Oh, Malawi!

Transcription

Oh, Malawi!
Holger Keppel
ISBN-Nummer: 978-3-941981-15-7
Oh, Malawi!
Impressionen aus dem warmen Herzen Afrikas
Inhalt
Lilongwe, Malawi
11
27.02.2012
No dating
43
13.02.2012
Anreise
13
28.02.2012
Workshop 1 vision, goals, activities
47
2
11.07.2012
15.02.2012
Einführung und Programmänderung
17
01.03.2012
Workshop 2 priorities
51
16.02.2012
Das erste Meeting im Slum
19
03.03.2012
Nkhotakota
17.02.2012
Oagnehm
21
04.03.2012
18.02.2012
Four Seasons
23
20.02.2012
Rosenmontag, es geht los
21.02.2012
Einleitung
9
99
27.07.2012
Wehmütig
135
Abreise 2
101
29.07.2012
Liwonde National Park
137
12.07.2012
Angekommen, wieder ohne...
103
30.07.2012
Nie wieder
143
57
14.07.2012
Plan und Wirklichkeit
105
02.08.2012
Das Klo – endlich
145
Chintheche
61
15.07.2012
Afternoon?
109
03.08.2012
Ground breaking ceremony
147
05.03.2012
Baustellentermin im Mondschein
65
17.07.2012
Phambili
111
05.08.2012
Azungu bo
149
27
06.03.2012
Durch den Schwarzwald von Malawi
67
18.07.2012
Vermessung in Nancholi
115
06.08.2012
Wie immer halt
153
Meeting im Civic Council
29
09.03.2012
Vermessung im Maisfeld
73
20.07.2012
Limbe
121
09.08.2012
So viel Zeit muss sein
155
24.02.2012
Märkte, Ameisen u.v.m.
33
10.03.2012
Der Löwe
81
23.07.2012
You are my friend
123
Literatur- und Quellenverzeichnis
25.02.2012
Weekend in Namalikhate Village
37
12.03.2012
Der letzte Arbeitstag in Malawi
87
24.07.2012
Afrikanische Tänze
127
26.02.2012
Sonntag in Mua
39
13.03.2012
Rückflug
91
26.07.2012
Workshop 2
131
Lilongwe – Blantyre – Lilongwe
157
Einleitung
Ein bißchen Abenteuer darf schon dabei sein,
wurde mir vor zwei Jahren bei der SES in Bonn
erklärt, als ich mich dort vorgestellt habe. Dies
wurde es dann auch, allerdings nicht im herkömmlichen Sinne, sondern mehr für einen,
der über 30 Jahre in der Kommunalverwaltung,
davon 20 Jahre als Bürgermeister, von einem
Termin zum anderen gehetzt ist, plötzlich gab
es zwar Termine, aber keiner hat sich daran
gehalten. Dies war schon sehr gewöhnungsbedürftig.
Der Einsatz in Malawi war dann durch die persönliche Bekanntschaft mit einem hiesigen Architekten eher zufällig und durch einen Zeitungsartikel
in der örtlichen Presse initiiert. Die Antragsstellung aus Malawi war dann nicht termingerecht,
so dass ich durch meine Hochschultätigkeit den
Malawieinsatz zweiteilen mußte.
Dies stellte sich im Nachhinein aber nicht als
Nachteil – für mich, und für die Sache – heraus, ich meine sogar als Vorteil, weil viele Fachthemen zuhause nochmals vertieft werden
konnten. Insofern waren die zweiten vier
Wochen aus meiner Sicht deutlich effektiver.
Irgendwann habe ich abends in Malawi – ab
18.00 Uhr ist es stockdunkel – angefangen zu
schreiben und die Reaktion vieler Leser meiner
Berichte war: „Mach doch ein Buch darüber“.
Hier ist es nun.
Ich habe den „Dettingern“ für die sehr herzliche
Aufnahme und Betreuung in Lilongwe zu danken und gestehe ganz ehrlich, wenn die nicht
gewesen wären, wäre ich nach zwei Wochen
wieder gegangen und zwar sehr frustriert, wegen
ständig verschobener oder abgesagter Termine!
Ich danke ganz herzlich meiner Frau Isolde, weniger für die etwas stressigen Textkorrekturen,
sondern vielmehr dafür, dass sie es zugelassen
hat, dass ich kurz nach dem gemeinsam ersehnten Ruhestand gleich zweimal nach Afrika
„abgehauen“ bin, davor die Vorbereitungszeit,
dann die Zeit bis zum nächsten Aufenthalt, dann
die Nachbereitung und das Buch, das muss man
(Frau) schon aushalten können. Das „Afrikafieber“ hat mich 2012 schon beherrscht. Ich
danke auch Brigitte, Ursel und Rea für ihre
redaktionellen Hinweise.
Danke auch an meine junge Layouterin Stefanie
Köhle, die mit mir – wie ich meine sehr engagiert
und sehr gut – ein schönes Buch gestaltet hat.
Still remains the CCODE to thank, especially
Patrick Chikoti and the young German volunteer
Raphael, as well as the „CCODE-fellows of Blantyre“.
Malawi ist ein schönes (leider sehr armes) Land,
im „warmen Herzen Afrikas“ und die Menschen
dort sind so etwas von freundlich und herzlich,
wie man es sich hier gar nicht vorstellen kann.
Zikomo kwanbiri .....
Takulandirami Ku Malawi
Holger Keppel
Malawi
Geschichte: vor mindestens 2,5 Mio. Jahren erste
Besiedlung durch den „Homo Rudolfensis“
(gefunden 1996 in Karonga)
vor 10.000 Jahren Besiedlung durch
„nomadisierende Buschleute“
vor 2.000 Jahren Besiedlung durch erste
Bantugruppen, 16./17. Jh. Blütezeit König reich Maravi
1859 erreichte David Livingstone den Malawisee (Nyasasee)
1873 erste Missionierungsversuche durch die Free Church of Scotland
1889 Britisches Protektorat
1907 Umbenennung in Nyasaland
1966 Republik Malawi
Fläche: 118.480 qkm
Einwohnerzahl: ca. 15 Mio.
