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Client Publication Februar 2004 Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) Am 28. Januar 2004 hat das Bundesministerium der Justiz den Entwurf eines „Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“ (UMAG) veröffentlicht. Durch dieses geplante Artikelgesetz sollen Normen des Aktiengesetzes geändert und ergänzt werden, die vor allem die Innenhaftung von Organmitgliedern und das Recht der Aktionäre, Beschlüsse der Hauptversammlung anzufechten, betreffen. Nach der Einsetzung der Kodex-Kommission und der Verabschiedung des Transparenzund Publizitätsgesetzes (TransPuG) stellt dieser Entwurf einen weiteren wichtigen Schritt der Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission Corporate Governance („Baums Kommission“) dar. Die Bundesregierung hatte diese vorgeschlagenen Gesetzesänderungen bereits in Punkt 1 ihres „10Punkte-Programms zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes“ (10-Punkte-Programm) angekündigt. Im Wesentlichen soll durch das geplante Gesetz die (missbräuchliche) Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen erschwert werden, während es einer Aktionärsminderheit erleichtert werden soll, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder durchzusetzen. Aktionären erleichtert werden, Ansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder durchzusetzen. Hierzu soll § 147 AktG neu gefasst und ein neuer § 147a AktG-RefE in das Gesetz eingefügt werden. Die wichtigste Neuerung stellt hierbei § 147a AktGRefE dar. Nach dieser vorgeschlagenen Norm soll zunächst das Bestellen eines besonderen Vertreters (§ 147 Abs. 3 AktG) entfallen. Die qualifizierte Minderheit soll in Zukunft selbst Ansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder im Wege der „actio pro societate“ durchsetzen können. Gemäß § 147a Abs. 1 AktG-RefE soll das hierfür erforderliche Minderheiten-Quorum gegenüber § 147 AktG deutlich herabgesetzt werden. Die Minderheit muss hiernach nur noch im Umfang von 1 % des Grundkapitals (statt bisher 10 %) oder mit einem Börsenwert von 100.000 Euro (statt bisher 1 Mio. Euro Beteiligung am Grundkapital) beteiligt sein. Dadurch soll auch der absolute Betragswert nicht mehr nach dem Nennkapital, sondern nach dem Börsenkurs bestimmt werden, der regelmäßig viel höher ist. Anders als im 10-Punkte-Programm angekündigt, soll nach dem Entwurf bei nicht börsennotierten Gesellschaften jedoch nicht der Marktwert entscheiden. Für diese Gesellschaften soll, dies geht aus der Begründung hervor, einzig die Schwelle von 1% des Grundkapitals gelten. Innenhaftung der Organmitglieder und Sonderprüfung Für die Sonderprüfung nach § 142 AktG-RefE soll das gleiche abgesenkte Quorum gelten. Der Referentenentwurf schlägt Änderungen der Haftung von Organmitgliedern (Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat) gegenüber der Gesellschaft vor (sogenannte Innenhaftung). Da die Zuständigkeit für Regeln des Kapitalmarktrechts beim Bundesministerium der Finanzen liegt, erstrecken sich die Vorschläge hingegen nicht auf die unter Punkt 2 des 10-Punkte-Programms angekündigte Haftung für fehlerhafte Angaben gegenüber Anlegern (Außenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation). Der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen betrifft die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, nicht hingegen die materiellen Anspruchsvoraussetzungen. Vor allem soll es einer qualifizierten Minderheit von Um den Aktionären das Erreichen des erforderlichen Quorums zu erleichtern, sieht der Referentenentwurf in § 127a AktG-RefE das Schaffen eines „Aktionärsforums“ für klagewillige Kle inaktionäre im elektronischen Bundesanzeiger vor. Dieses Aktionärsforum soll darüber hinaus für alle Fälle gelten, in denen das Gesetz Schwellenwerte für das Ausüben von Aktionärsrechten vorsieht, wie für das Verlagen auf