Glas beeinflusst die Zukunft des Yachtbaus massiv. Kaum ein

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Glas beeinflusst die Zukunft des Yachtbaus massiv. Kaum ein
FOTo: Giovanni Romero
GLAS
Klare Sache
Glas beeinflusst die Zukunft des Yachtbaus massiv.
Kaum ein Material dominiert so sehr den Exterior-Look
moderner Großformate. Designer und Lieferanten
verschieben kontinuierlich die Grenze des Machbaren.
Text Martin Hager
„Yas“: Die mit einer Länge von 141 Metern derzeit
achtgrößte Yacht der Welt besitzt eindrucksvolle
Komposit-Aufbauten, die mit rund 700 Quadratmetern
Glas aus den USA bestückt wurden.
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Glas-Lamination im Vakuum: Sedak fertigt Verbundgläser in modernsten Autoklaven, die Scheiben bis 17 Meter Länge aufnehmen.
listischen Look, der sich selbst mit nur
wenig Fantasie an das moderne Design
der meisten Apple-Produkte anlehnt.
Um die großflächigen – und in ihren
Dimensionen bis dato tatsächlich einma­
ligen – Scheiben an Bord des Alu-Ver­
drängers Wirklichkeit werden lassen zu
können, sicherte sich das „Venus“-Team
die Expertise der Glasdesigner von
Eckersley O’Callaghan, die mit Jobs
bereits eng bei der Realisierung seiner
zahlreichen Apple-Flagship-Stores zu­
sammenarbeiteten. Mit Sedak aus dem
bayerischen Gersthofen empfahl der
Yachten mit Glasflächen von 800 bis weit
über 1500 Quadratmeter sind in Planung
58 IT-Visionär dem Yachtbauer Feadship
einen Glaslieferanten mit herausra­
genden Referenzen. Apple ist seit 2001
Kunde des mittelständischen Unterneh­
mens, das für mittlerweile über 70 AppleStores und den modernen Apple-Cam­
pus 2 die Glastreppen und -fassaden
lieferte. Lange suchte Jobs nach einem
Produzenten, der Glaspaneele in den
gewünschten Dimensionen herstellen
konnte. „Ohne Sedak hätten wir unser
modernes Hauptquartier in Cupertino
nicht so entwerfen können, wie wir es
uns erträumt haben“, wird Apple-Chef
Tim Cook zitiert. Das Gleiche gilt ebenso
für „Venus“.
„Bei ,Venus‘, unserer ersten Yacht,
wurden wir schon sehr früh im Design­
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prozess kontaktiert“, erklärt Ralf Scheu­
rer, der bei Sedak für den internationalen
Vertrieb zuständig ist. „Wir mussten
prüfen, wie groß die strukturellen Lasten
auf den großflächigen Glas­paneelen in
den Aufbauten und im Rumpf sind, und
arbeiteten dazu gemeinsam mit unserem
Partner GL Yachtverglasung die Mach­
barkeitsstudien aus.“ Die Verglasung des
imposanten Projekts setzte das Unter­
nehmen GL Yachtverglasung (GLY) um,
das auf die Planung und Endmontage
von Yachtglas spezialisiert ist.
Je nach Anforderung arbeitet die Firma
aus dem Ballungsraum Hamburg mit
einem Stamm an Glaslieferanten wie
Sedak und anderen namhaften Herstel­
lern zusammen. Mittlerweile sind Yacht­
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projekte laut GLY so komplex, dass die
Gläser von diversen Unternehmen ge­
liefert werden. Stark gebogene Scheiben
kommen von einem Lieferanten, große
und gerade Paneele von einem anderen;
