U-Carmen/U-Carmen ekhayelitsha

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U-Carmen/U-Carmen ekhayelitsha
FILMWELTEN
Volkshochschule Aachen
im Apollo Kino, Pontstraße 141-149
alle(r)weltskino
Montag, 23. Oktober 2006, 20 Uhr
U-Carmen/U-Carmen ekhayelitsha
Südafrika 2005
126 Minuten, OmU
Goldener Bär
Internationale Filmfestspiele Berlin 2005
Regie:
Buch:
Mark Dornford-May
Mark Dornford-May, Charles Hazlewood,
Andiswa Kedama, Pauline Malefane
Buchvorlage:
Georges Bizet (Oper „Carmen“), Prosper
Mérimée (Novelle)
Darsteller/innen: Pauline Malefane (Carmen), Andile Tshoni
(Jongikhaya), Zweilungile Sidloyi (Lulamile), Lungelwa Blou (Nomakhaya),
Andiswa Kedama (Amanda), Bulelwa
Cosa (Mandisa), Ruby Mthethwa (Pinki),
Zintle Mgole (Faniswa)
Kamera:
Giulio Biccari
Musik:
Charles Hazlewood
Schnitt:
Ronelle Loots
Kostüm:
Christine Brottes
Filmmusik:
Fowzi Guerdjou
Produktion:
Mark Dornford-May, Ross Garland,
Camilla Driver
Peterstraße 21-25
Telefon: 0241/ 4 79 20
Telefax: 0241/ 40 60 23
www.vhs-aachen.de
Volkshochschule Aachen
Das Weiterbildungszentrum
Der Film
Bizets „Carmen“ mit den Liedtexten in der südafrikanischen
Xhosa-Sprache, mit den schnalzenden Lauten, die wir aus
Miriam Makebas „Click Song“ kennen, das ist so ungewöhnlich wie faszinierend. Ebenso das Setting in einem Township zwischen Prostituierten, Schmugglern und Polizisten
sämtlich schwarzer Hautfarbe. (Theater-) Regisseur Mark
Dornford-May zeigt in U-Carmen eKhayelitsha das alte Drama
von Verführung und Eifersucht glaubhaft verbunden mit
den aktuellen Themen des Landes, lässt einige traditionelle
Lieder aber vor allem viele dokumentarische Straßenszenen
einfließen. Ein Kunstgenuss, der Augen und Ohren für die
Vielfalt der Welt öffnet. U-Carmen erhielt den Goldenen
Bären bei den Berliner Filmfestspielen 2005. Die Hauptdarstellerin Pauline Malefane, eine in Südafrika sehr bekannte
Sängerin, nahm bewegt die Ovationen für ihre packende
Carmen im Berlinale-Palast entgegen.
Carmen (Pauline Malefane) lebt in einem Township von
Soweto und bändelt mit dem Polizisten Jongikhaya (Andile
Tshoni) an. Doch als sie einem jüngeren nachgibt und bei
Schmugglergeschäften mitmacht, nimmt das bekannte
Drama seinen Lauf. Es könnte komisch klingen, aber bei
dieser Carmen in einer fremden Sprache ergibt sich eine reizvoller Vexier-Klang: Die Melodien sind bekannt, die Stimmen
passen, aber auch wieder nicht. Doch die Handlung in sich,
dieser Hexenkessel aus Leidenschaft, Armut, Eifersucht und
Wahnsinn ist völlig stimmig, man könnte vergessen, dass
Bizets Original „etwas“ nördlicher, in Sevilla angesiedelt ist.
Regisseur Mark Dornford-May realisierte zuerst eine Bühneninszenierung der Oper, die er dann mit seinen Schauspielern
zu einem Spielfilm machte. Sicherlich die spannendste
Carmen-Variation zurzeit – neben Goran Bregovics „Carmen
with a Happy End“ – der ersten Carmen mit einem BalkanAkzent und begleitet vom „Wedding and Funeral Orchestra“!
Arien mit Klicklaut
Mit „Carmen“ verhält es sich etwa so wie mit der „Ode an die
Freude“, dem „Boléro“ oder den „Vier Jahreszeiten“: durch
Übernutzung als Handyklingelton, Fahrstuhlmusik oder
als Music-Score von Salamiwerbung ist man sich eigentlich sicher, diese Musik nie wieder im Original ertragen zu
können. Und dann sieht und hört man diese südafrikanische
„Carmen“ und kommt begeistert ins Grübeln – über das,
was bei Übersetzungen, Adaptionen und Kulturtransfer eben
nicht verloren geht, sondern gewonnen werden kann.