Einberufung einer Hauptversammlung (§ 122 AktG) und die Sonderprüfung (§ 142 AktG). Ein Aktionär soll insofern die Möglichkeit erhalten, seine Aufforderung an die übrigen Aktionäre in einer neuen Rubrik des elektronischen Bundesanzeigers nach Maßgabe der Geschäftsbedingungen des 1 Bundesanzeigers zu veröffentlichen. Er muss diesen Aufruf indes der Gesellschaft im Wortlaut drei Werktage vor der Veröffentlichung zusenden. Nur wenn das Begehren des Aktionärs in der Sache Erfolg hat, soll er die Veröffentlichungskosten (bis zu 5.000 Zeichen) von der Gesellschaft erstattet verlangen können. Antragsteller die Kosten zu tragen. Hat die zugelassene Klage letztlich keinen Erfolg, muss zwar die Gesellschaft den klagenden Aktionären grundsätzlich die von ihnen zu tragenden Kosten erstatten, weil mit der Zulassung entschieden wurde, dass die Klage im Interesse der Gesellschaft war. Haben die Aktionäre die Zulassung jedoch durch mutwillig oder grobfahrlässig falsche Angaben erwirkt, entfällt dieser Erstattungsanspruch. Anders als von der Baums -Kommission vorgeschlagen, soll hingegen die Gesellschaft selbst nicht verpflichtet werden, das Aktionärsbegehren auf der eigenen Homepage bekannt zu machen. Auch bei der Sonderprüfung soll der Antragsteller bei offensichtlich unbegründetem Antrag die Gerichtsund Prüferkosten tragen. Entgegen dem bisherigen Verweis auf Ersatzansprüche nach bürgerlichem Recht bestimmt § 146 S. 2 AktG-RefE nun ausdrücklich diese Erstattungspflicht im Falle eines mutwillig oder grobfahrlässig falschen Vortrags. Diesen Erleichterungen der Aktionärsklage steht indes ein Mechanismus gegenüber, der missbräuchliche Klagen verhindern soll. Diese sollen durch ein vorgeschaltetes gerichtliches Zulassungsverfahren ausgeschlossen werden, in dem die Aktionäre bei dem zuständigen Landgericht die Zulassung der Klage beantragen müssen. Das Gericht lässt die Klage nach § 147a Abs. 1 S. 2 AktG-RefE zu, wenn (1) die antragstellenden Aktionäre die Aktien länger halten, als sie von der Pflichtverletzung Kenntnis haben, (2) sie glaubhaft machen, dass sie die Gesellschaft vergeblich zur Klage aufgefordert haben, (3) sie Tatsachen glaubhaft machen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist und (4) keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen. Anders als in § 147 Abs. 3 S. 1 AktG soll ein „dringender“ Verdacht der Pflichtverletzung nicht mehr erforderlich sein. Sind die ersten drei Voraussetzungen gegeben, wird die Klage regelmäßig zuzulassen sein. Dies soll nach der Begründung des Referentenentwurfs vor allem daraus folgen, dass lediglich „gewichtige“ Gründe, so die Formulierung des Bundesgerichtshofs in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung, nicht ausreichen sollen, den Antrag abzuweisen; die Gründe müssen „überwiegend“ sein. Neben diesen geplanten Regeln über die Durchsetzung von Aktionärsklagen schlägt der Referentenentwurf auch eine Änderung der materiellen Sorgfaltsanforderungen und des Sorgfaltsmaßstabes vor. Die Haftung der Organmitglieder soll durch die gesetzliche Verankerung der so genannten „Business Judgment Rule“ in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG-RefE begrenzt werden. Hierdurch soll im Wesentlichen normativ ein aus dem angelsächsischen Rechtsraum stammender und durch den Bundesgerichtshof in der Entscheidung „ARAG/Garmenbeck“ im Wesentlichen bereits in das deutsche Recht eingeführter Haftungsgrundsatz bestätigt werden: für unternehmerische Entscheidungen kommt den entscheidenden Organmitglieder wegen der unsicheren Zukunftsprognose ein weiter Ermessensspielraum zu. Eine Pflichtverletzung soll deshalb dann nicht vorliegen, wenn ein Vorstandsmitglied ohne grobe Fahrlässigkeit eine unternehmerische Entscheidung trifft und dabei ohne eigene Sonderinteressen oder sonstige sachfremde Einflüsse auf Grundlage angemessener Informationen davon