schusssichere Paneele fertigt ein dritter
Konzern. Auch die Herstellung der Glas­
fundamente und -rahmen vergibt GLY
FOTo: G. Romero/theyachtphoto.com
A
lu und sehr viel Glas – daraus
besteht auf den ersten Blick
eine der wohl spektakulärsten
Yachten der letzten Jahrzehnte. Die 78
Meter lange „Venus“ des verstorbenen
Apple-Gründers Steve Jobs polarisiert
wie kaum eine andere Yacht. DesignIkone Philippe Starck schuf in jahrelan­
ger Arbeit ein spektakuläres wie revolu­
tionäres Exterior-Design, das „Venus“
einen Platz in den Geschichtsbüchern
des Superyachtings sichert. Riesige Glas­
flächen in den Aufbauten und im WideBody-Bereich dominieren den minima­
„Venus“: Apple-Gründer Steve Jobs orderte das Starck-Design bei Feadship. Knapp
400 Quadratmeter Glas schmücken das moderne Exterior der 78-Meter-Yacht.
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„Como“: Das 46 Meter
lange Dubois-Design
verfügt über Fenster im
XXL-Format. Selbst in das
Schanzkleid integrierte
die Werft Feadship große
Glaspaneele, die dem
erfahrenen Eigner Neville
Crichton beste Aussichten
aus seiner Mastersuite
garantieren.
Sedak-Werk: Im bayerischen Gersthofen fertigen die Glasexperten auch die speziell für den Marinebereich entwickelten und von Lloyd’s
Register zertifizierten GLY MarineCobond-Verbundgläser. Die aus mehreren Lagen bestehenden Scheiben sind sehr steif und tragfähig.
Berechnungsgrundlagen nötig wäre“,
erklärt Andreas Schipper weiter.
Mit der 78 Meter langen „Venus“, die
im Rumpf und den Aufbauten über knapp
400 Quadratmeter Glas verfügt, verwirk­
lichte GLY in enger Kooperation mit Se­
dak ein komplexes und viel beachtetes
Glasprojekt. Die Maße der Scheiben
waren zum Zeitpunkt des Stapellaufs auf
Yachten unerreicht. Die Brücken-Front­
scheibe wurde in einem Stück geliefert
und misst 6,50 mal 1,80 Meter. Die noch
deutlich größeren und laminationsgebo­
genen Seitenscheiben des Pavillondecks
wiegen jeweils nur 2,8 Tonnen bei einer
Abmessung von zehn mal 2,45 Metern.
„Als ,Venus‘ gewassert wurde, gab es
FOTo: Mark O. Connell/theyachtphoto.com
an Subunternehmer. „Wir kennen die
Produktionsmöglichkeiten verschiedener
Hersteller und können so den Werften
ein Glas-Portfolio zusammenstellen, das
zum jeweiligen Projekt passt“, erklärt
Andreas Schipper, der das Yachtgeschäft
leitet. GLY besitzt mittlerweile eine eige­
ne Produktlinie und mit GLY Marine­
Cobond ein von Lloyd’s Register zertifi­
ziertes Verbundglas, das von Sedak
produziert wird und insbesondere für den
Yachtmarkt entwickelt wurde. „Durch
den Einsatz unserer MarineCobondLaminationsfolie wird aus den miteinan­
der verbundenen Scheiben ein schub­
fester Verbund, der wesentlich dünner
sein darf, als das nach klassischen Glas-
„Enigma“: Das 1991 als „Eco“ abgelieferte Martin-Francis-Design besitzt spektakuläre Aufbauten mit sphärisch gebogenen Scheiben des Glasproduzenten Flachglas.
60 viele Skeptiker“, erinnert sich der Glas­
experte. „Die sind mittlerweile jedoch
verstummt. Die Yacht ist bereits zum
sechsten Mal auf eigenem Kiel über den
Atlantik gefahren, hat einige Stürme ab­
gewettert, und die Eigner sind, wie wir
hören, nach wie vor begeistert und nut­
zen die Yacht sehr viel.“
Vier Tonnen schwere Pool-Scheibe
Spektakuläre Aufträge wie „Palla­
dium“, „Graceful“ und einige LürssenGroßformate folgten. Mit manchen
Spezialscheiben beschäftigt sich die
GLY-Entwicklungsabteilung bestehend
aus Struktur- und Schiffbauingenieuren
mitunter bis zu ein Jahr lang. Für die
147-Meter-Lürssen „Topaz“ lieferten
die Yachtglasexperten beispielsweise
die schwerste Verglasung, die je auf ei­
ner Yacht verbaut wurde. Die Scheibe
misst 5,30 mal 2,80 Meter und dient als
Rückwand eines mit 170 Tonnen Was­
ser gefüllten Pools im Heck der Yacht.