U-Carmen eKhayelitsha, der diesjährige Gewinner des
Goldenen Bären, ist ein Film mit einer außergewöhnlicher
Produktionsgeschichte: Der britische Opernregisseur Mark
Dornford-May hat Bizets Eifersuchtsdrama um das Zigeunermädchen, das einen braven Polizisten aus Sevilla erst um
seinen Verstand und schließlich um seine Zukunft bringt,
im heutigen Khayelitsha inszeniert. Die Township in der
Nähe von Kapstadt ist auch im wirklichen Leben die Heimat
der Hauptdarstellerin Paula Malefane, die wie die anderen
Schauspieler und viele Teammitglieder des Films im Jahr
2000 bei einem „Township-Talentscouting“ entdeckt wurde
und fortan Mitglied der Theatergruppe Dimpho Di Kopane
(DDK) wurde. Die Gruppe tourte mit einer Bühnenversion
von „Carmen“ äußerst erfolgreich durch die internationale
Opernwelt, bevor die südafrikanische Chicken-FastfoodKette „Nandos“ Geld für die Verfilmung zur Verfügung
stellte. Die oft sehr konservativen Meinungsmacher der
Kinobranche betrachteten das Vorhaben jedoch mit Argwohn: Da wagen sich Außenseiter und nach landläufigen
Kriterien „Amateure“ mit Hühnergeld aufs internationale
Filmparkett und präsentieren eine Produktion, die so gar
nichts mit dem gemein hat, was in der westlichen Welt aus
afrikanischen Ländern so erwartet wird. Vielleicht mischte
sich in die Skepsis um „Carmen“ untergründig auch Angst
um die Definitionsmacht dessen, was „afrikanischen Kino“ zu
sein hat?
Tatsächlich sind afrikanische Kinoproduktionen inzwischen
zu einem sehr hohen Maß von Fördergeldern aus Europa
abhängig. Doch afrikanische Filmschaffende beklagen seit
Jahren, es sei unausgesprochen zu einer Bedingung geworden, dass sich ihre Projekte irgendwie mit der Aids-Problematik beschäftigen müssen, wenn sie diese Gelder aussichtsreich beantragen wollen. Vor diesem Hintergrund ist
„Carmen“ eine doppelte Provokation: trotz „Township“Kulisse ist dieser Film alles andere als eine Bestätigung der
Klischees von Elendskontinent – zum anderen ist „Carmen“
ein genuin europäisches Sujet. Letzteres scheint ein noch
schlimmerer Tabubruch: Wenn man sich hierzulande schon
Filme aus fernen Ländern sieht, haben sie gefälligst „authentisch“ zu sein. „Die haben doch so viel eigene Musik, was
brauchen die ,Carmen‘?“, kopfschüttelte eine Filmprofessionelle nach der Berlinale-Aufführung. Ein Filmkritiker fragte
sich und seine Leser nachdenklich, ob die Schwarzen in
Südafrika „Carmen“ denn überhaupt verstehen können.
Die ziemlich einmalige Produktionsgeschichte ermöglichte es
Dornford-May und dem DDK-Ensemble, die merkwürdigen
Spezialistenvorbehalte aus Europa komplett zu ignorieren:
Dieser Film fegt mit Wucht über die Leinwand und entstaubt
die Liebesgeschichte zwischen dem Zigarettenmädchen
und dem Brigadier von jeder folkloristischen Süße. Als
Schauplatz eignet sich Khayelitsha, wo sich im Alltagsleben
zwischen Blechhütten und Bars entlang dem Highway und
der Eisenbahnlinie „in Wirklichkeit“ eben auch andauernd
Liebesdramen auf Leben und Tod zutragen, als eine äußerst
„glaubhafte“ Kulisse für die Geschichte. Carmen und ihre
Freundinnen reizen die ständig patrouillierenden Bullen
in einer gekonnten Mischung aus Selbstbewusstsein und
Verachtung: Diese Frauen kennen die Wirkung von etwas zu
engen Jerseyhosen und leuchtfarbenen Tank-Tops, egal ob
sie darin flanieren, arbeiten oder tanzen.