Bevölkerungsdichte: 120 EW/qkm
Human Developement Index: 0,493
(160. Stelle aller Staaten)
Bruttoinlandsprodukt: 328 US$
(177. Stelle aller Staaten)
Wirtschaft: überwiegend landwirtschaftlich ausgerich-
tet, wenig Bodenschätze
Religion: 80 % Christen, davon 23 % katholisch,
12 % Muslime, vorwiegend am Malawisee
Verwaltungsstruktur: Präsidialrepublik,
seit 1964 unabhängig
3 Regionen (Nord, Mitte,Süd)
28 Distrikte.
Hauptstadt: Lilongwe
Amtssprache: Chichewa und Englisch
13.02.2012 – 14.03.2012
Malawi
(Quelle: Wikipedia 07.09.2012)
Quelle: Hupe Ilona,Manfred Vachal: Reisen in Zambia und Malawi, 2011
Fahnen
24.02.2012
Märkte, Ameisen u. v. m.
Explanation of the National Flag:
Rising Sun signifies the Dawn of Freedom.
Black stand for the People of Africa.
Red is the Blood of the Martyrs of African
Freedom. Green represents the evergreen
nature of Malawi.
Die neue Staatpräsidentin Joyce Banda hat
kurz nach ihrem Amtsantritt wieder die alte
Landesfahne eingeführt.
Heute war es dann etwas ruhiger, am Vormittag
habe ich meine Plakate für die meetings neu gestaltet und in Chichewa geschrieben. Ich wollte
eigentlich von Patrick hören, wie und was jetzt
am Dienstag läuft, aber der hatte irgendwelche
anderen meetings. Also Patrick ist, um eine Nachfrage zu beantworten, ein Malawier, ein netter
junger Umweltingenieur, der, wie ich meine, eine
Menge (auch politisches) Kapital hat. Ich habe
natürlich seine Landessprache nicht verstanden,
die Art und Weise, wie er beim meeting im City
Council agiert hatte, war schon gut. Kürzlich hat
er lächelnd zu mir gesagt: Das ist eben Afrika. Als
wir zum City Council gefahren sind, hat er mir
Bilder von seiner Frau und seinem Baby gezeigt.
Der Fahrer der Stadtverwaltung hat nämlich unterwegs angehalten und ist in den Supermarkt
einkaufen gegangen und hat uns im Auto sitzen
lassen, luschtig, das wäre doch eine Gemeinderatsanfrage wert, aber der Gemeinderat wurde
ja vom Präsidenten abgeschafft.
Es gibt übrigens eine neue Fahne von Malawi.
Jetzt gibt es eine, die eine aufgehende Sonne
symbolisiert, man sagt hier: Der Präsident habe
morgens beim „Frühstück“ beschlossen, die Sonne sei in Malawi schon aufgegangen und deshalb
gibt es eine neue Sonne auf der Fahne. Nur nirgendwo bekommt man diese, ein Typ auf dem
Markt will mir jetzt eine besorgen. Einen MalawiPin gibt es auch, nur wo? Bei der Landesplanungs-Tagung der GIZ waren im Tagungshotel
etliche dunkelblaue Anzugsträger mit Krawatte,
die hatten einen, habe mich nur nicht getraut.
Bei Pins ist dies eigentlich nicht meine Art, also
den muss ich noch haben!!!
Über Mittag war ich mit Raphael essen, Pommes
und so eine Art Rührei draußen im offenen Feuer
gekocht. Ich hatte mich gewundert, wie chic die
Frauen da auf den Holzbänken waren, die Herren
zum Teil in Anzug und Krawatte, ja dieses Essen
können sich die meistens Malawier nicht leisten
(Raphael weiß alles, für seine EDV-Unterstützung
habe ich ihn wieder eingeladen, hat ein schweres
Loch in meinen Etat gerissen, zusammen 2 €).
Dann gingen wir auf den anderen Markt hinter
der Moschee, der helle Wahnsinn: Von lebendem Geflügel, Gemüse, Obst bis zu aller Art von
Metallschrott, Öl, Kleidung, Schuhe gibt es da
alles auf einem Gelände so groß wie die Rottenburger Altstadt, die Gassen sind gerade mal 1 –
1,50 m breit und die Buden haben alle so ca. 2
qm Grundfläche. Fisch gab es auch, eine „Theke“
so lang wie die ganze Fleisch-Wurst-Käse-FischTheke bei Edeka. Ein bissle aggressiv waren die
Händler schon; habe mich etwas unwohl gefühlt
und mich kaum getraut, Fotos zu machen. Aber
Raphael hat einfach gefragt: „My friend wants to
take a photo“… Dafür musste ich dann bei einem
Stand eine Ameise essen, eigentlich eine ganze
Handvoll, aber in meiner bekannten Bescheidenheit hat eine auch gereicht. Für das Foto musste
dann auch noch was gekauft werden, dann wollte ich eine Schachtel Pall Mall kaufen (Zigaretten), ging aber nicht, kann man nur einzeln kaufen. Hab dann Bonbons gekauft und Zigaretten,
nahm gleich vier, war zuviel, na denn… und dies
alles für einen Minus-Pfennigbetrag, kann man
sich eigentlich nicht vorstellen. Jedenfalls die
zwei Zigaretten brauche ich für meinen neuen
Freund, den Nachtwächter bei der CCODE, weil
Low Cost Area
Diese aus der Traditional Housing Area entwickelte Siedlungsform mit kleinen einfachen
Häusern und einer seperaten Eco San Toilette
stellt eine nachhaltige Neubaualternative zur
weiteren ungeplanten Verdichtung der slums
dar.
