Thelema Society - Treffen in Bergen/Dumme 2005

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Thelema Society - Treffen in Bergen/Dumme 2005
Relinfo: Thelema Society: Tag der Offenen Tür
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Thelema Society
Michael D. Eschner
Uebersicht
Die Thelema Society - im Zeichen der "Offenen Tür" (folgt unten)
unten stehender Text in reinem Textformat für Ausdruck
Thelema-Society. Kurzinformation
zur Uebersicht Thelema Society / Michael D. Eschner
Die Thelema-Society - im Zeichen der „Offenen Tür“
Bericht von Gabriele Lademann-Priemer
Die Thelema Society (TS) (1) hat ihren Hauptsitz in Bergen an der Dumme, einem kleinen Dorf in
Niedersachsen am Rande der Altmark, an der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Das Dorf selbst hat
1000 Einwohner, mit den angrenzenden Teilen sind es insgesamt 1600. (2)
Das Haus der TS liegt in der Hauptstrasse, „Breite Strasse“. Von außen wirkt es ziemlich
heruntergekommen, innen ist es gut renoviert, ein Haus, das vermutlich aus dem späten 18. oder
frühen 19.Jh. stammt.
Außer Eschner und seiner Lebensgefährtin leben noch zwei Paare auf dem Gelände der
Gemeinschaft. Insgesamt rechnet die Gemeinschaft mit 150 Mitgliedern, von denen nach eigenen
Angaben 27 (3) verteilt in Bergen/Dumme wohnen.
Gegenüber des Hauses der TS ist der Eingang zu einer Gruppe, die sich „Nordmänner“ nennt,
deren gegenseitige Beziehungen jedoch undurchschaubar sind. Ferner gibt es in dem Ort
Therapieeinrichtungen, in denen angeblich Thelemiten mitarbeiten und deren Häuser von Eschner
angemietet seien.
Vorgeschichte zum „Tag der Offenen Tür“
Nach Angaben der zuständigen Pastoren gibt es im Ort eine Menge Unmut, aber auch Unsicherheit
und Angst über die Anwesenheit dieser Gruppierung und deren Einfluss und Umfang, die man
jedoch kaum einschätzen könne. Man höre des Nachts Schreie, man wisse nicht, was hinter deren
Mauern vorgehe u.a.m. Die Thelemiten selber sagen, dass es manchmal Schreie gebe, weil sich ein
Pärchen streite, aber man versuche darauf zu achten, dass sich alle ruhig verhalten, denn man
wisse, dass alles gleich der ganzen Gruppe zur Last gelegt werde. (4)
Die Thelemiten betonen ferner, es gäbe umso mehr Vorbehalte und Vorurteile gegen die TS, je
weiter man entfernt sei. Im Ort wären die Kontakte eigentlich gut. Man halte gute Nachbarschaft.
(5)
Im Bestreben, die Dorfbewohner und die Kirchengemeinde zu stärken, begann der
Kirchenkreisbeauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen während des Sommerfestes der
Thelemiten im Jahr 2004 Abendandachten zu organisieren. Jeden Abend fanden um 19.00 Uhr
Andachten unter der Überschrift „Herr stärke uns den Glauben“ statt, an denen bis zu 40
Menschen teilnahmen. Im Vorraum der Kirche standen Informationstafeln über die TS und das
Programm des Sommerfestes. An einem Abend schickten die Thelemiten einen kleinen Trupp
Beobachter in die Kirche. Sie spotteten im Internet über die Andacht: „Die TS, eine Förderung für
den christlichen Zusammenhalt in den Gemeinden“. (kursiv im Original) „Liebe Freunde! Trotz
heftigsten Kampfbetens von 4-6 (sic) aktiven evangelischen Gemeindemitgliedern in Bergen
konnte das Abschlussfest erfolgreich durchgeführt werden. Ich habe mich königlich amüsiert.
Wer das nicht gesehen hat, hat echt was verpasst….“ (6) Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des
Sommerfestes schienen nach den Autokennzeichen zu urteilen aus ganz Deutschland zu kommen.
