Sweet, Sweet Girls - pantarhei

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Sweet, Sweet Girls - pantarhei
Innovativ
Transhelvetica, 11.10.2012, Auflage: 14'000
Ex.
Sweet, Sweet Girls
Wie junge Schönheiten Elmer Citro
zu einem sexy Image verhalfen
Text: Nina Huber
Noch bevor es Miss-Schweiz-Wahlen gab und das Frauenstimmrecht
eingeführt wurde, konnten Herr und Frau Schweizer das Elmer Girl
des Jahres wählen. Über eine erfolgreiche Werbekampagne aus dem
Glarnerland.
So geht das auf dem Land: Für die Journalistin legt
5 000 Bewerberinnen aus der ganzen Schweiz wurde
der Buschauffeur genau vor der Produktionsstätte von
eine Vorselektion der 50 Schönsten getroffen. Davon
Elmer Citro einen Extra-Stopp ein. «Was, Sie schrei­
wählte anschliessend eine Jury sechs junge Damen
ben über Elmer Citro? Dort war ich in der Stifti. Ja, der
zwischen 14 und 18 Jahren aus, die schliesslich vom
Heinrich Zogg, das war noch ein richtiger Patron.»
Schweizer Volk als Elmer Girl des Jahres gewählt wer­
Derselbe Herr Zogg, bis 1976 Direktor der Mineralquel­
den konnten.
len Elm AG, sei ein ganz innovativer
Luitgard Rüegg, geborene Laternser,
gewesen, erzählt der stellvertretende
erinnert sich, dass sie 1963 die Aus­
Leiter des Elmer Citro Produktions­
schreibung für den Wettbewerb in
betriebs, Hubert Bai. Unter Heinrich
der Zeitschrift Pro gesehen hatte.
Zogg habe die Marke Elmer Citro ih­
Damals war sie 17 Jahre jung und
ren Marktanteil von 4 auf 11 Prozent
hatte gerade frische Passfotos ge­
gesteigert. Dieser Erfolg war vor allem
macht. Von einer Freundin ermutigt,
einer
Werbekam­
pagne
schickte sie eines davon ein. Prompt
zu verdanken: den Elmer Girls. Im
wurde sie in Begleitung ihrer Eltern
Jahr 1960, 16 Jahre bevor zum ersten
nach Zürich ins Zunfthaus zur Meise
Mal die Miss-Schweiz-Wahl durchge­
eingeladen, sich vor der Jury zu
führt wurde, lancierte der Glarner
präsentieren. «Als ich dann all die
originellen
Getränkehersteller einen Schönheits­
Luitgard Rüegg
wettbewerb. «Sympathisch, gesund,
hübschen Mädchen sah, wollte ich
gleich wieder umkehren», erzählt
neuzeitlich, von erfrischender Natürlichkeit» waren die
Rüegg. Ihre Mutter meinte aber, da sie nun mal extra
Eigenschaften, denen die Mädchen zu entsprechen hat­
von Schmerikon nach Zürich gereist seien, sollten sie
ten. Diese Kriterien sollten direkt auf das Tafelgetränk
doch wohl bleiben. Es hat sich gelohnt: sie wurde zum
verweisen, das aus natürlichen Zutaten besteht: alpi­
Elmer Girl gekürt.
nem Mineralwasser, Schweizer Zucker und Zitronen­
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säure, gewonnen aus der Schale sizilianischer Zitronen.
Präsenz als Strategie
Die Stimmzettel befanden sich an jeder 1-Liter-Flasche
An der Kampagne von Elmer Citro kam niemand vor­
sowie in jedem Sechserkarton Elmer Citro. Aus etwa
bei. In Restaurants und Läden wurden Wahlurnen
Heisse Röcke für’s kühle Getränk: Das lebensgrosse Plakat aus dem Jahre 1965 stand noch jahrelang in der Abfüllhalle in Elm (Bild: Elmer Citro).
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Elmer Citro
Feiert
aufgestellt, bei denen Schwei­
zerinnen
und
Schweizer
ihren Stimmzettel ins Fach
ihrer
Favoritin
einwerfen
konnten. Die ersten Wah­
len, die Schweizer Frauen
mit einer eigenen Stimme
mitbestimmen durften, wa­
ren demnach die des Elmer
Girls.
In
Printmedien
wie
bei­
spielsweise der Schweizer
Illustrierten wurde ein In­
serat geschaltet mit dem
Aufruf, einem der jungen
Schweizer Mädchen seine
Stimme zu geben und da­
mit automatisch an der Ver­
losung von 300 Harassen
Elmer Citro teilzunehmen.
Sogar das Schweizer Fern­
sehen sendete eine Serie,
in der die Frauen und ihre
Lieblingssportart vorgestellt
wurden.
