der PDF Jubiläumsbroschüre - Bodensee

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der PDF Jubiläumsbroschüre - Bodensee
Wie im Flug
100 Jahre Bodensee-Airport Friedrichshafen 1915 - 2015
INHALT
Grußwort
von Dr. Konstantin Sauer und Gerold Tumulka
2
Prolog Anflug auf Löwental
3
1915-1918 Take-off: Eine Stadt lernt fliegen 4
Theodor Kober – Der vergessene Pionier
7
1918-1933: Im Steigflug: Vom Luftschiffhafen zum Flugplatz 8
Claude Dornier – Ein genialer Konstrukteur
11
1933-1945
Absturz: Hochgerüstet in den Abgrund
14
1945-1957
Auf dem Rollfeld: Neustart auf Französisch
18
Rudolf Flintrop – Von der Flucht zum Flug
19
1958-1978
Check-in: Die zivile Luftfahrt nimmt Fahrt auf
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Said Bellout – Wehrdienst im Club Méditerranée
27
1979-1992
Steigflug: Abschied von der „Baracke“
28
Claudia Jungschmidt – Fluglotsin im Wilden Westen
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Michael Thaler – Heimspiel in der Luft
33
1992-2002
Reiseflughöhe: Ein Flughafen wird erwachsen
34
Walter Schoch – Promi-Jäger auf dem Vorfeld
39
2002-2015
Abflug: Neue Airlines, neue Ziele
40
Gaby Pachler – Keine Angst vor großen Männern
43
Ausblick von Claus-Dieter Wehr
47
GRUSS WOR T
Der Flughafen Friedrichshafen ist für die wirtschaftsstarke Bodenseeregion ein
wichtiger Faktor. Er ermöglicht Flugverbindungen zu Zielen weltweit, verbindet die
regionale Wirtschaft international mit den wichtigsten Absatzmärkten und steigert
somit auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes.
Besonders Unternehmen profitieren von sehr guten Verkehrsanbindungen, um
Geschäftskontakte auf allen Kontinenten zu pflegen und ihre Produkte vertreiben zu
können. Dafür sind gute Flugverbindungen unerlässlich. Gerade ein Regional­f lughafen
wie der Bodensee-Airport steht vor der besonderen Herausforderung, seine Rolle als
ein wichtiger Teil der Verkehrsinfrastruktur zukunftsfähig zu gestalten.
Am Flughafen Friedrichshafen hat sich dazu in den vergangenen Jahren viel
getan: Das neue Terminal sowie der Standard der Flugbetriebsanlagen in Friedrichshafen sind auf modernstem Niveau und entsprechen internationalen Standards. Für
Wirtschaftstreibende ist das neue Drehkreuz Istanbul interessant. Damit erschließt
der Flughafen auch für die Bodenseeregion neue wichtige Märkte in Asien oder im
Nahen Osten. Damit sind neue spannende Umsteigeverbindungen in die USA, nach
Vietnam, Südkorea, Indonesien oder Saudi-Arabien möglich. Unternehmen werden
darüber hinaus auch die neuen Luftfracht-Services vor Ort am Flughafen schätzen,
um ihre Güter schnell in die ganze Welt zu ver­schicken. Mit diesen Angeboten und
Möglichkeiten muss der Bodensee-Airport den Vergleich zu großen Airports nicht
scheuen.
Der Flughafen Friedrichshafen ist zweifelsohne gut aufgestellt und für die Zukunft
gerüstet. Die Zeichen stehen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends mit steigenden
Passagierzahlen. Wir wünschen dem Flughafen, der im Jahr 2015 das 100-jährige
Jubiläum als zweitältester Verkehrsflughafen Deutschlands feiert, diesen Weg weiter
erfolgreich fortsetzen zu können.
Dr. Konstantin Sauer
Vorsitzender des Aufsichtsrats
der Flughafen Friedrichshafen GmbH
2
Gerold Tumulka
Geschäftsführer der Flughafen Friedrichshafen GmbH
(bis 31. Mai 2015)
PROLOG
Anflug auf Löwental
Das Thermometer steigt schon am frühen Morgen auf 15,6
Grad Celsius. Die Himmelsbedeckung liegt bei 0 Prozent,
der Wind weht schwach aus Nordost. Die Wetterdaten, die
am 7. Juni 1915 von Sekretär Semle in der Meteorologischen
Station Friedrichshafen erhoben werden, zeigen einen sonnigen Tag. Ideal für eine Jungfernfahrt.