Aus der Initiative der Andachten entstand die Idee, einen groß angelegten Informationsabend mit
Experten, Expertinnen und Vertretern der Presse zu machen. Am 9.Februar 2005 fand die
Veranstaltung statt. Diejenigen, die an der Vorbereitung und Durchführung beteiligt waren, hatten
geschätzt, dass 50 bis 100 Menschen kommen würden. Es strömten 400 bis 500 herein,
Menschen aus dem Ort, aber auch aus dem ganzen Umland, aber auch eine Gruppe Thelemiten,
die sich diszipliniert verhielten.
An dem Abend ging es sowohl um die Ideologie, die sich in den Schriften von Aleister Crowley
ausdrückt, als auch um die Frage nach Gewalttaten und sexuellem Missbrauch. Eine betroffene
Frau berichtete über das, was ihr zugestoßen war, die Leiterin des örtlichen Frauenhauses
unterfütterte den Bericht. (7)
Diese Veranstaltung, die sämtliche Erwartungen übertroffen hatte, führte bei den Thelemiten dazu,
dass sie während des Sommerfestes 2005 einen Nachmittag der „Offenen Tür“ für Samstag, den
20.August von 15.00 bis 18.00 Uhr in ihrem Zentrum in Bergen/Dumme ankündigten. Dieser
Nachmittag mit Kaffee und Kuchen, Saft und Wasser, Führung über das Gelände und Programm
sollte eine „vertrauensbildende Maßnahme“ sein.
Beim Sommerfest 05 waren nach Angaben der Thelemiten ungefähr 40-50 Leute, davon 27
Thelemiten aus Bergen/Dumme zugegen. Die „nicht-thelemischen“ Teilnehmer und
Teilnehmerinnen waren Gäste, die der TS nahe stehen, sei es, dass sie sich in einem lockeren
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Rahmen an Veranstaltungen beteiligen, sei es, dass sie zu befreundeten oder über das Internet
verlinkten Gruppen gehören, sich für Magie, Esoterik, Schamanismus interessieren oder es selber
ausüben. Eschner betonte, dass jeder, der wolle, einen workshop auf dem Sommerfest anbieten
könne, das Sommerfest stände prinzipiell allen offen. Workshop-Angebote sind esoterischen
Inhalts, aber auch Kommunikationstrainings. (8) Am „Tag der Offenen Tür“ lag Reklame herum für
„Event Horizon – Spiritual Evolution“ oder auch „Gateway to Recreation“, workshops für
Kinesiologie, Entspannung, Kraftplatzwandern u.a.m. (9)
Im Jahr zuvor wirkte das Gelände indes eher hermetisch abgeschlossen, im Jahr 2005 stand das
Tor hingegen offen. Man unterstrich, dass die Leute im Dorf klagen, die Rollos seien immer
herunter gelassen, das müsse aber wegen des Lichteinfalls auf den Bildschirmen der PCs sein.
Auch während dieses Sommerfestes fanden Andachten in der Kirche statt.
Der Tag der Offenen Tür
Vor diesem Tag der Offenen Tür waren die Leute der TS nervös, denn angeblich hatten
„Autonome“ angekündigt „Krawall“ machen zu wollen, außerdem wussten sie nicht, wer und wie
viele Menschen überhaupt kommen würden.
Eschner sagte, er habe „Aussteiger“ eingeladen zur Unterstützung beim Tag der Offenen Tür. Die
„Aussteiger“ waren Männer, die trotz einigem Abstand zur TS den Kontakt weiterhin pflegten.
Einen warnenden Artikel, man würde beim Sommerfest „eingewickelt“, aus der lokalen
Elbe-Jeetzel-Zeitung hatten die Thelemiten selber ausgestellt.
Am Ende waren sie mit dem Verlauf zufrieden und kündigten an, im nächsten Jahr solchen Tag zu
wiederholen.
Alle waren höflich, offenbar galt die Verabredung, man habe höflich und gastlich zu sein. Wir
wurden sofort angesprochen, uns wurden eine Begleitung durch die Räume sowie Kaffee und
Kuchen angeboten, der Nachmittag hatte etwas von der Atmosphäre eines durchschnittlichen
Gemeindefestes.
