist. Im Gegenteil: Das Internet der Dienste macht es möglich,
dass sämtliche IT sich nach den Prozessen ausrichtet. Weil die IT damit
endlich potenziell das tun kann, was die Prozesse, Strukturen und weiteren
Stakeholder eines Unternehmens oder einer Behörde wirklich erfordern, sind
noch signifikantere Produktivitätsgewinne zu erwarten. Diese Dimension des
Internet der Dienste wird häufig „Software as a Service“ genannt.
Platform as a Service
Das Internet der Dienste ermöglicht darüber hinaus die völlige Auslagerung
von Betriebssystemen sowie typischer Grundlagen der Softwareprogrammierung wie Datenbanken, Runtime-Umgebungen und Entwicklungstools. Damit können auch Kleinentwickler auf dieselben Werkzeuge zurückgreifen
wie bisher nur Profientwickler. Diese Dimension des Internet der Dienste
wird häufig Platform as a Service genannt – gerade weil eine Plattform angeboten wird, auf der Entwicklungsaktivitäten vorgenommen werden können.
2.8 Internet der Dienste – Grundlage für das E-Government der ...
85
Chancen für Anbieter
Um solche Services anbieten zu können, wird der Anbietermarkt in Zukunft
völlig anders strukturiert sein. Die wichtigsten Hardwareanbieter werden die
Anbieter von Rechenzentren mit sehr großen Rechenkapazitäten sein. Die
Telekommunikationsunternehmen werden die Kapazität der Internetanbindungen noch breitbandiger gestalten müssen. Die Softwareprogrammierer
werden vor allem mit der Programmierung granularer, kleiner Softwarekomponenten beschäftigt sein. Hinzu kommt die immens wichtige Programmierung der Schnittstellensoftware, welche die Kombinierbarkeit der einzelnen
Programme gewährleistet. Andere Anbieter werden mit der technischen Integration in Geschäftsprozesse oder Endkundenprozesse befasst sein. Tatsächlich ist aber auch die organisationale Integration nicht zu unterschätzen –
die Bedeutung einer akkuraten Formulierung der Anforderungen einer
Behörde oder eines Unternehmens an die Software wird mit dem Internet der
Dienste nämlich massiv zunehmen. Hinzu kommen die Betreiber großer
Handelsplattformen, die auf übersichtliche Weise die verschiedenen miteinander kombinierbaren Einzelprogramme anbieten und Querverlinkungen
zwischen den Programmen aufzeigen.
Internet der Dienste für E-Government
Auch für E-Government kann das Internet der Dienste eine neue Generation
der Anwenderfreundlichkeit und insbesondere der Nutzerorientierung bedeuten. Mit Software-as-a-Service-Modellen könnte die Integration von EGovernment-Prozessen in Unternehmen sehr viel anwendungsfreundlicher
werden. Die Behörden könnten künftig eine Reihe von modularen Services
bzw. granularen Softwareeinheiten anbieten, aus denen Unternehmen wählen
können. Ein Unternehmen könnte so z.B. wählen, dass es für sein Unternehmen in einem Standardprozess eine Kfz-Anmeldung und einen Handelsregisterauszug immer in Kombination braucht – und so die modularen Softwaremodule selbständig auswählen. Die zugrunde liegende Schnittstellentechnologie ermöglicht dabei eine nahtlose Einbindung der Anwendung in
die Prozesse des Unternehmens – insoweit diese schon Internet-der-Dienstefähig sind. Andernfalls wäre z.B. eine browserbasierte Lösung denkbar.
Für E-Government könnte das Internet der Dienste damit eine individuelle
Anpassung der E-Government-Angebote der Kommunen an die Bedürfnisse
86
Holger Kindler
der Unternehmen bedeuten. Letztlich könnte sich jedes Unternehmen seine
eigene E-Government-Servicelandschaft von einer Internet-der-Dienste-fähigen Behörde individuell zusammenstellen – ohne Mehraufwand für die
Verwaltung für jede einzelne Abfrage.
Potenziell könnte das Internet der Dienste und seine Anwendungen damit
viele Probleme des E-Government lösen. Themen, die im Rahmen dieses
Buches aufgeworfen wurden – wie mangelnde Akzeptanz und Zielgruppenorientierung der Unternehmen – wären mit einer Internet-der-Dienste-basierten Software lösbar.
Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre scheint
der Trend klar in die Richtung Cloud Computing und Internet der Dienste zu
gehen. Daher wird es vermutlich nicht allzu lange dauern, bis die Welle der
Cloud- und Internet-der-Dienste-Anwendungen auch im öffentlichen Sektor
immer weiter Fuß fasst – und auch auf E-Government-Applikationen Anwendung findet.
3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ...
3
Strategische Ausrichtung von
E-Government — Sicht der Kommune
3.1
Streckenplan statt Schnittmusterbogen —
Ansätze für eine modernisierte Verwaltung
Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht
Kurzfassung: Einst funktionierende Muster in der Verwaltung, wie
festgelegte Kompetenzen und Strukturen, lösen sich teilweise auf.
Entwicklungen von außen werden aktiv aufgegriffen oder vorgegeben.
Open Data, App-Entwicklungen, Cloud Computing treiben den E-Government- und IT-Bereich in Behörden voran. Dafür notwendige
Hausaufgaben, wie Prozessanalyse und -optimierung, sind dabei oft
noch gar nicht erledigt. Schon morgen sind es neue Themen und
„Baustellen“. Kommunen fühlen sich dabei stets als Getriebene. Wie
aber können Verwaltungen mit der rasanten Entwicklung der „Außenwelt“ Schritt halten? Das kann nur gehen, wenn die effiziente Selbstorganisation im Zuge permanenter Veränderungen Teil der Alltagskultur kommunaler Verwaltungen wird. Oder anders ausgedrückt:
wenn Kommunen einen Streckenfahrplan für Innovationen haben. Die
Stadt Halle (Saale) stellt anhand der Entwicklung ihres E-Government-Masterplans dar, wie ein solcher Innovationsprozess aussehen
könnte.
Autoren: Dr. Dirk Furchert, Diplom-Journalist und Kommunikationswissenschaftler; Jahrgang 1969; seit 1989 Redakteur und Korrespondent für ddp und „Neue Zeit“; 1994–2004 Pressesprecher der
Stadt Halle; seit 2004 Leiter des Hauptamtes; Mitglied des Arbeitskreises Organisation und elektronische Verwaltung des Deutschen
Städtetages; Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen und
freier Berater von Organisationen mit den Tätigkeitsschwerpunkten:
Kommunikations- und Wissensmanagement, Change- und AkzeptanzManagement, E-Government, neue Medien, IT-Organisation und
-Steuerung, Projektmanagement.
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88
Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht
Bianca Thieme, M. A., Jahrgang 1974, Studium der Soziologie und Erziehungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (1992–1997), Ausbildung zur Referentin für Telekommunikation und Mediendesign (1997–1999), Volontariat im Presse- und
Werbeamt der Stadt Halle (Saale) (2000–2001), wissenschaftliche
Mitarbeiterin im Projekt „Entwicklung einer Marketingstrategie für
die Hochschule Merseburg“ sowie weiterer Projekte an der Hochschule Merseburg (2001–2005), seit 2007 Ressortleiterin E-Government in der Stadt Halle (Saale).
Juliane Jecht, B. A., Jahrgang 1985, Studium PublicManagement /
E-Government an der Hochschule Harz (Standort Halberstadt)
(2007–-2010), Angestellte im Bereich E-Government / Wissensmanagement in der Stadt Halle (Saale) (2010–2011), seit 2011 Angestellte im Bereich E-Government / Prozessmanagement.
Anforderungen der Wirtschaft an E-Government
Nach einem Bericht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages (2003) erwartet die deutsche
Wirtschaft von der Verwaltung vor allem, dass die angebotenen Leistungen
eindeutiger und kostengünstiger in der Ausführung werden. Ressourcen wie
Zeit und Geld sollen eingespart werden. Auch die Zeit- und Ortsunabhängigkeit bei der Erledigung von Verwaltungsleistungen ist ein zentrales
Thema und wird immer mehr zu einem Standortfaktor. Grundsätzlich sind
bei der Auswahl und Umsetzung digitaler Verwaltungsprozesse Bedürfnisse
und Voraussetzungen der Kunden zu berücksichtigen. Insbesondere wenn der
realisierte Online-Dienst parallel zum herkömmlichen Verfahren angeboten
wird, sind Anreize für die Nutzung dieses Dienstes wichtig. Dafür ist ein
gesondertes Marketingkonzept notwendig. Bestätigt werden diese Anforderungen auch in einer Studie der Hochschule Harz (2009: 16) über E-Government für Unternehmen.
Hindernisse auf dem Weg zum E-Government
Den Anforderungen der Wirtschaft stehen etliche Hürden gegenüber, die es
der Verwaltung schwer machen, den hohen Erwartungen und Ansprüchen
3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ...
89
gerecht zu werden. So führt vor allem die hohe Komplexität im E-Government-Bereich zu einer Vielzahl von Fragen und Folgewirkungen. Diese
Situation erinnert an einen typischen Schnittmusterbogen. Viele der (Teil-)
Projekte, die teilweise auch miteinander verknüpft sind, liegen nebeneinander
oder übereinander angeordnet und bilden offenkundige Schnittpunkte. Diese
müssen vor der Umsetzung geordnet und richtig zusammengefügt werden.
Die sehr komplexe Anordnung erscheint auf den ersten Blick äußerst kompliziert und unstrukturiert und es bedarf einer langen Auseinandersetzung mit
den einzelnen Themen, um daraus ein „fertiges Kleidungsstück“ zu erstellen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Bereich Verwaltungsmodernisierung
eine große Baustelle ist, auf der an vielen Gewerken und Projekten gleichzeitig gearbeitet, aber nur wenig wirklich abgeschlossen wird. Dies liegt
unter anderem darin begründet, dass verbindliche Vorgaben und Richtlinien
zu Umsetzungsfristen und Funktionsumfang fehlen, wie z. B. für die Behördennummer D115 oder die Einsatzmöglichkeiten des neuen Personalausweises.
Hemmnisse bei der Umsetzung von E-Government-Projekten sind unzureichend definierte Prioritäten, fehlendes Fachpersonal, Existenz- und Verlustängste bei den betroffenen Mitarbeitern sowie fehlende Erfahrungen bei
der Realisierung, um nur einige zu nennen. Die Autoren sehen vier große
„Bremsklötze“:
- Kirchturmdenken: Es findet zu wenig „Austausch“ von Erfahrungen,
Wissen und Ideen sowie einheitliches Vorgehen auf kommunaler und
Landesebene statt. Ressourcen und Wissen von „Experten“ werden nicht
effektiv genutzt. Kommunen agieren voneinander getrennt, Bund und
Land denken und agieren losgelöst von der kommunalen Ebene. Im
Ergebnis gibt es viele unterschiedliche Lösungsansätze mit hohem, isoliertem Kraftaufwand (z. B. 16 unterschiedliche Einheitliche Ansprechpartner im Rahmen der EU-Dienstleistungsrichtlinie).
- Kommunikationsstörungen: Innerhalb der Verwaltung, zwischen den
verschiedenen Verwaltungsebenen und auch mit den Nutzern wird zu
wenig kommuniziert. Hinzu kommen Verständigungsprobleme, wenn
unterschiedliche Sprachstrukturen (Behördensprache, Fachsprache, Juristensprache, Alltagssprache) aufeinandertreffen. Zudem sind die Kommunikationswege nicht immer störungsfrei, sodass Informationen verloren
gehen (z. B. innerhalb einer Verwaltung).
- Versagensängste: Faktoren wie Aufgabenverdichtung, Beschleunigungstendenzen, ungenügende Thematisierung in Aus- und Weiterbildung so-
90
Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht
wie persönliche Berührungsängste bewirken, dass sich Mitarbeiter der
öffentlichen Verwaltung nicht auf der E-Government-Baustelle zurechtfinden und Angst haben, zu scheitern (z. B. im Umgang mit Web 2.0).
- Ressourcenmangel: Die demografische Entwicklung bringt einen Mangel
an Fachkräften auch im öffentlichen Dienst mit sich. Daher werden
Projekte nicht immer optimal realisiert. Hinzu kommen das Fehlen von
ausreichend finanziellen Mitteln und ein Zeitdruck bei der Realisierung
durch Haushaltspläne, technologische Bedingungen, gesetzliche Regelungen, Fördermittelzusagen usw.
Kommunen sehen sich angesichts dieser Rahmenbedingungen nicht selten
gezwungen, Abstriche bei einer ganzheitlichen Umsetzung zu machen, wenn
sie sich nicht sogar gänzlich in den Details der Komplexität des Themas
verlieren. Mit einer systematischen Entwicklung von E-Government-Zielen
und -Leitthemen, die sowohl aktuelle als auch zukünftige Entwicklungen und
Wünsche der Kunden berücksichtigen kann, wird jedoch aus dem „Wirrwarr“
der Projekte und Aufgaben ein strategischer Innovationsplan.
Verwaltungsmodernisierung mithilfe von E-Government
E-Government kann nach wie vor als zentraler Motor der Verwaltungsmodernisierung in der öffentlichen Verwaltung angesehen werden. Der
Masterplan der Stadt Halle (Saale) für die Jahre 2013 bis 2020 wurde deshalb
ganz im Zeichen der Mobilität gestaltet. Der Grundgedanke orientiert sich an
der Entwicklung neuer effizienter Mobilitätsformen, wie z. B. Elektroautos,
die mit einfacher Bedienbarkeit und zukunftsorientiertem Ressourcenverbrauch Kundenwünschen entsprechen. Das sind Anforderungen, die auch
die Modernisierung der Verwaltung mithilfe von E-Government erfüllen soll.
Diese werden zu einer Vision für die Verwaltung 2020 zusammengefasst.
Der Grundgedanke und damit Grundlage der strukturierten Form ist es,
mit E-Government den Zugang zu Informationen, die Kommunikation mit
der Verwaltung und das Angebot sowie die Ausführung von Leistungen
einfach, effizient und elektronisch zu ermöglichen.
Dabei sollen vor allem realisiert werden:
- eine zukunftsorientierte, leistungsfähige Stadt, die von Bürgerschaft,
Stadtrat und Verwaltung gemeinsam nachhaltig, kompetent und kreativ
entwickelt wird,
- eine kundenorientierte Exekutive, die auf der Basis von fundiertem Wissen, transparentem Handeln und elektronischer Dienste Bürger/-innen
3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ...
-
91
und Unternehmer/-innen in allen Lebenslagen freundlich und wirksam
unterstützt sowie
eine ergebnisorientierte Verwaltung, die in intelligenten Strukturen, arbeitsteiligen Kooperationen und orientiert an Wertschöpfungsketten effizient arbeitet.
Kreative Ideen für eine innovative Verwaltung
Die Umsetzung der festgelegten Ziele, die mithilfe von E-Government erreicht werden sollen, wurde in eine strukturierte Form gebracht. U-BahnStreckenpläne geben dafür eine gute Orientierungshilfe. Auf ihnen können
die Stationen (Leitprojekte) nach klaren Linien (Ziele) sortiert und der zeitliche Ablauf der Realisierung dargestellt werden. Zudem ist es auch möglich,
Stationen zurückzufahren oder neue einzurichten, um veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Auch die Schnittpunkte werden anhand
gemeinsamer Stationen sichtbar. Diese Darstellung ist übersichtlicher und
damit auch für Außenstehende leichter zu verfolgen. Sie bringt Ordnung in
den verwirrenden Schnittmusterbogen mit vielen unfertigen Baustellen.
Als Leitprojekte wurden aktuelle und voraussichtliche Trends und Entwicklungen berücksichtigt, wie z. B. Cloud Computing, mobile Anwendungen, Web-2.0- und Web-3.0-Technologien usw., aber auch grundlegende
Komponenten, die für das Anbieten von E-Government notwendig sind, wie
z. B. Basiskomponenten, Prozessoptimierung, Standardisierung usw.
Die Leitprojekte werden durch Aufgaben und konkrete Projekte unterfüttert, die sich an den Bedürfnissen und nutzbaren technischen Voraussetzungen der betroffenen Zielgruppen orientieren. Die Funktionalitäten des
neuen Personalausweises, weitere zukünftige Möglichkeiten der Identifizierung und Authentifizierung sowie die rechtssichere Kommunikation mit
De-Mail und vergleichbare technologische Entwicklungen nehmen einen
wichtigen Stellenwert ein.
Zielführende Betrachtung von Aufwand und Nutzen
Besonders gewinnbringend zeigt sich die angestrebte Vereinfachung, Strukturierung und Verschlankung der Planung und Umsetzung von E-Government-Vorhaben in der entwickelten Aufwand-Nutzen-Betrachtung. Häufig
wird während der Planung eines Vorhabens eine umfassende monetäre Wirt-
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Dirk Furchert, Bianca Thieme, Juliane Jecht
schaftlichkeitsanalyse durchgeführt, die nicht selten einzige Grundlage für
die entscheidende Meinung für oder gegen das Projekt ist. Ausgangspunkt
für diese Analyse sind Schätz- oder Vergleichswerte aus ähnlichen Umsetzungen, die oft nicht die in dieser Kommune konkret vorliegende Situation
wiedergeben. Trotzdem suggeriert die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, auch
durch ihren enormen Umfang, eine Genauigkeit, die nur in Ausnahmefällen
bis ins Detail vorhergesagt werden kann. Zudem ist die Erstellung kompliziert, aufwendig und zeitintensiv. Dabei wird jedoch vernachlässigt, welchen
qualitativen Nutzen die Umsetzung für die Zielgruppe oder die Verwaltung
eigentlich hat. Oft ist es aber gerade dieser, der eine Maßnahme erst sinnvoll
erscheinen lässt. Hier setzt ein neuer, systemischer gedanklicher Ansatz an.
Es geht um die Bewertung des finanziellen und qualitativen Nutzens als
Entscheidungsgrundlage, wobei beides nicht zu kleinteilig begründet werden
muss. Basis für das neue Modell sind das „Berechnungsmodell zu Wirtschaftlichkeit, Kosten und Nutzen von E-Government-Vorhaben“ der Firma
CSP AG (2009), eine Ausarbeitung der Berliner Senatsverwaltung (2007) für
Inneres und Sport zur Bewertung und Priorisierung von E-GovernmentMaßnahmen und die Bewertungskriterien für potenziell online-fähige
Dienstleistungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik.
Der grundlegende Ansatz ist eine Wirkungsanalyse in einer Balanced Scorecard mit den Dimensionen Finanzperspektive (Ziele: Effizienzerhöhung, Einsparpotenzial, Einnahmen), Kundenperspektive (Ziele: Nachfrage, leichter
Zugang, leichte Handhabung, Zufriedenheit), Prozessperspektive (Ziele: organisatorischer Umsetzungsaufwand, künftige Prozessoptimierung, Produktivitätssteigerung) und die Mitarbeiterperspektive (Ziele: Nachfrage, leichter
Zugang, leichte Handhabung, Zufriedenheit). Daraus resultieren verschiedene Bewertungskriterien, die ein E-Government-Projekt erfüllen kann, beispielsweise Erhöhung von Transparenz, Einsparung von Zeit, Mehrfachnutzung von Hard- und Softwarekomponenten, Verhältnis Ergebnis zu den
eingesetzten Mitteln usw. Diese Kriterien werden anhand eines Fragebogens
erfasst und somit der qualitative Nutzen bewertet. Die Gesamtpunktzahl, die
sich aus den Antworten ergibt, entspricht einem Wert zwischen 1 und 4. Aufgrund der Angaben zu voraussichtlichen Gesamtausgaben, Betriebskosten
und der indirekten oder direkten Einsparungen wird ebenfalls ein Wert
zwischen 1 und 4 ermittelt, der die Wirtschaftlichkeit angibt. Beide Werte
werden in eine Matrix eingetragen, die den qualitativen und monetären
Nutzen darstellt (vgl. CSP 2009: 8). Eine Umsetzung ist nur erstrebenswert,
wenn der Wert in den jeweils oberen Matrixbereichen liegt.
3.1 Streckenplan statt Schnittmusterbogen – Ansätze für eine ...
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Dieses Vorgehen ist, verglichen mit einer herkömmlichen Wirtschaftlichkeitsanalyse, sehr viel einfacher, strukturierter, aussagekräftiger und schneller umsetzbar. Zudem sind die Verbesserungen, die durch die Umstellung
eines Verfahrens erzielt werden, einfach und anschaulich darzustellen, indem
der bisherige und der zukünftige Vorgang bewertet und dann miteinander
verglichen werden.
Durch die Darstellung und Bewertung der Projekte in mehreren strukturierten, einfachen, leicht zu befolgenden und übersichtlichen Schemata können Mitarbeiter der Fachverwaltung die Vorzüge und Bestandteile der Verwaltungsmodernisierung im E-Government erkennen und beurteilen. Dadurch wird die Einordnung und Umsetzung von Projekten einfacher und
bedarf keiner langwierigen Analyse mehr. Innovationen können schneller
bewertet und deren Realisierung eingeleitet werden. Somit kann die Verwaltung mit der rasanten Entwicklung im E-Government- und IT-Bereich
mithalten und die Vorzüge umfassend nutzen – ganz ohne sich im „Schnittmusterbogen E-Government“ zu verlieren.
Quellen
Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Hrsg.) (2007): Bewertung und
Priorisierung von E-Government-Maßnahmen, online: http://www.berlin.de/imperia/md/content/seninn/itk/download/bewertung_und_priorisierung.pdf?start
&ts=1331898996&file=bewertung_und_priorisierung.pdf <3.9.2013>
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) (Hrsg.): E-GovernmentHandbuch, Bewertungskriterien für potenziell online-fähige Dienstleistungen,
2002–2005.
Bundesverband der Deutschen Industrie / Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.) (2003): E-Government: Forderung der Wirtschaft, online:
http://www.giessen-friedberg.ihk.de/Geschaeftsbereiche/Standortpolitik/Anlagen/
Texte_Innovation_und_Umwelt_%28Multimedia-EC-M%29/HeinSPAnlEGovern.pdf <3.9.2013>
CSP AG (Hrsg.) (2009): Konzept eines homogenen Berechnungsmodells zur Ermittlung des qualitativen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von E-Government-Vorhaben, online: http://www.egovernment.ch/dokumente/nutzenmodell/ T9_CSP.zip
<3.9.2013>
Hochschule Harz (Hrsg.) (2009): Forschungsbericht – E-Government für Unternehmen, online: http://egov.hs-harz.de/diwima/images/documents/eGovU_Forschungsbericht_final.pdf <3.9.2013>
94
Sabine Möwes
3.2
Eine offene Stadt in einer
digitalen Gesellschaft
Sabine Möwes
Kurzinfo: Für die Stadt Köln ist E-Government ein zentrales strategisches Thema und in ihrem Konzept zur Internetstadt Köln prominent
positioniert. Besonders die Initiativen zu E-Partizipation und Open
Data sind dort neben zahlreichen umgesetzten E-Government-Anwendungen tief verankert
Autorin: Sabine Möwes, Leiterin die Dienststelle E-Government und
Online-Dienste im Dezernat des Oberbürgermeisters der Stadt Köln.
Einleitung
Der wachsende Informationsbedarf und die wachsenden Erwartungen an den
Dialog zwischen Kommunen, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern erfordern neue Modelle und Kommunikations- und Interaktionsmodelle und
daraus folgend neue Angebote. Zahlreiche Kommunen wie auch Köln setzen
die Potenziale des Internets nicht nur für die Bereitstellung von Informationen ein, sondern streben vor allem einen offenen Dialog mit Bürgerinnen und
Bürgern sowie Unternehmen an. Im Vordergrund der modernen E-Government-Initiativen stehen daher auch weniger die Potenziale zu Kosteneinsparungen und Rationalisierung, sondern die strategische Weiterentwicklung
und Öffnung der Kommunen. Open Government und E-Government sind
wichtige Wirtschaftsfaktoren und wichtige Investitionen in die Zukunft einer
digitalen Stadt. Daher sieht die Stadt Köln E-Government als zentrale Aufgabe der Verwaltungsspitze an.