Der Mannschaft des Zeppelin-Luftschiffs LZ 41 muss sich ein
herrlicher Anblick bieten: Am Horizont glitzern die Alpen,
unten schimmert der See. Am Ufer: das königliche Schloss,
die Promenade, umgeben von einer idyllischen Kleinstadt.
Dahinter: Felder, viel Wald, ein paar Wege, die Bahnlinie
nach Ravensburg. Daneben: eine große Halle auf weiter
Flur. Dorthin steuert Kommandant Horst Freiherr Treusch
von Buttlar das LZ 41 an diesem 7. Juni 1915. Peilmarke ist
jene Halle, von der das Luftschiff Stunden zuvor zu seiner
Jungfernfahrt abgehoben hat – und in der es auch gebaut
wurde. Dieser Tag gilt als Geburtsdatum des heutigen
Bodensee-Airports, der kurz danach zum Luftschiffhafen
ernannt wird.
Diese Chronik verfolgt den Weg des Flughafens in Frie­
drichshafen von der kleinen Luftschiffer-Kaserne zu Beginn
des Ersten Weltkriegs zum drittgrößten Verkehrsflughafen
Baden-Württembergs. Die Reise führt durch ein ganzes
Jahrhundert – und sie verläuft zuweilen ziemlich rasant.
Denn Friedrichshafen hat nicht nur den südlichsten und,
nach Hamburg, ältesten Flughafen der Republik. Der Platz
in Löwental hält auch andere Rekorde: Hier gab es die erste
befestigte Startbahn Deutschlands. Hier wurde am größten Flugzeug seiner Zeit gebaut. Ohne die Ingenieure, die
hier in unmittelbarer Umgebung lernten und arbeiteten,
wäre jenes aus High Tech und Pioniergeist gespeiste Wirtschaftswunder undenkbar gewesen, von dem die deutsche
Luft- und Raumfahrtindustrie bis heute zehrt. Und, nicht
zuletzt: diese Lage! Das Panorama vor Alpen und Bodensee
ist der Grund, warum der Bodensee-Airport heute bei Piloten und Passagieren als der vielleicht schönste Landeplatz
Deutschlands gilt.
Seine Geschichte beginnt in einer Zeit, als der Fortschritt
grenzenlos scheint und Visionäre wie Theodor Kober und
Claude Dornier Friedrichshafen im Wortsinne fliegen lassen. Der Absturz folgt im „Dritten Reich“, als der Flughafen zuerst von den Nationalsozialisten missbraucht wird
und am Ende Bombenkrater die Landebahn unbrauchbar
machen. Diese Chronik lässt einen französischen Soldaten
15,6 Grad und keine Wolke am Himmel: Die Wetterdaten vom 7. Juni 1915, dem Geburtstag des Flughafens
seine Erinnerungen an die Besatzungszeit erzählen und
schildert ein denkwürdiges Treffen zwischen einem französischen Kommandeur und einem ehemaligen deutschen
Kriegsgefangenen, das erstmals nach dem Krieg den zivilen
Flugbetrieb wieder möglich machte. Schließlich verfolgt
sie die Verwandlung des ehemaligen „Buschflughafens“ zu
einem modernen Verkehrsknotenpunkt von internationaler
Bedeutung. Wo es noch in den 1970er-Jahren kein Gepäckband gab und morgens die Stullen von der „Lore“ zum
Flieger gebracht wurden, starten und landen heute jährlich
gut 40.000 Flugzeuge und verbinden Friedrichshafen über
Direktverbindungen zu den Drehkreuzen mit Zielen auf der
ganzen Welt.
3
1915 - 1918
1913 Kaserne für die Ausbildung der Luftschiffbesatzungen
1915 Fertigstellung der Luftschiffhalle – Umbenennung zum Luftschiffhafen, Geburtsjahr des Flughafens
Bau der ersten befestigten Startbahn Deutschlands: 1915 oder 1916
Take-off: Eine Stadt lernt Fliegen
Es sind die Luftschiffe, die Löwental zu Beginn des Ersten Weltkriegs
einen Flughafen bescheren ­– und der Erste Weltkrieg.