Die Bilder zeigen von der CCODE geplante
Siedlungen in Machinjri, Selima und Kasungu.
28.02.2012
Workshop 1 vision, goals, activities
So, jetzt bin ich richtig zufrieden mit mir, habe
gerade die Bilder vom heutigen Workshop auf
die Galerie gezogen.
Und es ging tatsächlich los!
Natürlich nicht um 9.00 Uhr, sondern gegen
9.40 Uhr. Zuerst ein Gebet, dann introduction
und dann war ich dran. Mein Übersetzerfreund
Raphael war aber nicht da, Karteikarten gab es
natürlich auch nicht, aber dafür 64 Leute aus
allen Landesteilen, chiefs und leaders aus den
verschiedensten Slumgebieten und Mitglieder
der Malawi Homeless Peoples‘ Federation. Sie
haben alle sehr aufmerksam zugehört. Das,
was ich denen heute beigebracht habe, morgen
geht’s weiter, müssen sie dann in ihren communities in den slums umsetzen. Bildung von Arbeitsgruppen, vision and problem: Zwischenplenum, Tausch der Gruppen, so ein bissle World
Café. Wieder Diskussion, die haben dann heftig
mit-gemacht und dann Schlussdiskussion. Am
Ende so gegen 13.30 Uhr durfte, musste jeder zu
den vorgeschlagenen Zielen drei Punkte abgeben, das haben alle in einer Reihe ohne Drängelei auch gemacht. Wenn sich einer zu Wort meldet, es dann erteilt bekommt, steht er (oder sie)
immer auf, richtig nett.
Das Ergebnis der Punktebewertung war dann:
1. hospital (jedes Slumgebiet hätte gerne ein
hospital, in Malawi ist das Gesundheitswesen
kostenlos, nützt aber nichts, weil Geld für Medizin fehlt und es zu wenige Ärzte gibt). Da hat
sich wohl meine Erklärung von Vision (in 20 Jahren), Ziele (in 5 Jahren), Aktivitäten (tomorrow)
nicht so ganz durchgesetzt, muss morgen nochmals vertieft werden. An zweiter Stelle stand
water (schon realistischer und abschnittsweise
möglich), hier sind vor allem die Wasserkioske
gemeint und zwar mehr, damit die Frauen nicht
so weit laufen, noch besser weniger laufen
müssen. Einen Wasserkiosk mit einem Waschhaus zu verbinden, so wie die alten Waschhäuser
in Frankreich, habe ich heute auch vorgeschlagen. In einem seiner neuen Gebiete macht Peter
hierfür gerade einen Bauentwurf.
3. Platz: Schule, mehr Lehrer, mehr Klassenzimmer, Schulmaterial, einen Zaun um die Schule,
etc., gefolgt von sanitation, electricity, roads,
hier vor allem ein „Teerbelag“ und Straßenentwässerung.
Einschub: Peter liest gerade Nachrichten: Man
hat den Präsidenten heute aus dem Lande
geflogen, keiner sagt warum… Malawi stürzt ins
Chaos, wenn der stirbt, meinte er. Ein Kollege
ruft von hinten: No, Malawi will be happy! Mit
Chaos meinte Peter, dass dann automatisch die
Vizepräsidentin das Amt übernimmt und dann
alle rauswirft, die dabei waren, we will see.
Erstaunlich finde ich auch, wie offen die Menschen
hier gegen den Präsidenten sprechen, bei dem
Workshop wurde auch festgestellt, dass die
REGIERUNG eben nichts für die slums tue.
Dann schauen wir mal, wie es morgen läuft, wenn
es ins Detail geht, war heute jedenfalls sehr gut.
So, dann komme ich jetzt doch noch zu meinen
zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnissen zum
slum-upgrading, hiermit wurde ich ja wie bereits
ausgeführt völlig überrascht, mein Einsatz war
ja ursprünglich im Bereich der low cost areas
vorgesehen. Nach der UN Habitat Definition
gehören die malawischen informal settlements
auch zu den slums, wenngleich sie nicht so
schlimm wie in Südafrika, Kenia oder Mexiko sind, es handelt sich hier überwiegend um
Ziegelbauten, entscheidend ist aber ein anderer
Grund, warum die Häuser hier „etwas massiver“
gebaut werden.
Da kommt ein Mensch vom Dorf in einen solchen slum, geht zum chief und fragt, wo kann
ich bauen, dann sagt der: Dahinten links. Dann
baut er. (Vielleicht kennt er auch die CCODE oder
die Malawi Homeless Peoples‘ Federation kurz
federation genannt) und bekommt dann von denen einen günstigen Kredit. Wenn dann eines
Tages der Eigentümer des Grundstücks kommt
und sagt, „dies ist meines“, dann muss er das
Gebäude entschädigen und das tut keiner,
deshalb bleiben die Häuser stehen, im Gegensatz
zu anderen Ländern.
Woher nimmt der chief sich das Recht, einem
einen Bauplatz zuzuweisen? Der Boden gehört
den Ahnen und der chief vertritt die Ahnen. Obwohl es ihn rechtlich gar nicht mehr gibt, hat
er eine herausgehobene Machtstellung, sein
Amt wird in der Familie vererbt. Wenn der Sohn
nichts taugt, sucht man innerhalb der Familie einen geeigneten Nachfolger. Bei Beerdigungen ist
der chief wichtiger als der Pfarrer, warum, habe
Lilongwe
Lilongwe ist seit 1975 Landeshauptstadt und ist
aufgeteilt in vier Bezirke: Old Town,Capital Hill,
Kanengo und Lumbadzi sowie 51 areas.
