Wall Street Journal - Forum an der Museumsinsel

Transcription

Wall Street Journal - Forum an der Museumsinsel
Samstag, 23. November 2013, 17:49 Uhr
DEUTSCHLAND
Europas Baufirmen entdecken historische Gebäude
neu
Von ALESSIA PIROLO
Im Herzen von Berlin Mitte verwandelt ein Immobilienunternehmen sieben historische Gebäude
aus über drei Jahrhunderten architektonischer Geschichte in einen Komplex aus Apartments,
Büros, einem Hotel und einem Marktplatz. Es dürfte eines der größten privaten Bauprojekte in
Berlin werden.
Zu den historischen Gebäuden zählen eine Freimaurerloge aus dem Jahr 1791 sowie ein
Bürogebäude aus den 20er Jahren, in dem das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen der
DDR ansässig war. Insgesamt soll das Projekt gut 125.000 Quadratmeter Wohn- und
Gewerbefläche umfassen. Die Freiberger Holding investiert dazu 300 Millionen Euro in das
sogenannte „Forum Museumsinsel".
In ganz Europa vermuten Immobilienunternehmen
Gewinnchancen in der Umwandlung von historischen
Gebäuden – gerade jetzt, da der Kontinent langsam die
Wirtschaftskrise hinter sich lässt.
Alessia Pirolo for the Wall Street Journal
"Forum Museumsinsel" in Berlin: Hier verwandelt
ein Immobilienunternehmen sieben historische
Gebäude aus über drei Jahrhunderten
architektonischer Geschichte in einen Komplex
aus Apartments, Büros, einem Hotel und einem
Marktplatz
Solche Projekte können jedoch schwierig sein, da
Genehmigungen eingeholt, technische Probleme
überwunden und die Finanzierung geregelt werden
müssen. Jedoch kann die Renovierung historischer
Immobilien profitabler sein als traditionelle
Immobilienprojekte, sagt David Tomback von English
Heritage, einer staatlichen britischen Einrichtung, die
mit dem Schutz historischer Gebäude beauftragt wurde.
In Großbritannien generierten historische Projekte
zwischen 1980 und 2011 einen gleich hohen oder höheren Gesamtertrag als Gewerbeimmobilien
insgesamt, heißt es in einer Studie aus dem Jahr 2011 von Colliers International, die von English
Heritage in Auftrag gegeben wurde.
Eine Reihe von Projekten hat sich jüngst als Erfolg herausgestellt. In London dauerte es im Mai
nur drei Wochen, bis alle 866 Wohnungen verkauft waren, die als Teil des Projekts Battersea
Power Station gebaut wurden.
Backsteingebäude an der Themse ein Wahrzeichen
Die Backsteingebäude aus den 30er Jahren, die an der Themse gelegen sind, sind ein kulturelles
Wahrzeichen, seit sie in einem Beatles-Video und auf einem Albumcover von Pink Floyd
aufgetaucht sind. Das Gebäude und die Umgebung sind Teil eines 8 Milliarden Pfund teuren
Immobilienprojekts, das 2019 fertiggestellt werden dürfte.
Die Architekten Rafael Viñoly, Norman Foster und Frank Gehry sind an dem Projekt beteiligt. Die
Bauherren hoffen, mit „interessanten und irren" Büroflächen kreative Firmen und Start-ups
anzulocken, sagt Rob Tincknell, Chef der Battersea Power Station Development Co., einem
malaysischen Investorenkonsortium.
Das steigende Interesse an historischen Gebäuden hat einige Besitzer dazu bewegt, ihre
Immobilien auf den Markt zu geben. Das Tacheles-Gebäude in Berlin Mitte ist für 200 Millionen
Euro zu haben, sagt Alexander Kropf, der stellvertretender Direktor bei Jones Lang SaSalle, der
den Besitzer August Anno Jagdfeld berät.
Der Mangel an neuen Immobilienprojekten in den vergangenen Jahren, die steigende Nachfrage
und die boomende Tech-Branche machten dies zu einer „perfekten Zeit", um in Berliner
Gewerbeflächen zu investieren, sagt Kropf. Ursprünglich war das Tacheles ein Kaufhaus, im
Zweiten Weltkrieg dann ein Büro der SS.
Langer Streit zwischen Besitzern und Künstlern
Es kann jedoch problematisch sein, historische Gebäude zu besitzen. Lange stritten die Besitzer
des Tacheles mit den Künstlern, die es seit dem Mauerfall besetzten. Ein Nachteil des boomenden
Immobilienmarkts von Berlin sei, dass die Kreativwirtschaft es immer schwerer habe, Wohn- und
Arbeitsflächen zu finden, sagt Barbara Fragogna, Kuratorin des Kunsthaus Tacheles, das das
Gebäude im September 2012 räumte.
Noch problematischer sind für die Baufirmen die bürokratischen Hürden, die beim Umbau
historischer Gebäude zu nehmen sind. In Paris kämpft LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton mit
dem 460 Millionen Euro teuren Umbau des Belle-Epoque-Kaufhauses La Samaritaine.
Ein solches Projekt sei „kompliziert" und „teuer", sagt Marie-Line Antonios, Generaldirektorin
von La Samaritaine. Andererseits seien die Risiken geringer: Da es für eine gemischte Nutzung
gebaut werde, sei die Aussicht auf eine gute Rendite besser, sagt sie.
Auch das Forum Museumsinsel muss Hürden nehmen. Es dauerte über ein Jahr, bis die
Freiberger Holding und die Stadt sich über die Nutzung einer Straße einigten, die durch den
Komplex läuft. Die Pläne der Firma, einen Marktplatz im Freien zu bauen, werden noch von der
Stadt geprüft.
Erste Bauphase hat im Oktober begonnen
Die erste Bauphase für das Forum Museumsinsel wurde im Oktober gestartet und dürfte Ende
2014 abgeschlossen werden. Die Freiberger Holding hofft, Anfang nächsten Jahres die
Genehmigung für die letzte Bauphase zu erhalten.
Das Unternehmen hat bereits einige Mieter gefunden. Die Deutsche Telekom hat einen
Mietvertrag für ein ehemaliges Universitätsgebäude unterschrieben, das der Architekt David
Chipperfield in ein Ausbildungszentrum für die Telekom verwandelt. In den anderen Büros
dürften Kanzleien, Buchhaltungs- und PR-Firmen einziehen, sagt Klaus Kirchberger, Chef der
Freiberger Holding.
Kontakt zum Autor: [email protected]
Copyright 2012 Dow Jones & Company, Inc. Alle Rechte vorbehalten
Dieses Textmaterial ist ausschließlich für Ihre private, nicht kommerzielle Nutzung. Die Verbreitung und die Nutzung dieses Materials unterliegt unserem
Abonnentenvertrag und ist urheberrechtlich geschützt.