Aufgrund des zu erwartenden hohen
Wasserdrucks wurde die aus zahlreichen
Glaslagen bestehende Verbundglasschei­
be über 100 Millimeter dick und vier Ton­
nen schwer. „Aus mangelnder Erfahrung
mit diesem komplexen Thema stellen
Klassifikationsgesellschaften nach wie
vor exorbitant hohe Anforderungen an
uns Glaslieferanten“, erzählt Andreas
Schipper. Ein enormes Maß an Entwick­
lungsarbeit steckte das GLY-Team eben­
falls in die gesamte Exterior-Verglasung
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Konzept: Auch das
niederländische Büro
Azure Yacht Design treibt
den Einsatz von Glas im
Rumpf und den Aufbauten
gelegt, die sie ohne Bruch überstehen
müssen. Es lagern in diesem Fall also auf
einem Quadratmeter Scheibe 90 Tonnen
Druck. Um sich das bildhaft vorzustellen:
Die Scheibe hat knapp 8 Quadratmeter,
jeder Quadratmeter ist mit zwei 40-Ton­
ner-Lkws belastet; das heißt, auf der
Scheibe können insgesamt 16 voll bela­
dene Sattelschlepper stehen, ohne dass
sie bricht. „Mit herkömmlichen Vergla­
sungen wäre die Unterwasser-Lounge
nicht realisierbar gewesen“, ergänzt der
Glasexperte stolz.
Um die Klassifikationsgesellschaften
zufriedenzustellen, war zur Genehmi­
gung eine Vielzahl an Tests und WorstCase-Simulationen nötig. Hinzu kommt,
dass der spektakuläre Unterwasserraum
für die Schwimmfähigkeit der Segelyacht
„A“ keine Rolle spielt. Eine nicht zu er­
wartende Flutung des Bereichs wirkt
sich, dank wasserdichter Schotte und
einer zusätzlichen Sicherheitsschleuse,
also höchstens auf die Gesundheit der
Lounge-Gäste aus und nicht auf den Auf­
trieb der Yacht.
weiter voran.
Mehr Komfort durch viel Glas
der 142 Meter langen Segelyacht „A“
(Heft 6/15), die derzeit noch von Nobis­
krug in Kiel fertiggestellt wird und Ende
dieses Jahres an den Eigner übergeben
werden soll. Darunter befindet sich
die mit 15 Metern Länge (1,8 Tonnen
schwer) längste gebogene Scheibe der
Welt, die vor der Brücke als Schanzkleid
zum Einsatz kommt. „Philippe Starck
wollte einen möglichst cleanen Look und
am liebsten keine Reling“, erzählt Schip­
per. Eine fast unsichtbare Schanz war
also nur mit Glas machbar. Zwei weitere
11-Meter-Scheiben kommen auf Deck
Nummer sieben als Schanzkleid zum
Einsatz sowie eine 14-Meter-Glaswand
auf dem Eignerdeck. GLY bekam eben­
falls den Zuschlag für drei 4 Meter lange
und 1,80 Meter hohe elliptisch gebogene
Scheiben einer Unterwasser-Lounge.
62 Diese befindet sich im Kiel und gibt Gäs­
ten bei entsprechender Unterwasser­
beleuchtung den Blick nach unten frei.