Internetstadt-Konzept der Stadt Köln
Das übergreifende Kölner Konzept zur digitalen Gesellschaft – in dem
E-Government als ein wichtiger Pfeiler verankert ist – hat das Ziel, das Profil
der Stadt im Bereich Internet wirksam zu optimieren und Köln als nationalen
und internationalen Standort für Internettechnologie und Internetinfrastruktur
weiterzuentwickeln. Schwerpunkte sind die Themen Internet-Kompetenz,
3.2 Eine offene Stadt in einer digitalen Gesellschaft
95
Verfügbarkeit von Hochgeschwindigkeits-Internet, Ausbau der Online-Aktivitäten der Verwaltung (insbesondere im Hinblick auf das Internet als Informations- und Partizipationsinstrument für die Bürgerschaft), Wirtschaftsförderung und Forderung der internetnahen Branchen an sich. Weitere Schwerpunkte sind die Förderung des Mittelstandes durch Know-how-Transfer,
Förderung neuer Arbeitsmodelle sowie die Stärkung Kölns als Ausbildungsund Wissenschaftsstandort im Bereich Internet.
Open Data in Köln
Mit dem Ausbau des städtischen Internet-Angebotes durch eine Weiterentwicklung hin zu mobilen Angeboten und der Öffnung der Verwaltung durch
Strategien wie „offene Verwaltungsdaten“ wird dem veränderten Nutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger und dem damit einhergehenden gesteigerten Bedarf nach Transparenz, Beteiligung und Kooperation Rechnung
getragen. Verhalten und Bedarfe sind dabei deutlich geprägt durch die Verbreitung von mobilen Endgeräten, durch das enorme Wachstum der AppEconomy sowie die verstärkte gesellschaftliche Verankerung von sozialen
Netzwerken.
Neben der informatorischen Grundversorgung mit Daten, ihrer Darstellung
und Interpretation auf den Web-Plattformen der Stadt, stellt Köln daher die
verschiedensten Informationsbestände auch als Rohdaten maschinenlesbar, dauerhaft erreichbar und flexibel nutzbar auf dem Open-Data-Portal
www.offenedaten-koeln.de zur Verfügung. Der Zugang zu offenen Verwaltungsdaten schafft die Grundlage dafür, dass zivilgesellschaftliche Organisationen,
Unternehmen und freie Entwickler Mehrwertdienste entwickeln. Hier stehen
gerade Services wie die Visualisierung vorhandener Daten oder die Entwicklung
völlig neuer Angebote durch die Verbindung verschiedener Datenquellen im
Fokus. Auch ein stadtweites Geoportal als zentraler und einheitlicher Zugang zu
einer Auswahl von Geoinformationen der Stadt Köln ist ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie. Wirtschaft, Bürger und Verwaltungen können auf die bereitgestellten Daten zurückgreifen und sie mit eigenen Anwendungen verknüpfen.
E-Partizipation und Bürgerhaushalt
Die Stadt Köln setzt jedoch auch in anderen Zusammenhängen auf die Beteiligung im Netz. Auch die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an
politischen Entscheidungsprozessen im Internet – sprich E-Partizipation – ist
96
Sabine Möwes
Teil der E-Government-Strategie der Stadt. Online-Bürgerbeteiligung ergänzt
die sogenannten „klassischen“ Beteiligungsformen wie Runde Tische oder
Bürgerkonferenzen – gezielt eingesetzt und eingebettet in eine moderne und
bürgernahe Informations- und Kommunikationsinfrastruktur der Stadtverwaltung.
Die Kommunen stehen aktuell vor großen Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzkrise des kommunalen Sektors und
angesichts des demografischen und ökonomischen Wandels. Um diese
Herausforderungen zu bewältigen, wird eine neue Kultur des Miteinanders
benötigt. Kommunen müssen Bürgerinnen und Bürger und alle zivilgesellschaftlichen Akteure auf lange Sicht in wichtige kommunalpolitische Entscheidungen einbinden und ihnen dafür attraktive Beteiligungsangebote unterbreiten. Neben dem Bürgerhaushalt, der erstmalig 2007 durchgeführt
wurde, sind dabei vor allem auch Stadtentwicklungsvorhaben und größere
Bauprojekte im Fokus. Die sachgerechte öffentliche Information, Transparenz und geeignete Mitwirkungsmöglichkeiten müssen bereits im Vorfeld
von Planungsentscheidungen hergestellt werden und die anschließende Umsetzung begleiten.
In Köln wird das am Bürgerhaushalt erprobte Beteiligungsverfahren, das
mehrfach ausgezeichnet worden ist (E-Government Award 2008, Preis
NRW-Bank 2008, UN Public Service Award 2008, EPSA Award 2009),
mittelfristig auf alle infrage kommenden bürgeroffenen Fachverfahren übertragen werden und E-Partizipation damit zu einem Standardangebot der Verwaltung ausgebaut werden.
E-Government-Lösungen
Darüber hinaus bietet die Stadt Köln ein breites Portfolio „klassischer“
E-Government-Lösungen an – d.h. die Abwicklung von Verwaltungsprozessen im Internet. Dadurch erspart die Stadt Köln Bürgern und Unternehmen
schon heute viele und unnötige Behördengänge. So können etwa die
Standesamtsurkunde und der Bewohnerparkausweis bestellt, die Sachstände
von Pass- oder Bauanträgen abgefragt oder Kraftfahrzeuge online zugelassen
werden. Das E-Government-Gesetz wird darüber hinaus weitere Onlinedienste ermöglichen. Wesentliche Erfolgsfaktoren des E-Governments bleiben zum einen die intelligente Vereinfachung und Verschlankung von
Services und zum anderen die Akzeptanz der neuen Basiswerkzeuge wie
3.2 Eine offene Stadt in einer digitalen Gesellschaft
97
De-Mail und eID bei Bürgern und Unternehmen. Hier gilt es überzeugende
innovative Einsatzmöglichkeiten zu etablieren.
Die Stadt Köln ist bereits auf dem Weg zu einer offenen digitalen Stadt –
sie bindet die Zivilgesellschaft direkt in Prozesse ein und baut die Offenlegung ihrer Daten stetig aus. Sie setzt dadurch auf der breiten Grundlage des
Konzeptes Internetstadt Köln auch starke wirtschaftspolitische Impulse für
eine digitale Stadt. Damit ist sie mit Städten wie Berlin bei der Schaffung
von Transparenz der Verwaltung einer der Vorreiter in Deutschland.
98
Wolfgang Both
3.3
Open-Data-Strategie in Berlin —
Welche Daten sind mit Open Data gemeint?
Wie sollten Daten bereitgestellt werden?
Wolfgang Both
Kurzinfo: In einem umfassenden Projektbericht legt die Stadt Berlin
39 Handlungsempfehlungen für die stufenweise Öffnung der Datenbestände vor. Nach einer Analyse der rechtlichen und technischen Situation werden Vorschläge sowie ein Stufenplan zur Umsetzung des
Open-Data-Gedankens in der öffentlichen Verwaltung gemacht.
Autor: Dr. Wolfgang Both, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, Berlin
Einleitung
Das Bundesland Berlin hat sich frühzeitig auf die Öffnung seiner Datenbestände (Open Data) vorbereitet. Bereits im Frühjahr 2010 wurden gemeinsam
mit dem Fraunhofer-Institut FOKUS Arbeiten an einer Vorstudie aufgenommen. In diesem Rahmen wurde untersucht, wie die heute dezentral vorhandenen Datenbestände zugänglich und verfügbar gemacht werden können. Ein
erster Vorschlag für eine IT-Architektur wurde um eine inhaltliche Kategorisierung der Datenbestände ergänzt. Im Ergebnis wurden drei Vorschläge
unterbreitet:
- politisches Bekenntnis zu Open Government / Open Data
- technische Umsetzung einer Daten-Cloud
- Vorbereitung durch kleinere Erprobungsvorhaben
Mit einem Beschluss des Berliner Staatssekretärsausschusses für die Verwaltungsmodernisierung im Frühjahr 2011 wurde den ersten beiden Empfehlungen umgehend entsprochen.
Dem waren zwei weitere Aktivitäten zur Sensibilisierung und Ansprache
der Öffentlichkeit vorausgegangen: Zum einen startete im Herbst 2010 mit
„Apps4Berlin“ der erste App-Wettbewerb einer deutschen Stadt. Zum anderen fand ein Online-Voting zu interessierenden Datenkategorien statt. Teilnehmerzahl (mehr als 1.500 Votes) und Ergebnis bekräftigten das Interesse
3.3 Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit Open Data ... 99
der Berlinerinnen und Berliner an einer breiten und strukturierten Datenbereitstellung.
Projektgegenstand
Unter dem programmatischen Titel „Von der öffentlichen zur offenen Verwaltung“ wurde die Projektarbeit aufgenommen. Gemäß Auftrag gliederte
sich das Vorhaben in sechs Arbeitspakete. Neben dem Projektmanagement
wurden die folgenden Fragestellungen aufgegriffen:
- Bedarfs- und Potenzialanalyse
- Organisationsanalyse
- rechtliche Rahmenbedingungen
- Geschäftsmodelle
- Plattformkonzept, Technik und Standards.
Im Ergebnis lagen Ende 2011 neben den Ausarbeitungen zu diesen Themen
39 Handlungsempfehlungen an Politik, Verwaltung, Recht und Technik vor,
die in eine kurz-, mittel- und langfristige Perspektive gruppiert sind.1
Durch die Zusammenarbeit mit der Netzgemeinde konnten im Projektverlauf deutliche Arbeitssprünge gemacht werden. So zeigte der gemeinsam
vorbereitete und durchgeführte erste Berlin Open Data Day (BODDy)2 nicht
nur eine Vielfalt von mobilen Anwendungen (Apps) auf, sondern einen
Arbeitsstand in anderen Projekten, die zusammengeführt den Aufbau und
Start eines probeweisen Datenportalbetriebs Mitte September 2011 ermöglichten.3 Damit öffnete Berlin als erste deutsche Stadt den elektronischen
Zugang zu seinen Datenbeständen über ein gesondertes Portal.
Politisches Umfeld
Mit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten im September 2011 legte nicht nur die Piratenpartei ein Wahlprogramm
vor, das die Öffnung der Datenbestände als politisches Ziel aufgriff. Diesbezügliche Aussagen sind in den Programmen aller großen Parteien enthalten.
1 Vgl. http://bln.io/bEw5i3q <3.9.2013>.
2 Vgl. http://berlin.opendataday.de <3.9.2013>.
3 Vgl. www.daten.berlin.de <3.9.2013>.
100
Wolfgang Both
Diese Absichtserklärungen fanden Eingang in die Koalitionsvereinbarung
und in die Richtlinien der Regierungspolitik für die neue Legislaturperiode.
So heißt es im Koalitionsvertrag:
… Das Open Government wird zur Förderung von Transparenz, Partizipation
und Zusammenarbeit ausgebaut.
… Die Koalition wird die Open-Data-Initiative des Landes fortsetzen und
ausbauen. Dazu setzt sie sich für eine Prüfung der weitergehenden Offenlegung
von öffentlichen Daten (z.B. Geoinformationsdaten) unter Wahrung des persönlichen Datenschutzes ein.
Die Federführung für Open Data liegt bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Wirtschaftsstaatssekretär Nicolas Zimmer sagte auf dem Berlin Open Data Day im Juni 2012:
Open Data ist mir ein wichtiges Anliegen!
Wie wird der Zugang zu gesamtgesellschaftlichen Informationen möglich? Wie
können wir den Wert öffentlicher Informationen schöpfen und nutzbar machen?
Die öffentlichen Daten sollen der Öffentlichkeit auch wieder zurückgegeben
werden. Darunter verstehe ich einen diskriminierungsfreien und strukturierten
Zugang zu den öffentlichen Informationen. Diese Form von Transparenz bringt
eine Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens mit sich, denn die
Weiterverwendung, Weiterverwertung und Anreicherung sollte nicht nur in der
öffentlichen Hand stattfinden, sondern auch außerhalb.
Die Datenbereitstellung ermöglicht auch eine verbesserte Partizipation, denn
ein informierter Teilnehmer am politischen Dialog kann direkt einen Nutzen
daraus ziehen. Nicht jeder wird die gleichen Schlüsse ziehen, aber wir haben
eine gemeinsame Grundlage, über die wir diskutieren können.
Wenn jemand ein Geschäftsmodell auf diesen Daten aufbaut, sodass ein Nutzer
darin einen Mehrwert sieht und den dann auch bezahlt, so ist dies legitim. Die
Berliner Wirtschaft soll in die Lage versetzt werden, bessere Angebote und
neue Produkte zu entwickeln. Dies ist eine kostengünstige Art und Weise, aktive Wirtschaftsförderung zu bieten.
Das Motto für Berlin lautet also: Transparenz, Partizipation und Effizienz.
Mit der Öffnung der Datenbestände wird ein erster wichtiger Schritt in Richtung transparentes Regierungshandeln gemacht. Die Landesregierung sieht in
diesem Angebot an die Bürger, die Unternehmen, die Forschung und die Medien einen Beitrag zur Weiterentwicklung unseres demokratischen Gemeinwesens. Der berechtigten Erwartung nach Teilhabe kann hier auf qualifizierter Ebene entsprochen werden.
3.3 Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit Open Data ... 101
Datenportal
Mit dem Aufbau und dem Internetangebot eines Datenportals wurde ein
zentraler Zugang zu den bisher verteilt vorliegenden Datenbeständen der
Landesverwaltung geschaffen. Prinzip ist dabei, dass die Originaldaten bei
den Bearbeitern verbleiben, dort weiterhin gepflegt und aktualisiert werden.
Damit bietet das Datenportal eine gut strukturierte Vermittlung zwischen
Datennutzer und Datenquelle.
Um das einheitlich zu gestalten, die Daten gleichermaßen zu beschreiben
und eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wurde im Projekt viel Aufwand in
den Entwurf eines Metadatenschemas gesteckt. Die Metadaten beschreiben
ein einzelnes Datum, einen Datensatz, hinsichtlich Titel, Quelle und Format,
enthalten des Weiteren Angaben zur räumlichen und zeitlichen Abdeckung,
zum Bearbeiter oder zu den Nutzungsbedingungen. Das Metadatenschema
entstand nach gründlicher Auswertung bestehender Angebote, z.B. der
Datenportale von London oder Wien. Es baut auf dem Dublin Core auf, einer
Sammlung von Konventionen zur Beschreibung von Objekten und Dokumenten im Netz. Dadurch werden Objekte leichter auffindbar, vergleich- und
verknüpfbar.
Die Ablage der Metadaten (nicht des Datums selber) erfolgt in einem
Datenregister. Es stellt das Backend des Datenportals dar. Im Rahmen der
Vorbereitungen für das Berliner Datenportal haben wir uns für das Comprehensive Knowledge Archive Network (CKAN) der Open Knowledge Foundation, einem Open-Source-Paket, entschieden. Zum einen erlaubte uns dies
eine schnelle Realisierung, zum anderen wurde CKAN bereits in anderen
Städten eingesetzt. Ein Leistungsmerkmal von CKAN ist die Föderation, das
heißt, die Möglichkeit der Verknüpfung unter- oder übergeordneter Aggregationsebenen von Datenbeständen. Somit können Berliner Inhalte direkt auch
in übergeordneten Ebenen, wie Bund oder Europa, bereitgestellt werden.
Das Schaufenster nach außen ist das Datenportal.4 Die Oberfläche ist
schnell und übersichtlich mit einem Drupal-Content-Management-System
gestaltet worden. Hier geht es weniger um aufwendige Gestaltung und Navigation. Denn die Datenbestände sind vorwiegend maschinenlesbar gestaltet.
Vielmehr muss eine Suche schnell zum Ergebnis führen und es Maschinen
ermöglichen, sich einfach durch den Datenbestand zu arbeiten. Daher ist als
4 Vgl. www.daten.berlin.de <3.9.2013>.
102
Wolfgang Both
ein weiteres Merkmal in den Metadaten eine Datenkategorie vorgegeben.
Diese Zuweisung beschleunigt die gezielte Suche. Gleichzeitig hilft sie dem
menschlichen Besucher der Seite bei der Navigation durch das Angebot.
Registrierte Datenbearbeiter können selbstständig neue Datensätze einstellen bzw. bestehende aktualisieren. Zum einen ist ein manueller Eintrag in
das Datenregister möglich (hierfür liegt ein Leitfaden vor). Zum anderen
bietet das CMS-Imperia-Werkzeug „SimpleSearch“ eine Exportfunktion in
das CKAN-Register, mit der alle Merkmale zu den Metadaten gleich erfasst
und übertragen werden. Bei Schulungen wird künftig stärker auf diese Funktionalität hingewiesen.
Ummittelbar nach der Berlin-Wahl im September 2011 standen bereits die
Wahlergebnisse maschinenlesbar als neuer Datensatz im Portal, bereitgestellt
vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Nur eine Woche später war die
„Wahl-App“ fertig, die Wahlergebnisse und Bevölkerungsdaten miteinander
verknüpfte.
Ergebnisse
Obwohl das Angebot von der Denkmalliste über die Konjunkturdaten bis hin
zu Wanderwegen im Wesentlichen aus maschinenlesbaren Rohdaten besteht,
verzeichnen wir einen stetigen Besucherstrom auf unser Datenportal. Nach
dem ersten Hype im September hat sich die Nutzerzahl auf werktäglich ca.
1.000 Besucher eingependelt. Der Tagesrhythmus folgt dem Sonnenstand,
mittags sind also die meisten Besucher auf der Plattform. Vorrangig besucht
werden die Datensätze. Da die Klickrate auf die Datensätze inzwischen höher
ist als auf die Startseite, werden die Datensätze offenbar mehr und mehr von
Suchmaschinen direkt gefunden.
Angeregt durch den bundesweiten Wettbewerb „Apps4Deutschland“ sind
neue Anwendungen mit Berliner Datensätzen entstanden. Von den über 170
Einsendungen nutzten 20 unmittelbar den Berliner Bestand. Mehrere Beiträge aus Berlin wurden auf der CeBIT 2012 ausgezeichnet. Dazu gehörten
u.a. die „Weihnachtsmarkt-App“ und das Angebot des deutschen Bibliotheksverbundes unter Beteiligung des Berlin-Brandenburger Bibliotheksverbundes (KOBV).
In der Zwischenzeit sind weitere Anwendungen, aufbauend auf Berliner
Datensätzen, entwickelt worden und auch über das Datenportal verfügbar.
Damit zeigt sich, dass eine Wertschöpfungskette von den Datenbereitstellern
3.3 Open-Data-Strategie in Berlin – Welche Daten sind mit Open Data ... 103
über das Datenportal hin zu Entwicklern und Kunden entsteht. Auch wenn
der Umsatz pro App noch gering ist, macht es hier die Masse der Nutzer, die
auf interessantes Datenmaterial über Wochenmärkte oder die Badegewässerqualität zugreifen können.
Der Datenbestand ist kontinuierlich gewachsen, aus Landes- und Bezirksverwaltungen kommen stetig neue Beiträge. Gegenwärtig sind 66 Datensätze
im Register eingetragen, die bis zu 20 einzelne Datensätze wie Wander- oder
Radwege in einem Geodatenformat beinhalten können.
Ausblick
Da Weiterentwicklung und Ausbau des Angebots bisher noch Projektstatus
hatten, wurde im Juni 2012 durch den Ausschuss für die Verwaltungsmodernisierung beschlossen, eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe einzusetzen.
Sie soll sich offenen Fragen der Harmonisierung rund um die Datenbeschreibung und Bereitstellung widmen und ein entsprechendes Weiterbildungsangebot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln.
Mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes sind auch Mittel bereitgestellt, um den Regelbetrieb zu finanzieren. Dazu wird in 2012 der Transfer
aus dem Labor- in den Wirkbetrieb sichergestellt, sodass zum Ende des
Jahres ein stabiler Portalbetrieb erfolgen kann. In den Folgejahren werden
das inhaltliche Angebot sowohl quantitativ wie qualitativ ausgebaut, über
Weiterbildungsmaßnahmen die Bearbeiterkapazitäten erweitert und Nutzerwünsche zu weiteren Datenbeständen berücksichtigt.
Ein wichtiges Teilprojekt ist die Entwicklung und der Einsatz eines Metadaten-Harvesters, um aus bestehenden Datenbeständen (Geodaten, Gesundheitsdaten, Sozialdaten, Demografiedaten usw.) eine Sichtbarmachung im
Open-Data-Portal zu erreichen. Derartige Software-Werkzeuge werden bereits vielfach eingesetzt (Bibliothekswesen), um Spezialbestände allgemein
verfügbar zu machen. Manuelle Erfassung und Übertragung werden durch
eine Softwarelösung automatisiert. Aus einem Register kann in ein anderes
transferiert werden, sodass aufbereitete Datenbestände schneller zugänglich
und nutzbar gemacht werden können.
Offene Fragen gibt es vor allem im rechtlichen und technischen Umfeld
der Öffnung und des freien Zugangs.
So wurde in der Berliner Studie festgestellt, dass das rechtliche Umfeld
durch viele Fachgesetze recht unübersichtlich und nicht harmonisch gestaltet
104
Wolfgang Both
ist. Daher ist in Berlin geplant, den Punkt der Datenbereitstellung in einem
übergreifenden E-Government- und Organisationsgesetz mit zu regeln Auch
der Bund arbeitet an einem entsprechenden Gesetz.
Einer weiteren Klärung bedürfen die Lizenz- und Nutzungsbedingungen.
Wir haben uns erst einmal an der Creative Commons Licence, die auch in
Wikipedia für dort eingestellte Inhalte angewendet wird, orientiert. Diese
Lizenzform ist im Internet weitgehend bekannt und akzeptiert, andererseits
nicht speziell für Daten ausgelegt. Hier wird zukünftig eine Weiterentwicklung und globale Harmonisierung erforderlich sein. Diese Fragen werden
gegenwärtig in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung des
Bundesinnenministeriums bearbeitet. Ein abgestimmter Vorschlag wird an
den IT-Planungsrat gehen und soll helfen, Insellösungen zu vermeiden.
Erst mit der Klärung dieser rechtlichen Fragen wird ein umfassendes
Angebot, ein breiter Datenstrom, ein Data-as-a-Service-Angebot entstehen,
das dem o.g. Motto gerecht wird. Damit wird dann für Unternehmen und
Medien eine verlässliche Datenquelle bereitstehen, die durch Aufbereitung,
Verknüpfung und Anreicherung werthaltige Dienste für Kunden entstehen
lässt. Die zahlreichen Beiträge bei den Apps-Wettbewerben zeigen das
wirtschaftliche Potenzial. Gerade für junge Unternehmen eröffnen sich hier
Chancen. Und Berlin bietet dafür Raum – im Realen wie im Virtuellen.
3.4 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz
3.4
105
Praxisbeispiel für E-Government
und Open Data: Stadt Linz
Gregor Kratochwill, Stefan Pawel
Kurzinfo: 2010 wurde von der Stadt Linz die Initiative „Open-Commons-Region Linz“ gestartet, die einen freien Zugang zu digitalen
Kulturgütern ermöglichen soll. Ein Bündel an Maßnahmen, basierend
auf einer wissenschaftlichen Studie, gibt den Weg zur Umsetzung einer
Open-Commons-Region vor und eine Open-Government-Data-Plattform setzt erste Impulse.
Autoren: Gregor Kratochwill, Mag., seit 2008 Projektleiter des Linzer
Public Space Server, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement,
im Marketing und im Vertrieb. Mitarbeiter in der Volkshochschule
Linz und Pädagogischer Assistent des Selbstlernzentrums der Volkshochschule und Stadtbibliothek Linz.
Stefan Pawel, Mag., seit 2010 Projektleiter der Open-CommonsRegion Linz, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement von WebProjekten, im Marketing und im Vertrieb. Mitautor „Freie Netze.
Freies Wissen“, „Freiheit vor Ort“ und Autor zum Thema Webwissenschaften.