Entdeckt wurden die Mineralwasserquel­
len in Elm bereits im 18. Jahrhundert.
1925 wurde das Mineralwasser unter
dem Namen «Elmer Sprudel» in Korb­
flaschen abgefüllt und in den Handel
gebracht. Zwei Jahre später kreierte
Oskar Schärli, der Besitzer des Kurhau­
ses, ein Zitronengetränk, das er sofort
unter dem Namen «Elmer Citro» beim
Bundesamt für Geistiges Eigentum ein­
tragen liess.
Als der Tourismus florierte – die Touristen
reisten vorwiegend aus dem Ausland
an – wurde neben dem Kurhaus das Ho­
tel Alpina errichtet. Das ehemalige Kur­
haus ist heute ein Altersheim, und aus
dem Hotel Alpina wurde die heutige Ga­
rage der Elmer Citro Produktions­stätte.
Dieses Jahr feiert Elmer Citro seinen
85. Geburtstag.
Luitgard Rüegg
bewegte
ganz klar das Geld zum Mit­
machen. Als älteste Tochter
von sieben Kindern musste
sie oft zurückstecken. Ihre
Leidenschaft galt der Mu­
sik: Sie spielte intensiv und
gern Klavier. Als sie ge­
wann, konnte sie sich mit
dem Preisgeld an der MusikAkademie in Zürich Unter­
richt bei einem Privatlehrer
leisten. Klavier spielt sie
heute noch.
In Elm war sie ein einziges
Mal, als sie nach der Preis­
verleihung die Produktions­
stätte von Elmer Citro be­
sichtigen konnte.
50 Jahre später erinnert in
der Produktionsstätte von
Elmer Citro nichts mehr an
die sexy Kampagne. Das
lebensgrosse
Plakat
des
Elmer Girls von 1965 (S. 21)
Die Kampagne wurde wäh­
stand lange in der Halle, wo
rend neun Jahren durch­
die Flaschen abgefüllt wer­
geführt, das Prozedere der Wahl dauerte jeweils den
den. Irgendwann wurde es weggeräumt. Im Gespräch
ganzen Sommer über. Während Wochen zeigten sich
mit Hubert Bai scheint eine gewisse Nostalgie nach
die jungen Damen an diversen Anlässen und Messen,
den guten alten Zeiten durchzudrücken, als hoffnungs­
zum Beispiel an der Olma in St. Gallen, und repräsen­
volle, junge Mädchen einen Hauch Glamour nach Elm
tierten dabei das Limonaden-Getränk in gelben Uni­
brachten.
formen, die aus knappem Röckchen, Jacket und einem
grünen Foulard bestanden.
Zur Rekordbeteiligung kam es im Jahr 1966, als rund
Die Autorin Nina Huber ist leitende Redaktorin bei der Zeitschrift
«Wohnrevue». Sie trinkt ihr Elmer Citro am liebsten nach einer
Wanderung oder Skitour als Panaché gemischt mit einem kühlen Bier.
1,1 Millionen Stimmzettel eingeworfen wurden – das
übertraf so manche politische Volksabstimmung.
Verantwortlich für das Konzept der Elmer Girls war
Hanspaul Schellenberg. Er liess sich von einer Kampa­
gne inspirieren, die auf die amerikanische Traditions­
biermarke Rheingold zurückging. Entgegen diverser
Befürchtungen, dass in einem eher konservativen Um­
feld die gewagte Kampagne Anstoss erregen könnte,
waren die Reaktionen durchwegs positiv.
Was lernen sollten sie
Die fünf Minuten Ruhm waren für die Mädchen nicht
der einzige Reiz mitzumachen. Das Preisgeld von
5 000 Schweizer Franken sollte nach Absicht von
Elmer Citro direkt in die Ausbildung der Frauen flie­
ssen. So auch beim besagten Elmer Girl von 1963.
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Ausflugstipp
Der Elmer Citro Quellenweg:
Auf einer 1,5-stündigen Wanderung über rund 4,4 km Distanz
und einer Höhendifferenz von 160 m werden auf verschiedenen
Wissenstafeln die 85-jährige Geschichte von Elmer Citro und
die Ursprünge der Mineralwasser-Schöpfung in Elm erklärt.
Zudem erfahren auch die jüngsten Wanderer auf spielerische
Art wie Mineralwasser entsteht oder was darin alles enthalten
ist. Weitere Informationen: elmercitro.ch
Über Nacht:
Das Hotel Elmer hat bereits im 18. Jh Gäste beherbergt. Von der
Terrasse des Restaurants wie den Hotelzimmern aus haben Sie
einen perfekten Blick aufs Martinsloch. hotelelmer.ch