Das Bevölkerungswachstum entwickelte sich
wie folgt:
1966
19660
1977
98.718
1987
223.318
2008
674.448
2011
817.000
2021
1.439.000
(Quelle: National Statistical Office, 2009; Population
Projections Report 1999-2033)
Die Bevölkerung in den informal settlements
(slums) wuchs von 82180 (1987) auf 27776
im Jahr 2005, derzeit leben über 76 % der
Bevölkerung in den slums. 35 % der Markungsfläche ist künftig für Wohnbauentwicklung
vorgesehen.
Lilongwe hat vier große Krankenhäuser sowie
33 öffentliche und private Gesundheitszentren.
Neben den vorwiegend mangelnden sanitären
Einrichtungen stellt die größte Herausforderung im Gesundheitswesen die Malariafälle
(207000 in 2008) sowie die sehr hohe HIV/AIDSRate dar.
In Lilongwe gibt es 66 staatliche und 39 private Grundschulen mit rund 135000 Schülern
(2008), rund 31000 Schüler besuchen weiterführende Schulen. Das Haupttransportmittel
in der Hauptstadt sind die Minibusse sowie
Fahrradtaxis.
(Quelle: UN-Habitat Bericht 2011)
Quelle: Macmillian: Malawi Traveller‘s Map
Mzuzu
Mzuzu, im Norden von Malawi ist die
drittgrößte Stadt des Landes.
Das Bevölkerungswachstum entwickelte sich
wie folgt:
1977
1987
2008
16.108
44.217
133.968
2015
2020
220.348
270.423
(Quelle: National Statistical Office, 2003
Population Projections Report 1999-2033)
Rund 50 % der Bevölkerung lebt in informal
settlements. Die Stadt verfügt über ein großes
Krankenhaus und ein öffentliches Gesundheitszentrum sowie mehrere private Kliniken.
Rund 40.000 Schüler besuchten 2008 die
Grundschulen in der Stadt, die auch Sitz der
University of Malawi ist.
06.03.2012
Durch den Schwarzwald von Malawi
Man erlebt hier schon immer wieder überraschende Dinge, es ist gerade hier 23.30 Uhr. Um
23.00 Uhr kam ich in der Lodge an. Rea meinte,
so viel wie ich hier in Malawi schon hätte warten
müssen, hätte ich noch nie warten müssen... Gemeint war jetzt nicht nur der dienstliche Bereich.
Bis die Kinder, also heute zwei, im Bett sind und
Peter sich beim Kochen verkünstelt hat, wird es
schon spät, besonders heute nach der Rückreise.
Ist aber okay, war wiederum ein schöner Abend,
habe mir vorgenommen, künftig zuhause zu so
später Stunde nicht mehr am PC zu sitzen, bin
ja schließlich Pensionär und habe tagsüber Zeit,
sollte man denken.
An der Umzäunung der Lodge angekommen, der
Nachtwächter schläft mal wieder wie meistens,
durch das Loch in der Tür gegriffen, herumgefummelt und aufbekommen, tolle Security!!
Weiter zur Lodge, die Tür war verschlossen, erstmals, nächste Tür auch verschlossen, Rückseite
auch. Hmm und was jetzt? Dann bin ich zu dem
Bungalow gegangen, in dem ich den Hausherrn
vermutet habe, geklopft, keine Reaktion, nochmals, irgendwo geht ein Fenster auf, teile mein
Anliegen mit, soll zum nächsten Bungalow gehen, na denn, dasselbe nochmals, ein Fenster
geht auf, Anliegen vorgetragen, kurz darauf
kommt eine nicht mehr ganz so junge Frau heraus, geht zum nächsten Bungalow und holt dort
den Steven, der ist hier so was wie der Hausbursche. „Wait a moment please!“… Nach einiger
Zeit kommt er wieder mit dem Schlüssel und
erklärt mir, der Nachtwächter sei eingeschlafen,
tja, das hatte ich auch schon gemerkt.
Da muss ich doch kurz die schon einmal angedeutete Geschichte von einem Entwicklungshelfer erzählen, der auch nicht mehr durch das Tor
in sein Haus kam. Er fuhr das Auto ganz dicht ran,
stieg aufs Dach, kletterte über das Tor, machte
es von innen auf und dabei auch noch viel Lärm,
strahlte den schlafenden Nachwächter an, hat
alles nichts genutzt. Am nächsten Morgen sagte
der nur: „Sorry, Sir...“. Also höflich sind die hier
schon.
Zurück zum Vormittag.
Am Morgen früh raus und zu dem am Vorabend
im Mondschein verabredeten Termin bei der
Stadtverwaltung. Zuerst beim Department of
Development, die sitzen im Stadion, weil im
Council kein Platz ist. Der Direktor sitzt in der
ehemaligen Umkleide, Sophos, der planning
advisor von der GIZ in der ehemaligen Dusche.
War sehr nett, der Direktor sehr interessiert
an meiner Nachfrage wegen Studentenaustausch und gemeinsamen Projekten. Und tatsächlich: Heute Abend hier angekommen, hatte
ich schon eine Mail von ihm, die er an die Universität mit meinem Anliegen weitergeschickt
hatte und der dortige Prof. hatte auch schon
geantwortet, eigentlich unglaublich für hiesige Verhältnisse oder auch nicht, denn der dortige Menschenschlag in Mzuzu, eine andere
Volksgruppe, Tumbuka, auch beeinflusst von
Tansania, ist einfach anders als die Chewa.
Anschließend nächster Termin beim Direktor
für public works (ist gleich Hoch- und Tiefbauamtsleiter). Das war dann für Peter erfolgreich,
der dortige Bauhof wird Personal zur Verfügung
stellen, damit es bei der öffentlichen Toilette
endlich weitergeht. Die privaten Bauarbeiter waren nämlich für den Bau eines Krankenhauses abgezogen worden, aber man war sich einig, dass
die öffentlichen Toiletten mit Duschen für die
Entwicklung des neuen Marktes von grundsätzlicher Bedeutung sind, also für Peters Projekt war
der Termin hoffentlich erfolgreich.
