Empathie, Tabubruch, Katharsis

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Empathie, Tabubruch, Katharsis
Masterthesis - schriftlich - 3. Februar 2015
Master of Arts in Design – Animation
Empathie, Tabubruch, Katharsis
Moderner Trickfilmhumor für Erwachsene
Jane Mumford
Hochschule Luzern, Design&Kunst
Dozierende: Jan Eckert, Fred Truniger
Mentor: Frank Hesse
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abbildungen Titelseite:
Oben Links: The Skeleton Dance (1929), Walt Disney, Still. Auf: <http://img3.wikia.nocookie.net/__cb20130619214827/disney/images/3/39/The_skeleton_dance_6large.jpg>, gespeichert am 23.12.2014
Oben Rechts: Ren & Stimpy (1991-96), NIckelodeon, Gif-Still. Auf: <http://3.bp.blogspot.com/-UJwwZoQzcLs/UzxTyXnmW1I/
AAAAAAAA4LI/6qy87JIR0VE/s1600/Ren%2526Stimpy_5.gif>, gespeichert am 30.1.2015
Unten Links: TripTank, «Pool Party» (2014), Comedy Central, Still. Auf: <http://payload245.cargocollective.
com/1/13/419751/7211135/Triptank_PoolPartyFullRes_102113%200-00-15-10.png>, gespeichert am 13.1.2015
Unten Rechts: South Park, «The Human CentiPad» (2011), Comedy Central, Still. Auf: <http://campblood.org/Newblog/wpcontent/uploads/2011/04/humanCentiPad.jpg>, gespeichert am 30.1.2015
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Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.
Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnlicher Form einer anderen
Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.
Datum: Luzern, den 3.2.2015
Unterschrift:
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INHALTSVERZEICHNIS
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Abstract
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1. Einführung
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2. Theorien zum Lachen
2.1 Lachen als Resultat eines kognitiven Prozesses
2.2 Lachen als Resultat eines emotionalen Prozesses
2.3 Empathie und Humor
2.4 Empathische Besonderheiten im Trickfilm
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3. Wahrnehmungsebenen im Trickfilm
3.1 Bildebene - Naturalismus und Abstarktion
3.2 Tonebene - «echt» oder «cartoony»
3.3 Narrativ-cinematographische Ebene - expect the unexpected
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4. Der Kriterienkatalog für die Analyse
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36
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5. Trickfilmbeispiele: die Analysen
5.1 South Park
5.2 Family Guy
5.3 TripTank
5.4 Zusammenfasung Trickfilmbeispiele
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6. Gegenüberstellung Trickfilm - Realfilm
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7. Schlussfolgerungen
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57
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63
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I Bibliographie
II Online-PDFs
III Filmographie
IV Internetnachweise
V Bildquellen
VI Bildquellen Annex
VII Glossar
VIII Trickfilmhumor - ein kurzer historischer Abriss
IX Stimmen zu Trickfilmhumor für Erwachsene
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«Humor is seen as a Key factor in interest and as an important attention device,
an important stylistic feature, as an element which affects ethos, and as an
important element in acceptance. Humor is seen as basic to entertainment value,
as a means of establishing audience polarity, as a strong weapon in attack and
defense - including reductio ad absurdum»
(Anderson 1972, S.2 )
Abstract
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit Trickfilmhumor. Der Humorstil vieler moderner Trickfilmserien für
Erwachsene ist oft von Schock und Tabubruch geprägt, sowohl in den grafischen Darstellungen als auch
auf inhaltlicher Ebene. Diese Art von Darstellungen und Handlungen lösen im Zuschauer kathartisches Lachen aus, welches sich aus der Lösung innerer Spannungen (psychologischer und dramaturgischer Natur)
sowie aus dem Schock eines Tabubruches ergibt. Trotz diesen schockierenden Elementen wissen Trickfilme
jedoch, die Sympathie des Zuschauer durch eine strategische Nutzung von empathischen Elementen und
Figuren aufrecht zu erhalten, was bei den populärsten Serien wie The Simpsons und South Park sicherlich
eine wichtige Zutat für ihr langjähriges Bestehen ist. Dazu werden auf formaler Ebene typisch trickfilmspezifische Eigenschaften eingesetzt, inhaltlich gibt es jedoch in Humorgenre und Humorstil erstaunlich wenige
Unterschiede zu modernen Realfilmcomedies. In einer Analyse verschiedener Beispiele von Trickfilm- und
Realfilmcomedy für Erwachsene wird untersucht, welche humoristischen und Mittel und welche Empathiestrategien tatsächlich noch dem Medium Trickfilm vorbehalten sind, und inwiefern sie den heute typischen
kathartischen Humorstil beeinflussen.
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1. Einführung
Abbildungen 1-3: Kontroverse moderne Trickfilmsitcoms: «Drawn Together», «Ugly Americans» und «Brickleberry» (v.l.n.r.)
Ausgsangslage
Trickfilme werden auch nach einem beinahe 100-Jährigen Bestehen vornehmlich als
Kindermedium wahrgenommen. Wenige Serien haben den Sprung zur Assoziation mit
erwachsenem Humor geschafft, darunter Familiensitcoms wie The Simpsons, Family
Guy und American Dad, oder gewagtere Serien wie Drawn Together, Ugly Americans und
Brickleberry (siehe obere Abbildungen).
Seit einiger Zeit beobachte ich mal aus kritischer Distanz, mal aus beteiligter Begeisterung, die Entwicklung von populären Comedyserien für Erwachsene hin zu expliziten Darstellungen und der (Über-)Benutzung des «Schock-Faktors». Fernsehserien gelten dann
als «18+» wenn sie die Entwicklung der jugendlichen Psyche gefährden indem sie etwa
Gewalt fördern, übermässig Angst erzeugen oder eine «sozialethische Disorientierung»
erschaffen (vgl. Wikipedia, 29.1.20151). Trickfilmhumor für Erwachsene scheint heute
genau solche Aspekte zu bevorzugen. Der Humor zeichnet sich durch explizite Darstellungen von Gewalt, Sexualität und tabuisierten Verhaltens aus. Da Trickfilme unbegrenzte
visuelle Möglichkeiten haben, wäre es naheliegend zu glauben, dass solche grenzwärtigen Tabuthemen und explizite Darstellungen für ihr Medium besonders geeignet wären.
Doch einen ebenso visuellen und tabubrechenden Humor finden wir in beliebten Realfilmcomedies und -sitcoms wie z.B. Little Britain, Key and Peele oder Workaholics (siehe
Abbildungen unten).
Abbildungen 4-6: Populäre moderne Sketchcomedyshows: «Little Britain», «Key&Peele» und «Workaholics» (v.l.n.r.)
1http://de.wikipedia.org/wiki/Freiwillige_Selbstkontrolle_Fernsehen
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Fragestellung
Wenn die Annahme stimmt, dass Trickfilme besonders gut geeignet sind, mit visuellen
Darstellungen schockieren zu können: mit welchen grundlegenden Trickfilm-affinen Attribut erreichen sie dies? Oder sind sie etwa gar nicht grundlegend besser dafür geeignet,
und folgen bloss dem humoristischen Trend einer Generation?
Hypothese
Ein Lachen, das einem Schock folgt, ist Freud’s psychoanalytischen Theorien zufolge eine
«Ersparung an Hemmungs- oder Unterdrückungsaufwand» (Freud, 1940, S.133). Ein erleichterndes, kathartisches Lachen, bei dem eine innere Hemmung oder die Unterdrückung eines tabuisierten Gedankens überwunden wurde. Trickfilme können durch ihre
klare visuelle Distanzierung zur Realität womöglich leichter und konsequenzloser solche
innere Barrieren überwinden, und uns mit ihnen diese mit-überwinden lassen. Gleichzeitig lassen sie Zuschauer als Projektionsfläche stärker mit den Trickfilmfiguren identifizieren. Je mehr wir uns in die Figuren einfühlen können, die kathartischen Aktionen
vollziehen, umso stärker auch der kathartische Effekt in uns selbst - also das reinigende
Gefühl, sich von einer inneren Spannung, die dem Einhalten eines Tabus entstemmt,
gelöst zu haben. Eine solche Gefühlskombination aus Befreiung, Erleichterung und Unterhaltung hat Suchtpotential - und vielleicht sind genau deshalb die expliziteren Serien
heute so populär.
Eingrenzung
Die derzeit populärsten Animationsserien für Erwachsene haben vieles gemeinsam: auf
der Tonebene die Gemeinsamkeit der Dialoglastigkeit, und auf der Bildebene den gezielt
reduzierten Animationsstil. Ich halte mich für meine Analyse an amerikanische Beispiele. Ihre Ausbreitung in der westlichen Medienlandschaft ist für mich ein Zeichen dafür,
dass ihr Humorstil nicht nur ländereigen ist, sondern ganze Generationen anzusprechen
scheint. Somit hoffe ich davon ausgehen zu können, dass diese Serien auch die grossflächigen Trends modernen Trickfilmhumors für Erwachsene repräsentieren.
Gliederung
Im folgenden Kapitel spreche ich zuerst über Theorien des Lachens (Kapitel 2.1 und
2.2), um dann die spezifischen Auslöser unseres Lachens im Bezug auf kathartischen
Humor im Trickfilm anzusprechen (Kapitel 2.3 und 2.4). Dabei interessiert mich die Frage, inwiefern Trickfilme auf die Empathie des Zuschauers angewiesen sind, und wie sie
diese für humoristische Zwecke nutzen.
In Kapitel 3 und 4 werde ich die Herleitung meiner Methode zur Analyse von Trickfilmbeispielen erläutern.
Analytisches Vorgehen
Die Beispielanalyse dient zur Überprüfung, ob Trickfilme tatsächlich trickfilmspezifische
Elemente für kathartische Witze einsetzen, und ob sie unsere Empathie auf andere Art
als Realfilmcomedies manipulieren.
Mit den oben erwähnten Auslösern kathartischen Lachens im Hinterkopf werde ich anhand von Beispielen versuchen, Tendenzen und Gemeinsamkeiten im Humor moderner
Trickfilmserien für Erwachsene festzustellen. Dazu werden die einzelnen Clips in Wirkungsebenen aufgeteilt (Bild, Ton und zeitlich-narrative Aspekte wie Schnitt, Erzählstil
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etc. siehe Kapitel 3) um die Einwirkung einer jeden Ebene auf einzelne kathartische
Momente zu eruireren. Für die detaillierte Analyse all dieser Ebenen nutze ich ein Amalgamat der GTVH (General Theory of Verbal Humor, siehe Kapitel 2.1) und eine von der
Kunstwissenschaftlerin Annie Gérin abgeleitete Methode, welche ein Kunstwerk Schicht
für Schicht, formal bis inhaltlich betrachtet und analysiert, um schlussendlich eine intrinsische Botschaft auszuformulieren (siehe Kapitel 4). Durch das Kapitel 5 hindurch werden Trickfilmbeispiele untersucht und schliesslich in Kapitel 6 einigen Realfilmbeispielen
für ausgewählte Vergleiche gegenübergestellt.
Die Schlussfolgerung in Kapitel 7 versucht schliesslich, aus den Analysen und Vergleichen eine allgemeine Beobachtung zu ziehen, welche sich auf die Entwicklung modernen
Trickfilmhumors für Erwachsene ausweiten lässt.
Relevanz
Als eher feinfühliger Teenager war ich schockiert und empört über Serien wie South Park,
als ich sie zum ersten Mal am Fernsehen sah. Heute aber bin ich ein grosser Fan des
kathartischen und gesellschaftskritischen Kerns der Serie, und bewundere sie wegen
genau den Elementen, die mich früher entsetzten. Die faszinierenden psychologischen
Zusammenhänge zwischen Katharsis, Humor und dem Trickfilmmedium besser kennen
zu lernen ist für mich perönlich auch darum eine grosse Bereicherung, da ich den längerfristigen Wunsch hege, mehr Satire in meine eigene Arbeit einfliessen zu lassen.
Diese Zusammenhänge sind aber auch allgemein für Trickfilmschaffende und Humoristen wichtig, um ihr Publikum zu erreichen - sei es als Autorenfilmemacherin das Kurzfilmpublikum, in der Animationsbranche ein Werbekunde und durch ihn ein grosses Fernsehpublikum, oder als Charakterdesignerin in einer Grossproduktion - da populärer Humor
wie eingangs beschrieben zur Zeit aus eben diesen schockierenden und doch unterhaltsamen Elementen besteht.
Für das breitere Spektrum von Design Research kann die Analyse von modernem Trickfilmhumor hoffentlich einen Beitrag leisten im grösseren Diskurs über Humortrends, den
gesellschaftlichen Umgang mit heiklen Themen und womöglich vom Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenenhumor.
Detaillierte Vergleiche zwischen einzelnen Trickfilmserien und -Kurzfilmen aus Perspektive einer Humorforschung sind mir während meiner Recherche keine über den Weg gelaufen, sehr wohl aber aesthetische und narrative Vergleiche. Meine Arbeit sehe ich aber
auch als Teil der grösseren aesthetischen Auseinandersetzung mit Trickfilmen, da in der
Analyse durchaus formale Gemeinsamkeiten in Bild- und Animationsstil und ihre Einwirkungen auf Humor, Empathie und Katharsis beschrieben werden. Somit hoffe ich, einen
spezifischen humorbezogenen, aber auch einen allgemeinen Beitrag zur Betrachtungsweise von modernem Trickfilmhumor für Erwachsene leisten zu können.
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2. Theorien zum Lachen
«[...] das Komische oder Lächerliche [ist] also immer die ungefährliche Verletzung
irgendeiner Norm» (Prütting 2013, 681)
Unser Lachen kann viele Ursachen haben. Man lacht wenn man gekitzelt wird, aus Spott und Schadenfreude, aber auch ob einer erfreulichen Überraschung. Es gibt keine Theorie, die von sich behaupten kann,
alle diese Lacharten mithilfe einer einzigen Formel erklären zu können, wohl aber Theorien, die grosse
Ursachenbereiche für Lachen abdecken. Da gibt es, um nur die am weitesten anerkannten Beispiele zu
nennen: die Inkongruenztheorie, die Bisoziations- oder Kipptheorie, die Distanztheorie, Energietheorie und
Superioritätstheorie2, (vgl. Müller-Kampel 2012, S.6) sowie die auf verbalen Humor spezialisierte GTVH (The
General Theory of Verbal Humor). Bei der Inkongruenztheorie und der Bisoziationstheorie gehen aktive kognitive Fähigkeiten dem Lachreflex voraus. Bei der Distanztheorie und Energietheorie wird hingegen unsere
nicht bewusst steuerbare emotionale Befindlichkeit durch die Narrative eines Witzes oder einer Situation
angesteuert und manipuliert, um unser Lachen auszulösen. Schauen wir uns beide Ursachen und ihre Funktionsweise genauer an.
2.1 Lachen als Resultat eines kognitiven Prozesses
Lachen als Fehlfunktion
Zu Beginn meiner Recherche in dieses Thema hat mich ein grundlegend biologischer Ansatz interessiert,
denn es schien mir, dass Lachen in den meisten Fällen von einem ähnlichen Überraschungs- oder Überforderungsmoment ausgelöst wird. Mathematisch-biologische Ansätze sehen den Lachreiz als physische
Reaktion auf einen Fehler im Prozess unserer Informationsverarbeitung. M. Suslov («Computational Sense
of Humor», 1992) postuliert und erklärt mithilfe von Variabeln relativ nachvollziehbar den Zusammenhang
zwischen Lachen und dem Prozess der «Ideenverwerfung», in der eine gefasste Meinung oder Erwartung
korrigiert werden muss.
Abbildung 7: Eine von der Autorin vereinfachte Grafik aus Suslov›s Arbeit (links) mit einer eigenen beigefügten zusammenfassenden Beschriftung
(rechts): ein stark vereinfachtes neuronales Grundmodell der menschlichen Wahrnehmung und Informationsverarbeitung.
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Auf diese werde ich allerdings nicht weiter eingehen, da es sich mehr um einen Hierarchie-Wiederherstellenden Affekt handelt als um
einen durch den Witz in Gang gesetzten kognitiven Prozess.
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Beim Wahrnehmen eines Äusseren Reizes (A) bilden sich Variationen (E) seiner möglichen Bedeutung. Bei
Punkt B ist diese Variantenbildung vorüber, weil die Kapazität des Hirns, parallele Möglichkeiten im operativen Gedächtnis bereitzuhalten, irgendwann erschöpft ist. Spätestens bei Punkt B wird A eine mögliche Bedeutung zugeteilt werden müssen, um als bewusster Gedanke nach D in unsere Verarbeitungszentrale weitergeleitet zu werden. Weil Menschen aber oft schon vor dem Ende aller möglichen Variationsbildungen eine
Assoziation verknüpfen wollen, wird ein Variationsstrang (hier E) bereits bei Punkt C getroffen und über B direkt ins Bewusstsein weitergeleitet. Falls sich dann durch nachträglich erhaltene Information herausstellen
würde, dass die Variante E’ korrekt war, muss dieser zu früh gewählte Strang nachträglich korrigiert werden.
Abbildung 8: Eine von der Autorin bearbeitete Version der Grafik aus Abb. 7. Ein neuer Informationszuschuss (A’) bestärkt die Gültigkeit des Strangs E’
und schiesst mit der bestätigten Bedeutungszuordnung E’D an der Verbindung ED vorbei. Der nunmehr irrelevante Punkt C muss aufgelöst werden.
Suslov postuliert, dass unser «Sinn für Humor» eher eine Fehlerentdeckungs- und Fehlerbehebungsinstanz
ist, die im Laufe unserer Evolution entstand, um schneller Information verarbeiten zu können. Wer schneller
Information aufnehmen kann, hat womöglich den Vorteil eines kritischen Reaktionsvorsprungs beim Eintreffen von Unvorhergesehenem - muss aber womöglich öfters seine schnell gemachte Annahme nachträglich
korrigieren. (frei nach Suslov 1992, S.7) Dieses Modell wurde anhand von klassischen Wortwitzen erstellt,
weshalb ich als nächstes auch eine populäre Theorie verbaler Witze vorstellen werde:
Inkongruenztheorie
Die Inkongruenztheorie sieht Lachen als direktes Resultat einer kognitiven Überraschung oder Überforderung. Geprägt von solch bekannten und unterschiedlichen Denkern wie Aristoteles, Beattie, Kant und Schopenhauer (Wikipedia, am 3.12.20143), ist sie ein Amalgamat verschiedener Auffassungen und Herleitungen. Arthur Schopenhauer (1788 - 1860) meint damit die Diskrepanz unserer Erwartungen an ein Konzept
und dem resultierenden entsprechenden Objekt in der Realität (Wikipedia, am 20.1.20154). James Beattie
(1735 - 1803) bezeichnet Lachen wiederum als Resultat der Erkenntnis eines Zusammenhangs zwischen
zwei unvereinbaren Gegensätzen (Titze, 2009, S.20). Eine Inkongruenz wahrzunehmen heisst auch immer,
ein Stück weit überrascht zu sein über den Fehler in unserer Erwartung und dem schlussendlich wahrgenommenen Resultat.
Abbildung 9: Eine von der Autorin bearbeitete Version der Grafik aus Abb. 7. Ein neuer Informationszuschuss (A’) lässt eine nicht in Betracht gezogene
Verknüpfung oder alternative Bedeutung entstehen, welche ausserhalb des Bereiches unserer Erwartungen (E-E’) liegt.
3http://plato.stanford.edu/entries/humor/#IncThe
4http://de.wikipedia.org/wiki/Witz
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Bisoziationstheorie
Es gibt aber auch den Überraschungsmoment beim Eintreten von etwas komplett unerwartetem, aber dennoch harmlosen (vgl. Stanford Encyclopedia of Humor, 27.1.20155) . Wenn dies aus der bisherigen inneren
Logik eines Systems vollkommen herausfällt, führt dies ebenfalls zu einem Lachen. Mit Suslov’s Modell
wäre es so erklärbar, dass nicht plötzlich ein Nebenstrang desselben Systems aktueller wird als ein bisheriger Strang. Vielmehr wird ein vollkommen neuer Wahrnehmungszweig mit seinen eigenen Verästelungen
über das bisher bearbeitete System gelegt. Dies ist eher einer Reizüberflutung als einer nachträglichen
Fehlerbehebung gleichzusetzen. Es darf sich aber um kein so fremdes System handeln, dass es überhaupt
nichts mehr mit dem vorangegangenen System zu tun hat. Im Humorkontext bestünde dabei die Gefahr,
dass nur Verwirrung resultieren würde. Wobei auch dies von Fall zu Fall variieren kann. Nützlich ist bei gewissen Humorformen, dass rhetorische Strategien schnell erkennbar sind. Wo also bereits die Erwartung
im Raum steht, dass eine Lösung zu einem Problem humoristisch geboten werden wird, so ist die Auflösung dieser Erwartung - selbst dann lustig anstatt verwirrend, wenn es aus einem komplett neuen System
kommt. Denn das übergeordnete System eines Witzes wird dadurch nicht gebrochen.
Abbildung 10: Eine von der Autorin bearbeitete Version der Grafik aus Abb. 7. Ein neuer Informationszuschuss (A’) aus einer völlig unerwarteten Richtung prallt auf eine bestehende Bedeutungsebene und bringt ein vollkommen neues System ins Spiel. Eine Verbindung zwischen den Reizen A und A’
herzustellen ist nicht möglich, denn die zwei Systeme haben keine gemeinsamen Verästelungen. Keine Varianten werden gebildet, womit B ausfällt.
Verbaler Humor
Zusätzlich zu den oben erwähnten Theorien gibt es noch eine allgemein anerkannte Theorie zur Funktionsweise von sprachlichem Humor im Allgemeinen: die General Theory of Verbal Humor (GTVH). Diese ist eine
detailierte, aktuelle und von Humorforschern anerkannte Methode zur Ermittlung von Humor in einem verbalen Witz oder einem witzigen Dialog. Die GTVH Analysemethode umfasst folgende Punkte:
(vgl. Attardo/Raskin 1993, S.2-3; Gérin 2013, S.13)
- Sprache (Language)
Grundelemente an Wörtern, Grammatik und Syntax, die fürs Verständnis relevant sind.
- Erzählstrategie (Narrative Strategy)
Die narrative Struktur des Witzes
(ist es z.B. ein Frage-Antwort Witz, eine Erzählung mit Schlusspointe, ein Stabreim usw.)
- Zielscheibe (Target):
Worüber macht sich der Witz lustig? Worüber wird gelacht?
- Ausgangslage (Situation):
Grundausstattung der Prämisse (welche Bauteile sind für das Gelingen des Witzes
notwendig? Dies kann eine Strasse sein, oder aber der Akt des Strassen-überquerens
selbst, ein Schuh, eine Gangart usw. )
- Logische Funktionsweise (Logical mechanism);
Die Art, mit der zwei Deutungsebenen des Witzes zusammengeführt werden (z.B. falsche
Analogien, Fehllogiken, Gegenüberstellungen usw.)
- Script Opposition (Inkongruenz der Deutungsebenen):
Wie unterscheiden sich die zwei Deutungsebenen voneinander? Wie stehen sie sich
gegenüber? (Hier müssen Widersprüche, Inkongruenzen oder Bisoziationen gefunden
werden. Unterschiede von zwei Deutungsebenen können ganz banal sein, wie z.B: möglich/unmöglich, sozialen Konventionen entsprechend/völlig unkonform)
5http://de.wikipedia.org/wiki/Bisoziation
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2.2 Lachen als Resultat eines emotionalen Prozesses
Die bisher erwähnten Theorien finden auf einer rein intellektueller Ebene statt. Die emotionale Nähe des
Zuschauers zum Geschehenen hat wenig Auswirkung auf das Gelingen eines Witzes, da es sich vornehmlich
um Gegenüberstellungen von Konzepten, Ideen, Vorstellungen und realen Objekten, Situationen und Resultaten handelte. Anders ist dies bei der Energie- und besonders in der Distanztheorie. Diese verlangen vom
Zuschauer ein Mindestmass an emotionaler Beteiligung und Empathie, um richtig zu funktionieren.
