Heft als PDF downloaden - Rubin - Ruhr

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Editorial
Geowissenschaften Rubin 2007
Geowissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum
Zwei Seiten – ein Ganzes
Prof. Dr. Harald Zepp
Fakultät für Geowissenschaften
4
D
ie Erde ist die Grundlage unseres Lebens. Diese Binsenweisheit rückt schlagartig ins
Bewusstsein, wenn irgendwo auf der
Welt die ökologische Tragfähigkeit
eines Landschaftsraums überstrapaziert worden ist, wenn Katastrophen
auftreten. Wir brauchen dabei nicht
nur an Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche und Überschwemmungen
zu denken; da sind auch
die „human hazards“ –
menschengemachte Katastrophen: Bodenerosion, Wasser- und Luftverschmutzung, Industriekatastrophen, Kriege, Vertreibungen und
Hungerkatastrophen.
Häufig lassen uns erst
derartige Ereignisse
begreifen, dass Natur
und Gesellschaft keine
abstrakten gekoppelten Systeme sind, sondern konkret vor Ort
erfahrbare Wirkungen
zeigen.
Woher kommt etwa das
lebensnotwendige Wasser, das wir in unseren
Versorgungssystemen
so selbstverständlich
und in hoher Qualität
erwarten? Woher kommen die Grundstoffe,
die in Gebäuden verbaut oder in der industriellen Fertigung vom
Kochtopf bis zum Mikrochip verbraucht werden? Welche fossilen,
welche regenerativen
Energiequellen stehen
uns zur Verfügung, wie
sind sie über und unter
der Erdoberfläche verteilt, wo liegen welche
Zukunftschancen? Wie
gliedern wir sinnvoll und schadlos die
Produkte unseres Wirtschaftens in den
(fast) ewigen Kreislauf der Materie
ein, ohne Gefahren für die menschliche Gesundheit (s. Beitrag Marschner/Haag/Müller) heutiger und zukünftiger Generationen zu verursachen? In einer Welt, die weitgehend
verlernt hat, in langen Zeiträumen zu
denken, erinnern Geowissenschaftler daran, dass es andere Zeitmaße
(s. Beitrag Stöckhert/Trepmann/Nüchter) gibt als die von Börsenspekulanten, Heuschrecken und Wahlperioden. Geowissenschaftler sind Zeitwissenschaftler, sie untersuchen ebenso
Prozesse, die sich über Jahrmilliarden erstrecken – etwa die Abkühlung
der Erde oder die plattentektonischen
Bewegungen – wie kurzfristig ablaufende wetter- und witterungsgesteuerte Naturkatastrophen. Sie zeigen auf,
welche natürlichen und historischen
Landschaftsstrukturen Rahmenbedingungen für unser Handeln bilden,
sie machen die auch kulturell geprägten Entwicklungspfade von Ländern,
Landschaften und Stadtregionen verständlich, die heute Ursache krisenhafter Zustände sein können.
Geowissenschafter sind auch Raumwissenschaftler. Sie erforschen die
Erde in ihrer dreidimensionalen räumlichen Verschiedenheit. Dreidimensionalität bedeutet Breite, Länge und
Höhe, vom Erdkern bis in die höhere Atmosphäre. Landschaften, Regionen, Räume und Orte besitzen ihre
spezifischen Qualitäten, die teils naturgesetzlich erklärt, teils kulturwissenschaftlich verstanden werden müssen. Geowissenschaftler untersuchen
im Mikromaßstab Kristallstrukturen
(s. Beitrag Gies/Magdans) und im regionalen Maßstab Strukturen von Gebirgen (s. Beitrag Maresch/Burchard/
Fockenberg) ebenso wie von Metropolitanregionen und Megacities
(s. Beitrag Zepp/Johann/Burak). Im
Editorial
Geowissenschaften Rubin 2007
globalen Maßstab rekonstruieren sie
den Klimawandel in der Erdgeschichte (Beitrag Mutterlose/Immenhauser).
Sie interessiert, welche räumlichen
Unterschiede die globalen Machtverhältnisse und Akteurskonstellationen
zwischen den Ländern verschiedenen
wirtschaftlichen Entwicklungsstandes
und kultureller Prägung hervorrufen.
Geowissenschaftler sind Spezialisten
für Maßstäbe. Sie analysieren Strukturen auf Satellitenbildern wie im
Elektronenmikroskop.
Angesichts der Verschiedenartigkeit
der räumlichen Strukturen und Prozesse können die Geowissenschaftler
nur durch vernetzendes Denken das
System Erde unter den verschiedensten Perspektiven begreifen. Das erfordert interdisziplinären Austausch.
Es gibt wohl kaum eine andere Fakultät, in der natur- und sozialwissenschaftliche Forschungs- und Lehrtraditionen so zusammengehen. Dass
in dieser Fakultät auch paradigmatische Welten unterschiedlicher Wissenschaftskulturen aufeinanderprallen, das macht einen großen Teil ihres
„Landschaften, Regionen,
Räume und Orte besitzen
ihre spezifische Qualitäten,
die teils naturgesetzlich
erklärt, teils kulturwissenschaftlich verstanden
werden müssen“
Reizes aus. Was nützte es, wenn die
Naturwissenschaftler unserer Fakultät
physiko-chemische Gesetzmäßigkeiten in den Geosystemen erforschten,
gleichzeitig aber nicht erforscht und
reflektiert würde, wie Gesellschaften
mit der Erde und ihren Teilsystemen
umgehen, wie sie Entwicklung in den
verschiedensten Winkeln der Welt organisieren und welche Auswirkungen
dies auf die Erde insgesamt hat. Das
muss immer wieder neu aufgegriffen
werden, denn die Welt verändert sich.
Die Globalisierung bei gleichzeitigem
Bevölkerungszuwachs und Verknappung der natürlichen Ressourcen lässt
neue Erscheinungsformen menschlichen Daseins, neuartige Ungleichgewichte entstehen, sie stellt nie gekann-
te Herausforderungen an die Geowissenschaften. Sie verlangt neue, aber
regional verschiedene Steuerungsinstrumente, um die Grenzen der Belastbarkeit der Natur (der abiotischbiotischen Geosysteme) nicht unsinnig zu strapazieren und um soziale
Benachteiligungen abzumildern. Die
Geowissenschaften erarbeiten wissenschaftliche Grundlagen, um zu
beurteilen, welche Maßnahmen die
Forderung nach Nachhaltigkeit am
ehesten erfüllen und zeigen Handlungsoptionen auf.
Naturwissenschaftliche Arbeiten bilden den Schwerpunkt dieses Heftes
sowie Projekte, die die Umwelt analysieren (s. Beiträge Schmitt und Zepp/
Johann/Burak). In Teilbereichen der
Geographie verfolgte humanwissenschaftliche Forschungsansätze schließen nahtlos an diese Analysen an.
Die Geowissenschaftler an der RuhrUniversität Bochum forschen in vielfältigen Netzwerken, zunächst in den
Forschungs- und Lehreinheiten „Institut für Geologie, Mineralogie und
Geophysik“ sowie „Geographisches
Institut“. Im Sonderforschungsbereich (SFB 526) „Rheologie der Erde“
erforschen seit 1999 Wissenschaftler
aus mehreren Fakultäten unter der
Federführung der Geowissenschaften
das mechanische Verhalten der Materialien der Erde in allen Maßstäben und unter den unterschiedlichsten Bedingungen von der Oberfläche
bis in große Tiefen. Das ist Grundlagenforschung pur, die aber durch
jüngste Erdbeben und TsunamiKatastrophen einen brennend aktuellen Bezug erhalten.
Für uns ist es selbstverständlich, dass
wir uns an der Global Change-Initiative der Ruhr-Universität beteiligen.
Professoren der geowissenschaftlichen Fakultät sind eingebunden in das
Institut für Entwicklungsforschung
und Entwicklungspolitik (IEE) und
in das Zentrum für interdisziplinäre
Ruhrgebietsforschung (ZEFIR). Sie
wirken mit im materialwissenschaftlichen SFB „Form-Gedächtnis-Legierungen“ und in Graduiertenkollegs.
Die Forschungsstärke der Geowissenschaften in Bochum zeigt sich auch
in zahlreichen international vernetzten Forschungsprojekten von der sehr
aufwändigen gemeinsam mit griechischen und türkischen Wissenschaftlern betriebenen Analyse der Erdbebentätigkeit in der Ägäis bis zu vielfältigen Kooperationen der einzelnen
Forscher in EU-Projekten zur Wasserknappheit oder zur Entwicklung industrieller Brachflächen.
Geowissenschaften in Bochum - das
bedeutet auch Innovationen in der
Lehre. Bundesweit waren die Geowissenschaften Vorreiter bei der Konzeption und Umsetzung der gestuften B.Sc./M.Sc.-Studiengänge. Die
Lehrerausbildung ist im Rahmen der
2-Fach-Bachelor/Master-Studiengänge (B.A./M. Ed.) organisiert, an denen sich beide Institute beteiligen.
Jüngst ist durch das Studienfach „Regionale Geographie“ im Rahmen des
2-Fach-M.A.-Programms der Kanon
der Lehrangebote komplettiert worden. In der Masterphase wählen die
Studierenden unter neun klar profilierten Vertiefungsrichtungen. Eine
neue, international ausgerichtete und
in englischer Sprache angebotene
Vertiefungsrichtung im M.Sc.-Programm der Geowissenschaften wird
Studierende auf einen Einsatz im Bereich der Rohstoff- und Energieversorgung, von der Erdölexploration
bis zur Geothermie vorbereiten. Alle
Studiengänge der Fakultät wurden erfolgreich akkreditiert. In Kürze wird
es auch einen strukturierten Promotionsstudiengang geben.
Lassen Sie sich im Vorgriff auf das
durch die UN ausgerufene „International Year of Planet Earth 2008“ schon
heute von dem spannenden Fachgebiet der Geowissenschaften faszinieren. Wenn Sie mehr über einzelne
Arbeitsgruppen oder Projekte an der
Fakultät erfahren möchten – einen
Überblick finden Sie am Ende des
Magazins – dann nehmen Sie Kontakt
mit uns auf, wir freuen uns darauf!
5
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 1: Der Campus der Ruhr-Universität Bochum unter Wasser – ganz so weit kommt
es wohl nicht. Aber in Bochum hätten in der Kreidezeit Strandkörbe stehen können.
Klimawandel in der Erdgeschichte:
Kreidezeit war Treibhauswelt
Jörg Mutterlose
Adrian Immenhauser
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Steigende CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre, globale Erwärmung, Abschmelzen der Polkappen, Überflutung
der Küstenebenen – tägliche Schlagzeilen und wohl eine
der größten Herausforderungen der Menschheit. Um das
künftige Szenario zu beschreiben und zu verstehen, kann
ein Rückblick nützen. Paläoozeanographen, Paläontologen und Sedimentologen analysieren das Klima der Erdgeschichte, denn es hat in der Vergangenheit wiederholt
ähnliche Treibhausverhältnisse gegeben. Ihr Verständnis
kann den Schlüssel zur künftigen Entwicklung liefern.
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
sich durch plattentektonische Vorgänge erklären, die durch starken Magmenausfluss am Meeresboden den
Meeresspiegel vorübergehend erhöht
haben. In einer eisfreien Welt würde
Bochum (heute 100-150 m über NN)
zwar nicht überflutet werden, wohl
aber die Funktion der heutigen Hafenstädte Hamburg oder Bremerhaven übernehmen. Im heutigen Geologischen Garten hätten in der Cenomanzeit Strandkörbe stehen können (s. Abb. 3).
Wir setzen unsere Reise im PKW fort;
die an der A2 gelegene Mergelgrube
dig-kiesigen, küstennahen Ablagerungen von Bochum liegen in Wunstorf küstenferne ozeanische, heute zu Kalkstein verfestigte Ablagerungen vor. Die Wassertiefe muss in
der Kreidezeit hier ca. 100 bis 200 m
betragen haben. Die Küstenlinie lag
70 km weiter südlich im Raum Bad
Gandersheim. Die Kalksteine setzen sich aus den Skeletten winziger
Schwebalgen, den Coccolithophoriden, zusammen. Bemerkenswert an
der Gesteinsabfolge von Wunstorf
sind 15 schwarze Tonsteinbänke von
bis zu einem Meter Dicke, die in die
Kalksteine eingelagert sind. Diese
dunklen Gesteine weisen eine hohe
Anreicherung an organischem Kohlenstoff auf (mehr als fünf Prozent),
der aus marinen einzelligen Algen
besteht, den Coccolithophoriden und
den Dinoflagellaten (Abb. 5). Neben
einer dritten Algengruppe, den Diatomeen, stellen diese kleinwüchsigen,
Photosynthese betreibenden Schwebalgen noch heute die wichtige Grup-
Bochum als
Hafenstadt
Wunstorf (20 km östlich von Hannover) ist unser nächstes Ziel. Im Rahmen eines DFG-Projektes wurde hier
im März 2006 eine 80 m tiefe Kernbohrung abgeteuft, um die cenomanzeitlichen Ablagerungen zu erbohren
(Abb. 4). Im Gegensatz zu den san-
Cenomanzeit
(99–93,5 M.J.)
Hamburg
Emden
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50 km
Ems
Bohrung Wunstorf
Rheine
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Bielefeld
Münster
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Geologischer Garten
Kassel
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Festland
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ine erdgeschichtliche Phase, die
sich durch ein Treibhausklima
auszeichnete, ist die Kreidezeit
(vor 145-65 Mio. Jahren), deren Erforschung Arbeitsschwerpunkt der
Arbeitsgruppen Paläontologie und
Sedimentologie der Ruhr-Universität
ist. Um die damaligen klimatischen
und paläobiologischen Verhältnisse
zu verstehen, treten wir einen zeitlichen und geographischen Ausflug an.
Von Bochum reisen wir über NordDeutschland bis in die großen Ozeane unserer Erde.
Nur zehn Fahrradminuten von der
Ruhr-Universität entfernt im Geologischen Garten Bochum machen
wir unseren ersten Halt. Hier können wir eine wichtige Beobachtung
zu den Treibhausbedingungen der
Kreidezeit machen. Über Gesteinen
der Karbonzeit (vor 359-299 Mio. J.)
liegen hier direkt die ältesten Ablagerungen der Oberkreidezeit, der sog.
Cenomanzeit (vor 99-93,5 Mio. J.).
Diese Gesteine, in Bochum vertreten durch strandnahe Sande und Kiese, wurden damals in einem flachen
Meer abgelagert. Die südliche Küstenlinie eines Nordsee-Vorläufers
verlief in der Cenomanzeit etwa über
Duisburg – Mülheim – Essen – Bochum
– Dortmund – südlich Paderborn
(Abb. 2). Ähnlich großräumig verbreitet sind altersgleiche Gesteine in
weiten Teilen der Welt (u. a. Polen,
Südfrankreich, Russland, Nordamerika). Wissenschaftler sind sich einig, dass der Meeresspiegel vor etwa
93 Mio. Jahren um mindestens 200 m
höher gelegen hat als heute. Derartige
globale Meeresspiegelanstiege werden u. a. durch das Abschmelzen der
polaren Eiskappen infolge einer Erhöhung der CO2-Konzentration erklärt
(s. Info 1).
Diese Beobachtungen lassen Schlüsse auf unsere Zukunft zu. Die Erwärmung der heutigen Welt wird zu
einem Abschmelzen der arktischen
und vor allem der antarktischen Eismassen führen; eine eisfreie Welt hätte eine globale Erhöhung des Meeresspiegels um etwa 70 m zur Folge. Die im Vergleich zur Kreidezeit
verbleibenden ca. 100-130 m lassen
Rheinische Masse
flache Meeresbereiche
tiefere Meeresbereiche
Abb. 2: Paläogeographische Karte Nordwestdeutschlands in der Cenomanzeit
(vor 99-93,5 Mio. J.). Der Geologische Garten Bochum nimmt eine küstennahe Position ein,
Wunstorf eine küstenferne. (Umgezeichnet nach Geologischem Landesamt NRW 1995)
7
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
info
1
Was das Klima antreibt:
Ursache des globalen Temperaturanstiegs in der Kreidezeit
Verstärkter Magmenausfluss auf den Ozeanböden setzte CO2 frei und führte
zu erhöhten Konzentrationen dieses Klimagases in der Atmosphäre. Gleichzeitig verdrängten die austretenden warmen Magmen am Ozeanboden viel
Wasser. Der ansteigende Meeresspiegel verursachte eine weiträumige Überflutung großer Schelfbereiche. Große Wasseroberflächen, wesentlich mehr
als heute, standen zur Verfügung. Da Wasser eine höhere Wärmespeicherkapazität hat als Festland, wurde der Treibhauseffekt verstärkt. Gleichzeitig
fehlten hohe Gebirge, über deren Verwitterung und Abtragung in den Ozean
wieder CO2 in marinen Gesteinen gebunden wird. Das System schaukelte sich
so hoch zu extremen Treibhausbedingungen.
Umgekehrt betrachtet leben wir seit ca. 40 Mio. Jahren in einer Phase der Abkühlung, da sich mehrere Bedingungen ergänzen: Geringer Magmenausfluss
setzt verhältnismäßig wenig CO2 frei. Mit der ersten Eisbildung am Südpol vor
35 Mio. Jahren entstand ein Rückkoppelungseffekt: Weiße Flächen (Eis) strahlen zum einen viel Energie in den Weltraum zurück (=Albedo), was die Abkühlung verstärkt. Die Eisbildung führt zum anderen zu einem niedrigen Meeresspiegel, so dass weniger Wasserflächen zur Verfügung stehen, die Wärme
speichern können. Außerdem entstand vor ca. 35 Mio. Jahren das Hochgebirge des Himalaya. Seine intensive Abtragung führt zu einer raschen Bindung
von CO2 in marinen Gesteinen in den Ozeanen.
pe der sog. Primärproduzenten in den
Ozeanen dar. Mit Hilfe von Sonnenenergie, CO2 und mineralischen Nährstoffen (Phosphate, Nitrate) synthetisieren sie einfache organische Bausteine (Zucker); gleichzeitig setzen
sie Sauerstoff frei. Diese pflanzlichen Primärproduzenten bilden als
Nahrung für alle anderen Organismen
die Grundlage unserer Existenz.
Die kohlenstoffreichen Gesteine stellen zum einen Erdölmuttergesteine
dar, da Erdöl im Wesentlichen aus den
Resten mariner Schwebalgen besteht.
Sie sind zum anderen ein Zeichen für
eine Unterbrechung des biologischen
Kreislaufs aus Zeugung, Wachstum,
Tod, Zerfall und Abbau. Im Normalfall werden alle organischen Verbindungen wieder in die mineralischen
Ausgangskomponenten zerlegt und
dem Stoffkreislauf zugeführt. Offenbar konnte bei unserem Beispiel der
Kohlenstoff nicht wieder freigesetzt
werden, da Mikro- und Makroorganismen, die für die Zersetzung zustän8
dig sind, aufgrund von Sauerstoffarmut im Bodenwasser (anoxische Bedingungen) nicht leben konnten.
Derartige dunkle Gesteine der Cenomanzeit und der folgenden Turonzeit (vor 93,5-89 Mio. J.) hat man
nicht nur in Deutschland, sondern altersgleich in allen Ozeanen der Welt
gefunden. Daher spricht man von einem ozeanischen anoxischen Ereignis (Ocean Anoxic Event; OAE). Ein
OAE repräsentiert einen geologisch
kurzen Abschnitt von ca. 500.000
Jahren, in dem es zu einer Unterbrechung des Kohlenstoffkreislaufs
kam. Bei den Gesteinen des OAE handelt es sich um Kohlenstoffsenken, da
in ihnen Kohlenstoff lange gebunden
und somit dem Stoffkreislauf entzogen wird. Dieses Phänomen wirkt
regulierend auf den erhöhten CO 2Gehalt in der Warmphase. Allerdings
beginnt diese Bindung von CO2 erst
einige Mio. Jahre verspätet, so dass
erst vor ca. 85 Mio. Jahren wieder
eine Abkühlung einsetzte. Ein globales OAE weist auf ein vollständig anderes klimatisches Regime als heute
für den Zeitraum vor 99 bis vor 89
Mio. Jahren hin.
Die ozeanischen Zirkulationsmuster
wurden in der Cenomanzeit nicht wie
heute durch kalte Tiefenwässer getrieben, die sich bei Island und bei etwa
70° Süd am Rande der Antarktis bilden. Da Polkappenvereisungen fehlten, müssen wir von sehr trägen Ozeanströmungen ausgehen. Die fehlende
Zirkulation verursachte vermutlich
das Sauerstoffdefizit in den Ozeanbecken. Das ständig auf die Ozeanböden herabrieselnde organische
Abb. 3: Geologischer Garten Bochum: Über den verstellten Gesteinen des Karbon liegen
horizontal Ablagerungen der Cenomanzeit (vor 99-93,5 Mio. J.). Diese markieren den
weitesten Meeresvorstoß in der jüngeren Erdgeschichte.
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 5: Bohrkern mit kohlenstoffreichen,
dunklen Lagen. Die hellen Lagen spiegeln
die Normalablagerungen wider. Hierbei
handelt es sich um verfestigten Kalkschlamm,
der aus Skeletten von Schwebalgen besteht.
Material, im Wesentlichen einzellige
Schwebalgen, wurde nicht mehr abgebaut.
Erste Untersuchungen zur detaillierten Rekonstruktion des kreidezeitlichen Klimas wurden im Mai 2006 an
den organischen Verbindungen (Archaebakterien) der kohlenstoffreichen
Lagen der Bohrkerne in Kooperation
mit dem Ozeanographischen Institut
in Texel (Holland) durchgeführt. Der
Aufbau bestimmter Kohlenwasserstoffmoleküle in den Membranen von
Archaebakterien ist abhängig von der
Wassertemperatur; diese stellen somit
ein Paläothermometer dar.
Die Untersuchungen belegen für
Wunstorf unerwartet hohe Oberflächenwassertemperaturen von 34°C –
mit Temperaturen über 30°C hatte die
Forschung zuvor nicht gerechnet. Bei
einer damaligen Breitenlage von etwa
40° Nord für die erbohrten Ablagerungen (heute nach Kontinentalplattenverschiebung etwa 52° Nord) ergeben
sich damit tropische Klimaverhältnisse für Nord-Deutschland in der Cenomanzeit. Zum Vergleich: Die mittleren Oberflächenwassertemperaturen
in der heutigen Nordsee schwanken
von 6°C im Winter bis 16°C im Sommer. Als Tropen wird heute die Region
bezeichnet, die durch den nördlichen
(23,5° Nord) und den südlichen Wendekreis (23,5° Süd) begrenzt wird,
und in der die Sonne mindestens ein-
mal im Jahr im Zenit steht. Dieser Bereich ist durch höhere tageszeitliche
und geringere jahreszeitliche Temperaturschwankungen gekennzeichnet,
Jahreszeiten sind nicht entwickelt.
Für unseren nächsten Ausflug fliegen wir fünf bis sechs Stunden Richtung Südosten. Im sonnigen Muskat,
der Hauptstadt des Sultanats Oman,
steigen wir aus. Ein Geländefahrzeug bringt uns in einem weiteren
Tag in die Huqf Wüste an der Ostküste Omans (Abb. 6).
In der mittleren Kreidezeit (vor 120
Mio. J.), war auch diese Region von
einem flachen Meer bedeckt. Das
Wasser, das heute am Südpol die Eisschilde aufbaut, hatte damals auch
die Küstenregionen Omans überflutet und bildete das Südufer des UrMittelmeers. Die Ablagerungen aus
dem flachen Küstenmeer, die genauso alt sind wie die schwarzen Tonsteinbänke, die wir in Nord-Deutschland kennen gelernt haben, enthalten
ganismen aufgenommen werden und
nach deren Tod allmählich zerfallen,
erlauben es, diese Intervalle zeitlich
einzugrenzen. Und tatsächlich scheinen sie die Äquivalente der schwarzen Tonsteine der tieferen Becken zu
sein. Wie soll man das erklären?
Eine mögliche Analogie findet sich
in der modernen Welt. Überall dort,
wo wir viele zusätzliche Nährstoffe
ins Meer oder in Seen einbringen, wie
etwa Dünger aus der Landwirtschaft
in den Dümmer (ein See nördlich von
Osnabrück), gehen die jeweils vorherrschenden Ökosysteme zugrunde.
An ihre Stelle treten Algen und Mikroben, die unter diesen nährstoffreichen Bedingungen prächtig gedeihen.
Es ist denkbar, dass während gewisser Zeiten in der Kreidezeit das Klima so feucht-warm war, dass durch
starke Regenfälle gewaltige Mengen
verwitterten Gesteins und organisches
Material vom Festland in Flüssen her-
Entwicklung des
Lebens zurückgedreht
jedoch hier keine organisch-reichen,
schwarzen Gesteine: Hier scheint die
Entwicklung des Lebens kurzfristig
um viele Hundert Mio. Jahre zurückgedreht zu sein. Während unter normalen Bedingungen diese subtropischen Kreide-Küstenmeere vom Leben nur so wimmelten, verschwanden
plötzlich die Korallen- und RudistenRiffe (Rudisten sind kreidezeitliche
Muscheln). An ihre Stelle traten Lebensformen, die wir aus der Frühzeit
der Erde kennen, vor allem Algen und
Bakteriengemeinschaften. Nach einigen 100.000 Jahren (etwa 1,5 m im
Sediment) war der Spuk vorbei und
die Korallen-Rudisten-Riffe traten
wieder an ihre gewohnte Stelle. Etwas höher treten die seltsamen Gesteine nochmals auf und verschwinden auch wieder. Hier scheinen Mechanismen am Werk zu sein, die ein
ganzes Küsten-Ökosystem kurzfristig
kippen können (Abb. 7).
Geochemische Datierungsmethoden
wie etwa die Messung stabiler Isotope, die während des Lebens von Or-
Abb. 4: Forschungsbohrung Wunstorf im
März 2006.
9
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 6: Auf der Suche nach dem Treibhausklima vergangener Welten in der Wüste von Oman.
antransportiert wurden und die Meere
überdüngten. Auf ihrem Weg in den
Ozean mussten diese Nährstoffe das
flache Küstenmeer queren und haben
dort die Ökosysteme kurzfristig zerstört. Damit hätte sich die kreidezeitliche Treibhauswelt hier in Form von
überdüngten Lebensräumen manifestiert. Ob diese Spekulationen für alle
OEA gelten, muss die Forschung erst
zeigen.
Wir setzen unseren Ausflug in die
Treibhauswelt der Cenomanzeit zu
Wasser fort. Im Februar/März 2003
führte eine wissenschaftliche Ausfahrt
des Bohrschiffes „Joides Resolution“
(Abb. 8) vor die Küste Surinams. Dort
Abb. 7: Eine Lokalität in der Wüste Omans,
die die Algen-Mikroben Ablagerungen
zeigt. Diese verdrängten kurzfristig die
normalen Küstenökosysteme infolge
von Überdüngung.