Zurück zu Elke, eingepackt und dann ging es
gegen 10.30 Uhr endlich los.
Durch eine schöne Landschaft, sozusagen durch
den Schwarzwald von Malawi (meint Rea), insgesamt mussten wir auf den 400 km sechsmal bei
den Straßenkontrollen die Autopapiere vorlegen.
Erster Halt in Mzimba, nächste Baustelle, wieder eine öffentliche Toilette. Peter war hell entsetzt, seit drei Monaten kein Fortschritt!! „Ich
bekomme die Krise,…Heilandsack!!“ … hörte ich
ihn rufen und er griff zum Handy, um nach dem
Bauleiter zu fahnden. Also das war schon unbefriedigend, das hätte mich auch mehr als geärgert, zumal die Bauleute schon das Geld dafür
erhalten haben, nach entsprechender (falscher)
Sachstandsmeldung!!!
Dann haben wir uns zum Mittagessen mit Elke
getroffen, die hatte einen Termin mit dem
Supervisor vom Ministerium. Wir bestellten
was Schnelles, meinte Rea... chicken and chips
dauerte eine Stunde...
„Kinderstaat“ Malawi
46 % aller Malawier sind jünger als 15 Jahre,
die durchschnittliche Lebenserwartung liegt
bei 43 Jahren. Nur die Hälfte der Grundschulkinder besuchen eine Schule, eine Schulpflicht besteht zwar, wird aber nicht durchgesetzt. Nur ein Viertel der Grundschüler
erreicht einen Abschluss, die Geburtenrate
liegt auf dem Land bei 6,3 %, in den Städten
bei 4,6 %.
Malawi gehört zu den 20 Ländern mit der
höchsten Kindersterblichkeit, ca. 1 Mio.
Kinder sind behindert, annähernd 70.000
Kinder unter 15 Jahren sind HIV positiv.
(Quelle: Children of Blessing, Lilongwe, Report 2012)
Ziegelofen
In Malawi werden über 90 % aller Gebäude
mit gebrannten, aber auch ungebrannten
Ziegeln erbaut, aufgrund der bisherigen
„Brenntechnik“sind die Ziegel von schlechter
Qualität und benötigen für die Herstellung
Unmengen von Holz, was den Raubbau in den
malawischen Wäldern weiter vorantreibt.
Die CCODE hat eine Machbarkeitsstudie durchführen lassen, um in Malawi eine neue Brenntechnik einzuführen. Als Lösung bietet sich
hier die in Asien bereits verwendete VertikalSchaft-Brick-Kiln- Technologie an.
In der Studie konnte nachgewiesen werden,
dass in Malawi alle Rohmaterialien vorhanden
sind und durch die Verwendung von Abfällen
aus der Tabakindustrie hier ein – sich rechnendes – umweltschonendes nachhaltiges Projekt
realisiert werden kann.
Die Realisierung dieses Ziegelofens wird
tatkräftig vom Tübinger Verein „ich-und-dufuer-afrika“ unterstützt.
Blantyre
Blantyre, gegründet 1897 von schottischen
Missionaren, war bis 1975 die Hauptstadt
von Malawi ( Nyasaland) und bezeichnet sich
heute selbst als die Wirtschaftshauptstadt von
Malawi, viele Unternehmen aller Art haben
hier ihren Sitz.
dann gemeinsam in die Stadt gehen, aber Raphael
schlief fest im schönen Garten auf der Liege,
dann habe ich halt Bilder bearbeitet, drei Internetversuche sind gescheitert.
Die Stadt gliedert sich in fünf low income
areas und 14 unplanned settlements.
Anschließend sind wir doch noch losgezogen und
erstmals in Malawi bin ich im Minibus gefahren, das ist eine Besonderheit hier, da werden
16 Menschen in Viererreihen hineingequetscht,
habe das im Februar/März vermieden, deshalb
kam das Thema noch nicht und dann sind wir
zwei für 30 Cent in die City gefahren. Nach einem Stadtrundgang dann beim Inder gelandet,
der Raphael hat ständig Hunger, war gut und
preiswert, nebenan war ein indischer Tempel, in
so einem war ich noch nie, dann haben wir uns
für ein Taxi entschieden und sind für drei Euro in
die Lodge gefahren worden.
Das Bevölkerungswachstum entwickelte sich
wie folgt:
1966
1977
1987
1998
2008
2020
109.461
219.011
333.120
502.053
661.256
1.274.564
(Quelle: National Statistical Office, 2003
Population Projections Report 1999-2033)
Der Raphael schläft schon seit einer Stunde tief
und fest und ich mache mich jetzt, noch nicht
einmal 22.00 Uhr, aber trotzdem müde, auf die
Socken.
70 % (480.000 Einwohner) der Bevölkerung lebt
in 14 informal settlements (die hier in Blantyre
unplanned settlements genannt werden). In
Ndirande, dem größten settlement, leben rund
118.000 Menschen, die jährliche Wachstumsrate liegt bei 4,35 %; pro Jahr müssten 5000
Wohneinheiten gebaut werden, um dies bewältigen zu können.
In Blantyre gibt es sechs städtische Krankenhäuser (hospitals) und acht Gesundheitskliniken (health clinics) sowie mehrere private
Kliniken. Im Jahr 2008 besuchten 130.601
Kinder die Grundschule.
(Quelle: UN-Habitat Bericht 2011)
Quelle: Blantyre City Council
24.07.2012
Afrikanische Tänze
Bin müde, war anstrengend heute, obwohl ich
eigentlich nichts getan habe, außer warten
und zuhören und dann heute Abend Text und
Layoutkorrekturen am Buch im ständigen Austausch mit SK in Herrenberg, klappt richtig gut.
Bin gerade auf mich alleine gestellt ohne Unterstützung von Raphael, der ist seit dem Wochenende in einem Praktikum.