Ihre Konfrontation mit der Staatsgewalt, die sich bis zum
blutigen Ende durch den ganzen Film zieht, lässt sich dabei
auch als ein politischer Kommentar auf reale Machtverhältnisse verstehen, der im Original – wenn überhaupt – sehr
viel verborgener und indirekter ist. Als der Brigadier Jonghi
Carmen nach einem Streit mit ihren Arbeitskolleginnen in
einem Minibus ins Gefängnis bringen soll, bezirzt sie, mit
Handschellen an die Autotür gefesselt, den etwas tumben
Dorftrottel dermaßen streetwise und cityslick, dass man
ihre Arie kaum noch als klassische Oper wahrnimmt – und
einfach nur staunt, wie sie sich „freisingt“, aus dem Auto
springt und jenseits der Gleise im Gewirr der TownshipGassen verschwindet.
Paula Malefane und Andiswa Kedama haben den gesamten
Text der Oper in ein zeitgenössisches Xhosa übersetzt, was
der Musik schon allein durch die kehligen Klicklaute etwas
angenehm Unvertrautes verleiht. So wie insgesamt diese
südafrikanische „Carmen“-Version von Übersetzungsleistungen auf allen Ebenen lebt: Von der Stierkampfmetaphorik,
die zu einem rituellen Schlachtfest mit anschließender
Grillparty geworden ist, bis hin zu den „Schmugglern“, die
im Film sehr realistisch dargestellt werden, wie sie im Licht
von Autoscheinwerfern Drogen mit Fischerbooten an den
nächtlichen Strand bringen. Dieser Film ist der Beweis, dass
selbst ungenießbar gewordene „Schinken“ des europäischen
Kulturerbes wiederbelebt werden können, wenn sich Künstler ans Werk machen, die Authentizität immer schon als eine
dubiose Kategorie des etablierten Kulturbetriebs angesehen
haben.
(Dorothee Wenner in taz vom 22. 12. 2005)
Carmen
... ist der Titel und die Hauptfigur in einer Novelle von
Prosper Mérimée. Der Stoff wurde danach immer wieder
aufgegriffen, zum Beispiel:
- 1875 in einer Oper von Georges Bizet, siehe Carmen (Oper)
- 1971 in einem Ballett von John Cranko,
- 1981 in einem Comic von Georges Pichard,
- 2006 in einem Hörbuch von Helmut Hafner aus dem
Wiener Theaterlabor,
in einer Reihe von Verfilmungen:
- 1918: Carmen (1918), ein Stummfilm von Ernst Lubitsch
aus dem Jahre 1918 mit Pola Negri, Harry Liedtke und
Leopold von Ledebour
- 1954: Carmen Jones amerikanische Verfilmung durch
Otto Preminger
- 1983: Carmen (1983), Film von Carlos Saura
- 1984: Carmen (1984), Opernverfilmung Francesco Rosi
- 2004: U-Carmen ekhayelitsha, südafrikanischer Film
von Mark Dornford-May
(http://de.wikipedia.org/wiki/Carmen)
Die Stadt
Khayelitsha/Kapstadt (Südafrika) – Partnerschaft seit 1999
Das Welthaus Aachen initiierte 1999 im Rahmen des
Aachen-Agenda-21-Prozesses eine Nord-Süd-Partnerschaft
mit KERIC (Khayelitsha Education Resource and Information
Centre), einem Zentrum für Erziehung, Umwelt und Gemeinwesenentwicklung. Der Rat der Stadt Aachen stimmte dem
grundsätzlich zu, und im Juni 2000 unterzeichneten die
Städte Aachen und Tygerberg eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit, das „Memorandum of understanding“.
Die Partnerschaft zwischen dem Welthaus und KERIC bot
sich an, weil beide Organisationen Umwelt, Entwicklung und
Soziales als zentrale Themen behandeln und so in das breite
Spektrum des Agenda-Prozesses eingebettet sind.
Khayelitsha in Fakten
1996 wurden verschiedene Ortschaften im Osten Kapstadts,
darunter Khayelitsha, zur Stadt Tygerberg zusammengefasst.
Die Stadt Tygerberg ist damit eine der jüngsten Städte
weltweit. Tygerberg gehört zur Cape Metropolitan Area
(Großraum Kapstadt) und hat etwa 1,2 Millionen Einwohner. Die Stadt fasst verschiedene eher ländliche Gegenden
im Norden und ärmere Gebiete wie Khayelitsha im Süden
zusammen.