Von Open Source zu Open Commons am Beispiel Linz
2010 wurde von der Stadt Linz die Initiative „Open-Commons-Region Linz“
gestartet, die einen freien Zugang zu digitalen Kulturgütern verschiedenster
Art ermöglichen soll. Diese Entscheidung ist im Kontext verschiedener
Projekte und Beschlüsse des Linzer Gemeinderates zu sehen. Die städtische
Initiative „Hotspots“ in Kooperation mit einem lokalen Provider versorgt
öffentliche Plätze mit einem kostenlosen WiFi Internetzugang. Der „Public
Space Server“ garantiert jeder/m LinzerIn über 14 Jahre einen kostenlosen
und werbefreien Webspace von einem Gigabyte. 2009 wurden künstlerische
Werke, die unter einer freien Lizenz zugänglich gemacht wurden, von der
Stadt mit einem Förderbonus in der Höhe von 10% unterstützt (vgl. Forsterleiter 2011).
106
Gregor Kratochwill, Stefan Pawel
Studie „Open-Source-Region Linz”
Der Open-Commons-Region ist 2008 ein Beschluss des Linzer Gemeinderats
vorangegangen, der die IKT Linz GmbH (städtische IT) mit einer Studie über
die Möglichkeiten einer Open-Source- (OS-) Region Linz beauftragte. Wissenschaftlich begleitet wurde die Studie vom Institut für Personal- und
Organisationsentwicklung an der Johannes Kepler Universität. Dabei wurden
in acht Arbeitspaketen Maßnahmen zur Etablierung einer Open-CommonsRegion identifiziert und beschrieben.
Die empirische Grundlage stellte die Befragung von „MeinungsführerInnen“ im Großraum Linz dar. Mit dem Ergebnis, dass für ca. 50% der
Befragten der Einsatz von Open-Source-Software im eigenen Unternehmen
bzw. Verantwortungsbereich von Interesse ist, konnte eine positive Haltung
abgeleitet werden. In diesem Kontext wurden Kostensenkungen als Hauptmotiv genannt. Die Befragten hatten eine durchwegs positive Einstellung zur
regionalen Förderung derartiger Projekte sowie zum Aufbau eines OpenSource-Kompetenzzentrums in Linz (vgl. Müller 2009: 3). Für das „Funktionieren“ der Open-Commons-Region Linz wurden kritische Erfolgsfaktoren
wie das Aktivitätsniveau, Innovationspotenzial, Popularität und Rechtssicherheit identifiziert. Im Bereich der Chancen und Risiken wurden Probleme wie
beispielsweise eine unzureichende Lösungsmetrik für die Beurteilung von
OS-Projekten bestätigt und die notwendigen projektspezifischen Bewertungen betont. Es ist vom Einsatzgebiet und von den Projektzielen abhängig,
welchen Bewertungskriterien der Vorzug zu geben ist. Jene für die OpenCommons-Region Linz relevanten Ergebnisse sind: die identifizierten
Stärken und Chancen zu nutzen und die Schwächen und Risiken beispielsweise in Form eines Kompetenznetzwerks zu kompensieren (vgl. Kempinger
et al. 2010: 32).
Die Abgrenzung der Begrifflichkeit „Open-Source-Region“ wurde im
Kontext einer örtlichen Relation getroffen, in der OS-Projekte initiiert und
vorangetrieben werden. Identifizierte Beispiele sind die OS-Region Stuttgart,
Berlin, Nürnberg und Wien. Die Unterschiede dieser Regionen sind in den
Zielen, den Trägerschaften und Organisationsformen auszumachen. Fokus
dieser Regionen sind die wirtschaftliche Kooperation, Wissenstransfer, das
Vorantreiben von Entwicklungen und ein volkswirtschaftlicher Nutzen. Als
zwei wichtige Erfolgsfaktoren für eine OS-Region wurden ein „breiter Konsens“ sowie das Einbinden von relevanten Stakeholdern identifiziert (vgl.
ebd.: 36).
3.4 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz
107
Basierend auf drei bereits gebräuchlichen Kriterienkatalogen1 für OSProjekte wurde ein spezifischer Katalog entwickelt, der es ermöglicht, anhand von drei kaskadischen Entscheidungspunkten (Gates) ein reproduzierbares Ergebnis zu etablieren. Dieses System lässt sich in bestehende Entscheidungs- und Innovationsprozesse integrieren (vgl. ebd.: 40).
Open Commons: immaterielle, digitale Gemeingüter
Im Laufe der Studie wurden auf Basis der Erkenntnisse aus der Forschung, in
Abstimmung mit der Stadt Linz, Anpassungen in der Ausrichtung vorgenommen, um eine Realisierbarkeit der Folgeprojekte zu ermöglichen.
Die potenzielle Einschränkung durch die ausschließliche Betrachtung von
„Open Source“ für diese Studie wurde zugunsten der Open Commons (OC)
verworfen, um nicht auf eine Softwarediskussion reduziert zu werden. Dabei
„verstehen die Verfasser unter dem Begriff ,Open Commons‘ (OC), dass ein
Artefakt (Werk, Erfindung oder sonstiger Gegenstand) frei genutzt werden
kann, obwohl es durch das Urheberrecht, Patentrecht oder andere gesetzliche
oder vertragliche Bestimmungen geschützt ist“ (Kempinger et al. 2010: 11).
In einer vernetzten Informationsgesellschaft sind immaterielle, digitale Güter
wie Daten, Software, Literatur-, Bild-, Ton- und Filmwerke von grundlegender Bedeutung und ebenso wichtig wie materielle Güter. Damit definiert sich
auch die Rolle des Staates neu, indem er diese nicht nur verwaltet und
gestaltet wie materielle Gemeingüter, sondern durch Bewusstseinsbildung,
durch gesetzliche Rahmenbedingungen und durch gezielte Förderung dazu
beiträgt, dass sie entstehen und sich entwickeln können (vgl. ebd.: 7).
Maßnahmen zur Verankerung einer Open-Commons-Region
Die Ergebnisse der Arbeitspakete wurden in sogenannte „Maßnahmenempfehlungen“ übergeleitet. Diese umfassen strategische Handlungen zur Verankerung des Open-Commons-Gedankens in der Region Linz sowie die
Initiierung und Etablierung nationaler und internationaler Kooperationen und
operationale Handlungen zur Organisation, Koordination und Förderung von
Open-Commons-Aktivitäten im Raum Linz (vgl. Kempinger et al. 2010).
1 „Es wurden drei Ansätze identifiziert: OpenBRR, QSOS und QualiPSo“ (Kempinger et
al. 2010: 37).
108
Gregor Kratochwill, Stefan Pawel
Aus der Studie und den daraus resultierenden Interpretationen lässt sich rasch
erkennen, dass das Thema von einer Idee zur Querschnittsmaterie einer Stadt
bzw. einer Region geworden ist. Die Herangehensweise an das Thema war so
gewählt, dass sowohl AkteurInnen, EntscheiderInnen, die Wissenschaft und
die Verwaltung operationalisierbare Empfehlungen erhalten haben, um
darauf aufbauend agieren zu können.
Erster Realisierungsschritt: Open-Data-Plattform
Als erster Schritt aus den Maßnahmenempfehlungen wurde Ende 2010 die
Schaffung einer Einrichtung zur Unterstützung und Koordination von OpenCommons-Aktivitäten umgesetzt. Als erstes Projekt für das Jahr 2011 wurde
der Aufbau einer Open-Government-Data-Plattform ausgewählt. Auf dieser
Website werden Regierungs- und Verwaltungsdaten der Stadt Linz in einer
maschinenlesbaren, offen lizenzierten, nicht proprietären Form dauerhaft und
kostenlos zur Verfügung gestellt (vgl. Lucke/Geiger 2010). Die Daten
werden mit der Lizenz „Creative Commons mit Namensnennung“ (CC-BY)
zur Weiterverwendung und Wiederverwertung zur Verfügung gestellt. Alle
Interessierten aus der Bevölkerung, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der
Kunst- und Kulturszene können die Daten miteinander kombinieren und
daraus neue Erkenntnisse entwickeln oder neue Services und Applikationen
kreieren. Auf dem Open-Data-Portal der Stadt Linz werden in der ersten
Phase statistische Daten zur Bevölkerung, Wahlergebnisse, Geodaten, Veranstaltungsdaten, Echtzeitdaten des öffentlichen Verkehrs und Protokolle des
Gemeinderates veröffentlicht. Mögliche Synergien im Zusammenwirken der
Stadt Linz und der Open-Street-Map-Community können durch den Austausch von Geodaten für beide Seiten eine Qualitätsverbesserung des jeweiligen Datenmaterials bedeuten (vgl. Kempinger et al. 2010).
Im Zusammenwirken von BürgerInnen und der Verwaltung werden in den
nächsten Monaten noch weitere Daten zugänglich gemacht. Einerseits wissen
die MitarbeiterInnen der Verwaltung selbst, welche Datenschätze sie betreuen, und andererseits können die Anforderungen von den Interessierten
selbst vorgebracht werden. Für die Zukunft ist geplant, die relevanten Stakeholder, wie Institutionen und Unternehmen, für die Open-Data-Plattform zu
gewinnen. Sie stellen weitere Daten zur Verfügung und können dadurch von
den neu gewonnenen Erkenntnissen profitieren. Diese Offenheit und der
entstehende Know-how-Gewinn stellen einen Standortvorteil für die gesamte
3.4 Praxisbeispiel für E-Government und Open Data: Stadt Linz
109
Region dar. Die Entwicklung neuer Anwendungen für Wirtschaft und Verwaltung können des Weiteren die Wirtschaftlichkeit von Leistungserstellungsprozessen und die Wirksamkeit der geschaffenen Leistungen steigern.
Ausblick
Basierend auf den neuen Technologien (Web 2.0) und Methoden (Crowdsourcing) des Internets, durch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
(Open-Source-Business-Modelle) und den Austausch von offenen Daten über
Organisationsgrenzen hinweg entsteht eine neue Form des Wirtschaftens und
der Kooperation. Die Umsetzung der Open-Commons-Idee stellt eine
wichtige Investition in die Zukunft der Region Linz dar und kann zahlreiche
positive Impulse geben. Der Geist der Offenheit, der Kreativität und der Kooperation kann zu kooperativem Wettbewerb und einem Standortvorteil der
Region führen. Durch den Umstand, dass Daten und damit Wissen offen zur
Verfügung steht, können weitere Unternehmen angezogen werden und
ebenfalls von dem Umfeld profitieren. Die Stadt Linz unterstützt diese Projekte und möchte ihren Namen als offene, web-affine Stadt noch verstärken
(vgl. Forsterleitner 2011).
Quellen
Forsterleitner, Christian (2011): Die Open Commons Region Linz. Wie man das
globale Phänomen Internet lokal gestalten und nutzen kann. In: Luger, Klaus;
Mayr, Hans (Hrsg.): Stadtgesellschaft. Werte und Positionen. Linz, S. 211–221
Kempinger, Gerald; Pink, Herbert; Pomberger, Gustav; Plösch, Reinhold; Riedl,
René; Schiffer, Stefan (2010): Studie Open-Commons-Region Linz: Fakten,
Perspektiven, Maßnahmen. Linz. Online: http://www.schiffer.at/publications/Studie_Open_Commons_Region_Linz.pdf <3.9.2013>
Lucke, Jörn von; Geiger, Christian (2010): Open Government Data: Frei verfügbare
Daten des öffentlichen Sektors. Gutachten für die Deutsche Telekom AG zur TCity Friedrichshafen. Friedrichshafen. Online: http://www.zu.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf <3.9.2013>
Müller, Bettina (2009): Studie OPEN SOURCE Region Linz. Dokumentation der
Umfrage QE225. Linz. Online: http://www.freienetze.at/documents/ocr-studie/
AP1.pdf <3.9.2013>.
110
3.5
Willi Kaczorowski
E-Government als Teil einer digitalen Stadt
Willi Kaczorowski
Kurzinfo: Die Stadt der Zukunft steht vor vielen neuen Herausforderungen. Die alternde Gesellschaft macht eine mobile öffentliche
Verwaltung notwendig und führt durch die Digitalisierung zu weniger
Arbeitskräften im öffentlichen Dienst und macht neue Dienstleistungen
erforderlich. Im Bildungsbereich ist eine integrierte Bildungskette von
der frühkindlichen Vorbereitung bis zur Fortbildung gefragt, die eine
vernetzte Aus- und Fortbildung sowie die Integration von Immigranten
leistet. Im Bereich der Wirtschaftsförderung sind die Kommunen
gefordert, sich im globalen Wettbewerb stärker zu positionieren und
Unternehmer im internationalen Umfeld zu fördern. Gleichzeitig zwingen die Finanzprobleme der Kommunen zu steigender Produktivität
der Verwaltung bei reduzierten Kosten.
Autor: Willi Kaczorowski ist seit dem 1. Juli 2003 Executive Advisor
bei Cisco Systems. In der Internet Business Solutions Group (IBSG)
berät er Behörden und Politik bei der Erarbeitung und Implementierung von E-Government-Strategien im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung. Zuvor war er neun Jahre bei den internationalen Beratungsgesellschaften BearingPoint (ehem. KPMG Consulting) und Cap
Gemini Ernst & Young tätig. Seine berufliche Laufbahn startete Willi
Kaczorowski im öffentlichen Bereich. Dort war er insgesamt acht Jahre bei den Landesverwaltungen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie der EU-Kommisison beschäftigt. Willi Kaczorowski
lebt in Berlin.
E-Government ist mehr als nur
Prozessoptimierung und Digitalisierung
Die „digitale Stadt“ als Zukunftsvision begegnet diesen Herausforderungen
mit verknüpften digitalen Dienstleistungen. Das Zusammenführen aller Prozesse und Anwendungen an eine zentrale Stelle, welche anhand von IP-Netzwerken vielfältige Prozesse und Felder des Stadtmanagements steuert,
eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten. Während die Infrastruktur im Wan-
3.5 E-Government als Teil einer digitalen Stadt
111
del ist, entwickeln sich die technologischen Anforderungen weiter. So wird
im technologischen Bereich ein permanenter Internetzugang zu jeder Zeit
gefordert und damit eine wachsende Breitbanddurchdringung nachgefragt.
Diese neue Vernetzung ist erst am Anfang und erfordert Milliarden von
neuen Endpunkten und eine zunehmende inter-maschinelle Kommunikation.
Die städtischen Ressourcen werden virtualisiert und damit eine effizientere
Nutzung der Infrastruktur und eine erhöhte Verfügbarkeit ermöglicht.
Anhand sozialer Netzwerke und Web 2.0 können gleichzeitig personalisierte
Kommunikationskanäle geschaffen und nutzergenerierte Inhalte erzeugt
werden. Die neue Technologie hilft, gesellschaftliche Probleme zu lösen und
eine digitale Stadt als Fortsetzung des E-Government zu schaffen. Durch die
verstärkte Nutzung „grüner IT“ werden gleichzeitig die Energiewende und
regenerative Energien gefördert.
Abb. 1 Die digitale Stadt ermöglicht die Steuerung von städtischen Dienstleistungen
über IP-Netzwerke (Quelle: go-globe.com)
Die Vision der Digitalen Stadt Köln setzt sich als Leitziele operative Exzellenz, Innovationsstärkung, sozialer Zusammenhalt und Nachhaltigkeit. In
allen städtischen Bereichen der Verwaltung, Bildung/Forschung, Innovation/
112
Willi Kaczorowski
Arbeit, Gesundheit/Pflege, Umwelt/Energie, Verkehr sowie öffentliche Sicherheit bietet die Stadt eine IP-Services-Plattform für das Identitäts-, Informations- und Dokumentationsmanagement, für die horizontale und vertikale
Vernetzung, Kollaboration, für Web 2.0 und soziale Netzwerke.
Die digitale Stadt steuert städtische Dienstleistungen durch IP-Netzwerke
in der Kommune und der Region. Dabei wird die neue digitale Verwaltung
2015 über neue Instrumente der Steuerung verfügen. In der internen Verwaltung ermöglichen bereichsübergreifende Vernetzung, Kollaboration, „digital
natives“, Videoeinsatz, Trainings und Online-Wissensmanagement eine effizientere Kommunikation. Extern ermöglicht die digitale Verwaltung durch
One-Stop-Government, Remote-Videoberatung, App-Government, E-Partizipation, Open Data, Open Government sowie Co-Produktion und Crowdsourcing eine besseres Stadtmanagement und eine umfassende Einbindung
der Bürger/innen und weiterer Stakeholder.
Digitale Verwaltung 2015
Verwaltung 2015 –
Intern
Verwaltung 2015 –
Extern
Ebenenübergreifende
Vernetzung
Collaboration
Digital Natives
Videoeinsatz
Training
Wissensmanagement
Cisco IBSG © 2010 Cisco and/or its af filiates. All rights reserved.
Cisco Confidential
One-Stop-Government
Remote Videoberatung
App Government
ePartizipation
Open Data/Government
Co-Produktion/
Crowdsourcing
Internet Business Solutions Group
7
Abb. 2 Verwaltung: intern vs. extern (eigene Darstellung)
Durch die Konvergenz und zentrale Steuerung aller Anwendungen ermöglicht das Konzept digitale Stadt neue Betriebs- und Steuerungsmethoden.
So wird im Bereich digitales Verkehrsmanagement durch persönliche Reise-
3.5 E-Government als Teil einer digitalen Stadt
113
Assistenz, „grüne Korridore“, Ampel-Management eine optimierte Verkehrssteuerung ermöglicht. Gleichzeitig kann durch koordinierte Videoverkehrsüberwachung, veränderbare Spuren und Fahrradmanagement die Verkehrskontrolle verbessert werden. Dies bedeutet beispielsweise die Reduzierung
von Staus, die Verbesserung ökologischer Nachhaltigkeit und die Reduzierung von Umweltschäden sowie die Optimierung von Stadttransport/
-logistik.
Im Bereich innere Sicherheit kann durch IP-Anwendungen wie das
Polizei-Flottenmanagement, Videoüberwachung, Polizeikommunikation per
PDA, Videoanalysen, automatisierte Situationseinschätzungen oder eine
automatisierte, effizientere Verbrechensvorbeugung ein besserer Schutz vor
Kriminalität erzielt werden. Durch eine schnellere Analyselage, verbesserte
Koordination und Reduzierung menschlicher Fehleinschätzungen und Verzögerungen werden die Effizienz der Arbeit erhöht und die Einsätze effektiviert.
Im ökologischen Bereich des Stadtmanagements werden durch die Prozesse der digitalen wie Echtzeit-Umweltinformation, städtische Eco-Karten,
Wasser Smart Metering und Raummanagement, Abfallmanagement und
Lärmbelastungskarten Emissionen/Immissionen reduziert, die Luftqualität
verbessert und der Energieverbrauch reduziert. Diese neuen Möglichkeiten
fördern das Umweltbewusstsein und ermöglichen ein effizientes Management von Straßen und Parks.
Spezielle digitale Konzepte vernetzen Stakeholder
der Digitalen Stadt in Köln
Ein spezielles Konzept der Digitalen Stadt Köln ist das Smart Work Center
für flexible Wissensarbeiter, welches – verkehrsgünstig am Stadtrand gelegen – gute Arbeitsplatzmöglichkeiten mit Kinderbetreuung, sozialen Diensten sowie Kollaborations-Technologien bietet.
Ein weiterer Bestandteil der digitalen Stadt ist der „virtuelle BusinessDialog“ zur besseren Vernetzung der Wirtschaftsakteure. Diese Kollaborations- und Dialogplattform ist Bestandteil der städtischen Wirtschaftsförderung zur flexibleren Kommunikation nach außen. Top-Manager geben
hier ihre Erfahrungen per Web-Konferenz an Studierende und BusinessStarter weiter.
114
Willi Kaczorowski
Vision: Digitale
Gemeinsam für ein Digitales Köln
Leitziele:
Operative Exellenz, Innovationsstärkung, Sozialer Zusammenhalt, Nachhaltigkeit
Verwaltung/
Politik
Bildung/
Forschung
Innovation/
Arbeit
Gesundheit/
Pflege
Umwelt/
Energie
Verkehr
Öffentl.
Sicherheit
Vernetzte LebensweltIP
(Arbeit,
Bildung, W ohnung,
Freizeit …)
Städtische
Services
Plattform
Enabler:Identitäts- ,Informations- und Dokumentationsmanagement
Horizontale und vertikale Vernetzung
Collaboration, Web 2.0 und soziale Netzwerke
Digitale Netze für Daten, Sprache, Video – fix und mobil
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Cisco Confidential
Internet Business Solutions Group
Abb. 3 Städtische IP-Services-Plattform (eigene Darstellung)
Auch im Bereich der Integration bietet die digitale Stadt neue Möglichkeiten. In Köln wird seit einiger Zeit das „Dialog-Café“ für interkulturellen
Dialog als digitales soziales Projekt umgesetzt. Diese Non-Profit-Initiative
vernetzt verschiedene Gruppen aus der ganzen Welt durch VideokonferenzTechnologie und ermöglicht so, Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu
lernen und zusammenzuarbeiten.
3.5 E-Government als Teil einer digitalen Stadt
115
Dialogue Café für interkulturellen Dialog
Dialog Café ist eine Non-Profit-Initiative, die durch
Nutzung von Videokonferenz-Technologie
zwischen verschiedenen Gruppen Menschen aus
der ganzen Welt ermöglicht, Erfahrungen
auszutauschen, voneinander zu lernen und
zusammenzuarbeiten .
So wird die Welt ein besserer Ort.“
Cisco IBSG © 2010 Cisco and/or its af filiates. All rights reserved.
Cisco Confidential
Abb. 4 Dialog Café (eigene Fotos)
Internet Business Solutions Group
116
Willi Kaczorowski
4.1 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung?
4
Sicht von Wirtschaft und
Verbänden — Anforderungen
an E-Government und Open Data
4.1
Was fordert die Wirtschaft
von einer digitalen Verwaltung?
117
Elisabeth Slapio
Kurzinfo: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre scheint die
Umstellung auf E-Government für die Unternehmen nicht immer der
richtige Weg zu sein. Elisabeth Slapio argumentiert, dass E-Government zukunftsweisend bleibt. Allerdings gilt es, die Akzeptanz in der
Wirtschaft z.B. durch eine Erhöhung der Relevanz der Angebote für
den Firmenalltag sowie eine bessere Darstellung und Vermarkung z.B.
der kommunalen E-Government-Angebote zu stärken.
Autorin: Elisabeth Slapio ist seit 1985 in der IHK Köln tätig. Zum
Verantwortungsbereich der Juristin gehören die Themen Handel, Tourismus, Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne der Branchenbetreuung. Zu ihren Aufgaben zählt zusätzlich die Leitung des
Rechenzentrums der IHK.
Einleitung
Die Europäische Kommission veröffentlichte den „Europäischen E-Government-Aktionsplan 2011–2015“. Er ist trotz seines Untertitels „Einsatz der
IKT zur Förderung intelligent, nachhaltig und innovativ handelnder Behörden“ keine Fortschreibung bekannter Argumente zur Optimierung elektronischer Verwaltung.
118
Elisabeth Slapio
Die EU beschleunigt den Ausbau der Verwaltungsmodernisierung
Vielmehr ergänzt er die schon existierende „Digitale Agenda Europa“, mit
der die EU-Kommission uneingeschränkten Zugang zu elektronischen
Behördenleistungen sichern will. Ein ambitioniertes Ziel: Bis 2015 sollen
dies 50% der EU-Bürger und 80% der Unternehmen können. Diese Vorgabe
reizt zu wissenschaftlicher Begleitung, zu praktischen Vorschlägen, dies zu
erreichen.
Immerhin stellt die EU-Kommission fest, dass die europäischen Staaten
umfangreiche Maßnahmen ergriffen haben, die Vorteile der Informationsund Kommunikationstechnologien in Europa auszuschöpfen. Doch grenzüberschreitende elektronische Behördendienste gebe es kaum. Bestünden sie,
würden sie laut Kommission kaum genutzt.
Gefragt ist einmal mehr nutzerorientiertes Denken: Rein interne Verwaltungsvereinfachung und Prozessoptimierung in den Behörden genügt nicht.
E-Government muss deutlich mehr Nutzen für Bürger und Unternehmen
haben.