10
wurden etwa 200 km östlich von Surinam auf Höhe des Äquators Bohrkerne mit kreidezeitlichen Ablagerungen gewonnen. An fünf Punkten
wurden umfangreiche Abfolgen mit
hohen Anteilen an organischem Kohlenstoff erbohrt. Sie werden nun in
Bochum, den USA, England, Frankreich und Japan geologisch, paläontologisch und paläoozeanographisch
untersucht. Die bisherigen Ergebnisse zeigen in allen Bohrkernen etwa
30 bis 60 m dicke kohlenstoffreiche
Abfolgen aus der Cenoman- und Turonzeit. Paläotemperaturdaten wurden
über das Verhältnis der beiden stabilen Sauerstoffisotope 18O und 16O an
gut erhaltenen Kalkschalen von heterotrophen, d.h. sich von organischem
Material ernährenden, Einzellern (Foraminiferen) von der Bundesanstalt
für Geowissenschaften in Hannover
ermittelt. Warmes Wasser enthält weniger 18O als kaltes, so dass das Verhältnis der in die Schalen eingebauten
Isotope Rückschlüsse auf die Wassertemperatur erlauben. Dabei ergaben
sich Temperaturen von 24-28°C für
die Foraminiferen, die am Meeresboden lebten, 30-32°C für die des
Oberflächenwassers. Diese Befunde
belegen nun generell sehr hohe Wassertemperaturen für den Äquatorbereich in der Cenomanzeit und nur wenig unterschiedliche Temperaturen für
das Boden- und das Oberflächenwas-
ser. Die hohen Bodenwassertemperaturen lassen sich durch die Bildung
von warmen, salzreichen Tiefenwässern bei hoher Verdunstung in dieser
Region erklären.
Das bereits in Wunstorf eingesetzte
„Archaebakterienthermometer“ belegt zudem Oberflächenwassertemperaturen von bis zu 36°C für die kohlenstoffreichen Lagen der Bohrkerne
der späten Cenomanzeit. Diese Beobachtungen liegen damit deutlich über
den heutigen Werten für den äquatorialen Atlantik (27-29°C). Klimamodellierungen auf der Basis der Paläotemperatur- und paläobiologischen Daten
für die CO2-Konzentrationen in der
Cenoman- und Turonzeit liegen bei
600 bis 2400 ppm (parts per million,
1 ppm = 0,0001 Prozent), also deutlich höher als heute (365 ppm).
Global herrschten in der Cenomanund Turonzeit somit über einen Bereich, der vom Äquator bis 40° N, d.h.
in Höhe des heutigen Madrid, reichte, tropisch-warme Klimabedingungen. Die hohen Temperaturen führten zu intensiver Verdunstung und
feucht-warmen Bedingungen; Polkappen existierten nicht. Das Temperaturgefälle vom Äquator zu den
Polen war mit 35°C (35°C am Äquator, 0°C am Pol) in der Cenomanzeit
deutlich geringer als heute mit 75°C
(25°C am Äquator, -50°C am Südpol). Es herrschten also global aus-
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
geglichene Verhältnisse; aus Nordalaska (75°- 85°N) sind cenomanzeitliche Floren (Farne, Ginkgos, Koniferen, Blütenpflanzen) dokumentiert.
Auch Krokodilfunde aus dem Bereich
nördlich des Polarkreises belegen
diese Vorstellung.
Ein extrem hoher Meeresspiegel (über
200 m höher als heute) verursachte
eine großräumige Überflutung der flachen Küstenregionen. Im Gegensatz
zu den heutigen ozeanischen Strömungssystemen mit warmen, vom
Äquator nach Norden bzw. Süden gerichteten Oberflächenströmen (z. B.
Golfstrom) und von Nord nach Süd
(Arktis > Antarktis) bzw. von Süd
nach Nord (Antarktis > Äquator) ausgerichteten kalten Tiefenströmungen
herrschte wohl ein genau entgegen
gesetztes Strömungssystem, das vom
Äquator ausging (Abb. 9). Hier bildeten sich aufgrund der hohen Temperaturen und der starken Verdunstung salzreiche Wässer. Diese sanken aufgrund ihres hohen Gewichtes
in die Tiefe und flossen vom Äquator in nördliche und südliche Richtung zu den Polen. Bei hohen CO2Konzentrationen war die Ozeanzirkulation insgesamt eher träge, bei reAbb. 8: Das Bohrschiff „Joides Resolution“
duziertem Wasseraustausch erfolgte
dann die Ablagerung der kohlenstoffreichen Gesteine.
Die marine Lebenswelt reagierte auf
diese Bedingungen mit großer Vielfalt bei gleichzeitig geringer Individuenzahl. Kosmopolitische Elemente,
d.h. weltweit verbreitete Arten, dominierten. In der Ökologie werden solche Verhältnisse als stabile Gleichgewichtsbedingungen bezeichnet. In den
Szenario auf heutige
Verhältnisse übertragbar?
Ozeanen blühen pflanzliche und tierische kalkschalige Einzeller (Coccolithophoriden, Foraminiferen) auf, die
zu weiträumiger Kalkablagerung auch
in den mittleren Breiten führten.
Welche Bedeutung hat nun das kreidezeitliche Szenario für die heutige bzw.
die zukünftige Welt? Können wir die
beschriebenen Lebensbedingungen
aus der Treibhauswelt der Kreidezeit auf die Zukunft unseres Planeten
übertragen?
Wenn sich der seit ca. 1960 dokumentierte Anstieg des CO2-Anteils in unserer Atmosphäre von 310 ppm (1960)
auf 365 ppm (2005) weiter fortsetzt,
so ist etwa im Jahr 2200 mit kreidezeitlichen CO2-Gehalten (500 ppm1200 ppm je nach Modell) zu rechnen. Über den erhöhten CO2-Gehalt
wird ein guter Teil der von der Erde
ins Weltall abgestrahlten Energie zur
Erde zurückgestrahlt; es kommt zum
Treibhauseffekt. Die Temperaturerhöhung wird zum Abschmelzen der Polkappen führen und über höhere Verdunstungsraten den Wasserkreislauf
beschleunigen. Ähnlich wie in der
Kreidezeit wird das Temperaturgefälle vom Äquator zu den Polen geringer
werden, das derzeitige Strömungssystem wird zusammenbrechen.
Schwieriger ist es, die Reaktion der Biosphäre abzuschätzen. Es werden sich
sicher wieder stabile Gleichgewichtsbedingungen einstellen, die Verbreitung kälteliebender Formen wird signifikant eingeschränkt werden. In den
Meeren werden Primärproduzenten
mit kieseligem Skelett (Diatomeen)
zugunsten von solchem mit kalkigem, also kohlenstoffhaltigem Skelett
(Coccolithen) und organisch gewandeten Algen (Dinoflagellaten) zurückgedrängt werden. Es würde also eine
ganz andere Struktur der Nahrungsketten in den Meeren entstehen.
Geologie
kaltes
nordatlantisches
Wasser
Geowissenschaften Rubin 2007
warmes
MittelmeerAusflusswasser
kaltes
antarktisches
Wasser
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60°
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30°
warmes
subtropisches
Wasser
60°
90° S
kühles
antarktisches
Wasser
1
Antarktis
Wassertiefe (km)
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2
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4
5
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90° N
60°
30°
0°
Breite
30°
60°
90° S
Abb. 9: Ozeanische Strömungssysteme. a) Heute: Kalte Tiefenwasserbildung an den Polen.
b) In der mittleren Kreidezeit: Warme Tiefenwasserbildung in den Tropen.
Bei nach wie vor vielen Unsicherheiten, Ungenauigkeiten und Fehlern bei
der Erfassung und dem Verständnis
des kreidezeitlichen Systems bietet
diese Zeitscheibe ein gutes Analogon
für die mögliche Entwicklung unseres
Planeten. Erkenntnisse über vergangene Klimaphasen können z.B. mit Modellierungen der künftigen Klimaentwicklung abgeglichen werden.
Vielleicht ist es für Politiker und andere an der Klimadiskussion Beteiligte beruhigend, dass aus der erdgeschichtlichen Perspektive der derzeitige, anthropogen verursachte CO2Ausstoß nicht erheblich ist. Es hat
in der Vergangenheit viel extremere
Klimabedingungen gegeben, die sich
später, aufgrund langfristiger geologischer Prozesse, wieder verändert haben. Auf die Lebens- und Überlebensbedingungen einzelner Organismengruppen haben sich diese Veränderungen aber erheblich ausgewirkt.
Prof. Dr. Jörg Mutterlose,
Prof. Dr. Adrian Immenhauser,
Institut für Geologie, Mineralogie und
Geophysik, Sediment- und Isotopengeologie/Geobiologie
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12
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Damit der Salat nicht so schwer im Magen liegt:
Schadstoffe im Boden festsetzen
Abb. 1: Die eine oder andere Handvoll Boden wandert schon mal in den Mund.
Rita Haag
Bernd Marschner
Ingo Müller
Die dreijährige Lena hilft ihrer Oma bei der Salaternte.
Die eine oder andere Handvoll Erde wandert dabei in den
Mund. Halb so schlimm, denkt die Oma, das haben wir
alle früher gemacht. Sie putzt den Salat gründlich und
freut sich auf die vitaminreiche Beilage. Doch der Salat
enthält nicht nur Gutes, und auch die Erde ist nicht harmlos: Schwermetalle, vor allem Blei und Cadmium kommen
mitunter in hohen Konzentrationen im Boden vor. Wie
man sie dingfest macht, ohne gleich den ganzen Boden
abzutragen, erforschen Bodenökologen der RUB.
13
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
G
erade im Ruhrgebiet gibt es
viele Schrebergärten, die zur
eigenen Versorgung mit Gemüse beitragen. Ist der Verzehr von
Produkten aus eigenem Anbau bei der
vorliegenden Umweltbelastung denn
überhaupt noch gesund? Ist es schädlich für Kinder, wenn beim Spielen im
Garten Boden über Mund oder Atemwege aufgenommen wird, fragen viele besorgte Gartenbesitzer. Denn auch
wenn Gemüse aus eigenem Anbau
sicherlich frischer und oft geschmackvoller als aus dem Supermarkt ist, kann
es auch unerwünschte Stoffe enthalten.
Hierzu gehören beispielsweise Schwermetalle, vor allem Blei und Cadmium,
die sich besonders im Ruhrgebiet in
hohen Konzentrationen im Boden
nachweisen lassen und von den Pflanzen aufgenommen werden können.
Schwermetalle gelangen bei der Bodenbildung je nach Ausgangsgestein
auf natürliche Weise in die Böden –
mitunter stark ergänzt um Einträge
aufgrund menschlicher Tätigkeit, z.B.
aus der Schwerindustrie oder dem Autoverkehr. Böden haben ein langes
Gedächtnis: Auch nach dem weitgehenden Verschwinden der Belastungsquellen bleiben die Schwermetalle in
An Bodenpartikel
gebundene Stoffe
Futterpflanzen
Nahrungspflanzen
Oberflächengewässer
Nachbarflächen
Gelöste Stoffe
Grundwasser
Abb. 2: Wirkungspfade von Schadstoffen aus den Böden.
erhöhten Konzentrationen dem Boden
erhalten. Auch hier gilt dosis facet
venenum (Die Menge macht das Gift):
Erhöhte Schwermetallgehalte können
auf Mensch und Umwelt schädlich
wirken. Blei etwa kann Nervenschäden hervorrufen und bei Kindern die
Gehirnentwicklung beeinträchtigen.
Cadmium schädigt Leber und Niere.
Seit 1999 gibt es mit dem BundesBodenschutzgesetz (BBodSchG) sowie der dazugehörigen Verordnung
(BBodSchV) bundeseinheitliche Re-
gelungen zu Schadstoffgehalten in
Böden (s. Info 1).
Schadstoffe wie Schwermetalle können auf unterschiedlichen Wegen
in den menschlichen Körper gelangen und dort Schäden verursachen
(s. Abb. 2). Beim so genannten „Direktpfad“ gelangen die Schadstoffe
direkt mit dem belasteten Boden beim
Verschlucken oder Hautkontakt in den
Körper. Dies kann besonders bei
Kleinkindern eine Rolle spielen. Indirekte Schadstoffwege führen über
info1
Den Boden gesund halten – Gesetzliche Regelungen
14
Ziel des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) ist es,
nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen (§ 1). Der Boden erfüllt im Sinne des § 2
natürliche Funktionen als Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen
durch seine Wasser- und Stoffkreisläufe sowie als Abbauund Ausgleichsmedium für Schadstoffe, aufgrund seiner
Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, die insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers beitragen.
verpflichtet (§ 4). Das bedeutet aber nicht, dass Kleingärtner
dazu verpflichtet sind, Bodenuntersuchungen durchführen
zu lassen. In dem untergesetzlichen Regelwerk, der BundesBodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) sind für
verschiedene Schadstoffe konkrete Werte aufgeführt, um
schädliche Bodenveränderungen zu beurteilen. Die Überschreitung von Vorsorgewerten deutet dabei auf ein mögliches Entstehen einer schädlichen Bodenveränderung bei weitergehend ungebremster Schadstoffzufuhr hin.
Jeder hat sich so zu verhalten, dass schädliche Bodenveränderungen gar nicht erst entstehen können (§ 7, Vorsorgeprinzip). Eine schädliche Bodenveränderung bedeutet dabei
die Beeinträchtigung oder Schädigung der genannten Bodenfunktionen. Droht eine schädliche Bodenveränderung
oder liegt sie bereits vor, so sind Verursacher, Grundstückseigentümer und –nutzer gleichsam zur Gefahrenabwehr
Werden bei Bodenuntersuchungen Prüfwerte überschritten, erfolgt eine weitergehende einzelfallbezogene Untersuchung, die zur Entscheidung führt, ob eine schädliche Bodenveränderung vorliegt. Bei Überschreitung von Maßnahmenwerten liegt in der Regel eine schädliche Bodenveränderung vor und es sind Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
zu ergreifen.
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse
oder Fleisch und vom Grundwasser
über das Trinkwasser zum Menschen.
Kleingärtner in Gebieten mit höherer
Schadstoffbelastung sind somit mehreren potenziellen Belastungspfaden
ausgesetzt.
Dabei kann gerade der Verzehr von
Produkten aus eigenem Anbau eine
–unsichtbare – Belastung darstellen: Gut gewachsenem Gemüse ist
es nicht anzusehen, ob in den Pflanzen Schwermetalle angereichert sind
(Abb. 3). Die bodenschutzrechtlichen
Bewertungsmaßstäbe sind in Bezug
auf den Wirkungspfad differenziert.
So finden sich Werte für die Beurteilung der direkten Bodenaufnahme z.B. durch spielende Kinder, des
Transfers vom Boden in Nahrungsund Futterpflanzen oder der Verlagerung in das Grundwasser.
Stoffliche Belastungen von Kulturböden umfassen in Nordrhein-Westfalen
meist größere Flächen. Daher scheiden übliche großtechnische Sanierungen, beispielsweise durch Abtragung des kontaminierten Bodens, in
der Regel aus.
Die Maßnahmen beschränken sich
oft auf Restriktionen im Hinblick auf
die Flächennutzung, wie Einschränkungen oder Verbote beim Pflanzenanbau. Daher ist man auf der Suche
nach alternativen Lösungen. Einen
Erfolg versprechenden Ansatz stellt
dabei die Inaktivierung von Schwer-
Abb. 3: Der Schein kann trügerisch sein: Auch Gemüse, das appetitlich aussieht, kann
stark belastet sein.
metallen dar. Denn die Aufnahme von
Schadstoffen in die Pflanzen ist nicht
direkt von ihren Gesamtgehalten in
den Böden abhängig, sondern von den
mobilen, pflanzenverfügbaren Anteilen der Schwermetalle.
Verschiedene chemische Reaktionen
steuern die Verteilung von Schwermetallen zwischen Bodenlösung und
-festphase und sind somit auch für die
Pflanzenverfügbarkeit verantwortlich:
Eine Fällung von Schwermetallen
tritt ein, wenn das chemische Löslichkeitsprodukt der entsprechenden
Schwermetallverbindung überschrit-
ten wird. Die Übertragung bekannter
Löslichkeitsprodukte aus wässrigen
Lösungen auf den Boden ist aber nur
bedingt möglich, da die physikalischchemischen Bedingungen in Böden
sehr variabel sind.
Sorptionsreaktionen, d.h. die Anlagerung von Schwermetallen an und in
Bodenpartikel, sind entscheidend für
die Bindungsprozesse im Boden.
Sorptionsprozesse sind teilweise reversibel und werden deshalb in die
dauerhafte, so genannte spezifische,
und die weniger persistente unspezifische Sorption untergliedert. Vor
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Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Blei
Bleigehalte der Pflanzen in mg/kg Frischmasse
Pflanze
Kopfsalat 04
Porree
Endivie
Spinat
Sellerie
Kopfsalat 06
Chinakohl
0,6
0,5
0,4
0,3 mg/kg
Höchstgehalt
für Blattgemüse sowie
Sellerie
0,3
0,2
0,1 mg/kg
Höchstgehalt
für anderes
Gemüse
(Porree)
0,1
0,0
Duisburg
Wuppertal
Cadmiumgehalte der Pflanzen in mg/kg Frischmasse
Cadmium
Pflanze
Kopfsalat 04
Porree
Endivie
Spinat
Sellerie
Kopfsalat 06
Chinakohl
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2 mg/kg
Höchstgehalt
für Blattgemüse sowie
Sellerie
0,2
0,1
0,0
Duisburg
Wuppertal
0,05 mg/kg
Höchstgehalt
für anderes
Gemüse
(Porree)
Abb. 4: Blei- (oben) und Cadmiumgehalte (unten) der Pflanzen in den
Gärten ohne Zusatz von Materialien sowie
die Angaben zu Höchstgehalten nach der
EU-Kontaminanten-Verordnung. Alle
Angaben beziehen sich auf mg Schwermetall pro kg Frischmasse.
Kleingarten-
anlage
Anzahl Gärten
allem die unspezifische Sorption ist
stark abhängig vom pH-Wert und dem
Redox-Potential in den Böden.
Der pH-Wert hat einen wesentlichen Einfluss auf die Mobilität von
Schwermetallen. Im zunehmend sauren Bereich nimmt die Löslichkeit für
Schwermetalle stark zu. Dabei gibt es
Unterschiede zwischen den einzelnen Schwermetallen. Während sich
bei Cadmium bereits eine Mobilisierung bei leicht saurem pH-Wert von
6,5 zeigt, wird Blei erst ab pH-Werten von 4,0 mobilisiert. Arsen zeigt
hingegen ein Mobilitätsmaximum bei
pH 6,5 bis 7. Der optimale pH-Wert,
der bei zu sauren Böden über Kalkung
erreicht werden kann, sollte also an
die vorhandenen Schadstoffe angepasst werden.
Eine Komplexbildung, durch die
Schwermetalle immobilisiert werden
können, findet man bei organischen
und anorganischen Substanzen. Es
treten vor allem Komplexe zwischen
Schwermetallen und organischer
Substanz auf, deren starke Bindung
durch funktionelle Gruppen von Fulvo- und Huminsäuren verursacht werden. Phosphat, Carbonat, Sulfat und
Chlorid sind anorganische Komplexbildner. Da die Komplexe aber gerade
in Gartenböden durch die hohe biologische Aktivität abgebaut werden
können, eignen sich organische Zusätze nicht für die dauerhafte Fixierung von Schwermetallen in Böden.
Durch bestimmte Bodenzusätze lassen sich diese verschiedenen Reaktionen im Boden beeinflussen. Zu den
Arsen (As)
Cadmium (Cd)
Feierabend 6
(Duisburg)
98
± 38
Zink
(Zn)
pH-Wert
41
< 25
± 9
2360 ± 930
6,6
± 0,1
Varresbeck
6
(Wuppertal)
63
< 2
< 25
± 5
990
± 450
6,7
± 0,1
PW / MW
4002
20002
40/1001
Blei
(Pb)
1001
* Prüf- und Maßnahmenwerte der BBodSchV im Hinblick auf:
1
Pflanzenqualität bzw.
2
Wachstumsbeeinträchtigungen
Tab. 1: „Mobile“ Stoffgehalte im Oberboden (NH4NO3-Extrakt) und ihre Bewertung nach
BbodSchV: Alle Angaben in μg Schwermetall/Metalloid pro kg Boden (Trockenmasse).
16
Abb. 5: Metasorb® – ausgebracht vor der
Einarbeitung in das Gartenbeet.
Materialien mit hohem und dauerhaftem Immobilisierungspotential gehören Tonminerale, Aluminium-Silikate
wie Metasorb® und Zeolith, Phosphate, Kiesschlämme sowie Eisen-, Aluminium- oder Mangan-Oxide.
Im Rahmen eines praxisorientierten
Projekts der Abteilung Bodenkunde/Bodenökologie des Geographischen Instituts der Ruhr-Universität, das vom nordrhein-westfälischen
Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert wird, haben wir
verschiedene Materialien auf ihre Fähigkeit, Schwermetalle im Boden zu
fixieren, getestet.
Für den Einsatz der Substanzen im
Freiland wurden Gärten von jeweils
zwei Kleingartenanlagen in Duisburg
und Wuppertal ausgewählt, bei denen
sowohl in den Pflanzen, als auch in
den Böden erhöhte Schwermetallgehalte vorlagen (s. Abb. 4). In einer
Wuppertaler Kleingartenanlage stammen die Schadstoffe vor allem aus
einer unter den Gärten gelegenen ehemaligen Abfalldeponie. In Duisburg
sind vor allem die Staubeinträge aus
der Schwerindustrie (z.B. Zinkerzaufbereitung) für die Belastung verantwortlich.
In beiden Städten traten in den untersuchten Proben für Cadmium und Blei
Überschreitungen auf (s. Tab. 1), und
vor allem in Blattsalaten wie Endivie
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 6: Zwei verschieden Zusatzstoffe und Kontrolle, bepflanzt mit
Kopfsalat und Porree (oben) sowie Sellerieernte (rechts).
und Kopfsalat variierten die Belastungen stark. In Duisburg lagen z.B. die
mittleren Cadmiumgehalte des Porrees und des Selleries über dem zulässigen Höchstgehalt. Pflanzen zeigen
unterschiedlich starke Akkumulation,
Wurzelgemüse lagern beispielsweise
besonders viele Schadstoffe ein.
Um die Wirksamkeit verschiedener
Bodenzusätze auf die Schwermetallverfügbarkeit zu prüfen, wurden zunächst rund 30 Substanzen im Labor
Blattsalat
stark belastet
getestet. Bodenproben aus den Gärten
wurden mit den Zusätzen versetzt und
nach drei Wochen der pflanzenverfügbare Schadstoffgehalt gemessen. Die
sechs Zusätze, die im Labor die besten Ergebnisse erzielten, wurden dann
in den Gärten in einem dreijährigen
Feldversuch eingesetzt.
Für den Feldversuch qualifizierten
sich Wasserwerksschlamm (WS), der
beim Kontakt von stark eisenhaltigem
Grundwasser mit Sauerstoff durch die
Bildung von Eisenoxiden entsteht und deshalb bei der Trinkwasseraufbereitung in großen Mengen als
Restprodukt vorliegt; Zeolith (ZEO),
ein Mineral, das als Waschmittelzusatz eingesetzt wird; Metasorb ®
(MESO, Abb. 5), ein im Handel erhältliches Produkt, das ursprünglich
bei der Kohlenrestverwertung anfiel
und heute industriell hergestellt wird;
Phosphat mit Kalk (P), mit dem vor
allem Blei unlösliche Verbindungen
bildet; TMT, ein für die Rauchgaswäsche oder zur Behandlung von metallhaltigem Abwasser eingesetztes Trinatriumsalz; Tonmehl (TON) sowie
Kombinationen dieser Zusatzstoffe.
Die Zusätze wurden intensiv in die
obersten 30 cm der Gartenböden eingearbeitet. In jedem Garten wurde ein
Teil der Fläche zur Kontrolle unbehandelt gelassen.
Da Pflanzen ein stoff-spezifisches
Aufnahmeverhalten zeigen, wurden
für die Bepflanzung ortstypische Gemüsesorten ausgewählt, von denen
teilweise eine Schwermetallanreiche-
rung bekannt ist. Im Laufe der Versuchsdauer wurden zweimal Kopfsalat und je einmal Endiviensalat, Sellerie, Spinat, Porree und Chinakohl
angebaut (Abb. 6). Nach der Ernte
wurde das Gemüse küchenfertig aufgearbeitet und auf seine Schwermetallgehalte untersucht.
Durch die Zusätze ließ sich eine Verminderung des Schwermetalltransfers
in die Pflanzen um bis zu 50 Prozent
erreichen. Allerdings zeigte sich eine
große Variabilität innerhalb der Varianten und nicht alle Bodenzusätze
erfüllten im Freiland die in sie gesetzten Erwartungen. Beispielsweise verursachte Zeolith (ZEO) eine zusätzliche Schadstoffmobilisierung, vor allem bei Blei (Abb. 7). Für Cadmium
und Blei zeigten der Zusatz Wasserwerksschlamm (WS) und Phosphat
mit Wasserwerksschlamm (P+WS)
relativ gute Erfolge.
Parallel zu den Untersuchungen der
Pflanzen wurden zur Ernte Boden17
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Cadmiumgehalte der Pflanzen im Vergleich zur Kontrolle
Cadmium
Pflanze
140
Kopfsalat
Spinat
120
Kontrolle
100
80
60
40
20
0
KO MESO P+WS TON
WS
ZEO
Variante
Bleigehalte der Pflanzen im Vergleich zur Kontrolle
Blei
Pflanze
250
Kopfsalat
Spinat
200
150
100
Kontrolle
50
0
MESO P+WS
TON
WS
ZEO
Variante
Abb. 7: Relative Cadmium- (oben) und Bleigehalte (unten) der Pflanzen im Vergleich zur
unbehandelten Kontrolle (=100 Prozent).
Abb. 8: „Mobile“, durch Pflanzen aufnehmbare relative Cadmium- (links) und
Arsengehalte (rechts) nach Zugabe verschiedener Zusätze im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle.
„Mobile“ Cadmiumgehalte des Bodens
proben entnommen und analysiert,
um beide Parameter miteinander in
Beziehung setzen zu können. Denn
die Pflanzenverfügbarkeit anorganischer Schadstoffe wird nicht nur
durch die Schadstoffgesamtgehalte
und die Schadstoffeigenschaften bestimmt, sondern auch durch Bodeneigenschaften wie Mineralbestand,
pH-Wert und Humusgehalt.
Es zeigte sich, dass sich durch die
Zusätze die Schwermetallmobilität
auch im Boden um bis zu 50 Prozent verringern ließ. Allerdings fand
sich eine deutlich größere Variabilität als bei den vorangegangenen
Laborversuchen (s. Abb. 8). Die Zusätze Wasserwerksschlamm (WS) und
Phosphat mit Metasorb® (P + MESO)
verringerten die pflanzenverfügbaren
Cadmiumgehalte um bis zu über
40 Prozent.
Aber nicht alle Schwermetallmobilitäten wurden gleichermaßen positiv
durch die Zusätze verändert: Phosphat in dem Zusatz „P + MESO“
verursachte etwa eine Mobilisierung des Arsens im Mittel um bis zu
120 Prozent. Zink konnte hingegen
durch den gleichen Zusatz um über
60 Prozent in seiner Verfügbarkeit
verringert werden.
