Ein Besuch mit viel britischem Humor

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Ein Besuch mit viel britischem Humor
Im Blickpunkt
FREITAG 23. Mai 2003
In einer schönen Hügellandschaft eingebettet liegt Llandrindod
Wells, die Partnerstadt von Bad Rappenau.
19
Hay-on-Wye gilt mit 39 Läden als Welt-Hauptstadt des
Secondhand-Buchhandels.
Partnerschaft
E
ine Delegation aus Bad
Rappenau war mit Oberbürgermeister Hans Heribert Blättgen vier Tage lang
Gast in der Partnerstadt
Llandrindod Wells. „Mit
vielen positiven Eindrücken“,
so der OB, und begeistert
von der Gastfreundschaft,
ging’s am Mittwoch zurück.
Texte und Bilder:
Ulrike Plapp-Schirmer
Ein Besuch mit viel britischem Humor
A
Stehen für gute Partnerschaft (von links): André Clement (Contrexéville), Keith Tampin (Llandrindod
Wells) und Hans Heribert Blättgen (Bad Rappenau).
Eva Goldfuß-Siedl unterhält sich angeregt mit Neville Clare im Museum „The
Judge’s Lodging“ in Presteigne.
drian Ott lebt seit Oktober vergangenen
Jahres in Llandrindod Wells. Im kommenden Jahr wird er im Nachbarort Builth
Wells sein Abitur machen. „An einer der besten Schulen von Wales“, betont er stolz. Am
ersten Abend ihres viertägigen Aufenthalts in
„Llandod“, wie der Ort bei den Einwohnern
heißt, stößt er zu der Delegation aus Bad Rappenau dazu. Der Town-Council hat zu einem
üppigen Mahl ins größte Hotel am Ort eingeladen. Nur noch wenige Tage ist Keith Tampin als Bürgermeister im Amt.
Der quirlige Londoner macht diesen Job
seit einem Jahr, wie vor ihm Ken Richards
und anschließend dessen Frau Sheila – und
nach ihm Derek Law. Sie alle repräsentieren
ihre Stadt ehrenamtlich, so will es die Verfassung. Höhepunkte seiner Amtszeit seien die
Besuche in Bad Rappenau und Contrexéville
gewesen, sagt Keith Tampin in seiner Begrüßung zu Oberbürgermeister Hans Heribert
Blättgen und dem französischen Kollegen
André Clement. Etwas von der dortigen Gastfreundschaft wolle man nun zurückgeben.
Umgekehrt lobt Blättgen ihn als „sehr guten
Repräsentanten seiner Stadt“.
Der Fotoreporter Ernie Husson hat Keith
Tampin zum Abschied als Skateboard-Fahrer
auf den Titel des „Brecon & Radnor Express’“
gebracht: mit kurzen Hosen, Turnschuhen,
Baseballmütze, Sonnenbrille und Amtskette.
„Mein Gemeinderat wird das nicht mögen“,
orakelt der neue Star gut gelaunt. Doch das
Bild ist ein gutes Beispiel für den legendären
Humor, mit dem sich die Briten leichtfüßig
dem Leben nähern.
Der gemeinsame Abend im Metropole ist
ein Wiedersehen für die einen, die sich bereits Freunde nennen, und ein Kennenlernen
für die anderen. Etwas über 20 Jahre alt ist die
Verbindung zwischen Bad Rappenau und
dem Kurort Contrexéville in den Vogesen.