„Die Scheiben bestehen aus mehreren
Lagen GLY MarineCobond-Glas“, erklärt
Andreas Schipper. Die insgesamt zwölf
Zentimeter dicken Verbundgläser sind
für eine Wassertiefe von 90 Metern aus­
Auch Feadship beschäftigt sich seit Jah­
ren intensiv mit der Einbindung großer
Glaspaneele in die Rumpf- und Aufbau­
tenstruktur. Schon 2006 stellte die nie­
derländische Werft mit „X-Stream“ ein
Zukunftskonzept vor, bei dem die Auf­
bauten nahezu vollständig aus Glas be­
standen und der Bug mit einer verglasten
Observation-Lounge – ganz ähnlich der
auf „Venus“ realisierten – bestückt war.
Schwieriges Handling: GL Yachtverglasung lieferte für Yacht „A“ die mit 15 Metern längste
gebogene Scheibe der Welt (l.). Vier-Tonnen-Scheiben (r.) werden routiniert bewegt.
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Materialprüfung: Glaslieferanten müssen nachweisen, wie fest, dicht oder brandfest ihre Scheiben sind. Der Biegebruchtest (r.) sagt
etwas über die Festigkeit aus. Brandschutzverglasung (l.) muss Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius standhalten.
Das Feedback auf dieses Konzept war
damals so groß, dass ein intensives
Forschungsprogramm gestartet wurde.
Dabei beschäftigten sich die FeadhipIngenieure mit der Integration sehr
großer Glasscheiben in die Rumpf- und
Aufbautenstruktur, und sie untersuchten
zudem, wie groß der Einfluss von Glas auf
den im Interior empfunden Komfort ist.
Um ein helles und von natürlichem Licht
geflutetes Interior kümmert sich auch
Yachtdesigner Espen Øino: „Es geht
nicht nur darum, wie eine Yacht von au­
ßen aussieht; vielmehr geht es doch
darum, wie gut man von innen heraus
sieht. Wir als Designer kreieren einen
neuen Lebensraum für die Eigner. Aus
diesem Grund starte ich beim Design­
prozess auch mit der Raumaufteilung
und dem Interior-Konzept. Erst ganz zum
Schluss kommt die Gestaltung des Ex­
teriors. Glas zählt heute zu den wich­
tigsten Materialien beim Bau einer
Yacht.“ Die Lebensqualität auf einer
Yacht hängt nach Meinung des renom­
mierten Konstrukteurs maßgeblich mit
der Menge an natürlichem Licht zusam­
men, die das Interior erhellt. „Persönlich
liebe ich es, Fenster so zu planen, dass
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man bequem auf dem Sofa sitzend hinaus
auf das Meer schauen kann, ohne dass
Fensterrahmen störend das Sichtfeld
behindern“, so Espen Øino. Passend zu
diesem Konzept werden häufig mög­
lichst niedrige oder aus Glas gefertigte
Schanzkleider angefragt.
„Eigner wollen heute viel Glas auf ihrer
Yacht, sie wollen die traumhafte Land­
schaft sehen, durch die sie fahren, Son­
ne auf der Haut spüren und doch, wenn
es darauf ankommt, vor den Elementen
geschützt sein“, weiß Yachtdesig­ner
Philippe Briand, auf dessen beeindru­
ckend langer Referenzliste Yachten wie
die 67-Meter-Ketsch „Vertigo“ oder das
73 Meter lange Explorer-Format „Grace
E“ stehen. Yachten pendeln heute nicht
mehr ausschließlich zwischen dem Mit­
telmeer und der Karibik, sondern sie
erkunden zunehmend die hohen Breiten
mit extremen Wetterlagen und Tempe­
Intensive Entwicklungsarbeit: Glaslieferanten wie GL Yachtverglasung oder Tilse
arbeiten an manchen Einzelanfertigungen für Großyachten bis zu ein Jahr lang.