Flugzeuge in Friedrichshafen: Graf Zeppelin beobachtet 1911 den Schwäbischen Überlandflug. Die übrigen Besucher halten Respektabstand
Schon 1911, als Friedrichshafen erstmals in Zusammenhang mit Flugzeugen erwähnt wird, ist die Zeppelin-Werft
der Grund dafür. Sie ist das Ziel des „Schwäbischen Überlandflugs“: Sieben Flugzeuge, die in Esslingen gestartet
sind, landen im September 1911 auf dem Werksgelände der
Luftschiffbau Zeppelin GmbH am Riedlewald. Unter den
Zuschauern befindet sich auch der Übervater der Luftfahrt:
Ferdinand Graf Zeppelin. Der Mann, der vermutlich selbst
nie ein Flugzeug gesteuert hat, sieht die Zukunft. Noch
jedoch glaubt nicht nur er an das Luftschiff.
Ohne die Nähe zu den Zeppelin-Werken wäre auch zwei Jahre später niemand auf die Idee gekommen, Pioniere im verschlafenen Löwental eine Fliegerkaserne bauen zu lassen.
Von Anfang an hatte Zeppelin seine Erfindung auch in den
Dienst des Militärs gestellt. Der militärischen Führung des
Kaiserreichs gelten Luftschiffe als eine Art Wunderwaffe:
Verglichen mit zeitgenössischen Flugzeugen, die noch am
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Anfang ihrer Entwicklung stehen, erreichen sie größere
Höhen, haben eine viel größere Reichweite und können mit
mehr Bomben bestückt werden.
Vor diesem Hintergrund entscheiden die preußischen und
württembergischen Kriegsministerien 1913, die Luftschiffertruppe des Heeres von drei auf fünf Bataillone aufzustocken. Als die Offiziere nach einem Standort für die Vierte
Württembergische Kompanie des Luftschiffer-Bataillons
Nr. 4 suchen, fällt die Wahl auf Friedrichshafen. In der
damals knapp 10.000 Bürger umfassenden Stadt liegt die
Sommerresidenz des württembergischen Königs. Und vor
allem: Hier lässt Graf Zeppelin seine Luftschiffe bauen.
Das geeignete Gelände finden die Militärs rund zwei Kilometer außerhalb der Stadt, an der Bahnlinie nach Ravensburg.
Die ehemalige Klosterdomäne Löwental ist erst 1910 eingemeindet worden. Durch die direkte Nähe zur Zeppelin-Werft
In Löwental gebaut: LZ 41 schwebt im Jahr 1915 über der Kriegsluftschiffhalle
erscheinen die unbebauten Felder den Militärs als idealer
Ort für die Ausbildung von Luftschiffbesatzungen. Auf dem
Grundstück, damals im Besitz des Reichs, der Königsfamilie,
der Staatsforstverwaltung und von Privatleuten, beginnen
noch im Herbst 1913 die Bauarbeiten. Die Pläne sehen eine
Luftschiffhalle und eine Kaserne mit Wirtschaftsgebäude,
einer Waffenmeisterei, zwei Familienhäusern für die Offiziere sowie drei Mannschaftsbaracken vor.
Doch mit Kriegsbeginn verzögern sich die Arbeiten. Erst
Ende 1914 werden die ersten Häuser fertig, die Luftschiffhalle steht sogar erst 1915. Sie wird im selben Jahr an die
Luftschiffbau Zeppelin übergeben, die hier Kriegs-Luftschiffe endmontieren soll. Auch das Kommando wechselt:
Hauptmann Jakobi, der dem Bataillon zunächst vorsteht,
wird im Krieg nach Baden-Baden versetzt. So ist es Oberleutnant Horst Freiherr Treusch von Buttlar Brandenfels,
der am 7. Juni 1915 mit dem ersten in Löwental gefertigten
Zeppelin in die Luft steigt. Die Jungfernfahrt von LZ 41
geht als Geburtsstunde des Flughafens Friedrichshafen in
die Geschichtsbücher ein.
