Die Grenzen des römischen Imperiums - Homepage.ruhr-uni

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Die Grenzen des römischen Imperiums - Homepage.ruhr-uni
Ruhr-Universität Bochum
Institut für Archäologische Wissenschaften
Seminar: Einführung in die Provinzialrömische Archäologie
Sommersemester 2012
Dozent: Dr. Norbert Hanel
Referenten: Anna Hoffmann,
Alexandra Südkamp
Die Grenzen des römischen Imperiums
Limites an der nördlichen Grenze zu Germanien:
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Niedergermanischer Limes beginnt an Nordseeküste
Obergermanisch-Rätischer Limes folgt im Anschluss, geht durch Süddeutschland
Odenwaldlimes
Norischer Limes an Donau entlang durch heutiges Ober- und Niederösterreich
Pannonischer Limes schloss an norischen in Ungarn an  zusammen Donau-Limes
Dakischer Limes durch Rumänien
Mösischer Limes (beendet nördliche Limesgrenze am Schwarzen Meer)
Ausdehnung des Imperiums
- begann mit Siedlung am Tiber 753 v. Chr.
- innerhalb von 600 Jahren Imperium von fünf Millionen Quadratmetern aufgebaut
- zu Zeiten seiner größten Ausdehnung (ugf. Anfang/ Mitte d. 2 Jh.) umfasste es: den gesamten Mittelmeerraum
mit Kleinasien, Palästina, Nordafrika und der iberischen Halbinsel, das heutige England, Frankreich,
Süddeutschland, Österreich und die Balkanstaaten einschließlich Rumäniens
- größte Ausdehnung unter Kaiser Augustus
- Außengrenzen gesichert. Natürliche Grenzlinien wie Flüsse + wo keine waren: Limites.
- Grenzeinrichtung/-markierung militärischen Charakter da römische Truppen direkt an Grenze verlagert.
Zweck: Grenzlinie überwachen
- Land jenseits des Reichs: „barbaricum“ (nach römischer Vorstellung von Barbaren bewohnt)
Grenzverständnis
- ursprüngliche Bedeutung: Weg, Besitzgrenze, Schneise
- Limes für Römer offener Weg für Truppen, nicht wie im heutigen Sinne „Staatsgrenze“
- für Römer endete Imperium erst dort, wo das Reich/der Kaiser keinen Einfluss mehr nahm
- zwischen Worten Ciceros und Bau des erstem Limes liegen 150 Jahre  Eingeständnis, dass Römer an
Grenzen ihrer Macht gekommen waren
- dennoch verstanden Römer Limes nie als undurchdringliches Grenzsystem oder Wehranlage zur Verteidigung
gegen Anstürmende feindliche Völker, dazu Bauwerke und Stärke der Besatzung zu schwach  eher als
überwachte Grenzlinie und Demarkationslinie
- Funktion: nahe gelegene Legionen in Kastellen konnten frühzeitig von Turmbesatzung durch Feuer-, Rauchoder Hornsignale vor feindlichen Eindringlingen und Plünderern gewarnt werden, sodass diese angemessene
Gegenmaßnahmen einleiten konnten
 neben Abgrenzung der unterschiedlichen Rechtszustände und Wirtschaftsräume diente Limes auch dazu
durch Sperranlagen an den Grenzen Handelsströme + Bevölkerungsbewegungen auf ganz bestimmte
Limesdurchgänge leiten  je nach Bedarf kontrollieren u. Zölle + Ausfuhrsteuern erheben
 dienten also alle vorrangig der Kontrolle des alltäglichen Geschehens, nicht militärischem Zweck
Der obergermanisch-raetische Limes
- Grenze d. röm. Reiches zw. Rhein u. Donau insg. von den Städten Bonn bis Passau in Süddeutschland; entstand
in rund 75 jährigem Prozess (nicht gleichzeitig)
- angrenzende Provinzen Raetia (Rätien) und Germania Superior (Obergermanien)
- ab Mitte d. 2. Jh. 550 km lang + gilt als größtes arch. Bodendenkmal mit 100 Kastellen + 900 Wachtturmstellen
Geschichte
Geschichte des OL erst ca. 83 - 85 n. Chr. zu Zeit d. Chattenkriege unter Kaiser Domitian
- Römer brauchten Gegenmaßnahmen gegen Guerillataktik der Germanen (= viele nadelstichartige Operationen)
 R. schlugen Schneisen in dichte Taunuswälder um Truppen kurzweilig aufzuhalten
(wird heute oft als erster Limes gedeutet)
- Allemanneneinfall 233  durchbrechen raetischen Limes im Osten Bayerns und zerstörten Kastelle  führte
zur Rückkehr der Grenzlinien an Rhein und Donau
Ausbauphasen
(1) Ende 1 Jh. Patrouillenweg mit Holztürmen
(2) seit 120 n. C. durchgehend hölzerne Palisadenwand
vor Patrouillenweg errichtet
(3) um 170 Holztürme durch Steintürme ersetzt
(4) in Obergermanien: ende 2, Anfang 3 Jh.