Die Botschaft ist eindeutig: Ab 2015 sollen die öffentlichen Verwaltungen
Europas in ihren Beziehungen zu Bürgern und Unternehmen offen, flexibel
und kooperativ sein. E-Government soll Effizienz und Wirksamkeit von Behördendiensten steigern. Dabei wird man verschiedenen Anwendern gerecht,
maximiert den Nutzen für die Öffentlichkeit und unterstützt Europas Entwicklung zum führenden, wissensbasierten Wirtschaftsraum.
Dialog mit der Wirtschaft:
Welche Prozesse sollen elektronisch unterstützt werden?
Doch es fehlt weitgehend an konkreten Vorstellungen, z. B. der Wirtschaft,
welche Verwaltungsprozesse elektronisch unterstützt sein sollen, um Mehrwerte zu bieten. Erste Ansätze sind Dienstleistungen im Beschaffungswesen,
der Justiz, im Gesundheitswesen, im Umweltbereich oder bei Melde- und
Informationsverfahren, die die Mobilität erleichtern.
Wenn E-Government-Anwendungen eingerichtet wurden, werden sie dennoch oftmals nicht ausreichend genutzt – trotz der zunehmenden Verbreitung
des Internets und elektronischer Anwendungen bei Unternehmen und
Bürgern. Eindeutig nutzen immer mehr Bürger immer häufiger elektronische
Kommunikationsmittel. Web 2.0 oder Social Media öffnen ein weites Feld
4.1 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung?
119
für zeitgemäßen Dialog zwischen ihnen und Behörden. Dies wirkt auch auf
das Verhältnis zwischen Bürgern und Behörden.
Akzeptanz in der Wirtschaft
Obwohl die technologische Entwicklung und die Verbreitung von Internettechnologien weit fortgeschritten sind, wird auch in der Wirtschaft über eine
sinkende Akzeptanz für E-Government-Anwendungen diskutiert. Manche
diskutieren gar, dass E-Government möglicherweise eine technologische
Sackgasse sei, weil die hohen Erwartungen in der Praxis eben nicht erfüllt
werden.
Es gibt viele Gründe, warum sich nach vielen Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Thema E-Government-Prozesse im Alltag nicht durchsetzen
konnten. Verständlich ist dies, wenn die Anzahl der Kontakte, die im
privaten und unternehmerischen Umfeld mit den jeweiligen kommunalen
Einrichtungen bzw. denen auf Landes- oder gar auf Bundesebene gepflegt
werden, gering sind. Potenziale liegen dort, wo die elektronische Abwicklung
umfangreicherer Genehmigungsverfahren oder regelmäßig wiederkehrender
Vorgänge eine Arbeitserleichterung bieten.
Nur eingeschränkt ist Electronic Government als Instrument der Prozessoptimierung und Mittel der Kostensenkung geeignet. Unterschätzt werden die anfänglichen Investitionen für IT-Infrastruktur und Softwareapplikationen auf der Verwaltungsseite wie auch die teils nicht unerheblichen
Kosten auf der Nutzerseite. Bestes Beispiel ist dafür immer noch der für die
digitale Signatur zu beziffernde Aufwand. Hinzu kommen unglückliche
Begleitumstände wie etwa bei der Einführung des neuen Personalausweises,
die ein kritisches Medien-Echo auslösten. Wenig imagefördernd war auch
das Ende von „ELENA“, das mit erheblichen Kosten verbunden war, aber
nicht die Erwartungen erfüllte.
E-Government bleibt trotz der Zweifel der richtige Weg
Trotzdem wäre jetzt der falsche Zeitpunkt, sich von der Idee und den Möglichkeiten von E-Government zu verabschieden. Unbestritten muss sich unsere Gesellschaft immer schneller technischen, demografischen und anderen
Herausforderungen stellen. Fragen wie die der Finanzierung öffentlicher
Aufgaben, ihrer Vereinbarkeit mit ökologischen Rahmenbedingungen oder
120
Elisabeth Slapio
der massive globale Wettbewerbsdruck fordern, sich neu aufzustellen. Waren
gestern noch kommunale Websites Antwort auf Kommunikationsportale der
Wirtschaft, müssen sich heute Ordnungsämter der Herausforderung stellen,
wenn Verabredungen via Facebook zur möglichen Gefahr für die öffentliche
Sicherheit werden.
E-Government bleibt also der richtige Weg. Auch ein wirkliches Akzeptanzproblem ist angesichts der Entwicklung der Internetnutzung in der gesamten Gesellschaft nicht feststellbar. Was ist also das Hemmnis für die Fortschreibung des Siegeszuges von E-Government?
Die Relevanz der angebotenen E-Prozesse ist noch zu niedrig
Der Kern der Herausforderung ist die Relevanz der Angebote für die Praxis
der Unternehmen und Bürger.
Die Herausforderung ist, elektronische Services so anzubieten, dass sie
für Unternehmen effizienter im Vergleich zum Gang zur Behörde oder zur
schriftlichen Antragsstellung sind. Das ist noch nicht gelungen, wie die eher
schwache Inanspruchnahme des „Einheitlichen Ansprechpartners“ zeigt.
Zum anderen belegt dies die unverändert hohe Zurückhaltung der Unternehmen, befragt man sie zur Relevanz von E-Government bei der Abwicklung ihrer Verwaltungskontakte.
Dies hängt auch mit dem Begriff „E-Government“ selbst zusammen:
Bisher gelang es nicht, die abstrakt wirkende Bezeichnung in Bezug zur
Praxis von Wirtschaft und Verwaltung zu bringen. Auch Kommunen, die
schon viele Verwaltungsprozesse mit Unternehmen über E-Government
abwickeln, präsentieren ihr Angebot selten leicht verständnlich. Es gibt zwar
deutliche Anstrengungen, einzelne Projekte und interne Optimierungsverfahren – ebenso deutlich sind aber auch die Defizite von E-GovernmentServices, über die oft zu wenig transparent informiert wird: Vor allem die
Internetauftritte der Kommunen nehmen bis heute trotz Behördenfinder und
Formularserver nur selten diese Hürde. Selbstverständlich gehört zu Informationen über Genehmigungsverfahren eine Zusammenstellung, die das Verfahren und alle sonstigen Voraussetzungen beschreibt, z.B. die nötigen
Unterlagen, Gebühren, Ansprechpartner für den Fall von Rückfragen etc.
nennt. Dies kann aber allemal kompakt und verständnlich erfolgen. Zudem
sollte sich das Verfahren medienbruchfrei elektronisch abwickeln lassen,
verbunden mit interner Prozessoptimierung, um Schwachstellen zu erkennen
4.1 Was fordert die Wirtschaft von einer digitalen Verwaltung?
121
und abzubauen. Ein Selbstversuch und die Recherche zu den Stichworten
„Antrag Veranstaltung“ oder „Anmeldung Gewerbe“ seien empfohlen. Das
zeigt den Status quo des eigenen E-Government-Angebots.
Verständliche Darstellung könnte ein Schlüssel zum Erfolg sein
Kommunen sind wichtige Auftraggeber vor Ort. Aber bis heute stellen nur
wenige ihre Vergabeverfahren einfach und verständlich im Internetauftritt
dar. Vergaben der öffentlichen Hand wirken sich positiv auf Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb aus, sind aktive Mittelstandspolitik. Dennoch ist die
Information darüber für interessierte Unternehmen nur mit hohem Aufwand
zu recherchieren. So entsteht kein erkennbarer Vorteil für den Nutzer.
Zusätzlicher Aufwand sowie mögliche Risiken stehen aber den Erwartungen der Europäischen Kommission entgegen. Kein Unternehmen wird – mit
der bloßen Aussicht auf mehr Effizienz und Wirksamkeit von Behörderndiensten durch E-Government – seine internen Prozesse auf Kompatibilität mit den Schnittstellen elektronischen Verwaltungshandelns prüfen.
Deshalb ist ein einfacher elektronischer Zugang zu unternehmensrelevanten
Verwaltungsinformationen und Dienstleistungen unabdingbar.
122
4.2
Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól
Anwendungsbeispiele: Linked Open
Government Data aus Unternehmenssicht
Matthias Groll, Sebastian Sklarß,
Martin Herzog, Małgorzata Mochól
Kurzfassung: Durch die Identifikation einzelner Geschäftsfelder
ergeben sich Indizien für das gesamte ökonomische und kommerzielle
Potenzial von Linked Open Government Data (LOGD). Dies ist eine
hilfreiche Methode, um sich der Frage, welches Potenzial durch die
Veröffentlichung von Regierungs- und Verwaltungsdaten freigesetzt
werden kann, anzunähern. Doch nicht nur die Wirtschaft ist Datennutzer, es ist in erster Linie auch die Verwaltung selbst. Das McKinsey
Global Institute (2011: 54) schätzt, dass die Verwaltung in Europa bis
zu 20 Prozent (300 Mrd. EUR) einsparen könnte, wenn sie Informationen transparent gestalten und professionell analysieren würde.
Autoren: Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól von der ]init[ AG für digitale Kommunikation
Neben den gesellschaftlichen Argumenten für und gegen mehr Transparenz
verdient insbesondere der ökonomische Nutzwert einer öffentlichen Informationsinfrastruktur eine weitergehende Betrachtung. Dabei ist die kommerzielle Nutzung öffentlicher Daten prinzipiell bereits jetzt möglich, allerdings
ist sie abhängig von Erlaubnis und Lieferung jeder einzelnen Behörde, die für
die jeweilige Information verantwortlich ist. Dies ist besonders in föderalistischen Staaten wie Deutschland eine wesentliche Herausforderung, da
bei der Entwicklung von Anwendungen mit beispielsweise Daten der Landesebene, insbesondere für den gesamtdeutschen Markt, mindestens 16 verschiedene Anträge, Ansprechpartner, Nutzungsbedingungen, Formate und
ggf. Gebühren berücksichtigt werden müssen. Das Risiko, dass es zu Unstimmigkeiten kommt´, ist entsprechend hoch einzustufen – und die Motivation,
jenes Risiko einzugehen, oft entsprechend niedrig. Die Notwendigkeit von
offenen und vernetzten öffentlichen Daten (Linked Open Government Data)
wird somit schnell deutlich, denn sonst bleibt der erhoffte ökonomische Wert
für die Verwendung öffentlicher Daten – zwischen 26 und 48 Milliarden
Euro für ganz Europa (vgl. MEPSIR 2006: 33) – nur graue Theorie.
4.2 Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus ...
123
Deswegen müssen u.a.:
a) bundesweit, eine proaktive elektronische Bereitstellung von öffentlichen
Daten z.B. im Informationsfreiheitsgesetz (IFG) festgeschrieben werden,
b) Infrastruktur von Formaten und Metadaten, ähnlich der INSPIRE-Richtlinie für Geodaten, auch für alle anderen Informationen im Sinne der
Open-Government-Data-Prinzipien standardisiert werden sowie
c) einheitliche Nutzungsbedingungen zur kommerziellen Weiter-/Wiederverwendung z.B. im Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) festgelegt werden, um Rechtssicherheit für Personen oder Unternehmen zu
schaffen.
Sobald rechtliche Rahmenbedingungen und technische Voraussetzungen
bestehen, ist Linked Open Government Data (LOGD) für Unternehmen in
vielerlei Hinsicht interessant. Diese Vielfältigkeit lässt sich am besten mittels
einer Wertschöpfungskette darstellen, wobei als Grundlage die Wertschöpfungskette eines Medienunternehmens genommen werden kann (vgl. Abb.
1), da in beiden Fällen die gehandelte Ware im weitesten Sinne „Information“ darstellt.
Kauf von
Textbeiträgen
Kauf von
Filmbeiträgen
Beschaffung von
Werbebeiträgen
Produktion von
Textbeiträgen
Produktion von
Filmbeiträgen
Platzierung von
Werbebeiträgen
Auswahl der
Produktbestandteile
Redaktionelle
Bearbeitung
Druck
Bereitstellung
von
Infrastruktur für
Übertragung
Verkauf
Übertragung
Abb. 1 Wertkette in Medienunternehmen nach Wirtz (2009: 60 f.)
Denn auch eine Behörde kann zur Beschaffung von Informationen privatwirtschaftliche Unternehmen beauftragen oder diese selbst erstellen (Produktion). Neben der Beschaffung existiert in Medienunternehmen das sogenannte Packaging, das die Selektion und Kombination verschiedener Inhalte
und allgemein deren redaktionelle Bearbeitung umfasst. Dies ist in einer
öffentlichen Verwaltung nicht anders, wenn auch in reduzierter Form. Primärdaten müssen den Anforderungen entsprechend aufbereitet und in eine
(standardisierte) technische Infrastruktur überführt werden (techn. Produktion). Die entsprechende Infrastruktur ist als solches ebenfalls eine Wert-
124
Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól
schöpfung, die eine spätere Distribution erst ermöglicht. Mit der Distribution
ist aus Sicht der Verwaltung die Wertschöpfung beendet (vgl. Abb. 2). Aus
makroökonomischer Sicht sind jedoch die Nutzer in Form von wirtschaftlichen Unternehmen, wissenschaftlichen Einrichtungen und private Entwickler der entscheidende Faktor. Schließlich wäre ohne die Aufarbeitung und
Veredelung von öffentlichen Informationen der eingangs erwähnte ökonomische Wert weitaus geringer.
Abb. 2 Wertschöpfungskette von LOGD in der öffentlichen Verwaltung in
Anlehnung an Wirtz
Geschäftsfelder und Anwendungsfälle
Anhand der Phasen der dargestellten Wertschöpfungskette können potenzielle Geschäftsfelder und Anwendungsfälle sowohl im Erstellungsprozess
als auch in der letztendlichen Nutzung identifiziert werden:
Consulting: Übergreifend sind generell Beratungsdienstleistungen (Consulting) zu nennen, die als Geschäftsfeld bestehen. Hier können methodisches und technisches Know-how sowie organisatorische Kompetenz von der
öffentlichen Verwaltung als Dienstleistung abgerufen werden, sei es zur
Analyse des Themengebiets oder – bei Umsetzung – zur Vorbereitung der
Teilprozesse, wie etwa die Ausgestaltung der Erfassungs- und Pflegeprozesse. Open-Data-/LOGD-Beratung ist ein zentrales Geschäftsmodell, welches bereits durch Unternehmen wie die ]init[ AG angeboten wird.
4.2 Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus ...
125
Informationserstellung: Die Informationserstellung wird entweder durch
die Verwaltung selbst oder in deren Auftrag durch private Dienstleister
durchgeführt. LOGD kann aufgrund des notwendigen Standardisierungsprozesses qualitative Änderungen der bisherigen Erfassungsmethode mit sich
bringen, sodass beispielsweise mehr nutzenorientierte Erhebung öffentlicher
Daten anhand konkreter Nutzeranfragen stattfinden kann. Der Prozess der
Informationserstellung ruft somit nicht unbedingt neue Geschäftsmodelle
hervor, sondern sorgt eher für eine qualitative Veränderung der bisherigen
operativen Handhabung.
Aufbereitung: Erstellte Daten müssen in die technische Infrastruktur
überführt werden (z.B. XML, RDF, Datenbank, Triple Store). Dies passiert
im besten Falle bereits bei der Erhebung – sofern die bestehende Infrastruktur dies hergibt – oder in einem Zwischenschritt der Datenaufbereitung.
Hierbei müssen Anreicherung und Semantifizierung erfolgen und Metadaten
erstellt sowie Verknüpfungen vorgenommen werden. Ökonomische Chancen
für Unternehmen liegen daher z.B. in der Verbesserung des Aufbereitungsprozesses gemäß LOGD-Prinzipien.
Technische Bereitstellung: Die technische Bereitstellung betrifft im
Kern Datenbanken, die erstellt und gewartet werden müssen und die ein
Hosting sowie mit zunehmender Größe auch Optimierungsmaßnahmen und
ein dediziertes Zugriffsmanagement erfordern. Dies sind Aufgaben, die von
privatwirtschaftlichen Unternehmen durchgeführt werden können. Dabei
trifft LOGD gleichzeitig auf andere Themen der Zeit wie Big Data oder
Cloud Computing, denn große Datenmengen benötigen eine entsprechend
leistungsfähige Infrastruktur.
Distribution: Wurden die Informationen bis zu diesem Textabschnitt
sozusagen nur „hochgeladen“, muss ebenso ein technischer Zugang zur Distribution ermöglicht werden. Dies geschieht in der Regel durch ein Webportal, welches entsprechende Informationen und Daten als Primärzugang
liefert. Auch können bereits erste Visualisierungen dieser Daten in einem
solchen Portal ermöglicht werden Das Wort Primärzugang verdeutlicht
dabei, dass es sich hierbei um die erste Instanz handelt, durch die die angebotenen Daten veröffentlicht sind. Darüber hinaus ist es natürlich möglich,
dass auch andere Portale diese Daten ebenfalls anbieten. Die Erstellung und
Pflege von Daten-Webportalen stellt ein Geschäftsmodell dar und muss
verschiedenen Anforderungen von Visualisierung, Anfrage- und Suchschnittstellen, stöbernden und gezielt suchenden Verwendungsmustern gerecht
werden.
126
Matthias Groll, Sebastian Sklarß, Martin Herzog, Małgorzata Mochól
Nutzung: Die Nutzung der Daten und deren Veredelung, Rekombination
und Interpretation entspricht dem eigentlichen „added value“ von öffentlichten Daten. „Die EU-Kommission verspricht sich von offenen Daten einen
gewaltigen wirtschaftlichen Effekt und geht davon aus, dass sie zu neuem
Wachstum, neuen Jobs und neuen wirtschaftlichen Aktivitäten führen werden“ (Dax 2011), so Ton Zijlstra, Community-Stewart der von der EU-Kommission finanzierten ePSI-Plattform.
Ausgehend von bisherigen Projekten haben sich folgende Anwendungsfälle bzw. Geschäftsmodelle herauskristallisiert:
Sekundärzugänge: Ein Sekundärzugang bezeichnet Datenkataloge, die
wiederum unter Zuhilfenahme verschiedener Primärzugänge ein umfassenderes Angebot an Daten bieten. Eine Veredelung findet beispielsweise statt,
wenn unterschiedliche Primärdatensätze aufbereitet werden, sodass sie untereinander vergleichbar sind. Auch eine bessere Suchfunktion, die bessere Bedienbarkeit der Website oder entwicklerfreundlichere Schnittstellen/Formate
können ebenfalls eine Veredelung darstellen.
Verzeichnisdienste: Neben dem direkten Verweis auf Datensätze haben
sich bereits Verzeichnisse gebildet, die umfangreich Projekte, Anwendungen
und Datenkataloge erfassen, beschreiben und verlinken (vgl. Open Data
Showroom1). Bisher gibt es allerdings kein „professionelles“ Verzeichnis,
welches eine umfassende Übersicht beinhaltet. Für solch ein Portal könnte
sich ein werbefinanziertes Geschäftsmodell anbieten.
Business-Intelligence-Systeme (BI-Systeme): Das Hauptziel von BISystemen ist es, Entscheidungen des Managements mit Grafikdarstellungen,
Berichts- und Recherchefunktionen und der Anbindung an kommerzielle
Informationsplattformen zu unterstützen. Die BI-Branche kann von LOGD
nur profitieren, da mit neuen Datensätzen, die zur Verfügung stehen, auch
neue Datenverknüpfungen entstehen, wodurch umfassendere und aussagekräftigere Interpretationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln möglich sind.
Das bedeutet, dass durch die Anbindung von LOGD auch die Umsatzchancen beispielsweise für Entwickler und Betreiber von BI-Systemen steigen.
Auch die Verwaltungen können durch ein effizienteres Informationsmanagement profitieren und beispielsweise angepasste BI-Systeme einsetzen.
Datenvisualisierung und -journalismus: Durch LOGD wird nun eine
Vielzahl an Informationen veröffentlicht, die in ihrem Rohzustand noch
1 http://www.opendata-showroom.org
4.2 Anwendungsbeispiele: Linked Open Government Data aus ...
127
keine gezielten Aussagen treffen. Es entsteht somit der Bedarf, diese Daten
in einer Form zu visualisieren, die sie verständlicher werden lässt. Zur Datenvisualisierung ist jedoch nicht nur menschliches Know-how nötig. Die Entwicklung und Anpassung entsprechender Tools zur Visualisierung von Daten
ist ein weiterer möglicher Geschäftsansatz. Damit ergeben sich hinter dem
Begriff „Datenvisualisierung“ streng genommen zwei Geschäftsmodelle: die
Datenvisualisierung als solche durch Journalisten/Designer (Stichwort: Datenjournalismus) und die Entwicklung von Software oder Webanwendungen,
um dies in einer hochwertigen Form zu ermöglichen.
Consumer-Anwendungen und Angebotserweiterungen (Plug-ins):
Softwareentwicklung auf Grundlage öffentlicher Daten ist derzeit das meistgenutzte Beispiel, um den Nutzen von LOGD zu demonstrieren. Um die
Ideenproduktion zu fördern, wurden daher inzwischen diverse offene Wettbewerbe wie „Apps for Democracy“, „Apps4Berlin“ oder die „Open Data
Challenge“ ausgerufen, um Entwickler zu motivieren, Anwendungen für und
mit Open Data zu entwickeln. Es muss aber nicht immer eine eigene Anwendung sein. Auch bestehende Anwendungen können dahingehend überprüft werden, ob eine Verwendung öffentlicher Daten eine Bereicherung darstellen kann, wodurch sich das besagte Produkt besser verkaufen könnte.
Verallgemeinert kann man also eine Aussage wagen, dass Geschäftsmodelle
nicht nur öffentliche Daten veredeln, sondern umgekehrt öffentliche Daten
auch die bestehenden Geschäftsmodelle veredeln werden.
Quellen
Dax, Patrick (2011): Offene Daten: Verwaltung im Wandel. Interview mit Ton
Zijlstra. Online: http://futurezone.at/netzpolitik/3641-offene-daten-verwaltungim-wandel.php <3.9.2013>
McKinsey Global Institute (Hrsg.) (2011): Big data: The next frontier for innovation,
competition, and productivity. Online: http://www.mckinsey.com/insights/business_technology/big_data_the_next_frontier_for_innovation <3.9.2013>
MEPSIR (Hrsg.) (2006): Final Report of Study on Exploitation of public sector
information. Online: http://ec.europa.eu/information_society/policy/psi/docs/
pdfs/mepsir/final_report.pdf <3.9.2013>.
Wirtz, Bernd W. (2009): Medien- und Internetmanagement. 6. Aufl., Wiesbaden:
Gabler/GWV.
128
4.3
Frank Hogrebe, Wilfried Kruse
One-Stop-E-Government für Unternehmen:
Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0
Frank Hogrebe, Wilfried Kruse
Kurzinfo: Virtualisierung und Leistungsbündelung sind Grundvoraussetzungen für ein wirtschaftsorientiertes One-Stop-E-Government für
Unternehmen. Der Beitrag adressiert diesen strategischen Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft und stellt – neben der
Technisierung – den zukünftig nötigen Bewusstseinswandel auf dem
Weg zur digitalen Verwaltung 4.0 besonders heraus. Potenziale, gemeinsame Denke und Sprache werden vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderung diskutiert und bewertet.
Autoren: Prof. Dr. Frank Hogrebe ist wissenschaftlicher Direktor von
IVM² Institut für Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und
Zukunftsplanung GmbH. Im Mai 2011 übernahm der studierte
Diplom-Verwaltungswirt, Diplom-Betriebswirt, Diplom-Volkswirt und
Diplom-Kaufmann Prof. Dr. Hogrebe die Professur für Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre an der Hessischen Hochschule für
Polizei und Verwaltung im Fachbereich Verwaltung.
Wilfried Kruse ist Institutsgründer und Geschäftsführender Gesellschafter von IVM² Institut für Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und Zukunftsplanung GmbH.
Unternehmen im Zentrum von Verwaltungsservices
Die effiziente Unterstützung der Unternehmen in Deutschland ist eine vorrangige Herausforderung, die nicht in den Kürbereich für öffentliche Verwaltungen fällt, sondern in den Kernbereich staatlicher Aufgabenwahrnehmung.