Als Gäste waren insgesamt acht Leute gekommen: außer meinem Mann und mir ein Journalist von
der Elbe-Jeetzel-Zeitung sowie einige Eltern von Mitgliedern und eine Frau aus Lüchow.
Führung durch Haus und Garten
Im unteren Stockwerk des Hauses sind Versammlungsräume, Büroräume, ein Altar für die
ägyptischen Götter Nuit, Hadit und Ra-Hoor-Khuit, ihnen sind Farben und Halbedelsteine
zugeordnet, Räucherwerk wird abgebrannt, davor liegt das Liber Al (oder Liber L, wie Eschner es
nennt (10)) aufgeschlagen. Das Götterbild stammt von der „Stele 661“ (11), auf die sie sich
beziehen. Die drei Götter stellen sich als Mann, Frau, Kind dar, eine Götterdreiheit, das wurde
ausdrücklich hervorgehoben.
Im selben Raum sind Bilder von Nietzsche, Schopenhauer (irgendwo stand „Schoppenhauer!“),
Aristoteles und einem Philosophen, Günther ? (ich hatte den Namen nie gehört), der besonders
wichtig sei. Im übrigen beziehen sich die Thelemiten auf Hegel und Luhmann, aber auch auf Kant.
Ferner gibt es einen Raum mit Laptops, sowie einen Meditationsraum und Küche. Unten durfte
fotografiert werden.
Im 1.Stock sind die Privaträume und das Büro von Eschner sowie die Bibliothek und ein
Gästezimmer.
Im Dachgeschoss sind die „Tempel“, obgleich man nicht an Götter glaube, die Götter seien keine
persönlichen Götter, sondern Kräfte, Kräfte des Lebens. Es wurde betont, das Zeitalter des Horus
sei zu Ende.
Die Tempel dürfen nicht mit Schuhen betreten werden, und drinnen darf nicht gesprochen werden.
Hier wurden wir von einer „Priesterin“ begleitet. Im Tempel ist es dunkel mit Ausnahme zweier
Kerzen auf dem Altar, auf dem in der Mitte das Bild der Götterdreiheit steht. Ferner sind Gaben
darauf, die Mitglieder dargebracht haben. Links steht eine Figur der Isis in der Ecke des Raumes,
rechts eine der „Skorpion-Göttin“. In dem Raum haben maximal 5 Personen Platz. Es gebe aber
noch andere Tempel im Hause. Es sei dunkel, denn Helligkeit würde bei der Meditation ablenken.
Es sei das erste Mal, dass ein Meditationsraum überhaupt von Außenstehenden betreten werden
durfte. Es wurden jedoch nicht alle „Tempel“ gezeigt.
Im Vorraum sind ein Schrank mit Flaschen, die aussehen wie alte Flaschen aus Drogerien und
Apotheken, und ein weiterer Schrank, auf dem sich ein siebenarmiger Leuchter und ein Schädel
befinden. Daneben ist ein Tischchen, wir können uns nicht daran erinnern, was darauf steht.
Neben dem Schrank ist eine Tür zum „Tempel“, rechts neben der Tür eine Darstellung von
„Baphomet“, der schlechte Energien abwehren soll, darunter eine Porzellanschüssel für rituelle
Waschungen. Hände und Nacken werden gewaschen, bevor man den Tempel betritt.
Jedes Mitglied würde sich ein Mantra wählen, das zu ihm passt, das Mantra werde vor den andern
geheim gehalten. Es gebe keine „Einweihung“, sondern eher eine Art „Einführung“.
Bei den Erklärungen wurde die Priesterin vom Juniorchef ergänzt.
Außer der Priesterin war stets eine Frau anwesend, die Malkurse gibt und zu den „Koordinatoren“
gehört. Sie lebe im Ort und habe eine besonders gute Beziehung zur Nachbarschaft. Ihre Kinder
gehen in die Schule im Dorf. Zur Gemeinschaft gehören keine Kinder, sie kommen nur, wenn sie
wollen und machen gelegentlich beim Malen mit. Die Mutter der Frau war gerade aus Graz zu
Besuch und wurde uns vorgestellt.