Energietheorie - Empathie und Katharsis
Die Energietheorie, im Englischen trefflicher «relief theory» (Befreiungstheorie) genannt (vgl. Wikipedia,
3.12.20146), beschreibt das Lösen einer Spannung als Ursache unseres Lachens. Es kann sich hierbei
um eine kathartische Lösung psychologischer Spannung handeln, wie Freud propagierte (vgl. Freud 1940,
S.133), aber auch durch den eigentlichen Schock des aulösenden Ereignis handeln, welches eine Überforderung des Hirns durch momentane Reizüberflutung verursacht. In der psychologischen Variante lösen
sich angestaute Aggressionen, unterdrückte Wünsche und verbotene Aussagen über Tabuthemen (in einem
sicheren Rahmen) von ihrer Anspannungsenergie. Aristoteles definiert Katharsis im Bezug auf Bühnenstücke und Dramen als seelische «Reinigung» von emotionalen Affekten des Zuschauers durch das Mit- und
Durchleben der starker Gefühlsregungen der beobachteten Schauspieler (vgl. Wikipedia, am 20.12.20147).
Das kathartische Lachen, welches bei Tabubruch oder dem Ausleben niederer Triebe (auch stellvertretend
durch die Beobachtung eines solchen Bruches), hervorgerufen wird, ist gemäss Philosoph und Soziolog Helmuth Plessner «Ausdruck einer Krise im Selbst- und Werteverhältnis einer Person [...], bei der es den Menschen
buchstäblich hin und her reisst.» (in Prütting 2013, S.41). Denn im Moment unserer Erleichterung von einer
unterdrückten Spannung müssen wir uns gleichzeitig auch eingestehen, dass wir diese unterdrückten Gefühle oder Triebe in uns trugen. Es wird uns eine unangenehme Wahrheit unseres Selbst vor Augen geführt,
das uns gleichzeitig überrascht und entsetzt.
Auch wenn unser Hirn eine gröbere Korrektur einer Annahme vornehmen muss (wie z.B. bei grossen bisoziativen Uneinigkeiten), war alle bisher geleistete Arbeit auf dem überholten neuronalen Strang vergeblich
(siehe z.B. wieder Abbildung 9), und eine ähnliche Überforderungsreaktion wie bei der oben genannten
Reizüberflutung bei einem Schock-Faktor kann ein Lachen auslösen Die Energietheorie kann also viele Arten des Entlastungs-, Entspannungs und Befreiungslachen erklären (vgl. Müller-Kampel 2012, S.6). Dieses
Lachen kann also im filmischen Kontext ganz einfach aus der simplen Lösung eines dramaturgischen Spannungsbogens oder aus dem erhofften Einsetzen einer erwarteten Handlung resultieren, oder durch das Aussprechen des sonst Verschwiegenen, aber auch durch unerwartete schockierende Bilder und Handlungen.
Distanztheorie - Sympathie und Spott
«[...] das Komische setzt, soll es voll wirken, etwas wie eine zeitweilige Anästhesie des Herzens voraus, es wendet sich an den reinen Intellekt.» (Bergson 1914, S.11)
Die Distanztheorie ist etwas schwummriger, da sie als Bestandteil verschiedener anderer Theorien zu finden
ist8. Es handelt sich wohl um ein Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz, zwischen Anteilnahme und
Gleichgültigkeit, zwischen Sympathie und Antipathie. Distanz kann in gewissen Fällen auch mit einem Gefühl
der Befremdlichkeit gleichgesetzt werden. Wo z.B. Nähe zur Identifikationsfigur verspürt wird, deren Hand-
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http://en.wikipedia.org/wiki/Theories_of_humor sowie http://plato.stanford.edu/entries/humor/#IncThe
7http://en.wikipedia.org/wiki/Catharsis
8
z.B. Bergson (1914), Freud (1940)
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Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
lungen uns aber gleichzeitig befremdlich vorkommen, kann Lachen als aggressives Verneinen der eigenen
Verbindung mit der Identifikationsfigur fungieren. Spott und hämisches Lachen fällt in diese Kategorie. Es
wird somit mehr ausgelacht, um «die Pechvögel und Peinlichen dieser Welt» (vgl. Müller-Kampel 2012, S.20)
hierarchisch von sich herabzusetzen, ihnen gleichzeitig aber (vor allem im filmischen Kontext) mit Interesse
weiter folgen zu können. Empathie wird zu Sympathie «herabgestuft», und worin sich diese zwei unterscheiden wird nun auch sogleich klargestellt.
2.3 Empathie und Humor
Obwohl es kein «normales Mass» an Empathie gibt, das man in einer bestimmten Situation empfindet, so
helfen uns bekannte soziale Konventionen und Normen bei der Definierung eines wenn nicht «normalen»,
dann zumindest erwarteten Verhaltens in gewissen Situationen. Soziale Konventionen diktieren uns nicht
nur, welche Gesprächsthemen welchen Situationen angemessen sind (während eines Jobinterviews vom
Tod der Grossmutter zu erzählen gilt nicht als angemessen), sondern auch wie wir auf gewisse Gesprächsthemen zu reagieren haben (bei einem Treffen mit Freunden wäre das vorherige Thema z.B. «normal», und
würde vom Freundeskreis zuallererst eine empathische Anteilnahme, eine Beileidsbekundung und Trost
verlangen). «Katharsis setzt [...] Betroffenheit voraus» (Prütting 2013, S.213), und betroffen sein bedeutet
für den Zuschauer eines filmischen Mediums eine emotionale Beteiligung am Geschehenen. Und diese
emotionale Beteiligung kann nur zum Zuge kommen, wenn man sich als Zuschauer in das Gesehene auch
hineinversetzen kann. Obwohl ich in verschiedenen Quellen verschiedenste Unterscheidungen und Vermischungen der folgenden zwei Begriffe fand, werde ich versuchen meine eigene Definition an die grössten
Gemeinsamkeiten der gefundenen Quellen anzugleichen:
Sympathie ist die Form von Mitgefühl, bei der man zwar den Gemütszustand eines anderen Lebewesens
erkennen kann, sich selbst aber nicht genauer mit dessen Lage auskennt oder sich unbedingt damit assoziert. Man kann oder will nicht aus eigener Erfahrung nachempfinden, was das andere Lebewesen gerade
durchmacht, wohl aber Gefühle wie Mitleid und Sorge und Zuneigung empfinden.
Empathie ist die direkte Mitleidenschaft, bei der man somatisch und emotional nachvollziehen kann, was
ein anderes Lebewesen gerade durchlebt. Eigene Erfahrungen und Empfindungen werden innerlich hervorgerufen, um den Zustand des anderen Lebewesens in sich selbst nachzufühlen und somit seine Situation
auch besser verstehen zu können. Man erlebt somit in ausgeprägten Fällen den Zustand eines Anderen
innerlich mit, als ob es der eigene Zustand wäre.
(vgl. Stueber 2008, Online, vgl. aber Wikipedia, am 25.1.20159)
Sympathie kann somit als Vorstufe zur Empathie betrachtet werden, wenn das Ziel die Auflösung der Grenze
zwischen Zuschauer und Akteur sein soll. Bei der Sympathie bleibt nämlich die Grenze zum eigenen «ich»
stärker intakt als bei der Empathie, wo eine Symbiose stattfindet. Sich in jemanden hineinversetzen ist sowohl emotional als auch somatisch möglich:
«Since the lived-body is our common existential ground of being in the
world, we can understand other bodies through our own bodies [...]. Hence
somatic empathy is a reflexive, prereflective form of participation or
feeling with others. lt is a basic process that does not ask for higher
cognitive hypothesis testing or inference-making.»
(Hanich 2011, S.107)
Besonders somatische Empathie hat in letzten Jahren grosse wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren.
In den 90ern wurde die Entdeckung der Spielgelneuronen und dem «Mirror-System» grosse Wichtigkeit im
9
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http://en.wikipedia.org/wiki/Sympathy und http://de.wikipedia.org/wiki/Sympathie
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Zusammenhang mit der menschlichen Lernfähigkeit und der Entwicklung von Sprache zugesprochen (vgl.
Wikipedia, am 28.1.201510). Es scheint ein ganzes System von Neuronen im Hirn zu geben, die sowohl bei
der eigenen Ausführung einer Aktion (z.B. das Aufheben eines Bleistifts vom Boden) als auch bei der Beobachtung einer solchen Aktion aktiviert werden. Dies würde das merkwürdige Phänomen erklären, dass man
durch das Lachen einer anderen Person selbst dann «angesteckt» werden kann, wenn man die Ursache ihres Lachens nicht kennt. Nun wird aber spekuliert, dass dieses System ebenfalls für unsere empathischen
Fähigkeiten verantwortlich ist (vgl. Wikipedia, am 28.1.201511).
«... these neurons can not only help simulate other people’s behavior but can be turned
’inward’—as it were—to create second-order representations or meta-representations of
your own earlier brain processes. This could be the neural basis of introspection, and of
the reciprocity of self awareness and other awareness.» (Ramachandran 2009, Weblog12)
Vermutungen über den Zusammenhang von Spiegelneuronen und mimetischer Empathie (Marsh/Ramachandran 2012; Hanich 2011) suggerieren, dass Zuschauer eines Bühnenstücks oder eines Films durch
stellvertretende Handelnde und Handlungen selbst eine ähnliche Katharsis, oder Befreiung von unterdrückten Emotionen, empfinden können als wenn sie selbst die Handlung unternommen hätten (vgl. Wikipedia,
am 29.1.201513).
Obwohl es für diese Annahme noch keine definitiven Beweise gibt, können eigene empirische Erfahrungen
durch dieses Phänomen erklärt werden. Dass man beim Trösten einer weinenden Person nicht nur die eigene Gesichtsmimik seiner Trauer anpasst, sondern sich auch innerlich in eine ernste Stimmung versetzt
um sich der Person gedanklich anzunähern, wäre dadurch erklärbar. Wer selbst Trauer erlebt hat, kennt
diesen Schmerz, und erkennt sich in der trauernden Person wieder. Erkennen wir uns allerdings in einem
negativ-konnotierten Charakterattribut einer fiktiven Figur wieder, könnte anstatt der gewünschten Empathie
ebensogut Empörung oder Entsetzen entstehen. Das schwierigste an kathartischem Humor ist wohl das
sorgfältige Abwägen zwischen Empathie und Gleichgültigkeit, Empörung und Belustigung.
Trickfilme müssen sich von Grund auf mit dem Thema Empathie
beschäftigen: ohne reale menschliche Darsteller müssen sie
bewusster über nachvollziehbare und nachfühlbare Handlungen,
Charakterzüge und Gefühle eine Brücke zum Zuschauer schlagen.
Zuschauer müssen sich genau wie im Realfilm ein Stück weit in
den handelnden Figuren wiedererkennen können und Anteil nehmen. Ist man im Moment einer möglichen Katharsis empathisch
unbeteiligt, sieht man die erscheckende oder unerwartete Handlung nur mit Sympathie - oder womöglich komplett gleichgültig,
was Zuschauer für kathartischen Humor unempfänglich macht.
Wie also nutzen Trickfilme ihr Medium um in Zuschauern Empathie zu wecken, damit kathartischer Humor funktioniert?
10http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegelneuron
11
Ebenda und http://en.wikipedia.org/wiki/Mirror_neuron
12http://edge.org/conversation/self-awareness-the-last-frontier
13http://en.wikipedia.org/wiki/Catharsis
17
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
2.4 Empathische Besonderheiten im Trickfilm
Trickfilme haben ihr prägendes Merkmal sogar in ihrem Namen eingebettet: es handelt sich um einen Trick.
Technische Mittel versuchen den Betrachter «auszutricksen» um ihm durch die Bild-, Ton- und narrative Abläufe vom Eigenleben dieser fiktiven Figuren zu überzeugen. Damit der Zuschauer seine Aufmerksamkeit
dieser Fiktion widmet, benötigt es einer gehörigen Portion «suspension of disbelief», also der Aufhebung
der Unglaubwürdigkeit - ein kritischer Moment, in dem der Zuschauer die gezeichneten oder modellierten
Figuren nicht nur als Zeichnungen oder Objekte sieht, sondern sich mit diesen Fantasiefiguren auseinanderzusetzen und Sympathien zu entwickeln beginnt. Dies bedeutet nicht, dass der Zuschauer gänzlich
vergessen muss, dass er einen Trickfilm schaut. Es bedeutet lediglich, dass er die fiktive Welt als kohärent wahrnimmt, mit inneren Zusammenhängen und Regeln, und dass er sich den Leiden, Wünschen und
Handlungen der darin agierenden Figuren auf gleiche Art empathisch zu widmen vermag, wie wenn es reale
Darsteller wären. Wie viele Regeln eine fiktive Welt brechen kann ohne ihre Kohärenz zu verlieren, ist stets
eine Gratwanderung. Ein amüsantes Beispiel dazu aus der Comic-Welt:
«Gary Larson [...] noted that readers wrote him [regarding his comic strip «The Far
Side»] to complain that a male mosquito referred to his job sucking blood when it is in
fact the females that drain blood, but that
the same readers accepted that the mosquitoes live in houses, wear clothes, and speak
English.» (Wikipedia, am 26.1.201514)
Abb. 11: In Cartoon Network›s Serie Cow and Chicken (1997-99) wird
das menschliche Verhalten der beiden «Geschwister» seltener in Frage
gestellt als die Tatsache, dass sie verschiedenen Spezies angehören.
Dass ein Zuschauer eine Situation (wie das Zitat sowie die Abbildung oben illustrieren) nicht sofort als unlogisch abstempelt, und somit für Humor unempfänglich ist, muss die Situation in eine für den Zuschauer
verständliche und bekannte Realität übersetzt werden. Erst dann kann man sich empathisch in die Geschehnisse hineinversetzen. Obwohl beim Realfilm eine fiktive Welt ebenso sehr davon abhängig ist, dass
der Zuschauer sie mit seiner eigenen erlebten Realität in Verbindung setzt, ist dieser Schritt bei Trickfilmen
auf viel grundlegender Ebene wichtig: denn sie sind offensichtlich geschaffen worden, und somit «nicht
echt», wohingegen im Realfilm von der «Echtheit» der Menschen als solche ausgegangen werden kann,
selbst wenn sie fiktive Figuren darstellen. Der Trickfilm ist stets eine Realitätsstufe weiter weggerückt als
der Realfilm, denn sein reines Erscheinungsbild benötigt bereits eine kognitive Übersetzung. Da der Unterschied zwischen naturalistisch und realistisch für die Analyse wichtig sein wird, hier eine kurze Definition
dieser Begriffe:
14http://en.wikipedia.org/wiki/Suspension_of_disbelief
18
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Realismus ist die Glaubwürdigkeit einer Handlung, die Realitätsnähe einer Situation oder eines Gespräches, in welches man sich empathisch hineinversetzen und nachvollziehen könnte, das man vielleicht auch
aus eigener Erfahrung kennt. Eine Situation ist dann realistisch, wenn sie auch von uns in der physischen,
von uns als Realität wahrgenommenen Welt stattfinden könnte (vgl. Florschütz, 23.1.201415).
Naturalismus ist die mimetische Nähe an der von Menschen erlebten Realität, und bezieht sich vielmehr
auf die realitätsnahe Darstellung von Figuren und Objekten, deren Bewegungen, oder der Echtheit der
Tonebene.
Eine naturalistische Figur kann sich also auch unrealistisch verhalten, und eine unnaturalistische FIgur kann
durchaus realistische Charakterzüge besitzen.
Abbildung 12 & 13: Thanksgiving bei Family Guy (links) und The Simpsons (rechts). Links ist die Szene zwar naturalistischer dargestellt (Farben, Details, Anatomie) aber gleichzeitig idyllischer. Die rechte Situation scheint - womöglich aus eigener Erfahrung
der Autorin bewertet - die realistischere Variante zu sein.
Trickfilmserien im klassischen Situationskomik- oder Sitcomformat erwecken in uns eine automatische Empathie, da wir Aspekte dieser Alltagssituationen meistens aus eigener Erfahrung kennen (Frühstücken, Familienausflüge, Arbeitsalltag usw...). Dieses Wiedererkennen unseres eigenen Schicksals in den Handlungen
ikonischer Figuren weckt Empathie. Gleichzeitig wirkt ein Wiedererkennen seiner Selbst in anderen Figuren
wie ein Erlösen von unserem Einzelschicksal, ein geteiltes Leid, und dies kann ebenfalls zu einem kathartischen Lachen aus Erleichterung dank dem geteilten Schicksal führen. Wir erkennen uns aber nicht nur in
Situationen von Trickfilmen wieder, sondern auch in Figuren. Scott McCloud sieht in der ikonischen Bildsprache von Cartoons (und somit auch Trickfilmen) den Schlüssel zur empathischen Verbindung:
«Die Sprache des Cartoons [ist] universell. Man könnte sagen, je cartoonhafter ein Gesicht
ist, desto mehr Menschen stellt es dar.»
(McCloud 1993, S.39)
Abb. 14: Scott McCloud sieht Abstraktion als eine Wahrnehmungserleichterung..
15http://www.uni-kiel.de/medien/empath.html
19
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
McCloud spricht von einer Konzentration auf bestimmte Details. Es scheint mir tatsächlich so, dass wir
im Laufe unseres Lebens viele Gefühlszuständen verschiedenster Individuen beobachten, sammeln und
daraus die gemeinsamen, reduzierten, vereinfachten Grundzüge (Mimik, Körpersprache und Stimmlage)
destillieren, die unser Grundvokabular an lesbaren Emotionen bilden (vgl. aber McCloud 1993, S.40-45).
Im «Gesicht» einer abstrahierten Trickfilmfigur sehen wir ebendiese Grundzüge eines Gefühls oder eines
inneren Zustandes: der Prototyp eines Gefühls. Es könnte also sein, dass wir mit abstrahierten Figuren viel
unabhängiger von Geschlecht und Alter (und Spezies) Empathie empfinden können, da sie innerhalb einer
Erzählung wie eine Variable für einen beliebigen Menschen funktionieren - oder einen beliebigen Zuschauer.
Solche Symbole wie Ikone muss man aber zuerst in etwas übersetzen, das man auf die eigene Realität und
das eigene Erleben der Welt anwenden kann. Man hat die Gemütszustände und die innere Logik einer Figur
somit mehr «aus sich heraus» erlebt, anstatt «vorgelebt bekommen».
Nachdem nun der Zusammenhang zwischen Empathie und Humor und Besonderheiten dieses Zusammenspiels im Trickfilm
erläutert wurden, können wir uns den verschiedenen formaleln
Aspekten eines Trickfilms widmen mit dem Ziel, wichtige Punkte
für die Analyse der Beispiele daraus ableiten zu können.
Zuerst möchte ich aber gerne noch darauf hinweisen, dass ich
im Rahmen meiner Recherche einen kurzen historischen Abriss
über Trickfilmhumor für Erwachsene erstellt habe. Viele Eigenschaften des heutigen Trickfilms in Bezug auf seinen Umgang
mit Humor und Empathie sind nämlich in erstaunlich frühen Beispielen aufzufinden, und haben massgeblich unsere Wahrnehmung dessen, was Trickfilme können und dürfen, beeinflusst.
Dies schien mir für meine persönliche Recherche wichtig genug,
um die Entdeckungen in ein strukturiertes Unterkapitel einzuarbeiten. Leider hätte dies den formalen Umfang dieser Arbeit
überdehnt, und so habe ich es im Annex untergebracht. Wenn
also jemand mehr wissen möchte zu den Fragen, welche humoristischen Stilmittel populäre Trickfilme in der Vergangenheit
verwendeten, und inwiefern sie sich in der Zeit seit ihrer Entstehung in den 20er Jahren in ihrer Nutzung von Empathie, Tabubruch und Katharsis verändert haben, so verweise ich gerne auf
Seite 69, Kapitel VIII.
20
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
3. Wahrnehmungsebenen im Trickfilm
Zu Beginn dieser Arbeit stellte ich die Frage, ob Trickfilme für kathartische Witze auch tatsächlich trickfilmspezifische Methoden anwenden. Um die Wahrnehmung solcher Methoden im Trickfilm zu erleichtern, folgen
einige Aspekte der Bild- und Tonebene, die für Empathie (und die resultierende Katharsis) wichtig sind. Maureen Furniss hat in ihrem Buch «Animation Aesthetics» (2013, S.146) einen spannenden Vergleich der zwei
Serien The Simpsons und King of the Hill unternommen, bei dem sie dem Einsatz von «limited Animation»
(sehr minimalistisch eingesetzter Animation zwecks Kostensparung) durch die grossflächige Betrachtung
allgemeiner aesthetischer Grundelemente, cinematographischen Mittel und Erzählstrategien nachgegangen
ist. Ihre gesamtheitliche Anayse bot viele Einsichten, und hat mich in meiner Intuition bestärkt, auch inhaltlich abstrakte Aspekte wie Humor in allen Ebenen der formalen Erscheinung sowie der Struktur zu suchen.
«Animation is, in theory, capable of showing anything visually. There is no scenario that
animation couldn’t depict, provided you had the right animator working on it.»
Felix Colgrave16
3.1 Die Bildebene - Naturalismus und Abstraktion
Abstraktion, Überzeichnung, Farbgebung, graphischer Stil und Animationsstil eines Trickfilms können - gewollt oder ungewollt - im Zuschauer Assoziationen wecken, die seine Erwartung an den Inhalt beeinflussen,
seine Empathie wecken und einen Vergleich mit unserer erlebten Wirklichkeit ermöglichen oder widerlegen.
Abb. 14: Kontrast pur: In der brutalen Kurzfilmserie Happy
Tree Friends (2006 a dato) erfahren die unnaturalistischen,
anthropomorphen Charaktere in kindlicher Bildsprache die
naturalistiche Einwirkung eines Baseballschlägers.
Der Abstraktionsgrad der Bildsprache ist eines der Hauptmerkmale von Trickfilmen. Eine stark vereinfachte
Figur kann einen Zuschauer auf andere Art empathisch ansteuern, als dies eine naturalistischere tut. Bei
einem starken Abstraktionsgrad werden sie verstärkt zu Platzhaltern und Projektionsflächen für die Identität
des Zuschauers (vgl. McCloud 1993, S.23) Ein naturalistisches Erscheinungsbild kann dafür eine stärkere
Katharsis auslösen, wenn wir einen Tabubruch auch somatisch nachfühlen können.
Farben, Formen und Linienführung lassen indes Assoziationen an bekannte Genres entstehen, die Zuschauer ebenfalls mit gewissen Erwartungen an Inhalt und soziale Konventionen verknüpfen (siehe Abb. 14 oben).
16
In einer persönlichen Korrespondenz vom 22.1.2015
21
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Der Animationsstil lässt, wie die Bildsprache auch, Erwartungen an den Naturalismus einer Geschichte
entstehen. Durch die Bewegungen der Figuren werden wir als Zuschauer besonders stark somatisch-empathisch angesprochen, oder aber daran erinnert, dass es sich um eine fiktive Welt handelt die anderen
physikalischen Regeln als den unseren gehorcht.