Um die Mobilität schädlicher Schwermetalle im menschlichen Körper nach
der Bodenbehandlung bei direkter
Aufnahme des Bodens über die Verdauung zu testen, analysierten wir zusätzlich im Labor die so genannte Resorptionsverfügbarkeit der Schwerme„Mobile“ Arsengehalte des Bodens
120
250
100
Kontrolle
200
80
150
60
100
40
50
20
0
MESO
P+MESO P+WS
Variante
18
WS
ZEO
0
MESO
P+MESO P+WS
Variante
WS
ZEO
talle im Vergleich zur unbehandelten
Bodenprobe. An einem künstlichen
chemischen Magen-Darm-Modell
(Abb. 9) konnte die potenzielle Resorptionsmenge von Schwermetallen in den unterschiedlichen Verdauungsabschnitten getestet werden. Dabei zeigte sich, dass durch die Zusätze
Im künstlichen MagenDarm-Modell getestet
die mögliche Aufnahme von Schwermetallen über den Darm in den Körper bis zu 48 Prozent gesenkt werden
konnte. In dem dargestellten Beispiel
(Abb. 10) sind die im Darm resorbierbaren Gehalte, links von Cadmium und rechts von Blei dargestellt. In
beiden Fällen zeigte TMT die höchste
Abnahme der Resorptionsverfügbarkeit um 36 Prozent bei Cadmium und
um 48 Prozent bei Blei. Aber auch
Eisenoxide (FE), Metasorb® (MESO)
und Wasserwerksschlamm (WSL)
zeigten Verminderungen der Bleiverfügbarkeit von über 30 Prozent. Die
Bindungsformen in den Böden wurden durch die Zusätze also so stark
verändert, dass die Wirkung bezüglich des Direktpfads, also die orale oder dermale Aufnahme, abnahm
– gute Nachrichten also für besorgte Gärtner.
Um mögliche Risiken und weitere
Wirkungspfade einschätzen zu können, werden zusätzlich Untersuchungen zum Eintrag der Schwermetalle in
das Grundwasser sowie zum Einfluss
der Zusätze auf Bodenorganismen durchgeführt.
Insgesamt zeigt sich
aus den bisherigen Ergebnissen, dass Möglichkeiten zur Immobilisierung von Schwermetallen durch verschiedene Zusätze
durchaus gute ErgebKontrolle
nisse erzielen, vor allem in Bezug auf die
direkte Aufnahme von
Boden, etwa durch
Kinder. Aber auch bei
der indirekten Aufnah-
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 9: Im Magen-Darm-Modell wurde die Schadstoffaufnahme über die Verdauung im Labor getestet.
me über Pflanzen können bestimmte
Zusätze über mehrere Jahre hinweg zu
deutlichen Verringerungen der Schwermetallgehalte führen. Als vielversprechende Zusätze erwiesen sich vor allem
Wasserwerksschlamm und TMT.
Nach abschließender Auswertung der
Daten und Diskussionen mit Betroffenen, Herstellern und den verantwortlichen Umweltbehörden wird sich
zeigen, ob es zur Weiterentwicklung
dieser potenziellen Immobilisierungsprodukte zur Praxisreife und damit
zur Verfügbarkeit im Handel kommen
wird. Zurzeit kann sich zwar theoretisch jeder an ein Wasserwerk wen-
den und dort nach den anfallenden
Schlämmen fragen, allerdings liegen
sie dort meist mit sehr hohem Wassergehalt vor, der Transport und Einarbeitung erschwert. Des Weiteren muss
man die örtlichen Schwermetallgehalte des Wasserwerksschlamms berücksichtigen, damit man keine zusätzliche Belastung seines Gartenbodens
verursacht.
In jedem Fall wird es weiterhin notwendig sein, die Standorteigenschaften und die örtliche Belastungssituation bei der Wahl eines geeigneten
Bodenzusatzes zu berücksichtigen, da
nicht jeder Zusatz auf jedes Schwer-
metall und die Akkumulation im Gemüse die gleiche Wirkung zeigt. Optimal angepasste Zusätze sind auch für
andere Anwendungen interessant, z.B.
auf landwirtschaftlichen Flächen.
Prof. Dr. Bernd Marschner, Dipl. Geogr.
Rita Haag, Dr. Ingo Müller, Geographisches Institut, Bodenkunde und Bodenökologie
Abb. 10: Im Darm resorbierbare relative
Cadmium- (links) und Bleigehalte (rechts)
von behandelten Böden im Vergleich zur
unbehandelten Kontrolle (Mittelwerte).
Cadmium-Resorption im Darm
Blei-Resorption im Darm
110
110
100
Kontrolle
-12 %
90
-16 %
-21 %
80
100
Kontrolle
90
-16 %
-18 % -18 %
-24 %
-27 % -27 %
70
-30 %
70
-36 %
60
60
50
50
-20 %
-22 %
80
-23 %
-33 %
-35 %
-32 %
-48 %
TMT
FE
P WSIMET P
WS
TMT
TMT
Variante
WS
MESO
WSL
P
WS
TMT
FE
P WSIMET P
WS
TMT
TMT
WS
MESO
WSL
P
WS
Variante
19
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Qualitätstourismus auf Mallorca:
„Ballermann“ war besser
Thomas Schmitt
Ballermann, Betonburgen, Billigtourismus: Von diesem
Negativimage will Mallorca weg, hin zum umweltverträglicheren, hochwertigen und teuren Qualitätstourismus
auf einer grünen behüteten Insel. Aber ist der Qualitätstourismus tatsächlich verträglicher als der Massentourismus? Langjährige Studien zur Landschaftsveränderung
auf Mallorca zeigen das Gegenteil.
Abb. 1: Massentourismus auf Mallorca – Ballermann, Betonburgen und Urlauberschwemme am Strand.
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 2 links: Bettenburgen säumen die
Küsten und prägen das Image der Insel negativ: „Balearisierung“ ist das Phänomen.
Abb. 2 rechts: Idyllische Ferienvilla mit
eigenem Pool. Das lassen sich Touristen
etwas kosten, so hofft man.
D
ie Urlauberschwemme, die
Mallorca seit Beginn der
1960er Jahre in immer größerem Ausmaß überflutete, löste
seinen unkontrollierten Bauboom aus.
Allein in der Anfangsphase des Tourismus verachtfachte sich die Zahl der
Urlauber auf Mallorca von 360.000
(1960) auf über 2,8 Mio. (1973,
s. Abb. 3). Die Ölkrise (1973) brachte diese Entwicklung kurzzeitig zum
Stillstand; zu Beginn der 1980er Jahre setzte dann die zweite Wachstumsphase mit einer weiteren Verdopplung der Touristenzahlen ein. Die von
der Urlauberflut betroffenen Küstenregionen büßten einen großen Teil
ihrer Natur- und traditionellen Kulturlandschaft unwiederbringlich ein.
Betonburgen säumen die Küsten und
repräsentieren diesen Prozess der
Landschaftszerstörung, der in der spanischen Fachliteratur als „Balearisierung“ traurige Berühmtheit erlangt
hat. Fortgesetzte, auf Billigangebote
ausgerichtete Fehlentwicklungen in
der Erschließung und Bebauung der
Insel lockten eine besondere Urlauberklientel mit gesellschaftlich wenig
akzeptierten Umgangsformen an und
sorgten dafür, dass Mallorca international zunehmend auf ein „Sonne, Sex
und Suff“-Image reduziert wurde.
Die Balearenregierung sah dem Imageverlust Mallorcas lange untätig zu.
Sie betrieb eine absolute Vorrangpolitik für den Tourismus, aus dem
ca. 80 Prozent des Bruttoinlandproduktes der Insel stammen. Ein Umdenken begann erst, als in den ausgehenden 1980er Jahren die Inflation in den Herkunftsländern der Touristen und die wachsende Stärke der
spanischen Währung für eine Verteu-
erung des Urlaubs auf der Insel und so
für ein jähes Ende des Booms sorgte.
Der Sturz der Wirtschaftsbilanz weckte den politischen Willen zur Begrenzung des Massentourismus und zur
Etablierung von gehobenen, teuren
Tourismusformen.
Der erste Schritt zu einer umweltverträglicheren touristischen Landschaftserschließung ließ noch bis
1991 auf sich warten, als ein Gesetz
zur Bauordnung in speziell ausgewiesenen Schutzgebieten erlassen wurde. Es erscheint zeitgleich mit der
Absicht der balearischen Regierung,
Kapital aus der Schönheit der noch
nicht erschlossenen inneren Inselteile zu schlagen und dort andere, vermeintlich landschaftsschonendere Arten des Tourismus zu etablieren. Seither versucht die balearische Tourismuspolitik mit den Leitmotiven „Naturschutz“ und „Qualitätstourismus“
dem Urlauber ein neues Image zu verkaufen: das einer grünen, naturnahen,
behüteten Insel.
Doch der Reformprozess wurde vom
Zeitgeschehen überrollt: Politische
Krisen im östlichen Mittelmeergebiet
(z.B. Golfkrise, Balkankrieg) und der
eröffnete Markt in den neuen Bundesländern führten ab 1991 zu einer
starken Zunahme der Touristenzahlen
(vgl. Abb. 3). Erst im Jahr 2000 endete der neue Boom. Mitverantwortlich
dafür war sicher die schlechte Presse, die Mallorca aufgrund der Einführung der geringfügigen Ökosteuer erhielt. Sie sollte in Maßnahmen
zur Erhaltung von Natur-, Landschaftund Umweltqualität fließen. Es zeigte
sich, dass auch und gerade auf Mallorca fromme Wünsche an harten
Ökosteuer weg –
wieder mehr Touristen
wirtschaftlichen Realitäten, Lobbyismus und kurzzeitigem Profitdenken
scheitern. Die für die Einführung der
Ökosteuer verantwortliche Regierung
wurde angesichts der sinkenden Urlauberzahlen abgewählt, die neue Regierung nahm die Steuer umgehend
zurück und tatsächlich stiegen die
Touristenzahlen wieder an.
Handelt es sich bei der vielbeschworenen Absicht zur Abkehr vom Mas21
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Anstieg der Touristenzahlen
Mio.
9,0
30%
8,5
8,0
20%
7,5
7,0
6,5
Touristenzahl
5,5
5,0
0%
4,5
4,0
3,5
Wachstumsrate
10%
6,0
-10%
3,0
2,5
2,0
-20%
1,5
1,0
0,5
-30%
0,0
60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04
jährliche Wachstumsrate
Jahr
Touristenzahl
Abb. 3: In den vergangenen 45 Jahren sind die Touristenzahlen auf Mallorca explodiert. Rückgänge waren vorübergehend durch die Ölkrise (1973), durch wirtschaftliche Entwicklungen in
Europa Ende der 1980er Jahre und bei Einführung der Ökosteuer im Jahr 2000 zu verzeichnen.
sentourismus etwa nur um ein Lippenbekenntnis? Wenn ja, welchen
Sinn könnte es haben?
Die planlose Bautätigkeit, die das Negativimage der Insel mitbestimmte,
führte in den touristischen Ausbauzonen nicht nur zur Bedrohung und Vernichtung der Umweltqualität, sondern
damit auch zur Zerstörung der touristischen Qualität. Dem begegnete man
mit der Erschließung neuer Räume
von noch hoher Güte und integrierte so immer größere Teile der Insel
in den zerstörerischen Kreislauf „Erschließung – Qualitätsverlust – massentouristisches Billigziel“. Die touristische Überprägung von weiten Teilen ihrer Insel hat bei der mallorquinischen Bevölkerung in den 1980er
und 1990er Jahren ein ausgeprägtes
Bewusstsein für die notwendige Begrenzung des Tourismus geschaffen.
Die Einbeziehung neuer Räume in die
22
touristische Erschließung – eine unausweichliche Notwendigkeit bei der
Etablierung des Qualitätstourismus –
konnte in der Bevölkerung nur Rückhalt finden, wenn der Eindruck vermittelt wurde, dass dies ein probates
Mittel zur Begrenzung des Massentourismus ohne finanzielle Einbußen
ist. Sollte hier der Sinn des Lippenbekenntnisses liegen?
Das Konzept des in den 1990er Jahren aufstrebenden mallorquinischen
Qualitätstourismus baut auf die Erneuerung und größere Vielfalt des
Urlaubsangebotes mit abwechslungsreichen Angeboten abseits des klassischen Badetourismus und verfolgt
die Dezentralisierung des Tourismus.
Das neue Angebot ist qualitativ hochwertig, d.h. vor allem teuer: Die Anlage von Golfplätzen (Golftourismus),
Yachthäfen (Nautischer Tourismus)
und Zweitwohnsitzen (Residenzial-
tourismus) gehen mit der die Entwicklung eines hochrangigen Hotellerie- und Gastgewerbes einher.
Aber ist diese Art des touristischen
Angebots wirklich umweltschonender? Unsere intensiven Studien zum
Landschaftswandel auf Mallorcazeichnen ein anderes Bild: Es handelt sich ganz im Gegenteil um eine
hochgradig landschaftsverändernde
und ökologisch nachteilige Form des
Tourismus mit höchsten Flächenansprüchen. Da sich die bestehenden
massentouristischen Zentren für einen Qualitätstourismus nur begrenzt
eignen, greift die Etablierung des Angebots zwangsläufig auf noch nicht erschlossene Räume über. Dabei entfaltet der Nautische Tourismus sein zerstörerisches Potenzial hauptsächlich
in den Meeres- und Küstenökosystemen. Hafenanlagen mit weit ins Meer
hineinragenden Molen verändern natürliche Strömungen und führen zur
Erosion von Sandstränden. Durch den
Golf-, vor allem aber durch den Residenzialtourismus steigt der Landschaftsverbrauch drastisch an: Während sich der Bau von Zweitwohnsitzen in den 1980er Jahren noch fast
ausschließlich auf die Küsten konzentrierte, ist heute die intensive residenzielle Erschließung des landwirtschaftlich geprägten Inselinnern und
des Gebirges (Serra Tramuntana) unverkennbar. Der Residenzialtourismus ist unter ökologischen Aspekten
und aus Sicht des Landschafts- und
Naturschutzes die wohl aggressivste Tourismusform auf Mallorca und
zugleich die einzige, die noch immer
völlig ohne Planung verläuft. Allein
marktwirtschaftliche Gesetze von Angebot und Nachfrage bestimmen seine
Entwicklung und bedingen eine exzessive Zunahme an Zweitresidenzen
mit einem entsprechenden Verbrauch
der Umweltressourcen Landschaft,
Boden und Wasser. Die Volkszählung
2001 erbrachte, dass die Anzahl der
Zweitwohnsitze in einigen Gemeinden die der Hauptwohnsitze übersteigt (Abb. 4). Verständlicherweise
wächst in der einheimischen Bevölkerung sicht- und hörbar die Ablehnung gegen den „Ausverkauf Mallor-
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
cas“ und gegen eine weitere kulturelle
Überfremdung ihrer Gemeinden.
Ein repräsentatives Beispiel für den
hohen Landschaftsverbrauch durch
den Residenzialtourismus ist die Gemeinde Calvia im Südwesten der Insel (Abb. 5a u. b). Hier lassen sich
mit dem Golf- und dem Nautischen
Tourismus zwei weitere Formen des
Qualitätstourismus identifizieren.
Der gravierende Landschaftswandel
nahm etwa 1990 mit der Anlage des
ersten Golfplatzes und dem Ausbau
von Zweitwohnsitzen seinen Anfang.
Bis 2004 entstanden in der Gemeinde
Calvia fünf der insgesamt 18 Golfplätze Mallorcas und über 20.000 Zweitwohnsitze. Der Landschaftsverbrauch
macht sich bemerkbar im Verlust von
typischen Elementen und Biotopen
des klassischen mallorquinischen
Landschaftsbildes, z.B. von Kiefernwäldern, Garrigue (Strauchheiden),
Macchie (Gebüschformationen) und
traditionellen landwirtschaftlichen
2°30‘ ö.L.
Nutzflächen (z.B. Oliven- und Mandelhaine) sowie von natürlichen Steilküsten (Abb. 6). An ihre Stelle sind
bebaute Flächen und urbane Freiflächen getreten. Die Erholungsfunktion
der Landschaft (touristisches Potenzial) sowie ihre Lebensraumfunktion für
Zahl bedrohter
Arten steigt
Flora und Fauna (Naturschutzpotential) sind in allen vom Residenzialtourismus geprägten Arealen der Insel nachweislich drastisch zurückgegangen. Dadurch sinkt die Biodiversität der Insel und die Roten Listen der
gefährdeten und vom Verlust bedrohten Biotope, Tier- und Pflanzenarten
wachsen sprunghaft an.
Aber damit nicht genug: Auch auf
eine Vielzahl anderer Umweltaspekte wirkt sich der Qualitätstourismus negativ aus. Dies gilt insbesondere für die Wasserressourcen. Trotz
3°00‘ ö.L.
der bereits in den 1980er Jahren sehr
angespannten Trinkwassersituation
sind die beiden folgenden Jahrzehnte
durch einen steten Anstieg von Förderung und Verbrauch gekennzeichnet. Die Höhe des Wasserverbrauchs
korreliert eng mit dem touristischen
Erschließungsgrad der Gemeinden
und der vorherrschenden Tourismusform. Viele der ländlichen Gemeinden verzeichnen nur einen Pro-KopfVerbrauch von weit weniger als 100 l
Wasser pro Tag (Abb. 7), während der
Konsum in zahlreichen touristischen
Gemeinden, so auch in Calvia mit seinen vielen Zweitwohnsitzen, auf mehr
als 250 l pro Kopf und Tag ansteigt
und gelegentlich sogar über 400 l
liegt (z.B. in Alcudia und Son Servera, wo, wie in vielen Küstengemeinden auf Mallorca Massen- und Qualitätstourismus nebeneinander existieren). Zwar liegen keine exakten Daten über den Anteil des Qualitätstourismus am Wasserverbrauch vor, aber
3°30‘ ö.L.
Anteil der Zweitwohnsitze in Prozent
< 30
30-40
40-50
50-60
>60
39°30‘ ö.B.
39°30‘ ö.B.
Gemeindegrenze
0
5
10 km
Datengrundlage: Govern de Illes Balears 2002
Abb. 4: In Gemeinden wie Calvia und Andratx im Südwesten der Insel liegt der Anteil von
Zweitwohnsitzen bei über 60 Prozent. Nach einer internen Studie der Universität der Balearen ist durch den Verkauf von Zweitwohnsitzen bereits ein Fünftel der Inselfläche in ausländisches, überwiegend deutsches Eigentum gelangt. In vielen Gemeinden beträgt der Anteil von europäischen Ausländern an der Wohnbevölkerung zwischen 10 und 15 Prozent, in
Gemeinden der Küste sogar bis zu 20 Prozent und mehr.
23
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
1990
1968
Abb. 5a: Ein Vergleich von Luftbildern vom Puig de sa Sirvi (Gemeinde Calvia) südlich von Santa Ponsa aus den Jahren 1968, 1990 und
2004 (S. 25) lässt auf den ersten Blick das Schrumpfen der Natur- und Kulturlandschaft zugunsten des Qualitätstourismus erkennen.
Inselverwaltung und Forscher sehen
ihn als erheblich an. Besonders kritisch sind Residenzial- und Golftourismus. Vor allem die bei Zweitwohnsitzen üblichen Poolanlagen und die
ganzjährige Gartenbewässerung, aber
auch die Bewässerung von Golfplät-
zen führen zu einem Pro-Kopf-Verbrauch der Residenzial- und Golftouristen, der weit über dem Wasseranspruch „herkömmlicher Touristen“
liegt. So entspricht der tägliche Wasserbedarf eines Golfplatzes von bis zu
2000 cbm dem Tagesverbrauch eines
Biotoptypen
0,1
0,0
Flachküsten
21,5
18,1
Steilküsten
Triften, Garigue und Macchie
Wälder
89,8
38,4
landwirtschaftl. Nutzflächen
0,0
0,3
3,1
Brachflächen/Ödland
10,0
15,2
Urbane Freiflächen
31,6
14,8
Bebaute Flächen
74,7
0,4
2,5
Freizeitflächen
1968 in ha
1998 in ha
47,5
29,6
0
10
20
30
40
50
60
70
80
ha
90
100
Abb. 6: Der Vergleich der Biotoptypen am Puig de sa Sirvi zwischen 1968 und 1998 zeigt
einen deutlichen Rückgang natürlicher Elemente wie Wälder, Steilküsten, Garrigue
(Strauchheiden) und Macchie (Gebüschformationen) zugunsten bebauter Flächen und
urbaner Freiflächen wie z.B. Grünanlagen, Spielplätze, Golfplätze.
24
Ortes mit ca. 8000 Einwohnern. Die
Grundwasserentnahme hat zwischen
1989 und 1999 mit 20 Mio. cbm um
23 Prozent zugenommen mit heute
noch steigender Tendenz. Ein Vergleich der Luftbilder (s. Abb. 5a) verdeutlicht den Beitrag des Residenzialtourismus an dieser Entwicklung. Er
zeigt nicht nur die enorme Zunahme an zu bewässernder Gartenfläche, sondern auch die Zunahme der
Zahl der Pools von 173 im Jahr 1990
auf 634 im Jahr 2004. Residenzialund Golftourismus sind maßgeblich
dafür verantwortlich, dass der Wasserverbrauch in der Gemeinde Calvia
in den Monaten Juli/August mit fast
3000 cbm etwa doppelt so hoch ist
wie in den Wintermonaten (Abb. 8).
Das ökologische Gleichgewicht von
Grundwasserneubildung und Grundwasserentnahme ist auf Mallorca auf
lange Sicht verloren. Die Ausbeute
des Grundwassers führte bereits in
den 1990er Jahren zur Absenkung des
Grundwasserspiegels und Einsickerungen von Meerwasser ins Grundwasser. In der Folge liegt der Salzgehalt des Wassers aus den Brunnen
im gesamten Becken von Palma und
auch andernorts bei bis zu 5000 mg/L
(Der WHO-Grenzwert für gesundheitlich unbedenkliches Wasser liegt
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
2004
Abb. 5 b): Der erste Golfplatz in Santa Ponsa, 1990: Heute ist
die Zufahrtsstraße vierspurig und Zweitwohnsitze reihen sich
entlang der Straße.
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&ALCK
(ERRMANN
-OHRMANN
7IRTSCHAFTSPRàFER
3TEUERBERATER
&ACHANWALTFàR
3TEUERRECHT
"AHNHOFSTRA”E
(ERNE
4ELn
&AXn
INFO HERNESTEUERNDE
WWWHERNESTEUERNDE
25
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
2°30‘ ö.L.
3°00‘ ö.L.
3°30‘ ö.L.
Wasserverbrauch in Liter pro Kopf/Tag
< 100
100-149
150-199
200-249
250-299
≥ 300
39°30‘ ö.B.
39°30‘ ö.B.
Gemeindegrenze
0
5
10 km
Datengrundlage: Blazquez et al. 2002
Abb. 7: Während der Wasserverbrauch in einigen ländlichen Gebieten des Inselinneren
bei weniger als 100 Liter pro Kopf und Tag liegt, beträgt er in Gemeinden mit vielen Zweitwohnsitzen und Golfplätzen z.T. mehr als das Dreifache.
bei 250-500 mg/L, bis 1000 mg/L ist
Wasser noch trinkbar. Danach bestehen Gefährdungen für den Wasserund Stoffhaushalt der Zellen). Die
seit 2000 in der Bucht von Palma betriebene Meerwasserentsalzungsanlage entschärft zwar die Situation. Man
darf aber nicht vergessen, dass die
Versorgung mit dem elementarsten
„Lebensmittel“ in Abhängigkeit von
einer Hightech-Anlage geraten ist.
Ökologisch sinnvoll und raumplanerisch verantwortungsvoll wäre es,
die Wassersituation als natürlichen
Wasserverbrauch
Wassereinspeisung x 1000 cbm
3.000
2.500
2.000
1.500
1.000
500
0
Januar/
Februar
März/
April
Mai/
Juni
Juli/
August
September/ November/
Oktober Dezember
Abb. 8: Der Tourismus sorgt dafür, dass der Wasserverbrauch in der Gemeinde Calvia in
den Sommermonaten doppelt so hoch ist wie im Winter.
26
begrenzenden Faktor der Bevölkerungs- und Beherbergungskapazität Mallorcas anzusehen. Unter diesem Aspekt hätte die Bevölkerungsund Siedlungsentwicklung auf Mallorca ihre Grenzen längst erreicht.
Aber angetrieben von den vermeintlich lockenden hohen Gewinnen aus
dem Qualitätstourismus sehen die im
März 1999 erlassenen Richtlinien zur
Raumordnung eine Bebauungsdichte
vor, die eine potentielle Einwohnerzahl von 4,2 Mio. ermöglicht. Derzeit
beträgt die Einwohnerkapazität Mallorcas, d.h. die Zahl der permanenten
und temporären Bewohner 1,45 Mio.
Die angestrebte Bebauungsdichte kalkuliert also mit einer maximal möglichen Bevölkerungskapazität, die
das Sechsfache der aktuellen permanenten Bevölkerung und das Dreifache der gegenwärtigen Einwohnerkapazität beträgt. Bei vollständiger
Umsetzung der Bebauungsrichtlinie
hätte Mallorca somit eine potentielle Bevölkerungsdichte von 800 EW/
qkm. Die Insel würde damit mitteleuropäische Länder wie Deutschland
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
(230 EW/qkm) oder die Niederlande
(380 EW/qkm) bei weitem übertreffen. Diese „Planung“, die sich weder
an der sozialen Tragfähigkeit der Insel noch an der ökologischen orientiert, birgt für Mallorca die realistische Gefahr des tiefen ökonomischen
Einbruchs, wenn nicht sogar des Zusammenbruchs.
Unterzieht man den mallorquinischen Qualitätstourismus also einer
kritischen Bewertung, zeigt sich deutlich, dass es sich hierbei mit Ausnahme des Agrotourismus (Ferien auf
dem Bauernhof) absolut nicht wie
stets propagiert um eine umweltverträgliche Alternative zum Massentourismus handelt. Der Begriff „Qualität“ bezieht sich nicht auf die Berücksichtigung von Belangen des Naturund Umweltschutzes in der Tourismusplanung, sondern charakterisiert
allein das Prestige und die Finanzkraft
dieser Urlaubsform. Die Anfang der
1990er Jahre unter dem Motto „Förderung eines Qualitätstourismus“ begonnene Begrenzungspolitik bestand
in Absichtserklärungen zur Limitierung der Urlauberzahlen im Billigtourismus, verfolgte aber zu keiner Zeit
die dringend notwendige räumliche
Begrenzung des Tourismus.
Die Fehler der massentouristischen
Erschließung werden dabei auf hohem Preis- und Prestigeniveau wiederholt. Vorhaben wie der geplante
Ausbau des Flughafens Palma (jähr-
liche Abfertigungskapazität ab 2015:
38 Mio. Passagiere), der 133 Mio.
Euro teure, von nur 6,9 Prozent der
Bevölkerung gebilligte Bau der Autobahntrasse Inca-Manacor, die Anlage eines zweiten Autobahnrings um
Palma und die Aufhebung des Bauverbots in besonders geschützten Inselteilen versetzen die Insel zurück in
die 60er Jahre. Die mallorquinische
Fehler auf hohem
Niveau wiederholt
Tourismuswirtschaft ist dabei, ihr
grundlegendes Wirtschaftsgut und
-kapital, die Insellandschaft mit
ihrem Natur- und Erholungspotenzial, ersatzlos zu verspielen.
Es drängt sich die Frage auf, zahlt
sich diese unverantwortliche Vorgehensweise wirtschaftlich aus? Nein!