Khayelitsha ist mit rund 500 000 Einwohnern das größte
Township in der Provinz Kapstadt.
2000 wurde Tygerberg im Zuge einer weiteren Verwaltungsreform in die Stadt Kapstadt eingegliedert.
Zur Kooperation
Durch das Engagement der beiden Städte und anderer
Mitunterzeichner sollen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik,
Verwaltung und Initiativen in einen gemeinsamen Prozess
für zukunftsfähige Stadtentwicklung im Norden wie im
Süden zusammengeführt werden.
Austauschprojekte Aachen-Kthayelitsha
Als sichtbares Zeichen für den Nord-Süd-Dialog wurde eine
Wandmalaktion in Aachen durchgeführt. Im September
2000 gestalteten der Künstler Xholile Mtakatya aus Khayelitsha und die Aachener Künstlerinnen Uta Göbel-Groß und
Brele Scholz eine Wand des Bunkers an der Sandkaulstraße.
Im Gegenzug reisten die beiden Aachener Künstlerinnen
Ende 2001 nach Tygerberg, um in Zusammenarbeit mit den
Künstlerkollegen Loyiso Qanya und Thulani Shuku die
Gestaltung einer Wand des Desmond-Tutu-Center in Khayelitsha umzusetzen.
Diese Aktion war Teil der weltweiten Wandmalkampagne
„Mural Global“ zur Agenda 21, die durch die Zusammenarbeit von Künstlern aus verschiedenen Teilen der Welt kulturelle Vielfalt und interkulturelle Verständigung anschaulich
macht.
Im Juni 2003 besuchte der Künstler Thulani Shuku aus
Khayelitsha im Rahmen eines Austauschprojektes Aachen
und beteiligte sich an mehreren Projekten (Wandbild am
INDA-Gymnasium mit Beteiligung von Schülern aus Deutschland und Südafrika, SWAPs-Symposium mit Künstlern aus
Belgien, Deutschland und den Niederlanden, Workshop am
Ludwig Forum).
(Bundesverbandes bildender Künstlerinnen und Künstler BBK)
http://www.bbk-aachen.de/ger/par_khayelitsha.php
Die Website zur Partnerschaft:
http://www.aachen-kapstadt.de
Die nächsten VHS-Filme
30. Oktober 2006
Licht meiner Augen/Luce dei miei occhi
Italien 2001
Regie: Giuseppe Piccione
Mit: Sandra Ceccarelli, Luigi lo Cascio
6. November 2006
Das Badehaus/Xizhao
VR China 1999
OmU
Regie: Zhang Yimou
13. November
Karakter
Niederlande 1997
Regie: Mike van Diem
Mit: Jan Decleir
20. November
Jahreszeit des Glücks/Stisti
Tschechien 2005
Regie: Bodhan Slama
Goldene Muschel für den besten Film
27. November
The Good Thief
Frankreich, Großbritannien, Kanada 2003
Regie: Neil Jordan
Musik: Elliot Goldentahl
4. Dezember
Geh und Lebe/Va, vie et deviens
Frankreich, Israel 2004
Regie: Radu Mihaileanu
Mit: Nick Nolte, Emir Kusturica
OmU
114 Minuten
94 Minuten
DF
125 Minuten
16. November 2006, 18.30 Uhr
Nicht nur „Der dritte Mann“ –
das englische Kino der Nachkriegszeit
OmU
100 Minuten
DF
108 Minuten
Langer Abend
mit Uwe Appelbe
OmU
144 Minuten
11. Dezember
Amadeus – Director’s cut
USA 1984/2001
DF
Regie: Milos Forman
180 Minuten
Mit: Murray Abraham
Achtung: Wegen Überlänge beginnt dieser Film um 19 Uhr
jeweils montags 20 Uhr im Apollo Kino, Pontstraße 141-149
Information: www.filmwelten.net
oder Volkshochschule Aachen, Telefon 0241/47 92-150
Volkshochschule Aachen
Das Weiterbildungszentrum
Donnerstag, 16. November 2006
18.30-21.45 Uhr
7,-/5,- €
Volkshochschule Aachen
Peterstraße 21-25, Raum 314