3.2 Die Tonebene - «echt» oder «cartoony»
Filmmusik («score») diente ursprünglich sowohl der fortwährenden Unterhaltung des Zuschauers als auch
der Betonung der Handlungen. Die offensichlichste humorvolle Nutzung von Musik ist sicherlich das starke
«Mickey-Mousing» (vgl. Wikipedia am 1.2.201517) in älteren Trickfilmen. Diese Technik kam besonders in
Gag-lastigen Geschichten zum Zug. Eine kathartische Wirkung ist ihr allerdings nicht zuzuschreiben, es sei
denn in kombination mit einer kathartischen Handlung.
Soundeffects im Sinne von «Foleys» - also der Nachvertonung eines animierten Objektes oder Handlung verstärken oder vermindern indes den Naturalismus einer Szene. Bei Vertonung durch ihr reales Pendant
erleichtern sie uns das somatische Empathisieren. Wie die Musik sind sie zwar selten alleine für eine
Katharsis verantwortlich, können eine solche Szene jedoch massgeblich mitgestalten, z.B. durch ein brutal
naturalistisches Geräusch in einer hoch abstrahierten Szene, oder eines unerwartet «cartoonesken» Soundeffects innerhalb einer ansonst eher naturalistischen Szene.
Dialoge sind - besonders in Serien - neben der Bildsprache wohl die wichtigsten Träger von Witzen und Humor. In der Evolution vom Stummfilm zum Tonfilm haben sowohl Realfilme als auch Trickfilme grosse Wandlungen in ihrer Genrebandbreite, ihrer narrativen Struktur, und möglicher Charaktertiefe erfahren. Sprechende Charaktere können innere Gemütszustände erläutern, Meinungen äussern, Fragen stellen, und können
dem Zuschauer so auf kognitiver Augenhöhe begegnen. Genauso wie es soziale Konventionen für Verhaltensweisen gibt, existieren Kommunikationsregeln für Sprache welche, innerhalb des Kulturkreises in dem
wir uns bewegen, für einen reibungslosen Informationsaustausch notwendig sind. Verbale Kommunikation
erfolgt durch Gesprächs- und Verhaltensregeln, die jedoch von allen Gesprächspartnern eingehalten werden
müssen. Paul Grice’s Überlegungen zur Logik von Unterhaltungen - genauer gesagt seinem Cooperative Principle - entnehme ich folgende vier Maxime verbaler Kommunikation:
Quantität: Ein Gesprächsbeitrag sollte so gehaltvoll sein, dass es dem unmittelbaren Gesprächsverlauf
dient. Nur so viel Information wiedergeben, wie verlangt ist,
Qualität: Keine Aussagen machen, die nicht ernst gemeint sind oder durch Beweise belegbar sind
Relation: Themenbezogen und sachdienlich antworten.
Manier: Mehrdeutige Aussagen vermeiden.
(übersetzt von Grice 1975, zit.n. Davies 2000, S.2)
Als Beispiel eines reibungslosen und trockenen Gesprächsverlaufs nennt die Sprachforscherin Shuqin Hu
folgendes Beispiel (Für Gender-Klischees beider Beispiele entschuldigt sich die Autorin im Voraus) :
«Husband: Where are the car keys?
Wife: They are on the table in the hall.»
(Hu 2012, S.2)
17
die starke Korrelation von Soundeffects und der Filmmusik, wie z.B. wenn alle durchgeführten Aktionen einer Figur im genauen Rhythmus der Musik erfolgen oder Soundeffects sowie Gefühlslagen von musikalischen Instrumenten illustrtiert werden.
http://en.wikipedia.org/wiki/Mickey_Mousing
22
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Witzige Dialoge können wir somit schnell durch ihre Abweichung von «effizienter Kommunikation» erkennen.
Das genaue Gegenteil davon wäre im folgenden Dialog der Serie The Simpsons enthalten. In dieser Situation
geht Marge ganz normal auf Homer zu, während er auf seinem altbewährten Sofa sitzt:
Marge: «Homer, I’ve gotten you the most important gift a man your age could get!»
Homer: «You’re having your boobs embiggened? You don’t have to, they’re fine
just the way they’ll be.»
(«Homer’s Colonoscopy» 2008)
Quantity: Homer beginnt Marge ausgiebig zu danken, anstatt ihre genauere Beschreibung abzuwarten.
Quality: Er widerspricht sich innerhalb desselben Satzes, indem er den Vorschlag als nicht notwendig ablehnt, aber den neuen Zustand als sicherlich eintretend im Futur I statt im Präsens dekliniert erwähnt.
Relation: Er kennt das Subjekt ihres angekündigten Geschenkes noch gar nicht, und sollte sich deswegen
eigentlich noch gar nicht äussern.
Manner: Sein Satz beginnt indem er das vermeintliche Angebot ablehnt, endet jedoch auf einer dankbaren
Annahme desselben.
Nicht nur was gesagt wird kann humoristisch genutzt werden, sondern auch wie es gesagt wird. Zum Beispiel mit stilisierter Sprache oder verstelleter Stimme.
Das Trickfilmmedium bietet eine breite Palette an «lustigen Stimmen», und sicherlich sind sie eines der
prominentesten Merkmale vieler Trickfilme. Sie dienen dem Humor ähnlich wie die Bildsprache auf grundlegender Ebene:
«[...] the unnatural voices of cartoon characters can be thought of as analogous to the
characters’ ’distorted’ and ’elastic’ bodies.» (Maureen Furniss 2014, S. 102)
Stimmen sind eine weitere Möglichkeit, das Naturalismus-/Abstraktionsspektrum zu beeinflussen. Innerhalb dieses Spektrums kann eine Stimme zudem Sympathie wecken (wenn eine Figur z.B: auf kindlich-naive
Art spricht) Antipathie wecken (z.B. mit einer irritierenden Tonlage) und auch ganz direkt Assoziationen wecken (wenn sie eine bekannte Sprecherstimme hat oder eine bekannte Figur nachzuahmen versucht).
Nun da die Ebenen Bild und Ton bereits behandelt wurden bleibt noch die genauere Betrachtung der Aspekte ihrer Synthese im zeitlichen Ablauf filmischer Medien.
3.3 Die narrative & cinematographische Ebene - expect the unexpected!
Abweichung von einem erwarteten Szenarium/Norm
Gefährliche Abweichung von einem erwarteten Szenarium Harmlose Abweichung von einem erwarteten Szenarium = eine Geschichte
= ein Thriller/Drama
= eine Komödie
Erzählstil
Narrative cinematographische Medien leben durch eine Aneinanderreihung von Sequenzen, Szenen und
Kameraeinstellungen. Die Wahl der Einstellungen, die mise-en-scène, das Erzähltempo und die Szenenfolge
sind alles kreative Entscheidungen, die dafür getroffen werden müssen. Viele Humorgenres18 weisen typische Einsätze ebendieser Aspekte auf. Das visuelle Zitieren von Realfilmgenres ist z.B. für viele Witze und
Parodien essentiell. Obwohl man annehmen kann, dass prozentual wenige Zuschauer über ein filmwissenschaftliches Hintergrundwissen verfügen, konsumieren doch die Meisten von ihnen genügend viele filmische
Medien, um ein empirisches «Gefühl» für die Normen gewisser Erzählstilen zu bekommen. Viele Zuschauer
können z.B. nicht nur eine gelungene Actionsequenz von einer weniger gut erzählten unterscheiden (selbst
18
Siehe dazu auf S.67 Kapitel VII, Glossar, für Erklärungen und einer Auflistung der für diese Arbeit relevanten Genres.
23
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
wenn sie die genaue Ursache dafür nicht benennen könnten) sondern auch eine Parodie derselben sofort
als solche erkennen. Brüche von Konventionen können auch im Bezug auf erzählerische Konventionen sehr
humoristisch eingesetzt werden.
Die Kameratechnik eines Trickfilmes kann sich entweder an cinematographischen Standards der Realspielfilmwelt orientieren (mit Schwenks, Kamerafahrten etc.) oder mit minimalem Aufwand wie vor einer Theaterbühne oder einem Puppenhaus stehen: statische frontale Totalaufnahmen. Letzteres ist in modernen Trickfilmcomedies die Norm geworden. Denn Schwenks, Kamerafahrten und das Bewegen der Kamera durch
den fiktiven Raum ist im Trickfilm ein sehr arbeitsintensiver Vorgang. Somit sind Trickfilmserien ähnlich
wie Realfilmsitcoms von frontalen Kameraeinstellungen und statischen Dialogen geprägt. Trickfilmserien
nutzen dies oft zu ihrem Vorteil, indem krasse Handlungen in «langweiligen» Einstellungen gezeigt werden,
oder vice versa.
Der Schnitt gestaltet ebenfalls den Erzählfluss und trägt massgeblich zum Timing von Witzen bei. Durch
den Schnitt von einer Szene zur Nächsten können spezifischen Momenten einer Erzählung Wichtigkeit verliehen oder negiert werden, was ebenfalls sehr nützlich sein kann im Umgang mit kathartischen Momenten
und dem Bruch von Konventionen.
Da nun die verschiedenen einen Trickfilm konstituierenden Ebenen einzeln angeschaut wurden, kann bald schon mit geschärften Sinn für humorrelevante Details in die Analyse eingetaucht
werden. Was noch fehlt ist die Erstellung eines geeigneten
Kriterienkataloges, nach dem die Beobachtungen strukturiert
zusammengefasst werden können. Es folgt eine Beschreibung
der Herleitung meiner Kriterienkataloges.
24
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
4. Der Kriterienkatalog für die Analyse
In Kapitel 2.1 (S.13) wurde bereits die General Theory of Verbal Humor (GTVH) mitsamt ihrer Analysepunkte erwähnt. Hier nochmals zur Erinnerung und zum darauf folgenden Vergleich die sechs Kriterien:
- Sprache (Language)
- Erzählstrategie (Narrative Strategy)
- Zielscheibe (Target)
- Ausgangslage (Situation)
- Logische Funktionsweise (Logical mechanism)
- Inkongruenz der Deutungsebenen (Script Opposition)
Obwohl die Anwendung der GTVH primär für die Analyse von Sprach- und Wortwitzen gedacht ist, eignet sie
sich ebenfalls als Ausgangslage für eine narrativ-inhaltliche Auseinandersetzung mit temporalen Medien.
Bei der Herleitung meines eigenen Kriterienkataloges fielen mir besonders viele Ähnlichkeiten der GTVH
mit der kunstwissenschaftlichen Herangehensweise von Annie Gérin auf, welche sich allerdings mit Humor in statischen Kunstwerken beschäftigt - wo überhaupt keine verbale Ebene vorkommt. In ihrem 2013
erschienenen Aufsatz, «Humor in the Visual Arts», analysiert Annie Gérin moderne Kunstwerke, die ein ironisch-subversives Humorpotential aufweisen. Dabei stützt sie sich auf verschiedene bestehende kunsthistorische, linguistische und humorwissenschaftliche Werke aus dem 20.Jahrhundert wie z.B. Panofsky und
Gombrich’s Arbeiten zur Ikonologie sowie ebenfalls Raskin und Attardo’s Aufsätze zu verbalem Humor. Somit
stellt ihre Analysemethode bereits eine Zusammenführung mehrerer Betrachtungsansätze dar, sowohl aus
der Kunstwelt als auch aus der perspektive der Humorforschung.
Gérin schläft konkret folgende zehn Kriterien vor:
- Prä-ikonographische Deskription
- Ikonographische Analyse
- Visueller Aspekt
- Inkongruenz
- Rhetorische Strategie
- «Target»
- Zielpublikum
- Präsentationskontext
- Künstler
- Ikonographische Interpretation/intrinsischer Inhalt
(vgl. Gérin 2013, S.14-15)
Sowohl Gérin’s Ansatz als auch die GTVH beinhalten eine Aufzählung von Grundelementen und arbeiten sich
über eine Ergründung der narrativ/rhetorischen Strategie zum Kern des Witzes vor (die Script Opposition bei
Attardo&Raskin oder der intrinsische Inhalt bei Gérin) der sich als unterschwellige oder direkte Botschaft
aus dem Gesamtpaket ergibt.
Die einzigen Elemente die noch fehlen, um dieses Analysetool auf Trickfilme anzuwenden, ist auf der Bildebene die Animation sowie der Aspekt der Filmmusik und Soundeffects auf der Tonebene. Ausgelassen habe
ich in meiner Analyse den Gérin’s Kriterium des Künstlers, da ich es für meine Zwecke nicht als notwendig
erachte und Zuschauer der Beispielserien selten von Hintergrundwissen zu den Schöpfern selbst profitieren, ausser dass sie mit der Zeit ihren spezifischen Humorstil zu schätzen lernen.
25
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Mein adaptiertes Modell zur Betrachtung von Filmsequenzen wird einige Themen gruppieren (wie Logische
Funktionsweise und Script Opposition19) und andere (formale Aspekte der Bild- und Tonebene) auffächern.
Dadurch können die Beispiele besser auf die Frage hin bearbeitet werden, ob sie besonders trickfilmspezifische Methoden in ihrem Einsatz von kathartischem Humor verwenden.
Kriterien
A - Deskription der Handlung
Primär sichtbarer Inhalt und Handlung wird beschrieben, Dialoge werden notiert.
B - Sozialer Kontext
Konventionen und Normen werden gesucht, und deren Einhaltung oder Bruch festgestellt.
C - Bildstil
Stil, Farbgebung und Materialität des Bildes werden betrachtet. Wie naturalistisch bzw. abstrakt sind die
Darstellungen? Welche Assoziationen werden geweckt?
D - Animationsstil
Die Animationstechnik wird bestimmt und Qualitäten wie Geschwindigkeit der Aktionen, Posenstärke und
Naturalismus/Überzeichnung genauer betrachtet.
E - Soundeffects und Musik
Wie viel Musik wird unterlegt, ist sie als eigenständiges Stück komponiert worden oder spezifisch für den
Trickfilm generiert? Tritt «mickey-mousing» auf, oder sind die Soundeffects realitätsnah?
F - Analyse der Dialoge und Stimmen
Wie wird Sprache stilistisch genutzt? Wie wichtig ist sie für das Verständnis der Witze? Sprechen die Charaktere mit natürlichen oder verstellten Stimmen?
G - Rhetorische Strategie / Erzählstil
Der übergreifende Humor- und Erzählstil wird definiert: Parodie, Groteske, Satire, Carnevalesche, Schwarzer
Humor...
H- Kamera/Schnitt/Montage
Timing, Erzählfluss, Schnitt und Schnittgeschwindigkeit werden betrachtet.
J - «Targets»/Zielscheiben des Spotts
Auf wen oder was wird im Witz gezielt, worüber wird gelacht? Besonders im Bezug auf «B» wichtig.
K - Präsentationskontext/Zielpublikum
Wiedergabemedium und Zielpublikum, für das ein Sketch oder eine ganze Show konzipiert wurde.
L - Vermittlung des intrinsischen Inhaltes
Was ist die Botschaft hinter dem Witz? Gibt es eine «Moral», welche durch die Katharsis vermittelt wird?
19
Zu denen auch im Artikel zu Ruch, Attardo & Raskin (Toward an Empirical Verification of the GTVH, 2009, S.4) vermerkt wird, dass sie in
Raskin’s erster Theorie, der SSTH (Semantic Script Theory of Humor), als zwei Aspekte desselben Attributs vereint waren.
26
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
5. Beispielanalyse
Witze zu reissen über tabuisierte Themen wie Krankheit, Tod, Gewalt, Sexualität, Religion oder Minderheiten
sind in modernen Trickfilmen für Erwachsene besonders häufig vertreten. Situationen mit einer hohen Anforderung an Selbstbeherrschung sowie rigide und unumgängliche soziale Konventionen sind gut geeignet
dafür, Zuschauer durch das Brechen all dieser inneren Spannungen in kathartisches Lachen zu versetzen.
Für die Analyse habe ich deshalb nur Beispiele gewählt, in denen ein Spitalbesuch thematisiert wird. Die
meisten von uns kennen solche Situationen aus eigener Erfahrung, und die wenigsten von uns empfinden
sie als angenehm oder entspannt. Wie die Regisseure dieser Sendungen mit dem Thema des Spitalbesuchs
umgegangen sind, und wo kathartische Momente eintreten, wird nun in der Analyse genauer untersucht.
Beispiele werden mithilfe der im letzten Kapitel aufgestellten Kriterienpunkte nach trickfilmspezifischen
Elementen untersucht, um danach ihre Wirkung auf und während der kathartischen Momente festzustellen.
1: South Park
Season 08 Episode 25:
«Cartman›s Incredible Gift»
http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift
Volle Länge Episode: 21:29
Totale Länge Clip: 01:10 min
2: Family Guy
Season 04 Episode 17:
«Fat Guy Strangler»
https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk
Volle Länge Episode: 30 min
Totale Länge Clip: 00:48 min
3: TripTank
Season 01 Episode 01:
Head, Shoulders, Knees and Toes
http://www.cc.com/video-clips/jtm9w1/triptank-head--shoulders--kneesand-toes
Volle Länge Episode: 22:00
Totale Länge Clip: 00:48 min
27
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Vor Beginn der Analyse möchte ich noch festhalten, dass mir bewusst ist, auf welch subjektives Terrain ich
mich mit einer Analyse von Humor begebe. Dieselbe Serie und dieselbe Szene kann und wird je nach UntersucherIn auf komplett gegensätzliche Art gelesen werden, je nach Betrachtungspuntke und persönlicher
Grundeinstellung. Dazu ein Beispiel einer Meinung aus der Essayveröffentlichung «Taking South Park Seriously», die eine komplett andere Meinung zum Einsatz von kathartischem Humor und Empathie in der Serie
South Park vertritt, als ich durch meine Analyse feststellen konnte:
«Fundamentally, what South Park trains its audience to do through this satire of corny morals is to rebuff sentiment and empathy. Emotional involvement is not encouraged on South Park: Not a single character in South Park elicits a complicated emotional reaction from the viewer. Indeed, through the portrayal of repeated
violent acts, the viewer becomes immune to the «reality» of this violence and is is
discouraged from registering any emotional reaction. What is produced instead
is a sort of free-floating, intense enjoyment of socially unacceptable behavior.»
(Weinstock 2008, S.33)
Falls einige Lesende mit den gewählten kathartischen Momenten oder meinen Erklärungen zur Funktionsweise von Humor und Empathie nicht einverstanden sind, so hoffe ich doch, dass sie meine Wahl durch
die dazugehörigen Beobachtungen, Begründungen und Schlussfolgerungen nachvollziehen können werden.
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Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Beispiel 1: South Park
Aus Season 08 Episode 25: «Cartman›s Incredible Gift»
http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift
Episodenlänge: 22 min
Totale Länge Clip: 01 min 35 s
BILDEBENE
TONEBENE
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
DIALOG: «And now again, one man›s
Ein runder Junge mit gebastelten Kar-
Parodie
vision ushers in a new era of aereo-
tonflügeln und Helm steht an der Kante
travel. Proving the power of imaginati-
eines Hausdaches und hält eine Rede.
FUNKTIONSWEISE: Inkongruenz
on and intellect. The magic of flight!»
zwischen dramatischer Inszenierung
und amateurhaftem Gebastel
MUSIK: orchestrales Crescendo
EMPATHIE: Die Rede soll in uns
Bewunderung und Respekt wecken
DIALOG: *kleines Ächzen*
Er springt - und fällt dumpf in den
HUMORTYP: Slapstick
MUSIK: -
Schnee.
FUNKTIONSWEISE: Erwartungsbruch:
Auflösung der angestauten Spannung
SOUNDFX: ein leiser, dumpfer, unspek-
ins Nichts. Erleichterungslachen.
takulärer Aufprall.
EMPATHIE: Beim realistischen Aufprall- und «Ächz»-Geräusch aktiviert
DIALOG: -
Die Menge ist baff, es herrscht
HUMORTYP: mechanische, regungs-
MUSIK: -
absolute Stille.
lose Starre der Kinder ist eine leichte
Übertreibung einer Schockreaktion
SOUNDFX: -
EMPATHIE: Wir sind am stummen
Schock der Kinder mitbeteiligt und es
drängt zu einer Reaktionshandlung
Schnitt zurück. Er regt sich nicht.
HUMORTYP:
DIALOG: -
FUNKTIONSWEISE: Repetition und
MUSIK: -
Zeitdehnung zur Steigerung des
Effektes.
SOUNDFX: -
EMPATHIE: Er scheint ernsthaft
verletzt zu sein und es drängt uns
innerlich weiter zu einer Handlung
SOUNDFX: Vögel beginnen wieder
Die Kinder verlassen unaufgeregt den
HUMORTYP: schwarzer Humor
leise zu zwitschern
Schauplatz, die Show ist vorbei.
FUNKTIONSWEISE: Inkongruenz
der erwarteten Reaktion und der
tatsächlich beobachteten Handlung.
Katharsis: Erleichterung über Bruch
der Stille/des Wartens.EMPATHIE:
Nur der Blonde bemerkt die Inkongru-
01:15
enz mit uns
KATHARSIS 1
SOUNDFX: Vogelgezwitscher
Nachdem Butters (der Blonde) entgeis-
HUMORTYP: schwarzer Humor
tert beobachtet, wie seine Freunde den
FUNKTIONSWEISE: Erwartungsbruch:
Platz verlassen, tut er›s ihnen gleich
- mit ebenfalls ruhiger, entspannter
Alltagsmiene.
Empathiefigur geht ebenfalls
EMPATHIE: Nun bleibt uns zur identifikation nur noch Cartman, der verletzt und verlassen am Boden liegt.
01:20
KATHARSIS 2
29
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
BILDEBENE
TONEBENE
MUSIK: Übergangsjingle
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
Schauplatzwechsel
Humor: Wortwitz im Spitalnamen
MUSIK: -
Schauplatzwechsel, Maschinen zur
Empathie: wir bemitleiden den
SOUNDFX: ein leises Piepsen der
Lebenserhaltung arbeiten vor sich hin.
kleinen Jungen, dessen Freunde ihn
SOUNDFX: -
im Schnee liegen liessen und der
Lebenserhaltungsgeräte
jetzt dermassen zerstört an so vielen
Maschinen angehängt ist.
SOUNDFX: das Piepsen geht weiter...
DIALOG:
Mutter: «Oh my God, Eric! Eric!
Cartman›s Mutter rennt an seine Seite,
Humor: Erwartungsbruch:. Statt einer
bückt sich über ihn und streichelt
Diagnose von Cartman›s physischem
seinen Kopf. Danach wendet sie sich
Zustand erklärt der Arzt das wirkliche
zum Arzt um ihn zu befragen.
Problem hinter dem Unfall.
Mummy›s here, sweetie. Oh what›s
Empathie: der Arzt reisst uns mit
wrong with him?»
01:29
KATHARSIS 3
seiner Begründung aus unserer
Arzt: «I›m afraid your son is... incredibly
Mitleidshaltung heraus in eine distan-
stupid.»
SOUNDFX: das Piepsen geht weiter...
zierte objektivere Wahrheit.
Der Arzt gibt ihr die «Diagnose»
Humor: der Unfall wird als Symptom
von Dummheit behandelt, wobei
DIALOG:
Dummheit eine ernst zu nehmende
Arzt: «He thought he could fly with card-
Krankheit ist. (traurig aber wahr...)
board wings. The stupidity is so severe
that it has caused a fall which has put
Empathie/Sympathie für die Mutter,
him into a deep coma.»
die sich dieses Urteil anhören muss.
Mutter: «Oh my god. For how long?»
Arzt: «There›s no telling. He may never
recover. We›ll just have to wait... and
see.»