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Qualitätskontrolle bei Tilse: Ein
Glas-Fachmann untersucht vor der
Auslieferung an die Werft jede
einzelne Verbundglasscheibe auf
Einschlüsse, Kratzer und Fehler.
raturen. „Als Designer habe ich die
schwierige Aufgabe, innovativ zu denken
und auch für solche Reiseziele die besten
und sichersten Lösungen zu finden“, so
Briand. „Ich möchte mehr Transparenz
auf Yachten einführen. Und doch, eine
Yacht ist kein Loft. Eine Yacht bleibt im­
mer ein Schiff und muss in erster Linie
sicher sein.“
Gießharz als Interlayer-Material
Geht es um die Sicherheit von Yachtglas,
kennt sich kaum jemand besser aus als
Hans-Joachim Tilse und Henning von der
Thüsen, die gemeinsam die Geschäfte
von Tilse Industrie und Schiffstechnik
GmbH leiten und mit ihrem Produkt
„Formglas Spezial“ seit Jahren erfolg­
reich viele Werften beliefern. Die Firma
mit Hauptsitz in Hamburg und Fertigung
in Brandenburg setzt bei der Herstellung
komplexer Verbundgläser und im Gegen­
satz zu den Mitbewerbern bevorzugt auf
Gießharze. Das flüssige Harz wird bei der
Herstellung zischen die Scheiben gefüllt
und mittels UV-Licht ausgehärtet. „Un­
ser Gießharz geht mit dem Glas eine
physikalische Verbindung ein, wodurch
unser Scheibenverbund eine wesentlich
höhere Festigkeit besitzt, als das mit Kle­
befolien möglich wäre“, erklärt Henning
64 von der Thüsen. „Wir arbeiten derzeit mit
an einer neuen ISO-Norm für Verbundglä­
ser, die die physikalischen Eigenschaften
des Interlayer-Materials bei der Berech­
nung der Scheibenstärken berücksich­
tigt.“ So können die Tilse-Scheiben in
Zukunft deutlich dünner werden, was
sich natürlich und sehr zur Freude der
Schiffbauingenieure auf das Gewicht der
Scheiben und die Gesamtverdrängung
und Stabilität der Yacht auswirkt. „Form­
glas Spezial“ ist ein Verbundsicherheits­
glas aus zwei oder mehreren chemisch
gehärteten Scheiben, die plan, gebogen
oder sphärisch gebogen geliefert werden
können. „Neben der höheren Festigkeit
ist das von uns verwendete Harz noch
alterungsbeständig, vergilbungsfrei,
UV-absorbierend, zu hundert Prozent
feuchtebeständig und von minus 40 bis
plus 120 Grad Celsius temperaturbestän­
dig – also perfekt für die mitunter extre­
men maritimen Bedingungen geeignet“,
fasst von der Thüsen zusammen.
Die strukturellen Belastungen, mit
denen sich die Glaslieferanten beschäf­
tigen müssen, interessieren die Eigner
indes wenig. Vielmehr geht es ihnen um
ihre eigene Sicherheit, und so steigt die
Nachfrage nach schussfestem Glas ste­
tig. „Manche Eigner haben ein sehr
großes Sicherheitsbedürfnis und wollen
auf allen Decks schusssicheres Glas. Das
ist aufgrund des deutlich höheren Ge­
wichts der sicheren Scheiben allerdings
nicht realisierbar“, erzählt Hans-Joachim
Tilse. Bei beschusshemmenden Gläsern
geht es darum, die Energie aus der Kugel
aufzufangen. Bei dem schusssicheren
Produkt „Formglas Spezial BB“ von Til­
se nehmen mehrere mit unterschiedlich
festen Gießharzen verbundene Glas­
schichten diese Energie auf. „Wir arbei­
ten mit mehreren Beschussämtern zu­
sammen, mit denen wir nach konkreten
Normen und mit unterschiedlichen Waf­
fen die Scheiben beschießen“, so Tilse.
Die Menge an Glas an Bord nimmt von
Jahr zu Jahr zu. So projektiert GLY derzeit
mehrere Yachten mit Glasflächen von
800 bis weit über 1500 Quadratmeter.