Dabei müssen alle staatlichen Institutionen der fortschreitenden Technisierung in den Unternehmen Rechnung tragen – und dies im Bewusstsein, dass
die Wirtschaft in der informationstechnischen Entwicklung meist deutlich
weiter fortgeschritten ist als die staatlichen Ebenen, die sie adressieren.
Leistungsbündelung und Virtualisierung sind hier seit Jahren wichtige
Differenzierungskriterien (vgl. Hogrebe/van Kempen/Nüttgens 2010, Nüttgens/Hogrebe 2008), die als Treiber und Anker in den öffentlichen Verwal-
4.3 One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur ...
129
tungen die Richtung mitbestimmen. Unternehmen stehen hierbei im Hauptfokus von Aktion und Kommunikation, da sie die Basis der Wirtschaftskraft
in Deutschland und damit des Wohlstandes einer ganzen Gesellschaft legen.
Ein wirtschaftsorientiertes One-Stop-E-Government für Unternehmen ist
daher zwingend, will man den Unternehmen möglichst geeignete Rahmenbedingungen bereitstellen, die sie auf dem Weltmarkt nachhaltig konkurrenzfähig machen. Zwar kann und soll die öffentliche Verwaltung unternehmerische Entscheidungen letztlich nur flankieren, jedoch müssen Behördengänge, das Finden von Ansprechpartnern oder die Einleitung und Abwicklung elektronischer Verwaltungsverfahren nach aller Möglichkeit medienbruchfrei und durchgängig online möglich sein – und nicht nur in ausgewählten Fachverfahren.
Unternehmen, insbesondere deren Erfordernis nach möglichst schnellen
und kostengünstigen Investitionsentscheidungen, stehen im Hauptfokus der
Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Auch im Interesse der Arbeitsplätze und der notwendigen Produktivität sind
Unternehmen ins Zentrum von Verwaltungsservices zu stellen, wobei die
Technisierung und Modernisierung durch korrespondierende Aktions- und
Kommunikationskonzepte eingeleitet und durchgeführt werden sollten.
One-Stop-E-Government für Unternehmen
Mittels der Terminologie „One-Stop-Government“ werden „organisatorische
Konzepte zur Bündelung öffentlicher Dienstleistungen an einem Ort und aus
einer Hand“ (Hogrebe/Kruse/Nüttgens 2008: 355) subsumiert. „Durch eine
elektronische Verfügbarkeit der Leistungspalette des One-Stop-Government
wird dieses zum elektronischen One-Stop-Government, kurz ,One-StopeGovernment‘“ (ebd.: 355 f.).
Nicht erst mit „Blick auf die EU-Dienstleistungsrichtlinie sollen Unternehmen auch ,aus der Ferne‘ die zur Dienstleistungsaufnahme und -ausübung
notwendigen Formalitäten und Verfahren abwickeln können. Eine Virtualisierung bedingt, dass öffentliche Dienstleistungen digital und somit papierlos zur Verfügung stehen. Der Grad der Virtualisierung beschreibt dabei,
inwiefern ein Anliegen aus Sicht des Kunden orts- und zeitunabhängig abgewickelt wird [werden kann]“ (ebd.: 356). Im Weiteren stellt im One-StopE-Government der Integrationsaspekt ein bedeutsames Aufgabenfeld dar.
Papierloser Austausch von Daten, Diensten und Informationen bilden eine
130
Frank Hogrebe, Wilfried Kruse
Grundsäule für die Kommunikation innerhalb und zwischen der öffentlichen
Verwaltung und den Unternehmen.
Besonders in der Korrespondenz und Ausführung von notwendigen
Informationspflichten gegenüber Behörden sind aus Sicht der Unternehmen
technische Angebote seitens der öffentlichen Verwaltung bereitzustellen, die
elektronisch zeit- und ortsunabhängig gewährleisten – direkt aus den eigenen
Unternehmenssystemen generiert –, notwendige Informationen der Verwaltung online zur Verfügung zu stellen. Hier ist der Umsetzungsstand in
Deutschland noch weit entfernt von jenem in europäischen Nachbarländern
(wie Österreich). Auch ist die Frage, was notwendige Informationspflichten
sind, immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Denn letztlich bindet jede
Informationspflicht Ressourcen im Unternehmen, die nicht direkt in den Produktions- und Leistungserstellungsprozess eingesetzt werden können, gleichwohl aber in den Kalkulations- und damit Preisstrukturen zu berücksichtigen
sind.
Strategischer Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft
Solche unternehmensbezogenen One-Stop-E-Government-Angebote sind es,
die in Zukunft einen entscheidenden „harten“ Faktor für die Standortwahl
und -sicherung von Unternehmen darstellen. Besonders vor dem Hintergrund
der Globalisierung von Unternehmensstrukturen und damit weltweiten Unternehmensverflechtungen stellen zeit- und ortsunabhängige elektronische
Serviceangebote für Unternehmen einen – in vielen Ländern (wie Slowenien
oder Österreich) bereits heute selbstverständlichen – Mehrwert für die
Unternehmen dar. Denn eines darf bei allem – auch in Teilen heute (noch)
berechtigten – Selbstbewusstsein und bei der aktuellen Stärke des Standortes
Deutschland keinesfalls für die Zukunft in seiner besonderen Dynamik und
Wachstumsfähigkeit in den Hintergrund treten: Die Innovationsdynamik
weltweiter, besonders asiatischer Märkte mit einer nach Hochtechnologie
strebenden, übergroßen und hochmotivierten Masse von demnächst bestausgebildeten Hochschulabsolventen – allein in China und Indien –, die zudem
noch lange Jahre in Zukunft (viele Jahre) zu vergleichsweise geringen Kosten
produzieren können!
Diese schließt bereits heute auf vielen Wirtschaftsfeldern einen Preiswettbewerb mit europäischen und deutschen Produkten und Dienstleistungen
(fast) aus. Umso wichtiger ist es daher, dass nicht Zuständigkeitsfragen und
4.3 One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur ...
131
-wirrwarr die staatlichen Ebenen „lähmen“, sondern zielgerichtete ebenenund regionenübergreifende Konzepte und Lösungen (vgl. Habbel/Huber
2010) sowie zügige und ergebnisorientierte Handlungsweisen möglichst „flächendeckend“ Einzug halten.
One-Stop-E-Government für Unternehmen ist in diesem Kontext ein entscheidender strategischer Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Zukunft, dessen Bedeutung in den nächsten Jahren drastisch an Wert gewinnen
wird, wenn es denn gelingt, ihn konsequent zu entwickeln und im täglichen
Kommunikationsprozess zwischen Wirtschaft und Verwaltung als „Normalität“ und „Standard“ zu etablieren.
Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung 4.0
Stellt sich die Frage, warum bisher in der Fläche unternehmensbezogene
Verwaltungsleistungen immer noch nicht virtuell zugänglich sind, sondern
sich auf Teilbereiche und partielle „Leuchtturmprojekte“ reduzieren. Fragt
man Entscheidungsträger, die seit vielen Jahrzehnten in Verwaltung und IT
tätig sind, nach den Gründen, zeigt sich folgendes Bild: Es fehlt (immer
noch) an der nötigen Sensibilität (und damit Priorität), die digitale Verwaltung wirklich in den Fokus von Investitionen und Entscheidungen zu stellen.
Hier ist ein radikaler Bewusstseinswandel nötig auf dem Weg zur digitalen
Verwaltung 4.0.
Wird in den Versionierungen 2.0 und 3.0 (vgl. Kruse 2011, Krause 2008)
auf die medienbruchfreie und integrative Interoperabilität fokussiert, so
kommt durch „Verwaltung 4.0“ die personalspezifische Komponente, das
zum Erfolg eines solchen Prozesses in den Köpfen, insbesondere in den
öffentlichen „Führungsetagen“ auf allen föderalen Ebenen notwendige
„Changemanagement“ und damit der notwendige Bewusstseinswandel, systematisch in den Fokus. Es gilt, von der bisher immer noch eher statischen
Verwaltungshaltung strategisch und im Tagesgeschäft zu „automatisierter“
und „elektrifizierter“ Ergebnisdynamik zu „mutieren“! Dass dabei immer der
Rahmen unserer Rechtsordnung zu wahren ist, versteht sich von selbst. Dies
schließt einen solchen Wandel auf breiter Ebene aber nicht aus und sollte
nicht länger als „Ausrede“ zahlreicher „Gestriger“ zugelassen werden, die die
Konkurrenzdynamik in Asien bisher nicht wirklich und auch nicht persönlich
kennen- und fürchten gelernt haben!
132
Frank Hogrebe, Wilfried Kruse
Es geht letztlich nicht um die Frage, welche technische Komponente gerade noch fehlt oder für welchen Dienstleister man sich konkret entscheiden
möge. Entscheidend ist vielmehr, dass in den Köpfen der Entscheider die
Notwendigkeit von kooperativen Projekten und Zielen zum Nutzen aller
Beteiligten in den absoluten Vordergrund treten. Die digitalen Verwaltung
4.0 vereint Potenziale, gemeinsame Denke und Sprache. Ressort- und Gebietsdenke müssen überwunden werden, mit Blick auf den sich täglich verschärfenden globalen Wettbewerb und den uns in die nächsten Jahren mit
großer Wucht treffenden demografischen Herausforderungen, die Kooperationen, Innovationen und Kreativpotenziale auch im Verwaltungssektor unausweichlich und zwingend notwendig werden lassen – wenn nicht Wachstum und Investitionen gehemmt und gefährdet werden sollen und damit
langfristig der Wohlstand einer ganzen Gesellschaft.
Quellen
Habbel, Franz-Reinhard; Huber, Andreas (Hrsg.) (2010): Wirtschaftsförderung 2.0.
Erfolgreiche Strategien der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Verwaltung und
Politik in Clustern und sozialen Netzwerken. Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch.
Hogrebe, Frank; Kruse, Wilfried; Nüttgens, Markus (2008): One-Stop-eGovernment
für Unternehmen: Ein Bezugsrahmen zur Virtualisierung und Bündelung öffentlicher Dienstleistungen am Beispiel der Landeshauptstadt Düsseldorf. In: Bichler, Martin (Hrsg.): Proceedings der Multikonferenz Wirtschaftsinformatik
(MKWI) 2008, Garching, 26.–28. Febr. 2008. Berlin: Gito, S. 353–364.
Hogrebe, F.; van Kempen, B.; Nüttgens, M. (2010): Elektronische Verfahrensabwicklung von G2B-eServices: Vorgehensmodell und Anwendungsfall zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie. In: Schumann, M.; Kolbe, L. M.; Breitner,
M. H.; Frerichs, A. (Hrsg.): Multikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI) 2010,
Göttingen, 23.–25. Febr. 2010. Göttingen: Universitätsverlag, S. 1411–1422.
Krause, R. (2008): Verwaltung 3.0 – Die Verwaltung erfindet sich neu. Managementerfahrungen bei der Integration der deutschen Außenwirtschaftsförderung.
13. Ministerialkongress. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.
Kruse, W. (2011): E-Government-Strategien in der öffentlichen Verwaltung. Kongress e-nrw. Online: http://www.e-nrw.info/icc/e-nrw/nav/569/binarywriterservlet?imgUid=1ec36c20-d802-431e-66d1-e917b988f2ee&uBasVariant=111111111111-1111-1111-111111111111 <24.10.2013>.
4.3 One-Stop-E-Government für Unternehmen: Auf dem Weg zur ...
133
Nüttgens, M.; Hogrebe, F. (2008): Vollvirtualisierung am Beispiel des öffentlichen
Sektors: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. In: Nüttgens, M. (Hrsg.): Arbeitsberichte zur Wirtschaftsinformatik der Universität Hamburg, Nr. 1 / Juni
2008.
134
4.4
Wencke Bagger, Martin Gaedt
Regionales Empfehlungs-Recruiting —
Die öffentliche Hand als Anstoßgeber
Wencke Bagger, Martin Gaedt
Kurzinfo: Trotz Web 2.0, Social Media, Online Recruiting und zwei
Jahrzehnten World Wide Web nutzen viele Unternehmen, vor allem
KMU, noch immer nicht die Potenziale des Internets, um potenzielle
Mitarbeiter anzusprechen und für sich zu begeistern. Gerade im
Hinblick auf die aktuelle Debatte eines Fachkräftemangels ist dies für
einzelne Unternehmen existenzbedrohend.Zudem liegt in gängigen
Rekrutierungsprozessen eine enorme Verschwendung vor, die bisher
nicht erkannt wurde. Die öffentliche Hand kann hier im Rahmen der
Wirtschaftsförderung eine Vorreiterstellung einnehmen und sich als
modern und innovativ positionieren – mit der Anregung zu Empfehlungs-Recruiting sowie der Initiierung regionaler Talentpools.
Autoren: Wencke Bagger (Jg. 1982) fand über den Talentpool zur
Younect GmbH und ist dort für Online-Redaktion und Marketing verantwortlich. Zudem ist die Diplom-Kauffrau als freiberufliche Redakteurin tätig, vorrangig zum Thema Bewerbungsprozesse.
Martin Gaedt (Jg. 1968) ist Gründer und Geschäftsführer der Younect
GmbH. Seit 2007 hinterfragt er Unsinnigkeiten im Bewerbermarkt und
etabliert neue Wege. Er berät und unterstützt Unternehmen bei der
Gestaltung ihrer Karriereseite, coacht Personalverantwortliche und
Berufssuchende, unterrichtet Dienstleistungs-Marketing und Innovationsmanagement und unterstützt Politik und Verwaltung regional mit
Lösungen zur Stärkung des Arbeitsmarktes vor Ort.
Verteilungsproblem auf dem Arbeitsmarkt
Viele Unternehmen klagen über zu wenig Bewerbungseingänge und die
Schwierigkeit, geeignete Fachkräfte zu finden. Doch nicht alle sind davon in
demselben Maße betroffen. Bekannte Unternehmen erfreuen sich, trotz viel
diskutiertem Fachkräftemangel, noch immer an ausreichend Interessierten.
Es sind die unscheinbaren Regionen und Firmen, die von Talenten nicht
gefunden werden. Wo die einen genug haben, haben die anderen zu wenig –
4.4 Regionales Empfehlungs-Recruiting – die öffentliche Hand als ...
135
ein Verteilungsproblem, das mithilfe der öffentlichen Hand behoben werden
könnte.
Ungenutztes Potenzial in Rekrutierungsprozessen
In gängigen Rekrutierungsprozessen liegt eine enorme Verschwendung vor:
Gute Kandidaten, die nicht eingestellt werden konnten, werden fortgeschickt.
Oft entscheiden nur Nuancen im Einstellungsprozess über Zu- oder Absage;
abgelehnt heißt nicht gleichzeitig ungeeignet. Die zweit- und drittplatzierten
Bewerber stellen also ein bisher stark vernachlässigtes Potenzial dar, das
ungenutzt verloren geht – für Unternehmen sowie für Verwaltungen und
damit für ganze Regionen.
Einige Unternehmen, gerade solche, die aufgrund räumlicher Nähe oder
Branchenähnlichkeit in gutem Kontakt stehen, versuchen das oben genannte
Verteilungsproblem zu bewältigen, indem sie sich gegenseitig Daten und
Unterlagen von Bewerbern, die sie nicht einstellen konnten, zuspielen. Der
Ansatz ist richtig, nur wird hierbei – ohne Einverständnis des Bewerbers –
gegen das Datenschutzgesetz verstoßen.
An diesem Punkt könnte die öffentliche Hand unterstützend eingreifen
und der Wirtschaft ein Instrument liefern, mit dem ein standardisiertes und
datenschutzrechtlich korrektes Weiterempfehlen von Bewerbern ermöglicht
wird, um somit der Verschwendung des Potenzials guter zweit- und drittplatzierter Bewerber entgegenzutreten.
Mit regionalen Talentpools können Kommunen ansässigen Unternehmen
ein Instrument an die Hand geben, mit dem diese ihren Mitarbeiter-Bedarf
effizient und effektiv decken können. Gleichzeitig können Kommunen ihren
Bürgern durch die entstehende Vernetzung vermehrt zu Jobs verhelfen und
so Abwanderung vermeiden.
Regionale Talentpools
Ein regionaler Talentpool stellt ein webbasiertes, geschlossenes Netzwerk
dar, das Empfehlungs-Recruiting ermöglicht (vgl. Younect 2013): Verschiedene Unternehmen bzw. Organisationseinheiten einer Region oder Branche
sind an einen von der Kommune initiierten Talentpool angeschlossen und
empfehlen sich gegenseitig gute Bewerber weiter, die z.B. aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht eingestellt werden konnten.
136
Wencke Bagger, Martin Gaedt
Gute Kandidaten erhalten anstatt der gängigen Absage eine E-Mail-Einladung in einen regionalen Talentpool. Nimmt der Bewerber die Einladung an,
erstellt er ein Profil und präsentiert sich somit gleichzeitig allen angeschlossenen Unternehmen bzw. Organisationen. Die Talentpool-Partner werden via E-Mail über neue Empfehlungen informiert, können geeignete Kanndidaten kontaktieren und bei Interesse zu einem Vorstellungsgespräch einladen. So wird das bisher ungenutzte Potenzial an Fachkräften optimal zugänglich und nutzbar gemacht.
Diese mögliche, von der öffentlichen Hand angeregte Kooperation zwischen Kommune, Unternehmen und Bürgern könnte auf einer Online-Plattform stattfinden, die ohne Software-Installation durch einfache Registrierung
zugänglich ist.
Abb. 1 Funktionsweise des Talentpools (Quelle: Younect)
Wertschöpfung für die Wirtschaft
Verwaltungsmodernisierung bedeutet nicht nur, E-Government aufzubauen
und einzusetzen, sondern innovative Problemlösungsstrategien zu erarbeiten
4.4 Regionales Empfehlungs-Recruiting – die öffentliche Hand als ...
137
und diese der Wirtschaft zugänglich zu machen. Mit der Initiierung regionaler Talentpools und der Motivation zu Empfehlungs-Recruiting im Unternehmensverbund eröffnet die öffentliche Hand Unternehmen und Fachkräften vielfältige Potenziale.
Employer Branding
Empfehlungs-Recruiting in standardisierter Form ist neu und mutig, beinhaltet es doch einen Wertewandel:
• Die Leistung guter, aber abgelehnter Kandidaten wird durch die Weiterempfehlung honoriert und gewertschätzt, statt mit einer Standardabsage
missachtet.
• Unternehmen einer Region werden zusammen mit der Verwaltung als
Teil einer gemeinsamen Wertschöpfungskette anerkannt, statt als Konkurrenten mit einer „Jeder gegen Jeden“-Mentalität.
Ein solch innovativer Ansatz stärkt sowohl die Arbeitgebermarke ansässiger
Unternehmen als auch das Image der Region. Unternehmerisches Netzwerken und optimale Nutzung gegebener Potenziale wirkt authentisch und
zukunftsweisend und damit attraktiv für Fachkräfte.
Gesicherte Qualität durch Vorselektion
Der herkömmliche Rekrutierungsprozess ist langwierig und hält gerade in
KMUs oft vom Tagesgeschäft ab. Durch Empfehlungs-Recruiting mittels
Talentpool werden Informationsaufwand und Entscheidungsrisiko im Vorfeld für Personaler reduziert, denn Empfehlung bedeutet Vorauswahl. Unternehmen kennen die Anforderungen an Bewerber und können gut einschätzen,
ob sie geeignet und damit empfehlenswert sind.
Viele Personalverantwortliche bemängeln nicht nur die weniger werdenden Bewerbungseingänge, sondern auch eine nachlassende Qualität der Bewerbungen (vgl. StepStone 2013). Mit der Initiierung regionaler Talentpools
kann die öffentliche Hand dazu beitragen, dass die Wirtschaft schneller an
geeignete Fachkräfte kommt.
Kostenoptimierung
Über den Talentpool lassen sich gezielter geeignete Kandidaten aufspüren
und ansprechen. Daher führt Empfehlungs-Recruiting dazu, dass die Kosten
z.B. bzgl. Anzeigenschaltung und Auswahlprozess reduziert werden können.
Außerdem verpuffen die Investitionen für HR-Maßnahmen nicht in dem
Moment, in dem ein Bewerber eingestellt wird, sondern sie verteilen sich
138
Wencke Bagger, Martin Gaedt
noch auf die zweit- und drittplatzierten Kandidaten. Wichtige Erkenntnisse
über Bewerber, die im Auswahlprozess gewonnen werden konnten, werden
nicht länger verworfen, sondern sinnvoll weitergenutzt.
Hidden Champions werden sichtbar
Viele KMUs sind den potenziellen Fachkräften schlichtweg unbekannt, auch
die in Deutschland zahlreich angesiedelten Hidden Champions. Empfehlen
Unternehmen ihre zweit- und drittplatzierten Bewerber in den Talentpool
weiter, erreicht der Kandidat mit seinem Profil insbesondere auch die
Unternehmen, die er entweder nicht kannte oder bei denen er sich aufgrund
mangelnder oder falscher Informationen nicht beworben hätte. Gerade da
mittelständische Unternehmen nicht mit den Werbeetats großer Unternehmen
mithalten können, ist der Talentpool für sie ein willkommenes RecruitingInstrument.
Unterstützung im War for Talents
Unternehmen werden sich zunehmend bei Fachkräften bewerben müssen.
Viele haben damit ein Problem, es fällt ihnen schwer, ihre bisher überlegene
Position aufzugeben und die Seite zu wechseln. Durch die Initiierung
regionaler Talentpools unterstützt die öffentliche Hand Unternehmen dabei,
selbst die besten Kandidaten zu gewinnen, anstatt teure Headhunter beauftragen zu müssen.
Die öffentliche Hand als Anstoßgeber und Innovationsträger
Die Kommune liefert die Idee, setzt Impulse und stellt den Rahmen bereit, in
dem Empfehlungs-Recruiting in der und für die Region stattfinden kann. Sie
kann der Wirtschaft den Anstoß geben, sich als Teil einer Wertschöpfungskette zu verstehen, gemeinsam die Potenziale des Arbeitsmarktes zu nutzen
und damit die gesamte Wirtschaft zu stärken und zu stabilisieren.
Indem die Verwaltung der Wirtschaft ein Instrument zur MitarbeiterRekrutierung in Form eines webbasierten Netzwerkes zur Verfügung stellt,
vermittelt sie Unternehmen und Bürgern, dass sie modern und zeitgemäß
agiert, und stärkt damit das Vertrauen in die Verwaltungsarbeit. Zudem stellt
der Ansatz regionaler Talentpools als vernetzende IT-Lösung eine völlig
neue Herangehensweise dar. Die Verwaltung kann sich damit als Trendsetter
und Innovationsträger positionieren.
4.4 Regionales Empfehlungs-Recruiting – die öffentliche Hand als ...
139
Quellen
StepStone (Hrsg.) (2013): Online-Umfrage Jobsuche 2013. Online: http://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/presse/loader.cfm?csModule=security/getfile&pageid=31703 <3.9.2013>
Younect (Hrsg.) (2013): Empfehlungs-Recruiting: Die standardisierte und datenschutzrechtlich korrekte Weiterempfehlung guter Bewerber.
140
4.5
Edda Peters
Öffentliche Beschaffung
Edda Peters
Kurzinfo: Mittels elektronischer Verwaltungsverfahren können die
Herausforderungen modernenr Verwaltungsarbeit besser bewältigt
werden. Beschaffung ist einer der großen Verwaltungsprozesse und
kann besonders gut elektronisch unterstützt werden: Durch die Verwendung von Beschaffungsplattformen werden eingereichte Angebote
besser vergleichbar, das Management des Entscheidungsprozesses
wird transparenter und einfacher und die Kommunilation mit den
zahlreich einzubindenden Stellen wird sehr vereinfacht.
Autorin: Edda Peters ist seit 1987 Geschäftsführerin der subreport
Verlag Schawe GmbH. Edda Peters engagiert sich seit langem aktiv
für den E-Government-Standort Deutschland und ist Mitglied zahlreicher Initiativen und Verbände. Eine ihrer Maximen ist, alles das,
was das Unternehmen erwirtschaftet, wiederum in Technik, Technologie und MitarbeiterInnen zu investieren. Ein Resultat: subreport
gehört zum Kreis der „TOP 100“, den 100 innovativsten Unternehmen
im deutschen Mittelstand.