MUSIK: ein Harfenglissando
Kamerafahrt nach oben und Harfenglis-
Humor: Inkongruenz unseres Mitleid
SOUNDFX: leises Piepsen der Lebens-
sando erinnern an das Aufsteigen der
für Cartman›s soeben betonter Eigen-
Seele aus dem Körper in den Himmel,
verantwortung und Dummheit.
dabei ist es ein musikalisches Intro für
Empathie: viel schwächer als zu
die folgende Sequenz:
Beginn der Szene.
Standbild
Humor:
erhaltungsgeräte
MUSIK: Chorgesang mit orchestraler
Begleitung:
Ein pathetischer Chor bricht durch die
«Seasons change , time passes by... as
Ruhe der letzten Szene und besingt
die Dauer der vom Arzt angekündete
the weeks become the months become
Wartezeit auf eine Besserung Cart-
the years.»
MUSIK: -
mans› Zustandes.
Kamera fährt langsam wieder die Wand
Humor: Inkongruenz: Cartman ist
hinunter bis wir einen bärtigen Cartman
immer noch gleich klein, aber dafür
im Bett liegend sehen, ohne die vielen
mit Bartwuchs.
lebenserhaltenden Maschinen.
Empathie: der Bart lässt uns glauben,
Cartman habe seine gesamte Jugend
im Spital im Koma verbringen müssen
30
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
BILDEBENE
TONEBENE
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
DIALOG: Cartman: *ächz*
Cartman erwacht aus seinem Koma.
Empathie: ein glücklicher, erleich-
Mutter: «Doctor, he›s awake!
Die Mutter freut sich, der Arzt eilt
terter Wiederbegegnungsmoment
Cartman: «Where am I?»
herbei.
zwischen Mutter und Sohn kann vom
Zuschauer nachempfunden werden.
Mutter: «You›ve finally come back, it›s
a miracle!»
MUSIK: sanfte Klavierbegleitung
DIALOG:
Schauplatzwechsel, Maschinen zur
Humor: Die übertriebene Ernsthaf-
Arzt: «You›re at the hospital, Eric.
Lebenserhaltung arbeiten vor sich hin
tigkeit des Dialoges wird gebrochen
You›ve been in a coma for some time.»
durch die undramatische Zeitangabe.
Cartman: «Coma? How long?»
Anfang der Erleichterungs-katharsis.
Arzt: «It›s been... two days.
MUSIK: 02:33
KATHARSIS 4
DIALOG:
Schauplatzwechsel, Maschinen zur
Humor: Absurder Prop-Gag. Der ikoni-
Arzt: «Nurse, you can remove his
Lebenserhaltung arbeiten vor sich hin.
sche Bart wird als «Facewarmer» de-
facewarmer now.»
klariert. Da das Entfernen so schnell
Nurse: «Yes, Doctor.»
auf die verbale Auflösung der Span-
MUSIK: -
nung («Wie lange lag er im Koma?»)
folgt, ist dies zusammen als eine einzige Katharsis wahrzunehmen.
DIALOG:
Der Arzt spricht mit Cartman.
Humor: Erwartungsbruch/Inkon-
Arzt: «Now Eric, you›ve suffered massi-
gruenz: Die dramatisch-klischierte
ve head-trauma. Your road to recovery
seifenoper-Unterhaltung wird
will be long and arduous. At least
weitergeführt, endet aber in einer
another two days.» -
Inkongruenz als das hohe Drama mit
einer Zeitspanne von zwei Tagen in
Verbindung gebracht wird.
DIALOG: Chorgesang:
Wiederholtes Standbild
Humor:
«Seasons change , time passes by,
Wiederholung & Inkongruenz: hoch pa-
as the weeks become the months
thetischer Gesang wird genau gleich
become the years.»
wiederholt. Inkongruenz des Gesangs-
MUSIK: Unterstützende orchestrale
texts und dem neuen Vorwissen, dass
Musik zum Chorgesang.
es sich erneut wieder lediglich um 2
Tage handeln wird.
DIALOG:
Die Mutter hilft Cartman, etwas aus
Empathie: Die Sorge der Mutter sowie
Mutter:
einem Becher zu trinken.
ihre Verwendung des Kosenamens
«You›re doing so much better, Muffin:»
«Muffin» setzt eine liebevolle Grundstimmung für Cartman.
DIALOG:
Cartman beschwert sich lautstark und
Humor: Tabubruch, Unerlaubtes
Cartman: «Why the hell do I have to
fluchend über seine Situation.
auszusprechen. Erwartungsbruch:
share my room with other patients?
die zärtliche Stimmung wird durch
This is bullcrap!»
Cartman›s gehässiges Fluchen
gebrochen.
02:55
KATHARSIS 5
DIALOG:
Die Mutter nimmt dies als Normalzu-
Humor: Inkongruenz zwischen ihrer
Mutter: «Oh you›re sounding just like
stand dankbar an.
Freude über seine Genesung und
you›re old self again!»
sein tatsächliches Verhalten ihr
gegenüber.
Empathie: empathische Beziehung zur
Mutter mehr aus Mitleid als Identifikation angesichts der bedingungslosen
Liebe trotz undankbaren Sohnes.
31
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Beispielanalyse 1: South Park
Season 08 Episode 25: Cartman›s Incredible Gift
Die 5 kathartischen Momente (jeweils unter dem entsprechenden Bild als solche beschriftet) werden nun
im Detail betrachtet auf die Frage: welche der Analysetool-Punkte dabei von Bedeutung sind. Eigenschaften, die ich als trickfilmspezifische Elemente betrachte, sind in den Beschreibungen stets fett markiert.
Allgemeine Beobachtungen:
C - Bildstil allgemein: South Park nutzt ikonische Darstellungen von Menschen mit sehr wenig Anspruch
an Naturalismus. Die Figuren und ihre Umgebungen sind hoch stilisiert und abstrahiert. Der visuelle
Stil eines analogen Legetricks, in der ausgeschnittene Grundformen übereinandergelegt werden, wird
angestrebt. Der Stil wirkt gebastelt, low-budget, unkompliziert, naiv, intuitiv. Die Farbgebung ist eher bunt,
was zum kindlichen Legetrick-Look passt. Assosiazionen mit Kindersendungen sind unvermeidbar. Diese
Erwartung wird allerdings vom dramatischen Inhalt nicht erfüllt. Der Stil erfordert vom Zuschauer einen
hohen «suspension of disbelief» um sich in die Handlung hinein zu versetzen, weil die ganze Bildsprache
unabstreitbar «gebastelt» ist.
D - Animationsstil
Die Bewegungen sind wie der Bildstil stark abstrahiert. Die Figuren bewegen sich schemenhaft, die
Lippensynchronisation ist dagegen sehr präzise. Gesichtszüge der Figuren sind durch ihre Vereinfachung
sehr ausdrucksstark.
F - Dialoge & Stimmen
Die Stimmsprecher der Erwachsenen Figuren verwenden eine stilisierte Sprache: die parodistische «ernste Arzt»-Stimme, die beinahe engelhafte Mutter. Die kindlichen Hauptfiguren (wir sehen in diesem Ausschnitt nur Cartman) haben alle eine verstellte Stimme, die im nachhinein digital höher gepitcht wurde.
K - Präsentationskontext/Zielpublikum
Das Zielpublikum ist vor allem ein Stammpublikum an hartgesottenen South Park Fans. Dieses lacht
umso schneller und herzhafter über Cartman’s voraussehbarem Unglück, denn das Zielpublikum kennt
Cartman’s sture, selbstherrliche Charakterzüge von Beginn an. Man dürfte also eher weniger Empathie
vom Zuschauer erwarten, als dass die Bilder aus dem Kontext herausgegriffen suggerieren würden.
Kathartische Momente:
Katharsis 1: die Kinder lassen Cartman liegen
---------------------A - Reine Deskription: Die Darstellung eines kleinen Jungen der vom Dach springt und am Boden aufprallt
ist etwas, das vermutlich niemand gerne als Realfilm nachgestellt sehen würde, denn einem echten Jungen hätte ein solcher Sturz das Genick gebrochen. Die Handlung ist sehr trickfilmgeeignet.
B - Sozialer Kontext: Westliche, christliche Moralvorstellungen dominieren sowohl in der diegetischen
Umgebung sowie im Zielpublikum (im fiktiven Dörfchen South Park als auch in Amerika ist das Christentum die dominierende Religion). Einem solchen Sturz tatenlos zuzusehen gilt als unmenschlich, und doch
wissen die meisten von uns aus empirischer Beobachtung dass Sozialcourage nicht selbstverständlich ist.
Die Szene spricht also eine unangenehme Wahrheit aus und führt dadurch zur Katharsis.
C - Bildstil: Ein solch gravierender Unfall hätte im Realfilm unsere Empathie stärker geweckt als unser Erstaunen. Das tatenlose Zusehen der Kinder wird verstärkt durch die übertrieben erstaunte Gesichtsmimik.
32
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
D - Animation: mit einem sofortigen Gesichtsmimikwechsel von schockiert zu unbekümmert verlassen die
Kinder den Unfallort. Eine solche Gleichgültigkeit an den Tag zu legen wäre in der Realität höchst verpönt.
E - hier dient der Soundeffect von Cartman’s Aufprall dem kathartischen Schock, indem er überraschend
naturalistisch wirkt.
H - Montage: Aktions- und Reaktionssequenzen (und deren Wiederholung) zwischen den Einstellungen
von Cartman’s Bruchlandung und der regungslos verharrenden Kinderschaar lässt uns umso länger in
einem Schwebezustand zwischen Schadenfreude (ob Cartman’s Dummheit) und Besorgnis (ob seines
Zustandes) verharren. Die Spannung wird zudem verstärkt indem die Gesichtsausdrücke der Kinderschar
überzeichnet und komplett starr auf ihren Gesichtern verbleibt. Im Trickfilm kann der Spannungsmoment
endlos ausgedehnt werden, ohne dass die Sorge um das Wohlergehen Cartmans die Belustigung über das
Nicht-Reagieren der Kinder übersteigen würde.
J - Target: Einerseits wird ein wenig Spott auf Cartman’s unglaubliche Selbstüberzeugung gelenkt, indem
man den Moment seines Scheiterns in die Länge dehnt. Wenn das kathartische Lachen noch eine Spur
aggressiver Distanzierung von moralisch verwerflichem Verhalten beinhaltet, so kann man sagen dass die
unbekümmerten Kinder ebenfalls Spott abbekommen. Am meisten aber wird die Situation belacht, die wir
als unterschwellige Kritik an unsere Gesellschaft - und somit auch an uns selbst - annehmen müssen.
L - Botschaft: Selbstüberschätzung ist eine Dummheit, Dummheit wird sofort bestraft (physischer Unfall)
und ohne Mitleid behandelt (keine Hilfsbereitschaft). Aber auch: unsere Gesellschaft kann tatenlos zusehen, während sich andere Schaden zufügen.
Katharsis 2: Sogar Butters distanziert sich
---------------------B - Sozialer Kontext: Als Butters merkt, dass eine Nichtbeteiligung ungestraft möglich ist, schliesst er sich
der Menge an.
D - Animationsstil: Auch hier wirkt der blitzschnelle Gefühlswechsel seiner Gesichtszüge überraschend.
G - Rhetorische Strategie: Kurz nach Katharsis 1 gab es einen empathischen Anknüpfungspunkt als Butters entgeistert zuschaute, wie seine Freunde die soziale Konvention der Hilfsbereitschaft und Fürsorge
brachen. Seine Perspektive gab uns Anlass zu glauben, er würde sich anders als sie verhalten.
L - Botschaft: Ein Beispiel der unschönen Menschlichen Eigenschaft, sich aller Verantwortung zu entziehen,
wenn es keine Gefahr gibt, dadurch gesellschaftlich stigmatisiert zu werden.
H - Kamera: Die Einstellung zeigt uns Butter’s Reaktion mit Cartman im Hintergrund. Indem er nicht einmal
zu Cartman zurückschaut als er sich zu gehen entscheidet, verstärkt sich die Katharsis.
J - Target: Butter’s Verhalten wirkt doppelt unmoralisch und deshalb auf kathartische Art lustig, weil er sich
zuerst über das Verhalten der anderen entsetzt zeigte, und es ihnen schlussendlich genau gleich machte.
Wir lachen über seine Schwäche, und weil wir bis zuvor noch mit seinem Entsetzen empathisierten, auch
über uns selbst, weil wir uns in einer solchen Situation aus egoistischem Empfinden auch ganz gerne unbeteiligt und ohne schlechtes Gewissen entfernen würden.
L - Botschaft: am Ende schaut doch jeder für sich.
Katharsis 3: «I’m afraid your son is... incredibly stupid.»
---------------------B - Sozialer Kontext: der Arzt bricht unsere erwartete Norm der ärztlichen Neutralität und Sachlichkeit, und
bricht ausserdem das Tabu, dass man Müttern gegenüber ihre Kinder niemals als «dumm» bezeichnet. Der
Arzt bricht ein Tabu indem er direkt ausspricht, was er denkt. Diese Aussprache ist auch darum so befriedigend, weil es nicht nur «verboten» ist, sondern gleichzeitig absolut wahr.
F - Dialoge & Stimmen: die Ernsthaftigkeit, mit welcher der Arzt seine Aussage macht, verstärkt die Katharsis indem es zu einem gravierenden Urteil wird.
G - Rhetorische Strategie: die Szene ist durch die Wortwahl und der ernsten Stimme des Arztes als Parodie
von Seifenopern oder Spitalserien inszeniert und endet ebenfalls auf einer ernsten Note.
J - Target: hier ist Cartman Ziel des Spottes. Er wäre zwar bemitleidenswert, weil er sich nicht gegen diese
Beleidigung wehren kann, aber unser Mitleid wird dadurch, dass er unabstreitbar etwas Dummes gemacht
hat, sowie durch den parodistischen Kontext gemindert.
L - Botschaft: Dummheit ist eine unheilbare Krankheit. Traurig, aber wahr.
33
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Katharsis 4: Lösung der Erwartungsspannung «Wie lange lag er im Koma?»
---------------------A - Reine Deskription: Eine sehr kurze Zeitspanne wird genannt - die Sorge war umsonst.
B - Sozialer Kontext: Aus Medien und Erzählungen geht man von einem längeren Komazustand aus.
C - Bildstil: Der Prop-Gag des angeklebten Bartes lässt uns glauben, die Zeitspanne war tatsächlich lange.
F - Dialog & Stimmen: Die ernste Stimme des Arztes lässt die Katharsis unerwartet einsetzen - es dauert
eine Weile, bis man die Zeitangabe als kurz identifizieren kann, da sein Ernst etwas Längeres suggeriert.
G - Rhetorische Strategie: Spannungsaufbau zur Frage «Wie lange wird es dauern, bis er genesen ist?»
wurde mit dem vorhergegangenen parodistischen musikalischen Intermezzo unterstützt.
H - Kamera/Schnitt: durch das langsame Hochpannen zum musikalischen Intermezzo und das langsame
Hinunterpannen zurück zu Cartman wird uns ebenfalls eine lange Zeitspanne angedeutet.
J - Target: Unser Lachen richtet sich an die Erzählrhetorik, die so clever war, uns auszutricksen - und auch
ein wenig an uns selbst, die wir darauf hereingefallen sind.
L - Botschaft: reine parodistische Übertreibung...
Katharsis 5: Cartman hat den Spital satt
---------------------A - Reine Deskription: Cartman geht es wieder «besser», was sich seinem Energieüberschuss entnehmen
lässt. Ein Teil der Katharsis ist sicherlich auch Erleichterung über seine Genesung.
B - Sozialer Kontext: Cartman’s agressives Fluchen widerspricht unseren Normen der Höflichkeit. Wir sind
von der Aussprache einer unterdrückten «Wahrheit» kathartisch befreit. Cartman spricht unsere egoistischsten inneren Triebe an, die wir durch Erziehung und soziale Konventionen zu unterdrücken gelernt
haben - aber keineswegs aus der Welt geschafft haben. Zu unserem Schrecken und Schaudern ist seine
Haltung irgendwo tief in uns drin nachvollziehbar und weckt somit trotz Verwerflichkeit unsere Empathie.
G - Rhetorische Strategie: Cartman’s Genesung mit einer verschlechterung seines Gemütszustandes
gleichzusetzen ist eine nützliche Bisoziation, die unseren sozialen Normen widerspricht.
J - Target: wir belachen Cartman’s asoziale Haltung - lachen ihn vielleicht auch aus, um uns innerlich von
seinem Verhalten zu distanzieren, das wir als intrinsisch menschliche Wahrheit erkennen.
L - Botschaft: Womöglich gibt uns sein unsympathisches Verhalten zu denken, und man erwischt sich beim
Denken des Tabu-Gedankens: «Wäre er doch bloss im Koma geblieben».
34
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Empathie VS Humor
Die Figuren sind folgendermassen aufgeteilt:
Arzt = Humorträger
Patient = Wechselt zwischen Empathie- und Humorträger
Mutter = Empathieträgerin
Trickfilmspezifische Aspekte:
Nach dieser genaueren Betrachtung müssen zwei Fragen geklärt werden, nämlich: Welche humoristischen
Elemente dieses Filmbeispiels sind besonders trickfilmspezifisch? Und wie wurden diese zur Provokation
von Katharsis und Empathie genutzt?
Die trickfilmspezifischsten aller Aspekte sind Bildstil, Stimmen und Bewegungen der Figuren. Diese gehören zur Grundausstattung der gesamten Serie und bilden ein effizientes «Humorsystem», innerhalb dessen
jede Handlung und jedes Gespräch schon in sich zu einem gewissen grad lustig wirkt.
Besonders trickfilmgeeignet ist aber - neben dem Prop-Gag des Bartes, bei dem man nicht feststellen
konnte, ob er nun diegetisch echt war oder nicht - auch Cartman’s gravierender Unfall und die dazugehörige Katharsis 1 und 2. Im Moment des Sturzes lachen wir nicht aus Erleichterung einer Spannung, sondern
einer unerwarteten Bisoziation der Trickfilmwelt (in der Trickfilmfiguren sich nie ernsthaft verleten) und
unserer Realität (in der ein Sturz vom Dach tödlich enden kann).
Im Realfilm hätte ein solcher Anblick zu viel Mitleid ausgelöst, sodass Katharsis 1 und 2 mehr Empörung
als Belustigung bewirkt hätten, Cartman wäre somit mehr Sympathie (bzw. Mitleid) zugekommen wäre, was
wiederum Katharsis 3 negativ beeinflusst.
35
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Beispiel 2: Family Guy
Aus Season 04 Episode 17: «Fat Guy Strangler»
https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk
Länge Episode: 30 min
Totale Länge Clip: 1:35 s
BILDEBENE
TONEBENE
SoundFX: Soundeffect eines einzelnen
HANDLUNG
Standbild
Autos, das off-screen vorbeifährt.
HUMOR/EMPATHIE
Die Ansicht des Spitals könne bereits
jetzt schon als empathische Ankündigung gedeutet werden.
Lois: «So, Doctor, is Peter healthy?»
Der Arzt tastet mit dem Stethoskop an
Empathie und sanfte Erwartung einer
Peter›s Bauch herum.
positiven Antwort.
Arzt: «Oh my goodness, you›ll be dead
Der Arzt entfernt das Stethoskop, Peter
Empathie: die plötzliche schlechte
within a month!»
& Lois erschrecken.
Nachricht weckt zumindest Sympathie
mit den zwei Besuchern.
Lois & Peter: «What?»
Arzt: «Oh ‹Hagar, the horrible›, if you
Der Arzt nimmt ein Heft hinter dem
Humor: Dass er von der Hauptfigur
keep up that lifestyle of pillaging and
Untersuchungstisch hervor, in dem er
dieses Comicbuchs gesprochen hat,
giant turkey legs you›ll be dead within
zu lesen beginnt.
ist so weit hergeholt, unerwartet und
absurd (ausserdem völlig aus dem
a month! Now - on to you.»
Spitalkontext herausgerissen), dass
eine bisoziative Komik entsteht.
Die «Erleichterung» des Energieablasses einer Katharsis kann nur
teilweise entstehen, da Teil der
kognitiven Energie für das bisoziative
Verknüpfen wieder aufgewendet wird.
Peter: «So, what do you think? Pretty
Peter versucht den Arzt für eine neue,
Empathie bildet sich nach diesem
healthy, huh?»
diesmal ernst gemeinte, positive
Bruch ins Absurde nur vorsichtig
Diagnose zu motivieren. Der Arzt nimmt
wieder auf...
Arzt: «Well Mr.Griffin, let›s take a look
at your physical results.
36
einen Ordner mit Testresultaten hervor.
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
BILDEBENE
TONEBENE
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
Arzt: «Ah!»
Der Arzt ershrickt ab dem Inhalt des
Humor: Eine zweite absurde, aus dem
Peter & Lois: «Ah!»
Ordners - allerdings lag es nicht an den
Spitalkontext herausgerissene Über-
Resultaten selbst: er schüttelt ange-
raschung, die den Spannungsmoment
ekelt eine Spinne aus der Mitte.
der Resultate weiter hinausschiebt.
Arzt: «There›s a spider in here. Now,
here we go:»
Wir durchschauen das Schema und
erahnen, dass es noch mehrere solche Wiederholungen geben wird.
Arzt: «Mr. Griffin, you›re going to expire
Der Arzt liest diesmal auch tatsächlich
Humor der Wiederholung: Dass Peter
in a month.»
in den Unterlagen. Seine Aussage
& Lois immer noch glauben, dass
schockiert Peter & Lois von Neuem.
eine ernst gemeinte Aussage kommt,
Peter: Lois: «Ah!»
ist belustigend, da wir als Zuschauer
nun wissen, dass dies nicht der Fall
sein wird.
Durch ihre durchschaubare Naivität
entsteht auch keine Empathie mehr
mit ihrem Schockmoment.
Arzt: «This is your drivers licence,
Er hält eine aus den Unterlagen hervor-
Humor: Das Verb «to expire» des
isn›t it?»
geholte Karte (ein Führerschein, darf
vorangegangenen Satzes macht Sinn,
man annehmen) hervor.
denn anstatt «to die» (wörtl. Sterben)
nutzte der Arzt ein Wort, das mehr für
das Ablaufen von Waren hindeutete.
Bisoziation findet diesmal in einem
zumindest leicht glaubwürdigeren
Kontext statt.
Arzt: «Now unfortunately I›m afraid
Er liest erneut in den Unterlagen.
Humor: Wiederholung, und somit
Betonung ihrer Naivität
you›re going to die.»
Peter & Lois: «Ah!»
Arzt: «When you watch these «Dean
Der Arzt holt von dem Regal hinter ihm
Humor: dieses Wortspiel führt
Martin Celebrity Roasts›!»
eine Videokassetten- oder DVD-Hülle
zu einer erneut weit hergeholten
hervor und übergibt sie Peter. Es han-
Bisoziation.
Lois: «WIll you just tell us how Peter›s
health is?!»
delt sich um eine Comedy-Show.
Arzt: «Uh, Mr. Griffin, I›m not quite sure
Der Arzt strengt sich sichtbar an, die-
Humor: Wiederholung & Erwartungs-
how to say this... Kim... Basinger?
sen Namen korrekt auszusprechen.
bruch. Der Satz «I›m not quite sure
(bah-sin-djer) Ba... Basinger? (bay-
how to say this...» wird generell für
singer) Basinger? (bay-sin-djer) Hm... «
schwerwiegende Tatsachen genutzt,
bei denen man um die richtigen Worte
ringt. Der Arzt meint aber wortwörtlich
damit, dass er sich nicht sicher ist,
wie er etwas sagen/aussprechen
soll (in diesem Fall den Namen eines
bekannten Stars).