Die Mehreinnahmen aus dem Qualitätstourismus stehen in keinem Verhältnis zu den monetären und ökologischen Kosten ihrer Etablierung.
Die Wirtschaftbilanz der Balearen belegt für 2001 einen Anteil des Golftourismus von 1,9 Prozent und des
Nautischen Tourismus von 4,4 Prozent am Gesamteinkommen aus dem
Tourismus. Für den Residenzialtourismus liegen keine Daten vor, es ist
aber von ähnlichen Größenordnungen
auszugehen. Der große Unterschied
zwischen traditionellem Massen- und
neuem Prestigetourismus besteht da-
rin, dass der Massentourismus sehr
viel höhere Einnahmen bei gleichzeitig sehr viel geringerem Landschaftsverbrauch erzielt. Unter ökologischen
Aspekten war der pure Massentourismus aufgrund seiner räumlichen Beschränkung eindeutig umweltverträglicher als das mallorquinische
Modell des Qualitätstourismus, das
landschaftlich und ökologisch zerstörerisch wirkt und daher auch ein
enormes ökonomisches Schadpotenzial in sich birgt.
Eine bessere Lösung als die Erschließung immer neuer Gebiete für den
Tourismus wäre die Qualitätsverbesserung in bestehenden Gebieten mit
dem Ziel gleich bleibender Gästezahlen. Optische Verbesserungen im Ortsbild und die Aufwertung der Hotelqualität könnten die bisherigen Massenziele wieder attraktiver machen.
Gelingt es nicht, auch den „Qualitätstourismus“ rasch und räumlich möglichst eng zu begrenzen, dann könnte
es sein, dass Mallorca keine Zukunft
hat, sondern nur eine Gegenwart, die
sich sehr schnell in eine dunkle Vergangenheit verwandeln könnte.
Prof. Dr. Thomas Schmitt,
Geographisches Institut, Landschaftsökologie und Biogeographie
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4ELEFON
4ELEFAX
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)NTERNETWWWWEGIMADE
27
Mineralogie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 1a: Tropfsteinhöhlenpracht – über Jahrtausende hinweg hat das Wasser Kalkstein aus Gesteinsformationen herausgelöst und in dieser Höhle bizarre Formen bildend wieder abgeschieden. Effektiver läuft das unter den Druck- und Temperaturbedingungen in der Tiefe ab (s. Abb. 1b ).
Von hohen Löslichkeiten in tiefer Erde:
Des Wassers steinerne Fracht
Walter V. Maresch
Michael Burchard
Thomas Fockenberg
28
Noch bevor Gestein in großer Erdtiefe zur heißen Schmelze wird, kann seine Löslichkeit in Wasser extrem zunehmen. Ob wässrige Lösungen möglicherweise fließfähige
Kanäle verursachen können, die sich Hunderte von Kilometern unter den großen Faltengebirgen dahinziehen,
ist heute noch Spekulation. Mit aufwändigen technischen
Verfahren erkennen Mineralogen anhand winziger Kristalle im Laboratorium Schritt für Schritt die tatsächlichen
Bedingungen in Erdtiefen, in die keine Bohrung reicht.
Mineralogie
Geowissenschaften Rubin 2007
„S
teter Tropfen höhlt den
Stein“: Diese Volksweisheit ist beim Anblick der
tiefen Klamm eines Gebirgsbachs
nicht von der Hand zu weisen. Steht
man jedoch in einer Tropfsteinhöhle,
liegt die Sache anders. Von der Decke
wachsen Stalaktiten den Stalagmiten vom Boden entgegen. Der Tropfen, der sich gelegentlich von oben
löst, „höhlt“ aber nicht, er scheidet
gelösten Kalkstein (Kalziumkarbonat, CaCO3) ab. Diese Fracht hat das
langsam sickernde Wasser über viele Jahre bis Jahrtausende entlang von
Rissen und Spalten aus dem umgebenden Kalkstein herausgelöst und
hierher gebracht. Als gesättigte Lösung könnte das Wasser eine maxi-
mehr als das kalte Wasser des Atlantiks. Für viele Feststoffe gilt, dass die
Löslichkeit in Wasser mit der Temperatur steigt.
Die meisten Gesteine der Erdkruste bestehen aber nicht aus Kalkstein
oder Salz, sondern aus wenigen Arten so genannter gesteinsbildender
Silikatminerale. Deren atomares Gerüst ist vor allem aus Silizium (Si)
und Sauerstoff (O) aufgebaut. So erreicht der Anteil an SiO2 (Siliziumdioxid) in den Gesteinen der kontinentalen Kruste mehr als 70 Gewichtsprozent. Wasser tritt in solchen Gesteinen nicht nur als tatsächlich freies H2O in Hohlräumen und als dünne
Wasserschichten von wenigen Moleküllagen an Korngrenzen zwischen
Abb. 1 b: Hier erreichte die Löslichkeit des Minerals ein Vielfaches des Kalksteins an der
Erdoberfläche: Bruchstück eines mit dem Mineral Disthen (Al2SiO5) gefüllten Gangs im
Schiefer. Der bläuliche Disthen kristallisierte in der Tiefe aus einer heißen wässrigen Lösung aus, die eine Kluft im Gestein (schematisch dargestellt) durchströmte.
male Menge an CaCO3 mit sich führen, doch bei Höhlentemperaturen lösen sich höchstens 0,01 bis 0,02 Gewichtsprozent des Kalziumkarbonats.
Das sind 1 bis 2 Tausendstel Gramm
pro Liter Wasser. Zum Vergleich: in
einem Liter Cola wirken 110 Gramm
Zucker (11 Gewichtsprozent!) auf die
Zähne ein. Warmes Meerwasser aus
dem Pazifik kann bis zu 36 Gramm
Salze pro Liter (3,6 Gewichtsprozent) enthalten und damit deutlich
Mineralkörnern auf, „Bruchstücke“
von H2O-Molekülen (wie OH-) können auch in das Atomgitter der Silikatminerale selbst eingebaut werden.
Mit zunehmender Erdtiefe steigen
Druck und Temperatur.
Die Gesteine werden weniger porös.
Das freie Wasser sammelt sich, wandert meist nach oben und durchfließt
seichtere Gesteinsverbände. Minerale mit „eingebautem“ Wasser werden
mit zunehmender Erdtiefe instabil,
auch dieses Wasser wird freigesetzt.
Silikatminerale sind unter Oberflächenbedingungen viel weniger löslich
als das Kalziumkarbonat der Kalksteine, aber wie wird die Löslichkeit silikatischer Gesteine mit zunehmender
Erdtiefe durch steigende Temperaturen und Drücke beeinflusst? Wir wissen heute mit einiger Zuverlässigkeit,
wo wir Wasser und wässrige Lösungen auch in größeren Tiefen erwarten
können (s. Abb. 2), besitzen bislang
Wo in der Tiefe
Wasser ist
aber nur rudimentäre Kenntnisse über
die Löslichkeiten der Silikatminerale. Wie setzen sich die wässrigen Lösungen je nach vorliegendem Gestein
zusammen und wie ist ihre atomare
Struktur? In welchem Maße kann Gestein in der Erdtiefe gelöst und von
einem Ort zum anderen transportiert
werden? Diesen Fragen geht unsere
Arbeitsgruppe im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 526 „Rheologie der Erde: von der Kruste bis in
die Subduktionszone“ nach (s. Profil, S. 64). Die Rheologie beschreibt
das Verformungs- und Fließverhalten
von Gestein in der Tiefe. So kann sich
Granit bei den Druck- und Temperaturbedingungen in 10 bis 15 Kilometer Tiefe plastisch verhalten und langsam mit Geschwindigkeiten von bis
zu Zentimetern pro Jahr „fließen“, obwohl sich das gleiche Gestein etwa als
Arbeitsplatte durch besondere Härte
auszeichnet und unter Einwirkung
eines Hammers spröde in Bruchstücke zerspringen würde. Der Fließvorgang ist auf atomarer Ebene hochkomplex und wird durch wässrige
Lösungen entscheidend beeinflusst.
Er hinterlässt oft deutliche Verformungsspuren, aber beteiligte wässrige Lösungen sind nicht mehr nachweisbar, wenn das Gestein an die Erdoberfläche gelangt. Dennoch austretende Lösungen haben ihre gelöste
Fracht unter immer geringer werdenden Temperaturen und Drücken auf
dem Weg zur Oberfläche verloren. Da
Bohrungen gerade 10 bis 12 km Tiefe erreichen können, ist eine direkte
29
Mineralogie
Geowissenschaften Rubin 2007
Kontinent – Kontinent Kollision
Tiefgreifende Störungszone
Gebirge
Kreislauf von
wässrigen Lösungen
wässrige
Lösungen
Ozean – Kontinent
Kollision
Magmenaufstieg
Erdkruste
0
km
Erdmantel
bi
s8
wässrige
Lösungen
und die wir als Erdbeben wahrnehmen
können, auf die rheologischen Eigenschaften der Gesteine zurück. Bei der
Erforschung des Verformungs- und
Fließverhaltens der Gesteine in der
Erdtiefe stellt das Verständnis der Beschaffenheit wässriger Lösungen einen wichtigen Baustein dar.
Die größten Quellen wässriger Lösungen in der Erdtiefe sind in den Kollisionszonen Kontinent/Kontinent und
Kontinent/Ozean, wo oberflächennahe
Gesteine in die Erde abtauchen, und
in tiefgreifenden Störungszonen (z.B.
00
Abb. 3: Die Löslichkeit von Kalifeldspat
(KAlSi3O8) in Abhängigkeit von Druck und
Temperatur. Die Linien stellen eine mathematische Anpassung an die experimentellen Datenpunkte dar.
Löslichkeit Kalifeldspat
Experimenteller
Fehler
2.0
2.5
4
350 o00 oC
C
24
450 o
C
28
500 o
C
20
300 o
C
Ferndiagnose in
unerreichbare Tiefen
San-Andreas-Verwerfung, S. 36) zu
erwarten (s. Abb. 2). In der Erdkruste sind Hohlräume mit freiem Wasser nur in der spröden Oberkruste bis
zu Tiefen von 10-15 km vorhanden.
Darunter verhält sich das Gestein eher
plastisch („fließfähig“): Die Hohlräume schließen sich, die wässrigen
Lösungen werden quasi als bewegliche Wasserfilme entlang den Grenzen
der Mineralkörner des Gesteins herausgequetscht. In den Kollisionszonen
(Abb. 2) schiebt sich wieder frisches,
wasserreicheres Gesteinsmaterial von
oben in die Tiefe. So können komplexe aufwärts/abwärts Kreisläufe
von wässrigen Lösungen ablaufen.
Zur theoretischen Beschreibung und
Vorhersage der Eigenschaften wässriger Lösungen in unerreichbaren
Erdtiefen können spezielle ModellVerfahren in Kombination mit empi-
550 o
C
Untersuchung darunter befindlicher
wässriger Lösungen nicht möglich.
Die konkrete Beschaffenheit dieser
„flüchtigen Verdächtigen“ kann somit nur durch Analogexperimente im
Labor herausgefunden werden.
Letztendlich gehen die Plattenbewegungen der äußeren Erde, von denen
die „Drift“ der Kontinente oder die
großen Gebirgszüge der Welt zeugen
Abb. 2: Wasser wird bevorzugt an Kontinent/Kontinent- und Kontinent/Ozean-Kollisionszonen in die Tiefe verfrachtet. In tiefgreifenden Störungszonen können sich „abwärts/aufwärts“ Strömungskreisläufe bilden.
600 oC
ozeanische Kruste
innerer Erdkern
Gew-% Feldspat
obere kontinentale
Kruste
30
äußerer Erdkern
51
Ki
untere kontinentale
Kruste
29
00
lo Tie
m fe
et i
er n
n
8
Erdmantel
Vulkankette
16
12
8
4
0
0
0.5
1.0
1.5
Druck (Gpa)
3.0
Mineralogie
Geowissenschaften Rubin 2007
35
30
0
0,02
3,6
1
2
11
3
Al2O3 (1,5 GPa/600oC)
5
SiO2 (1,5 GPa/600oC)
10
SiO2 (1 bar/25oC)
15
Cola
20
0,0006
2,8
0,003
4
5
6
Kalifeldspat (1,5 GPa/600oC)
30
25
Meerwasser
Dabei liegt das besondere Augenmerk
auf kleinsten Gewichtsänderungen im
Mikrogrammbereich von Kristallen
vor und nach den Hochdrucklösungsversuchen.
Wir haben bislang die Löslichkeiten
ausgehend von einfach zusammengesetzten Mineralen bis zu zunehmend
komplexeren Verbindungen sowie
Gemengen von mehreren Mineralen
(als Modell für natürliche Gesteine
mit mehreren Mineralphasen) systematisch bestimmt. Die Experimente
wurden bis 5 GPa Druck (50.000facher Atmosphärendruck/entspricht
rund 165 km Erdtiefe) und Temperaturen bis zu 850°C durchgeführt. Derzeit liegen Löslichkeitsdaten für zehn
Mineralarten vor: vom chemisch einfachen Quarz (SiO2) bis hin zu komplexen Mineralphasen wie Tremolit
(Ca2Mg5Si8O22(OH)2). Manche Minerale erwiesen sich als kaum löslich. So
enthält etwa Wasser im Kontakt mit
Korund (Al2O3) bei allen untersuchten
Druck-Temperatur-Bedingungen nur
wenige Tausendstel Gramm Al2O3 pro
Liter (< 0,02 Gewichtsprozent). Dies
sollte für alle Träger von Saphir- bzw.
Rubinschmuck - beide sind Varietäten
von Korund - beruhigend sein.
Aus Quarz lösen sich bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck gerade noch 0,006 Gramm je Liter (0,0006
Gewichtsprozent SiO2). Damit können auch unsere Fensterscheiben und
Trinkgläser - SiO2 ist Hauptbestand-
studien (Abb. 4). Bei 600°C und 1,5
GPa lösen sich im Wasser nur 0,003
Gewichtsprozent Al2O3, bereits 2,8
Gewichtsprozent SiO2, aber 30 Gewichtsprozent Kalifeldspat, obwohl
dieser vorwiegend aus Al2O3 und SiO2
besteht. Offensichtlich lassen sich die
Löslichkeiten der einzelnen Bestandteile nicht einfach addieren, um die
Zusammensetzung einer wässrigen
Lösung zu bestimmen. Bereits der
mit Disthen (Al2SiO5) gefüllte kleine
Gang in Abb. 1b lässt erahnen, dass
Löslichkeiten im Vergleich
Höhlenwasser
1000faches des Höhlenwassers in Erdtiefe gelöst
teil von Glas – keinen Schaden nehmen! Ein überraschend anderes Bild
zeigt sich bei den Kalifeldspäten
(KAlSi3O8, s. Abb. 3), einer Varietät
der Feldspäte, die eine der wichtigsten Mineralgruppen überhaupt darstellen und bis zu zwei Drittel des Volumens der Erdkruste aufbauen. Die
Löslichkeit des Kalifeldspats steigt
bei 600°C und 1.5 GPa (15.000facher Atmosphärendruck/ entspricht
etwa 50 km Erdtiefe) auf beeindruckende 30 Gewichtsprozent oder 300
Löslichkeit (Gew. %)
rischen Gleichungen benutzt werden.
Doch diese Ansätze sind nur bei sehr
niedrigen Drücken anwendbar. Für
eine alternative Modellierung zum
herkömmlichen Verfahren fehlte bislang ein zuverlässiger experimenteller Datensatz. Aufgrund langjähriger
Erfahrungen mit Hoch- und Höchstdruckuntersuchungen bis 7 Gigapascal (ca. 70.000facher Atmosphärendruck/entspricht ca. 250 km Erdtiefe)
am Lehrstuhl für Petrologie konnten
wir die dafür erforderlichen Versuche
in Angriff nehmen, und haben dabei
zugleich Neuland betreten (s Info 1).
7
Abb. 4: Säulendiagramm zum Vergleich von Löslichkeiten bei oberflächennahen
Bedingungen (Höhlenwasser, Meerwasser, Cola, SiO2) und bei Bedingungen der Erdtiefe
(SiO2 , Al2O3 , Kalifeldspat).
Gramm des Gesteins pro Liter Wasser an, d.h. in dieser Lösung ist dreimal soviel Stoff gelöst wie Zucker in
Coca Cola und mehr als das Tausendfache des im Höhlenwasser gelösten
Kalziumkarbonats.
Mit dem Bild der Tropfsteinhöhle vor
Augen stellt sich das potentielle Lösungsvermögen von Wasser gegenüber feldspatreichen Gesteinen in diesen Tiefen als enorm heraus.
Der direkte Vergleich der Ergebnisse
für Korund (Al2O3), Quarz (SiO2), und
Kalifeldspat (KAlSi3O8) bei gleichen
Druck- und Temperaturbedingungen veranschaulicht eines der wichtigsten Ergebnisse der Löslichkeits-
selbst bei geringer Al2O3-Löslichkeit
die Mutterlösung reich an Al2O3 gewesen sein muss. Unsere Ergebnisse mit Kalifeldspat zeigen nun eindeutig, dass sich Löslichkeiten - wie
hier von Al2O3 und SiO2 durch Kalium - durch andere Lösungsbestandteile drastisch erhöhen können. Der
Grund: Wässrige Lösungen sind keine Ansammlungen chaotisch durcheinander „schwimmender“ atomarer
Teilchen. Lösungsmittel und gelöstes Gestein bilden bevorzugte Cluster oder Komplexe aus - Strukturen,
die noch näher zu analysieren sind
(s. Info 2). Wir wissen derzeit nicht,
wie solche K-Al-Si-(H2O)-Cluster im
31
Mineralogie
Geowissenschaften Rubin 2007
info1
Löslichkeit mit „Hochdruck“ bestimmen
Die systematische Bestimmung der Löslichkeiten von Silikat-Mineralen bei hohen Drücken wurde in Stempelzylinderpressen durchgeführt. Mit solchen Apparaturen lassen sich
die Bedingungen von Druck
und Temperatur in der Erdtiefe simulieren: bis ca. 7 GPa
(70.000facher Atmosphärendruck/rund 230 km Tiefe) und
weit über 1000°C. Die komplexen Versuchstechniken gehen
auf jahrzehntelange Erfahrungen zurück.
Für Löslichkeitsversuche wird eine Goldkapsel mit 12 mm
Durchmesser verwendet, die aus zwei passgenauen Teilen
zusammengeschoben und zugeschweißt wird. In der Kapsel befinden sich ein Kornfragment (10 - 20 Milligramm)
und Wasser in genau definiertem Mengenverhältnis. Die
Goldkapsel wird wiederum eingeschlossen in ein kleines
Stahlrohr mit einer Kochsalz-Ummantelung. Dieses Aggregat kommt schließlich in die Bohrung des Hartmetallkerns
einer Matrize aus Stahlringen. In einer 630-Tonnen-Presse
wird dann in diese Bohrung ein Hartmetallstempel hineingedrückt, um den Versuchsdruck aufzubauen. Unter diesen
Bedingungen fließt das Kochsalz und überträgt den hohen
Druck gleichmäßig auf die Goldkapsel. Indem Strom durch
32
das innere Stahlrohr im Kochsalzmantel geleitet
wird, heizt sich die Kapsel
auf die gewünschte Temperatur auf. Während der
Versuchdauer von bis zu
200 Stunden löst sich das
Kornfragment im Wasser auf,
bis die Lösung gesättigt ist.
Am Ende des Versuchs wird
durch Abschalten des Heizstroms die Goldkapsel innerhalb weniger Sekunden abgekühlt. Das gelöste Material in der
wässrigen Lösung der Kapsel fällt als feines, meist gelartiges
Gemenge aus und kann nach öffnen der Kapsel vom angelösten Kornfragment getrennt werden. Der Gewichtsverlust
in Mikrogramm erlaubt dann die Berechnung der Löslichkeit
bei den Druck- und Temperaturbedingungen des Versuchs.
Derartige Löslichkeitsexperimente werden weltweit an zwei
Laboratorien erfolgreich durchgeführt.
Mineralogie
Geowissenschaften Rubin 2007
Detail aussehen, doch die Löslichkeitsdaten zeigen, dass es bevorzugte
Komplexe in wässrigen Lösungen geben muss. Solche sog. gelösten Spezies bilden heute mit einer unglaublichen Fülle von Daten ein weites Forschungs- und Anwendungsfeld in der
Chemie und in den Umweltwissenschaften, allerdings fast ausschließlich bei sehr niedrigen Drücken. Dagegen zeigen unsere Ergebnisse für
hohe Drücke eine neue Welt auf, bei
deren Erforschung des atomaren Aufbaus dieser Lösungen wir erst am Anfang stehen (s. Info 2).
Da die gelösten Spezies bei Druckentlastung sofort zerfallen oder sich verändern, ist ihre Untersuchung schwierig. Hier bieten sich aber komplexe
theoretische Methoden an, mit denen
Strukturen und Stabilitäten im „virtuellen Labor“ oder im „Computer-
experiment“ bestimmt und mit dem
realen experimentellen Befund interaktiv verglichen werden können
(s. Info 2). Oberstes Ziel der Erforschung wässriger Lösungen in der tiefen Erde muss es sein, eine allgemeingültige Beschreibung für die chemischen und physikalischen Eigenschaften zu entwickeln und zur Vorhersage zu nutzen.
Erst wenn wir auch wissen, welche
wässrigen Lösungen in der Tiefe vorhanden sind, lassen sich Grenzwerte
für das Verformungs- und Fließverhalten der Gesteine - das nicht zuletzt
Plattenbewegungen, Gebirgsbildung
und Erdbeben beeinflusst - ableiten.
Wir arbeiten mit „Hochdruck“ daran,
die bereits gewonnenen experimentellen Daten optimal zu nutzen, Datenlücken zu schließen und erste Prognosemodelle zu erstellen. Auch wenn es
nicht möglich sein wird, alle Zusammensetzungen von wässrigen Lösungen in der Natur rein experimentell zu
In den Gesteinsstrukturen lesen
modellieren, so hoffen wir doch, dass
wir für eine entsprechende Systematik bei fortschreitenden experimentellen und theoretischen Methoden nicht
mehr 35 Jahre brauchen werden, wie
dies für die Systematik fester Minerale in Gesteinen der Fall war.
Bereits die vorliegenden Löslichkeitsdaten lassen eine Reihe von wichtigen Schlüssen zu. Da wir nicht wie
die Abenteurer bei Jules Verne die betreffenden Teile der tiefen Erde direkt
besichtigen können, sind wir auf indirekte Beweisführung und logische
Argumentation auf der Basis des
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33
Mineralogie
jeweils vorhandenen Wissens angewiesen. Abb. 5 zeigt eine Gesteinsprobe aus der unteren kontinentalen
Kruste (s. Abb. 1). Die Ausrichtung
und Anordnung der Mineralkörner
deutet auf eine plastische Verformung
hin. Auffallend sind die großen Kristalle des Kalifeldspats, die im festen
Zustand im Gestein gewachsen sind.
Vielerorts werden solche Großkristalle in exhumierten Gesteinen der unteren Kruste gefunden und von zahlrei-
Geowissenschaften Rubin 2007
chen Fachkollegen auf die Zufuhr von
K2O und Al2O3 in das Gestein in der
Tiefe zurückgeführt. Das Gegenargument war stets die geringe Löslichkeit von Al2O3, die den nötigen
Materialtransport unrealistisch erscheinen lässt. Da nach unseren Ergebnissen die gelöste Fracht in den wässrigen Lösungen wesentlich höher sein
dürfte, greift dieses Argument nicht
mehr. Zudem lassen sich in vielen
Gesteinsvorkommen Gänge nach-
info2
gelb = Si, rot = O, grau = H
„Komplexe“ Simulationen
Wässrige Lösungen sind keine strukturlosen Ansammlungen von Atomen und
Ionen. Die Wassermoleküle bilden mit den gelösten Stoffen größere Komplexe oder Spezies aus. Besonders günstige und energetisch bevorzugte Konstellationen können die Löslichkeiten bestimmter Stoffe wie z.B. Al2O3 deutlich erhöhen. Da die Komplexe unter verschiedenen Druck- und Temperaturbedingungen sich sehr schnell verändern bzw. zerfallen können, ist ihre
Identifizierung äußerst schwierig. Computersimulationen auf der Basis der
Quantenmechanik („ab initio“ oder „first principles simulations“) sind hier Erfolg versprechend.
Erste Simulationen verschiedener Komplexe von reinem SiO 2 in Wasser
wurden in einem interdisziplinären Projekt im Rahmen des SFB 526 (s. Profil,
S. 64) gemeinsam mit der Arbeitsgruppe N.L. DOLTSINIS, Theoretische Chemie der Ruhr-Universität, durchgeführt. Während bei niedrigen Drücken Monomere (SiO4H4) die stabilen gelösten Spezies darstellen, zeigen erste Simulationen, dass bei hohen Drücken Dimere (Si2O7H6) an Bedeutung gewinnen. Die Abbildung zeigt schematisch ein Monomer (s. Abb. links oben) mit
einem Dimer (s. Abb. rechts unten) vor einem Netzwerk aus H2O-Molekülen in „Bumerang-Form“ (Simulation bei 1,5 GPa, entspricht 15.000fachem
Atmosphärendruck).
34
weisen (s. Abb. 1), die in der Erdtiefe wässrige Lösungen durchströmten. Auf ihrem Weg an die Oberfläche
kristallisierten die Lösungen aus und
die Gänge enthalten auffallend große Mengen an Al2O3. Der Nachweis
„Schmiermittel“ großer
Gesteinsbewegungen
hoher Al2O3-Löslichkeiten unter erhöhten Drücken enträtselt nun solche
Vorkommen. Unsere Ergebnisse stützen Modellvorstellungen, nach denen in der tiefen Erde ein erheblicher
Lösungstransport stattfindet. Großräumige Umschlagplätze dürften hauptsächlich in Kollisions- und Störungszonen zu erwarten sein (Abb. 2).
Auch das Verformungs- und Fließverhalten von Gesteinen unterliegt wie
alle geologischen Prozesse auf der
Erde den gleichen Regeln, unabhängig
davon, wann sie in der Erdgeschichte
ablaufen (Prinzip des Aktualismus, s.
Seite 40). Die physikalischen Gesetze des Fließens von Gesteinen in der
Erdtiefe sind heute auf atomarer Ebene in ihren Grundprinzipien bekannt.
Doch es fehlen noch immer genaue
Daten, um diese Gleichungen quantitativ umsetzen zu können. Die „Fließgesetze“ sagen aus, dass wässrige Lösungen das Gestein schwächen und
leichter und schneller „fließen“ lassen. Sie betonen aber auch die Bedeutung der Zusammensetzung der Lösung. Je höher der Anteil an gelöster Gesteinsmaterie ist, desto „fließfreudiger“ sollte das Gestein in der
Tiefe sein. Hier kann derzeit im Einzelnen nur spekuliert werden: Sicherlich werden wässrige Lösungen als
„Schmiermittel“ bei den gewaltigen
Gesteinsbewegungen der Gebirgsbildung (z.B. Alpen) eine wichtige Rolle
spielen. Interessant ist etwa, dass einige Wissenschaftler der Ansicht sind,
dass sich kilometermächtige „fließfähige“ Kanäle in der unteren Erdkruste über Hunderte von Kilometern unter den durch Kontinentkollision gestauchten Gebirgszügen
(z.B. Himalaya) hinziehen. Die aufgetürmten Gebirge könnten demnach
infolge des eigenen Gewichts „seit-
Mineralogie
Geowissenschaften Rubin 2007
lich zerfließen“. Auch wenn der zusätzliche und überlagernde Effekt
von beginnender Schmelzbildung in
den Gesteinen in dieser Tiefe nicht
außer Acht gelassen werden darf, so
bietet sich der Einfluss von wässrigen
Lösungen als probates „Schmiermittel“ an. Hier zeigt sich eine Besonderheit geowissenschaftlicher Forschung: Es müssen stets gleichzeitig
unzählige Parameter und Einflüsse
berücksichtigt werden. Jeder Mosaikstein ist wichtig, aber nur die Gesamtheit der Forschungsergebnisse
führt zum umfassenden Verständnis
des Systems Erde.