Vor dem Haus auf der Gartenseite standen Schautafeln zur Geschichte der TS, ferner ein Motorrad
mit Bundeswehranstrich und einer „germanischen“ Anrufung an Odin, Baldr und Freya (?) auf
Englisch, ferner ein großes Auto mit örtlichem Kennzeichen und ein Kunstwerk.
Im Garten befinden sich mehrere Gebäude, im ersten finden die Mal- und Zeichenkurse statt,
außerdem ist eine Wohnung darin. Im andern Haus ist ein Meditationsraum, vor dem sich eine
Buddhastatue und ein aufgeschlagenes Buch befinden, außerdem war dort die Küche für das
Sommerfest.
Die dort versammelten Leute wirkten sehr verschieden, nett aussehende junge Frauen – die
Frauen alle sehr gepflegt, viele attraktiv, Männer sehr unterschiedlichen Aussehens, manche in
einem ökologischen outfit, andere eher bürgerlich, aber auch ein Typ mit Springerstiefeln. Die Leute
waren teilweise stark mit religiösen oder schamanistischen Zeichen dekoriert, teils mit
Ankh-Kreuzen, teils gar nicht.
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Auf den Schautafeln zur Geschichte der Thelemiten war unter anderm zu lesen:
„1904 Channeling des Liber L
1931 A:A Thelema in Berlin
1975 öffentliche Ausbildungsgruppen
1982 Abtei Thelema unter Leitung von Michael Dietmar Eschner gegründet mit 23 Leuten
1983 Angriff seitens der Sektenberatungsstellen
1987 Prozessbeginn
1989/90 Umzug ins Wendland
22.8.1993 Gründung der „Ethosgemeinschaft Thelema“, Einführung des Gradsystems, Trennung
der spirituellen und der weltlichen Organisation
2000 New Aeon geht ins Netz
2001 Abschaffung des Gradsystems, stattdessen Einführung einer Vorbereitungszeit und die
Mitarbeit in „Kerngruppen“.
2003 Stärkere Öffnung durch die Einführung des 2. und 3. Kreises (12)
2005 Gründung der Außenstelle in Berlin, Beginn des Aufbaus einer Gruppe in Köln“
Die andere Tafel bezog sich auf die Philosophen, die wichtig sind, z.B. Aristoteles, Schopenhauer,
Nietzsche.
Diskussionsrunde
Von 16.30 bis 18.30 Uhr gab es eine Diskussion mit den Gästen. Es war nicht ersichtlich, ob diese
Diskussion geplant oder ob sie wegen unserer Anwesenheit spontan anberaumt war.
Getränke und Kuchen waren vorbereitet.
An der Diskussionsrunde beteiligten sich Eschner, der Juniorchef, Leute aus dem Kreis der
Koordinatoren, eine Besucherin, die Kontakt hält zu Thelema und sich mit Magie befasst, 3 junge
Männer, die sich als „Aussteiger“ vorstellten, der Journalist und wir sowie eine ältere Frau aus
Lüchow, die sich sehr interessiert an der Gruppe zeigte. Zum Moderator wurde ein „Aussteiger“
bestimmt. Die „Aussteiger“ hielten alle weiterhin Kontakt zum Netzwerk, einer erzählte, seine Frau
habe es kennen lernen wollen, daher sei er da, ein anderer meinte, er könne mit niemandem in
seiner Umgebung über Philosophie diskutieren und habe deshalb noch Interesse, nur habe er keine
Zeit mehr zur regelmäßigen Teilnahme.
Zunächst gab es Informationen zu der Gruppe:
Die Gruppe werde durch 8 Koordinatoren (2 saßen am Tisch) geleitet, die jeweils für 1 Jahr
gewählt werden. Eschner gehöre dazu, habe aber auch nur eine Stimme.
Die Gemeinschaft sei in drei Kreisen organisiert, es klang so, als seien die beiden äußeren Kreise
eine Art von Freundeskreisen, der weitere ein innerer Kreis.
Die TS erklärt, der erste Kreis sei die „Kerngemeinschaft“ und bilde das Zentrum, der zweite Kreis
sei für Interessierte, die ihr Leben „thelemisch“ gestalten wollen, der dritte Kreis sei für solche, die
locker Kontakt halten und die Arbeit fördern wollen. Entsprechend sind die Beiträge gestaffelt. (13)
Für alle Vollmitglieder sei die Teilnahme an den Freitagabenden sowie alle 14 Tage an einem
Wochenende verpflichtend. Man müsse an Kerngruppen teilnehmen, z.B. an Kunstgruppen,
Philosophiegruppen oder auch an PC-Kursen.