Arzt: «But now, on to the cancer.»
Peter & Lois: «Oh my god!»
Arzt: «You are a cancer, right? You
were born in July? Now on to these
test results.»
Er liest wieder in den Unterlagen.
Humor: Wortspiel mit dem Wort
«cancer». Durch den Spitalkontext
erwarten wir die Krankheit, er spricht
aber vom Sternzeichen. Ein sehr
platter Kalauer. (Empathie mit den
Besuchern entsteht nun mehr als
Folge der schlechten Witzen, denen
sie ausgesetzt werden, und nicht
ihrer Angst vor dem Resultat...)
37
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
TONEBENE
BILDEBENE
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
Arzt: «My, they›re much worse than I
Er nimmt ein Blatt von den Unterlagen
Humor: Erneuter Wortwitz. «test re-
thought.»
hervor, welches ein grosses «D» darü-
sults» können auf Englisch sowohl Re-
bergekritzelt hat.
sultate einer Analyse/Untersuchung
Peter & Lois: «Oh no!»
sein, wohl aber auch die Bewertung
Arzt: «My son got a ‹D minus› on his
einer Schulprüfung.
history test.»
Wiederholung des Peter/Lois schocks
Arzt:» Now Mr. Griffin, that liver›s got to
come out.»
Peter & Lois: «What?!»
Arzt: «It›s been in the microwave for
Schnitt, ganz leicht herangezoomt: der
Humor: Im Spitalkontext nehmen
three minutes, it›ll get dry. Now...»
Arzt dreht sich zu einer Mikrowelle um,
wir an, der Arzt spreche von Peter›s
die links neben das Bücherregal einge-
Leber. Dabei meinte er eine Leber als
baut ist, und nimmt einen dampfenden
Gericht, welches er in der Mikrowelle
Teller mit einem braunen Gericht
erhitzt hatte.
darauf heraus.
Lois: «Please, please, we can›t take
Schnitt, Halbtotale auf Peter & Lois.
Humor: Lois erkennt in einem
any more ‹shtik›. Please just tell us, is
Lois fleht den Arzt mit Gestikulation
selbstreferenziellen Moment die
Peter healthy?»
und Gesichtsmimik an, Peter bleibt
Kalauer des Arztes als rhetorische
stoisch.
Humorstrategie.
(«shtik» ist yiddisch für «Stück», also
Empathie: Lois› Stimme verrät ihre
ein Gag oder Witz)
Erschöpfung, und klingt authentisch
Verzweifelt und Eindringlich. Durch
ihr eigenes Durchschauen der
Humorstrategie der Szene wird ihre
bisherige Naivität weniger Lächerlich.
Arzt: «Oh! Oh yeah he›s fine, he›s just
Close-up des Arztes mit stoischem
Humor: obwohl der Arzt seine Aussa-
really fat.»
Ausdruck.
ge so lange herauszögerte und somit
den Eindruck einer schwerwiegenden
Diagnose erweckte, ist nichts daran
besonders Besorgnis erregend. Inkongruenz und Überraschung: die ganze
Aufregung war umsonst.
01:10
KATHARSIS 1
Lois: «Oh thank god.»
Schnitt zurück zu Lois & Peter. Lois ist
Empathie: wir fühlen die kathartische
erleichtert. Peter ist überrascht.
Erleichterung ab der gelösten Spannung mit Lois mit.
Peter: «Woah, hey, wait, hang on a
Peter wirft vorwurfsvolle Blicke an den
Humor: obwohl Peter in seiner ganzer
second. Did you just say I was fat?»
Arzt.
Fettleibigkeit vor uns sitzt, scheint
er sich selbst noch nie als fettleibig
betrachtet zu haben. Inkongruenz:
dies scheint uns unmöglich.
Wir können nur wenig mit Peter empathisieren, denn sein Schock ist übertrieben und scheint unglaubwürdig.
38
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
TONEBENE
BILDEBENE
Arzt: «Well, yeah, you are pretty fat.»
HANDLUNG
Schnitt zu einem Close-up des Arztes.
HUMOR/EMPATHIE
Humor: der Arzt wiederholt mit
stoischer Miene und ohne Mitgefühl
seine Überzeugung.
Peter: «Um, okaaaay, this is news
Peter ist sichtlich verstört, dann
Humor: Peter macht einen weit herge-
to me. Ah. Boy this is more awkward
beschämt.
holten Vergleich, dessen Bisoziativität
than having sex with a rhinoceros who
viel Konzentration und Energie zur
doesn›t love you anymore.»
Verarbeitung und Verknüpfung mit
seiner Situation benötigt.
Durch diesen Energieaufwand kann
sich auch kaum Empathie bilden,
denn der Verstand und der Intellekt
stehen im Vordergrund und versuchen
das Gesagte zu interpretieren.
Peter: «Why wouldn›t you look at me
Schnitt zu einer Situation ausser-
Humor: Überraschung! Der Vergleich
during...?»
halb des Spitals, womöglich in der
wird eins-zu-eins wiedergegeben
Vergangenheit oder zeitlich parallel
Inkongruenz: Peter›s Aussage gleicht
dazu in Peter›s eigener Fantasie. Peter
einem Seifenoper-Dialog, der in aller
liegt traurigen Blickes im Bett neben
Regel aber von einer Frau an den
einem sichtlich emotional unbeteiligten
Mann gerichtet ist. Die Körperspra-
Rhinozeros.
che des Rhinozeros und Peters sind
denn auch klischierte gender-typische
Posen.
Ausserdem deutet seine Aussage
01:27
auf einen tatsächlich stattgefunde-
KATHARSIS 2
nen Geschlechtsverkehr zwischen
ihm und dem Rhinozeros hin. Diese
Vorstellung alleine bricht schon so
einige Tabus...
Peter: *heult lauthals los*
Das Rhinozeros steht wortlos auf und
Inkongruenz: die unrealistische
verlässt das Zimmer.
Situation wird voll ausgespielt und
Peter scluchzt, überdramatisch und
weinerlich, wie ein kleines Kind.
Empathie oder kathartischer Humor?
Ob wir nun mit Peter›s Weinen auf
einer emotionalen Ebene empathisieren sollten, ist fragwürdig. Viel eher
hören wir seinen Jammer versuchen
uns empathisch stärker von ihm als
jämmerlicher Figur zu distanzieren,
um so wenig wie möglich von uns in
ihm wiedererkennen zu müssen.
39
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Trickfilmspezifische Analyse 2: Family Guy
Aus Season 04 Episode 17: «Fat Guy Strangler»
Allgemeine Beobachtungen:
C - Bildstil
Die Farbgebung ist flächig und eher bunt. Die Figuren sind karikaturesk, allerdings naturalistischer (detaillierter) dargestellt als in den anderen Beispielen: wir sehen Doppelkinne, Kleidungsdetails, ausgearbeitete
Hintergründe und relativ realistische Körperproportionen - ausgenommen der überdimensionalen Köpfen,
ein klassisches Trickfilmmerkmal das der Verstärkung der Gesichtsmimik dient.
F - Dialoge und Stimmen
Sind zwar leicht stilisiert aber nicht per se «lustig».
K - Präsentationskontext
Der Clip entstammt einer vollen Episode von Family Guy, in der es allgemein um Fettleibigkeit geht. Dieser
Clip stellt sozusagen Peter’s «Erwachen» dar vor der Tatsache, dass er selber Fettleibig ist.
D - Animationsstil
Bewegungen sind sehr schemenhaft. Durch die eher detaillierteren Figuren dieses Beispiels wirkt die undetaillierte Animation umso mechanischer. Das Päärchen erschrickt bei jeder Ankündigung auf dieselbe Art,
und fällt danach sofort zurück in eine komplette Starre des teilnahmslosen Abwartens. Die vereinfachte
Animationstechnik begünstigt den komischen Effekt dank den exakten Wiederholungen.
Kathartische Momente:
Katharsis 1: Die Sorge war umsonst - Peter ist nur sehr dick.
---------------------B - Sozialer Kontext: Höflichkeitsnormen würden ein vorsichtigeres Ansprechen von Peter’s Fettleibigkeit
verlangen. Das direkte Erwähnen seiner Fettleibigkeit ist auch eine Erleichterung einer unterdrückten Feststellung, die wir von Beginn der Szene hatten. Die Fettleibigkeit einer Person zu belachen ist zwar in vielen
sozialen Kontexten ein Tabu, jedoch ist es in Trickfilmserien desöfteren ganz offensichtlich Zielscheibe des
Spottes20.
F - Dialog & Stimmen: Dass Peter und Lois den Arzt zwischendurch auffordern, ihnen mitzuteilen dass Peter
kerngesund ist, führt zu einer Verstärkung unserer Wahrnehmung seiner Fettleibigkeit. Dies zu wissen und
nicht angesprochen zu hören, führt zu einer Anspannung die erst mit der Aussage des Arztes gelöst wird.
G - Rhetorische Strategie: Durch die Endlosschlaufe der furchtvoller Erwartung und deren Auflösung ins
Nichts, als der Arzt ihnen keine Antwort gibt, steigert sich die Erwartung bei Lois’ plötzlicher flehender Haltung schlagartig ins Ernste. Dass darauf die Antwort des Arztes banal ausfällt, löst sämtliche Spannungen
komplett auf. Die ultimative Erleichterung.
H - Kamera: Die Aussage des Arztes ist die naheste Einstellung der Szene. Dies verleiht seiner undramatischen und uneinfühlsamen Aussage noch mehr Nachdruck.
J - Target: Wir lachen einerseits über Peter und Lois’ unnötige Besorgnis, auch über die freche Selbstverständlichkeit, mit welcher der Arzt seine Aussage macht, als auch etwas Schadenfreudig ob der Feststellung von Peters unabstreitbaren Übergewicht.
20
z.B. The Simpsons Season 7, Episode 135: «King Size Homer» (1994), South Park, Season 01, Episode 02: «Weight Gain 4000» (1997),
South Park Season 04, Episode 15: «Fat Camp» (2000), Family Guy Season 4 Episode 17: «Fat Guy Strangler» (2004)
(allesamt auf http://en.wikipedia.org recherchiert, Stand am 23.1.2015)
40
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
L - Botschaft: Die Auflösung lässt nicht auf eine klare Botschaft schliessen.
Katharsis 2: Die Szene läuft ins Absurde hinaus
---------------------A - Reine Deskription: Ein Mann und ein Rhinozeros liegen in einem Ehebett.
G - Rhetorische Strategie: das unkonventionelle Ausspielen einer bloss dahergesagten Metapher überrascht beinahe so fest wie der dargestellte Inhalt. Inhaltlich bietet die Szene keinen Zusammenhang zur
übrigen Geschichte ausser dass sie von Peter erwähnt wurde. Bisoziative Anstrengungen laufen ins Leere
hinaus und die überschüssige Energie fördert die Katharsis.
J - Targets: Peter ist hier Zielscheibe des Spottes, da er zwar sein Satz mit «...schlimmer als wenn...» als
surrealer Vergleich formulierte, die sogleich nachgestellte Szene aber suggeriert, dass Geschlechtsverkehr
tatsächlich stattgefunden hatte. Seine intensive emotionale Haltung darin macht ihn zur lächerlichen Figur.
L - Botschaft: Peters absurder Vergleich lässt kein Schlussfazit der Szene zu. Eine komplett neue, unzusammenhängende und unmögliche Situation bildet das tragische Ende einer absurden Szene.
Trickfilmspezifische Aspekte:
Typische formale Trickfilmmerkmale finden wir in der Darstellung der Figuren und den exakten, fast mechanischen Wiederholungen von Gefühlszuständen (Peter & Lois’ Erstaunen). Die schemenhaften Bewegungen sind auf ein solches Minimum reduziert dass man als Zuschauer nur gerade den Augenbewegungen
folgen können muss. Die Gesichtszüge geben allerdings die Gemütszustände der Figuren sehr präzise
wieder. Katharsis 1 wird vor allem von Punkten F und G ausgelöst, und könnte so auch gut im Realfilm gelingen. Besonders trickfilmspezifisch ist allerdings die absurde Katharsis 2 mit dem Rhinozeros, welches sich
wie ein Mensch verhält und bewegt: Anthropomorphismen sind tatsächlich eines der letzten Bastionen des
Trickfilms. Eine Realfilmcomedy hätte entweder ein echtes Rhinozeros einsetzen müssen (wobei klar gewesen wäre, dass es Peter’s Frage nicht versteht) oder einen Mensch in einem Rhinozeroskostüm (wobei klar
gewesen wäre, dass es kein echtes Rhinozeros ist). Im Trickfilm kann man durch «suspension of disbelief»
tatsächlich eine Beziehung zwischen einem Rhinozeros und einem Menschen als Realität vorschlagen. Eine
bisoziative Katharsis wäre allerdings auch als Realfilm eingetreten.
Empathie VS Humor
Arzt = Humorträger
Patient = Wechselt zwischen Empathie- und Humorträger
Ehefrau = Empathieträger
41
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
42
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Beispiel 3: TripTank
Season 01 Episode 01: «Head, Shoulders, Knees and Toes»
http://www.cc.com/video-clips/jtm9w1/triptank-head--shoulders--knees-and-toes
Totale Länge Clip: 48 s
BILDEBENE
TONEBENE
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
Frau: «I just got the call. How›s my
Beide Figuren stehen schon im Bild.
Humor: Stimme der Frau wird von
son?»
Mit minimaler Animation aber guter
einem Mann auf nicht wirklich über-
Gesichtsmimik und Körperhaltung wird
zeugende mimische Art gesprochen.
die Besorgnis der Frau transportiert.
Empathie: Die Sorge um ihren Sohn
weckt Empathie.
Arzt: «Yeah your son was in a really
Der Arzt reagiert völlig unpassend mit
Humor: die Stimme des Arzts ist
bad car accident»
lässiger Haltung und unbesongter
ebenfalls stark stilisiert. Fröhlich
Gestikulation.
und lispelnd übermittelt er ihr die
(Mit Lispeln ausgesprochen: «yeah your
schlechten Nachrichten wie beim
thon wath in a really bad car accident»)
Kaffeeklatsch, Inkongruenz von Verhaltensweise und Situation.
Frau: «Please just tell it to me straight,
Die Haltung und Sorge der Frau bleibt
Empathie: Mitleid mit der Mutter,
Doc.»
indes unverändert.
deren Anliegen nicht ernst genug
genommen wird.
Arzt: «Oh, of course, pardon me.»
Der Arzt schämt sich ein wenig seines
Der Satz der Frau wird üblicherweise
Verhaltens und «normalisiert» wieder.
so interpretiert: er soll ihr unverblümt
sagen, wie schlimm es um ihren Sohn
steht. In einem Bruch mit der kohärenten fiktiven Welt interpretiert er es
aber als Aufforderung, mit «normaler»
Stimme mit ihr zu sprechen. Er war
sich also seines übertriebenen Verhaltens als Trickfilmfigur bewusst.
00:06
KATHARSIS 1
Arzt: «Regarding your son, I›m afraid I
Close-up Schnitt auf die Aussage des
Empathie: die Stimmung wird schlag-
don›t have any good news.»
Arztes.
artig ernst, es gibt keine guten Neuigkeiten. Stimme und Verhalten des
Arztes sind realistischer geworden.
Frau: «Oh my god»
Der Animationsstil/Bildstil der Frau
Humor: Um dem Ernst einen
(in stilisiertem Amerikanisch ausge-
verändert sich ins groteske. Eine sehr
Kontrast zu setzen, «überspielt» der
isolierte, schematische Handgeste soll
Stimmsprecher die Sorge der Mutter
ihr Besorgnis unterstreichen.
merklich. Auch die Bildsprache kippt
sprochen: «Ehmehgehd»)
wieder in stilisierte Bewegungen um.
43
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
BILDEBENE
TONEBENE
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
Arzt: «I mean, his organs are all
Humor: Der familiäre Umgangston, ist
F*****, Bro.»
stark inkongruent zum Arzt-Patienten
Verhältnis. Ein kathartisches Erleich-
(das «fucked» wird mit einem langen
terungslachen
Piepsen zensiert)
entsteht
womöglich
durch den Kraftausdruck, um dem
schlimmen Zustand des Jungen Ausdruck zu verleihen, das sonst mühsam umschrieben werden müsste.
Frau: «Just tell me, is my son gonna
Empathie: Diesmal ist die Stimme
be ok?»
der Frau überzeugender gespielt, die
Sorge in ihrer Stimme wirkt authen-
Arzt: «Well, considering the state of
tischer, den Tränen nahe. Dies wird
his...eh... what›s it called...»
auch mit einem zusätzlichen Glänzen
in ihrer sich vergrösserndern Pupillen
betont.
Frau: (dazwischengeworfen) «I don›t
Der Arzt geniert sich nicht davor,
Humor: Der dazwischengesprochene
know»
laut nach dem Namen des richtigen
Satz der Frau wirkt lustig, weil wir
Körperteils des verunfallten Sohnes zu
darin die improvisierte Stimmung bei
suchen. Durch den fragenden Tonfall
den Stimmsprechern erkennen.
scheint er die Mutter an seiner Suche
Die Unbehutsamkeit seiner Aussage,
zu beteiligen.
welche die Angst der Mutter wachsen
Arzt: «Uhm... that part of him that is
mashed into bits...?»
lässt, wirkt ebenfalls inkongruent zu
seiner Profession.
Arzt: «Unrecognizable mush?»
Der Arzt spricht die Worte ganz klar
Humor: Das Wiederholen der
aus.
beängstigend präzisen Beschreibung
des unpräzisen Körperteils, sowie
die unprofessionelle Formulierung
spannt die Mutter und die Zuschauer
zusätzlich auf die Folter.
Arzt: «What? I dun- I dunno I haven›t
Close-up auf die Frau, deren Angst und
Humor: Wo üblicherweise Empathie
seen him!»
Ungeduld wächst
durch die hörbare Verzweiflung in
ihrer Stimme und der dringlichkeit
ihrer Blicke einsetzen würde, wirkt der
Effekt humorvoll durch das offensichtlich bewusst eingesetzte Verzögern
der Antwort des Arztes, und der
verstellten Stimme der Mutter.
Arzt: «Well...spoiler alert!»
Die Ungeduld und Irritation der Frau ist
Humor: Inkongruenz des extrem fa-
Frau: «What›s wrong with my son!»
an ihrem Höhepunkt angelangt.
miliären und jugendlichen Ausdrucks
«Spoiler-Alert» im Spitalkontext.
Empathie: Wir fühlen in dem Moment
womöglich als Zuschauer schon mehr
Anspannung, als es die Stimme der
Mutter zu vermitteln vermag.
Arzt: «Mmmmh what is iiiiit...?»
Er studiert ein letztes Mal
Humor: Dieser letzte Anlauf wirkt sehr
absichtlich in die Länge gezogen.
Inkongruenz zwischen der erwarteten
Professionalität des Arztes und der
offenbar sadistischen Schadenfreude
daran, die richtigen Worte zu finden.
44
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
TONEBENE
BILDEBENE
Arzt: «Oh! His....»
HANDLUNG
HUMOR/EMPATHIE
Erster Schnitt auf eine Totale: dem Arzt
Humor: das plötzliche Herauszoomen
fällt das gesuchte Wort ein.
auf eine Totale bewirkt gleichzeitig
eine emotionale Distanznahme
zu dem, was der Arzt sagen wird.
Üblicherweise wird in filmischen Medien dramatische Information durch
Nahaufnahmen vermittelt.
Arzt: *gesungen* «...heeead shoulders
Der Arzt beginnt, ein bekanntes
Humor: Das unerwartete Verwenden
knees and toes, knees and toes! Head,
Kinderlied zu singen mitsamt der dazu
eines Kinderliedes zur Verdeutlichung
shoulders knees and toes, knees and
passenden «Tanzschritte», nämlich das
der verunfallten Körperteile eines
toes...»
anfassen des jeweils ausgesprochenen
kleinen Jungen ist auf eine Art kon-
Körperteils am eigenen Körper.
gruent (Kinderunfall, Kinderlied) und
auf andere Art grotesk (jedes dieser
Frau: «w-what?!»
Körperteile ist ja gemäss seiner Aus-
(Die Stimme der Frau klingt, als ob der
sage komplett unerkennbar entstellt).
Stimmsprecher selbst lachen musste
00:34
KATHARSIS 2
Katharthisches Lachen aus Schock
während dieser «Performance»)
und aus Erleichterung, dass das Warten auf die Aussage vorbei ist.
Arzt: *gesungen* «...and his eyes...»
Close-up für die Betonung der auf-
Humor: Der spontan wechselnde
Frau: «Ohmygod»
gezählten Gesichtsmerkmale. Diese
Bildstil der erwähnten Körperteile
werden bei ihrer Erwähnung detaillierter
wirkt überraschend. Die verspielt-
und unpassend zum übrigen Bildstil am
kindliche Aufdringlichkeit und Freude
Gesicht des Arztes visuell betont.
des Arztes am Aufzählen des Leidens
Arzt: «...and his ears, and his mouth,
and his nose...»
ihres Sohnes ist inkongruent zur
Frau: «No!»
uneinfühlsamen Überforderung die er
der Mutter dadurch beschert.
Arzt: «your son...eh...is just mush now,
Stolz beendet der Arzt seine kleine
Humor: Der kurze Aussetzer im
so make another boy!»
Vorführung, während die Mutter ihre
Liedfluss erinnert uns erneut daran,
Haltung nicht verändert. Ihre Stimme
dass die Stimmsprecher wohl spon-
aber verrät, dass sie innerlich zusam-
tan improvisierten. Dass der Junge
menbricht.
«mush» ist, bedeutet, dass nicht nur
Mutter: *wimmert nur noch leise vor
sich hin*
die erwähnten Körperteile entstellt
sind, sondern dass der Junge
komplett «zermalmt» ist. Tabubruch
indem keine Trauer ob dem Verlust
00:47
KATHARSIS 3
ihres Sohnes verlangt wird, sondern
sogleich dazu aufgefordert wird einen
«neuen Jungen zu machen» um den
alten zu ersetzen, was kathartisch
schockierend wirkt.
45
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Trickfilmspezifische Analyse 3: TripTank
Season 01 Episode 01: «Head, Shoulders, Knees and Toes»
Allgemeine Beobachtungen:
C - Bildstil
Stark reduzierte, ikonische Figuren erinnern an Comics und Illustrationen für Kinder. Die Farben sind naturalistisch und unspektakulär. Gesichtszüge der FIguren sind sehr ausdrucksstark.
D - Animationsstil
Passend zum Bild ist die Animation sehr reduziert. Die Gestik der Charaktere ist schemenhaft und die
Posen enden allesamt in freeze-holds, es wird kein naturalismus in der Bewegungsart oder -geschwindigkeit angestrebt. Das schnelle Wandeln zwischen Animations- und Bildstilen geschieht unangekündigt und
unterstreicht Aspekte des Dialoges sowie die inneren Gemütszustände der Figuren.
F - Dialoge und Stimmen
Stimmen und Dialoge werden ohne Berücksichtigung einer 4. Wand21 eingesetzt: den Stimmsprechern ist
es egal wenn Zuschauer realisieren, dass sie den Dialog dieser Figuren nur «vorspielen».
G - Rhetorische Strategie, Erzählstil
Die Geschichte beginnt als Parodie einer dramatischen Spitalszene, wird aber immer anarchischer, bis hin
zur Auflösung der Geschichte in schwarzem Humor durch den Schlusssatz des Arztes: «...dein Sohn ist
kaputt, also mach dir einen neuen kleinen Jungen!»