Weltspitze in Sicht?
Haushaltskonsolidierung, Nachhaltigkeit, Wissensmanagement, Partizipation
und vieles andere mehr: Die Kommunen in Deutschland werden mit
Forderungen aus Politik und Wirtschaft nur so überhäuft. Der wachsende
Wettbewerb der Regionen im europäischen und globalen Kontext und die
damit verbundenen Anforderungen machen die Arbeit auch nicht gerade
einfacher. Und die Bundesregierung hat weitere ehrgeizige Ziele: Bis 2020
soll deutsches E-Government an der Weltspitze stehen.
So mancher der Verantwortlichen vor Ort fragt sich da: Ist das alles überhaupt noch zu bewältigen? Und von wem eigentlich? Ist womöglich, gerade
angesichts von Stellenabbau und demografischem Wandel, Kapitulation die
einzige Option, die bleibt?
Es gibt einen Weg aus der Misere. Denn (gute) E-Government-Lösungen
können einen großen Beitrag dazu leisten, die Herausforderungen zu bewälti-
4.5 Öffentliche Beschaffung
141
gen. Sie helfen dabei zu sparen, zusammenzuarbeiten, mehr zu wissen,
einfach mehr zu erreichen. subreport CAMPUS steht exemplarisch für solche
zukunftsweisenden – weil vernetzte und vernetzende – Lösungen.
Ohne ist unverzeihlich
Der elektronische Austausch von Informationen zwischen Kommunen und
Unternehmen entwickelt sich auf manchen Gebieten viel besser, als oft
angenommen wird. Deutlich wird das am Beispiel der elektronischen
Vergabe öffentlicher Aufträge. In Deutschland werden jährlich Aufträge mit
einem Volumen von bis zu 350 Milliarden Euro vergeben. In der EU liegt der
Anteil öffentlicher Aufträge am Bruttoinlandsprodukt bei mehr als 1,6 Billionen Euro – ein interessanter Markt also, für Unternehmen jeder Branche.
Denn die öffentliche Hand kauft alles ein – von Lebensmitteln, Schulbüchern
und Betten über Werbung, Computer und Seminare bis hin zu Bekleidung
und Bauleistungen.
Die elektronische Vergabe als Nachfolger des herkömmlichen Papierverfahrens gilt dabei als Referenzgebiet des E-Government. Denn neutrale
Prozesskostenanalysen öffentlicher Auftraggeber, die mit der E-VergabePlattform subreport ELViS arbeiten, belegen: Eine mittlere Kommune spart
alleine durch den Download der Vergabeunterlagen pro Vergabeverfahren
zwischen EUR 750,00 und EUR 1000,00.
Professor Heckmann von der Universität Passau betonte daher erst kürzlich beim Kölner Vergabetag 2012, dass die elektronische Vergabe durchaus
ein Motor für E-Government werden kann – so wie E-Government ein Motor
für die Verwaltungsmodernisierung. Und da diese wiederum die Grundlage
für ein zeitgemäßes Gemeinwesen ist, ist seines Erachtens „vergeben ohne
Internet eben unverzeihlich“.
Natürlich hat er Recht. Und bald zwölf Jahre nach ihrer Einführung sollte
die elektronische Vergabe heute genau deshalb zum Pflichtprogramm der
öffentlichen Beschaffung gehören. Auch wenn es ganz soweit noch nicht ist,
in letzter Zeit passiert eine ganze Menge. Alleine die E-Vergabe-Plattform
subreport ELViS hat in Bezug auf die Zahl der elektronischen Ausschreibungen eine Steigerung von 31,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu
verzeichnen. Es geht also wirklich voran. Und Brüssel verleiht dem Thema
auch noch neuen Schwung.
142
Edda Peters
EU zeigt Ehrgeiz
Am 20.04.2012 hat die Europäische Kommission eine Strategie vorgestellt,
die den Ausbau von E-Vergabe-Plattformen beschleunigen und den Steuerzahler erheblich entlasten will. Bis Mitte 2016 soll die elektronische Vergabe
europaweit zum Standard öffentlicher Vergabeverfahren werden.
Auch EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier ist der Überzeugung,
dass sich durch die elektronische Auftragsvergabe ein beträchtliches, bisher
noch ungenutztes Potenzial für die EU-Wirtschaft erschließen lässt. Die
Beschaffungsverfahren werden erleichtert, Verwaltungsaufwand und Kosten
reduziert, die Beteiligung von kleineren und mittleren Unternehmen erhöht,
die Qualität gesteigert und die Preise gesenkt.
Das alles stimmt. Nur: In manchen europäischen Ländern wirkt das
elektronische Beschaffungswesen auf Unternehmen wie ein AusschreibungsBabylon. In Deutschland beispielsweise unterscheiden sich elektronische
Vergabeplattformen von Kommune zu Kommune, von Land zu Land und
von Ministerium zu Ministerium.
Dieser Flickenteppich – bestehend aus etwa 60 verschiedenen Plattformen
– ist für bundesweit agierende Unternehmen ein Grund, sich nicht oder kaum
an der E-Vergabe zu beteiligen. Denn es bedeutet für sie: Registrierung an 60
Plattformen, Pflege der eigenen Daten auf 60 Plattformen, unterschiedliche
Technik, Oberflächen und Geschäftsmodelle.
Das ist für kaum eine Firma attraktiv. Es muss also etwas getan werden
für die Interessen der Unternehmen – damit E-Vergabe die Akzeptanz der
Bieter auch in der Breite findet und alle Beteiligten endlich das Geld sparen,
das sie der herkömmliche Papierweg Tag für Tag kostet. Auch hier jedoch
gibt es gute Nachrichten.
Vernetzen, die Erste
Falsch ist es (wie immer), nach der ultimativen Lösung zu rufen, der staatlich
verordneten Standardplattform. Technologischer Stillstand wäre die unvermeidbare Folge. Viel besser ist, vorhandene und künftige E-Vergabe-Plattformen über Adapter miteinander zu verbinden, ihnen beizubringen, miteinander zu sprechen.
Interoperabilität heißt das Stichwort und ist Gegenstand und Ziel des
Projektes XVergabe der Bundesregierung. XVergabe soll dem E-Vergabe-
4.5 Öffentliche Beschaffung
143
Babylon durch Interoperabilität endlich ein Ende setzen. Wir haben diese
Initiative von Anfang an aktiv unterstützt. Ein wichtiges Datum nach vielen
Jahren Arbeit war der 26.06.2012. An diesem Tag wurde den Experten der
EU-Kommission in Brüssel ein von uns mit Unterstützung von Fraunhofer
FOKUS auf der Basis der XVergabe-Spezifikationen entwickelter Adapter
vorgestellt, der es Bietern ermöglicht, mit nur einem Werkzeug viele verschiedene E-Vergabe-Plattformen zu nutzen. Exemplarisch wurde der Kommission demonstriert, wie mit dem subreport-Adapter Informationen von der
E-Vergabe-Plattform des Bundes abgerufen, Vergabeunterlagen heruntergeladen und Angebote abgegeben werden können.
Die Vorführung war ein großer Erfolg für die XVergabe und damit die EVergabe in Deutschland, kein Zweifel. Und subreport geht sogar noch weiter.
Vernetzen, die Zweite
Nomen est omen: Mit „XVergabe de Luxe“ liegt schon heute ein Werkzeug
vor, das noch mehr Möglichkeiten als XVergabe bietet. Denn XVergabe de
Luxe ist eingebettet in einen größeren Zusammenhang. Dieser Zusammenhang heißt subreport CAMPUS.
CAMPUS ist das neue Systemangebot für Wirtschaft und Verwaltung –
für Beschaffung, Information und Zusammenarbeit. Es ist dieses Umfeld, das
XVergabe de Luxe so attraktiv macht. Konkret: subreport CAMPUS vernetzt
Auftraggeber und Unternehmen mehr, als es jemals der Fall war. So präsentieren Unternehmen ihr Leistungsprofil in den Lieferantendatenbänken des
Portals. Und auf der anderen Seite finden Auftraggeber hier bewährte oder
neue Unternehmen. Denn wer wirtschaftlich beschaffen will, braucht eben
leistungsfähige, kompetente und erfahrene Firmen.
Die ausgewählten Lieferantendaten können sofort für elektronische
Beschaffungsvorhaben genutzt werden. Und zwar nicht nur dann, wenn man
damit arbeitet, sondern auch dann, wenn man die Plattform eines ganz anderen Anbieters benutzt. Diese neue Softwareverfahren stehen also für Vernetzung in einer neuen Dimension, Vernetzung im Quadrat sozusagen.
Erst im November 2012 hat die Bundesbeauftragte für IT, Cornelia
Rogall-Grothe, wieder betont: Dass Deutschland derzeit noch nicht zu den
fortschrittlichsten E-Government-Nationen gehöre, liege an der fehlenden
Vernetzung der bestehenden E-Government-Angebote. Fakt ist damit: Vernetzung durch und mit XVergabe de Luxe ist nicht nur die Chance, unter
144
Edda Peters
vollständiger Wahrung des Wettbewerbs die Nachteile einer zersplitterten
Vergabelandschaft aufzuheben, E-Vergabe endlich auch in der Fläche für
Bieter attraktiv zu machen sowie Wirtschaft und Verwaltung viel Zeit und
Geld zu sparen. Es ist auch die Chance, mit E-Government „made in Germany“ im europäischen Vergleich wichtige Akzente zu setzen.
Vernetzen, die Dritte
Nicht nur die Lösungen sollen sich vernetzen können, auch die Menschen.
Denn sattsam bekannt ist, dass die deutsche Bevölkerung schrumpft und
altert. Darüber hinaus wird seit über zwei Jahrzehnten im öffentlichen Dienst
durch Privatisierungen und pauschale Stellenkürzungen Personal abgebaut.
Fachkräfte und Ingenieure stehen deshalb zunehmend seltener zur Verfügung.
Mit weniger Geld und weniger qualifiziertem Personal bessere Dienstleistungen in einem noch größeren Einzugsgebiet erbringen: Auf diese Formel
lässt sich in etwa die Aufgabe bringen, die von den Verwaltungen nicht nur
in Deutschland zu lösen ist. Das gilt natürlich auch für die öffentliche Beschaffung mit ihren etwa 13.000 Auftraggebern in Deutschland. Öffentliche
Arbeitgeber müssen also Antworten finden, mit steigendem Altersdurchschnitt, Wissensverlust durch das Ausscheiden Älterer, durch fehlenden
Nachwuchs und fehlende Fachkräfte umzugehen. Nur wie?
IT-Planungsrat und Bitkom sind sich einig: Diese Frage lässt sich beantworten, indem man den Einsatz von Systemen vorantreibt, die die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen fördern. Denn so bekommen Kommunen
endlich Hilfsmittel an die Hand, um das (noch) vorhandene, aber überall verteilte Wissen zu entdecken, zu verteilen und zu vernetzen.
Unser Softwareverfahren ist deshalb viel mehr als eine innovative E-Government-Lösung für Beschaffung: Es ist auch eine E-Government-Lösung
für Zusammenarbeit – eine Lösung, die die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Auftraggebern verbessert und die Zusammenarbeit zwischen
Verwaltungen untereinander erleichtert.
Ein Stichwort in diesem Zusammenhang heißt Auftraggeber-Forum. Hier
haben Beschaffer – erst- und einmalig in Deutschland – die Möglichkeit, auf
das geballte Wissen einer Expertenrunde von Auftraggebern zuzugreifen.
Hier tauschen sie sich mit Kollegen aus bei der fachgerechten Aufbereitung
von Vergabeunterlagen, unterstützen sich bei komplexen Ausschreibungen
4.5 Öffentliche Beschaffung
145
gegenseitig und profitieren vom Wissen anderer. Mit anderen Worten: Vernetzung heißt Zukunft.
Die Spitze kommt in Sicht
Es gibt noch viel zu tun, soviel ist sicher. Es geschieht allerdings auch viel.
Und es gibt eine Menge guter Beispiele, wie Wirtschaft und Verwaltung den
Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gerecht werden können.
Mit Lösungen wie unserem Softwareverfahren lässt sich die politische
Idee E-Government in der virtuellen Welt erfolgreich umsetzen. Und Lösungen wie die unsere können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Ziel der
Bundesregierung Wirklichkeit werden zu lassen: mit deutschem E-Government im Jahr 2020 an der Weltspitze zu stehen.
146
4.6
Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer
Open Data Business?
Thomas Thurner, Martin Kaltenböck,
Andreas Blumauer
Kurzinfo: Die ökonomische Verwertung offener Daten bedarf einer
neuen Sicht auf die Wertschöpfungskette: Herkömmliche Datenverwertungskonzepte werden abgelöst durch neue Modelle und neue Spieler
entlang des ,open data life cycles‘. Die neuen Märkte, die neuen Business Cases und die völlig veränderten Rahmenbedingungen sind die
Herausforderungen auf dem Weg hin zu den Milliardenprognosen des
noch jungen und kleinen Sektors.
Autoren: Thomas Thurner gründete 2002 gemeinsam mit weiteren
Radiomacher/innen das Spin-out „Team Teichenberg“, das sich mit
Audiodatenbanken, E-Learning, Audio- und Videostreaming und infolge als eine der ersten österreichischen Plattformen mit Podcasting beschäftigte. Seit 2008 ist Thurner bei der Semantic Web Company tätig.
Martin Kaltenböck studierte Kommunikationswissenschaften, Angewandte Psychologie und Marketing an der Universität Wien. 2000 war
er Mitbegründer der punkt.netServices GmbH, einem österreichischen,
auf Informations- und Wissensmanagement sowie Enterprise-2.0-Lösungen spezialisierten Softwareunternehmen. Er ist geschäftsführender
Teilhaber der Semantic Web Company und als CFO zuständig für
Finanzen und Organisation.
Andreas Blumauer hat Betriebsinformatik an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der Technischen Universität Wien studiert und startete seine Karriere als Software-Entwickler für Finanzdienstleister.
2001 war er Mitgründer der punkt.netServices, einem auf Enterprise2.0-Lösungen spezialisierten Software–unternehmen, und beschäftigt
sich seitdem mit semantischen Technologien und WissensmanagementSystemen.
Open Data Business – ein Blick auf das Ökosystem
An Verwaltungsdaten wird verdient. Das ist nicht erst seit den Ankündigungen der zuständigen EU-Kommissarin – Neelie Kroes – evident. Ob es
4.6 Open Data Business?
147
die von ihr angekündigten 40 Milliarden Euro jährlich sein werden, kann
man bezweifeln, doch der konzentrierte Blick auf den Open-Data-Markt lässt
die eine oder andere Goldgrube vermuten. Doch beginnen wir beim Status
quo, beginnen wir bei jenen Feldern, bei denen jetzt schon gutes Geld mit
Daten gemacht wird. Allen voran sind das die Firmen- und Ediktdatenbanken, sogenannte Auskunfteien. Auskunfteien verdienen Geld mit dem
Verkauf von Wirtschaftsinformationen und mit der berechneten Wahrscheinlichkeit von Zahlungsausfällen. Diese Informationen spielen nicht nur bei
einer Kreditvergabe innerhalb einer Bank oder anderer Kreditinstitute eine
Rolle, sondern auch im gesamten Wirtschaftsverkehr.
Und bereits die Basisdaten für diese Datenprodukte werden rege gehandelt, vom Staat und von privaten Unternehmen. So recherchierte Konrad
Lischka (2011) für den Spiegel, dass für einen der großen Verlage im angesprochenen Bereich 2009 Einnahmen von 33 Mio. Euro mit einer Umsatzrendite 28% erzielt werden konnten. Das ordnet den Datenhandel bei den
mittleren Verlagshausgrößen ein – also kein Nebenthema.
Abb. 1 The impact matrix (Quelle: MEPSIR 2006)
Die im Zuge der Evaluierung der ersten Public-Sector-Information-Richtlinie der EU in Auftrag gegebene MEPSIR-Studie (Measuring European
Public Sector Information Resources 2006) ordnet die Geschäftsmodelle bei
Open Data in drei Felder ein: „the closed shop“, „the battlefield“ und „the
playground“. Der eingangs beschriebene Datenhandel mit Rechtsinformationen gehört dem gesicherten „closed shop“ an, wo etablierte Datenbroker
148
Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer
Exklusivverträge mit Regierungsstellen vereinbaren und über ein gesichertes
Geschäftsmodell (Kundensegment) eine entsprechende Rendite erzielen können. Zu diesen „sicheren Banken“ in der Datenwirtschaft gehören laut MEPSIR auch noch Grundbuchdaten und Unternehmensregister.
Verlassen wir den gesicherten Bereich der „closed shops“, so stoßen wir
auf die „battlefields“ der Datenwirtschaft. Der Bereich ist gekennzeichnet
durch erhebliche ökonomische Erwartungen und durch das Auftreten mehrerer Datenverwerter mit ähnlichen Datenprodukten. Anbieter von topografischen Daten (POIs, Orthofotos, Höhenprofilen, etc.) sind hierbei ebenso zu
benennen wie die Wetterdienstleister. Im letztgenannten Bereich konkurrieren 20 Privatanbieter um den privaten deutschen Wettermarkt, der nach
Angaben des Verbands der Deutschen Wetterdienstleister ca. 40 bis 50 Millionen Euro schwer ist (vgl. Fründt 2012). Wetterkatastrophen und extreme
klimatische Änderungen machen die Datenprodukte der Wetterdienstleister
auch abseits der klassischen Wetterprognose interessant. Vorwarndienste,
Langzeitprognosen und Business Intelligence gehören inzwischen zu den
Datenportfolios dieser Unternehmen. Das Geschäft mit dem Wetter boomt.
Schließlich sind da noch die „playgrounds“ im Datengeschäft. Wenn die
EU-Kommission nun mit einer revidierten PSI-Richtlinie neue kommerzielle
Potenziale heben will, adressiert sie genau diesen Bereich. Viele Datensätze
sind frei verfügbar, z.T. noch nie einer Verwertung außerhalb der Verwaltung zugängig gewesen und liegen in unterschiedlicher Qualität und Verfügbarkeit vor. Die Entwicklung von Datenprodukten ist hier äußerst risikoreich, weil kaum gesicherte Kundensegmente, kaum aufbereitete Marketingstrategien und vor allem keine erfolgreichen Basisprodukte verfügbar sind.
Dieser Bereich ist mehrfaches Neuland, da hier erstmals B2C-Datenprodukte
entwickelt werden, die sich zum größten Teil auch noch auf ohnehin frühen
Märkten behaupten müssen. Die mobilen Anwendungen (mobile apps), die
sich auf Open Data stützen, haben zwar oft begeisternde Verbreitungs- und
Nutzungszahlen, können aber den ROI kaum sichern, da sie nur allzu oft als
Gratisprodukt abgegeben werden (müssen).
Neues Leben entlang des Life Cycles
Big Data, Linked Data, Open Data – der Datenmarkt ist augenscheinlich in
Bewegung und im Umbruch. Nicht zuletzt durch die Initiativen der Regierungen Obama, Brown/Cameron sowie der EU-Kommission ist die Dynamik
4.6 Open Data Business?
149
bei Open Data eine spürbare, die auch den Life Cycle von Datenprodukten
neu definiert. Sowohl in der öffentlichen Verwaltung, den privaten Unternehmungen, als auch beim Verbraucher ergeben sich neue Vorortungen entlang
der Wertschöpfungskette – ein Prozess, der in den letzten Jahren oft zu beobachten war, wenn sich Branchen neuen Internet-affinen Geschäftsmodellen
zuwenden.
Abb. 2 veränderte Wertschöpfung (Quelle: Blumauer/Thurner 2012)
Mit Unternehmen wie Data Market (www.datamarket.com) und Factual
(www.factual.com) treten nun Unternehmen in Erscheinung, die als Intermediär zwischen öffentlicher Verwaltung und Datenverarbeiter auftreten.
Der „Data Broker“ übernimmt dabei Funktionen der öffentlichen Verwaltung, die diese nur schwer oder mit hohen Transaktionskosten bewerkstelligen kann. In einem Ökosystem, in dem die Anzahl der Teilnehmer/innen
stark steigt, ist Platz für ausdifferenzierte Arbeitsteilung:
- Umwandlung und Vereinheitlichung unterschiedlicher Datenquellen zu
einem einheitlichen Datenvorrat
- Verwendung von Industriestandards
- garantierte Datensicherheit und Datenverfügbarkeit mit vereinbarten
SLAs1.
Diese vom Data Broker übernommenen Aufgaben sind für eine funktionierende Wertschöpfung bei Open Data wesentlich, um beim datenverwertenden
Unternehmen entsprechende Datenprodukte entwickeln zu können. Die Kon1 Service Level Agreement (SLA) = Dienstgütevereinbarung (DGV)
150
Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer
zentration der Datenverwerter auf Kundenbedürfnisse, Produktinnovationen
und vor allem auf deren eigenen Kernbereich (Domain Knowledge) sichert
zielgenauere Kundenansprache, ausdifferenzierte und für die jeweiligen
Teilmärkte besser zugeschnittene Datenprodukte und technische Lösungen
auf Basis gemeinsamer Standards und Netzwerke. Mit dem Auftreten von
Data Brokern wie Data Market und Factual (vgl. Woods 2012) bekommt
diese neue Wertschöpfung ein konkretes Gesicht und vor allem auch ein bezifferbares ökonomisches Gewicht, wenn z.B. Factual – mit einer Investitionssumme von 25 Mio. US-Dollar ausgestattet – sich der Gründung der
dritten Niederlassung in Asien widmet.
Die veränderte Wertschöpfung bei Open Data findet auch an der
Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden statt. In der traditionellen
Datenwirtschaft ist das Abonnement ein weitverbreitetes Vertriebsmodell. In
diesem Fall werden an einen beschränkten Kundenkreis der Datenzugang
oder die Datenauffrischung entgeltlich weitergegeben. Der Zugang zu einem
bestimmten Register (z.B. Topografiedaten) oder die regelmäßige Einspeisung von Daten in Kundensysteme (z.B. Wetterdaten) wird mit exklusiven
Nutzungsrechten versehen. Anders nun der Umgang mit offenen Daten:
Wesentlich ist dabei, dass die Nutzung der Daten nicht mehr in exklusiven
Verträgen geregelt werden kann und zumeist auch noch (zur nicht-kommerziellen Verwendung) kostenfrei im Rahmen der neuen Open-GovernmentData-Projekte von den Verwaltungen bereitgestellt werden. Das Datenunternehmen befindet sich also bei Open Data in direktem Wettbewerb mit
Hobby-, Gratis- und Verschenkprodukten, die sich aus demselben Datenvorrat speisen. Dementsprechend greifen bloße Daten-Abonnements im
Sinne eines Wiederverkaufs nicht mehr. Sich derart verändernde Businessmodelle sind in der Internetökonomie inzwischen nicht die Ausnahme,
sondern die Regel. Eine der Antworten auf das Gratisdilemma sind Freemium-Konzepte, wie sie 2006 Risikokapitalgeber Fred Wilson beschrieben
hat: „Biete deinen Dienst gratis an, möglicherweise mit Werbeeinblendungen
oder vielleicht auch nicht, gewinne viele Kunden auf effiziente Weise durch
Mundpropaganda, Werbepartner, Platzierung in Suchmaschinen usw., und
biete dann deinem Kundenstamm zu einem Aufpreis Zusatzleistungen oder
eine erweiterte Version deines Dienstes an“ (Wilson 2006). Das Kunstwort
Freemium beschreibt eine stufenweise Bepreisung, beginnend bei „Gratis“
und endend bei „Premium“. Viele Internetfirmen benutzen Freemium als
Geschäftsmodell, so z. B. Skype, Flickr, XING und auch bereits Datenbroker
4.6 Open Data Business?
151
wie Factual und Datamarket sowie Medienhäuser wie die NY Times bei deren Open-Data-Angeboten.