Für die Symposien habe sich Eschner die „Symposien von Plato“ zum Vorbild genommen. Beim
„Symposium“ gebe es, so Eschner, jeweils einen Vortrag zu einem Thema mit Diskussion. Früher
habe man viel Wein oder Wodka getrunken, das habe sich geändert, manchmal werde gar nichts
getrunken. Wer keinen Alkohol trinke, trinke eben nicht. Das bestätigte ein ehemaliges Mitglied.
Man habe manchmal laut Eschner sogar einem Alkoholiker helfen können, weil er nur noch einmal
wöchentlich habe trinken dürfen. Ferner diene Alkohol der Lockerung, aber es sei auch eine
Herausforderung, trotz des Alkoholgenusses mit klarem Kopf zu diskutieren und man selber zu
bleiben.
Der Journalist beharrte auf der Frage nach den Vorwürfen sexuellen Missbrauchs.
Die Verurteilung von Eschner am 3.7.1992 vor dem Landgericht Lüneburg (14) wird nicht
abgestritten. Eschner selber sagte dazu nichts, der Juniorchef erklärte, dass eine Frau, die
öffentlich sexuelle Praktiken anprangert, lüge: „Wir kennen sie ja!“, und ein anderes Mitglied
meinte, es gäbe schließlich auch Justizirrtümer. Im übrigen habe die Betroffene am Ende Streit mit
ihrem Partner gehabt. Auffallend war für mich, dass ich bereits vom Juniorchef vorher auf den Fall
angesprochen wurde, ehe irgendein Außenstehender darauf kam.
Der Juniorchef betonte, Sexualität sei kein Thema, sondern Privatsache in der Gemeinschaft.
Stets wurde die Gewaltlosigkeit als leitendes Prinzip unterstrichen.
Thelema heiße „Wille“, aber es sei wichtig, dass „mein Willen am Willen des andern endet“, man
dürfe unter keinen Umständen jemand den eigenen Willen aufzwingen. „Jeder Mann und jede Frau
ist ein Stern“ heiße, dass jeder sein Leben gestalten und niemand zu etwas gezwungen werden
dürfe, auch nicht mental oder durch „Schmollen“. Gewalt bestehe nicht nur in Handgreiflichkeiten,
sondern sei auch verbal oder eben Schmollen. Ein „Aussteiger“ betonte, er habe die Biographie von
Crowley von Symonds (15) gelesen und fände Crowley eigentlich auch „zum Kotzen“. Crowley
könne er nicht gut heißen, die TS dagegen sei gewaltlos. Als Eschner weg war, um sich auf seinen
Vortrag „über Kunst“ vorzubereiten, unterstrich der Juniorchef, wenn Eschner etwas anderes
verkünden würde als „Gewaltlosigkeit“, „wären wir alle längst weg“. Die Passagen, die im Liber AL
gewalttätig klingen, werden als „metaphorisch“ deklariert.
Man müsse einen Eid schwören, in der Gemeinschaft keine Gewalt anzuwenden, auch keine
schwarze Magie, wozu auch „Liebeszauber“ gehöre. Liebeszauber galt und gilt auch in
traditionellen Kulturen als Schwarzmagie, weil ein Mensch unter den Willen eines andern
gezwungen werden soll. Weiße Magie sei dagegen zum Helfen gut, eine Frau betonte, sie sei ReikiMeisterin und „heile“. Magie beginne beim Positiven Denken, in diesem Sinne sei Murphy Magier
gewesen. Wer sich mental oder magisch verfolgt fühle, müsse lernen, die Gruppe innerlich
loszulassen, es wäre kein Problem von Gruppen, sondern von einzelnen ehemaligen Mitgliedern.
