Metaphern-Alex

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Metaphern-Alex
Jan We i ler
m e i n le be n als mensch
Metaphern-Alex
Mit einer Illustration von Larissa Bertonasco
A
ls Herbert Wehner 1973 den
damaligen Bundeskanzler
Willy Brandt ärgern wollte,
behauptete er, der Kanzler bade gerne lau. Brandt agiere politisch mut– und kraftlos, sollte das heißen. Und jeder verstand
die knappe Metapher sofort. Die Menschen stellten sich Brandt
im lauwarmen Wasser badend vor und dachten: Na, das kann ja
nicht mehr lange gut gehen. Ging es ja dann auch nicht.
Inzwischen ist das mit den Metaphern in der Politik ein hartes Geschäft geworden. Es gelingt kaum noch, neue Bilder zu
erfinden. Der Generalsekretär der CSU hat es trotzdem wieder
probiert und dafür gebührt ihm Respekt, auch wenn seine neue
Bademetapher keineswegs so elegant in die Wanne gleitet wie
die von Herbert Wehner. Sie rumpelt sprachlich eher ungeschlacht in das trübe Vokabelbecken des politischen Soziolekts.
Alexander the-hardest-working-Brillengestell-in-Showbusiness
Dobrindt forderte die führenden FDP-Politiker nämlich dazu auf,
endlich mit dem Synchronschwimmen zu beginnen, sonst werde
bei ihnen in der Badewanne das Wasser zu eng. Soso. Aha.
Einmal angekurbelt, rattert das Kopfkino los und man stellt
sich vor, wie Dirk Niebel, Philipp Rösler und Rainer Brüderle
gemeinsam in einteiligen Badeanzügen und mit Gummihäubchen auf den Köpfen miteinander im Kreise schwimmen. Die
Herren tragen Nasenklammern und schwimmen zur Hauptmelodie von „Das Phantom der Oper“. Am Ende bilden sie
eine Pyramide, wobei Niebel und Rösler unter Wasser stehend
Brüderle auf den Schultern tragen. Ob Dobrindt das tatsächlich gemeint hat? Ob er sich diesen Anblick wirklich wünscht?
Wenn ja, müsste er schleunigst mit Fachleuten darüber reden.
Und was hat er nur mit dem zweiten Satz gemeint? Das Wasser
wird zu eng, wenn die FDP in der Badewanne nicht synchron
schwimmt? Da ist natürlich etwas dran. Wenn alle wild durcheinander planschen, verliert die Wanne viel Wasser und man
sitzt irgendwann auf dem Trockenen. Aber der Umkehrschluss
ist viel interessanter: Falls die FDP anders als bisher synchron
in einer Badewanne schwimmt, hat sie laut CSU dort mehr
Platz. Also ich weiß nicht. Dieses
Bild funktioniert doch hinten und
vorne nicht. Herbert Wehner würde
in Willy Brandts Wanne rotieren, wenn er wüsste, wie Dobrindt
sich am Baden vergreift.
Wie soll denn das FDP-Präsidium in einer einzigen Wanne
Platz haben? Da ist schon ein Pool vonnöten. Dazu passt die
Meldung, dass in Los Angeles das Haus des ermordeten Modemachers Gianni Versace zum Verkauf steht. Es kostet 100 Millionen Dollar. Der Preis wird auch dadurch plausibel, dass das
Schwimmbad mit goldenen Fliesen ausgelegt wurde. Das wäre
ein geeigneter Ort, um die FDP zu synchronisieren. Natürlich
nur, wenn Peer Steinbrück ihnen die Schnäppchenimmobilie
nicht vor der Nase wegkauft.
Aber vielleicht wollte der Generalsekretär auch etwas ganz
anderes sagen und ist bloß ein Opfer seiner Synapsen geworden.
Das kommt vor. Man nennt das Malapropismus. Da geraten im
Gehirn die Assoziationen durcheinander und man verwechselt
„Furore“ und „Folklore“. Oder „Facette“ und „Kassette“. Ich hatte
eine Großtante, die bei Familienfesten damit auffiel, dass sie
ständig das Falsche sagte. Sie verwechselte „Parmesan“ mit „Partisan“ und sagte „infizieren“ anstatt „identifizieren.“ Das Internet war ihr bis zuletzt ein „Dorf mit sieben Siegeln.“
Es könnte ja sein, dass Alexander Dobrindt ähnlich gestrickt
ist wie meine Großtante. Auf jeden Fall befindet er sich rein
metaphertechnisch bereits in etwa auf einer Stufe mit dem Fußballkommentator Steffen Simon, der einmal anmerkte, dass sich
gerade zwei Viererketten zu einer undurchdringlichen Hecke
verbinden würden. Und das Bremen unten raus oft Probleme mit
der Luft habe. Apropos Probleme mit der Luft. Das könnte des
Rätsels Lösung sein. Vielleicht hat Dobrindt gar nicht Synchronschwimmen gemeint, sondern Synchrontauchen in der Badewanne. Wie bei Loriot. Die FDP-Chefs sollen die Luft anhalten
und dann um die Wette tauchen. Wer am längsten unten bleibt,
hat gewonnen. So wie Doktor Klöbner. Das wäre doch eine Metapher für die FDP gewesen.
14 . januar 2013