Vor zehn Jahren machten die Franzosen ihre
Verbindung mit den Walisern perfekt. Etwa
genau so lange währt auch die Freundschaft
zwischen Bad Rappenau und Llandrindod
Wells, erzählt Theresia Kühne, die zweite
Vorsitzende des hiesigen Partnerschaftsfördervereins: Don Jones etwa kommt jedes
Jahr, um in Obergimpern den Fasching mit-
land. Doch das ist nicht der einzige Grund,
zufeiern; Peter Hulme, der das Fischen liebt,
warum es ihm auf der Insel gefällt. Die Menbezeichnet den Kraichgau als seine zweite
schen sind offen und freundlich. Adrian erHeimat. Im Rahmen der Heimattage 2001
zählt: „Am Samstag kommst du mit in den
wurde dort auch der Freundschaftsvertrag
Pub, hieß es gleich.“ Nein, er habe nicht bezwischen den Deutschen und den Briten unreut, gekommen zu sein. Wenn er die Schule
terzeichnet.
im kommenden Jahr verlässt, verfügt er über
Nicht viele Städte in Europa haben so ein
hervorragende Sprachkenntnisse und einen
Dreiecksverhältnis. Und so nimmt am AbAbschluss, der auch in Deutschland anerschieds-Austausch zu Ehren von Keith Tamkannt wird. Ab und zu schaut er bei Peter
pin auch eine fünfköpfige Delegation aus
Hulme in dessen Bilder-Laden „gleich um
Frankreich teil. Eine solche Verbindung lebt
die Ecke“ vorbei.
vor allem von der Begegnung. Das Fazit von
Stadtrat Volker Dörzbach: „Null Probleme
mit der Sprache. Die Waliser waren sehr
rücksichtsvoll.“ Und er sei froh, dass er
mitgekommen sei. Auf eigene Kosten, wie alle Mitglieder der
Delegation.
In allen drei Städten
diskutieren die Verantwortlichen, wie sie die
Partnerschaft stärker in
der Bevölkerung verankern können. Dass im Bereich der Jugend und auf
Vereinsebene mehr läuft,
wünschen sich Theresia
Kühne und Vorstandsmitglied Joachim Krüll. „Vor allem in den Stadtteilen fehlt es an Leuten, die sich engagieren
und andere motivieren.“ Immer wieder sind
sie auf der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten. Dabei profitierten vor allem Familien, deren
Kinder auf der Schule Englisch
Wer sich für die Bad Rapoder Französisch lernen. Ende
penauer
Partnerstadt
Oktober kommen die Dolau MixLlandrindod Wells in Watures unter Leitung von Marion
les interessiert, bekommt
Rowlatt und das Barber-Shopmehr Informationen im
Quartett unter Leitung von NeInternet
unter
ville Clare nach Bad Rappenau –
www.llandrindod.co.uk
Gastgeber können sich jetzt
oder bei der Tourist-Inforschon melden.
mation, The Old Town
Ein paar der Früchte, die die
Hall, Memorial Gardens,
Freundschaft bereits hervorgeLlandrindod
Wells,
bracht hat, erntet gerade Adrian
Powys LD1 5DL, Telefon
Ott. Kommenden Monat wird
0044 / 1597 / 822600.
Theresia Kühne ist zum fünften Mal
der 17-Jährige seinen Führerin Wales – und die gute Seele des
schein in Wales machen, genau
Partnerschaftsfördervereins.
ein Jahr früher als in Deutsch-
info info info
info info info
Natur und Kultur gehen in Wales eine ideale Partnerschaft ein
W
enn er im Urlaub gefragt werde, wo er
herkomme, erzählt Ken Richards, ehemaliger Bürgermeister von Llandrindod
Wells, folge auf seine Antwort „Wales“ fast
zwanghaft die nächste Frage: „Liegt das in
England ?“ Nein, Wales mit seiner Hauptstadt Cardiff liegt im Herzen Großbritanniens, hat zwei Millionen Einwohner und elf
Millionen Schafe. Wobei Schaf nicht gleich
Schaf ist, wie der Betreiber der Cambrian
Wollen Mill (Wollmühle) erklärt, bevor er
die Gäste aus Bad Rappenau und Contrexéville in seiner Fabrik in die Herstellung edler
Wollstoffe einweiht.