In der Lodge sind derzeit nur zwei Gäste, neben
mir mein Freund, der Kenianer, von der SDI aus
Südafrika, der kam gestern Abend aus Mzuzu,
sieben Stunden Busfahrt und fährt am Donnerstag wieder zurück und bringt das Programm etwas durcheinander.
Gestern Abend beim Essen habe ich ihn gefragt,
wie das denn in Südafrika mit der Termintreue
sei, er meinte, bei Terminen mit der Verwaltung,
die für 9.00 Uhr angesetzt seien, würden diese
dann um 11.00 Uhr beginnen, na denn.
Heute Morgen Termin, Abfahrt um 9.00 Uhr, ich
war da!! Abfahrt dann um 10.00 Uhr, es habe
Probleme mit dem Ausdrucken der Pläne gegeben. Die Studenten sollten der community ihre
Ergebnisse vorstellen, also ich dachte, das findet
in der üblichen location statt, denkste, wir fahren mitten in das settlement, dort wo auch das
Projekt gestartet wurde und ich staune über die
Menschenmasse und ich staune noch mehr, dass
wir exakt zum Beginn kommen, das muss doch
irgendeiner gewusst haben, na ja unergründlich,
man muss ja auch nicht alles wissen.
Schätzungsweise ca. 300 Menschen, davon 50 %
Kinder, gemäß malawischer Bevölkerungsstruktur 30 % Frauen, der Rest Männer und wir mit
den Studenten, also das war keine studentische
Präsentation, sondern ein richtiges Fest, was
da zelebriert wurde. Zu Beginn Trommler und
Gesänge, dann Tänze, eigenartig, dann viele Reden, sogar ein Vertreter der Stadt war anwesend
und hat gesprochen und eine offizielle PUBLIC
NOTICE des BLANTYRE CITY COUNCIL des CHIEF
EXECUTIVE OFFICERS (sozusagen der nicht gewählte Oberbürgermeister der Stadt) verteilt
und dann durften die Studenten ihre Pläne vorstellen. Das einzige vorhandene Flipchart hat
natürlich dafür nicht gereicht, irgendwann fiel
es auf den Lautsprecher und der Ton war weg,
einfach irgendwie lustig, dann haben die Frauen
der federation abwechselnd mit den Studenten
die Karten hochgehalten, ein Student hat vorgetragen und der chief hat seine Mitbürger zu Fragen angeregt, es haben sich nur Frauen gemeldet, die erste wollte ein hospital, die zweite eine
Schule, sehr viel mehr habe ich nicht verstanden,
zwei Stunden nur Chichewa. Danach wieder
Trommler und Gesang und danach allgemeiner
Tanz und plötzlich wurde der Ruf laut: Hoogaa
come... und dann habe ich mitgetanzt und die
haben dann doch sehr gestaunt, was meine Hüften so hergegeben haben, war nett und lustig.
Anschließend haben die Studenten die grünen
Plastikstühle eingesammelt und weggetragen,
ich dachte, die räumen auf, nein, es ging weiter durch das settlement zum Haus entweder
des chiefs oder der traditional authority, also
die Lady in dem schönen Gewand, die Offiziellen wurden dort in das Wohnzimmer gebeten,
es gab Mzima mit Gulasch und Krautsalat, die
Frauen haben die Fantaflasche mit den Zähnen
aufgemacht, war alles sehr nett, zurück mit den
grünen Stühlen zur „Hauptstraße“.
Dann hieß es plötzlich neues meeting in der Poly
Technic, Minibus war voll, unser Auto auch und
dann wurden noch drei Studenten in den Kofferraum gepackt.
Mein lieber Freund, der Kenianer, er heißt übrigens Baraka, wollte unbedingt den Studenten
noch basic informations über Stadtplanung vermitteln, von 27 Studenten waren dann nur noch
neun anwesend, davon haben drei ganz offensichtlich geschlafen, hat ihn aber nicht gekümmert.
So nebenbei habe ich dann noch für Ewag einen
Termin mit der Poly Technic arrangiert (für das
Stuttgarter Studentenprojekt) und mittlerweile
hat mich sogar der Stuttgarter Professor angemailt, man höre und staune nach vier Monaten,
also da geht auch etwas.
26.07.2012
Workshop 2
Um 9.00 Uhr heute früh waren wir verabredet,
mal schauen, vielleicht kommen sie noch, kommen tun sie ja immer.
Gestern war dann mein zweiter Workshop,
fing natürlich auch wieder verspätet an, die
letzten Studenten kamen so gegen 11.00 Uhr,
die Vertreterinnen der communities waren
pünktlich.
Begonnen habe ich mit einem Gruppenspiel zur
Entspannung (und Erheiterung), kam gut an,
dann Bildung von vier Arbeitsgruppen mit den
bekannten Themen: Housing, drainage, circulation, environment, dieses Mal vertieft zu einzelnen
Problemen und deren Bewertung, dann mussten
Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden und
was die communities selber tun können. Zwischendurch gab es einen Wechsel zwischen den
Gruppen à la World Café und so gegen 15.00 Uhr
war man dann fertig. Insgesamt war die Zeit zu
knapp, aber es sollte ja nur ein Lösungsweg und
methodisches Vorgehen geschult werden, um es
künftig selber durchführen zu können. Insgesamt
waren die Studenten und die community-Frauen
sehr engagiert und fleißig, das muss man sagen.
Für den Rest des Tages gab es noch zwei Überraschungen, Edith rief an, ob wir abends zusammen zum Italiener essen gehen würden. Bis wir
den gefunden haben, oje. Meine CCODE-Leute
haben mich hingebracht, aber Ewag und Edith
haben es auch nicht so leicht gefunden und dort
trifft man dann natürlich nur „weiße PoCs“, dann
auch noch Bekannte von Ewag.