ausgeht, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Eine Nebenintervention weiterer Aktionäre nach Zulassung der Klage soll nach § 147a Abs. 3 S. 3 AktG-RefE nicht zulässig sein. Insofern können diese Aktionäre einzig versuchen, ein weiteres Zulassungsverfahren anzustrengen. Nach der Begründung des Referentenentwurfs hat das Gericht aber zu prüfen, ob einer weiteren Klage nicht überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen. Über § 116 AktG wird die Business Judgment Rule auch für die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern gelten, wenn diese eine unternehmerische Entscheidung treffen. Reformen der Beschlussanfechtung und des Fragerechts in der Hauptversammlung Wesentliche Änderungen enthält der Referentenentwurf auch für die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Im Wesentlichen Eine weitere Abschreckung missbräuchlicher Klagen soll durch die Kostentragungspflicht nach § 147a Abs. 6 Akt G-RefE erreicht werden. Wird der Zulassungsantrag abgewiesen, haben die 2 waren diese Reformen von der Baums -Kommission vorgegeben. Schließlich soll der Vorstand nach § 248a AktG-RefE verpflichtet werden, im Falle der Beendigung der Anfechtungsklage anders als durch Urteil (also regelmäßig durch Vergleich) sämtliche zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen bekannt zu machen. Auch Details über die einzelnen beteiligten Personen sind zu veröffentlichen. Ohne diese Bekanntmachung sollen die Vereinbarungen unwirksam sein. Diese Verpflichtung soll auch bei Aktionärsklagen nach § 147a AktG-RefE bestehen. In § 243 Abs. 4 S. 1 AktG-RefE soll, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ein Kausalitätserfordernis für Fälle der Informationspflichtverletzung eingeführt werden. Hiernach soll im Falle unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Information eine Anfechtung nur möglich sein, wenn ein objektiv urteilender Aktionär sein Verhalten vom Inhalt der Information abhängig gemacht hätte. Eng mit dem Ziel, missbräuchliche Anfechtungsklagen zu verhindern, sind auch Änderungen bei der Durchführung der Hauptversammlung verbunden. Der Versammlungsleiter soll durch § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG-RefE ausdrücklich ermächtigt werden, zu Beginn der Hauptversammlung angemessene Frageund Redezeitbegrenzungen festzulegen. Bei Überschreiten der Zeit soll der Vorstand die Auskunft verweigern dürfen. Der Referentenentwurf sieht darüber hinaus zwei weitere Fälle vor, in denen der Vorstand die Auskunft verweigern darf. Dies soll zum einen der Fall sein, wenn sich die Auskunft aus einer auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglichen Informationen ergibt. Zum anderen sollen Satzung oder Geschäftsordnung den Vorstand ermächtigen können, in der Einberufung der Hauptversammlung für bestimmte Tagesordnungspunkte Fragen in Textform zuzulassen. Wenn diese Fragen dann auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht und die Antworten hierauf in gleicher Weise veröffentlicht werden, muss der Vorstand in der Hauptversammlung eine gleich lautende Frage nicht beantworten. Eine Anfechtungsklage soll nach dem Entwurf ausscheiden, wenn die Informationspflichtverletzung Bewertungsfragen betrifft, für die das Gesetz ein Spruchverfahren vorsieht, in dem die Bewertungsrüge erhoben werden kann. Dies gilt insbesondere für Fälle von Zuzahlungen und Abfindungen im Rahmen von Umwandlungen, Squeeze-Outs und Eingliederungen. Von besonderer Bedeutung ist das in § 246a AktGRefE nach dem Vorbild der § 16 Abs. 3 UmwG, § 319 Abs. 6 AktG geplante Freigabeverfahren im Zusammenhang mit Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse. Erhebt ein Aktionär Klage gegen die Eintragung eines Hauptversammlungsbeschlusses, der eine Kapitalmaßnahme oder einen Unternehmensvertrag betrifft, kann das Prozessgericht auf Antrag feststellen, dass die Klageerhebung der Eintragung