Auch Tilse bestätigt diesen Trend. Eines
seiner jüngsten Projekte ist das 101 Me­
ter lange Feadship-Van-Lent-Flaggschiff
„Symphony“, für das insgesamt 376
Exterior-Scheiben mit einer Gesamtflä­
che von 618 Quadratmetern geliefert
wurden. Gewicht: 30 Tonnen. Dazu kam
der Auftrag für 70 Interior-Scheiben, die
knapp 1,5 Tonnen wiegen und zusam­
men eine Fläche von 61 Quadratmetern
besitzen.
Solch große Scheibenfronten stellen
Yachtdesigner und Werften vor große
Herausforderungen. „Eigner und ihre
Gäste legen größten Wert auf ihre Privat­
Eigner wollen Sicherheit – die Nachfrage
nach schusssicherem Glas wächst stetig
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sphäre, die wir unter allen Umständen
und meist mit allen verfügbaren Mitteln
schützen müssen“, erklärt Espen Øino.
„Mit den immer größer werdenden zu­
sammenhängenden Fensterfronten wird
es zunehmend schwerer, die Privatsphä­
re zu gewährleisten. Bis zu einer gewis­
sen Größe blocken Jalousien zuverlässig
die Sicht, darüber hinaus helfen nur noch
elektrisch schaltbare Scheiben.“ So ar­
beitet der monegassische Designer der­
zeit intensiv mit dem französischen
Unternehmen Vision Systems aus Lyon
zusammen, das mit seinem Produkt
„Nuance“ eine elektrisch dimmbare Lö­
sung anbietet, wie sie bereits in den
modernsten Boeing-Dreamliner-Flugzeu­
gen zum Einsatz kommt. Dabei handelt
es sich um ein Verbundglas, in das eine
Flüssigkristallfolie hineinlaminiert ist, die
durch Anlegen einer elektrischen Span­
nung ihre Transparenz stufenlos verän­
dern kann. Verschiedene Filme mit un­
terschiedlichen maximalen „Nuance“Lichtdurchlässigkeiten (leicht, dunkel,
extradunkel) sind lieferbar. Die Funktions­
weise der „XLite“ genannten Folie ist
simpel: Wird die schaltbare Scheibe mit
Strom versorgt, werden die Flüssigkris­
talle in der Folie parallel ausgerichtet, und
die Scheibe wird durchsichtig. Wird der
Strom über das bordeigene Manage­
mentsystem oder eine App auf einem
Tablet-Computer abgeschaltet, fallen die
Moleküle in ihren ungerichteten Zustand
„Nuance“: Vision Systems entwickelte eine elektrisch dimmbare Lösung, die
schon in Flugzeugen zum Einsatz kommt und jetzt den Yachtmarkt erobern soll.
zurück, und die Scheibe wird undurch­
sichtig. Je nach gewählter Lichtdurch­
lässigkeit fällt unterschiedlich viel Licht
durch das Verbundglas. Auch Tilse bietet
mit „Solardim“ seit Jahren ein elektrisch
schaltbares Glas an, das plan oder ge­
bogen hergestellt werden kann und es
dem Anwender erlaubt, sich per Knopf­
druck seine Privatsphäre zu schaffen.
„Die stufenlose Regulierung der Trans­
parenz geht weit über die Funktion von
Gardinen oder Jalousien hinaus“, sagt
Henning von der Thüsen.
Mit Silver Arrows Marine wagt sich Vi­
sion Systems dieses Jahr erstmals in die
Yachtindustrie vor. Die Franzosen liefern
„Arrow 460 Granturismo“: Vision Systems liefert für den 14-Meter-Daycruiser von Silver Arrows Marine Seitenscheiben, die sich
per Knopfdruck elektrisch versenken lassen. Das große Dachfenster wird elektrisch gedimmt und bei Bedarf hochgeklappt.