Llandrindod Wells ist mit seinen 5500 Einwohnern kleiner als die beiden Partnerstädte
auf dem Kontinent. Einen aktiven Kurbetrieb
gibt es dort seit Jahren nicht mehr. Aber etwas Tourismus und zahlreiche Sehenswürdigkeiten in der unmittelbaren Umgebung.
Eingebettet in eine faszinierend weite Landschaft mit vielen, vielen Weiden, die zum
Wandern einlädt und gute Erholung verspricht. Mitte August lebt in der Kleinstadt
das viktorianische Zeitalter wieder auf: mit
nahezu 40 000 Besuchern in neun Tagen.
25 Prozent der Bevölkerung spricht noch
Walisisch, eine keltische Sprache, die mit
dem Bretonischen verwandt ist. Peter Hulme
ärgert allerdings, dass Welsh in den Schulen
Pflichtfach ist. Die Kinder und Jugendlichen
sollten besser Deutsch oder Französisch lernen, meint er. In einem Land wie Großbritannien, das Teil der EU ist.
Es dauert keine zehn Minuten, bis man
weiß, dass die Queen im Rahmen ihres Kron-
jubiläums vergangenes Jahr einen Halt in
Dolau, etwa 15 Minuten entfernt, einlegte.
Mehrere Jahre hintereinander war der Haltepunkt des 170-Seelen-Dorfes der schönste
kleine Bahnhof im anglo-irischen Raum. Gepflegt wird er von einer Gruppe von Enthusiasten. Und noch ein anderes Hobby wird in
Dolau gepflegt: das des Glockenläutens.
Dienstagabends üben sechs Männer eine
Stunde lang unterschiedliche Stücke in der
örtlichen Kirche ein; sonntags bereichern sie
mit ihrer außergewöhnlichen Musik den
Gottesdienst. Absolut hörenswert.
Stolz ist Keith Tampin, Vorgänger des
brandneuen Bürgermeisters Derek Law, auch
auf die vielen Kultureinrichtungen in der
Mit dem Wasser
des Elan Valley
wird seit dem
19. Jahrhundert
der Großraum
Birmingham versorgt. Sehenswert sind die verschiedenen Staustufen. Die Ufer
sind ein Paradies
für Wanderer.
Nähe. Seine Besucher führt er in eines der
besten lokalen Museen Großbritanniens, in
das Judge’s Lodgings im nahen Presteigne.
Einem großen Haus, in dem Recht gesprochen wurde und das im 19. Jahrhundert als
eine der schönsten Unterkünfte eines britischen Richters galt. Eine Audio-Tour nimmt
den Gast liebevoll an die Hand. Er kann sich
als Advokat verkleiden und die Unterwäsche der Hausherrin aus einer Truhe fischen. Alles darf er berühren. Nur die Öllampen an den Wänden nicht, die durch ihren Duft und ihr flickerndes Licht eine authentische Stimmung schaffen.
Gegessen und getrunken wird beispielsweise in Dunkertons Cider Mill, wo die Portionen klein und teuer, aber excellent im
Geschmack sind und der Betreiber anschließend die Herstellung von Cider (Most) erklärt. Hay-on-Wye, eine weitere Sehenswürdigkeit, ist mit 39 Second-Hand-Buchläden
und Antiquariaten die Hauptstadt der Literatur. An diesem Wochenende findet das
jährliche Festival zum 16. Mal statt: Berühmte Schriftsteller geben sich in dem kleinen, idyllischen Ort die Klinke in die Hand.
Ein kleines Paradies sind die Stauseen und
Wälder im Elan Valley. Seit dem 19. Jahrhundert wird die englische Stadt Birmingham von dort aus mit Trinkwasser versorgt.
Besonders beeindruckend sind die Stauwehre mit ihren meterhohen Wasserfällen.
Kultur und Natur, so scheint es, sind in Wales üppig vorhanden. Ein Partnerschaftstreffen vermittelt da nur einen kleinen Ausschnitt. Aber es erleichtert den Einstieg.