Business? Bei Daten eine Frage der Technik
Spätestens bei der konkreten Ausgestaltung des Datenangebotes als Freemium zeigt sich, wie wichtig die technologische sowie die architektonische
Umsetzung des erfolgreichen Datenunternehmens ist. Möchte man Daten in
unterschiedlich bepreisten Datenpaketen und -produkten handeln, dann muss
technisch sichergestellt werden, dass die Datennutzung durch den Kunden
der jeweils abgegoltenen Quantität und Qualität entspricht. Nur wenn die
Vereinbarungen mit dem Kunden bzgl. Abfragegeschwindigkeit, Abfrageumfang und Service-Level technisch auf deren Einhaltung (Überschreitung)
überprüfbar sind, können unterschiedlich bepreiste Datenpakete- und -produkte überhaupt gehandelt werden.
Abb. 3 Freemium-Modell bei Data Market (Quelle: www.datamarket.com, 2012)
Die direkte Anbindung des Datenangebotes an die Applikationen der
Datenkunden erlaubt es, Verrechnungsdaten angekoppelt an Nutzungszahlen
bzw. Nutzungsintensitäten zu erhalten. Effizient in diesem Sinn ist daher die
Verwendung von APIs (application programming interface), die jede Anfrage des End-Users über die Software des Dienstanbieters direkt an die Bereitstellungsschnittstelle des Datenanbieters weiterleitet. API-Keys wiederum
152
Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer
sind dann vereinbarte Schwellen, bis zu der Datenabrufe innerhalb eines
bestimmten Preispaketes angeboten werden. Diese Schlüssel können nun
gehandelt werden und erlauben es, preislich gemischte Datenangebote (Freemium bis Premium) anzubieten. Ist die Verwendung von APIs eine Vorbedingung für erfolgreiches Datenwirtschaften im Open-Data-Zeitalter, so ist
die einfache Anschlussfähigkeit dieser APIs an die Software der Dienstanbieter ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Schlussendlich werden jene
Datenanbieter mit standardisierten APIs größere Kundensegmente erschließen können, als jene, die nur komplizierte und geschlossene Andockmöglichkeiten an ihre Daten zulassen.
Großes Geld aus kleinen Märkten? Wohl kaum ...
Folgt man den politischen Positionspapieren, so wird besonders der Kombination von Open Data mit Anwendungen für den Mobiltelefonmarkt großes
Potenzial zugeschrieben. So sollen aus den neu in Umlauf gekommenen
Datenvorräten der öffentlichen Verwaltung mobile Services für den Endverbraucher (Apps) werden. Der Markt mit mobilen Apps hängt jedoch wesentlich von einem möglichst großen Kundenpotenzial ab. Diese in sog.
AppStores gehandelten Produkte sprechen nur kleine Segmente bzw. Teile
dieser Segmente an. Wenn nun eine durchschnittliche App um ca. 1,80 EUR
zu verkaufen ist und nur 12% der Nutzer überhaupt kostenpflichtige Apps
verwenden, so kann man sich für eine durchschnittliche deutsche Stadt einfach ausrechnen, dass bei einem Kundenkreis für eine Open-Data-Anwendung bloß einige tausend Stück abgesetzt werden können. Das bedeutet, dass
wir hier von Potenzialen von einigen tausend Euro für eine App sprechen
können. Erst die Verbreitung ein und der selben App in mehreren Städten
macht den kommerziellen Absatz von Apps wirtschaftlich attraktiv. Kann
z.B. eine App zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer nicht nur in Berlin,
sondern zusätzlich auch in London, Zürich und Wien benutzt und bezogen
werden, sind wirtschaftlich interessante Erträge aus dem App-Vertrieb zu erreichen. Solange also offene Verwaltungsdaten individuell, nach eigenen
Gutdünken von jeder Stadt, jedem Land und jeder Regierungsstelle unterschiedlich in Format, Metadaten und Einheiten in Insellösungen bereitgestellt
werden, ist weder der Markt noch sind die anvisierten Umsatzzahlen zu erreichen. Normierung, Interoperabilität und Harmonisierung der ausgegebe-
4.6 Open Data Business?
153
nen Verwaltungsdaten ist daher oberstes Gebot, bevor überhaupt ein vitaler
App-Markt denkbar ist.
Handlungsempfehlungen
Mit Open Data sind große wirtschaftliche Erfolge denkbar. Der Markt ist
jedoch noch jung und befindet sich im Umbruch. Während die bisherigen
Geschäftsmodelle immer mehr von den Entwicklungen der Onlineökonomie
angegriffen werden, sind neue Businessmodelle noch nicht ausgereift und
belastbar. In dieser Situation gibt es einige Faktoren zu beachten, die über die
tatsächliche ökonomische Kraft dieses aufkeimenden Sektors entscheiden
werden:
• Zunahme der Beachtung von Open Data in der Wirtschaft (Unternehmen,
SMEs, EPUs, NGO & NPO, Verbände)
• Aus- und Aufbau einer kritischen Marktgröße für Datenprodukte durch
eine gestärkte nationale und internationale Kooperation im Bereich Open
Data (Data Interchange)
• Modelle der gesicherten und qualitätsgeprüften Datenabgabe im Sinne
der ökonomischen Verwertbarkeit durch Unternehmen (SLA, CC)
• gesicherte technologische Lösungen durch die Nutzung von Linked Open
Data (LOD)
• Offenheit für neue Produkte und Verwertungen entlang der Wertschöpfungskette proaktiv fördern
• Aufnahme von Open Data Business in die staatlichen Politiken inkl.
einer ausreichenden Finanzierung.
Quellen
Fründt, Steffen (2012): Gute Geschäfte mit schlechtem Wetter, in: Welt am Sonntag,
27.05.12, online: http://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article106382090/
Gute-Geschaefte-mit-schlechtem-Wetter.html <3.9.2013>
Lischka, Konrad (2011): Jura-Datenbanken So verdienen Finanzinvestoren am
Verkauf deutscher Urteile, in: Der Spiegel Online, 12.04.2011, online:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/jura-datenbanken-so-verdienen-finanzinvestoren-am-verkauf-deutscher-urteile-a-755813.html <3.9.2013>
Measuring European Public Sector Resources (2006), zit. nach: http://wiki.linkedgov.org/index.php/The_economic_impact_of_open_data <3.9.2013>
154
Thomas Thurner, Martin Kaltenböck, Andreas Blumauer
Wilson, Fred (2006): The Freemium Business Model, 23. März 2006, online:
http://avc.blogs.com/a_vc/2006/03/the_freemium_bu.html <13.9.2013>
Woods, Dan (2012): How Factual is Building a Data Stack for Business, in: Forbes,
19.04.2012, online: http://www.forbes.com/sites/danwoods/2012/04/19/how-factual-is-building-an-data-stack-for-business/ <3.9.2013>
4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 155
4.7
Crowdsourcing — Das Konzept der
Erschließung des lokalen Wissens
Sebastian Haselbeck
Kurzinfo: Dieser Beitrag erfasst den Modebegriff „Crowdsourcing“
als Prozessmodell und beleuchtet, was man darunter versteht und
warum dieser wichtig für den zukunftsfähigen demokratischen Staat
ist. Zusätzlich soll erklärt werden, wie sich Crowdsourcing in neue
Gesamtansätze einfügt und welche positiven Auswirkungen dies haben
kann. Am Ende folgen Ratschläge zur Umsetzung und ein Ausblick –
mit einem klaren Appell an den Mut zur Offenheit.
Autor: Sebastian Haselbeck ist derzeit Community Manager des
Internet und Gesellschaft Collaboratory in Berlin. Er war an der
Organisation des Open Government Camp Berlin 2011 beteiligt und
Gründer des Projekts „Gläserner Staat“. Studiert hat Herr Haselbeck
an der Universität Regensburg Politikwissenschaft und Amerikanistik
mit einem anschließenden Master-Studium an der Willy Brandt School
of Public Policy (Uni Erfurt). Für das Collaboratory ist er im Arbeitskreis Open Government Partnership Deutschland und sitzt im Advisory Board der Social Media Week Berlin.
Mit Crowdsourcing lokales Wissen erschließen –
vom Modebegriff zur Miteinander-Verwaltung
Seit dem Aufkommen des sogenannten Mitmach-Web, dem Web 2.0, und
dem Heranreifen von nachhaltigen Modellen zur Vernetzung und Modernisierung in Politik und Verwaltung gehört es zur Königsdisziplin, aus dem
Verbraucherbereich bekannte Konzepte wirksam auf den öffentlichen Sektor
zu übertragen.
Da das Internet es erlaubt, mit minimalsten Kosten theoretisch jeden zu
erreichen, neuartige offene Wertschöpfungsketten zu integrieren und effizienter zusammenzuarbeiten, gilt Crowdsourcing als schlummernder Riese
unter den neuartigen Governance-Konzepten. Der Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung, transparenteren Regierungsabläufen, Informationsfreiheit und ef-
156
Sebastian Haselbeck
fektiveren Verwaltungsleistungen macht das Thema wichtig vor allem für
Verwaltungsebenen mit Bürgernähe – also die Kommunen.
Was ist Crowdsourcing?
In The Wisdom of the Crowds schreibt James Surowiecki “The public, it
turns out, is pretty smart” (2004: 13). Das verstreute Wissen der „Massen“
quasi „anzuzapfen“ ist das Ziel vieler Verfahren mit Crowdsourcing-Charakter. Der Begriff hat dabei seinen Ursprung im „Outsourcing“, bei dem
Arbeitsleistung nach billigeren Standorten verlagert wird. Beim Crowdsourcing werden Arbeitsprozesse in gewisser Weise auch abgegeben, aber an
eine unbestimmte „crowd“, die gleichzeitig Teilhabe am Prozess hat, also
beispielsweise die betroffenen Bürger. Es handelt sich dabei um eine Demokratisierung von Denk-, Arbeits- oder Problemlösungsprozessen. Ähnliche
Ansätze gibt es im Finanzbereich: Das Crowdfunding beispielsweise beschreibt internetgestützte Finanzierungsmodelle. Im Kern geht es darum, die
Möglichkeiten moderner Kommunikationsmittel zu nutzen, um jeden an
Verfahren beteiligen zu können, auch das kleinste Mikro-Wissen zu erfassen,
Probleme dort anzupacken, wo sie entstehen oder ihnen begegnet werden
kann. Dabei ist es meist die Summe der ansonsten nur unökonomisch zu
fassenden Partikularinteressen oder verstreuten Nischen-Experten – also der
sogenannte „long tail“ (nach Chris Anderson), der in vielen Bereichen so
potenzialträchtig ist, da es nun kaum mehr mit Kosten verbunden ist, diesen
„long tail“ zu erreichen.
Kommunen arbeiten schon sehr lange mit Crowdsourcing. Jede Form der
breit angelegten Bürgerbeteiligung ist eine Anwendung davon. Die Grundannahme dabei ist, dass eine Verwaltung mit geringen Ressourcen nicht alles
wissen kann, aber dafür jeder Einzelne, der eine Gemeinschaft ausmacht, ein
Experte in speziellen Themen ist. Eltern mit Kindern sind Experten in der
Beurteilung von nahe gelegenen Spielplätzen, Radfahrer mit Smartphones
der effizienteste Kanal zur Meldung von Schlaglöchern, usw. Die Wikipedia
lebt unter anderem davon, dass auch zu Nischenthemen unglaublich viel
Information lesbar aufbereitet ist, weil die Summe weltweit verstreuter Experten zu diesem Thema zusammen eine vor dem Internet schwer zu erfassende und zu kanalisierende Autorenquelle war. Ist es effizienter, eine Online-Plattform bereitzustellen, auf der jeder Bürger Verschmutzung, Graffiti,
Schlaglöcher oder kaputte Lampen per Mobiltelefon melden kann; oder
4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 157
sollen Angestellte der Stadtverwaltung 24 Stunden am Tag, sieben Tage die
Woche alle Ecken der Stadt patrouillieren? In gewisser Weise stellt Crowdsourcing eine Idee dar, bei der Wissen und Arbeitsprozesse über Hierarchien
und Distanzen – egal welcher Art – dezentral erfasst werden und die alte
Zwei-Wege Kommunikation Verwaltung – Bürger durch clevere Verbesserungen erweitert wird.
Crowdsourcing ist ein Modebegriff, eine Idee von neuartigen Prozessmodellen, die uns dabei hilft, Abläufe und Lösungswege ganz neu zu gestalten. Crowdsourcing ist kein Produkt, keine Schablone und vor allem kein
Teufelszeug – sondern ein Leitgedanke für den Hinterkopf zur Konzeption
der zukunftsfähigen Verwaltung.
Warum ist Crowdsourcing wichtig?
Crowdsourcing ist nicht nur ein spannender Ansatz, um Geschäfts- und
Verhaltenslogiken des Web 2.0 auf den öffentlichen Sektor zu übertragen,
sondern es hat auch das Potenzial, wichtige gesellschaftliche Funktionen zu
erfüllen.
Zum einen ist eine Lastenverteilung natürlich ein Effizienzgewinn. Nicht
nur gibt es durchaus Anwendungen, die am Ende auch mit einer Arbeitsentlastung auf Seiten der Verwaltung einhergehen, sondern in vielen Fällen
haben verteilte Bürgerbeteiligungsverfahren schon intelligentere Haushaltspläne hervorgebracht. Wie und für was Mittel verwendet werden, ist oft
relevanter für den Bürger, als wie viel Mittel verwendet werden. Politik unter
Einbeziehung aller stellt auch sicher, dass keine toten Winkel entstehen, dass
Dienstleistungen diejenigen erreichen, für die sie entworfen werden, und
fördert Wissen und Standpunkte zutage, von denen man sonst nur erfahren
hätte, wenn täglich alle Bürger „Briefe schreiben“ würden.
Damit verbunden ist es zum zweiten essenziell, dass wir uns zu einem
Miteinander-Modell hin bewegen. Die althergebrachten Kanäle des zivilgesellschaftlichen Engagements und der politischen Partizipation sind nicht
ausreichend für die Komplexität des täglichen und öffentlichen Lebens und
Wirtschaftens. Eine gewisse Politiker- und Parteienverdrossenheit (ich rede
bewusst nicht von einer Politikverdrossenheit) sowie die tägliche Frustration
von Bürgern mit dem bürokratischen Apparatus „made in Germany“ stellen
eine Handlungszwang dar, mehr Einbindung in Prozesse, mehr gegenseitigen
Informationsaustausch und mehr Relevanz im Verwaltungshandeln herzustel-
158
Sebastian Haselbeck
len. Entscheidungen von oben finden weniger Akzeptanz als solche, die auf
direkter Kooperation mit allen jeweils Betroffenen vor Ort beruhen – als Lösungen, die mitunter mit deren Einwirkung zusammen entworfen wurden
(man spricht auch vom „Multi-stakeholder“-Modell).
Zum dritten eröffnet Crowdsourcing Wege in eine Stärkung der bürgerschaftlichen Willensbildung, von Zivilcourage und politischer Bildung. Der
Weg vom passiven Bürger, der Politik und Dienstleistungen konsumiert,
zum aktiven Staatsbürger, der die Politik mitgestaltet und in Gemeinschaft
Probleme löst, ist ein harter, aber wichtiger Weg. Ihn zu bestreiten, macht
moderne Technologie einfacher, aber den notwendigen kulturellen Wandel
dafür erledigen wir nicht durch die Installation von Websites.
Wie reiht sich Crowdsourcing in ein
Open-Government-Gesamtkonzept ein?
Es wurde eingangs erwähnt, dass Crowdsourcing sich einreiht in ein politisches Gesamtmodell, eine neue Idee von Staatlichkeit und Gemeinschaft,
einem „Open Government“ (offenem Regierungs- und Verwaltungshandeln)
oder präziser noch „Open Governance“. Damit ist eine recht abstrakte Vorstellung unserer Demokratie gemeint, die offener, partizipativer, kooperativer, effizienter und transparenter gestaltet ist und somit die Bedürfnisse
ihrer Bürger und die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts besser
gewachsen ist als das Jahrhunderte alte klassische preußische Verwaltungsmodell – und die Politik mit ihren prä-industriellen Charakteristika.
Demokratie lebt von einem offenen, informierten Diskurs, der heute noch
von staatlicher Geheimniskrämerei und mangelnden Schnittstellen zwischen
Bürokratien und Bürgern gelähmt wird. Ein moderner, effizienter Staat
braucht neue Lösungswege, effektivere Dienstleistungen, direktere Kommunikationswege und Beteiligungsmöglichkeiten, wenn er seine Relevanz und
Wirkung bewahren will. Bürokratieabbau, E-Government, neue Informationsfreiheitsgesetze, Bürgerbeteiligungsverfahren und Open Data sind wichtige Dimensionen einer neuen Offenheit.
Crowdsourcing stellt auf Anwendungsseite ein Governance-Modell dar,
welches auf Miteinander setzt, Inklusion stärkt und Problemlösungen granular und greifbar macht – sowohl für die Verwaltung als auch den Bürger.
Wenn ich heute ein Schlagloch per Mobiltelefon melde und Tage später eine
Kurznachricht erhalte, das Schlagloch würde morgen repariert – vielen Dank
4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 159
für meine Mithilfe –, dann habe ich als Bürger eine völlig andere Stellung im
System – anstatt keinen Einblick zu haben, warum welche Straßen und
Brücken erneuert werden, auf Basis welcher Entscheidungen, während sich
das Schlagloch vor der Garageneinfahrt mit jedem Regenschauer vergrößert.
Open Government ist mehr als eine andere Informationspolitik, es ist eine
Zustandsbeschreibung für einen kollaborativen Staat, dessen Einzelteile die
Individuen sind, egal ob außerhalb oder innerhalb der Behördenmauer. In
einer Zeit, in der wir unsere Facebook Freunde besser kennen als unsere
Nachbarn, ist eine Stärkung der lokalen Zusammengehörigkeit aus politischen Gründen umso wichtiger.
Wie kann man es umsetzen?
Die große Frage ist nun, wie sich Crowdfunding beispielsweise auf kommunaler Ebene implementieren lässt. Die Kernfrage vor dem „wie“ ist jedoch
das „ob“ bzw. „wozu“. An erster Stelle muss immer die Überlegung stehen,
vor welchen Herausforderungen eine Gemeinschaft steht und welche Mittel
geeignet sind, diese anzugehen. Crowdsourcing ist zum einen kein Allheilmittel und zum anderen keine Patentlösung oder Werkzeug, sondern ein demokratisches Prozessmodell mit vielerlei Ausprägungen, viele davon Experimente.
Zu beachten ist, dass Prozesse, die eine Verwaltung zum Bürger hin
radikal öffnen, nicht funktionieren können ohne gleichzeitige radikale Optimierungen innerhalb der Verwaltung selbst. Selbstverständlich passen innovative webbasierte Plattformen nicht zu einer Verwaltung, die mit der neuen
Form an Input nicht umgehen kann. Dienstleister mögen diverse Bürgerbeteiligungslösungen schnell anbieten können und kümmern sich meist auch um
deren Betreuung und Auswertung, doch eine nachhaltige, langfristige Verschränkung der Crowd mit der Verwaltung funktioniert nur bei einer Modernisierung „innerhalb sowie außerhalb des Rathauses“. Die Kernaufgabe auf
Umsetzungseben ist folglich, funktionierende Schnittstellen zwischen behördeninternen und -externen Vorgehen zu schaffen, mit denen sich der politische und bürokratische Kreis schließt – und nicht nur punktuell Öffnung
vorgaukelt. Das gilt sowohl für die Ebene der IT (ist die Infrastruktur noch
aus den 90ern?) als auch die Ebene der Kultur (was sagen die Mitarbeiter zu
der radikalen Umwälzung?). Ist sichergestellt, dass eine Kommune gerüstet
ist dafür, sich zu einer Miteinander-Gemeinschaft zu entwickeln, braucht es
160
Sebastian Haselbeck
eine Implementierung der Lösung auf technischer Ebene, Management-Ebene und Bürger-Ebene.
Auf technischer Ebene ist eine nachhaltige, interoperable Lösung (offene
Schnittstellen und Formate als Kern) mit einfacher Bedienbarkeit für alle
Beteiligten am wichtigsten. Auf Management Ebene ist sicherzustellen, dass
der Kulturschock keine politischen Reibungen verursacht und der Entscheidungsprozess die neuen Mechanismen verinnerlicht. Letztendlich entscheidet
der Bürger über Erfolg oder Misserfolg des Crowdsourcing. Die Akzeptanz,
Einfachheit und vor allem das Feedback über unmittelbaren Nutzen aus den
neuen Mechanismen werden über deren Verbreitung und Nutzung entscheiden. Nicht ohne Grund sind manche der besten Beispiele für Crowdsourcing
solche, bei denen der Einzelne sogar Spaß daran hat mitzuwirken, und bei
denen Erfolgserlebnisse unmittelbar sind (siehe das Beispiel mit dem
Schlagloch). Vergessen werden sollte dabei nicht, dass in der Vergangenheit
innovative Projekte (z.B. aus dem E-Government-Bereich) gescheitert sind,
weil man Sonderfälle teuer digital implementiert hat, während die regelmäßigen, üblichen Interaktionen zwischen Bürger und Verwaltung unangetastet blieben. Hinzu kommt, dass Akzeptanz keine Einbahnstraße ist und die
erste Zielgruppe von neuen Verfahren die eigenen Mitarbeiter sind. Es sollen
schon Produkte gescheitert sein, weil der Firmenchef sie selbst nicht benutzt
hat.
Fazit
Die oben beschriebenen Aspekte von Crowdsourcing sollen auf zwei Kernargument hinweisen: Eine „smarte“ Verwaltung von heute versucht, verstreutes lokales Wissen und Potenzial auszuschöpfen. Außerdem können
crowdbasierte Ansätze nur im Zusammenspiel mit nachhaltiger Verwaltungsreform vor dem Hintergrund eines „Open Government“ sein – und bedürfen
gemeinsame IT und Strukturreformen auf allen Ebenen. Crowdsourcing gliedert sich ein in ein Gesamtkonzept einer modernen Verwaltung und Politik,
bei der eine neue Dimension von Zusammenarbeit und Bürgernähe unmittelbare Erfolge hervorbringen kann. Gerade auf lokaler Ebene sind bestehende Prozesse und institutionelle Strukturen oft noch überschaubar und
vergleichsweise leicht zu reformieren. Bürger und Mitarbeiter sollten in
diesen Prozess aktiv mit eingebunden sein, um das Resultat am Ende mit zu
tragen. Dabei ist eine Entscheidung für oberflächliche und kurzlebige Bür-
4.7 Crowdsourcing – Das Konzept der Erschließung des lokalen Wissens 161
gerbeteiligungsprojekte das klare Todesurteil für jede nachhaltige Entwicklung.
Wichtig für Fortschritt im öffentlichen Sektor ist es, den Mut zu haben,
sich kulturell zu öffnen sowie Risiken in Kauf zu nehmen – und es ernst zu
meinen mit den zukunftsweisenden Reformen. Der öffentliche Sektor von
morgen ist ein Ökosystem aus den verschiedensten Werkzeugen, Schnittstellen und Prozessen technischer und nicht-technischer Art. Die Institutionen, die es verstehen, sich auf Offenheit und Vernetzung einzulassen,
werden bald feststellen, dass schon die Unterscheidung Crowd und NichtCrowd höchst arbiträr war und die Technik das kleinste Problem ist.
Quellen
Surowiecki, James (2004): The Wisdom of the Crowds. London: Little/Brown.
162
Sebastian Haselbeck
Herausgbeber- und Autorenverzeichnis
163
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Herausgeber
Elisabeth Slapio ist Geschäftsführerin des Bereiches, Handel, Tourismus, Informationstechnik- und Kommunikationstechnik mit dem Aufgabenschwerpunkt
Branchenbetreuung der Bereiche; zurzeit mit dem Aufgabenschwerpunkt Branchenbetreuung des Einzel- und Großhandels, der Handelsvertreter, der Gastronomie, Touristik, Freizeit sowie der Informations- und Kommunikationstechnik, des Weiteren Leitung eines internen Rechenzentrums und allgemeines
Informationsmanagement. Sie vertritt die IHK in verschiedenen nationalen und
internationalen Gremien. Sie hat Jura studiert. Vor ihrer Tätigkeit bei der Industrie- und Handelskammer zu Köln war Frau Slapio u. a. an der Universität Köln
sowie in verschiedenen Anwaltskanzleien tätig.