K - Präsentationskontext
Die Absurdität wird weiter unterstrichen durch die Tatsache, dass dieser Trickfilm innerhalb einer Serie mit
mehreren kurzen, wild durcheinandergewürfelten animierten Kurzfilmen präsentiert wird. Die Szene beginnt
also völlig ausser Kontext des zuvor (annahmsweise mit einem Witz) endenden Clips, und das hohe Level
an Drama der ersten Einstellung lässt den Zuschauer schlagartig von der Belustigung über den letzten Clip
in eine Ernsthaftigkeit überkippen, die der Spitalprämisse im echten Leben angemessen wäre.
Kathartischen Momente:
Katharsis 1: Durchbrechen der vierten Wand
---------------------B - sozialer Kontext: Indem der Arzt sofort seinen Tonfall abstreift wird sein «vorspielen» innerhalb einer
fiktiven Szene sehr deutlich betont. Erleichterungslachen über das Brechen der suspension-of-disbelief.
F - Dialog & Stimmen: Hier löst das Verwenden einer stilisierten Sprache als auch das Sprechen mit einer
verstelten Stimme zusammen mit der sofortigen Unterbindung derselben die Katharsis aus.
G - Rhetorische Strategie: durch ein so schnelles Einsetzen der ersten Katharsis können Zuschauer sich
schnell von der Idee lösen, diese Szene ernst zu nehmen oder sich empathisch tiefer auf die Figuren
einzulassen.
J - Target: der Arzt wirkt lächerlich weil er so unprofessionell sprach und sich dessen scheinbar bewusst
war.
L - Botschaft: Die selbstreferenzielle Moral, die der Arzt zu begreifen scheint, ist: man sollte nicht unseriös
mit den Müttern von kranken Kindern sprechen, selbst wenn man sich «nur» in einem Trickfilm befindet.
21
29.1.2015)
46
Für eine Erläuterung dieses Prinzipes aus dem Bühnenspielkontext, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Vierte_Wand (abgerufen am
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Katharsis 2: Das groteske Kinderlied
---------------------B - sozialer Kontext: Das Lied «Head, Shoulders, Knees and Toes» ist ein bekanntes englischsprachiges
Kinderlied, bei dem man jedes genannte Körperteil in der richtigen Reihenfolge demonstrieren muss. Das
Verwenden eines Kinderliedes ist auf merkwürdige Art kongruent - da es sich um ein Kind handelt, und
auch um dessen Körperteile, jedoch im Kontext der Situation überhaupt nicht konventionell angebracht.
C - Bildstil: Die Mimik verändert sich je nach Inhalt eines Satzes markant, und spielt so auf einen spezifischen Humor an, der sich im Internet etabliert hat, und sich durch standardisierte «Meme»-Gesichtsausdrücke22 kennzeichnet. Dies bricht ebenfalls unsere Erwartungen an einen durchgehenden Bildstil, und
einer kohärenten fiktiven Welt.
F - Dialog & Stimmen: Der Liedtext verleiht dem Lied in diesem Kontext eine ganz neue Bedeutung.
G - Rhetorische Strategie: der unerwartete Erzählstilwechsel innerhalb der Szene (es wird beinahe zu einem
Musical) wirft uns derart aus der Bahn, dass auch unsere Empathie kurzzeitig aufgehoben wird.
H - Kamera/Schnitt: Der Schnitt von der Nahaufnahme des nach-Worte-ringenden-Arztes zur Totale, als
er das gesuchte Wort endlich findet, ist hier die Ankündigung für die Katharsis. Konventionell sehen wir
nämlich in filmischen Medien die Verwendung von nahen Kameraeinstellungen während dramatischen Aussagen. Die unerwartete Verwendung eines Kinderlieds für eine brutale Aussage entwickelt so noch mehr
Wucht, weil wir durch die (visuelle und empathische) Distanz weniger Empathie mit der Mutter empfinden,
denn es steht nunmehr die gesangliche und körperliche Blödelei des Arztes im Vordergrund. Sie wird aber
dennoch mit in die Totale genommen, damit wir empathisch durch sie gleichzeitig die Katharsis durchleben
können - diesmal im ursprünglichen Sinne Aristoteles’ als Reinigung durch das Erleben vom Jammer und
Schrecken anderer (vgl. Wikipedia, am 29.1.201523).
J - Target: Am meisten Lachen und Spott erntet wohl das Motif selbst: die gesamten Erwartungen an eine
Arzt-Patienten-Unterhaltung wird ins Absurde getrieben.
L - Botschaft: Der Wechsel zu einem Lied ist im Grunde nur eine Blödelei.
Katharsis 3: Banalisieren eines toten Kindes
---------------------B - Sozialer Kontext: seine fröhliche Art ist das genaue Gegenteil dessen, was man an Einfühlsamkeit von
einem Arzt erwartet, der einer Mutter beibringen muss, dass von ihrem Sohn nur noch Brei übrig ist.
F - Dialog & Stimmen: der letzte Satz ist eine Pointe insofern als endlich festgehalten wird, dass ihr Sohn
tot ist.
G - Rhetorische Strategie: die Szene endet auf der höchsten Stufe der Uneinfühlsamkeit des Arztes, und
auch auf ein direktes Ansprechen eines Tabuthemas - ein totes Kind. Schock-Faktor auf verbaler Ebene.
J - Target: Die Mutter ist zwar Empathieträgerin, wirkt durch ihre stilisierte Sprache und die Männerstimme
aber gleichzeitig lächerlich, als sie gespielt vor sich hin wimmert. Der Arzt schockiert uns mehr als dass wir
ihn auslachen.
L - Botschaft: Ein uneinfühlsamer und unempathischer Gedanke: «Nicht weinen, mach ein neues Kind.»
22 Für eine Erläuterung dieses Phänomens, siehe http://netforbeginners.about.com/od/weirdwebculture/f/What-Is-an-Internet-Meme.htm (abgerufen
am 29.1.2015)
23http://de.wikipedia.org/wiki/Katharsis_(Literatur)
47
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Trickfilmspezifische Aspekte:
Die trickfilmspezifischen Aspekte sind erneut vor allem Bildstil, Stimmen und Bewegungen der Figuren.
Da die Sequenz nur zwei agierende Figuren beinhaltet, wurde diesmal die Empathietragende Figur - die
Mutter - teilweise zur Humorträgerin. Wäre sie reine Empathieträgerin, würde dies dazu führen, dass die
Hälfte der Aktionen und Dialogen nicht humorvoll wären. Dank ihrer «falschen» Stimme kann jeder ernst
gemeinte Satz ebenfalls lächerlich wirken. Sie muss dennoch ein Mindestmass an Empathie im Zuschauer
hervorrufen, weil sonst die kathartischen Momente weniger stark einschlagen würden. Alle drei kathartischen Momente wären zwar theoretisch in einer Realfilmcomedy ebenfalls durchführbar, jedoch müsste
dabei ein als Frau gekleideter Mann die Rolle der Mutter übernehmen. Dies würde eventuell just dieses
mindestmass an Mitleid & Empathie verschwinden lassen, welche für die Katharsis von Vorteil ist - denn
das reale Bild einer Totale eines als Frau verkleideten Mannes hätte weniger diegetische Glaubwürdigkeit
(die hier dank der trickfilmspezifischen «suspension of disbelief» gegeben ist). Die trickfilmspezifischen
Aspekte sind hier also rein formal, aber zu Zwecken der Empathie nicht weniger nützlich.
Empathie VS Humor
Arzt = Humorträger
Mutter = Empathieträger / Humorträger
48
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
5.4 Zusammenfassung Beispielanalyse
Trickfilmspezifische Elemente der Katharsis
In Beispiel 1 ist das Wiedererkennen unterdrückter egoistischer Triebe in den formal ikonischen Trickfilmfiguren für die Katharsis besonders dienlich. Dass sie durch ihre «unschuldigen» Kindergestalten stets aufs
neue unsere Empathie zu wecken versuchen, nur um sich dann gegen alle Konventionen zu wenden und
uns zu schockieren, funktioniert besonders gut durch ihren reduzierten Stil.
Auf der inhaltlich-narrativen Ebene gibt es in allen Beispielen nur zwei Situationen, die für einen Realfilm
«unmöglich» wären (oder zumindest in der Umsetzung viel weniger lustig), nämlich: Cartman’s brutaler
Sturz vom Dach in Beispiel 1 (welcher Katharsis 1 und 2 auslöst), und Peter’s Rhinozerosszene in Beispiel
2 (Katharsis 2).
Empathische Figuren
Alle Beispiele enthalten mindestens eine Figur, die komplett unempathisch auf ihre Umwelt reagiert und
uns ein empathisieren mit ihr unmöglich oder unerwünscht machen, und zwar ist dies in jedem Beispiel
der Arzt. Ebenfalls enthalten alle Beispiele eine Figur, die ganzheitlich oder zu einem Grossteil den «Normalzustand» von sozialem Verhalten und empathischen Fähigkeiten darstellt. Dies ist in allen Fällen die
weibliche Figur. Der Patient hat indes, wo er sichtbar ist, eine Mischfunktion: er weckt Mitleid in seiner Opferrolle (der Untersuchung, des Spottes, der Bewertung durch Aussenstehende), wir empfinden aber eher
Sympathie als Empathie. Denn die Patienten weisen Rücksichtslosigkeit, Selbstüberzeugung und Arroganz
auf (wie in Beispiel 1) oder Dummheit, Naivität und Absurdität auf (wie in Beispiel 2) und lassen uns so
aus Selbstschutz vor der Identifizierung mit ihnen eine distanzierte Haltung einnehmen. Dies erleichtert
uns dafür das distanztheoretische Lachen.
Es folgen nun einige Gegenüberstellungen von Trickfilmbeispielen und thematischen Realfilmpendants. Dabei soll sich herausstellen, ob die soeben genannten «typischen» Trickfilmelemente sowie die Verwendung von Empathischen Figuren auch
wirklich exklusiv auf ihr Medum zugeschnitten sind, oder ob es
sich um allgemeine Humormethoden handelt, die sich lediglich
besonders oft im Medium Trickfilm wiederfinden.
49
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
6. Gegenüberstellung Realfilm - Trickfilm
In folgenden Beispielen versuche ich, für die oben erwähnten trickfilmspezifischen Elemente im Einsatz mit
Katharsis Pendants aus dem Realfilm zu finden. Dies sollte meine ursprünglichen Fragen, inwiefern Trickfilme ihre typischsten Merkmale für kathartische Momente anwenden und ob sie Empathie anders als im
Realfilm einsetzen um die Anteilnahme und Distanzierung des Publikums zu manipulieren.
A1
50
Abb. 19: Cartman›s brutale Landung
A2
Abb. 20: Workaholics - ein besoffener Unfall
B1
Abb. 21: Cartman flucht in der Gegend herum
B2
Abb. 22: Eein gar sehr frühreifes kleines Mädchen
C1
Abb. 23: Family Guy›s absurde Rhinozerosmetapher
C2
Abb. 24: Monty Python›s absurde Erklärung
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
A1 & A2: Gewalt -
oder das plötzliche Auftreten des naturalistischen innerhalb der Fiktion
South Park stellt ungehemmt und mitleidlos Cartman’s Unfall dar - zwar von weitem gesehen, aber mit überraschend naturalistischen Soundeffects. Kurz zuvor konnten wir uns allerdings dank seiner übertriebenen
Selbstüberzeugung und Selbstherrlichkeit von seinem «edlen» Vorhaben, einen ersten Flug zu wagen, distanzieren, sodass wir seinen Sturz moralisch als «Folge seiner selbstverschuldeten Dummheit» wahrnehmen
konnten. Somit ist unser kathartisches Lachen einerseits Resultat des Schocks vom unerwarteten Wechsel
von der Trickfilmdiegese in etwas sehr realistisches, aber es ist teilweise auch ein ganz simples Auslachen
als Distanzierungsmassnahme.
Die amerikanische Serie Workaholics (2011 a dato auf Comedy Central) arbeitet gerne mit visuellen graphischen Shock-Faktoren, wie in diesem Beispiel das Aufspiessen des Charakters im Morgenmantel, der
sich in einen Schaukasten voller Trophäen stürzt (man sieht im Bild den Sockel aus seiner Bauchgegend
herausragen). Er war allerdings zum Zeitpunkt dieser Aktion vollkommen betrunken, was unser Mitleid für
ihn gleich wie bei Cartman aus Gründen seiner selbstverschuldeten Dummheit sinken lässt. Trotzdem ist
der somatisch empathische Effekt einer solchen Darstellung mit einem realen Menschen sehr viel höher als
beim Betrachten Cartman’s auf Grundformen reduzierten Körpers.
Auf somatischer Ebene könnte man sagen, dass der Realfilm solche Momente schockierender naturalistisch darstellen kann als Trickfilme. Anderseits ist es womöglich leichter, sich auf psychologischer und wertender Ebene von diesem Menschen zu distanzieren, da wir uns nicht so stark in ihn hineinprojezieren wie
in Cartman’s ikonischer Kinderfigur. Weniger Empathie führt somit auch zu weniger Beteiligung, und auch zu
weniger Mitleid. Was bleibt ist der somatisch-empathische Schock der Verletzung.
B1 & B2 - Unschuld - oder das befremdliche Distanzieren
Cartman appelliert durch seine Rolle als Kind im Spital an unsere Empathie, zwingt uns durch inkongruentes erwachsenes Verhalten zur Distanznahme, äussert aber dennoch eine tabuisierte Wahrheit, und löst in
uns dadurch eine Katharsis aus. Am Ende hat sie dennoch einen Teil unserer Empathie zurückgewonnen, da
sie einen (wohl unerwünschten aber wahren) Teil unseres eigenen Charakters wiederspiegelt.
Little Britain’s kleines Mädchen, das auf dem Weg zu einer Operation ist, spielt mit seiner Mutter ein Spiel,
indem sie einander eine endlose Reihe von Liebesbeweise zusäuseln. Anfänglich wirken alle Figuren sehr
unschuldig, und nutzen dies um unsere Sympathie und Empathie zu gewinnen. Dies ist der letzte, zur Pointe
führender Wortwechsel ihres Dialoges:
Kleines Mädchen: «I love you more than Snoopy»
Mutter: «I love you more than cupcakes»
Kleines Mädchen: «I love you more than black cock.»
Das kleine Mädchen wechselt von Empathieträgerin auf einen Schlag in eine Humorträgerin. Kathartisches
Lachen entsteht durch unerwartete Brechen des Tabus der kindlichen Unschuld, sowie das verbotene Aussprechen solcher Vorlieben in der Öffentlichkeit - besonders im Familienkreis. Dies ist so schlecht mit
unserem Bild von Kindern vereinbar, dass wir innerlich sofort Distanz einnehmen und sie womöglich auch
wieder mehr als «ein als Mädchen verkleideter Darsteller» wahrzunehmen versuchen. Das Mädchen in ihrer
Rolle (unschuldiges Kind im Spital) appelliert ebenfalls an unsere Empathie, zwingt uns ebenfalls durch
inkongruentes erwachsenes Verhalten zur Distanznahme. Sie äussert allerdings eine tabuisierte sexuelle
Vorliebe statt einer allgemein-menschlicher egoistischer Haltung. Die Szene endet also mit einer stärkeren
befremdlichkeit dem Mädchen gegenüber als die Szene von South Park.
C1 & C2: Pointe im Nichts -
Der Schnitt ins Absurde
51
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Family Guy’s absurde Schlussszene, die den gesamten vorherigen Erzählbogen bricht, und dazu noch etwas
komplett unmögliches aufzeigt, scheint sehr trickfilmspezifisch und postmodern im Umgang mit Montage
und Erzählrhetorik. Doch mit einem Blick zurück zu den Königen des Absurden, Monty Python, wird schnell
klar dass solche Methoden längst keine neue Trenderscheinung sind. Die unteren Bilder sind zwei aufeinanderfolgende Einstellungen desselben Monty Python Sketchs, «Flying Sheep» aus dem Jahr 1969. Der
Sketch ist Teil von Episode 2: «Sex and Violence24 (vgl.Wikipedia, am 20.1.2015)
Was die kathartische Reaktion in der Rhinozerosszene ausmachte, war zuerst einmal der Wechsel von
einem ernsten Schauplatz in einen unernsten (unernst nur deshalb, weil es eine unmögliche Situation darstellt) und die einhergehende Lösung einer thematischen Anspannung. Dann kommt die Realisation, dass
dies gleichzeitig das Ende der vorherigen Szene war, und wir überhaupt keine befriedigende Schlussfolgerung bekamen - was eine Lösung des dramaturgischen Spannungsbogens bewirkt. Und als letztes kommt
der leichte Schock ab der unmöglichen Situation an sich, der wir nicht einmal mit all unserer «suspension of
disbelief» folgen können. Sie bricht schlichtweg alle Regeln der zuvor aufgestellten fiktiven Welt.
Und wie sieht es bei «Flying Sheep» aus?
Abb. 25: Der Landmensch versuchen sich zu erklären, weshalb seine
Schafe wohl glauben, dass sie Vögel seien, und zu fliegen versuchen.
Abb. 26: Schnitt auf zwei Klischeefranzosen, die zwar nicht erklären,
weshalb seine Schafe dies glauben, dafür aber wie ein flugfähiges Schaf
konstruiert sein müsste, um kommerziell erfolgreich zu werden.
Oben links (Abbildung 25) sehen wir eine relativ naturalistische Einstellung, in der ein Stadtmensch und
ein Landmensch sich darüber unterhalten, dass eine Herde Schafe sich seit einigen Wochen nur noch in
Bäumen aufhält.
Darauf folgt unerwartet ein Schnitt zu einer diegetisch komplett verschiedener Einstellung (Abbildung 26).
Die einzige Verbindung zur vorherigen Szene ist die Erwähnung eines fliegenden Schafes (genau wie bei
Family Guy, wo die einzige Verbindung Peter’s Erwähnung der Rhinozerosmetapher war).
Von einer naturalistischen Situation wird zu einer absurden gewechselt, was die thematische Anspannung
auflöst (die erwartete Pointe der Szene fällt aus). Dann kommt ein leichter rhetorischer Schock, wenn uns
bewusst wird dass diese Figuren komplett stilisiert parodistisch sprechen und angezogen sind, und einen
völlig anderen Humorstil vertreten. Die fiktive Welt dieser neuen Einstellung hat nichts mehr mit der zuvor
aufgestellter fiktiver Welt zu tun.
In beiden Fällen sind wir bisoziativ überfordert, müssen überschüssige Energie loswerden die wir im Hinblick auf eine Pointe zur Auflösung des dramaturgischen Spannungsbogens angestaut hatten, und werden
vom reinen Schock des Weltenwechsels ebenfalls zu einem Überforderungslachen veranlasst.
24http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Monty_Python%27s_Flying_Circus_episodes
52
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
7. Schlussfolgerungen
Die letzten Tabuthemen
Von den drei Hauptmerkmalen der drei analysierten Beispiele liessen sich relativ passende Realfilmpendants finden, was aufzeigen könnte, dass es nichts grundlegend Trickfilmspezifisches gibt, was Realfilme
- unter denselben Zensurbedingungen - nicht ebenfalls darstellen könnten. Dies ist zwar eine grobe Extrapolation auf eine schier endlose Fülle an möglichen Szenen und Handlungen, doch nachträglich vermute ich,
dass es nur ein Thema gibt, welches nachweisbar im Realfilm unmöglich darzustellen wäre. Und das wäre
gewisse Arten von verbotenen sexuellen Handlungen, die nur wenige moderne Trickfilme bisher darzustellen
gewagt haben. Wobei Sodomie und Zoophilie in einigen Realfilmcomedies auf verspielte angedeutet werden
können, sind Darstellungen wie die unten (sexuelle Perversionen wie Leichenschändung, härter Sado- Masochismus, angedeuteter Vergewaltigung, oder unten rechts sogar Pädophilie) immer noch ein Tabu für am
Fernsehen ausgestrahlte Realfilmcomedies.
Abb. 27: Die Hauptcharaktere der Serie Drawn Together benehmen sich oft und
ungeniert «der reinen Ekelhaftigkeit wegen ekelhaft»
Abb. 28: In «Miss Teacher Bangs a Boy» verliebt sich South Park›s
Kindergartenlehrerin in einem (sehr) minderjährigen Schüler.
In den obigen Beispielen nutzen die Trickfilme Übersteigerungen
ins Absurde, also eine Verstärkung der
Extreme, um die inhaltlichen Extremen abzuschwächen. Links ist im Kontext z.B. ganz klar, dass es sich um
eine demonstrative und übertriebene Form von Tabubruch handelt, die von der Aussage einer Nebenfigur
provoziert wird:
Miss Taint: «There are a lot of magical and mysterious creatures [who] don’t take too
kindly to those who are disgusting for the sake of being disgusting»
(Drawn Together 2010, Online25)
Die Figuren verharmlosen ihr Verhalten, da sie es als selbstreferenzielle Reaktion tun, als Gag, nur um der
Miss Taint einen Strich durch die Rechnung zu machen. Ein derartiges Ausmass an Abartigem in einem Realfilm wäre aber auch mit einer solchen Ausrede unmöglich, ausser in einem Hardcore-Porno.
Die rechte Abbildung stellt eine pädophile Szene dar. Wir schneiden auf die Szene nachdem der eigentliche
Akt stattgefunden hat - die Lehrerin spricht es aber sogleich aus:
Miss Teacher: «That was unbelievable! I’ve never felt like such a woman before»
(South Park 2006, Online26)
Die Folge distanziert sich aber massgeblich von der Realität indem sie das pädophile Verhältnis übertrieben
darstellt. Statt eines frühpubertierenden Jugendlichen ist das Verhältnis sogar mit einem Kindergärtner
25https://www.youtube.com/watch?v=GRBAWrfdbtw
26http://southpark.cc.com/full-episodes/s10e10-miss-teacher-bangs-a-boy
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Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
entstanden. Eine Tatsache die - wie wir erleichtert innerlich feststellen - die gesamte Situation absurd und,
so hoffen wir zumindest, physisch unmöglich macht. Kathartisches Lachen entsteht hierbei denn auch aus
Erleichterung darüber, dass es eben absurd und fiktiv ist. In einem Realfilm wäre eine solche Darstellung
auf naturalistische Art viel zu nahe an dem Ekelerregenden oder Pornographischen.
Folgende aristotelische Beschreibung von Humor trifft demnach besonders gut auf Trickfilme zu:
„Das Lächerliche ist ein […] Fehler27, der indes keinen Schmerz und kein Verderben
verursacht.“ (Aristoteles, 335 v.Chr. zit. n. Bildung-MV, 2014, S.128)
Fiktive Figuren können der realen Welt und ihren Bewohnern - zumindest physisch - kein Schmerz und Verderben verursachen. Und je stärker sie uns daran erinnern, dass sie fiktiv sind, umso extremer können sie
innerhalb ihrer fiktiven Welt unsere Tabus brechen.
Die Vermutung, Trickfilme seien im Vergleich zum Realfilm durch ihre grössere Entfernung zur Realität auch
dementsprechend freier in ihrer extremen Darstellungen und tabubrechenden Handlungsmöglichkeiten,
scheint allerdings nur auf die äussersten Extreme zuzutreffen. Es scheint nur noch wenige Tabus zu geben,
die dem Trickfilm vorenthalten bleiben.
Empathie und die Gesellschaft
Da Trickfilme eine schwächere somatische Empathie fördern, durch ihre ikonische Erscheinung dafür eine
stärkere emotionale und psychologishe Empathie begünstigen, wären die kathartischen Erleichterungen,
die sie Zuschauern bieten können, auch eher psychologischer Natur. Als Spielplatz für Gedankenexperimente und reflektiver Rebellion haben sie dennoch einen starken Akzent auf das gleichzeitige Darstellen ihrer
Exzesse gesetzt, denn die kathartischen Moment sind besonders effektiv, wenn sie visuell und nicht nur
verbal getriggert werden.