Eschner bezeichnet es als Ziel der Magie, den „Wahren Willen“ (sic) zu entdecken, dazu
„ergänzen“ sich zwei Wege: nämlich die Technik, also die Anwendung materieller und psychischer
Mittel, und die Magie, die Anwendung geistiger Mittel, Ritual, Sprache, Imagination. Auch die
Kommunikation gehört für ihn hierher. „Magie ist die Wissenschaft und Kunst Veränderungen
in Übereinstimmung mit dem bewussten Willen zu verursachen.“ (fett im Original).Dabei
werden auch Anweisungen für sexualmagische Praktiken gegeben. (16) Letzteres wurde jedoch an
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diesem Nachmittag nicht erwähnt.
Man wendet sich strikt gegen LaVey und seine „Satanische Bibel“, er sei ein Clown und nicht
ernstzunehmen, er sei dem Christentum in der Umkehr verhaftet, ja, er habe eigentlich so etwas
wie eine christliche Sekte. Mit der Ethik von LaVey, dass Liebe nur denen gelte solle, die „sie
verdienen“, also nicht den Schwachen und Behinderten, habe man Schwierigkeiten. Als das
Gespräch auf das Christentum kam, meinte jemand, die Kreuzigung sei so etwas, wie „sich selber
kreuzigen“, um sich zu verändern. Ein anderer betonte, wie gut ihm Ratzinger gefiele, weil er klar
gesagt habe, was er denke.
Der Juniorchef unterstrich allerdings den Unterschied zum Christentum und wollte keine
harmonisierenden Vermischungen.
Für Überraschung sorgte bei den Thelemiten die Mitteilung, dass „die Kirche“ die TS keineswegs als
Konkurrenz ansehe.
Das Ziel für die einzelnen sei ein selbst bestimmtes und selbst verantwortetes Leben. Einer der
sogenannten Aussteiger meinte, in der Gesellschaft könne man sich nur schwer ändern oder neue
Verhaltensweisen erproben, das werde nicht geschätzt, die TS sei so etwas wie ein
Experimentierfeld für neues Verhalten, hier gelte es als „cool“, wenn man sich ändere.
Man lerne Methoden und Techniken, wie man locker wird, man soll Veränderungen zulassen und
bewerten. Man soll sich selber reflektieren.
Bei der TS werde man ein „selbst gestaltender“ Mensch, einer, der Denken lernt mit „Kopf, Herz,
Hand“ „Kopf“, d.h. Intellekt, „Herz“ dazu gehören Yoga, Meditation, Leiberfahrung, „Hand“ meint
Gestalten z.B. Malen oder Zeichnen, was neue Perspektiven eröffne.
Die Philosophie solle ins Leben integriert werden und nicht nur intellektuell bleiben. Das unterscheide
einen vom Philosophiestudenten.
Ferner wurde deutlich gemacht, dass die Thelemiten keine „Satanisten“ seien. (17)
Versuch einer Einschätzung
Eschner fühlte sich offenbar geschmeichelt durch die Anwesenheit „der Sektenbeauftragten“,
andererseits jedoch auch herausgefordert. Er taktiert geschickt und hat sich oft im Hintergrund
gehalten. Es ist unklar, ob zwischen ihm und dem Juniorchef Spannungen bestehen, manches
deutet darauf hin.
Auffällig ist es, wie gut die Thelemiten zuhören können. Jeder bemüht sich, nur für sich zu
sprechen. Die Meinungen und Äußerungen werden jeweils als subjektiv gekennzeichnet. Dennoch
gibt es selbstverständlich Gemeinsamkeiten. Man merkt sehr deutlich, dass ein
Kommunikationstraining dahinter steht. Umso mehr erstaunt es, wie sehr die Begriffe Gewalt und
Gewaltlosigkeit strapaziert werden. Natürlich beginnt Gewalt nicht erst bei Handgreiflichkeiten,
sondern es gibt auch verbale Gewalt. Offen bleibt jedoch, wie die Thelemiten in diesem Rahmen
mit gegensätzlichen Meinungen und besonders Interessenkonflikten umgehen. Denn wenn sich
jeder innerhalb einer Gemeinschaft zu seinem „wahren Willen“ oder auch „wahren Selbst“
entwickeln soll, bleiben Konflikte und Spannungen nicht aus. Ferner stellt sich natürlich die Frage,
wie weit „magische Praktiken“, gar „Sexualmagie“ nicht zu Lasten anderer gehen.