Zuvor haben wir alle noch zusammen ein GREENBEER zum Abschied von Baraka getrunken. Er
wollte dann später noch bei mir vorbeischauen,
um mir Bilder zu überspielen, kam dann auch um
21.30 Uhr, habe ihm Wein angeboten und so war
er bis kurz nach Mittenacht auf meiner Bettkante
mit seinem Laptop auf den Knien. Also ich muss
mein Urteil über ihn revidieren, habe ich ihm
auch gesagt, die Fehler, die die Studenten gemacht haben, hat er sogleich erkannt und auch
gute Korrekturen gegeben und das mitternächtliche Gespräch über Afrika, slum-upgrading etc.
war richtig gut, lehrreich und nett.
Jetzt warte ich immer noch, heute früh gibt
es hier kein Wasser, im Wasserwerk würde
gestreikt, heißt es, um 9.00 Uhr sollte ich
eigentlich schon in der Poly Technic sein, zufälligerweise ist Ewag um 10.00 Uhr auch dort, mal
sehen, wann ich ankomme. Für heute ist dann
noch ein Baustellentermin angesagt, der wurde schon zweimal verschoben, weil wegen des
planning studio keine Zeit war. Jetzt höre ich mal
auf und packe den Laptop ein und warte draußen, heute morgen ist es etwas frisch hier.
Und sie kamen dann doch um 10.30 Uhr, wir sind
zur Poly Technic gefahren, zum Headquarter of
Architecture (stand an der Tür). Ewag war schon
im Gespräch, meine CCODE-Leute sind weiter
nach Nancholi gefahren und der Professor, der,
wie ich zwischenzeitlich erfahren habe, gar keiner ist, sondern Rektor, allerdings nicht mit unserem hiesigen Rektor vergleichbar, hat mir ein Minitaxi (also Toyota-Bus) bestellt, der mich dann
nach Nancholi gebracht hat. Dort dann die
30.07.2012
Nie wieder
Oje, war dies eine grausame Fahrt, fast fünf
Stunden über Land, zwar schöne Landschaft,
aber trotzdem mehr als anstrengend. Dabei
hatte sich alles so gut angehört, wie komme ich
nach Lilongwe? „No problem“, meinte Frederic,
der Hausherr des Camps, wir bringen dich zum
Bus nach Liwonde. Dann haben mich die zwei
englischen Mädels, mit denen ich gestern im
National Park war, dorthin gebracht. Zum Glück
kein Minibus, da wäre ich nicht hinein, aber auch
kein vier- bzw. fünf-Sterne-AXA-Bus, also ein
„Null-Bus“. Zuerst hatte ich noch zwei Plätze, einen
für mein Gepäck, war alles sehr eng, dann wanderte meine Reisetasche unter meine Füße und
der Rucksack auf meine Knie und meine Afrikatasche verschwand irgendwo im Bus, zuerst
waren es 15 Menschen und 5 kleine Kinder und
ein lebendes Huhn, zum Schluss über 25 Leute,
10 Kinder und sieben Hühner, ein Junge kam in
den Bus und hatte drei flatternde Hühner in der
Hand, ein anderer hatte sein Huhn in einem Plastikbeutel eingewickelt, nur der Kopf sah heraus.
Die Mittelreihe wurde zwischenzeitlich auch mit
Klappsitzen belegt, zwischendurch wurde immer mal wieder nachgeladen, z.B. Mehlsäcke
unter die Klappstühle geschoben, Bewegungsfreiheit gab es keine mehr. Zum Glück nicht bei
jedem Zwetschgenbaum, aber bei jedem zweiten
Marktflecken wurde angehalten und die Straßenhändler schoben von außen die Fenster auf und
bedrängten einen richtig, am Anfang noch mit
Getränken, später mit Karotten und zum Schluss
mit Kohlköpfen, die wurden eifrig gekauft. Dazu
muss man wissen, dass jeder Salat hier i. d. R. aus
Weißkraut gemacht wird, dann kommen noch
etwas Karotten und wenige Tomatenschnitze
dazu. Bei einem Halt wurde ein ständig schreiendes kleines Kind aus dem Fenster gereicht, an
den Straßenrand gesetzt und nach Erledigung
des Geschäfts wieder durch das Fenster reingereicht; diese Gelegenheit hatte ich leider nicht.
Oder es gab warme matschige Pommes in blauen
Plastiktüten zu kaufen.
Beim Einstieg in den Bus hatte sich ein junger
Bursche ständig um mich gekümmert, das sei
sein Job, meinte er: „My name is Little Joe“. Die
Fahrt würde 2,5 Stunden dauern, wo der Ankunftsort in Lilongwe sei, wusste er nicht, meinen
Stadtplan konnte er auch nicht lesen, nach dem
Palaver mit seinen Kollegen hatte man dann
den Ankunftsplatz benannt, den habe ich dann
Peter zwecks Abholung per SMS mitgeteilt,
war aber falsch und am anderen Ende
der Hauptstadt. Irgendwann kam dann die
SMS-Meldung: „Konnte nicht verschickt
werden“, die gescheite Technik verrät
einem aber nicht warum, na ja, es war kein
Saft mehr drauf, nachgeladen. Und „Little Joe“
hat mich dann noch um 100 Kwacha angebettelt, er müsste zu seiner Großmutter, habe
ihm erklärt, dass ich grundsätzlich kein Geld
gebe und am Ende hat er dann die 100 Kwacha
bekommen, hat der sich über die 30 Cent
gefreut.
In der Hauptstadt angekommen, war dies für
mich ein richtiger Schock nach dem ruhigen Wochenende, Menschenmassen, Verkehrschaos
hoch drei und dieser so genannte Busbahnhof
ein Albtraum. Man wird nach Ankunft immer von
einem halben Dutzend Burschen, die einem ein
Taxi anbieten, richtig überfallen und bedrängt.