Die stark kathartische Funktion, welche Serien wie South Park in unserer Generation übernehmen, könnten als Gegenreaktion auf eine strikte «political correctness» im Alltag gesehen werden, deren Bruch mit
sofortigem sozialem Stigma einhergeht29. Eine kathartische Erleichterung von diesen Ansprüchen, wenn
auch nur für eine halbe Stunde, finden wir im Betrachten solcher Serien. Um eine weitere Formulierung
Aristoteles’ zu verwenden:
(Glei) «Die Funktion der Komödie dürfte nach Aristoteles also darin bestanden haben,
durch ein kontrolliertes, lokal und temporär begrenztes Ausleben niederer Triebe und
Aggressionen ein Überhandnehmen derselben zu verhindern und so die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu stabilisieren.» (S.299)
Was dürfen wir also von Trickfilmen in der Zukunft erwarten? Werden sie den Boden ebnen für Realfilmcomedies, die ebenfalls versuchen die letzten Tabus zu brechen? Werden sie, wie von vielen befürchtet,
zu einem Abstumpfen unserer Empathie beitragen (vgl. Halson et. al. 2008)? In solchen Unterhaltungen
finde ich es wichtig, Trickfilme nicht als exklusive Träger von moralischen Botschaften und akzeptierten
Verhaltensweisen zu sehen. Was wir als Tabubruch empfinden ist als solcher ja nur wahrnehmbar, weil er
gesellschaftlich auch tatsächlich noch als Tabu wahrgenommen wird. Wir können uns also jedes Mal auch
erleichtert fühlen, wenn ein solches Tabu in seinen Extremen dargestellt wird, denn dies bestätigt stets
seine Gültigkeit in der von uns erlebten Realität. Wichtig ist auch zu vermerken, dass in jeder der erwähnten
Beispiele das Absurde und Unkonforme stets von einer uns erkennbaren Normalität gerahmt wird.
Obwohl ich durch meine Beobachtungen nur wenige exklusiv trickfilmspezifische Auslöser von katharti27
Was Aristoteles als Fehler bezeichnet ist in dieser Arbeit der Abweichung von einer Norm gleichzusetzen.
28
http://www.bildung-mv.de/export/sites/bildungsserver/downloads/Handreichung_Das_-Komische.pdf (am 27.1.2015)
29
Man denke an Tweets von Politikern, die sich wie Lauffeuer verbreiten, wann auch immer nur ein Hauch von Gedankengut herausspürbar
ist das nicht den sozialen Normen der jeweiligen Gesellschaft oder Partei entspricht.
54
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
schen Momenten finden konnte, so kam in denen doch zum Vorschein, dass es sich um formale Aspekte
handelte, die noch lange nicht ausgeschöpft sind von denjenigen Serien und Kurzfilmen, die Erwachsene mit
Schock und Überraschung anzusprechen gewohnt sind.
In Anbetracht der unbegrenzten visuellen Möglichkeiten des Trickfilmmediums sowie einer Era, in der sich
Trickfilmserien für Erwachsene ein Wettrennen um das Brechen neuer Tabus leisten, scheint die Popularität
einer Serie weniger eine Frage von «WAS muss gezeigt werden, um Katharsis auszulösen?» zu sein, sondern
«WIE muss ein Kathartis auslösendes Ereignis gezeigt werden?». Und obwohl das WAS relativ konstant
bleibt gibt es für das WIE eine grosse Bandbreite an indivduellen Geschmacksrichtungen, welche von Serien
als Zielpublikum angepeilt werden können. Empathisch werden wir auch nicht so schnell abstumpfen, wenn
wir dies nicht so wollen: denn es bleibt uns stets den Knopf auf der Fernbedienung oder der simple Mausclick, um uns zurück in eine Realität zu befördern, in der die Tabus noch intakt sind.
55
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Mit Dank an:
Verena Mumford, Frank Hesse, Jonathan Wüst,
Dustin Rees, Felix Colgrave, Meret Landolt und Kata Probst
56
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
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Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
VBildquellen
Abb. 1
Drawn Together, the Movie (2010), Comedy Central, Bildschirmfoto:
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=GRBAWrfdbtw>, gespeichert am 22.1.2015
Abb. 2
Ugly Americans, «Killing The Leonards» (2010), Comedy Central, Bildschirmfoto.
Auf: < http://www.cc.com/video-collections/mkxwxx/ugly-americans-leonard-powers/zdtt4b>, gesichtet am
15.1.2015
Abb. 3:
Brickleberry, (2012-2014), Comedy Central, Promotional Still.
Auf: <http://renewcanceltv.com/wp-content/uploads/2014/05/brickleberry.jpg>, gespeichert am
13.1.2015
Abb. 4
Little Britain›s Daffyd, a.k.a ‹the only gay in the village› (2003-2006),BBC , Promotional Still. Auf: <http://
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Abb. 5
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Auf: <http://www.govexec.com/management/2014/12/video-sketch-comedy-central-show-calls-tsa-agentslistless-sketch-key-peele-terrorism/101235/>, gespeichert am 26.1.2015
Abb. 6
Workaholics, (2011 a dato) Comedy Central, Promotional Still.
Auf: <http://www.theworldsbestever.com/2012/05/22/a-good-mix-of-the-weird/>,
gespeichert am 26.1.2015
Abb. 7
Suslov, M. (1992), Bearbeitete Grafik aus Computer Model of a ”Sense of Humour”, S.7.
Auf: <http://arxiv.org/abs/0711.3197>, aufgerufen am 1.12.2014
Abb. 8
Ebenda, aber von der Autorin weiter bearbeitet.
Abb. 9:
Ebenda, aber von der Autorin weiter bearbeitet.
Abb.10:
Ebenda, aber von der Autorin weiter bearbeitet.
Abb.11:
Cow&Chicken (1997-99), Cartoon Network, Promotional Still.
Auf: <http://unrealitymag.bcmediagroup.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2013/08/cast-of-cow-andchicken-3.jpg>, gespeichert am 23.1.2015
Abb.12
Family Guy, «It›s Thanksgiving in Quahog» (2011), 20th Century Fox, Still.
Auf: <http://www.thanksgiving.com/fun/thanksgiving-tv-episodes-fun/>, gespeichert am 26.1.2015
63
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abb.13
The Simpsons, (1989 a dato), 20th Century Fox, Thanksgiving-Grusskartenillustration.
Auf: <http://meganalton.com/wp-content/uploads/2013/04/simpson-thanksgiving-meal-greeting-card.
png>, gespeichert am 13.1.2015
Abb.14
McCloud, Scott (1993), Understanding Comics/Comics richtig lesen, S.38, gescanntes Bild.
Abb. 15
Happy Tree Friends (2006 a dato), Mondo Media,Promotional Still.
Auf: <http://images5.fanpop.com/image/photos/27500000/Pinjata-happy-treefriends-27554774-450-450.jpg>, gespeichert am 27.1.2015
Abb.16
Dieses Standbild und die folgenden Bildschirmfotos der Beispielanalyse aus:
South Park, «Cartman›s Incredible Gift» (2004), Comedy Central, Bildschirmfoto.
Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift>, gesichtet und gespeichert am 15.1.2015
Abb. 17
Dieses Standbild und die folgenden Bildschirmfotos der Beispielanalyse aus:
Family Guy, «Fat Guy Strangler» (2005), 20th Century Fox, Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk>, gesichtet und gespeichert am 21.1.2015
Abb.18:
Dieses Standbild und die folgenden Bildschirmfotos der Beispielanalyse aus:
Triptank, «Head, Shoulders, Knees and Toes» (2014), Comedy Central, Bildschirmfoto.
Auf: < http://www.cc.com/video-clips/jtm9w1/triptank-head--shoulders--knees-and-toes>, gesichtet und
gespeichert am 20.1.2015
Abb. 19
South Park, «Cartman›s Incredible Gift» (2004), Comedy Central, Bildschirmfoto.
Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift>, gespeichert am
15.1.2015
Abb. 20
Workaholics, «Return of the Ders» (2015), Comedy Cendral, Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=HvvncQi0liM>, gespeichert am 25.1.2015
Abb. 21
South Park, «Cartman›s Incredible Gift» (2004), Comedy Central, Bildschirmfoto.
Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift>, gespeichert am
15.1.2015
Abb. 22
Little Britain USA, «I Love You More Than» (2008), HBO, Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=cgTsQMH1Lhc>, gespeichert am 18.1.2015
Abb. 23
Family Guy, «Fat Guy Strangler» (2005), 20th Century Fox, Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk>, gespeichert am 21.1.2015
64
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abb.24
Monty Python, «Flying Sheep» (1969), BBC, Bildschirmfoto.
Auf: < https://www.youtube.com/watch?x-yt-ts=1422579428&x-yt-cl=85114404&v=Vkw2DdoskPY>,
gespeichert am 22.1.2015
Abb. 25 & 26
Ebenda
Abb. 27
Drawn Together, the Movie (2010), Comedy Central, Bildschirmfoto:
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=GRBAWrfdbtw>, gespeichert am 22.1.2015
Abb. 28:
South Park, «Miss Teacher Bangs A Boy» (2006) Comedy Central, Bildschirmfoto.
Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s10e10-miss-teacher-bangs-a-boy>, gespeichert am
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VI
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Abb. I
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Abb. II
Steamboat Willie (1928), Walt Disney, Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=ogI0kvc5Vw0>, gespeichert am 23.1.2015
Abb. III
Oswald the Lucky Rabbit: «Wolf Wolf» (1934), Universal Cartoon, Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=ge6PDCx7zT4>, gespeichert am 23.1.2015
Abb. IV
Silly Symphonies, «Three Little Pigs» (1933), Walt Disney, Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=zEunxzlC5Yg>, gespeichert am 22.12.2014
Abb. V
Bugs Bunny, «The Wabbit Who Came To Supper» (1942), Warner Bros. Cartoons, Bildschirmfoto.
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Abb. VI
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Abb. VII
Bugs Bunny, Herr Meets Hare (1945), Warner Bros. Cartoon, Still.
Auf: <http://addbcdbimages.s3.amazonaws.com/wb/herr_hare4.jpg?u=>, gespeichert am 15.1.2015
65
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abb. VIII:
Bugs Bunny, Herr Meets Hare (1945), Warner Bros. Cartoon, Still.
Auf: <http://www.filmoteca.cat/web/sites/default/files/activitats/8317/imatges/herr.jpg>, gespeichert
am 15.1.2015
Abb. IX
The Flintstones (1960-66), Hanna-Barbera, Promotional Still.
Auf: <http://timeentertainment.files.wordpress.com/2011/07/01_top10cartoonthemesongs1.
jpg?w=480&h=320&crop=1>, gespeichert am 15.1.2015
Abb. X
The Jetsons (1962-87), Hanna-Barbera, Promotional Still.
Auf: <http://www.philosophymatters.org/wp-content/uploads/2012/07/jetsons.jpg>,
gespeichert am 15.1.2015
Abb. XI
The Simpsons, «Bart vs. Thanksgiving» (1992), 20th Century Fox, Still. Auf: <http://www.thesun.co.uk/sol/
homepage/showbiz/tv/3274911/Hand-over-the-doh-Santa-Claus.html>, gespeichert am 23.1.2015
Abb. XII
SouthPark, «Erection Day» (2005), Comedy Central, Bildschirmfoto.
Auf: <http://southpark.wikia.com/wiki/Erection_Day>, gespeichert am 23.1.2015
Abb. XIII:
The Ren & Stimpy Show (1991-96), Nickelodeon, Still.
Auf: <http://www.wallpaperup.com/184550/REN_and_STIMPY_ep.html>, gespeichert am 23.1.2015
Abb. XIV:
Felix Colgrave, «Full Body Prolapse» (2012), Bildschirmfoto.
Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=WbG1lPDFYBI>, gespeichert am 27.1.2015
Abb. XV:
Felix Colgrave, «Water to Wine» (2014), Still.
Auf: <http://img.youtube.com/vi/213T5grWfVw/0.jpg>, gespeichert am 30.1.2015
66
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
VIIGlossar
Aus verschiedenen Auflistungen habe ich folgende Genres zusammengetragen, die für mich im Kontext der
Analyse von kurzen Trickfilm- und Realfilmcomedysequenzen sinnvoll erscheinen1:
Die Bösen:
Satire
Schwarzer Humor/Morbider Humor
Die Absurden:
Anarchischer Humor
Burlesque/Hyperbolic/Droll
Die Wortlastigen:
Situationskomik
Standup/Schwank
Die Schenkelklopfer und Schadenfreudige:
Parodie
Farce/Screwball
Slapstick/Gags/Props
Trickfilme und Sketchcomedyshows sprengen den Rahmen dieser Genrekategorien jedoch oft schon damit,
dass sie in jedem ihrer Sketches oder nach Bedarf für den Zweck eines einzelnen Witzes in ein anderes
Genre wechseln könnten. Gewiss hat aber jeder Trickfilm eine Häufung von Eigenschaften im Einsatz von
Humor, welches man als ihren Humorstil bezeichnen könnte. Die Bandbreite an Stilen, innerhalb der sich
einzelne Trickfilme bewegen ist grösser, je anarchischer und postmoderner eine Show sich gibt.
Was unser Lachen schlussendlich auslöst ist aber, egal in welchem Genre, auf dieselben Grundimpulse
reduzierbar.
Satire
Ein anprangernder, beissend spöttischer Humor, der stets Kritik an einem Zustand äussert. Menschliche
Schwächen und gesellschaftliche Missstände werden meist auf die Spitze getrieben dargestellt, um eine
intrinsische Aussage über deren Rechtfertigung in der Gesellschaft oder der Verachtungswürdigkeit zu
machen.
(Beispiel: South Park, The Simpsons)
Schwarzer Humor/Morbider Humor
Tabus werden gebrochen, von der Gesellschaft mit Samthandschuhen behandelte Themen werden auf die
leichte Schulter genommen (Tod, Krieg, Vergewaltigung, Abtreibung etc...) und eine sehr pessimistische
Weltansicht vertreten.
(Beispiel: South Park)
Anarchischer/Absurder Humor
Hier entsteht der Witz in einer art «steam-of-consciousness» Manier, bei der wenig rationaler Zusammenhang zwischen Handlungen und Resultat und viel Absurdität herrscht. Oftmals sehr wortlastig. Kann aber
auch durch eine Reihe unerwarteter Gags und Slapsticksequenzen eintreten. Das Ziel ist es, den Zuschauer zu schockieren, verwirren und aus dem Kontext des eigentlichen Erzählstranges zu reissen.
(Beispiel: Brickleberry, American Dad)
Burlesque/Hyperbolic/Droll
Ein auf groteske Übertreibungen spezialisiertes Genre, in dem oftmals mit dem Dargestellten oder Gesagtem mehrere Tabus gebrochen werden.
(Beispiel: TripTank, oft auch South Park Folgen)
Parodie
Sich über ein bekanntes Genre, eine bestehende Geschichte oder eine real existierende Person mockieren, oder durch Übertreibung seiner Seriosität berauben. Setzt beim Zuschauer ein Vorwissen voraus, ausser es wird sehr platt betrieben (damit sogar Zuschauer, die mit dem Motif wenig vertraut sind, doch noch
draufkommen können) oder mehrschichtig (damit die Zuschauer, die das Motif nicht wiedererkennen, den
Witz auf einer anderen Ebene trotzdem lustig finden)(Beispiel: Robot Chicken, oft auch South Park Folgen)
1
http://www.dailywritingtips.com/20-types-and-forms-of-humor/ (16.12.2014) sowie http://de.wikipedia.org/wiki/Humor (16.12.2014) und
http://thescriptlab.com/screenplay/genre/comedy# (am 15.1.2015)
67
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Farce/Screwball
In steigender Geschwindigkeit aufeinanderfolgende Ereignisse, die Verwirrung oder Chaos auslösen und
übertriebene Reaktionen erzwingen. Enthält Slapstick und Prop-Gag Elemente, dient aber trotzdem der
Weiterführung eines angefangenen Erzählstranges. Oftmals ist es ein Farce/Screwball-Element, das im
2. Akt einer Trickfilmgeschichte den Plot vorantreibt und zum Höhepunkt der Erzählung führt - nämlich der
meist unerwarteten Lösung des Problems oder der totalen Katastrophe.
(Beispiel: The Simpsons, Brickleberry)
Slapstick/Gags/Props
Bezeichnend für den Slapstick ist eine durch körperliche Aktion hervorgerufene Komik, die ohne Worte
auskommt und meist isoliert (also ohne Auswirkungen auf den höheren dramaturgischen Bogen, siehe
«Screwball/Farce») auftritt: harmlose Unfälle wie das Ausrutschen auf einer Banane und Dominoeffekte
die im klassischen fallenden Klavier enden, zum Beispiel. Auch das Spiel mit lustigen Objekten oder deren
Manipulation fällt in diese Kategorie. Ich würde ebenfalls die Verwendung und Darstellung von härterer
physischer Gewalt hier einordnen.
(Beispiel: Tom&Jerry, Happy Tree Friends)
Situationskomik
Wichtig ist eine immer gleiche Grundausstattung an Orten und Figuren in einer kohärenten Welt, deren Abläufe und Normen immer aufs Neue gebrochen werden und den Erzählstrang aus der Bahn geraten lassen.
Alltagssituationen können sein; ein Familienausflug oder der Arbeitsalltag einer Figur. Funktioniert selbst
dann, wenn diese gar nicht Menschlich sind z.B. Meermenschen unterwasser, Tiere in einem zoo oder
Aliens auf einem anderen Planet.
(Beispiel: The Simpsons, Futurama, aber auch Family Guy & South Park)
Wortwitz/Schwank
Dialoglastiges Genre, welches von schnellen Wortwechseln zwischen zwei oder mehr Charakteren lebt.
Tendiert zum «Talking Heads» Trope2 bei Animationen (=keine Aktion, nur Dialog), kommt aber selten alleine vor. In den meisten Sendungen ist es lediglich ein Teil eines besonders gelungenen Scripts, wenn zwei
Charaktere sich ohne grössere Handlung auf witzige Weise miteinander unterhalten können.
2
68
vgl. http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/TalkingHeads (am 15.1.2015)
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
VIIITrickfilmhumor
Ein historischer Abriss
Abbildung I: The Skeleton Dance (1929): Walt Disney.
Abb. II: Steamboat Willie (1928), Ub Iwerks für Walt Disney.
Anthropomorphe, charakterlose Figuren unterhalten mit Gags und musikalischen
Einlagen. Durch präzise Animation wird somatische Empathie gefördert.
Mickey wird zu einer empatisch nachvollziehbaren Figur mit Charaktertiefe.
Er unterhält aber weiterhin mit Gags und musikalischen Einlagen.
1920er Jahre: Disney’s Zauberformel
Die ersten Trickfilme, welche ab 1920 in den Kinosäälen der westlichen Welt Einzug hielten, überraschten
und unterhielten ihr Publikum durch ihre reine Existenz. Musikalische Trickfilme waren das non plus ultra
der damaligen leichten Unterhaltung, welche plump ausgedrückt darin bestand, dass lustige Figuren sich
zu lustiger Musik lustig bewegen.
In Sergej Eisenstein’s gesammelten Notizen zu Walt Disney, von Oksana Bulgakowa und Dietmar Hochmuth
herausgegeben, singt Sergej Eisenstein ein Loblied auf das scheinbar grenzenlos wandelbare «ProteusElement» der beweglichen und beliebig manipulierbaren Trickfilmfigur in diesem «Theater der Entzückung»
(Bulgakowa & Hochmutz, 2011, S.81-83).
Flaig postuliert, dass in den frühesten Trickfilmen das Sehvergnügen fürs Publikum weniger mit der Geschichte zu tun hatte, sondern durch empathische «Propriozeption» hervorgerufen wurde - also ein durch
Spiegelneuronen hervorgerufener Nachempfindungsversuch des Hirns beim Betrachten von Bewegungen,
die auf uns als Betrachter fremd wirken, übertrieben erscheinen, oder schlichtweg für die menschliche
Anatomie unmöglich sind. (vgl. Flaig, 2012, S. 12)
’Draw[ing] an audience in’, to recall Johnston and Thomas’s phrase, here means not an
emotional identification with a character caught up in a dramatic situation but rather a
bodily engagement suddenly alive to a shockingly funny world. The constant motion and
transformation produce a sensation of liberated movement within the audience’s now
engaged proprioception. (Flaig, X X X X)
Dies wird manchmal auch mit «somatischer Empathie» bezeichnet (vgl. Florschütz und Hanich), die in Kapitel 2 bereits ausführlicher behandelt wurde. Ebenfalls wichtig für damalige Trickfilme war der Einsatz von
«Gags», wie sie in der Stummfilmera besonders populär waren.
«Gags provide small units of action that do not require sustained concentration on the
part of audience members or the retention of narrative information over a long duration
of time. Instead, gags bombard audiences with aural and visual information intended to
sustain laughter. The gags appearing in animation can be seen as an equivalent to the
slapstick comedies (...) (Furniss, P.95»
69
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Die ersten Trickfilme mussten ein breites Publikum begeistern können, denn in den Kinosäälen waren
nicht selten auch Familien mit Kindern und jugendlichen anwesend. Die frühsten Silly Symphonies zeigten
also vornehmlich anthropomorphisierte Gruppen von sympathischen Tieren, Pflanzen und Fantasiefiguren,
die in keinen dramaturgischen Bogen eingebettet waren, sondern isolierte unterhaltsame Handlungen
vollzogen. Die Figuren sprachen auch nicht in Dialogen miteinander, sondern sangen höchstens diegetisch
miteinander.
«During the silent era1 of animation, a gag structure - one funny incident after another,
with little or no plot development - already was considered the most commercially desirable formula for entertainment purposes.» (Furniss, 2013, S. 95)
Disney’s frühe Entdeckung der gewinnbringenden Möglichkeiten des Merchandising markierte bereits in
den 20er Jahren eine definitive Abkehr von erwachsenem Humor, um sein Branding klar von anderen Studios abzuheben. (frei nach Furniss, 2007, S.124)
In den 20er Jahren wurden aber auch schon Figuren mit spezifischen Attributen, Zielen und Charakterentiefe entwickelt, z.B. der schnell zum Star avancierte Mickey Mouse im Klassiker Steam Boat Willy (siehe
Abbildung).
Zwar handelt es sich immer noch um Gag-orientierte Komik, wie bei der Silly Symphonie «The Three Little
Pigs» (siehe Abbildung X X ), in der Unfälle und Streiche die Geschichte vorantreiben. Ebenso sind die
Figuren immer noch anthropomorphisierte Tiere. Aber die detaillierten Gesichtsausdrücke und emotionale
Reaktionen auf andere Figuren lassen Zuschauer leichter eigene Gefühlslagen und Erfahrungen in ihnen
wiederfinden. Gut und Böse wird klar definiert, und somit wird auch der Zuschauer dazu motiviert, Partei
zu ergreifen und sich moralisch am Gesehenen zu beteiligen. Glücklicherweise für den Zuschauer gab es
damals noch eine sehr klare Unterscheidung zwischen Held und Bösewicht (siehe Abbildungen unten).
Abb. III: Oswald the Lucky Rabbit in: «Wolf Wolf» (1934) Ub Iwerks. Der Wolf
spricht sich Mut zu: «These lambs are pretty smart, I gotta use my head...»
Abb.IV: The Three Little Pigs (1933), Walt Disney. Der Wolf spricht ein Klischee für
Erwachsene an: «I›m the Fuller Brush man, I work ‹me way through college!»