Es ist einfach, die Ideologie von Anton Szandor LaVey und der „Satanischen Bibel“ zu kritisieren, es
überzeugt jedoch nicht, dass die Hinweise auf Gewalttätigkeiten bei Crowley allein „metaphorisch“
zu verstehen seien. Das stößt sich auch mit der Aussage, dass Crowley, wie er in der Biographie,
die allenfalls als milde kritisch bezeichnet werden kann, geschildert wird, abzulehnen wäre. Manche
Aussagen bei Crowley und LaVey sind einander recht ähnlich.
Crowley sagt: „Gnade laßt beiseite; verdammt die Mitleidigen! Tötet und quält, schont
nicht“ (im Original fett), denn Mitleid basiere bei den Mitleidigen, wie bei denen, die es „verlangen“
auf Minderwertigkeitsgefühlen. (18) LaVey sekundiert: „Tod den Schwächlingen! Reichtum den
Starken!“ (19) Die Ethik von LaVey aber wird kritisiert.
Über das Christentum meint Crowley: „Mit meinem Falkenkopf picke ich nach den Augen von
Jesus, da er am Kreuze hängt“ (fett im Original), denn „sein falscher Standpunkt seines
Selbstopfers“ müsse zerstört werden. (20)
LaVey äußert sich so: „Ich tauche meinen Finger in das wässerige Blut eures impotenten,
wahnsinnigen Erlösers und schreibe auf seine von Dornen entstellte Stirn: Der wahre Prinz des
Bösen – der König der Sklaven!“ (21) (kursiv im Original.)
Undurchsichtig ist die Rolle des innersten Kreises als Leitungsorgan. Die Wahl der Koordinatoren
erscheint beinahe als basisdemokratisch, aber es ist undeutlich, wer sie wirklich wählt. Die
„Aussteiger“ betonten, was sie alles bei den Thelemiten für ihr Leben gelernt haben. Einer sagte, er
habe keinen richtigen Satz sprechen können, das habe er erst in der TS gelernt.
Ähnliches habe ich auch von ehemaligen Scientologen gehört, die in der Organisation einige
elementare Dinge sozialen Verhaltens und sprachlichen Ausdrucks gelernt haben. Das beinhaltet
noch kein Gütesiegel für eine Gruppe.
Einer der „Aussteiger“ berichtete, er habe zweimal den Job und einmal die Wohnung verloren, weil
Arbeitgeber oder Vermieter seine Zugehörigkeit zur TS herausbekommen hätten. Solche Vorfälle
gibt es bedauerlicherweise auch sonst, so kann man „Märtyrer“ schaffen. Allein die Zugehörigkeit,
sofern es sonst keine Auffälligkeiten gibt, ist kein Kündigungsgrund.
Die Anwerbung neuer Mitglieder oder Interessenten und Interessentinnen geschieht offenkundig
durch Kursusangebote und Seminare, seien sie auf Kommunikation ausgerichtet oder esoterischspirituell. Besonders in Leipzig werden Seminare angeboten, z.B. „Intensiv –Seminar“, „PartnerWeekend“, „Astralreisen“. (22)
Dass Aussteiger, die öffentlich, im Internet oder in der Literatur schwere Vorwürfe erheben, als
unglaubwürdig und lügnerisch hingestellt werden, geschieht auch bei andern Gruppierungen. Man
distanziert sich von ihnen und sucht das Problem in der Person des andern und nicht in der eigenen
Umgebung und im eigenen Verhalten. Dass solche Aussteiger und Aussteigerinnen in der Regel
keine „einfachen Menschen“ sind, liegt in der Natur der Sache, sagt aber nichts über deren
Glaubwürdigkeit aus.
Dass Eltern von Mitgliedern zwar den „Tag der Offenen Tür“ wahrnehmen, sich jedoch nicht an
Diskussionsrunden beteiligen, könnte daran liegen, dass sie sehen wollen, dass ihre „Kinder“ gut
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untergebracht sind und ein vernünftiges Leben führen, dass sie sich in dieser - verständlichen Meinung jedoch nicht verunsichern lassen möchten, denn das würde sie schlimmstenfalls
unglücklich und hilflos machen.