Abb. 5: Gestein der unteren kontinentalen Kruste. Die durch „Fließen“ verursachte Deformation ist anhand der Einordnung und Ausrichtung der Mineralkörner erkennbar. Helle,
große Kristalle von Kalifeldspat (KAlSi3O8) sind im Gestein gewachsen und bezeugen Stoffzufuhr durch wässrige Lösungen.
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35
Seite
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
Erdbebenschäden in über zehn Kilometern Tiefe:
Gesteine mit
Erinnerungsvermögen
Bernhard Stöckhert,
Claudia Trepmann,
Jens Nüchter
Nicht nur an der Erdoberfläche haben die ruckartigen Verschiebungen bei
Erdbeben verheerende Folgen. Auch in die tieferen
Stockwerke der Erdkruste
werden Spannungen in Sekundenschnelle umverteilt. Im dort zäh fließenden Gestein bauen sie sich
über Monate bis Jahrhunderte ab – aber nicht mit
gleicher Geschwindigkeit
über Jahrmillionen hinweg,
wie man bislang glaubte.
Damit schreiben Steine
nun eine andere Geschichte, die Geologen nutzen
wollen, um die Vorgänge
bei und nach Erdbeben zukünftig besser eingrenzen
zu können.
Abb. 1: Erdbeben treten an Störungszonen
wie dem „San-Andreas-Graben“ auf.
36
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
N
ach dem Erdbeben ist vor dem
Erdbeben. Die Erde arbeitet,
getrieben durch Konvektionsbewegungen im Erdmantel (Abb.
2). In der Erdkruste führen meist
regelmäßig wiederkehrende
ruckartige Verschiebungen
~300oC
an den Bruchflächen (Störungen) zu Erdbeben mit
den bekannten Auswirkungen an der Erdoberfläche. Eine Verschiebung
findet innerhalb von Sekunden statt und erreicht
~500oC
ein Ausmaß von einigen
Metern bis zu mehr als zehn
Metern bei sehr großen Beben
(Abb. 3).
Aber das ist nicht alles. Neben den
spektakulären und zum Teil verheerenden ruckartigen Verschiebungen
an den Störungsflächen während des
Bebens ist auch eine viel langsamere
und räumlich nicht so eng begrenzte Verformung der Erdkruste an der
Erdoberfläche messbar. Mit modernen Verfahren der Geodäsie können
heute Verschiebungen der Erdoberfläche von Millimetern bis Zentimetern
pro Jahr erfasst werden. Diese Bewegungen sind im Umfeld von Störungen häufig nach Erdbeben zunächst
besonders schnell und klingen dann
mit der Zeit ab. Offenbar werden dabei durch irreversible Verformung im
Erdinneren Spannungen abgebaut, die
Erdkruste
20 ... 70 km (Kontinente)
4 ... 7 km (Ozeane)
0
Obere Kruste
(spröde, bruchhafte
Verformung, Erdbeben)
Erdmantel
(Magnesium-Silikate; fest)
10
langsame Konvektion
(cm bis dm/Jahr)
20
2889 km
Untere Kruste
(duktil, langsam
fließende Verformung)
Äußerer Erdkern
(Eisen-Nickel-Legierung;
geschmolzen)
30
Oberer Mantel
5154 km
40
Innerer Erdkern
km
6371 km
(Eisen-Nickel-Legierung;
fest)
Abb. 2: Schalenbau der Erde. Im Vergleich zum Durchmesser der Erde hat die Erdkruste die Dicke der Schale eines Apfels. Sie ist unter Kontinenten zwischen etwa 20 und 70 km
(letzteres nur unter hohen Gebirgen) und unter Ozeanen rund 4 bis 7 km dick. Erdbeben
(Info 1) entstehen durch ruckartige Verschiebung an Bruchflächen in der kühlen und spröden oberen Erdkruste. Die kontinentale Erdkruste kann sich schon bei Temperaturen oberhalb von etwa 300°C sehr langsam fließend verformen. Temperaturen von 300°C werden
meist in 10 bis 20 km Tiefe erreicht, in der tieferen Kruste bei höheren Temperaturen gibt
es daher in der Regel keine Erdbeben.
Abb. 3: Modell der Schädigung der Kruste in 10 bis 15 km Tiefe bei großen Erdbeben. Die
Schäden in Folge der ruckartigen Verschiebung und Spannungsumverteilung lassen sich
nicht direkt analysieren, da selbst die tiefsten Bohrungen die mittlere Erdkruste nicht erreichen. Nur Verschiebungen (mm/Jahr) an der Erdoberfläche als Auswirkungen eines langsamen Spannungsabbaus und des Ausheilens der Schäden in der Tiefe sind mit hochauflösenden geodätischen Verfahren (GPS; InSAR) heute messbar.
Erdbeben
post-seismisches Kriechen
Verschiebung um Meter
Verschiebung um Millimeter
Geländestufe
0 km
10 km
~300oC
Hypozentrum
des Erdbebens
geschädigte
Zone
Sekunden
Spannungsabau und Ausheilen
hunderte bis tausende
von Jahren
37
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
0 km
10 km
~ 300oC
Abb. 4: Verschiebung an
einer Störung (Bruchfläche)
und ihre Auswirkungen:
Geländestufe an der Erdoberfläche auf Kreta (oben),
die in Sekunden bei einem
Erdbeben während der letzten Eiszeit entstanden ist.
Beispiel für eine geschädigte
Zone im Gestein auf der
Insel Euböa (rechts). Das
Gestein lag in rund 10 km
Tiefe, als sich vor Millionen
von Jahren an einer darüber
liegenden Störung ein Erdbeben ereignete. Während
des Erdbebens bildeten sich
zahlreiche Risse, die sich
anschließend geöffnet und
mit Quarz (weiß) verfüllt
haben. Die Geländestufe
(oben) ist bereits unmittelbar
nach dem Erdbeben sichtbar.
Die geschädigte Zone (rechts)
in der mittleren Erdkruste
erreicht dagegen erst nach
Millionen von Jahren und
Abtragung von 10 km Gestein die Erdoberfläche
(Skizze: grüne Fläche).
während des Erdbebens aus dem spröden oberen Stockwerk der Erdkruste
in die tieferen Stockwerke der Erde
umverteilt wurden. Dort erlauben höhere Temperaturen ein zähes Fließen
der Gesteine (Abb. 2). Aber was passiert dort genau?
Aus der an der Erdoberfläche messbaren langsamen Verformung und ihrer Abhängigkeit von der Zeit könnte man auf die Prozesse in der Tiefe
zurück schließen, wenn man geeignete Modelle zum Materialverhalten
zur Verfügung hätte. Aber wie verhält sich das Gestein in der Tiefe bei
plötzlicher Belastung durch ein Erdbeben und während des nachfolgen38
den langsamen Spannungsabbaus?
Die Vorhersage ist nicht einfach, da
Gesteine komplizierte Systeme darstellen und zudem auch noch die fluide Phase im Porenraum für das mechanische Verhalten eine große Rolle spielt. Besonders komplex sind die
Verhältnisse in der mittleren Erdkruste. Im Tiefenbereich von etwa 10 bis
20 km wird die spröde auf Bruchflächen (Störungen) lokalisierte ruckartige Verformung (Erdbeben) zunehmend von einer zeitabhängigen fließenden Verformung abgelöst (s. Abb.
2, 3). Aufgrund der ruckartigen Verschiebungen bei Erdbeben in der darüber liegenden spröden Erdkruste muss
der Spannungszustand hier zyklischen
Veränderungen unterliegen.
Während Verschiebungen an der Erdoberfläche sofort offenkundig sind (s.
Abb. 3 u. 4), lassen sich die folgenden
zeitabhängigen Verformungsprozesse
in der mittleren Erdkruste nicht unmittelbar studieren. Selbst die tiefste
Bohrung auf der Erde (12 km) erreicht
diesen Bereich nicht. Auch wenn dies
zukünftig der Fall sein sollte, fehlten
immer noch geeignete Experimente, die Aussagen für ein großes, heterogen zusammengesetztes Volumen
der Erdkruste ermöglichen würden.
So bleiben zunächst die an der Erdoberfläche geodätisch messbaren Verschiebungen nach dem Erdbeben. Deren Interpretation erfordert vor allem
geeignete Modelle für das Verhalten
der mittleren Erdkruste.
Wir gewinnen die erforderlichen Informationen - angelehnt an die Materialwissenschaft - aus dem „Schadensbild“ von Gesteinen, die heute in
Gebirgen an die Erdoberfläche treten
(Abb. 4). Bei diesem Ansatz kommt
das in den Geowissenschaften fundamentale Prinzip des Aktualismus
zur Anwendung (s. Info 2). Es besagt, dass alle Prozesse auf der Erde
den gleichen Regeln gehorchen, unabhängig davon, wann sie im Verlauf
der Erdgeschichte stattfinden. Demzufolge gewinnen wir das Verständnis für die langsame Verformung der
Erdkruste aus Gesteinen, die sich zur
Zeit, in der sich das Erdbeben in der
kühleren spröden Erdkruste ereignete,
darunter lagen - in Tiefen von 10 bis
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
20 km. Erst nach Millionen von Jahren sind diese Gesteine an der Erdoberfläche zugänglich. Ihr Schadensbild gibt Auskunft über die Prozesse, die sich damals in diesem Gestein
abgespielt haben. Nach dem Prinzip
des Aktualismus gehen wir davon aus,
dass sich diese Prozesse heute in Gesteinen in unzugänglicher Tiefe ebenso abspielen (s. Abb. 3).
Gesteine dokumentieren ihre Geschichte in einer ungeheuren Vielfalt
von Strukturen und Gefügen in allen
Geologische Vergangenheit
ist geologische Zukunft
Längenskalen. Auf der Basis von theoretischen Betrachtungen und von Laborexperimenten lesen wir aus diesen Dokumenten etwa den früher
herrschenden Spannungszustand, die
Geschwindigkeit und die Mechanismen der Verformung, den Druck in
den beteiligten Flüssigkeiten, Gasen
oder fluiden Phasen in Poren und Rissen im Gestein oder die zeitliche Abfolge von Prozessen heraus.
Traditionell betrachten Geowissenschaftler die in den tieferen Stockwerken der Erdkruste bei hohen Temperaturen durch plastisches Fließen entstandenen Strukturen und Gefüge von
Gesteinen als Produkt lang anhaltender und dementsprechend langsamer
Verformungsprozesse. Dass große
Erdbeben dramatische Änderungen
im Spannungsfeld auch in der unteren Erdkruste bewirken können, wurde nicht in Betracht gezogen. In diesem Fall müsste die fließende Verformung insbesondere in der mittleren Erdkruste eher episodisch und
nicht mit annähernd konstanter Geschwindigkeit ablaufen. In der Tat
zeigen unsere Ergebnisse der letzten
Jahre in vielen Fällen, dass die Gefüge der Gesteine häufig eine episodische oder bei sich wiederholenden
Erdbeben auch eine zyklische Verformung abbilden und kein gleichmäßiges langsames Fließen über Jahrmillionen hinweg (Abb. 5, 6, 7). Die detaillierte Schadensanalyse zeigt eine
plötzliche Belastung (hohe Spannungen), die auch in einem in längeren
Zeiträumen langsam fließendem Gestein zu Rissbildung führen kann, gefolgt von einer sich verlangsamenden
fließenden Verformung unter Abbau
der Spannungen. Dabei liegt die Gesamtverformung in der Regel unter einem Prozent, obwohl sehr hohe, bisher nicht für möglich gehaltene Spitzen-Spannungen erreicht werden.
Dies zeigt, dass die in menschlichen
Zeitmaßstäben immer noch langsamen Prozesse in geologischen Zeitmaßstäben sehr schnell ablaufen und
kurzfristige Episoden darstellen. Als
Ursache für die im Gestein abgebildeten drastischen Änderungen im Spannungszustand kommen nur große Erdbeben an Störungen in Betracht. Die
fließende Verformung unter abneh-
menden Spannungen spiegelt sich mit
hoher Wahrscheinlichkeit in den heute nach Erdbeben geodätisch messbaren Verschiebungen, dem so genannten postseismisches Kriechen, an der
Erdoberfläche wieder.
Die Natur der Erdbeben-Prozesse in
der mittleren Erdkruste ist vielfältig und erfordert eine großräumige
Schadensanalyse und geophysikalische Feldversuche (Längenskalen im
Meter- bis Kilometerbereich) sowie
die mikroskopische Schadensanalyse und das Laborexperiment (Millimeter- bis Nanometerbereich). Zwei
aktuelle Studien zur Schadensanalyse
veranschaulichen exemplarisch dieses
Vorgehen: Auf der griechischen Insel
Euböa analysieren wir das Schadens-
info1
„Erdbeben-Einmaleins“
Die meisten Erdbeben beruhen auf einer ruckartigen Verschiebung an einer
Trennfläche in der Erdkruste. Sie tritt ein, sobald die Haftreibung überwunden wird. Damit werden zuvor langsam aufgebaute Spannungen und elastische Verformung abgebaut. Spannungen im Erdinneren werden durch langsame Konvektion im festen Erdmantel erzeugt, die die Bewegung der Lithosphärenplatten mit Geschwindigkeiten von Zentimetern pro Jahr antreibt
(Plattentektonik). Die Entstehung von Rissen und der Abbau von Spannungen sind nur möglich, wenn sich das Material spröde verhält, also nach elastischer Verformung schließlich bricht. Dies ist in den oberen etwa 10 bis 20
km der Erdkruste der Fall, wo unter Kontinenten die Temperaturen unterhalb
von etwa 300°C liegen. Bei höheren Temperaturen in der mittleren bis tieferen Erdkruste können die Gesteine sehr langsam plastisch fließen. Die Tiefenverteilung der Erdbebenherde im Bereich der Kontinente spiegelt diese Änderung im mechanischen Verhalten der Gesteine wieder.
Die Untergrenze für Erdbebenherde liegt dort, wo die prognostizierten Temperaturen etwa 300 bis 350°C erreichen - in Mitteleuropa in rund zehn Kilometern Tiefe. Bei einer ruckartigen Bewegung an einer Trennfläche im Erdinneren (Erdbeben) wird ein Teil der Energie in Form seismischer Wellen abgestrahlt, die sich durch das Erdinnere und an der Erdoberfläche ausbreiten. An
der Erdoberfläche verursachen diese Wellen die bekannten Schäden, größtenteils dadurch, dass Bauwerke den Beschleunigungen nicht standhalten.
Ein anderer Teil der bei einem Erdbeben umgesetzten Energie wird unmittelbar in Wärme umgewandelt, ein weiterer im Gestein als Schädigung in Form
von Kristallbaufehlern und Rissen im Umfeld der Bruchfläche gespeichert. Besonders intensiv ist die Schädigung dort, wo die Verschiebung am unteren
Ende der Bruchfläche in der mittleren Kruste in wärmerem in längeren Zeiten plastisch verformbaren Material ausläuft. Dort treten die höchsten Spannungen im Erdinneren auf.
39
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
bild natürlicher Gesteine aus der mittleren Kruste in Längenskalen von Metern bis Mikrometern. In Laborexperimenten an Quarz erzeugen wir Schadensbilder unter kontrollierten Bedingungen und analysieren die Gefüge in
Spannungsdifferenz und Fluid-Druck
Vergleich: experimentell und
natürlich verformter Quarz
Erdbeben
post-seismisches Kriechen
ruck
-D
Fluid
Span
nung
sdiffe
renz
Zeit
Längenskalen von Mikrometern bis
Nanometern. Schließlich vergleichen
wir die experimentell erzeugten Gefüge mit denen des natürlich verformten Quarzes aus einer Bohrung in Kalifornien.
Auf der Insel Euböa haben wir auf
Hunderten von Quadratkilometern
Strukturen identifiziert, die den von
Abb. 5: Entwicklung der Quarzgänge in 10
km Tiefe, abgeleitet aus der Form, dem mikroskopischen Gefüge des Quarzes und
mikroskopisch kleinen Einschlüssen der
fluiden Phase, aus denen der Quarz in der
sich öffnenden Spalte im Gestein kristallisierte. Durch Spannungsaufbau während
des Erdbebens bildete sich ein Riss, der
sich während des anschließenden Spannungsabbaus öffnete und mit aus einer heißen wässrigen Lösung auskristallisiertem Quarz füllte (s. Abb. 3). Vom Rand
des Ganges zur Mitte dokumentieren das
Quarzgefüge und winzige Einschlüsse die
zeitliche Entwicklung der Bedingungen.
info2
Aktualismus: „The present is the key to the past“
Geologische Prozesse laufen in vielen Fällen in Zeitskalen ab,
die für menschliche Begriffe extrem lang sind. Daher sieht
ein menschlicher Beobachter oft nur eine Momentaufnahme, also das Produkt eines über geologische Zeiträume abgelaufenen Prozesses. Aus diesem scheinbar statischen Bild
müssen Geowissenschaftler die Natur des vorangegangenen Prozesses ableiten und verstehen. Ein wichtiger Schritt
für die Geowissenschaften war daher die Erkenntnis, die der
schottische Geologe James Hutton im Jahr 1795 erstmals
formulierte, und die ein Zeitgenosse in folgendem Satz zusammenfasste: The present is the key to the past. Hutton
schlug vor, dass alle Prozesse, die in der geologischen Vergangenheit abgelaufen sind, in gleicher Form auch heute ablaufen. Für dieses Prinzip steht der Begriff uniformitarianism, im Deutschen “Aktualismus”. Es wird auch heute
nicht in Frage gestellt, wenn man von langfristigen steti-
40
gen Veränderungen der Erde, zum Beispiel in ihrem Wärmehaushalt oder der Entwicklung der Atmosphäre, und von
kurzzeitigen katastrophalen Ereignissen, etwa Meteoriteneinschlägen, absieht. Mehr noch, das Prinzip lässt sich auch
in umgekehrter Form anwenden. Um die heute an der Erdoberfläche zu beobachtenden Verschiebungen bei und nach
Erdbeben zu verstehen, braucht man detaillierte Informationen über Prozesse in Tiefen, die dem Menschen nicht direkt zugänglich sind. Diese Informationen lassen sich aus
Gesteinen gewinnen, die solche Prozesse früher in der Tiefe “erlebt” haben und heute an der Erdoberfläche vorliegen.
Nach dem Prinzip des Aktualismus laufen in den betreffenden Tiefen heute die gleichen Vorgänge ab, die diese Gesteine vor Millionen von Jahren dort unten aufgezeichnet
haben. Für unsere Fragestellung gilt daher: The past is the
key to the present.
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
Experimentell verformter Quarz
Deformationsapparatur
Erdbeben kontrollierten Spannungsund Verformungszyklus in der mittleren Kruste in beispielhafter Weise abbilden (Abb. 3): Gänge mit aus wässriger Lösung ausgefälltem Quarz, verfüllte geöffnete Risse, haben sich als
hervorragende Dokumente erhalten
(s. Abb. 4). Die Form der Gänge, das
mikroskopische Gefüge des Quarzes,
die Dichte der nur wenige Mikrometer messenden Einschlüsse der wässrigen Lösung, aus der der Quarz kristallisierte, zeigen uns die Geschichte
des Gesteins (Schema: Abb. 5): In der
mittleren Erdkruste entstehen in Folge der innerhalb von Sekunden durch
ein Erdbeben umverteilten Spannungen Risse, die sich im MillisekundenBereich ausbreiten. Sie kommen aber
sofort wieder zum Stillstand, da der
Druck in der fluiden Phase in den Poren der Gesteine abfällt, wenn das Porenvolumen durch die Rissbildung zunimmt. Die während des Erdbebens in
Sekunden aufgebauten hohen Span-
8 mm
6,5 mm
Experimentell verformter und
bei 900°C ausgeheilter Quarz
Abb. 6: Apparatur zur Verformung kleiner Gesteinsproben bei sehr hohen Spannungen
(Umschließungsdruck bis 4 GPa; Differentialspannung bis 2,5 GPa) und mikroskopische
Gefüge von experimentell verformtem Quarz. Die beiden oberen Bilder zeigen das Gefüge
einer im Laborexperiment kurzzeitig verformten (rechts) und einer zusätzlich anschließend
bei hohen Temperaturen ausgeheilten (links) Quarzprobe im Polarisationsmikroskop. Die
beiden unteren Bilder zeigen Details des Gefüges und der Orientierung der Quarzkristalle
in den oben gezeigten Proben, aufgenommen mit dem Rückstreuelektronendiffraktionsverfahren im Rasterelektronenmikroskop. Aus den Gefügen lässt sich auf die Prozesse bei der
Verformung und beim Ausheilen schließen.
nungen werden danach durch langsame viskose Verformung der Gesteine („Kriechen“) wieder abgebaut.
Dabei öffnen sich die Risse und die
wässrige fluide Phase strömt durch
sie hindurch, wobei Quarz ausgefällt
wird (Abb. 5). Dieser Vorgang dauert wahrscheinlich Monate bis Jahrhunderte. Aus dem Riss wird ein so
genannter Gang (s. Abb. 4), an dem
wir Millionen Jahre später die Verformung während des Erdbebenzyklus studieren können. Aus der Dichte
winziger Einschlüsse der wässrigen
Lösung im Quarz lesen wir den Wiederanstieg des Druckes in der fluiden
Phase während der Öffnung des Risses ab. Diese Daten liefern uns un41
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
info
3
Mit „Focussed-Ion-Beam“ in die Nano-Welt
Die Präparation der nur 1/10 000 mm dicken Folien zur Durchstrahlung im
Transmissions-Elektronenmikroskop aus experimentell verformten Proben
erfordert aufgrund der inneren Spannungen einen besonders großen Aufwand. In einer gemeinsamen Initiative der Sonderforschungsbereiche SFB
459 (Formgedächtnislegierungen) und SFB 526 (Rheologie der Erde, s. Profil,
S. 64) wurde für diesen Zweck - gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft - eine Focussed-Ion-Beam-Apparatur aufgebaut. Für die Untersuchung der bei der Verformung entstandenen Schäden und Kristallbaufehler
im Transmissions-Elektronenmikroskop können hier mithilfe eines Ionenstrahls
an gewünschter Position und in gewünschter Orientierung Proben von 20 Mikrometer Kantenlänge und 0,1 Mikrometer Dicke herausgeschnitten werden.
Der Vergleich der Gefüge im Nanometer-Bereich von natürlichem Quarz mit
dem unter kontrollierten Laborbedingungen verformten Quarz erlaubt weit
reichende Rückschlüsse auf die Bedingungen und Prozesse in der mittleren
Erdkruste bei und nach Erdbeben.
ter Zuhilfenahme von Konzepten
der linearelastischen Bruchmechanik gleichzeitig Informationen zur
Spannungsgeschichte. Mit dem Modellfall auf Euböa gelang erstmals für
ein repräsentatives Volumenelement
der mittleren Erdkruste eine Rekonstruktion der Entwicklung von Spannung und Porenfluiddruck und damit
zugleich die Rekonstruktion der Verformungsgeschichte. Das Volumenelement besitzt quasi ein „Erinnerungsvermögen“ an ein Erdbeben, das sich
einst in der darüber liegenden, heute
nicht mehr vorhandenen oberen Erdkruste ereignete.
Für Laborexperimente erweist sich
die Längenskala der dargestellten
Riss- und Gangbildung als unge-
Focussed-Ion-Beam (FIB) Mikroskop
42
eignet. Hier können nur wesentlich
kleinere Systeme untersucht werden. Auch die für menschliche Verhältnisse extrem langsamen geologischen Verformungsprozesse in Millionen von Jahren lassen sich in Labor-Experimenten nicht unter natürlichen Bedingungen untersuchen. In
traditioneller Sichtweise mussten daher die experimentellen Resultate für
den Vergleich mit den Gefügen natürlicher Gesteine immer um viele Größenordnungen in der Zeit extrapoliert
werden. Das ist nach unseren aktuellen Erkenntnissen nun nicht mehr
notwendig, weil viele der im Gefüge natürlicher Gesteine abgebildeten
fließenden Verformungsprozesse in
wesentlich kürzeren Zeiträumen ab-
FIB TEM-Folien Präparation
laufen. Damit lässt sich die Verformung beim Spannungsaufbau während eines Erdbebens (in Sekunden)
und beim anschließenden langsameren Spannungsabbau durch Kriechen
(Monate bis Jahrhunderte, bei abnehmender Geschwindigkeit) unter
Laborbedingungen untersuchen, die
den natürlichen Zeiten weitaus näher
kommen, als bislang angenommen.
Diese Erkenntnis hat eine neue Philosophie der Labor-Experimente eröffnet, in denen die fließende Verformung in der mittleren Erdkruste unter
den im Einflussbereich von Erdbeben
zu erwartenden Bedingungen simuliert wird: Dabei werden kleine zylinderförmige Proben aus natürlichem
Quarz entsprechend den Bedingungen
in der mittleren Erdkruste bei Temperaturen von 300 bis 400°C - zunächst
sehr schnell - sehr hohen Spannungen
in einer Hochdruckpresse ausgesetzt
(s. Abb. 6). Der Quarz wird auf diese
Weise um kleine Beträge irreversibel
verformt. Das anschließende Ausheilen der Schäden und der Abbau der
Spannungen wird bei erhöhten Temperaturen von 800 bis 1000°C quasi im Zeitraffer innerhalb von einigen Stunden im Labor simuliert. Die
Analyse der experimentell erzeugten
Paradigmenwechsel in der
Gesteinsinterpretation
Schadensbilder erfolgt mit mikroskopischen Verfahren, wie wir sie auch
bei natürlich verformten Proben anwenden: Das Gefüge in Längenskalen von Mikrometern bis zu Millimetern untersuchen wir an 0,03 mm dicken Dünnschliffen im Durchlicht mit
experimentell verformter und
bei 800°C ausgeheilter Quarz
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
dem Polarisationsmikroskop, die Orientierung der einzelnen Kristalle im
Gefüge wird mit Elektronenrückstreudiffraktion an polierten Schliffen im
Raster-Elektronenmikroskop vermessen (Abb. 6) und die Art und Anordnung von Kristallbaufehlern erfassen
wir mit dem Transmissions-Elektronenmikroskop an 0,0001 mm dicken
Folien (Abb. 7 und Info 3). Der Vergleich von experimentell erzeugtem
Schadensbild im Quarz mit den Gefügen in natürlichen Gesteinen zeigt in
vielen wesentlichen Merkmalen eine
verblüffende Übereinstimmung. Charakteristische Gefüge von Quarzproben aus einer Tiefbohrung in der Long
Valley Caldera, einem aktiven Vulkan
in Kalifornien mit hoher seismischer
Aktivität, sehen denen aus unseren
Laborexperimenten zum Verwechseln ähnlich (s. Abb. 7). Dies bestätigt, dass solche in natürlichen Gesteinen weit verbreiteten Gefüge des
Quarzes tatsächlich eine episodische
Verformung unter rasch wechselnden
Spannungen und nicht die bisher angenommene kontinuierlich fließende
Verformung widerspiegeln. Wir erleben damit einen Paradigmenwechsel
bei der Interpretation der Gesteinsgefüge, der uns zugleich die Informationen zu den Prozessen und Mechanismen liefert, die für einen großen Teil der Verschiebungen der Erdoberfläche nach Erdbeben – für das
„postseismische Kriechen“ – verantwortlich sind.