1930er Jahre: Fiat Vox
Mit dem Ende der Stummfilm-Era um 1929 herum (Zitat Wikipedia) nahm auch die Popularität von Slapstickhumor und Gag-lastigen Filmen ab. Regisseure und Schauspieler im Realspielfilm nutzten diese neue
Möglichkeit des Dialoges rege: eine intellektuell anspruchsvolle, Wortwitz- und Wortwechsel-lastigere
Form von Humor wurde in Comedyfilmen populär. In der Animationsbranche fand gleichzeitig ein ähnlicher
Wandel statt: die Einführung von sprechenden Figuren mit mehr Charakterentiefe. Mit der Verwendung von
Sprache wurden gewisse Trickfilmfiguren auch ein Stück erwachsener:
1 mit «silent» wird hier nicht ’ohne Ton’, sondern ’ohne Sprache’ gemeint
70
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
In den Beispielen Wolf, Wolf oder Three Little Pigs (Abbildungen X & X) basiert der Humor zwar weiterhin auf
Gag-lastigen Sequenzen und Schadenfreude ob der Niederlage des Bösen Wolfes. Wir finden im genannten
Beispiel der Abbildung XXX aber auch schon einige Anspielungen, die an ein älteres Publikum gerichtet
sind. Zum Beispiel die Aussage des verkleideten Wolfes der, an der Türe des Schweinchens klopfend behauptet, dass er Bürsten verkaufe um sich sein Universitätsstudium finanzieren zu können2 (siehe Abbildung X unten).
Gedankengänge der Charaktere werden zum ersten Mal nachvollziehbar erörtert (siehe Bildunterschrift der
Abbildung X). Nun können Trickfilmfiguren zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden und somit moralische Standpunkte einnehmen oder hinterfragen. Unser empathischer Reflex als Zuschauer ist daher, uns
ebenfalls mit denselben Gedanken und Fragen zu befassen, wie sie uns von den Trickfilmfiguren vorgelebt
und vorgedacht werden.
Abb. V: The Wabbit who Came to supper (1942), Warner Bros.
Ein selbstsüchtiger und sadistischer Bugs Bunny macht dem dümmlichen Elmer Fudd das Leben schwer: das Publikum liebt ihn dafür.
Abb. VI: Red Hot Riding Hood (1943), M.G.M. Cartoons.
Ein lüsternder Wolf verführt eine attraktive Nachtklubsängerin.
1940er Jahre: Moral und Anarchie
Wo Moral im Spiel ist, kann aber auch unmoralisches Verhalten dargestellt werden. Es kann auch mit
unmoralisch agierenden Charakteren Sympathie erweckt werden - und dies markiert womöglich den ersten
Schritt zu einer Aufteilung von Humor in Altersgruppen. Denn nun gab es also Trickfilme, in denen klare
moralische Aussagen gemacht werden, und andere, in denen anarchistische und rebellische Hauptfiguren
gegen unsere gesellschaftlichen Konventionen verstossen, ohne die Sympathie der Zuschauer zu verlieren:
denn ihre clevere und überlegene Art gekoppelt mit der doch relativer harmlosigkeit ihrer Aktionen (es sind
schliesslich alles «nur Trickfilme» die unsere Realität nicht physisch tangieren) und der zeitweiligen unsympathischen Natur ihrer «Opfer» (auch der simpel gestrickte Elmer Fudd in Abbildung XX hat seine unsympathischen Momente) liess sie am Ende als Sieger dastehen. Zuschauer sympathisieren von Natur aus mit
der anfänglich unterlegenen Figur, vor allem wenn sie am Ende der Geschichte die Oberhand hat.
Elemente, welche die vierte Wand3 durchbrechen, wurden ebenfalls vermehrt eingesetzt, um die anarchische Stimmung dieser Trickfilme zu steigern und dem Publikum immer wieder ihrer Rolle als fiktive (und
somit harmlose) Figuren in Erinnerung zu rufen (siehe Abbildung XX).
Der Humorstil erlebte auch eine ruckartige Beschleunigung durch zackige Dialoge, jeder Satz mit Anspielungen und Wortwitzen gespickt. Trickfilme verloren noch lange nicht das ursprüngliche visuelle SlapstickElement, mit dem sie angefangen hatten, aber die Gags überschlugen sich beinahe bei dem aufgedrehten
Tempo vieler besonders vom Studio Metro-Goldwyn-Mayer produzierten Trickfilme.
2
Dieser Satz war zum Zeitpunkt der Erstaufführung sogar mit einem starken Yiddishen Akzent vom Wolf gesprochen worden. Die Verwen-
dung dieses Stereotyps des hausierenden Judens wurde nachträglich durch eine akzentfreie Version ersetzt. Die Verwendung eines Stereotyps dieser
Art ist aber ebenfalls zu vermerken als ein Humorelement, das sich vornehmlich an Erwachsene richtet.
3
Die «vierte Wand» bezieht sich auf die imaginäre, unsichtbare Wand zwischen den Schauspielern auf der Bühne und dem Publikum. Diese
Wand zu «durchbrechen» und das Publikum anzusprechen würde bedeuten, seine eigene Funktion als fiktive Figur zu durchschauen und somit auf die
narrative Struktur des Dramas direkt Einfluss nehmen zu können, z.B. indem man dem Publikum inmitten einer Szene die eigene Meinung mitteilt
(siehe Abbildung X rechts)
71
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abb. VII: Herr Meets Hare (1946) Friz Freeleng für Warner Bros.
Abb. VIII: Herr Meets Hare (1946) Friz Freeleng für Warner Bros.
Bugs Bunny Parodiert Hitler, und ein «echter» Göring unterwirft sich.
Ein selbstreferenzielles Durchbrechen der 4. Wand
Dies war auch das Jahrzehnt der Propagandafilme, und Trickfilme boten sich als filmisches Medium
ideal dafür an, bewegte Karikaturen gesellschaftlicher Feinde darzustellen. Kriegspropaganda als Thema
werde ich nicht weiter ausführen, jedoch ist dies ein Bereich, der eindeutig an ein erwachsenes Publikum
gerichtet war. Der Einsatz von Karikaturen oder realistischeren Darstellung realer Personen, Politiker sowie
Hollywood Stars sei hier noch besonders hervorzuheben. Denn auch diesen Einsatz richtet sich vornehmlich an ein erwachsenes Publikum.
1950er Jahre: der Fernseher löst die Kurzfilme ab
Was bereits in den 40er Jahren begann, stellte sich als erfolgreiche Formel heraus. Anarchische, selbstreferenzielle Figuren, Parodien, Gastauftritte realer Persönlichkeiten und ein sehr schneller, zum Teil brutaler
Humor. Erwachsene Elemente wie Alkoholkonsum, Zigaretten, angedeutete Rotlichtmilieus und Glücksspiele waren keine Seltenheit und schienen sogar den Zensurbureaus nichts weiter auszumachen (vgl. Furniss,
2007, 201)..
1955 stellte Walt Disney aber nach mehreren Streiks und einer unbefriedigenden Rendite die Produktionen
seiner Kurzfilmabteilung endgültig ein. Nur zwei Jahre später folgte ihm das Studio Metro-Goldwyn-Mayer,
das seine Animationsabteilung mangels zufriedenstellender Rendite während einer grösseren Umwälzung
der Führungskräfte schliessen liess (vgl. Wikipedia, 23.1.20154). Als Letzter der drei grossen Kurzfilmstudios würde Warner Brothers seine Trickfilmabteilung 1960 schliessen lassen, womit die goldene Era der
kurzen Trickfilme für die Kinoleinwand endgültig beendet wurden (vgl. Wikipedia, am 28.1.20155).
Da der Markt für Spielfilmanimationen grösstenteils von Disney beherrscht wurde, suchten viele der entlassenen Animatoren nach Alternativen, um ihr kreatives Schaffen weiterführen zu können, und fanden ein
neues Medium vor: das Fernsehen, das seit dem Ende des Krieges besonders in der Mittelklasse stetig
an Nachfrage zunahm.
Bis Mitte der 50er Jahre war die Idee, ganze Animationsserien in einem halbstündigen Format herzustellen, immer noch vollkommen undenkbar. Animationen erschienen am Fernsehen nur für Werbefilme und
in gewissen Kindersendungen, und immer in einem Stil mit extrem reduzierten Arbeitsaufwand, was die
Animationshistorikerin Maureen Furniss auf nicht-wertende Art «limited Animation» zu nennen pflegt. (vgl.
Furniss, 2007, 126 & 142)
Doch Ex-Studioanimatoren wie William Hanna und Joseph Barbera machten den Sprung und entwickelten
einen Animationsstil für Trickfilmserien, der ähnlich wie die damaligen Werbungen fernsehbudgettauglich
war.
(vgl. Wikipedia, 23.1.20156)
4http://en.wikipedia.org/wiki/Metro-Goldwyn-Mayer
5http://en.wikipedia.org/wiki/Warner_Bros._Cartoons
6http://en.wikipedia.org/wiki/Hanna-Barbera
72
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abb. IX: The Flintstones (1960-66) Hanna Barbera Studios.
Abb. X: The Jetsons (1962-87) Hanna Barbera Studios.
Eine prähistorische Familienidylle.
Eine futuristische Familienidylle
Rather than producing films for the ’big screen’, animation studios began
creating work for a new exhibition venue: the ’small screen’ - television»
(Furniss, 2007, 141)
1960-70er: Die Era Hanna-Barbera
In den 1960ern gab es eine rasante Zunahme an exklusiv für die Fernsehausstrahlung konzipierte Serienanimationen, hauptsächlich durch das Studio Hanna-Barbera. Zum ersten Mal wurde, wie in Realfilmserien,
Publikumsgelächter beigemischt. Situationskomik, Farcen und Familiendramen - klassische Realfilmgenres,
nahmen zu. Zwar wurde die Location dafür mal in die Steinzeitwelt, mal in einen von anthropomorphen
Tieren besiedelter Wald, oder in die Zukunft verlegt, um es aesthetisch etwas spannender zu machen. Jedoch hätte man das meiste, was sich an Handlung zwischen den Charakteren ereignete, ohne weiteres von
realen Darstellern ausführen lassen können.
Die Grenze zwischen dem Humor von realen und gezeichneten Sitcoms verschwamm und das Zielpublikum
wurde wieder bürgerlicher und familienorientierter.
«Hanna-Barbera cartoons compensated for their visual shortcomings with excellent comedy scripts, but before long all the good intentions were defeated by the sheer volume
of work.» (Maltin, 19XX; zit. nach Furniss, 2007, P.145)
Der Trickfilm-Rhythmus hatte sich eindeutig weg von der visuellen Sensation und konstantem Gag-Fluss der
Silly Symphonies zu einer «Talking Heads»-form hin bewegt, in der die Tonebene, sprich der Dialog, die Geschichte vorantreibt, und die Themen statt wilden Fantasieflügen ganz alltägliche Probleme sind, mit denen
sich die Working Class der 50er und 60er Jahre zu Hause vor dem Fernseher leicht identifizieren konnte.
«Rather than detracting fromthe overall quality of the work, its use [limited animation]
actually adds a positive element in terms of storytelling. Limited animation is in keeping
with a kind of middle-class sensibility that is central to the two series, creating a ‹flatness›
in the families› daily lives (...). These two series [King of the Hill & The Simpsons] are
not about people who move fast or have overly exciting lives; limited animation helps to
reinforce this fact visually.» (P.148, Furniss)
Kurzfilme aus vergangenen Jahrzehnten, die am Fernsehen ausgestrahlt wurden, mussten sich zum ersten
Mal einer Zensur unterwerfen. Denn das stark familienorientierte Fernsehmedium erlaubte nun keines der
anfangs Kapitel 3.4. erwähnten Laster in die Wohnzimmer seiner geschätzten Kundschaft auszustrahlen
(vgl. Wikipedia, 28.1.20157).
7http://en.wikipedia.org/wiki/Looney_Tunes
73
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abb. XIII The Ren and Stimpy Show (1991-96), Nichelodeon. Eine der beunruhigend detaillierten Nahaufnahmen von ekelerregenden Körpererscheinungen, die
zum Markenzeichen dieser verstörender Show wurden.
Die wilden 90er: die Grenzen verschwimmen
Die 90er Jahre läuteten einen neuen Boom in Trickfilmen für Jugendliche ein. Privatsender wie Cartoon
Network (Entstehungsjahr 1992) und Nickelodeon (der seine ersten Hauseigenen Trickfilmserien ebenfalls
in 1992 lancierte) entdeckten eine neue Marktlücke für sich: anarchische, parodistische, absurde Kindertrickfilmserien (vgl. Wikipedia, 23.1.20158) - drei Attribute die bisher eher in den Bereich der Erwachsenenserien gehörten. Eine besonders kontroverse Erscheinung davon war die pädagogisch fragwürdige
Sendung The Ren & Stimpy Show (Abbildung gegenüber). Ekelerregende Darstellungen, explizite Brutalität,
sexuelle Anspielungen und beunruhigende psychische Zustände der Hauptfiguren prägten diese Serie, die
zwischen 1991-93 unter Regie von Jim Kricfalusi auf dem Kindersender Nickelodeon lief. (vgl. Wikipedia,
23.1.20159), und auch für (heute erwachsene) ursprüngliche Fans noch als Kultserie geliebt wird.
Den endgültigen Durchbruch einer modernen Trickfilmserie gelang The Simpsons10 (Abbildung gegenüber,
oben links) mit einem fulminanten Start kurz vor dem Dekadenwechsel, im Dezember 1989. Dies war
die erste Trickfilmserie seit Hanna-Barbera’s Flintstones, welche die Besetzung eines heiss umkämpften
«prime-time slots» (also die Sendezeit zwischen 19:00 und 22:00) erhaschen konnte, und überholte die
Flintstones 1997 in ihrem bisherigen Rekord der am längsten laufenden Trickfilmserie. Sie hat seit 2009
auch den stolzen Titel der am längsten laufenden Sitcomserie überhaupt, Realfilmsitcoms mitinbegriffen.
(vgl. Wikipedia, 24.1.201511)
Obwohl der visuelle Aspekt ihres Humors familientauglich ist (viel explizitere Darstellungen als in Abbildung XX muss man als Zuschauer nicht befürchten), sind viele Witze an ein erwachsenes Publikum gerichtet, da die Themen Familienleben, Arbeitswelt und soziale Konventionen oftmals hinterfragt und in realistischer Disharmonie dargestellt werden. Damit ein jugendliches Publikum Szenen, in denen an Erwachsene
gerichtete Themen angesprochen werden, ebenfalls mitverfolgen können, werden die erwachsenen Figuren
oft naiver und kindlicher als die Kinderfiguren selbst dargestellt. Bei den daraus resultierenden Blödeleien,
Gags und vereinfachten Schlussfolgerungen kann auch ein jüngeres Publikum mitlachen. Ein ausschliesslich an Erwachsene gerichteter Humor ist von The Simpsons somit gar nicht unbedingt angestrebt.
8
http://en.wikipedia.org/wiki/History_of_Nickelodeon und
http://en.wikipedia.org/wiki/Cartoon_Network
9http://en.wikipedia.org/wiki/The_Ren_%26_Stimpy_Show
10
The Simpsons hat im Vergleich zu Ren&Stimpy eine harmlosere Bildsprache, ist narrativ konventioneller, weniger explizit und endet durch
die zyklische Episoenstruktur immer wieder im wohltuend bürgerlichen gemeinsamen Familienbild vor dem Fernseher. Womöglich war Ren & Stimpy
sogar für Erwachsene eine Stufe zu absurd und anarchistisch, um auf Dauer zu überleben.
11 http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Simpsons#Geschichte_der_Produktion
74
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Abb. XI: The Simpsons (1989 a dato). Die Familienidylle wird gebrochen, aber
viele Zuschauer können sich in dieser Distopie wiedererkennen.
Abb. XII: South Park (1997 a dato). Die Kleinstadtidylle, sowie alle
erdenklichen Tabus unserer Gesellschaft werden gebrochen. Hier
versucht z.B. ein körperlich behinderter Junge, bei einer Prostituierte seine irritierenden Erektionsstörungen «behandeln» zu lassen.
Die Serie South Park hingegen (Abbildung oben rechts), dessen Folgen seit 1997 am Fernsehen ausgestrahlt werden und im Internet jederzeit gratis abspielbar sind, sind die wohl explizitesten Provokateure der
populärsten Trickfilmserien. Kein Tabu wird umgangen, keine Randgruppe wird verschont. Die Bildsprache
ist zwar kindlich, aber da hört auch schon die Kindertauglichkeit auf.
Nach diesem kurzen Überblick über die Entwicklung von Humor in Trickfilmen im letzten Jahrhundert kann
zusammenfassend gesagt werden: Trickfilmhumor für Erwachsene ist seit jeher geprägt von Tabubrüchen.
Manchmal sind sie integraler Bestandteil des dramaturgischen Bogens, oftmals werden sie aber ähnlich
wie die Gags der ältesten Trickfilme unabhängig von der Rahmenhandlung wie ein Adrenalinkick für die
Verstärkung der Aufmerksamkeit des Zuschauers eingesetzt, um ihn so kurzweilig zu unterhalten.
Viele dieser Sendungen wollen uns zwar schockieren, aber die populärsten darunter (South Park, Family
Guy, The Simpsons) scheinen eine Balance gefunden haben zwischen Sympathie und Antipathie, bei der
ihre Figuren zwar absurde und unkonventionelle Handlungen ausführen, uns aber dennoch genügend empathische Anknüpfungsfläche und Charaktertiefe bieten, damit wir ihnen über 20 Jahre12 treu bleiben und
weiter an ihrem Schicksal Interesse zeigen können.
12
Die Serie The Simpsons hatte ihren Sendestart 1990, South Park’s Sendestart liegt indes auch schon mehr als 10 Jahre zurück, nämlich
1997
75
Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
IX
Stimmen zum Trickfilmhumor für Erwachsene
Dustin Rees
Animator/Gastdozent an der HSLU
E-mail Korrespondenz vom 20. Januar 2015
« 1. they can be way more violent - and get away with it.
2. they feel a bit desperate in my eyes - like they really want to prove something.
probably because there are so many… »
Felix Colgrave
Freelance Animator/Designer
E-mail Korrespondenz vom 24. Januar 2015
« Animation is, in theory, capable of showing anything visually. There is no scenario that animation couldn›t
depict provided you had the right animator working on it.
To me, television comedies seem to exist in 3 planes of reality: some are grounded in a minor variation of
our own world, where, though events may be comical and exaggerated, and the world may have a certain
«tone» about it, nothing impossible is going to happen (most live action sitcoms are this).
Then, you have shows that exist in their own reality with their own set of rules, or where anything at all can
happen, which may be set in a fictitious world/universe, or a fantastic re-imagining of the real world (there
are several examples in both live action and animation of this).
Then, there is a third category which seems specific to comedy, in which the central plot line (though possibly farfetched) is grounded in the realm possibility, and if you were to read the synopsis, it would seem
like the first category I mentioned. However, the show will still include impossible ‹gags› provided they are
inconsequential to the plot. The Simpsons is generally an example of this (excluding their Halloween episodes), as while the central plot line will be grounded in a far-fetched version of reality, they will still include
gags such as Professor Frink riding past on a hover bike he has built, or the affairs of the main characters
being watched by aliens (which happens to the degree that the two aliens are recurring characters, and are
known by name (Kodos and Kang)). These jokes as a general rule do not affect the central plot line, and
could be omitted from the episode without issue (apart from the loss of a good joke).
This remains a popular realm for animated sitcoms, as it means the show doesn›t require learning the rules of a new universe to understand, and is easily digested by fans of the live-action sitcom genre, however
it maintains an edge over live-action sitcoms by being able to casually include jokes completely off the plane of reality whenever they want. This can be done in live action, though it›s significantly more expensive
(in which case they would be much less inclined to use them for throw-away jokes), or they would have to
incorporate animated elements. Whereas in animation, both possible and impossible scenarios generally
require the same amount of effort and money.
Family Guy, though containing impossible elements such as a talking dog and baby, and occasionally including impossible scenarios in their main storyline, will still generally obey familiar conventions of film (such
as time travel, teleportation, and other science fiction staples), making them just as easy to digest as a
show grounded in reality. More surreal and outrageous jokes (of which there are many) will as a rule not affect the main plot, and will often in fact will be presented as isolated «sketches» as opposed to happening
within the same timeline as the storyline.
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Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis
Animated comedies that embrace their ability to go in any direction, and don›t follow the rules of reality (or
pre-established genres of live-action and written fiction such as science fiction, folk tales or fantasy), are
often labeled «surreal» or «psychedelic» by audiences. Regardless of how traditional the underlying sense
of humour is, the context of «anything» creates opportunities for jokes that would not be arrived at in a
more conventional setting.
Early «slapstick» animated comedies such as Looney Tunes, though very familiar now would have been very
surreal and unusual before the conventions were established- such as the frequently used gag of lifting up
and moving holes as if they were physical objects.
These animations were generally set in familiar settings such as suburbia, medieval Europe, the Wild West,
etc, with larger than life characters allowing impossible things to happen as extensions of their personalities, not unlike live action slapstick comedians such as Charlie Chaplin.
These days, there seems to be a shift towards heavily imagined settings, responsible for just as many new
and impossible ideas as the characters within. The immediate examples that come to mind are Adventure
Time, Regular Show, Superjail and Wander Over Yonder. »
Abb. XIV «Full Body Prolapse» (2012), Felix Colgrave. In seiner
Freizeit animiert Colgrave gerne Kurzfilme mit düsteren, aber oft
sympathischen Figuren in manchmal absurden, manchmal realitätsnahen Situationen.
Abb. XV «Water to Wine» (2014), Felix Colgrave für TripTank, Comedy Central.
Für den Trailer der animierten Sketchcomedyshow TripTank wurde Colgrave für
eine kurze Animation kommissioniert. Ein nur im Trickfilmmedium umsetzbarer
Gag zeigt uns wie Jesus Wasser zu Wein macht, und dabei ausversehen einen
seiner Jünger berührt. Auf einen Schlag wird sein gesamter Körperwassergehalt
zu Wein.
«TripTank», pointless, unfunny violence.
Comedy Central cartoon series is neither amusing nor shocking.
Von Tom Conroy, 2. April 2014, für Medialife Magazine
« Two children are burned in the exhaust of a talking rocket ship; then other children aboard the rocket die
from asphyxiation. An old woman is murdered for her toaster. A fluffy bunny is crushed under a boulder
flung by a starving wolf, which then eats and vomits up the bunny.
Those are just some of the gags in the first few minutes of the premiere episode of Comedy Central’s new
animated series “TripTank.” What’s remarkable about those moments is that they’re unremarkable. Latenight “adult” animation on TV — which is actually aimed at adolescent boys of all ages — specializes in
supposedly funny gore, with a special emphasis on the death of innocent victims.
The other specialty of the show is also typical of adult animation: a sort of free-associated illogic that
comic geniuses can sometimes pull off. On this show, it mostly falls flat.
Although the second episode of “TripTank” is mercifully less bloody than the premiere, neither one provides
enough laughs. The success of Adult Swim proves that there is an audience for this type of simple-minded
comedy, but one likes to think that if those young men were offered something better, they’d watch it.
[...]
The blood and guts and bad taste would be bearable if they had a discernible satirical target. As is, the
show as a whole feels misanthropic and bleak. Violence in TV cartoons is losing its shock value. In one of
the phone-in segments, a pretty young woman says that “TripTank” is “so bad it makes us want to gouge
our eyes out.” Rather, the show makes our eyes roll but then glaze over. «
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