Der „Tag der Offenen Tür“ der Thelema Society im Jahre 2005 ist vorbei, und alle Fragen sind
offen. Dass es sich jedoch allein um eine esoterische Gemeinschaft mit philosophischkünstlerischem Interesse handelt, ist zweifelhaft.
Anmerkungen
1. Die TS strebt die Eintragung ins Vereinsregister an und hat einen Satzungsentwurf, vgl.
www.thelema-society.de/index.php?satzung, abgelesen am 24.8.05.
2. Lt. Angabe des Gemeindeamtes vom 29.8.05.
3. Das Wendland-Magazin behauptet, 50 Mitglieder wohnen in Bergen, www.wendlandnet.de/magazin/?ID=|1.6epyxg36, abgelesen am 25.8.05. Das Gemeindeamt gibt an, dass die
Anzahl wechselt, im Schnitt sei mit 40 Thelemiten zu rechnen.
4. Vgl. www.new-aeon.de/index.php?act=viewPoszing&postingID=225236, abgelesen am
21.9.04.
5. Auch aus dem Gemeindeamt war zu erfahren, dass die Gruppe sehr zurückgezogen lebe, sie
sich im Ort jedoch freundlich verhalten.
6. www.new-aeon.de/index.php?act=viewPosting&postingID=225236, abgelesen am 21.9.04.
7. Berichte finden sich im Internet, z.B. unter www.philtalk.de/cgi-bin/YaBB.cgi?board=diese;
action=print;board=diese;num...., abgelesen am 25.8.05; vgl. R.Fromm, Satanismus in
Deutschland – Zwischen Kult und Gewalt, München 2003, S.129ff.
8. Vgl. www.new-aeon.de/index.php?ts_live_workshops, abgelesen am 24.8.05.
9. Handzettel für Veranstaltungen vom 23.-26.9.05 (mit Giger) und vom 29.10.-1.11.05.
10. Vgl. M.D.Eschner, Liber L vel Legis, In: AHA – Magazin des Neuen Äons 1/05, S.10-15. Das
Lamed stehe für den Weg zur Wahrheit als Gesetz der Gerechtigkeit, ebd. S.13.
11. Auf der Schautafel war „Stele 661“ angegeben, in der Zeitschrift AHA wird sie „Stele 666“
genannt, in: M.D.Eschner, Der Kanon des Gesetzes, AHA 1/05, S.16-23.
12. Vgl. R.Pelzer, Strukturproblem und Deutungsmuster einer Kultbewegung – Rekonstruktion des
Falles Thelema Society, Dipl.-Arbeit im Fach Soziologie, FU Berlin 2003, maschinenschriftl. S.33.
13. Vgl. 3 Kreise der TS, www.thelema-society.de/index.php?ts_kreise, abgelesen am 24.8.05.
14. Pelzer, a.a.O., S. 42; AZ KLs/31Js20445/87 (4/89).
15. J.Symonds (W.Bauer hrsg.), Aleister Crowley – DAS TIER 666 – Leben und Magick, dt. Basel_
1989.
16. Vgl. www.thelema-society.de/index.php?act=viewtext&textID=20, abgelesen am 24.8.05.
Vgl. M.D.Eschner, Die geheimen sexualmagischen Unterweisungen des Tieres 666, Bergen/Dumme
1993.
17. Der Begriff Satanismus/Satanisten gilt teilweise sogar als Zuschreibung seitens der kirchlichen
Apologetik, so Pelzer, a.a.O. mehrfach.
18. A.Crowleys/M.D.Eschner, Liber Al Vel Legis mit Kommentaren, Bergen/Dumme 1993, S.282.
19. A.S.LaVey, Die Satanische Bibel, dt. Second Sight Books, Berlin_ 1999, S.33.
20. Crowley/Eschner, a.a.O., S.319.
21. LaVey, a.a.O., S.33.
22. www.new-aeon.de/index.php?ts_live_workshops, abgelesen am 24.8.05, vgl.
www.confessio.de/cf/Conf041-1.html, abgelesen am 29.8.05.
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