Noch im Kriegsjahr 1915 werden Kaserne und Reichsluftschiffhalle, wie sie nun offiziell heißt, zum Reichsluftschiffhafen ernannt. So erhält die spätere Luft- und
Raumfahrtstadt Friedrichshafen ihren Flughafen im selben
Jahr, in dem jenseits des Atlantiks ein gewisses National
Advisory Committee for Aeronautics gegründet wird – aus
der später die NASA hervorgeht. Ein zweiter interkontinentaler Vergleich drängt sich auf: Das, was am Bodensee wie
aus dem Nichts heraus entstanden ist, wird zum deutschen
Silicon Valley der Luftfahrt.
hafens begründet, geht im belgischen Gent erstmals ein
deutsches Heeresluftschiff in Flammen auf, nachdem es
ein britischer Pilot mit Bomben beworfen hat. Ein Schicksal, das dem ersten Zeppelin aus Löwental erspart bleibt:
LZ 41, als ­Militärluftschiff auch unter der Bezeichnung L 11
bekannt, unternimmt ohne Verluste 31 Aufklärungsfahrten
und 12 Angriffsfahrten gegen England, bei denen es mehr
als 15 Tonnen Bomben abwirft. Und wird bereits im April
1916 abgerüstet.
Doch es ist eine Geburt im Krieg. Am selben Tag, an dem
der Jungfernfahrt von LZ 41 den Beginn eines neuen Flug-
Aber in Löwental werden nicht nur Luftschiffe eingeflogen.
Weil auch immer mehr Flugzeuge an der Kaserne landen,
5
1915 - 1918
wird 1916 nordöstlich der Mannschaftsbaracken ein Fliegerschuppen gebaut. Im selben Jahr hat das erste von
Claude Dornier, einem Ingenieur Zeppelins, entworfene
Jagdflugzeug hier seinen Erstflug. Er endet in einem Desaster: Die sogenannte V1 stürzt kurz nach dem Start ab,
der Pilot stirbt bei dem Unfall.
Auch Zeppelins erster Mitarbeiter überhaupt, der Ingenieur
Theodor Kober, testet die neue Technologie (siehe Porträt).
„Laut Seeblatt hat Oberingenieur Kober von der Zeppelingesellschaft einen Aeroplan konstruiert. Graf Zeppelin
stellt ihm zu diesem Zweck die frei werdende Landhalle
(im Stadtteil Manzell) zur Verfügung“, heißt es in einem
Bericht der „Zeitung für Württemberg“ aus dem Jahr 1909.
Drei Jahre später überlässt ihm der Graf die alte Luftschiffhalle in Manzell.
Dort gründet Kober am 17. Juni 1912 die Flugzeugbau
Friedrichshafen GmbH, die Wasserflugzeuge für die Marine fertigt. Als später Landflugzeuge für das Heer hinzukommen, nutzt der Unternehmer den nahe gelegenen
Luftschiffhafen in Löwental. Er lässt seine zweimotorigen
Doppeldecker in Manzell montieren, anschließend zerlegen und durch die Straßen von Friedrichshafen nach
Löwental kutschieren. Auf dem Flugplatz werden die
Das helle Dreieck zeigt die erste befestigte Startbahn Deutschlands
6
Bomber schließlich wieder zusammengebaut und eingeflogen. Für seine Testflüge baut Kober 1915 oder 1916 eine
150 Meter lange Piste – die erste befestigte Startbahn
Deutschlands. Das Luftschiffer-Bataillon überlässt dem
kriegswichtigen Unternehmen, für das zu Spitzenzeiten
mehr als 3200 Menschen arbeiten, einen Teil seiner eigenen
Fliegergarage. 1918 lässt Kober schließlich gegenüber dem
Fliegerschuppen eine eigene Flugzeughalle errichten.
Da ist der Erste Weltkrieg, der in Friedrichshafen im November 1914 mit einem Bombenangriff auf die Zeppelin-Werke begann, beinahe vorbei. Für den LZ-­Konzern, ein
Unternehmenskonglomerat auf höchstem Niveau, bedeutet
das Kriegsende eine existenzielle Herausforderung. Auch
der Flughafen verwandelt sich. Und doch bleiben diese
Anfangsjahre prägend: Sie haben ihm nicht nur den Ort
gegeben, an dem er bis heute steht. Auch die Baracken,
die 1913 für das Luftschiffer-Bataillon erbaut wurden,
bleiben immerhin bis 1997 an ihrem Platz. Das Dreieck der
von Theodor Kober errichteten, historischen Startbahn
überlebt sogar noch länger. Es verschwindet erst 2003 im
Gewerbegebiet „Competence Park“.