Ein erstes, noch sehr einfaches aus
der Schadensanalyse am Quarz abgeleitetes Modell ist bereits für die
Abschätzung des Erdbeben-Risikos
an der Plattengrenze zwischen Pazifi-
natürlich verformter Quarz
AZ Oschatz Rubin
28.11.2006
11:25 Uhr
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Seite 1
Unser Markt ist die Welt
Oschatz ist ein innovatives, global operierendes
Unternehmen im Anlagenbau, in der Energierückgewinnung und in der Umwelttechnik mit 800
engagierten Mitarbeitern sowie eigenen Produktionsbasen in Istanbul und Nanjing, China. Mit mehr
als 150 Jahren Erfahrung ist Oschatz führend in
den Produktbereichen Nichteisenmetallurgie, Eisenund Stahlmetallurgie, Umwelt- und Chemietechnik.
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liefert heute wesentliche Komponenten für die
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entwickelt und produziert Oschatz Abhitze-Systeme.
Der Bereich Umwelttechnik entwickelt und baut
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Unsere Job-Börse finden Sie unter www.oschatz.com
scher und Australischer Platte im Einsatz: Unsere langjährige Kooperationspartnerin Dr. Susan Ellis (Institute
of Geological and Nuclear Sciences,
Lower Hutt, Neuseeland) verwendet
es für numerische Simulationen des
Erdbebenzyklus an der Alpine Fault,
einer großen Störung an der Grenze
zwischen Pazifischer und IndischAustralischer Platte. Die Ergebnisse
zeigen eine überraschend gute Übereinstimmung mit den in den letzten
Jahren geodätisch bestimmten Verschiebungsgeschwindigkeiten an der
Erdoberfläche (Abb. 8). Diese Bewegungen stellen „Nachwehen“ eines großen Erdbebens vor etwa 400
bis 450 Jahren dar. Für die erste Zeit
nach dem Erdbeben zeigt die Simulation deutlich höhere Verschiebungsgeschwindigkeiten als die heute gemessenen. Nach entsprechender Verfeinerung der Modelle könnten solche
Simulationen daher in Zukunft auch
für Störungszonen zum Einsatz kommen, an denen Erdbeben nur in großen Abständen – die über den Zeitraum moderner Datenerfassung und
Abb. 7: Mit der Focussed-Ion-Beam-Apparatur (S. 42, links) werden 0,0001 mm dicke Folien
(S. 42, Mitte) aus experimentell oder natürlich verformtem Quarz zur Untersuchung mit dem
Transmissions-Elektronenmikroskop präpariert. Die charakteristischen Gefügemerkmale einer
im Laborexperiment verformten Quarzprobe (S. 42, rechts) entsprechen denen einer natürlichen
Quarzprobe (s. S. 43) aus einer Bohrung in der Long Valley Caldera in Kalifornien.
43
Geologie
Geowissenschaften Rubin 2007
40°
Indisch-Australische Platte
l
ofi ll
Pr ode
(M
42°
44°
40
lt
38
au
eF
in
p
Al
Pazifische Platte
Südinsel
46°
36
166°
168°
170°
172°
174°
Geschwindigkeit relativ zu
australischer Platte (mm/Jahr)
Geodätisch gemessene Geschwindigkeiten (200 bis 2005)
Parallell zur Alpine fault
40
30
20
Modell 1
Modell 2
Modell 3
10
Vertikalgeschwindigkeit
(Hebung in mm/Jahr)
Prof. Dr. Bernhard Stöckhert,
Dr. Claudia Trepmann,
Dr. Jens Nüchter, Institut für
Geologie, Mineralogie und
Geophysik, Endogene Geologie
0
-10
senkrecht zur Alpine fault
-20
6
4
Modell 1
Modell 2
Modell 3
2
0
-2
-4
Km
0
50
100
150
Numerische Simulation: Gesamtverformung in der mittleren Kruste durch
postseismisches Kriechen
Profil
20 km
20 km
Modell
Indisch-Australische Platte
44
Analyse hinausgehen – auftreten.
Durch die Erfassung des mechanischen Zustands dieser Systeme ließe
sich damit das mittel- bis langfristige
Risiko (Jahrzehnte bis Jahrhunderte)
besser einzugrenzen.
Spannungen werden während eines
Erdbebens in der spröden oberen Erdkruste - wie unsere Schadensanalyse
zeigt - innerhalb von Sekunden in die
darunter liegenden Schichten umverteilt. Während des postseismischen
Kriechens werden sie dort über Monate bis Jahrhunderte hinweg abgebaut.
Gleichzeitig wird die Störung wieder
belastet, bis sie im nächsten Erdbeben
erneut nachgibt und sich der Prozess
wiederholt. Die Bedeutung eines besseren Verständnisses der Vorgänge in
der mittleren und tieferen Erdkruste
– gerade mit Blick auf das Auftreten
von Erdbeben und ihre Wiederkehr –
liegt auf der Hand.
Pazifische Platte
Abb. 8: Modell im Einsatz: Die Alpine
Fault ist eine große Störung auf der Südinsel von Neuseeland an der Grenze
zwischen der Pazifischen und der IndischAustralischen Platte. Richtung und Geschwindigkeit der Relativbewegung der
Platten sind durch Pfeile dargestellt. Das
letzte große Erdbeben liegt etwa 400 bis
450 Jahre zurück. Die heute in einem
Querprofil über die Alpine Fault geodätisch bestimmten Verschiebungsgeschwindigkeiten sind in Abhängigkeit von der
Position in den beiden mittleren Diagrammen dargestellt. Das untere Diagramm
zeigt die Verteilung der postseismischen
Verformung (Profil = senkrechter Schnitt)
in der mittleren Kruste in Verlängerung
der Alpine Fault (schwarze Linie) in einer
numerischen Simulation. Die in der Simulation für die Zeit von etwa 400 Jahren
nach einem großen Erdbeben vorhergesagten Verschiebungsgeschwindigkeiten
an der Erdoberfläche (farbige Kurven
in den beiden mittleren Diagrammen)
stimmen gut mit den heute gemessenen
Geschwindigkeiten (schwarze Punkte
mit Fehlerbalken) überein.
Geowissenschaften Rubin 2007
Kristallographie
Oberfläche bestimmt Kristalleigenschaften:
Gesichtsverlust und Stachelaufbau
Hermann Gies
Uta Magdans
Über ihre Oberfläche „kommunizieren“ Kristalle mit
ihrer Umwelt, bei antiken
Denkmälern deutlich zu sehen in einem regelrechten
„Gesichtsverlust“. Feuchtigkeit und andere Faktoren sorgen für Auflösungsprozesse, die sich durch
moderne Mikroskope auf
molekularer Ebene beobachten lassen. Aber Minerale werden durch die umgebenden Substanzen nicht
nur aufgelöst: Die Umgebung kann auch den Aufbau eines Kristalls steuern.
So züchtet der Seeigel seine
Stacheln aus sich aufbauenden Kristallen gezielt in die
für ihn vorteilhafte Form.
Abb. 1: Nicht der Zahn der Zeit, sondern
Wasser und Schadstoffe nagen an den Oberflächen von Gesteinen.
45
Kristallographie
Geowissenschaften Rubin 2007
B
info1
Rasterkraftmikroskopie
Das Rasterkraft-Mikroskop (atomic force microscope) tastet
Oberflächen mechanisch ab.
Das System erinnert an einen
Plattenspieler: Eine Tastspitze,
die an einer ca. 0,2 mm langen
Blattfeder befestigt ist, wird mittels einer genauen Steuerung
zeilenweise über die Probenoberfläche bewegt. Die Auslenkung der Feder aufgrund der
Struktur der Oberfläche wird
über einen reflektierten Laserstrahl mittels einer Photodiode
detektiert. Die Verbiegung der
Feder kann im Nanometer-Bereich gemessen werden, daher
liefert die AFM-Methode Bilder
von der Topographie der Oberfläche bis hin zu atomarer Auflösung.
Die Auflösung eines AFM hängt Tastspitze des Rasterkraft-Mikroskops
zum einen vom Radius der Spitze (10 bis 20 nm) und von der Genauigkeit der Steuerung ab, zum anderen
spielen die Parameter der Rasterung (Breite und Abstand der Zeilen) sowie der
Abstand zwischen Probe und Spitze eine Rolle. Je nach Rauigkeit der Oberfläche liegt die Auflösung in der Regel zwischen 0,1 und 10 nm.
0
0,5
1,0
0
2,0
4,0
Abb. 2a) Frische Spaltfläche von Calcit. Die Stufenhöhe am Pfeil ist ca. 0,3 nm, was einer
atomaren Monolage des Calcits entspricht.
Abb. 2b) Dieselbe Spaltfläche nach einer Minute in deionisiertem Wasser (deionisiert, um
Effekte aus Fremdionen auszuschließen). Auf der Oberfläche haben sich rhomboedrische
Ätzgruben gebildet, die nur eine Monolage tief sind.
46
ei der Beschreibung der Eigenschaften von Gesteinen, die für
die Geowissenschaften unter anderem deshalb interessant sind,
weil ihre Zusammensetzung ihre Geschichte und Herkunft spiegelt, steht
der „Körper“ des Feststoffs im Mittelpunkt. Seine chemische Zusammensetzung, der atomare Aufbau, die chemischen und physikalischen Eigenschaften beschreiben seine charakteristischen Merkmale. Dabei ist es
die Oberfläche, mit der der Feststoff
mit seiner Umwelt „kommuniziert“.
Im Kontakt mit der Luft, einem anderen festen Körper oder einer Flüssigkeit löst sie sich auf, geht chemische Reaktionen ein oder lagert weitere Moleküle an, so dass der Festkörper wächst. Reibung, Haftung,
Reaktivität und viele andere Eigenschaften werden von der Oberfläche
bestimmt.
Im Umfeld der Geowissenschaften
spielt die Oberfläche von Festkörpern in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle. Einerseits ist die Wechselwirkung von Wasser mit Mineralen in
Gesteinen und Böden von fundamentaler Bedeutung für unser Leben: Sei
es in der Rheologie der Kontinentalplatten im globalen Raum, deren
Bewegungen maßgeblich durch ihre
Oberfläche beeinflusst werden, sei
es im lokalen Wechselspiel zwischen
Wasser und Geosphäre bei der Verwitterung beziehungsweise der Aufnahme, dem Transport und der Abscheidung von löslichen Bestandteilen der
Böden und des Gesteins. Andererseits
ist die Biomineralisation, das heißt
die Nutzbarmachung von Mineralen
durch Organismen, ein hoch kompliziertes Wechselspiel zwischen biologischer und mineralogischer Materie,
das sich an der Grenzfläche zwischen
Biosphäre und Geosphäre abspielt.
Während die Auswirkungen zum Beispiel der Korrosion oder Verwitterung
augenfällig sind (s. Abb. 1), spielen
sich die zugrunde liegenden Prozesse
auf atomarer Skala ab. Erst in jüngerer Zeit ist es Forschern gelungen, die
molekularen Grundlagen der Kommunikation von Mineralen mit ihrer
Umgebung zu untersuchen. Maßgeb-
Kristallographie
Geowissenschaften Rubin 2007
lich sind dabei moderne Verfahren der
Mikroskopie, die in den letzten ca. 20
Jahren entdeckt und entwickelt worden sind. So erlaubt es die Kraftmikroskopie, englisch AFM (atomic force
microscopy), die Oberflächenstruktur
von Kristallen sichtbar zu machen
(s. Info 1). Das Mikroskop tastet mit
einer spitzen Nadel die Oberfläche in
einem Abstand von wenigen Millionstel Millimetern ab. So ist es möglich, in einem eindimensionalen Scan
den Verlauf der Oberfläche abzubilden. Durch Aneinanderreihen vieler
Scans erhält man ein zweidimensionales Bild der Oberfläche, das ihre
Morphologie in atomarer Auflösung
zeigen kann. Reiht man wiederum
die Einzelbilder zu Filmen aneinander, lässt sich der zeitliche Ablauf einer Auflösungsreaktion im Zeitraffer
darstellen.
Betrachtet man nun auf diese Weise
die Vorgänge bei der Verwitterung,
das heißt die über das Lösungsmittel
Wasser ablaufende Auflösung eines
Minerals, dann sieht man erstaunliche, nach einem Ordnungsmuster
ablaufende Prozesse auf der Kristalloberfläche. Am Beispiel des Calcits,
das einerseits als Marmor ein gern genutztes Baumaterial, andererseits als
ein Gestein bildendes Mineral in der
Natur weit verbreitet ist, kann man sehen, dass die makroskopisch perfekt
glatte Oberfläche bei genügend hoher
Auflösung terrassenartig aufgebaut ist
(Abb. 2 a). Die einzelnen Terrassen
wiederum haben kleine Gruben in der
Fläche. Übertragen auf die atomare
Dimension bedeutet dies, dass jeder
Terrasse eine Schicht von Atomen zuzuordnen ist; im Calcit sind dies Calcium- und Carbonationen. Die kleinen Löcher stellen Defekte in einer
solchen Schicht dar. An solchen Defekten beginnt nun unter Druck und
bei erhöhter Temperatur im Kontakt
mit Wasser ein Auflösungsprozess.
Die Wassermoleküle „füllen die Lücken“ in der Kristallschicht; sie gehen Verbindungen mit den herausschauenden, unbesetzten Molekülenden ein und lösen sie so aus dem Kristallverbund heraus. So schälen sie den
Kristall schichtweise von den Terras-
Abb. 3: Die Oberfläche des Calcit-Kristalls in humider Atmosphäre (relative Luftfeuchte >95%)
ist mit einem Wasserfilm (Sorbatschicht) von einer Monolage Dicke belegt. Die Sauerstoff-Atome der Wassermoleküle komplettieren die Umgebung der Calcium-Ionen an der Oberfläche.
senstufen oder Löchern ausgehend ab
(s. Abb. 2 b). Dieser Prozess erfolgt
nach einem für die Kristallart und die
Umstände der Auflösung typischen
Muster. In der Umkehrung des Auflösungsprozesses lässt sich auf analoge Weise auch das Anlagern der Calcium- und Carbonationen, d.h. das
Verwitterung als
Ordnungsprozess
Wachstum des Kristalls beobachten.
Das Geschehen bei der Auflösung eines Calcit-Kristalls wird durch viele
äußere Parameter, neben Druck und
Temperatur auch durch das Lösungsmittel, seinen pH-Wert und das Vorhandensein von Ionen im Lösungsmittel beeinflusst. Verbunden mit der
Tatsache, dass sich jede Kristallart auf
ihre ganz eigene Weise verhält, ist es
schwierig, solche Auflösungsprozesse
zu verhindern, z. B. um Baudenkmäler vor der Verwitterung zu schützen.
Ein Ansatz zum Schutz ist zum Beispiel die Versiegelung von Oberflächen, dank der Wasser, Schmutz und
Öl abperlen sollen.
Hinzu kommt, dass selbst die trockene Oberfläche eines Kristalls nicht
nur von den Molekülen des Kristalls
Sorbat-Schicht
Calcit-Kristall
Ca
O
C
H
47
Kristallographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 4a: Seeigel der Spezies Paracentrotus lividus. Skelett und Stacheln sind komplett mit
Haut überzogen.
selbst bestimmt ist. Auch bei Raumtemperatur und Normaldruck haften andere Moleküle am Festkörper.
Um sie zu untersuchen, eignet sich
die Kraftmikroskopie nicht: Die Nadelspitze würde die nur lose anhaftenden Fremdmoleküle beiseite schieben und das Bild verfälschen. Um die
Grenzschicht und die räumliche Verteilung der anhaftenden Moleküle erfassen zu können, nutzen wir Röntgenstreuexperimente, die wir an der
ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) in Grenoble durchführen konnten. Ein Röntgenstrahl wird
dabei aus sehr flachem Einfallswinkel
auf die Kristalloberfläche gerichtet; er
verläuft fast parallel zur Oberfläche.
Bei diesem streifenden Einfall dringt
der Röntgenstrahl nur ca. fünf Nanometer tief in den Kristall ein. Er wechselwirkt jedoch mit fast allen Molekülen der Kristalloberfläche und wird
von jedem in charakteristischer Weise
abgelenkt. Detektiert man die so ab48
gelenkten Röntgenphotonen, entsteht
ein Streumuster, das Rückschlüsse auf
den Aufbau der so genannten Sorbatschicht erlaubt und auch die räumliche Verteilung der Sorbatmoleküle zu
lokalisieren gestattet. Das besondere
Mit Röntgenstrahlen
die Oberfläche erkennen
dieser Methode ist die Trennung der
Streuinformation des Kristalls und der
Sorbatschicht (s. Info 2).
Die Auswertung der Experimente
zeigt erstaunliche Ergebnisse. Nur
bei einer frischen Spaltfläche im Ultra-Hochvakuum ist die Kristalloberfläche nahezu frei von Sorbatmolekülen. Bei normaler Umgebungsluft befinden sich einzelne Moleküle auf der
Oberfläche, eine komplett geschlossene Schicht bildet sich nicht aus. Bei
steigender Luftfeuchte bildet sich
dann aber eine geschlossene Wasserschicht, die genau eine Moleküllage
dick ist (s. Abb. 3). Die Wassermoleküle setzten sich wie Puzzleteile auf
bestimmte Plätze der Kristalloberfläche und ergänzen so die Umgebung
der Calcium-Kationen. Erst jenseits
der Sorbatschicht beginnt die gasförmige Atmosphäre. Der Wasserfilm
auf der Calcitoberfläche unterliegt
im Kontakt mit der Atmosphäre und
Umwelt chemischen Austauschreaktionen und mechanischen Einflüssen.
So reagiert er zum Beispiel auf den
pH-Wert und fördert bei sauren Bedingungen die Auflösung des Kristalls
– man kann sich die Wasserschicht als
Vermittler zwischen Luft und Kristall
vorstellen.
Andererseits wirkt die Wasserschicht
als eine Art Schmierfilm. Wie sehr
sich dadurch physikalische Eigenschaften ändern können, kann jeder
dank Rutsch-Erfahrungen bei Glatteis, beim Ski- oder Schlittschuhlaufen
nachvollziehen. Das Rutschen wird
ebenfalls durch einen mobilen Was-
Kristallographie
Geowissenschaften Rubin 2007
um- und Carbonat-Ionen an den bestehenden Calcitkeim wird durch Bestandteile der Zellflüssigkeit teilweise blockiert. So wächst der Kristall
nur an den Stellen weiter, an denen
die Zellflüssigkeit das erlaubt – die
gewünschte, genetisch programmierte Form wird herangezüchtet. Die
Seeigelstacheln sind praktisch aus
dem Kristallgitter herausgeschnitten
(s. Abb. 6 a und b). Lediglich unter
Die gewünschte
Kristallform heranzüchten
Abb. 4b: Das Seeigelskelett ist mit kleinen Höckern versehen, auf denen die Stacheln in
einer Art Kugelgelenk beweglich aufliegen.
serfilm auf dem festen Eis gewährleistet, der erst bei sehr viel tieferen
Temperaturen, unter -15 °C, fest wird
und so das Eis stumpf macht. Die verfestigte Oberfläche führt dann zum
Festkleben an der sehr kalten Oberfläche.
Unsere neuesten Untersuchungen haben noch ganz andere Einflussmöglichkeiten der Oberfläche auf die Eigenschaften von Mineralien ergeben:
Bei der Nutzung von Mineralien als
„Baumaterial“ für biologische Organismen, der so genannten Biomineralisation, sind Mechanismen am Werk,
die durch die Veränderung der Oberfläche für ein kontrolliertes Kristallwachstum sorgen.
Auch hier spielt wieder Calcit die
Hauptrolle, diesmal als Baustoff des
anorganischen Exoskeletts von Schnecken, Muscheln, Kalkalgen und besonders Seeigeln (Abb. 4 a u. b).
Seeigel entwickeln sich aus einer Larve und verfügen am Anfang ihres Le-
bens noch über kein Skelett. Sie nehmen die Grundstoffe für ihr CalcitSkelett, Calcium- und Carbonat-Ionen, aus dem Wasser auf und lagern
sie im Inneren ihrer Körperzellen in
kleinen Zellräumen, den Vesikeln, zusammen. Hat sich einmal ein CalcitKeim gebildet, lagert der noch winzige Kristall von selbst Calcium- und
Carbonat-Ionen, die in der Zellflüssigkeit gelöst sind, an seine Oberflächen an. Ungesteuert würde ein typischer Calcit-Kristall mit rhomboedrischer Form (Abb. 5) und glatten
Oberflächen entstehen. Dem Seeigel
gelingt es aber, ein kugelförmiges
Skelett und lange, dünne Stacheln
wachsen zu lassen. Man könnte nun
annehmen, Skelettsegmente und Stacheln seien nicht homogen, quasi einkristallin, aufgebaut. Tatsächlich sindsie es aber. Diese morphologische Eigenheit kann nur beim Wachstum des
Skeletts gesteuert werden. Die typische Anlagerung von neuen Calci-
ein Prozent des Stachelmaterials besteht aus organischen Resten.
Wie genau die Zellflüssigkeit des Seeigels aufgebaut ist, dank der das gesteuerte Kristallwachstum gelingt,
ist noch nicht bekannt. Ihre komplexe Zusammensetzung unter anderem
aus Glykoproteinen, Seidenproteinen
und anderen Makromolekülen, die unterschiedliche Zusammensetzung und
Molekulargewichte aufweisen, macht
es bis heute unmöglich, die Einzelheiten des Prozesses der Biomineralbildung zu beschreiben. Simulationsexperimente mit einfachen Aminosäuren, die als Bestandteile der Makromoleküle der Nährflüssigkeit im Seeigel vorkommen, haben aber gezeigt,
dass die Morphologie des Kristalls
durch solche Wachstumshemmer auf
eine Art und Weise beeinflusst werden kann, die zur Stachelbildung führen könnte. Von einer Simulation des
Stachelwachstums sind solche Versuche allerdings noch weit entfernt. Die
Frage nach den molekularen Wechselwirkungen der Modellsubstanzen,
also der Aminosäuren, mit der Wachstumsoberfläche ist erst in ersten Ansätzen beleuchtet. Kristallzucht-Experimente haben gezeigt, dass die Zugabe von einfachen organischen Molekülen, z.B. Aminosäuren, die Calcit-Morphologie stark verändert. Dies
wird auf die Passung von Molekülen
auf die atomare Struktur der Oberfläche zurückgeführt – die Oberfläche wirkt wie eine dreidimensionale
Schablone, in deren Relief Moleküle Platz nehmen können. Doch nicht
nur die Anordnung der Atome, son49
Kristallographie
Geowissenschaften Rubin 2007
C
Basis
Schaft
0.1 cm
C
Abb. 6: Aufnahmen eines Seeigelstachels der Spezies Echinus esculentus mit dem Rasterelektronenmikroskop. Oben: Orientierung des kristallographischen Gitters im Kristall. Die scheinbare
Segmentierung des Stachels ist ein Artefakt, das durch das Zusammensetzen der einzelnen Aufnahmen der Stachelabschnitte verursacht wird, und nicht der Realität entspricht. Rechts: Querschnitt des Stachels mit den Bruchflächen. Der biogene (Seeigel-)Calcit ist im Gegensatz zum
geologischen Calcit nicht perfekt spaltbar, sondern bricht muschelig, wie an den mit Pfeilen
markierten Stellen zu sehen ist.
dern auch ihre Ladung spielt eine große Rolle: Die elektrostatische Wechselwirkung aufgrund der elektrischen
Ladung der Atome in Molekül und
Oberfläche (entgegengesetzt geladene Atome ziehen sich an, gleich geladene stoßen sich ab) bestimmt die
Stärke der Bindung eines Sorbat-Moleküls an die Kristall-Oberfläche.
In einem weiteren Versuch haben wir
mit dem Röntgenstreuexperiment unter streifendem Einfall untersucht, wie
Aminosäuren mit der Kristalloberfläche des Calcits wechselwirken. Unser
Ergebnis: Genau wie der Wasserfilm
ordnen sich auch Aminosäuren – z. B.
die einfachste unter den 20 Aminosäuren, Glycin – mit dem Lösungsmittel Wasser zusammen regelmäßig
auf der Calcitoberfläche an (Abb. 7).
Dieses Ergebnis stützt die Hypothese,
dass die Schicht der Makromoleküle die Calcitbildung über ihre Grenzflächeneigenschaften steuern. In einem Optimierungsprozess im Laufe
der Evolution wurden auf diese Weise
die für die Seeigelspezies spezifischen
Skelettstrukturen herangebildet.
Dieses Verhalten von organischenMolekülen an anorganischen Oberflächen wirft die Frage auf, ob die Mineralgrenzflächen in der Entwicklung
Abb. 5: Typischer Calcit-Kristall mit rhomboedrischer Form und glatten Flächen.
50
komplizierter biologischer Strukturen
eine Rolle gespielt haben. Im Laufe
der Erdgeschichte müssen sich aus der
ungeordneten „Ursuppe“ irgendwann
erstmals kleine organische Moleküle
Optimierungsprozess
der Evolution
zusammengefunden haben, unter anderen die Aminosäuren, die bis heute
Informationsträger des Lebens sind.
In der Weite des Raums ist allerdings
die Wahrscheinlichkeit äußerst gering,
dass sich Einzelmoleküle durch Zufall
getroffen und zu größeren Molekülen
verbunden haben. Würde nun aber die
Oberfläche eines Kristalls, etwa eines
Calcitkristalls, gerade diese Einzelmoleküle anreichern und sie somit in
räumliche Nähe zueinander bringen,
wäre der Aufbau größerer Einheiten
erleichtert. Die Kristalloberfläche hätte als Haftfläche gewirkt, auf der sich
die passenden Partnermoleküle treffen und verbinden können. Der erste
Schritt hin zu komplexeren molekularen Strukturen wäre damit getan. Theoretische Berechnungen am Lehrstuhl
für Theoretische Chemie der RuhrUniversität haben ergeben, dass solche Vorgänge möglich sein müssten.
Kristallographie
Geowissenschaften Rubin 2007
info2
Röntgenstreu-Experimente an Oberflächen: Wie die Technik funktioniert
Röntgenstrahlung hat andere Eigenschaften als sichtbares Kristall-Modells entstehen würde, wird berechnet und mit
Licht, u.a. ist ihre Wellenlänge ca. tausendmal kleiner. Daher dem gemessenen Streubild verglichen. Der konstante Streuwerden die Röntgenphotonen beim Auftreffen auf einen beitrag des Kristall-Volumens wird ebenfalls aus der Kristallkristallinen Körper nicht nur reflektiert, sondern in charak- struktur berechnet und dazu addiert. Stimmen die berechteristischen Mustern gebeugt. Die Auswertung dieser Beu- neten und die experimentellen Daten nicht überein, so wird
gungsmuster liefert Informationen über den atomaren Auf- das Oberflächen-Modell so lange verändert, bis Kalkulation
und Experiment sich decken. Innerhalb des Modells werden
bau und die Struktur des Materials.