Franz-Reinhard Habbel, seit 1982 Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. In seiner Eigenschaft als E-Government-Experte befasst er sich
seit Jahren mit der Modernisierung von Politik und Verwaltung. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen Modernisierung, E-Government,
E-Democracy, Globalisierung und Internet.
Andreas Huber, Experte für Strategie- und Organisationsentwicklung. Begleitet
Organisationen dabei, Prozesse und Wertschöpfungsketten zu optimieren und
unterstützt Kultur- und Bewusstseinswandel bei Führungskräften und Mitarbeiterschaft.
Autoren
Andreas Blumauer hat Betriebsinformatik an der Wirtschaftsuniversität Wien
und an der Technischen Universität Wien studiert und startete seine Karriere als
Software-Entwickler für Finanzdienstleister. 2001 war er Mitgründer der punkt.
netServices, ein auf Enterprise-2.0-Lösungen spezialisiertes Softwareunternehmen, und beschäftigt sich seitdem mit semantischen Technologien und Wissensmanagement-Systemen.
164
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Dr. Wolfgang Both, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, Berlin
Dirk Furchert, Dr., ist Amtsleiter am Amt für Kommunikation, Datenverarbeitung und Zentrale Dienste der Stadt Halle (Saale). Mitglied des Arbeitskreises Digitales Rathaus des Deutschen Städtetages, Lehrbeauftragter an mehreren Hochschulen, Autor mehrerer Veröffentlichungen. Dr. Dirk Furchert berät
darüber hinaus Organisationen und Menschen in Veränderungsprozessen sowie
in Fragen des Organisationscontrollings und arbeitet als Coach und Kommunikationsberater. Er hat in Leipzig Journalistik studiert und im Fach Kommunikations- und Medienwissenschaft promoviert.
Sebastian Haselbeck ist derzeit Community Manager des Internet und Gesellschaft Collaboratory in Berlin. Er war an der Organisation des Open Government
Camp Berlin 2011 beteiligt und Gründer des Projekts „Gläserner Staat“. Studiert
hat Herr Haselbeck an der Universität Regensburg Politikwissenschaft und
Amerikanistik mit einem anschließenden Master-Studium an der Willy Brandt
School of Public Policy (Uni Erfurt). Für das Collaboratory ist er im Arbeitskreis
Open Government Partnership Deutschland und sitzt im Advisory Board der
Social Media Week Berlin.
Prof. Dr. Dirk Heckmann, MdBayVerfGH, Jahrgang 1960, zählt zu den ITRechts-Pionieren in Deutschland. An der Universität Passau leitet er die
Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik ForNet, an der Zeppelin Universität Friedrichshafen das Center for IT-Compliance and Trust. Der Inhaber des
bundesweit einzigen Lehrstuhls für Internetrecht lehrt und forscht seit 15 Jahren
zu Rechtsfragen der Internetnutzung, woraus u.a. sein Standardkommentar zum
Internetrecht hervorgegangen ist.
Prof. Dr. Frank Hogrebe ist wissenschaftlicher Direktor von IVM² Institut für
Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und Zukunftsplanung GmbH.
Im Mai 2011 übernahm der studierte Diplom-Verwaltungswirt, Diplom-Betriebswirt, Diplom-Volkswirt und Diplom-Kaufmann Prof. Dr. Hogrebe die
Professur für Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre an der Hessischen
Hochschule für Polizei und Verwaltung im Fachbereich Verwaltung.
Willi Kaczorowski ist seit dem 1. Juli 2003 Executive Advisor bei Cisco Systems. In der Internet Business Solutions Group (IBSG) berät er Behörden und
Politik bei der Erarbeitung und Implementierung von E-Government-Strategien
Herausgbeber- und Autorenverzeichnis
165
im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung. Zuvor war er neun Jahre bei den
internationalen Beratungsgesellschaften BearingPoint (ehem. KPMG Consulting) und Cap Gemini Ernst & Young tätig. Seine berufliche Laufbahn startete
Willi Kaczorowski im öffentlichen Bereich. Dort war er insgesamt acht Jahre bei
den Landesverwaltungen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie der
EU-Kommisison beschäftigt. Willi Kaczorowski lebt in Berlin.
Martin Kaltenböck studierte Kommunikationswissenschaften, Angewandte
Psychologie und Marketing an der Universität Wien. 2000 war er Mitbegründer
der punkt.netServices GmbH, einem österreichischen, auf Informations- und
Wissensmanagement sowie Enterprise-2.0-Lösungen spezialisierten Softwareunternehmen. Er ist geschäftsführender Teilhaber der Semantic Web Company
und als CFO zuständig für Finanzen und Organisation.
Prof. Dr. Odej Kao ist seit 2006 Professor an der Fakultät für Elektrotechnik
und Informatik der TU Berlin. Des Weiteren leitete er das Rechenzentrum der
TU Berlin und ist Projektleiter des Berlin-Cloud-based Infrastructures – ein
Projekt zur Förderung von IT-Start-ups durch die nötige Infrastruktur. Prof. Kao
ist Mitglied in vielen internationalen Programm-Komitees sowie in Redaktionen
von Fachzeitschriften wie der Parallel Computing. Sein Forschungsgebiete sind
neben dem Cloud Computing und Parallelcomputern komplexe IT-Systeme sowie Grid Computing.
Holger Kindler ist seit 2007 an der Willy Brandt School of Public Policy der
Universität Erfurt. Der Diplom-Wirtschaftssinologe und Master of Public Policy
studierte Public Management, Sinologie, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre
u.a. in Erfurt, Shanghai und Bloomington, Indiana. Er ist momentan als selbstständiger Unternehmensberater tätig und auf internationale Wirtschaftspolitik,
strategisches Marketing und IT-Strategie spezialisiert.
Gregor Kratochwill, Mag., seit 2008 Projektleiter des Linzer Public Space
Servers, sammelte Erfahrungen im Projektmanagement, im Marketing und im
Vertrieb. Mitarbeiter in der Volkshochschule Linz und Pädagogischer Assistent
des Selbstlernzentrums der Volkshochschule und Stadtbibliothek Linz.
Wilfried Kruse ist Institutsgründer und geschäftsführender Gesellschafter von
IVM² Institut für Verwaltungsmanagement, Mittelstandsforschung und Zukunftsplanung GmbH. Bis März 2012 war Herr Kruse Beigeordneter der Landeshauptstadt Düsseldorf (a.D.). Der gelernte Diplom-Verwaltungswirt ist ak-
166
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
tuell Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister in
NRW und Leiter der Enquête-Kommission „Handlungskonzept Demographie“
der Stadt Neuss am Rhein.
Justus Lenz ist Research Fellow des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts,
arbeitet bei der FDP-Fraktion im Thüringer Landtag als Referent für Haushaltsund Finanzpolitik und übernimmt Lehraufträge an der Universität Erfurt. Er hat
mehrere Artikel zu den Themen E-Government und Verwaltungsmodernisierung
veröffentlicht und hält netzpolitische Vorträge. Justus Lenz hat an den Universitäten Bayreuth, Erfurt und Valladolid Philosophy & Economics und Public
Policy studiert.
Stefan Pawel, Mag., seit 2010 Projektleiter der Open-Commons-Region Linz,
sammelte Erfahrungen im Projektmanagement von Web-Projekten, im Marketing und im Vertrieb. Mitautor „Freie Netze. Freies Wissen“, „Freiheit vor
Ort“ und Autor zum Thema Webwissenschaften.
Edda Peters ist seit 1987 Geschäftsführerin der subreport Verlag Schawe
GmbH. Edda Peters engagiert sich seit langem aktiv für den E-GovernmentStandort Deutschland und ist Mitglied zahlreicher Initiativen und Verbände. Eine
ihrer Maximen ist, alles das, was das Unternehmen erwirtschaftet, wiederum in
Technik, Technologie und MitarbeiterInnen zu investieren. Ein Resultat: subreport gehört zum Kreis der „TOP 100“, den 100 innovativsten Unternehmen im
deutschen Mittelstand.
Dr. Jan Dirk Roggenkamp hat Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Universidad de Salamanca (Spanien) studiert.
Gleichzeitig arbeitete er als selbstständiger Anwalt für Mandanten im IT-Bereich. Nach Fertigstellung der Dissertation wechselte er zur internationalen Anwaltssozietät Bird & Bird nach Frankfurt am Main. Im gleichen Zeitraum war
Dr. Jan Dirk Roggenkamp als „Junior Expert“ für IT-Sicherheit im Rahmen
eines gemeinsamen Projektes der EU und China aktiv. In den letzten beiden
Jahren war er als Referent im Projekt „Elektronische Akten in Strafsachen“ im
Bundesministerium der Justiz bei der Erarbeitung einer Novellierung der Strafprozessordnung beteiligt. Gleichzeitig war er Lehrbeauftragter an der FH Trier,
der Uni Oldenburg, der FHöV Kehl und schließlich an der Polizeiakademie
Niedersachsen.
Herausgbeber- und Autorenverzeichnis
167
Thomas Thurner gründete 2002 gemeinsam mit weiteren Radiomacher/innen
das Spin-out „Team Teichenberg“, dass sich mit Audiodatenbanken, E-Learning,
Audio- und Videostreaming und infolge als eine der ersten österreichischen
Plattformen mit Podcasting beschäftigte. Die 2001 von Herrn Thurner ins Leben
gerufene Genossenschaft osAlliance wurde 2006 von der Telekom Austria mit
der Gestaltung und Abwicklung des Innovationshubs „net culture lab“ beauftragt. Seit 2008 ist Herr Thurner bei der Semantic Web Company tätig und bringt
hier sein Know-how als Koordinator des Bereichs Transfer sowie in Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit ein. Überdies ist der Autor im Bereich Open Data
Strategies mit Community Building sowie für diverse Consulting-Projekte in der
stetig wachsenden Linked-Open-Government-Data-Landschaft tätig.
168
Herausgeber- und Autorenverzeichnis
Herausgbeber- und Autorenverzeichnis
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Weitere Schriften des Innovators Club im vwh-Verlag
F.-R. Habbel /A. Huber (Hg.): Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik
Neue Formen der Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Bürger
2008, Hardcover, 196 S., ISBN 978-3-940317-36-0, 27,50 €
Rezension von Dr. J. Hofmann (Fraunhofer IAO) in HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik
(Nr. 265): Das Werk vermittelt einen kurzweiligen Überblick über die Möglichkeiten des Web
2.0 im kommunalen Bereich […]. [Das] durchaus lesenswerte Buch [bildet] den tatsächlichen
Status des Einsatzes von Web 2.0 gut ab: viele Experimente, sehr gute Ideen, aber noch keine
große Anzahl überzeugender und nachhaltiger Geschäftsmodelle. Man darf gespannt sein,
was sich hier in den nächsten Jahren als überlebensfähig und erfolgreich herausstellen wird.
F.-R. Habbel /A. Huber (Hg.): Wirtschaftsförderung 2.0
Erfolgreiche Strategien der Zusammenarbeit von Wirtschaft, Verwaltung
und Politik in Clustern und sozialen Netzwerken 2010, Hardcover, 308 S.,
ISBN 978-3-940317-68-1, 29,90 € – zzt. vergriffen; Neuauflage in Planung –
H. Fritzlar /A. Huber /A. Rudl (Hrsg.): Open Source im Public Sector: günstiger,
sicherer, flexibler Was der öffentliche Sektor von dem Zukunftstrend lernen kann
2012, Hardcover, 192 S., ISBN 978-3-86488-013-1, 25,90 €
Die Autoren zeigen auf, warum Open Souce gerade im öffentlichen Sektor eine gute Wahl
sein kann und welche Vorteile in puncto Sicherheit, Unabhängigkeit und Verlässlichkeit
sich ergeben. Die Bandbreite der Themen erstreckt sich von verwaltungswissenschaftlichen/betriebswirtschaftlichen Betrachtungen über die Bedeutung von Cloud Computing
und Open Data im Public Sector bis hin zu konkreten Praxisbeispielen zum Einsatz von
Open Source in Stadtverwaltungen, Schulbehörden und Forschungseinrichtungen.
F.-R. Habbel / S. Vanasco (Hg.): Wellenreiter Kommunale Politik im Kontext von
digitalen Meinungsimpulswellen 2012, Hardc.., 110 S., 978-3-86488-025-4, 19,80 €
GuttenPlag, ACTA oder der „Bud-Spencer-Tunnel“ haben gezeigt, dass sich Bürger zunehmend im Internet um Teilnahme und Teilhabe bemühen – überregional, aber auch direkt vor Ort. Hunderttausende sprechen sich – etwa via Facebook, Twitter oder YouTube
– innerhalb kurzer Zeit gegen ungeliebte Gesetze, Politiker oder Unternehmen aus. Und
sie erwarten unmittelbare Reaktionen auf ihren Unmut. Die Nutzung des Internets hat so
das Potenzial, politischer und lokaler zu werden. Es stellt sich damit auch für Kommunen
die Frage, wie sie mit diesen Meinungsimpulswellen umgehen sollen.
H. Schneider / H.-H. Herbers (Hg.): Kommunale Bürgerkommunikation
Konzeptionelle Grundlagen – Empirische Befunde – Kommunale Praxis
2013, Hardcover, 226 S., ISBN 978-3-86488-040-7, 27,80 €
Einwohner werden für viele Kommunen zunehmend zum Engpass einer zukunftsfähigen
Entwicklung und rücken so ins Zentrum des Stadtmarketings. Gleichzeitig haben sich die
Beteiligungsanforderungen der Bürger erhöht und traditionelle Kommunikationskanäle
an Reichweite verloren. Diese Gemengelage war Ausgangspunkt eines mehrjährigen Forschungsprojektes. Im Zentrum standen dabei zwei Fragen: „Wie kommunizieren Kommunen mit ihren Bürgern?“ und „Wie könnten sie besser mit den Bürgern kommunizieren?“. Der Sammelband beantwortet diese Fragen auf Grundlage umfassender empirischer Untersuchungen sowohl aus Sicht der Kommunalverantwortlichen als auch der
Bürger. Darüber hinaus berichten Autoren aus der kommunalen Praxis.
S. Költzow / J. Kwaschik / P. Palm: Die wandlungsfähige Verwaltung Wandelgestalter, Potenzialentdecker und Beziehungsmanager für die Städte und Gemeinden
von Übermorgen 2013, Hardc., Großformat, 192 S., 978-3-86488-044-5, 29,80 €
„Das vorliegende Buch dokumentiert ein einzigartiges Projekt der Zusammenarbeit zwischen
zwei Stadtverwaltungen und einem studentischen Team. Es zeichnet sich durch einen optimistischen und erfrischenden Blick ‚von außen‘ auf die Arbeit in den Rathäusern aus.“
Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des DStGB
Weitere Titel aus dem vwh-Verlag (Auszug)
Reihe „Web 2.0“
F. Renz: Praktiken des Social Networking 2007, 21,90 €, 978-3-9802643-6-5
S. Munz/J. Soergel: Agile Produktentwicklung im Web 2.0
C. Noack: Crossmedia Marketing
2007, 32,90 €, ISBN 978-3-940317-11-7
Innovative, IKT-orientierte Konzepte für
Suchmaschinen als Brücke zwischen
Offline- und Online-Kommunikation
2010, 33,50 €, ISBN 978-3-940317-78-0
U. Großmann/I. Kunold (Hg.):
Smart Energy 2010
C. Mörl/M. Groß: Soziale Netzwerke im den Energiesektor der Zukunft
Internet Analyse der Monetarisierungs- (Tagung, FH Dortmund, 29. Okt. 2010)
möglichkeiten und Entwicklung eines
integrierten Geschäftsmodells
2008, 28,90 €, ISBN 978-3-940317-22-3
2010, 24,50 €, ISBN 978-3-940317-79-7
T. Seeber: Weblogs – die 5. Gewalt?
die Zukunft der Energiewirtschaft
(Tagung, FH Dortmund, 11. Nov. 2011)
2011, 23,50 €, ISBN 978-3-86488-004-9
2008, 25,50 €, ISBN 978-3-940317-23-0
U. Großmann/I. Kunold (Hg.): Smart
Energy 2011 Smart Grid oder
J. Moskaliuk (Hg.): Konstruktion und
Kommunikation von Wissen mit Wikis U. Großmann/I. Kunold (Hg.): Smart
Energy 2012 Smart Grid oder
2008, 27,50 €, ISBN 978-3-940317-29-2
die Zukunft der Energiewirtschaft
J. Brinning: Persönliches Publizieren im
(Tagung, FH Dortmund, 22./23. Nov. 2012)
Web 2.0 2008, 27,50 €, 978-3-940317-32-2 2012, 27,50 €, ISBN 978-3-86488-030-8
Hutter: Watchblogs: Medienkritik 2.0? U. Großmann/I. Kunold/C. Engels
2009, 27,90 €, 978-3-940317-12-4
(Hg.): Smart Energy 2013 Wie smart
H. Frohner: Social Tagging
ist Deutschland im europäischen Kontext?
2010, 26,90 €, ISBN 978-3-940317-03-2
R. Bauer: Die digitale Bibliothek
von Babel Über den Umgang mit
Wissensressourcen im Web 2.0
2010, 26,90 €, ISBN 978-3-940317-71-1
J. Jochem: Performance 2.0
(Tagung, FH Dortmund, 14./15. Nov. 2012)
2012, 24,50 €, ISBN 978-3-86488-055-1
in der Reihe „E-Collaboration“
M. Groß/A. Hiller (Hg.): Leadership
in Distributed Organisations
G. Franz: Die vielen Wikipedias
Beherrschung der Distanz in verteilt
agierenden Unternehmen (Kongressband,
Tagung Lüneburg, Feb. 2007)
2007, 26,90 €, ISBN 978-3-9802643-7-2
Vielsprachigkeit als Zugang zu einer
globalisierten Online-Welt
2011, 27,50 €, ISBN 978-3-86488-002-5
Reihe „E-Humanities“
G. Vogl: Selbstständige Medienschaffende in der Netzwerkgesellschaft
Zur Mediengeschichte der Flashmobs
2011, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-98-8
R. Sonnberger: Facebook
im Kontext medialer Umbrüche
2012, 29,50 €, ISBN 978-3-86488-009-4
J. Brailovskaia: Narzisstisch
und sensationssuchend?
Eine Studie zum Zusammenhang zwischen
Persönlichkeitsmerkmalen und OnlineSelbstdarstellung am Beispiel von studiVZ
2013, 24,50 €, ISBN 978-3-86488-039-1
Reihe „E-Business“
J. S. Günther: Erfolgreiches
Onlinemarketing mit Google
2008, 43,90 €, ISBN 978-3-940317-26-1
S. Sobczak/M. Groß: Crowdsourcing
2008, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-38-4
C. Russ: Online Crowds Massenphänomene und kollektives Verhalten im Internet
2010, 31,50 €, ISBN 978-3-940317-67-4
C. Potzner: Chancen und Risiken
der Arbeit im E-Business
Eine arbeitswissenschaftliche Untersuchung
von Organisationsformen und Aufgabeninhalten an B2B-Arbeitsplätzen
2010, 29,90 €, ISBN 978-3-940317-70-4
M. Janneck/C. Adelberger: Komplexe
Software-Einführungsprozesse gestalten: Grundlagen und Methoden Am
Beispiel eines Campus-Management-Systems 2012, 26,90 €, 978-3-940317-63-6
Grundlagen u. Bedeutung für d. E-Business H. Kohle: Digitale Bildwissenschaft
2010, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-61-2
2013, 16,80 €, ISBN 978-3-86488-036-0
Reihe „Multimedia“
J. Sieck (Hg.): Kultur und Informatik
A. Blessing: Personalisiertes E-Learning
„Interaktive Systeme“
(Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2010)
2010, 31,50 €, ISBN 978-3-940317-72-8
C. Lehr: Web 2.0 in der universitären Lehre 2012, 27,90 €, ISBN 978-3-86488-024-7
J. Wagner/V. Heckmann (Hg.):
Web 2.0 im Fremdsprachenunterricht
J. Sieck (Hg.): Wireless
Communication and Information
(Beiträge der WCI-Tagung Berlin, 2010)
2010, 22,90 €, ISBN 978-3-940317-81-0
J. Sieck (Hg.): Kultur und Informatik
„Multimediale Systeme“
(Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2011)
2011, 27,90 €, ISBN 978-3-940317-95-7
J. Sieck (Hg.): Wireless
Communication and Information
(Beiträge der WCI-Tagung Berlin, 2011)
2011, 27,90 €, ISBN 978-3-8648-000-1
A. Frotschnig/H. Raffaseder (Hg.):
Forum Medientechnik – Next Generation, New Ideas (Beiträge der Tagungen
2010 und 2011 an der FH St. Pölten)
2011, 27,50 €, ISBN 978-3-86488-005-6
2012, 29,90 €, ISBN 978-3-86488-007-0
2012, 27,50, ISBN 978-3-86488-022-3
E. Blaschitz et al. (Hg.): Zukunft des
Lernens Wie digitale Medien Schule,
Aus- und Weiterbildung verändern
2012, 23,50 €, ISBN 978-3-86488-028-5
U. Höbarth: Konstruktivistisches
Lernen mit Moodle - 3. Aufl. 2013, 31,50 €, ISBN 978-3-86488-033-9
A. Klampfer: E-Portfolios als Instrument
zur Professionalisierung in der Lehrerund Lehrerinnenausbildung
2013, 27,90 €, ISBN 978-3-86488-034-6
M. Hielscher: Autorentools für multimediale und interaktive Lernbausteine
Architektur und Einsatzszenarien von
J. Sieck/R. Franken-Wendelstorf (Hg.): LearningApps.org
Kultur und Informatik
2013, 26,50 €, ISBN 978-3-86488-041-4
„Aus der Vergangenheit in die Zukunft“
C. Koenig: Bildung im Netz
(Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2012)
2012, 28,50 €, ISBN 978-3-86488-016-2
J. Sieck (Hg.): Wireless
Communication and Information
(Beiträge der WCI-Tagung Berlin, 2012)
2012, 26,90 €, ISBN 978-3-86488-029-2
A. Frotschnig/H. Raffaseder (Hg.):
Forum Medientechnik – Next
Generation, New Ideas (Beiträge
der Tagung 2012 an der FH St. Pölten)
2012, 26,50 €, ISBN 978-3-86488-031-5
R. Franken-Wendelstorf/E. Lindinger/
J. Sieck (Hg.): Kultur und Informatik
„Visual Worlds & Interactive Spaces“
(Kongressband, Tagung Berlin, Mai 2013)
2013, 28,50 €, ISBN 978-3-86488-045-2
Analyse und bildungstheoretische
Interpretation der neuen kollaborativen
Praktiken in offenen Online-Communities
2013, 31,90 €, ISBN 978-3-86488-042-1
Varia
nestor Handbuch Eine kleine Enzyklopädie der digitalen Langzeitarchivierung
2009, 24,90 €, ISBN 978-3-940317-48-3
Langzeitarchivierung von Forschungsdaten Eine Bestandsaufnahme
2012, 29,90 €, ISBN 978-3-86488-008-7
Leitfaden zum Forschungsdaten-Management Handreichungen aus dem WissGridProjekt 2013, 15,80 €, 978-3-86488-032-2
weitere Schriftenreihen des vwh-Verlages
Reihe „E-Learning“
(s. www.vwh-verlag.de):
D. Schirmer et al.: Studieren als Konsum - Typo|Druck
Veralltäglichung und Degendering von E- - AV-Medien
Learning 2011, 27,90 €, 978-3-940317-83-4 - Game Studies
C. Biel: Personal Learning Environments - Medientheorie
- Medienwirtschaft
als Methode zur Förderung des
- Schriften zur
selbstorganisierten Lernens
2011, 24,90 €, ISBN 978-3-86488-001-8
- Informationswissenschaft
Aktuelle Ankündigungen, Inhaltsverzeichnisse und Rezensionen
finden sie im vwh-Blog unter www.vwh-verlag.de.
Das komplette Verlagsprogramm mit Buchbeschreibungen sowie eine direkte
Bestellmöglichkeit im vwh-Shop finden Sie unter www.vwh-verlag-shop.de.