Theodor Kober –
Der vergessene Pionier
Ein Arbeitstier muss er gewesen sein und ein Familienmensch, gewiss auch ein kaisertreuer Patriot. „Aber als
Mensch ist Theodor Kober schwer zu fassen“, sagt Jürgen
Bleibler, Leiter der Zeppelin-Abteilung im Zeppelin-Museum. Bleibler vor allem ist es zu verdanken, dass Kober in
den vergangenen Jahren ein wenig aus dem Schatten der
anderen Friedrichshafener Luftfahrthelden getreten ist.
Tragisch genug, dass er derart in Vergessenheit geraten ist.
Dabei spielt er für die Frühphase der Luftfahrt und damit
auch für den Flughafen Friedrichshafen eine entscheidende
Rolle – und dies nicht nur, weil eine der ersten befestigten
Landebahnen der Welt auf sein Konto geht.
1892 wirbt Ferdinand Graf Zeppelin den damals 27-jährigen Diplom-Ingenieur als ersten Mitarbeiter überhaupt an.
­Seine Arbeit legt wichtige Grundlagen für den späteren
LZ 1, und selbst als für den Bau des ersten Luftschiffs das
Geld fehlt und es Kober nach München zieht, trifft man sich
im Monatstakt, um Ideen auszutauschen. Nach seiner Rückkehr 1907 erkennt Kober bald das Potenzial des Flugzeugs.
Er erwirbt im Alter von 47 Jahren den Flugschein und lässt
1912 das erste Wasserflugzeug am Bodensee starten. Auf
Wasserflugzeuge spezialisiert sich dann auch die Firma, die
er kurz darauf gründet: die Flugzeugbau Friedrichshafen
GmbH (FF).
Dank ihrer robusten, verlässlichen und gleichzeitig leichten
Bauweise avancieren Kobers Maschinen im Ersten Weltkrieg
zu Lieblingen der kaiserlichen Marine. 1918 zählt die FF zu
den größten deutschen Flugzeugherstellern, 42 Prozent
aller im Krieg eingesetzten deutschen Wasserflugzeuge
stammen aus Friedrichshafen. Kober hat durchaus auch
einen Plan, um auf dem nach Kriegsende dramatisch geschrumpften Markt zu überleben. Doch der Aufsichtsrat billigt seine Pläne für zivile Flugzeuge und eine Verlagerung
ins Ausland nicht.
Im Streit verlässt Kober 1920 sein Unternehmen und
muss drei Jahre später erleben, wie es liquidiert
wird. Auch für ihn wird der Abschied schmerzhaft. Nur mit
Mühe kann er seine bürgerliche Existenz wahren. 1930
stirbt der Luftfahrtpionier in Friedrichshafen.
So bitter endet das Leben eines Mannes, bei dem die Rede
vom Beruf aus Berufung keine Phrase ist. Ilse Essers,
das zweite seiner fünf Kinder und selbst eine großartige Ingenieurin, bringt es so auf den Punkt: „Fliegen war
für uns Kober-Kinder der Inbegriff alles Schönen, alles
Erstrebenswerten.“
7
1918 - 1933
1924 Die Dornier Metallbauten GmbH mietet sich in Löwental ein
1928 Abriss der Luftschiffhalle und Gründung der Flughafen GmbH
1931 Die „Graf Zeppelin“ fliegt planmäßig nach Rio
Im Steigflug:
Vom Luftschiffhafen zum Flugplatz
Während sich in Löwental die Flieger ausbreiten, fahren Zeppeline bis nach Rio –
und die Deutsche Luft Hansa schickt „Möwen“ nach Friedrichshafen.
Eine Art Belastungsprobe: Mutige Mitarbeiter versammeln sich für ein Gruppenbild auf einem Dornier Komet III
Das politische Vakuum, das im November 1918 durch die
Abdankung des Kaisers entsteht, verändert auch die Luftverhältnisse in Löwental. Aus Angst vor einem Umsturz
lässt das Staatsministerium des nunmehr freien Volksstaats
Württemberg aus den Resten des Heeres Sicherheitstruppen aufstellen. Sie sollen Staats- und Privateigentum
schützen und für die „Aufrechterhaltung von Ordnung und
Ruhe“ sorgen, wie es in der Order heißt. Eine der Kompanien zieht am 1. Januar 1919 in die Luftschiffer-Kaserne am
Flughafen. Kommandiert wird sie von Erwin Rommel – dem
späteren Generalfeldmarschall Hitlers. Eine „Polizeiwehr“
löst die Soldatentruppe noch im selben Jahr ab.