Fällt der Röntgenstrahl nun unter einem sehr geringen Win- dabei Atom-Positionen, Molekül-Abstände und -Rotationskel (< 0,5°) auf einen Kristall (streifender Einfall), so dringen winkel sowie die Besetzung der einzelnen Atomlagen, insdie Photonen nur in den oberflächennahen Bereich von ca. besondere die Besetzung der Sorbatschicht, variiert.
30-50 Å (1 Å (Ångström) = 10-10 m) ein (Abb. 1). Das entstehende Beugungsmuster enthält neben dem StreubeiDetektor
trag vom so genannten Kristall-Volumen, dem „Körper“ des Abb. 1
z
Kristalls, Informationen über die Anordnung der Atome in
der Kristalloberfläche. Befinden sich periodisch geordneeinfallende
gestreute
te Moleküllagen auf der Oberfläche, so tragen diese ebenRöntgenstrahlung
Strahlung
falls zum Streumuster bei. Die Kombination aus dem Streux
<0.5°
beitrag der Oberfläche und dem Kristall-Volumen wird als
Sorbatschicht
„crystal truncation rod“ (CTR) bezeichnet (Abb. 2).
Diese CTRs werden mithilfe eines so genannten „leastOberfläche
y
square“-Fit-Verfahrens analysiert: Ausgehend von der Volumenstruktur des Kristalls wird ein erstes atomares Modell
der Kristalloberfläche einschließlich der Sorbatschicht er- Kristall-Volumen
stellt. Das Beugungsmuster, das bei der Bestrahlung dieses
Abb. 2
crystal truncation rod (CTR)
102
exp.
fit
Intensität
Streubeitrag Oberfläche
101
100
Streubeitrag Kristall-Volumen
0
5
Relative Gittereinheiten
10
15
51
Kristallographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Glycin
Wasser-Schicht
Calcit-Kristall
Ca
C
O
H
N
Abb. 7: Anordnung der einfachsten Aminosäure Glycin auf der Calcit-Oberfläche im Lösungsmittel Wasser. Die Wasser- und die Aminosäuremoleküle bilden einen lateral geordneten Film
auf der Oberfläche. Die Glycin-Moleküle sind jedoch nur schwach gebunden, da die Oberfläche
durch den bereits in den humider Atmosphäre existierenden Wasserfilm abgeschirmt wird.
lich werden sie vielleicht viel später
als Baumaterial verwendet und sind
wiederum der Verwitterung preisgegeben.
Die experimentelle Überprüfung steht
noch aus.
Der Kreis zwischen der Biomineralisation und der Geosphäre schließt
sich durch die Sedimentation biogen
Prof. Dr. Hermann Gies, Dr. Uta
Magdans, Institut für Geologie,
Mineralogie und Geophysik,
Mineralogie-Kristallographie
erzeugter Hartschalen von Meerestieren, z.B. von Kalkalgen. Nach dem
Tod der Organismen sinken die mineralischen Reste ihrer Skelette zu
Boden und versteinern dort – letzt-
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Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Stadtstruktur und Wasserqualität:
Chinas Megacities geht
das Wasser aus
Harald Zepp
Michael Johann
Antje Burak
Die Wirtschaft Chinas boomt, die Metropolen wachsen
und überbieten sich in ihren glitzernden Fassaden. Bei
näherem Hinschauen sind diese Megacities meist groß,
unübersichtlich und sehr verschmutzt. Die Trinkwasserqualität für 300 Millionen Chinesen sei gefährdet, lässt
das zuständige Ministerium verlauten. Am Beispiel der
Provinzhauptstadt Nanjing untersuchen Geographen den
Zusammenhang von Stadtstruktur und Wasserqualität
und schaffen damit eine Basis für umweltschonende und
nachhaltige Konzepte.
Abb. 1: Skyline der Megacity Shanghai.
53
Geographie
„D
er Quell des Todes“ titelt
die Süddeutsche Zeitung
und „China droht Wasserkrise“ weiß die Westdeutsche Allgemeine Zeitung zu berichten. Die
boomende Wirtschaftsentwicklung
im Osten Chinas hat ihre Kehrseiten:
Alarmierend hohe Stoffkonzentrationen werden in Boden, Wasser und
Luft gemessen. In einem der am dichtesten bevölkerten Gebiete der Erde
belasten Schadstoffe die Gesundheit
und verringern die Lebensqualität für
Millionen von Menschen. Die Medien
informieren meist pauschal über den
Zustand der Umwelt in China: Doch
Umweltprobleme werden stets auf lokaler Ebene brisant. Gemeinsam mit
Partnern vom Institut für Bodenkunde
der Chinesischen Akademie der Wis-
Geowissenschaften Rubin 2007
senschaften und dem Geographischen
Institut der Universität Nanjing haben
wir die Gewässer der Millionenstadt
Nanjing (Nanking) und den Landschaftshaushalt (Bodenerosion, Wasser- und Nährstoffhaushalt) im ländlichen Hügelland Südostchinas untersucht. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht der Einfluss des rasanten
Geographischer Blick
auf eine Millionenstadt
Stadt- und Wirtschaftswachstums auf
die Gewässerqualität in sog. Megacities – Städte mit mehreren Millionen
Einwohnern und Bevölkerungsdichten von mehr als 2000 Einwohnern
pro Quadratkilometer. Diese Städte
mit ihren alten Wohn- und Industrie-
Abb. 2: Die Megacity Nanjing mit ihrem Nebeneinander alter und neuer Bebauung:
Messpunkt zwölf lag an einem Kanal, der ein innerstädtisches Wohngebiet durchquert.
quartieren, den neuen Industrie- und
Gewerbekomplexen, den hypermodernen Einkaufszentren und exklusiven Wohnvierteln, die Westeuropäern
so unübersichtlich erscheinen, versuchen wir mit geographischem Blick
zu charakterisieren und räumlich zu
ordnen.
Wer den Osten Chinas zum ersten Mal
bereist, ist fasziniert von der Intensität,
mit der alle verfügbaren, nicht überbauten Flächen genutzt werden. Es
gibt kaum einen brach liegenden Quadratmeter, weder im ländlichen Raum,
noch in den explodierenden Großstädten. Überall wird der landwirtschaftliche Anbau durch hohe Düngergaben und Pflanzenschutzmittel unterstützt. Möglich wurde dies erst durch
die Grüne Revolution, die großtech-
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
nische Herstellung von Agrochemikalien in den ehemaligen Entwicklungsund Schwellenländern, und erforderlich durch das Bevölkerungswachstum. In den Städten kommen weitere
gewässerverschmutzende Substanzen
aus häuslichen und industriellen Abwässern hinzu (Fäkalien, Schwermetalle, Hormone oder Medikamentenrückstände). Unsere Forschungsfrage
lautete: Gibt es einen Zusammenhang
zwischen der räumlichen Stadtstruktur und der Wasserqualität innerstädtischer Gewässer? Dabei interessierte
uns im Einzelnen, ob es im Stadtgebiet Unterschiede in der Wasserqualität gibt, die im Zusammenhang mit
der jeweiligen Landnutzung stehen,
oder ob sich in allen Oberflächengewässern Nanjings derselbe Cocktail
an Inhaltstoffen wiederfindet.
Die Provinzhauptstadt Nanjing mit ihrem Nebeneinander aus unterschiedlich alter Wohnbebauung, Industrie-,
Gewerbe- und Verkehrsflächen, städtischen Parks und kleinflächigen landwirtschaftlich genutzten Parzellen bot
das geeignete Untersuchungsobjekt.
An 18 Beprobungsstellen, entlang
von Bächen, Kanälen und Seen (Abb.
2 und 3) erhoben wir in einem Sommer- und einem Winterhalbjahr eine
16
e
gtz
Yan
11
15
Qinhuai
2
1
12
13
10
14
9
Qinhuai
8
17
New Qinhuai
6
7
4
5
3
18
Qinhuai
Abb. 3: Lage der 18 Beprobungsstellen
(Messpunkte) entlang von Bächen, Kanälen und Seen.
Messgröße
Gelände-
Messung
Labor-
Messung
Anzahl der Messstellen
Anzahl
der Proben
320
Wassertemperatur
•
18
elektrische Leitfähigkeit
•
18
303
pH-Wert
•
18
303
Gesamt-Stickstoff
•
18
216
Nitrat-Stickstoff
•
18
318
Ammonium-Stickstoff
•
18
333
Gesamt-Phosphor
•
18
198
gelöster reaktiver Phosphor
301
•
18
gelöster Sauerstoff
•
18
296
Sauerstoffsättigung
•
18
296
Chemischer Sauerstoffbedarf
•
18
274
Kalium
•
17
170
Natrium
•
17
170
Calcium
•
17
170
Bor
•
17
170
Magnesium
•
17
170
170
Eisen
•
17
Mangan
•
17
170
Aluminium
•
17
170
Kupfer
•
17
170
Cadmium
•
17
170
Zink
•
17
170
Chrom
•
17
170
Blei
•
17
155
Tab. 1: Einflussgrößen für die Wasserqualität vor Ort oder im Labor bestimmt: Anhand von
Schadstoffen, Temperatur, pH-Wert und elektrischer Leitfähigkeit können die Herkunft und
der Grad der Emissionen ermittelt werden.
Fülle von Qualitätsparametern für das
Wasser. Bei der Auswahl geeigneter
Probenentnahmepunkte, der Gelände- und Laborarbeit unterstützten uns
unsere Kooperationspartner. Besonders aufschlussreich erschien uns der
Längsschnitt entlang des Flusses Qinhuai (Abb. 4), der die gesamte Stadt
mit einem breiten Nutzungsspektrum
quert. An 19 Tagen bestimmten wir
entweder vor Ort mit Handmessgeräten oder im Labor Einflussgrößen für
die Wasserqualität (Tab. 1): Dabei ist
Phosphor Indikator für Belastungen
aus der Landwirtschaft und aus häuslichen Abwässern, der sog. CSB-Wert
(chemischer Sauerstoff-Bedarf) gibt
an, wie viel gelöster Sauerstoff beim
Abbau organischer Belastungen des
Wassers verbraucht wird. Je belasteter ein Gewässer ist, umso geringer ist
daher die Konzentration an gelöstem
Sauerstoff. Schwermetalle wie Cadmium, Chrom, Kupfer stammen häu-
fig aus industriellen Fertigungsprozessen, während Stickstoffverbindungen
Emissionen aus der Landwirtschaft
anzeigen. Temperatur, pH-Wert und
elektrische Leitfähigkeit sind Basisund Summenparameter, die für jede
allgemeine Wasserqualitätsbeurteilung unverzichtbar sind. Temperatursprünge entlang des Flusses weisen auf Orte möglicher Stoff-Einträge
in das Wasser hin, niedrige pH-Werte in städtischen Gebieten sind Anzeiger für Säuren, und die Leitfähigkeit
ist ein Maß für die Salzfracht eines
Gewässers. Mithilfe des statistischen
Verfahrens der Clusteranalyse haben
wir die Wasserqualität an den 18 Beprobungspunkten in sieben Gruppen
zusammenfasst.
Weit schwieriger als die Bestimmung
der Wasserqualität ist eine räumliche
Gliederung der Stadtstruktur. Eine
Kartierung wäre zu zeitaufwändig
und moderne, hochauflösende Satel55
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Abb. 4: Ein Längsschnitt durch das Stadtgebiet Nanjings entlang des Flusses Qinhuai
umfasst ein breites Nutzungspektrum: von alter Wohnbebauung, Industrie-, Gewerbe und
Verkehrsflächen bis zu städtischen Parks und kleinen landwirtschaftlich genutzten Parzellen. Im Hintergrund der Yangtze.
litenbilder sind zu feinkörnig, um eine
gesamtstädtische Gliederung vorzunehmen (Abb. 5). Es nützt wenig, jedes Einzelgebäude und jede Baumgruppe erkennen zu können. Wir haben eine Methode entwickelt, mit der
sich die feinen Texturen eines Satellitenbildes zu größeren Flächen gleicher Wertigkeit zusammenfügen lassen. Diese Methode, die zu den Bildsegmentierungsverfahren gehört, haben wir im Computerprogramm „Mosaik“ umgesetzt, das sehr flexibel auf
zahlreiche andere Anwendungen in
der Bildanalyse oder zur landschaftsökologischen Raumgliederung übertragen werden kann. Die einzige Voraussetzung stellt das Vorhandensein
von Bildpunkten (Rasterpunkte) dar.
Für das Beispiel Nanjing nutzten wir
den roten Spektralkanal eines Satellitenbildes (räumliche Auflösung von
10 x 10 m2), der für unsere Zwecke
die größte Aussagekraft besitzt. Dabei wird quasi jeder Ausprägung eines
Rasterpunktes eine Oberflächenquali56
tät – etwa Wasser, Wald oder versiegelte Fläche – zugeordnet. Gleichartige Stadtstrukturen treten dann durch
charakteristische Ansammlungen von
Bildpunkten hervor. So ergeben sich
in einem größeren Areal gleicher Nutzung zwar ebenfalls viele verschiedene Rasterpunkte (Oberflächentypen),
aber mit wiederkehrenden Nachbarschaftsbeziehungen. Wohngebiete
bilden in der Regel ein Mosaik von
Satellitenbild: Stadtstrukturen
nehmen Gestalt an
Gebäude- und Grünflächen ab, unterscheiden sich aber untereinander
wiederum in der Größe gleichartiger
Teilflächen. Landwirtschaftlich geprägte Gebiete setzen sich aus Flächen verschiedener landwirtschaftlicher Kulturen, Bewässerungskanälen
und Gebäudegruppen zusammen. All
dies lässt sich statistisch erfassen und
rechnerisch zu größeren Raumeinheiten klassifizieren: Für jeden einzelnen
Rasterpunkt (Pixel) gleicher Ausprägung wird die Anzahl der Kontakte
zu Nachbar-Pixeln unterschiedlicher
Qualität erfasst, Kontakte zu „Nachbarn“ gleicher Ausprägung bleiben
unberücksichtigt. Auf diese Weise
erhält man eine Matrix, die Auskunft
darüber gibt, welche Typen von Rasterzellen – also von Geländeoberflächen – besonders häufig aneinander
angrenzen. Die Häufigkeit von Kontakten zwischen Rasterzellen unterschiedlicher Ausprägung wird durch
die Gesamtkontakte der betroffenen
Rasterzellen dividiert. Die so errechnete Konfinität dient als ein vom Programmnutzer festgelegter Regler, der
bedeutende von unbedeutenden Nachbarschaften trennt. Rasterzellen mit
bedeutsamer, häufig wiederkehrender
Nachbarschaft werden zu einer Fläche zusammengefasst. Das neue Areal stellt wiederum eine Mischung verschiedenster Oberflächentypen dar,
die dann zu beschreiben und zu interpretieren sind. Diese Prozedur lässt
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Die Wasserqualität unterliegt großen jahreszeitlichen und räumlichen
Schwankungen, was die Werte für
den gelösten Sauerstoff an den einzelnen Probenentnahmestellen und
der Vergleich der 18 über das Stadtgebiet verteilten Messpunkte widerspiegeln (s. Abb. 7). Besonders auffällig ist die Veränderung der Wasserqualität entlang des Flusses Qinghuai.
Mit Annäherung an die Innenstadt
sinkt der Gehalt an gelöstem Sauerstoff und gleichzeitig steigt der chemische Sauerstoffbedarf (Abb. 8a) als
Maß für die Verschmutzung durch organische Stoffe. In gleicher Weise steigen Ammoniumkonzentration
und Gesamtstickstoff-Konzentration
an (Abb. 8b). Im Innenstadtbereich
ist ein deutlicher Sprung im Anstieg
der Metallkonzentrationen messbar.
Nimmt man alle Parameter und alle
Messstellen hinzu, so ergibt sich ein
sehr komplexes, auf den ersten Blick
kaum überschaubares Bild der Wasserqualität. Deshalb unterscheiden
wir sieben Wassertypen, die wir anhand von Netzdiagrammen darstellen.
Ein solches graphisches Bild erlaubt
einen raschen Überblick, wie die drei
hier exemplarisch vorgestellten Messpunkte (2, 10, 13) zeigen (Abb. 9 a
bis c). Die Wassertypen sind anhand
von Indexwerten (0 bis100) der Belastungsparameter untereinander vergleichbar: Hohe Werte drücken positive Abweichungen vom Mittelwert
aus, während niedrige Werte anzeigen, dass ein Stoff nur in geringer
Konzentration vorliegt (günstiger
20660000
20670000
20680000
20650000
20660000
20670000
20680000
3550000
3550000
3560000
20650000
3560000
sich mehrfach wiederholen. Nach dem
letzten Programmdurchgang fasste ein deutscher Bearbeiter die Areale gleicher Oberflächentextur möglichst unvoreingenommen zusammen,
und diese Einteilung wurde anschließend gemeinsam mit einem ortskundigen chinesischen Kollegen interpretiert. Auf diese Weise konnten Stadtkörperstruktur und vorherrschende
Nutzung begrifflich festgelegt werden
(s. Abb. 6). Damit wurde das Ergebnis der physikalisch-geometrischen
Prozedur anhand von neun Landnutzungs- bzw. Stadtstrukturtypen quasi
in die menschliche Vorstellungswelt
übersetzt. Doch spiegelt diese räumliche Nutzflächenstruktur auch die unabhängig davon zu ermittelnden wasserchemischen Typen wider?
Abb. 5b: Auf der Basis des roten Spektralkanals lassen sich mit Hilfe des Computerprogramms „Mosaik“ die feinen Texturen
des Satellitenbildes zu größeren Flächen
gleicher Wertigkeit zusammenfassen.
3540000
3530000
3530000
3540000
Abb. 5a: Moderne, hochauflösende Satellitenbilder sind zu feinkörnig, um die Beziehung zwischen Stadtstruktur und Wasserqualität zu visualisieren.
Abb. 5c: Im letzten Schritt werden die Ergebnisse des Computerprogramms „Mosaik“
schließlich zu großen Flächen generalisiert. Diese geben eine Stadtkörperstruktur mit
spezieller Nutzung wieder: etwa Wald oder alte Wohn- und Industriegebiete.
57
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
20680000
3560000
20670000
3560000
20660000
16
11
3550000
3550000
15
2
13
Wasserqualitätstypen
a
b
c
d
e
h
f
Landnutzungs- und
Stadtstrukturtypen
innerstädtische Viertel
mit Mischnutzung
alte Wohn- und
Industriegebiete
14
10
Legende
neue
Industriegebiete
9
17
3540000
3540000
peri-urbane Flächen
(randstädtisch)
8
7
4
3
20660000
20670000
Neubauviertel
ländlicher Raum
Wald
18
Wasserflächen
20680000
Überschwemmungsgebiete
Abb. 6: Landnutzungs- bzw. Stadtstrukturtypen und die Wasserqualitätstypen: Durch das spezielle Bildsegmentierungsverfahren werden neun Stadtstrukturtypen aus dem feinkörnigen Satellitenbild heraus vorstellbar.
Gelöster Sauerstoff
12
mg/l
9
6
3
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Ort der Messung
Abb. 7: Gelöster Sauerstoff für alle 18 Messpunkte: Je belasteter ein Gewässer, umso geringer
ist die Konzentration an gelöstem Sauerstoff.
58
Gewässergüteparameter). Messpunkt
2 liegt in einem Naherholungsgebiet
am Rande der Innenstadt. Das Wasser
kommt aus einem von Belastungen
weitgehend verschonten Waldgebiet,
entsprechend niedrig liegen die Konzentrationen, und der Index-Wert für
den gelösten Sauerstoff ist günstig.
Im deutlichen Gegensatz dazu steht
Messpunkt 13, der stellvertretend für
die Innenstadt (Mischnutzung) steht.
Die auf häusliche Abwässer schließen
lassenden Parameter Stickstoff, Phosphor, gelöster Sauerstoff und chemischer Sauerstoffbedarf sind deutlich
erhöht. Messpunkt 10 liegt zwischen
dem innerstädtischen Gebiet und einem Neubaugebiet: Hier sind alle Parameter mit Ausnahme von Zink und
gelöstem Phosphor erhöht. Wir vermuten, dass „Phosphor“ und „gelös-
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Neubauviertel
Stadtrand
Innenstadt
9
80
8
70
7
60
6
50
5
40
4
30
3
2
20
18
4
8
9
10
11
Chemischer Sauerstoffbedarf (mg/l)
Gelöster und Chemischer Sauerstoff
(mg/l)
ter Sauerstoff“ niedriger liegen, weil
sich das Wasser hier durch das aus
dem Süden hinzu kommende Flusswasser verdünnt und der Anschluss
des Neubaugebietes an die städtische
Entwässerung ebenfalls zur Verdünnung führt.
Die mit einheitlichen Symbolen gekennzeichneten Wassertypen übertragen wir in die Karte der räumlichen Stadtstruktur (Abb. 6). Jetzt erkennen wir Auffälligkeiten, die die
Eingangsfrage beantworten: Wir sehen einen räumlichen Zusammenhang
zwischen der Wasserqualität und den
städtischen Raumstrukturen.
In chinesischen Großstädten steht der
Gewässerschutz vor enormen Problemen. Stadtentwässerung, Industrieabwässer und häusliche Abwässer verlaufen nur in modernen, neuen Stadtteilen in geordneten Bahnen. Immer
Probenahme
chemischer Sauerstoffbedarf
gelöster Sauerstoff
Abb. 8 a: Zunehmende Verschmutzung in Richtung Innenstadt: Die Konzentration an
gelöstem Sauerstoff entlang des Flusses Qinghuai sinkt – gleichzeitig steigt der Chemische
Sauerstoffbedarf.
Ammonium und Gesamt-Stickstoff
Unkontrolliert fließen
Abwässer in die Flüsse
16
14
12
10
8
6
4
2
0
4
8
9
Probenahme
10
11
mg/l
18
Gesamt-Stickstoff
Ammonium-Stickstoff
Abb. 8 b: Zunehmende Verschmutzung in Richtung Innenstadt: Ammonium- und
Gesamt-Stickstoff-Konzentrationen steigen entlang des Flusses Qinhuai an.
pH-Wert und elektrische Leitfähigkeit
8,0
1000
7,5
800
7,0
600
6,5
400
6,0
200
5,5
5,0
4
8
9
10
11
Probenahme
pH-Wert
elektrische Leitfähigkeit
elektrische Leitfähigkeit S/cm
0
18
pH-Wert
noch überwiegen unüberschaubar viele Abwasser-Einleitungen in die Gewässer, anstelle diese Kläranlagen zuzuführen. Das Beispiel der Millionenstadt Nanjing zeigt, welchen Einfluss
Stadt- und Wirtschaftswachstum auf
die Gewässerqualität besitzen. Hoch
aufgelöste Satellitenbilder helfen dabei, die an Einzelpunkten in langen
Messreihen identifizierten Wirkungen
auf die gesamte Fläche von Stadt und
Umland zu übertragen.
Was haben wir aus unseren Untersuchungen gelernt? Der Zustand der
Gewässer in Nanjing verdeutlicht die
große Herausforderung einer Analyse der Umwelt in den Megacities Ostasiens. Erst allmählich greifen dort
vorbeugende Planungen. Anspruchsvolle Umweltqualitätsstandards existieren – in Form von Grenzwerten –
auch in China. Aber die Hypothek der
Vergangenheit wiegt schwer. Auch
in Deutschland hat es Jahrzehnte gedauert, ehe die Folgen der Gewässerverschmutzung durch die industrielle Nutzung oder die Belastung des
Grundwassers durch Düngemittel erkannt und ihnen wirkungsvoll gegengesteuert wurde. Wir sollten nun im
Abb. 8 c: Zunehmende Verschmutzung in Richtung Innenstadt: Der pH-Wert sinkt und die
elektrische Leitfähigkeit steigt an.
59
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
Wald
Calcium
Kalium
Eisen
90
40
Magnesium
Ammonium
-10
Cadmium
Gesamtstickstoff
gelöster reaktiver
Phosphor
Zink
Blei
gelöster Sauerstoff
Chemischer
Sauerstoffbedarf
Innenstadt
Calcium
Kalium
Eisen
90
40
Magnesium
Ammonium
-10
Cadmium
Gesamtstickstoff
gelöster reaktiver
Phosphor
Zink
Blei
gelöster Sauerstoff
Chemischer
Sauerstoffbedarf
Neubauviertel Stadtrand
Calcium
Kalium
Eisen
90
40
Magnesium
Ammonium
-10
Cadmium
Gesamtstickstoff
gelöster reaktiver
Phosphor
Zink
Blei
gelöster Sauerstoff
60
Chemischer
Sauerstoffbedarf
Austausch mit den chinesischen Kollegen von unseren Erfahrungen berichten und zur Diskussion stellen, ob
diese auf die gesellschaftlichen und
naturräumlichen Bedingungen Chinas übertragbar sind. In den letzten
Jahren werden die Konsequenzen der
ungezügelten und ungelenkten Wirtschaftsentwicklung in China zunehmend erkannt.
Unsere Arbeiten waren in der Vergangenheit nicht auf die Stadtgewässer Nanjings beschränkt, sie betrafen auch Umweltprobleme des ländlichen Raums (Bodenerosion, Überdüngung, ineffiziente Bewässerung)
in der weit von Nanjing entfernt liegenden Provinz Jiangxi. Dabei stellt
sich trotz großer Entfernungen ein innerer Zusammenhang der Entwicklungen in den Städten und auf dem
Land heraus. Das gebremste, aber
Innerer Zusammenhang
von Stadt und Land
nach wie vor starke Bevölkerungswachstum setzt Arbeitskräfte im
ländlichen Raum frei. Nach vorherrschender Meinung können diese Menschen nur in den Städten (Industrie,
Baubranche, Dienstleistungen) Beschäftigung finden. Voraussetzung
für die rasante Wirtschaftsentwicklung im Zuge der Globalisierung ist
die zunehmende Integration Chinas
in die Weltwirtschaft. Das nationale
Statistik-Büro (NBS) gibt an, dass in
den chinesischen Städten alleine im 1.
Halbjahr 2006 Millionen von Arbeitsplätzen durch das Wirtschaftswachstum entstanden seien. Der überwiegende Teil dieser Arbeitsplätze dürfte durch Wanderarbeiter, die ohne
Recht auf ständigen Wohnsitz in die
Städte gekommen sind, besetzt worden sein. Sie machen die sog. „Floating population“ aus, die in den ofAbb. 9: Netzdiagramme der Wasserqualität
von drei der 18 Beprobungsstellen im Stadtgebiet von Nanjing. Die Stadtstrukturtypen
„Wald“, „Innenstadt“ und „Neubauviertel“ sind anhand von Indexwerten (0 bis 100)
schnell vergleichbar: Hohe Indexwerte stehen für einen hohen Schadstoffgehalt, niedrige Werte für geringe Konzentrationen.