Nach Rücksprache mit Peter habe ich mich dann
für ein Taxi entschieden, war völlig entnervt ob
der langen Fahrt, saß mal wieder auf der Sonnenseite, dann im Durchzug und wenn ich einmal
etwas rieche, also dann….Und das Taxi hat für die
kurze Fahrt genauso viel gekostet wie die lange
Busfahrt 2000 Kwacha, entspricht etwa 7 €.
Angekommen, geduscht und ein „Kuche Kuche“
getrunken, das erste überhaupt, seit ich hier bin,
zeitweise gab es gar keines und dann ging es mir
besser, anschließend mit Loulou gemalt, sie einen Engel, ich eine Toskanische Landschaft. War
mal wieder nett.
03.08.2012
Ground breaking ceremony
Dann wurde es endlich wahr, heute morgen um
11.00 Uhr ging es los. Schön war’s. Zuerst durfte
ich ein Gebet sprechen, hatte mir den Prediger
ausgesucht;
…For everything there is a season, and a time for
every matter under the heaven, a time to plant,
and a time to pluck up what is planted… a time to
throw away stones, and a time to gather stones
together,… Now is time to build an Eco San Toilet
for the HOUSE OF HOPE in Chimutu.
Dann sprach der Direktor, der Chief, Rea für
„weltwärts“ (ihre Schützlinge hatten zuhause
bei Freunden und Verwandten Geld gesammelt
und dann die Räume sehr schön neu gestaltet),
anschließend erfolgte die Geldübergabe sowie
rund 500 Farbstifte für den Kindergarten und es
folgte dann der Spatenstich. In Malawi spatet
man mit der Hacke, dabei habe ich eine Wasserleitung leicht angekratzt. Zum Schluss wurde
noch ein kleines Drama aufgeführt, eine Bäuerin
hat wieder einen Mann erwischt, der in ihrem
Gemüsegarten sein Geschäft erledigt, der wurde
dann verhauen und ein großes Palaver begann,
warum ist das so, ganz einfach, es fehlte das Eco
San Klo, das war alles sehr lustig, Germany kam
auch in dem Stück vor. Im Büro folgte die formelle Unterzeichnung der Geldübergabe mit Maßnahmenbeschreibung, Ordnung muss sein; aus
den 3.020 Euro wurde die stattliche Summe von
1.075.000 Kwacha.
Als wir gingen, wurde die Tasche mit dem Geld
– ich möge mich nicht wundern und nicht hineinschauen, warnte mich Rea – ins Auto getragen,
damit jeder sieht, dass im Büro nichts zu holen ist
und das Geld auf die Bank kommt. Im Auto habe
ich dann die Tasche aufgemacht, aber es waren
statt Geld ein Fußball und ein Karton drin; ein
guter Trick, finde ich, jedenfalls kommt das Geld
heute noch auf die Bank. Wie gesagt, es war eine
schöne Veranstaltung und die Menschen waren
sehr dankbar. Für die 120 Kinder und das Personal gibt er gerade zwei Plumpsklos, wie die aussehen – muss ich nicht beschreiben.
House of Hope liegt am Rande von Chimutu, ein
informal settlement mit rund 120.000 Bewohnern, auf einer sehr schönen Karte von Lilongwe
aus dem Jahre 1990 waren dort gerade fünf kleine Häuser eingezeichnet.
Die Presse wurde nicht eingeladen, die kommt
hier nur, wenn man sie bezahlt und einen Fahrer
schickt. Aber die Botschaft hatte ich eingeladen
schon von zuhause anfangs Juli, den Botschafter
angeschrieben, es kam bis heute keine Antwort,
auch keine Fehlermeldung. Dann hatte ich letzte
Woche allerdings kurzfristig in der Botschaft
angerufen und den Termin durchgegeben, die
Dame wollte dies weitergeben, zwischenzeitlich
hatte ich eine andere Mail-Anschrift der Botschaft bekommen, noch mal ein Mail nachgeschoben, mit Termin und meiner hiesigen Telefonnummer, es kam keinerlei Reaktion und zum
Termin kam auch niemand, also zumindest einen
Untersekretärsassistenten hätten sie ja schicken
können, wenn deutsche Bürger soviel Geld spenden. Etwas betrüblich, zumindest eine Absage
wäre höflich gewesen.
Da das meeting mit dem Civic Council wieder einmal verschoben wurde, blieb ich am Nachmittag
zuhause, auf dem Weg dorthin erzählte Peter
von einem anderen Vater, der meinte, zuhause
könne er nicht arbeiten, wenn ständig Kinder
herumspringen, nun ja, ich habe ja nicht gearbeitet, sondern nur 250 Bilder, die Rea heute vom
Spatenstich gemacht hat, bearbeitet.
Loulou fragte: „Bekommen wir Reis?“ „Okay“,
sagte ich. Der Reis stand auf dem Herd. Zehn
Minuten später, „Das war zu wenig. Bekommen
wir noch etwas?“ „Okay“. Kurz darauf, „Holger,
bekommen wir ein Eis?“, „Holger, darf ich in
dein Zimmer?“, „Holger, was machst du?“, „die
Bilder, die deine Mama gemacht hat, bearbeiten“. „Holger, hast du auch eine Mama?“, „Ja,
ist aber schon gestorben“. „Warum?“, „War
schon alt und wir müssen alle sterben.“ „Holger,
wo ist sie jetzt?“, „Im Himmel.“ „Was macht sie
dort?“, „Sich von der Kindererziehung erholen.“,
„Du Holger, kann man Wolken essen?“, „Nee,
das geht nicht.“, „Du Holger, kann man Schnee
essen?“, „Kann man, schmeckt aber nicht.“, „Ich
habe aber schon Schnee gegessen“, kam zurück.
(Anfang des Jahres waren Dettingers erstmals
mit ihr im Schwarzwald und dort gab es den ersten Schnee).