Nach Jahren der militärischen Nutzung geht es in Löwental
nun notgedrungen ziviler zu. Artikel 198 des Versailler Vertrags verbietet den Deutschen sämtliche „Land- oder Marine-Luftstreitkräfte“. Gilt das Flugzeug-Bauverbot zunächst
8
nur für militärische Flugzeuge, weiten es die ­Alliierten ab
Herbst 1920 auf alle Flugzeuge aus. Dies ist der Grund,
weshalb Claude Dornier (siehe Por­trät) zuerst nach Italien
und später ans Schweizer Bodenseeufer ausweicht, um seine neuartigen Flugschiffe und Militärflugzeuge zu bauen.
Nicht allen gelingt die Konversion auf zivile Produkte. 1920
kommt es zwischen Theodor Kober und dem Aufsichtsrat der
„FF“ zum Streit, drei Jahre später ist die Firma Geschichte.
1925 erwirbt Claude Dornier die Anlagen für seine Dornier
Metallbauten GmbH.
Bei den Luftschiffen, die sich für die Kriegsführung als
untauglich erwiesen haben, sind die Alliierten ähnlich
streng. Nachdem ihr Konkurrent, die Schütte-Lanz GmbH,
wegen der Auflagen der Siegermächte den Betrieb einstellen muss, setzt die Zeppelin GmbH, angetrieben von ihrem
neuen Chef Hugo Eckener, auf den zivilen Luftfahrtbetrieb.
Bis nach Brasilien: LZ 127 „Graf Zeppelin” 1930 auf dem Landeplatz in Recife/Pernambuco
Und mietet Anfang der 1920er-Jahre den Löwentaler Luftschiffhafen und einige leerstehende Gebäude vom Reichsschatzministerium an.
Allerdings schlägt Eckeners Plan des zivilen Zeppelin-Booms
zunächst fehl. Das LZ 114 – das letzte in Löwental gefertigte Luftschiff – verlässt im Juli 1920 seinen Heimathafen
nicht wie geplant in Richtung New York, sondern gen Frankreich. Es wird im Zuge der Reparationen an die Alliierten
ausgeliefert. Jahre später bricht es einen Weltrekord, als
es mit einer Fahrzeit von 118 Stunden und 41 Minuten 7200
Kilometer über das Mittelmeer und die Sahara fährt – da ist
es allerdings längst unter französischer Flagge.
In Friedrichshafen wird erst 1923 wieder ein Zeppelin
gebaut. 1924 überführt Eckener das frisch vom Stapel
gelaufene „Amerikaluftschiff“ LZ 126 persönlich nach Lakehurst bei New York. Die Deutschen nennen den für die
US-amerikanische Marine produzierten Zeppelin „Reparationsluftschiff“, weil er vor allem aus Reparationsmitteln des
Deutschen Reichs bezahlt wird.
1924 mietet sich auch Claude Dornier in Löwental ein. Zwar
produziert der berühmte Konstrukteur seine Flugzeuge inzwischen im Ausland, aber er braucht eine große Halle für
ein Modell. In der inzwischen „alten“ Luftschiffhalle lässt
er in den Jahren 1926/27 eine Eins-zu-Eins-Holzattrappe
Werbeplakat für die Hamburg-Amerika-Linie
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1918 - 1933
Die Do X, hier 1929 als Holzattrappe in Löwental, ist das größte Flugzeug ihrer Zeit
seines legendären Riesenflugboots Do X entstehen, das
1929 in der Schweiz realisiert wird.
Zum letzten Mal wird die inzwischen zu klein gewordene
und schadhafte Immobilie zur Kulisse großer Entwicklungen. Seit in Löwental mehr und mehr Flugzeuge verkehren,
ist die unförmige Halle den Piloten immer öfter im Weg.
Zudem ist sie für die neue Generation von Luftschiffen
schlicht zu klein. 1928 wird sie abgebrochen. Das Jahr
markiert aber nicht nur deshalb eine Zäsur, sondern vor
allem, weil am 6. Juni 1928 im Handelsregister des Amtsgerichts Tettnang eine Unternehmung eingetragen wird, die
den Weg zum zivilen Flughafen ebnet. Gesellschafter sind
die Stadt Friedrichshafen mit 50.000 Reichsmark und die
Dornier-Metallbauten GmbH mit 100.000 Reichsmark. Der
Name der neuen Firma: Flughafen Friedrichshafen GmbH.