Verstärkung der Grenze durch Wall mit vorgelagertem
Graben vor den Palisaden  in Rätien: Entwicklung
mit zeitlicher Verschiebung u. nur letzte Ausbauphase
anders:
- Anstelle von Wall und Graben durchgehende etwa 3m
hohe und 1 m dicke Steinmauer, worin
Steintürme
eingebunden
Grenzanlagen
Palisaden: Eichenpfähle mit gerade abgesägten Enden (durch Ankohlen haltbar gemacht)
 In schmales Pfostengräbchen gestellt + mit Steinen verkeilt (abgeflachte Seite zeigte nach außen)
 Auf Innenseite zusätzlich Querriegel zur Stabilisierung
 Haben trotz konservierenden Maßnahmen nur 30 – 40 J. gehalten (Holz über Boden schnell
abgefault)
Graben: 8 m breit, 2 m tief, dahinter: aus Aushub aufgeschütteter Wall
Wachttürme: 5-8 m breit, mehr als 9 m hoch, 3 Stockwerke
 heller Kalkverputz mit rotem Fugenstrich an den Außenwänden täuschte Quadermauerwerk vor  ließ
mächtiger erscheinen + in Nacht sichtbar; je Turm 4-5 Mann
Anfangs in Fachwerk mit massivem Untergeschoss; Mitte 2. Jh.: Steintürme
UG: Vorratsraum; Zwischengeschoss: Eingang * Aufenthaltsraum; OG: Wachtstube mit Galerie
Erschließung
Mit Hilfe von Groma neues Gebiet erschlossen (= Mischung aus Lot und Visierkreuz mit dem Römer rechte
Winkel festlegen konnten)
Niedergermanischer Limes
Obergermanisch-Raetischer Limes
Der Niedergermanische Limes
-Ost- und Nordgrenze des Verwaltungsgebiets später der Provinz Germania inferior zum freien Germanien
zwischen Vinxtbach und Katwijk (NL)Flusslimes, d.h. keine/kaum vorhandene Befestigung,
-Fluss als Grenzelement (ripa)
Geschichte
- Allg. bekannt: Eroberungen im gallischen Raum unter Caesar (De bello gallico)
- 15/16 v. Chr. Lollius-Niederlage, Entstehung einer ersten Rheingrenze
- 9 n. Chr. Niederlage Roms in der Varusschlacht , stellt rechtsrheinische Eroberungen Roms infrage
- 11/12 n. Chr. Gründung des Militäbezirks exercitus germanicus inferior
- Entwicklung einer defensiv ausgerichteten Rheingrenze
- Unter Claudius: Verstärkung der Grenze
- 68/69: Civilisaufstand, angeblich Zerstörung aller Lager (Tacitus, archäologischer Befund)
- Unter Vespasian: Reorganisation der Grenze, Wiederaufbau der Lager, Ausbesserungen, Neugründungen,
Aufstockung der Grenzlegionen und Hilfstruppen
- Unter Domitian (85): Einrichtung der Provinz Germania Inferior
- 1. – 3. Jh.: Abzug von Legionen, relativ friedliche Zeit
- 3. Jh. n. Chr.: starke Frankeneinfälle, gleichzeitig Krise des Imperiums (wirtsch. Probleme, innere Unruhen,
Regierungswechsel, Usurpationen, Rebellionen,…)
- 259-270: Gallisches Sonderkaisertum
- Danach schwere Germaneneinfälle, Verwüstung weiter Teile Galliens, Durchbrechung des NL
- Erst unter Diokletian (284): Wiederherstellung der Ordnung, Neuordnung der Grenze , auf lange Sicht bleibt
die Sicherheit der Grenze jedoch gefährdet!
Grenzanlage
- Rhein als Grenzlinie: natürliches Annäherungshindernis, sichere Grenze, wichtige Verkehrsader
Limesstraße (via militaris): Begonnen im frühen 1. Jh. n. Chr. (Dendrodaten), unter Claudius erste Meilensteine,
feste Straßendecke zwischen CONFLUENTES/Koblenz und BATAVODURUM/Nijmegen)
- Türme: Wachttürme sind nachgewiesen in Neuss-Grimlinghausen, Duisburg-Berl, Vleuten, wahrscheinlich
existierten noch mehr Türme!