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FOTos: Scott Pearson
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Arcadia 85: Die Yachtmodelle der italienischen Werft Arcadia Yachts sind dank ihrer kantigen Glasaufbauten unverwechselbar. Die
markanten, an Gewächshäuser erinnernden Aufbauten sorgen für viel natürliches Licht und spektakuläre Ausblicke vom Sofa aus.
für den 14 Meter langen Daycruiser „Ar­
row 460 Granturismo“ ein innovatives
Produktpaket, das eher an einen rassigen
Sportwagen auf dem Land erinnert als
an einen sportlichen Gleiter im Wasser.
Die Seitenscheiben des maritimen Silber­
pfeils lassen sich elektrisch versenken,
das großformatige Dachfenster wird
elektrisch gedimmt und bei Bedarf hoch­
geklappt, sodass es als Bimini fungiert.
„Mit dieser Kombination an innovativen
Fenster- und Glasneuheiten revolutio­
niert Silver Arrows Marine die Yachtin­
dustrie und ermöglicht dem Yachteigner
völlig neuartige Erfahrungen“, schwärmt
Vision-Systems-Geschäftsführer Carl
Putman.
Einen ebenso innovativen Weg geht
die italienische Werft Arcadia Yachts seit
Jahren. Das Unternehmen mit Standort
in Torre Annunziata nahe Neapel be­
stückt ihr mittlerweile aus vier Modellen
bestehendes Portfolio (Arcadia Sherpa,
85, 100, 115) mit ungewohnt kantigen
und markant gestylten Glasaufbauten
nach einem Design von Werftkonstruk­
teur Francesco Guida. Der Vorteil der an
Treibhäuser erinnernden Glasaufbauten
liegt auf der Hand: Das Haupt- und Ober­
deck ist geflutet von natürlichem Licht,
die Ausblicke von den Sofalandschaften
sind unvergleichlich, nicht nur für diese
Yachtgröße. Die Aufbauten bestehen
zum größten Teil aus mehreren Schich­
ten laminiertem Verbundglas, in das
Dach integrierten die Arcadia-Ingenieure
Fotovoltaiksysteme von Schüco. „Die
jüngste Generation Solarpaneele, die wir
in die Dächer unserer Yachten integrie­
ren, liefern 6 kWh und damit bereits 25
Prozent mehr als die Paneele, die noch
vor wenigen Jahren auf dem Markt er­
hältlich waren“, erklärt Francesco Guida.
„Bei Fotovoltaiksystemen wird auch in
den nächsten Jahren noch viel passieren.
Derzeit speisen wir mit dem Strom aus
dem Dach die kleineren Alltagsverbrau­
cher wie TV, Kühlschränke und Ventila­
toren.“
Fenster werden zum TV-Screen
Die Verglasung der Aufbauten bietet
noch weiteres Technologie-Potenzial.
„Bald werden Fenster zum TV-Screen“,
weiß Designer Espen Øino. Was sich
anhört wie eine Erfindung aus dem
Science-Fiction-Blockbuster „Minority
Report“, ist bald tatsächlich Realität. Der
koreanische Technik-Riese Samsung prä­
sentierte mit seinem „Smart Window“
einen transparenten LCD-Bildschirm mit
46-Zoll-Bilddiagonale, der schon bald in
Serienproduktion gehen soll. Inwieweit
es Sinn macht, sich den schönen Blick
auf das Meer und die Landschaft zu ver­
bauen, muss dann jeder Eigner für sich
selbst entscheiden.
Die Meinung von Werften, Designern
und Lieferanten zum Thema Glas ist
einhellig: Glas ist das Material der Zu­
kunft und wird eine zunehmend wichtige
Rolle beim Interior- und Exterior-Design
von Yachten spielen. Der faszinierende
Werkstoff, der Räume gleichermaßen
trennt und verbindet, bietet eine schier
unendliche Gestaltungsfreiheit und lie­
fert Eignern die visuellen Freiheiten, die
sie sich wünschen. Mit oder ohne integ­
rierten LCD-Bildschirm.
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