nicht entgegensteht und darüber hinaus etwaige Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Eintragung haben. Das Gericht darf diesen Beschluss nur treffen, wenn die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Alternativ hierzu kann das Gericht den Beschluss der Freigabe treffen, wenn es nach freiem Ermessen feststellt, dass das Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre am Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses Vorrang vor den Interessen der Kläger hat. Der Beschluss im Rahmen dieses Eilverfahrens soll spätestens drei Monate nach Antragstellung ergehen. Weiterhin soll der Beschluss des Prozessgerichts für das Registergericht bindend sein. Der eingetragene Hauptversammlungsbeschluss soll Bestandsschutz erhalten. Hat der Kläger mit seiner Anfechtungsklage letztlich Erfolg, ist er daher einzig auf Schadensersatzansprüche verwiesen. Anmeldung zur Hauptversammlung Durch die Neufassung von § 123 AktG soll die nicht mehr zeitgemäße Hinterlegung von Aktien als gesetzliche Grundform zur Hauptversammlungsanmeldung abgeschafft werden. Die Satzung soll bestimmen dürfen, dass nunmehr ausschließlich eine Anmeldung zur Teilnahme an der Hauptversammlung erforderlich ist. Bei Inhaberaktien soll die Satzung darüber hinaus die Art und Weise des Nachweises der Berechtigung regeln dürfen. Der Nachweis der depotführenden Kreditinstitute soll jedoch auf jeden Fall ausreichen. § 16 EGAktG legt fest, dass diese Neuregelung nur für Hauptversammlungen gilt, die nach dem 31. Dezember 2004 stattfinden. Maßgeblich ist dabei nicht der Zeitpunkt der Einberufung, der Versendung der Mitteilungen, etc., sondern allein der Tag der Dieses neue Freigabeverfahren soll sowohl für die Anfechtungs- als auch für die Nichtigkeitsklage gelten. 3 Hauptversammlung. Satzungsbestimmungen, die die Hinterlegung von Aktien als Voraussetzung für die Teilnahme oder die Ausübung des Stimmrechts bestimmen, sind für Hauptversammlungen nach dem 31. Dezember 2004 vorbehaltlich einer zwischenzeitlich erfolgten Satzungsänderung auch weiterhin wirksam. Ausreichend ist insoweit allerdings auch der Nachweis des depotführenden Kreditinstituts. Diese Privilegierung vor allem von Großaktionären soll nunmehr, angeregt durch die Baums Kommission, entfallen. Durch Neufassung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG soll eine gesetzliche Lücke geschlossen werden. Zukünftig soll sich die Hauptversammlung auch dann mit den wesentlichen Grundzügen eines Aktienoptionsprogramms für Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsleitung befassen dürfen und müssen, wenn Wandelschuldverschreibungen vergütungshalber ausgegeben werden. Dies bedeutet auch, dass für Wandelschuldverschreibungen zukünftig eine Wartezeit für die erstmalige Ausübung von zwei Jahren vorzusehen ist. Sonstige Regeln § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG soll ersatzlos gestrichen werden. Hiernach sind bislang Aktionäre von der Haftung ausgenommen, die ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung dazu benutzen, vor allem Mitglieder von Vorstand oder Aufsichtsrat zu einem gesellschaftsschädigenden Handeln zu bestimmen. . Diese Publikation dient lediglich als Diskussionsgrundlage und ersetzt keine rechtliche Beratung. Gerne stellen wir Ihnen weitere Informationen zur Verfügung oder beraten wir Sie in konkreten Situationen. Als Ansprechpartner stehen Ihnen zur Verfügung: Georg F. Thoma Düsseldorf (+49 211) 178 88 819 [email protected] Dr. Hans Diekmann Düsseldorf (+49 211) 178 88 818 [email protected] www.shearman.com ©2004 SHEARMAN & STERLING LLP 599 Lexington Avenue, New York, NY 10022 Under the regulations of some jurisdictions, this material may constitute advertising. As used herein, “Shearman & Sterling” refers to Shearman & Sterling LLP, a limited liability partnership organized under the laws of the State of Delaware. 4