- Kanäle und Häfen: Zur besseren Überwachung des Rhein-Maas-Delta
Wichtigste Kanäle: fossa drusiana, fossa corbulonis
Häfen z.B. Köln-Alteburg, Bonn, Königswinter, Quartiere der Rheinflotte
- Brücken: Nutzung bestehender Rhein- und Maasübergänge bei Utrecht, Katwijk; Brücken in Xanten, Bonn,
Venlo-Blerick
Leben am Limes
Römer: Soldaten in Kastellen; Zivilbevölkerung zieht mit ins dünn besiedelte Land (Familie, Händler,
Handwerker, Dienstleister…) ->Aufsiedlung der weiteren Umgebung der Kastelle; Entstehung von villae
rusticae; Entstehung von vici – Leben unterscheidet sich nicht wesentlich von dem in anderen Regionen des
Imperiums, stark von römischer Lebensweise und Kultur geprägt, relativer Wohlstand/Prosperität (Soldaten als
Wirtschaftskraft):
Nach Verlassen der Kastelle bleiben vici häufig weiter bestehen/wachsen zu satdtähnlichen Siedlungen(z.B.
ARAE FLAVIAE/Rottweil), das Bleiben der römischen Bevölkerung trägt zur Romanisierung des Gebiets bei.
- Benefiziarierstationen (besonders am obergerm. Limes, z.B. Osterburken)
- Germanen: Einige germanische Siedlungen nur wenige Kilometer vom Limes entfernt (mit röm. Billigung
->Pufferzone), Aufgehen z.B. der Neckarsueben und Oberrheingermanen (nach Umsiedlung?) in der
Provinzbevölkerung
Grenzkontakte
Nutzung des rechtsrhein. Vorlands durch röm. Soldaten
(„unbewohntes und für den Gebrauch von Soldaten
ausgewiesenes“ Gebiet) – z.B. Aquädukte zum
Wassertransport, Steinbrüche (z.B. Drachenfels bei
Königswinter), Weideland
reger wirtsch.Verkehr: römische Funde in germanischen
Siedlungen, germanische Funde in römischen Siedlungen,
grenzübergreifender Handel mit wichtigen Rohstoffen (Salz,
Holz)
friedliche Koexistenz von Germanen und Römern, besonders
im Bereich des südl. Obergermanisch-raetischen Limes
Limesdurchgang „Am Hopfengarten“ (Osterburken)
„Limesfall“
Gibt es nicht, ist ein über Jahrzehnte andauernder Prozess!
- Häufung germanischer Überfälle im 3. Jh. (275 größter Frankeneinfall)
- 284 unter Diocletian: Neuordnung der Grenzen, danach aber immer noch schwere Einfälle, Zerstörungen
- 3./4. Jh.: Erste germanische Ansiedlungen
Forschungsstand
- Wurde früher vor allem unter militärischen Gesichtspunkten untersucht, heute rücken Aspekte der zivilen
Besiedlung, der Lebensbedingungen der Bevölkerung, des grenzübergreifenden Handelns in den Blickpunkt der
Forschung
- Insgesamt ergeben schriftliche Quellen und archäologische Befunde ein gesichertes, schlüssiges Bild;
zahlreiche Publikationen, Einrichtungen (z.B. Deutsche Limeskommission), Museen (z.B. Limesmuseum
Aalen), Wanderführer, …
- Obergermanisch-raetischer Limes, Hadrianswall, Antoninuswall seit 2005 UNESCO-Weltkulturerbe
Im Gegensatz dazu ist die Forschung an den Ost- und Südgrenzen (Syrien, Arabien, Afrika) nicht so weit
fortgeschritten, obwohl es auch hier umfangreiche schriftliche Quellen gibt.
Literatur
D. Baatz, Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau (1975).
T. Bechert/J. H. W. Willems (Hrsg.), Die römische Reichsgrenze von der Mosel bis zur Nordsee (Stuttgart
1995).
J. E. Bogaers/C.B. Rüger (Hrsg.), Der Niedergermanische Limes. Materialen zu seiner Geschichte (Köln 1974).
M. Kemkes/J. Scheuerbrandt/N. Willburger (Hrsg.), Am Rande des Imperiums. Der Limes. Grenze Roms zu den
Barbaren (Stuttgart 2002).
M. Klee, Grenzen des Imperiums. Leben am römischen Limes (Stuttgart 2006).
E. Schallmayer, Der Limes. Die Geschichte einer Grenze (München 2006).
Der römische Limes in Deutschland. Archäologie in Deutschland Sonderheft (Stuttgart 1992).