Geographie
Geowissenschaften Rubin 2007
fiziellen Einwohnerzahlen der Städte nicht berücksichtigt ist. Der Zuzug
von Menschen hat einen Teil der Umweltprobleme in den großen Städten
verursacht. Die Kosten der negativen
Umweltwirkungen der industriellen
Produktion mit veralteter Technik
spiegeln sich wegen früher fehlender
Umweltschutzvorschriften und heutiger mangelnder Überwachung nicht
in der Preisgestaltung der Exportgüter wider. Es gibt keine Patentrezepte für die riesige Integrationsaufgabe, die Entwicklung von Mensch und
Umwelt in den verschiedenen Teilräumen Chinas in eine nachhaltige Richtung zu steuern.
Geographische Regionalstudien ermöglichen aber zumindest ein Herunterbrechen der als problematisch
erkannten Entwicklung auf konkrete
Orte und Umweltmedien. So bieten
die Untersuchungen vor Ort geeignete Grundlagen für die Entwicklung
von Konzepten zur umweltschonenden, nachhaltigen Nutzung auf dem
Lande und in den Städten. Unsere
Untersuchungen auf dem Lande sind
bereits in ein Demonstrationsvorhaben zur umweltschonenden Landwirtschaft eingeflossen, das insbesondere
den sparsamen Umgang mit Wasser,
die Minderung des Nährstoffaustrags
und die Vermeidung von Bodenerosion zum Ziel hat. Die verantwortlichen Stadtplaner in Nanjing kennen
die Problematik der städtischen Gewässer. In Trockenzeiten wird immer
wieder relativ sauberes Flusswasser
durch die innerstädtischen Kanäle
geflutet, und neu erschlossene Siedlungsflächen sowie sanierte alte Stadtteile werden an die Kanalisation und
an inzwischen errichtete Kläranlagen
angeschlossen.
Nach Angabe des für die Wasserversorgung zuständigen Ministers Wang
Shucheng kann die Trinkwasserqualität für 300 Millionen Chinesen nicht
garantiert werden (People‘s daily. Online, 22.3.2005). Die chinesische Zentralregierung hat die drohende Gefahr
erkannt, wenn der Umweltminister die
Umweltzerstörung als den entscheidenden Engpass der wirtschaftlichen
Entwicklung ansieht (Spiegel-Inter-
view 7.3.2006). Mit drastischen Maßnahmen soll das Wirtschaftswachstum
von derzeit über zehn Prozent herabgesetzt werden, wie jüngst (5.3.2007)
der chinesische Premierminister vor
dem Volkskongress bekräftigt hat.
Ob unsere konkreten Arbeiten zur
Steigerung des Umweltbewusstseins
beitragen können? In jedem Fall sind
sie ein Baustein zu einem Monitoring,
das in dieser Weise von den Umweltbehörden nicht betrieben worden ist,
und mittelfristig entfalten sie Wirkung
durch die Diskussion mit den chinesischen Wissenschaftlern und Umweltbehörden vor Ort. Dies wollen
wir fortsetzen und neben dem Oberflächenwasser auch den Boden und
das Grundwasser in die Analysen integrieren.
Prof. Dr. Harald Zepp, Dipl.-Geogr.
Michael Johann und Dr. Antje Burak,
Geographisches Institut, Angewandte
Physische Geographie
Anzeigen
61
Profil
Geowissenschaften Rubin 2007
Institut für Geologie, Mineralogie
und Geophysik
Fakultät für
Geowissenschaften
Geographisches
Institut
Gesellschaftswissenschaften
Naturwissenschaften
Geowissenschaften an der
Ruhr-Universität Bochum
Ingenieurwissenschaften
Abb. 1: Fakultät für Geowissenschaften mit ihrem wissenschaftlichen Umfeld.
S
ie ist nicht nur Schnittstelle dreier Fächergruppen, sie verbindet
in sich selbst wie keine andere
Fakultät natur-, ingenieur- und geisteswissenschaftliches Denken. Die
Fakultät für Geowissenschaften der
Ruhr-Universität besteht aus dem Geographischen Institut und dem Institut
für Geologie, Mineralogie und Geophysik (s. Abb. 1). Vielfältige Wechselwirkungen mit den Natur- und Ingenieurwissenschaften pflegen vor
allem die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Geologie, Mineralogie und Geophysik sowie der
Physischen Geographie, während die
Humangeographie besonders mit den
Gesellschaftswissenschaften verbunden ist.
Auch an der Ruhr-Universität waren
die im deutschen Sprachraum traditionell eigenständigen Fachrichtungen
Geologie, Mineralogie und Geophysik
bis 1999 als eigene Institute mit eigenem Diplom-Studiengang vertreten.
Mit der Gründung des neuen gemeinsamen Instituts zum 1. Januar 2000
betonte die Fakultät die über die Jahre kontinuierlich zugenommene Ge62
meinsamkeit in den Geowissenschaften und schuf damit einen für Zentraleuropa führenden Forschungs- und
Lehrstandort, der die gesamte Breite
geowissenschaftlicher Forschung abdeckt. Damit war zugleich die organisatorische Plattform für den gestuften
Studiengang „Geowissenschaften“
geschaffen, der die drei getrennten
Diplomstudiengänge durch ein innovatives fachübergreifendes Konzept
ersetzt. Analog dazu wurden im Geographischen Institut die gestuften Studiengänge eingeführt (s. Abb. 2).
Beide Institute bieten jeweils einen
eigenständigen gestuften Voll-Studiengang mit den Abschlüssen Bachelor of Science (B.Sc.) und Master of
Science (M.Sc.) an, das Geographische Institut den Studiengang „Geographie“, das Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik den Studiengang „Geowissenschaften“. Der erste
Studienabschnitt mit dem Abschluss
B.Sc. dient der breiten Grundausbildung. Der zweite Studienabschnitt mit
dem Abschluss M.Sc. vermittelt Spezialkenntnisse in einer der Vertiefungsrichtungen, was den Anforderungen
auf dem Arbeitsmarkt entspricht und
zugleich die Grundlage für den späteren Einstieg in wissenschaftliches Arbeiten schafft. Neben den Vollstudiengängen wird von beiden Instituten ein
im Umfang reduziertes Angebot für
den gestuften 2-Fach-Studiengang mit
Abschluss Bachelor of Arts (B.A.) bereitgestellt, hinzu kommen im Rahmen
des Optionalbereichs auch Module für
Studierende anderer Fachrichtungen.
Im Fach „Geographie“ bereitet der
Fakultät für Geowissenschaften
Geographisches Institut
• Physische Geographie
• Humangeographie
• Geomatik
• Didaktik der Geographie
Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik
• Endogene Geologie
• Sediment- und Isotopengeologie/Paläontologie
• Angewandte Geologie
• Mineralogie/Kristallographie
• Mineralogie/Petrologie
• Geophysik
Abb. 2: Struktur der Fakultät für Geowissenschaften
Profil
2. Studienjahr
4. Studienjahr
Bachelor
Geographie B. Sc.
5. Studienjahr
Geographie (M.Sc.)
• Physische Geographie
• Humangeographie
• Geomatik
Regionale Geographie (M.A.)
Geographie B. A. (2-fach)
Geowissenschaften B. A. (2-fach)
Endogene Geologie
• Sediment- und
Isotopengeologie
• Angewandte Geologie
• Mineralogie/
Kristallographie
• Mineralogie/Petrologie
• Geophysik
• Resources and Energy
Master
Geowissenschaften B. Sc.
Bachelor
Geologie, Mineralogie, Geophysik
Master of Education (M.Ed.)
Abb. 3: Studiengänge und Vertiefungsrichtungen an der Fakultät für Geowissenschaften
che innovative Konzepte eingeführt.
Alle Studiengänge sind akkreditiert.
Ihre Entwicklung wird kontinuierlich intern evaluiert und die Konzepte werden - unter aktiver Mitwirkung
der Studierenden - optimiert. In ihrer
Grundstruktur haben sie sich von Anfang an bestens bewährt.
info1
Daten zur Geschichte der Fakultät
30. Juni 1965:
WS 1965/66:
WS 1968/69:
01.01.2000
WS 2000/01
WS 2001/02
WS 2002/03
WS 2004/05
WS 2005/06
WS 2006/07
WS 2006/07
3. Studienjahr
Master
Geographie
1. Studienjahr
Geowissenschaften
2-Fach-Studiengang unter anderem auf
das Lehramt vor. Im Fach „Geowissenschaften“ wurde die Kombination
mit einem anderen Fach im Rahmen
des 2-Fach-Studiengangs so erstmals
in Deutschland eingeführt. Berufliche
Perspektiven versprechen hier vor allem Kombinationen mit anderen naturwissenschaftlichen Fächern, die dann
eine entsprechende Spezialisierung im
zweiten Studienabschnitt (M.Sc.) zulassen. Das Geographische Institut bietet ferner einen Studiengang „Regionale Geographie“ für das 2-Fach-Programm mit Abschluss Master of Arts
(M.A.) an und stellt das entsprechende Angebot im Bochumer Modell der
Lehrerausbildung mit dem Abschluss
Master of Education (M.Ed.) bereit.
Schließlich erfolgt die Promotion an
der Fakultät für Geowissenschaften im
Rahmen eines strukturierten Promotionsstudiengangs.
Die Fakultät für Geowissenschaften
hat bei der Umstellung auf die neuen
Studiengänge bundesweit eine Vorreiterrolle übernommen und zahlrei-
strukturierter Promotionsstudiengang
Geowissenschaften Rubin 2007
Eröffnung der Ruhr-Universität Bochum
Abteilung Geowissenschaften und Astronomie
nimmt Lehrbetrieb auf
Übergang der Astronomie in die Fakultät für Physik;
die Fakultät für Geowissenschaften besteht aus dem
Geographischen Institut, dem Institut für Geologie, dem Institut für Mineralogie und dem Institut für Geophysik
Das Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik,
zusammengeführt aus den drei zuvor selbständigen
Instituten, nimmt seine Arbeit auf
Einführung des Bachelor-/Master-Studiengangs
Geowissenschaften, des ersten gestuften Studienganges
an der Ruhr-Universität Bochum
Einführung des Bachelor-/Master-Studiengangs
Geographie
Geographie im 2-Fach-B.A.-Studiengang
Geowissenschaften im 2-Fach-B.A.-Studiengang
Einführung des Master of Education
Einführung des Master-Studiengangs „Regionale
Geographie“ im 2-Fach-Modell
Einführung des strukturierten Promotionsstudiengangs Geowissenschaften
Alle Studiengänge der Fakultät für
Geowissenschaften bieten zahlreiche Möglichkeiten an, um im Ausland Erfahrungen zu sammeln. Die
Studierenden nehmen etwa Austauschsemester in Griechenland,
Türkei, Tschechien, Österreich, Spanien, Polen, Italien, England, Schweiz
und Slowenien im Rahmen des europäischen ERASMUS/SOCRATESProgramms wahr. Weitere Möglichkeiten bieten umfangreiche wissenschaftliche Kooperationen mit zahlreichen ausländischen Institutionen.
Stipendien und Programme der Humboldt-Stiftung, des DAAD, der ESF
oder der UNESCO sind Anreiz für
ein Auslandsstudium. Schließlich
ergeben sich durch vielfältige Forschungskooperationen immer wieder
attraktive individuelle Angebote für
die Anfertigung von Abschlussarbeiten (B.Sc. oder M.Sc.) im Ausland.
Stiftungen erlauben der Fakultät die
Verleihung eigener Preise für exzellente Studienabschlussarbeiten. Der
„Siegfried Niedermeyer-Förderpreis“
wird für herausragende Leistungen auf
dem Gebiet der computergestützten
Datenakquisition, -bearbeitung und interpretation sowie numerischer Problemlösungen vergeben. Der „Praxispreis Geowissenschaften“ würdigt besondere Leistungen in der angewandten geowissenschaftlichen Forschung.
Die Stiftung „Geowissenschaften in
der Öffentlichkeit“ fördert regelmä63
Profil
Geowissenschaften Rubin 2007
info
2
Kennzahlen der Fakultät
Studierende
Frauenanteil
Anteil ausländischer Studierender
Anzahl der Professoren
Anzahl der Juniorprofessoren und Nachwuchsgruppenleiter
Anzahl der wiss. Mitarbeiter
Anzahl der wiss. Mitarbeiter in Drittmittel-Projekten
Anzahl der Mitarbeiter aus Technik und Verwaltung
Jährliches Drittmittelaufkommen
Anzahl der Promotionen pro Jahr
1500
40 %
4%
24
2
42
40
71
3 Mio. €
ca. 20
ßig Vorträge renommierter Experten
aus dem In- und Ausland, in denen die
Rolle der Geowissenschaften in unserer Zivilisation für ein breites Publikum herausgestellt wird.
Forschung und Lehre bilden am Geographischen Institut eine Einheit, die
darauf abzielt, den Studierenden für
die praktische Berufstätigkeit und für
die Forschung ein breites Spektrum an
Kenntnissen und Methoden zu vermitteln. Diese sind entsprechend der Brückenfunktion des Faches sowohl natur- als auch geisteswissenschaftlich
ausgerichtet. Daraus leitet sich die
info3
SFB 526: Rheologie der Erde – von der Oberkruste bis in die Subduktionszone
Der Planet Erde ist aufgrund seines Aufbaus und des Temperaturfelds im Erdinneren - etwa im Gegensatz zum Mond
- dauernder Veränderung unterworfen. Konvektionsbewegungen im Erdmantel sind der Motor für Bewegungen
der Lithosphärenplatten. Dabei konzentriert sich die Verformung vor allem auf die Plattengrenzen. Doch ein Menschenleben ist zu kurz, um die Bewegungen der Platten in
Geschwindigkeiten von Zentimetern pro Jahr direkt wahrzunehmen. Durch die Satelliten-Geodäsie lassen sich Plattenbewegungen heute jedoch schon über Zeiträume von wenigen Jahren mit großer Genauigkeit bestimmen. In geologischen Zeitmaßstäben laufen diese Bewegungen dagegen
sehr schnell ab. Kontinente zerbrechen, Ozeane öffnen sich
oder kehren durch „Subduktion“ in den Erdmantel zurück.
Zeugnis dieser Verformung vor allem entlang der Plattengrenzen und größerer aktiver Bruchzonen weltweit sind die
Erdbeben (Seismizität) mit ihren zum Teil gravierenden Fol-
Hebung
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Kreta
ca. 0,8 cm/Jahr
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„Widerlager“
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Afrikanischer
Kontinentalrand
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100 km
gen für die Zivilisation. Sie sind Ausdruck sog. bruchhafter
Verformung im oberen, kälteren Stockwerk der Lithosphäre, während höhere Temperaturen in größeren Tiefen das
langsame plastische Fließen der Gesteine ermöglichen. Im
Sonderforschungsbereich (SFB 526) “Rheologie der Erde”
wird das mechanische Verhalten der Gesteine unter den verschiedenen Bedingungen untersucht (Rheologie: Verformungs- und Fließverhalten). Wissenschaftler aus den Geowissenschaften und den Ingenieurwissenschaften sowie der
Chemie und Physik nutzen dafür ein breites methodisches
Spektrum. Sie analysieren und experimentieren im Feld, im
Labor oder anhand von Computer-Simulationen. Es werden Vorgänge erforscht, die sich in den unterschiedlichsten räumlichen und zeitlichen Skalen abspielen: von großräumigen Veränderungen an den Plattengrenzen über Millionen von Jahren hinweg bis zur Diffusion eines Atoms in
einem Mineral in Sekundenbruchteilen. Den Schwerpunkt
der Feldforschung bildet die
ca. 3,5 cm/Jahr
N Hellenische Subduktionszone
in der südlichen Ägäis, wo sich
Vulkanismus
die Afrikanische Platte mit einer Geschwindigkeit von etwa
Santorin
4 Zentimetern pro Jahr unter
den südlichen Rand der Eurasischen Platte schiebt (s. Abb.:
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Abb.: Tektonisch-geophysikalisches
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Modell der Hellenischen Subduktions-
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zone am Südrand der Ägäis.
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= Erdbebenherd
Weitere Informationen unter: http://www.ruhr-uni-bochum.de/sfb526
64
Profil/Impressum
Geowissenschaften Rubin 2007
Gliederung des Instituts ab, in dem die
klassischen Teildisziplinen der Physischen Geographie und der Humangeographie sowie Didaktik der Geographie mit der Geomatik und der Bodenkunde vereint sind. Dies ermöglicht es,
die Lehr- und Forschungsbereiche einer modernen, an den Erfordernissen
des Arbeitsmarktes orientierten Geographie abzudecken. Das Lehrangebot des Geographischen Instituts im
M.Sc.-Abschnitt des gestuften Studiengangs gliedert sich in drei Vertiefungsrichtungen (s. Abb. 3), während im Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik sechs Einheiten
gleichzeitig die Vertiefungsrichtungen im M.Sc.-Abschnitt repräsentieren
und in gleichen Anteilen auch die geowissenschaftliche Grundausbildung
im B.Sc.-Abschnitt leisten (s. Abb.
3). Eine siebte Vertiefungsrichtung
im M.Sc.-Abschnitt ist das durchgän-
gig in englischer Sprache angebotene
Programm „Geosciences – Resources
and Energy“, das Studierende aus dem
In- und Ausland auf den Einsatz in der
Rohstoff-Exploration und in der Energieversorgung vorbereitet.
Die Markenzeichen des Instituts sind
der außergewöhnliche Anteil fachübergreifender Kooperation innerhalb
und außerhalb der Fakultät für Geowissenschaften sowie die intensive
und fruchtbare Zusammenarbeit mit
vielen Forschungseinrichtungen im Inund Ausland, eingebunden in zahlreiche Drittmittelprojekte. Hervorzuheben ist hier der seit 1999 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte SFB 526 „Rheologie der Erde
– von der Oberkruste bis in die Subduktionszone“ (s. Info). Seit 2006 ist
eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Emmy-Noether-Programm geförderte Nachwuchsgruppe
„The response of seismogenic faults
to natural and human-induced changes in loads on Earth`s surface“ in der
Endogenen Geologie angesiedelt. Ein
aktuelles Beispiel für die internationale Sichtbarkeit auch im Bereich der
Lehre und der Weiterbildung ist die im
Sommer 2007 erstmals ausgerichtete
International German Summerschool
on Hydrology (IGSH), über die Wissenschaftler aus der ganzen Welt praxisrelevante Zusatzqualifikationen erhalten.
Die Fakultät für Geowissenschaften ist eine weltoffene Fakultät: Jahr
für Jahr kommen zahlreiche Wissenschaftler aus aller Herren Länder als
Stipendiaten oder Gastwissenschaftler an die Fakultät und Bochumer Geowissenschaftler fühlen sich an Forschungsinstituten weltweit manchmal
fast schon wie zu Hause.
impressum
Herausgeber
Fakultät für Geowissenschaften in Verbindung mit der Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum
Wissenschaftlicher Beirat
Altrektor Prof. Dr. Manfred Bormann (Fak. f. Physik), Prof. Dr. Käte
Meyer-Drawe (Fak. f. Philosophie, Pädagogik u. Publizistik), Prof.
Dr. Dr. E. h. Wilfried B. Krätzig (Fak. f. Bauingenieurwesen), Prof. Dr.
Ulrich Kück (Fak. f. Biologie), Prof. Dr.-Ing. Ulrich Kunze (Fak. f. Elektotechnik u. Informationstechnik), Prof. Dr. Konrad D. Morgenroth
(Medizinische Fak.), Prof. Dr. Stefan Schirm (Fak. f. Sozialwissenschaft), Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp (Juristische Fak.), Prof. Dr.
Klaus T. Überla (Medizinische Fak.)
Redaktion
Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum
Dr. Barbara Kruse (Redaktionsleitung)
[email protected]
Meike Drießen
Babette Sponheuer (Bildredaktion und Fotografie)
Bildnachweis
Titelgestaltung: diezwei, designagentur Bochum, Erdkugel: Pixelquelle; S. 20, Abb. Sascha Böhmke / Pixelquelle; S. 21, Abb.2 links:
hotelranking24 / Pixelquelle; Abb.2 rechts: Nicole Forster/ Pixelquelle; S. 24 u. S. 25, Abb. 5a u. 5b: ESTOP Palma de Mallorca; S.
28, Abb. Pearly1 / Pixelquelle; S. 36, Abb. U.S. Geological Survey
Photographic Library; S. 46, Abb. 2: S. L. Stipp, J. Konnerup-Madson, K. Franzreb, A. Kulik, H.J. Mathhieu, Nature 396, 1998; S. 46,
Abb. im Info: Lehrstuhl für Physikalische Chemie; S.48, Abb. 4a:
Sue Scott, Schottland; S.49, Abb.4b:Ruppert Wellstein / Pixelquelle; S. 52, Abb. iStockphoto
Der Herausgeber hat sich um die Einholung der nötigen Bildrechte mit allen Mitteln bemüht, wo das nicht möglich war, bitten wir
eventuelle Rechtsinhaber, sich mit der Redaktion in Verbindung
zu setzen.
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Auflage
4500
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Vmm Wirtschaftsverlag GmbH & Co. KG
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86150 Augsburg
Monika Burzler Tel. (0821)4405-423
www.vmm-wirtschaftsverlag.de
Bezug der Zeitschrift
RUBIN „Geowissenschaften“ ist ein Sonderheft des Wissenschaftsmagazins RUBIN. Es ist in der Fakultät für Geowissenschaften zu
einem Bezugspreis von 5 Euro pro Einzelheft erhältlich. Das Wissenschaftsmagazin RUBIN erscheint zweimal im Jahr, ein Teil der
Auflage als Beilage der Universitätszeitschrift RUBENS.
ISSN 0942-6639
Nachdruck bei Quellenangabe und Zusenden von Belegexemplaren
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Auf einen Blick
Geowissenschaften Rubin 2007
Die Fakultät für Geowissenschaften
www.ruhr-uni-bochum.de/geo-fak/
Dekan: Prof. Dr. Stefan Wohnlich
Tel.: 0234 / 32 – 27993 bzw. 23505
Fax: 0234 / 32 – 14535
E-Mail: [email protected]
Geographisches Institut
www.geographie.ruhr-uni-bochum.de
Angewandte Physische Geographie
Prof. Dr. Harald Zepp
Tel.: 0234 / 32 – 23313
Fax: 0234 / 32 – 14169
E-Mail: [email protected]
Kultur- und Siedlungsgeographie
Prof. Dr. Lienhard Lötscher
Tel.: 0234 / 32 – 23354
Fax: 0234 / 32 – 14885
E-Mail: [email protected]
Bodenkunde, Bodenökologie
Prof. Dr. Bernd Marschner
Tel.: 0234 / 32 – 22108
Fax: 0234 / 32 – 14169
E-Mail: [email protected]
Kultur- und Siedlungsgeographie
Prof. Dr. Manfred Hommel
Tel.: 0234 / 32 – 23356
Fax: 0234 / 32 – 14169
E-Mail: [email protected]
Klimaforschung und Hydrogeographie
Prof. Dr. Heribert Fleer
Tel.: 0234 / 32 – 23316
Fax: 0234 / 32 – 14169
E-Mail: [email protected]
Wirtschafts- und Sozialgeographie
Prof. Dr. Uta Hohn
Tel.: 0234 / 32 – 28433
Fax: 0234 / 32 – 14484
E-Mail: [email protected]
Landschaftsökologie/Biogeograhie
Prof. Dr. Thomas Schmitt
Tel.: 0234 / 32 – 28377
Fax: 0234 / 32 – 14180
E-Mail: [email protected]
Raumforschung und
Regionalentwicklung
Prof. Dr. Bernhard Butzin
Tel.: 0234 / 32 – 23436
Fax: 0234 / 32 – 14484
E-Mail: [email protected]
Entwicklungsforschung und
Entwicklungspolitik
Prof. Dr. Wilhelm Löwenstein
Tel.: 0234 / 32 – 28418
Fax: 0234 / 32 – 14294
E-Mail: [email protected]
Geo- Fernerkundung
Prof. Dr. Carsten Jürgens
Tel.: 0234 / 32 – 23376
Fax: 0234 / 32 – 14877
E-Mail: [email protected]
Geoinformation und Kartographie
Prof. Dr. Frank Dickmann
Tel.: 0234 / 32 – 23379
Fax: 0234 / 32 – 14180
E-Mail: [email protected]
Geographiedidaktik
Prof. Dr. Karl-Heinz Otto
Tel.: 0234 / 32 – 24848
Fax: 0234 / 32 – 14484
E-Mail: [email protected]
Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik (GMG)
www.ruhr-uni-bochum.de/gmg
Hydrogeologie
Prof. Dr. Stefan Wohnlich
Tel.: 0234 / 32 – 23294
Fax: 0234 / 32 – 14120
E-Mail: [email protected]
Paläontologie
Prof. Dr. Jörg Mutterlose
Tel.: 0234 / 32 – 23249
Fax: 0234 / 32 – 14571
E-Mail: [email protected]
Seismologie
Prof. Dr. Wolfgang Friederich
Tel.: 0234 / 32 – 23271
Fax: 0234 / 32 – 14181
E-Mail: [email protected]
Ingenieurgeologie
Prof. Dr. Michael Alber
Tel.: 0234 / 32 – 23296,
Fax: 0234 / 32 – 14120
E-Mail: [email protected]
Mineralogie-Kristallographie
Prof. Dr. Hermann Gies
Tel.: 0234 / 32 – 23512
Fax: 0234 / 32 – 14433
E-Mail: [email protected]
Experimentelle Geophysik
Prof. Dr. Jörg Renner
Tel.: 0234 / 32 – 24613
Fax: 0234 / 32 – 14181
E-Mail: [email protected]
Hydrogeochemie
Prof. Dr. Frank Wisotzky
Tel.: 0234 / 32 – 23967
Fax: 0234 / 32 – 14120
E-Mail: [email protected]
Physikalisch-chemische und
angewandte Kristallographie
Prof. Dr. Jürgen Schreuer
Tel: 0234 / 32 – 24381
Fax: 0234 / 32 – 14433
E-Mail: [email protected]
Gravimetrie
Prof. Dr. Uwe Casten
Tel.: 0234 / 32 – 23273
Fax: 0234 / 32 – 14181
E-Mail: [email protected]
Endogene Geologie, Tektonik,
Magmatismus
Prof. Dr. Bernhard Stöckhert
Tel.: 0234 / 32 – 27254
Fax: 0234 / 32 – 14572
E-Mail: [email protected]
Strukturgeologie (N.N.)
Sediment- und Isotopengeologie
Prof. Dr. Adrian Immenhauser
Tel.: 0234 / 32 – 28250
Fax: 0234 / 32 – 14571
E-Mail: [email protected]
66
Mineralogie-Petrologie
Prof. Dr. Walter V. Maresch
Tel.: 0234 / 32 – 23511
Fax: 0234 / 32 – 14433
E-Mail: [email protected]
Physikalisch-chemische Mineralogie
Prof. Dr. Sumit Chakraborty
Tel.: 0234 / 32 – 24395
Fax: 0234 / 32 – 14433
E-Mail: [email protected]
Juniorprofessur
Organische Sedimentologie, Biogeochemie
Dr. Ulrich Heimhofer
Tel.: 0234 / 32 – 23252
Fax: 0234 / 32 – 14571
E-Mail: [email protected]
Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe
Tektonische Modelle
Dr. Andrea Hampel
Tel.: 0234 / 32 – 27718
Fax: 0234 / 32 – 14572
E-Mail: [email protected]