Eine ihrer ersten Aktivitäten: der Bau einer neuen modernen Flugzeughalle unmittelbar nordöstlich der Kaserne.
Eine Investition, die sich schnell rentiert: Schon 1929 interessiert sich die Deutsche Luft Hansa für Friedrichshafen.
Die Fluggesellschaft, die erst drei Jahre zuvor durch die Fu10
sion des Deutschen Aero Lloyd mit der Junkers Luftverkehr
AG entstanden ist, startet am 21. Juni den ersten Linienverkehr in Löwental. Den Sommer über fliegen werktäglich
„Möwen“ – so der Name der Focke-Wulf A 17 – von Stuttgart
nach Friedrichshafen und zurück.
Und erstmals finden Luftschiff und Flugzeug in diesen
Jahren des Übergangs zusammen. Am 8. Juli 1928, dem
90. Geburtstag von Ferdinand Zeppelin, hat Hugo Eckener
sein neues Zeppelin-Luftschiff in Friedrichshafen auf den
Namen „Graf Zeppelin“ taufen lassen. Das LZ 127 soll das
erfolgreichste Luftschiff überhaupt werden: Um der Welt
zu zeigen, dass sich Zeppeline für den Transatlantikverkehr
eignen, schickt Eckener es auf eine Weltrundfahrt und später auf Forschungsfahrt in die Arktis.
Das einzige Verkehrsmittel nach Übersee ist damals ein
Schiff, das von Hamburg nach Rio de Janeiro knapp 13 Tage
benötigt. Mit dem Luftschiff ist diese Distanz in drei bis
fünf Tagen zu schaffen: „Südamerika in 3 Tagen!“ wirbt ein
Plakat für die „Hamburg-Amerika-Linie“. Im spanischen
Claude Dornier –
Ein genialer Konstrukteur
Einer der größten Flugzeugkonstrukteure Deutschlands
war Franzose. Claude Honoré Dorniers Vater stammt aus
Frankreich, deshalb behält der 1884 in Kempten geborene
Ingenieur Zeit seines Lebens die französische Staatsbürgerschaft. Die württembergische bekommt er erst 1913
auf ausdrücklichen Wunsch seines Arbeitgebers, des Grafen
Zeppelin. Seit drei Jahren arbeitet Dornier da schon für den
Luftschiff-Pionier. Dabei wollte er ursprünglich Architekt
werden. Ab 1904 studiert er dann doch Maschinenbau in
München. Das Thema seiner Diplomarbeit: ein Entwurf
für eine geräuscharme Transportvorrichtung für Särge im
Krematorium.
Über Anstellungen in Karlsruhe, Illingen und Kaiserslautern kommt der Ingenieur 1910 zur Luftschiffbau Zeppelin
GmbH. Dort wird er vom Grafen protegiert, der ihm nicht
nur die Staatsbürgerschaft, sondern auch eine eigene Abteilung für Flugzeugbau anträgt, genannt „Do“. Der Mann,
der einen rasanten Aufstieg im Zeppelin-Konzern hinlegt
und 1917 eine eigene GmbH führt, erscheint vielen als
„stiller, ernster Mann, unermüdlich in seiner Arbeit“, so ein
Zeitgenosse. Der Konstrukteur ist zudem musisch begabt.
Während des Studiums spielt er Zither. Später sammelt er
Kunst, vornehmlich chinesische Bronzen.
Doch auf seiner Karriere lasten Schatten. Denn die Entwicklung seiner legendären Flugboote mit sprechenden Namen
wie „Wal“ und „Libelle“, sein Feilen an einer revolutionär
neuen Klasse von Flugzeugen, all das fällt in die Zeit zweier
Weltkriege. Und anders als Konstrukteure wie Hugo Junkers, die sich nicht mit den Nationalsozialisten arrangieren, lässt sich Dornier auf die neuen Spielregeln ein. Für
das Regime produziert er Bomber am Fließband, auch in
Löwental.
Nach dem Krieg wird Dornier, der 1940 auf Drängen der
Parteigrößen in die NSDAP eingetreten ist, von den Briten
als „entlastet“ eingestuft. Die französische Militärregierung allerdings verurteilt ihren Landsmann zu einer Sühnezahlung. Dornier steht vor dem wirtschaftlichen Aus. Über
den Umweg Spanien gelingt dem Flugzeugbauer, der schon
nach dem Versailler Vertrag ins Ausland ausgewichen war,
das Comeback: In Madrid entwickelt er die Do 25. Ab 1955
lässt er in Deutschland Senkrechtstarter bauen. Er wird
Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und
Raumfahrtindustrie und erhält 1964 das Große Bundes­
verdienstkreuz. Claude Dornier stirbt 1969 in seinem
Schweizer Domizil Zug.
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1918 - 1933
Sevilla lässt Eckener einen Landeplatz errichten, auf dem
die „Graf Zeppelin“ noch einmal Betriebsmittel aufnehmen
kann, bevor es weitergeht ins brasilianische Recife. Mit der
Luft Hansa, die täglich „Möwen“ nach Löwental schickt,
vereinbart man eine Kooperation: Am 19. Mai 1930 startet
ein Flieger von Berlin nach Sevilla zu einem Postnachbringflug, zu dem am Vortag in Friedrichshafen erstmals zu einer
Südamerikafahrt gestarteten Luftschiff.
Derweil wird auf dem Flugplatzgelände trotz der Weltwirtschaftskrise weiter gebaut. Die neuen, großen Luftschiffe
wie die „Graf Zeppelin“ und die „Hindenburg“ benötigen
Platz. 1930 beginnt der Spatenstich für eine neue, 275
Meter lange Luftschiffhalle. Wegen des strengen Winters
verzögert sich der Bau, der erst im Herbst 1931 fertig wird.
In diesen Jahren erweitert die Luft Hansa die Linie von
Hamburg über Hannover, Frankfurt und Stuttgart nach
Friedrichshafen. Als die „Graf Zeppelin“ am 29. August 1931
ihren regelmäßigen Linienverkehr nach Brasilien startet,
bietet die Gesellschaft einen Nachbringdienst von Berlin
nach Friedrichshafen für Passagiere und Post an.
Dornier-Werkspilot Georg Zinsmaier (links) und der schweizerische Flieger Walter Mittelholzer
stellen mit der Dornier Merkur im Juni 1926 sieben Weltrekorde auf.
Rechte Seite: ein Ausschnitt aus dem Luftverkehrsatlas 1932
12
1933 - 1945
1939
Abholzung des Oberen Seewalds
1941
„Kriegswichtige“ Verlängerung der Startbahn
1944/45 Bombenangriffe zerstören den Flugplatz weitgehend
Absturz: Hochgerüstet in den Abgrund –
der Flughafen im Dritten Reich
Im Zeichen des Hakenkreuzes werden in Löwental Bomber gebaut.
Der Seewald wird abgeholzt, die Zeppelinhalle abgerissen, ein gigantischer Plan entwickelt. Was bleibt, ist eine Mondlandschaft.
Flugzeuge und LZ 129 „Hindenburg“ mit Hakenkreuz: Aufnahme aus Löwental von 1936
Wirtschaftlich bringen die Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP der Flugzeugindustrie am Bodensee einen
Aufschwung. Trotz der Weltwirtschaftskrise zeichnet sich
bereits vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler eine
Zunahme der Aufträge ab: Im Dezember 1932 forderte der
Reichswehrminister eine Summe von insgesamt 12 Millionen
Mark für die Entwicklung und Beschaffung von Kriegsflugzeugen. Auch eine Luftwaffe soll aufgestellt werden. Als
Hitler im Mai 1933 das Reichsluftfahrt­ministerium gründet,
stehen dem neuen Reichsluftfahrtminister Hermann Göring
40 Millionen Mark für Aufträge zur Verfügung.
Davon profitieren auch die Unternehmen in Löwental –
­allen voran Dornier. Weil die Dornier Metallbauten GmbH
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in ihrer Produktionsstätte in Manzell keine Möglichkeit hat,
Landflugzeuge unterzustellen und zu testen, verlegt sie
die Fertigung ihrer Bomber 1934 näher an den Flugplatz.
Westlich der inzwischen auf den Namen „Graf Zeppelin“
getauften Kaserne entsteht auf der Gemarkung Allmannsweiler eine moderne Fabrikanlage mit Zufahrt zum Rollfeld.
1937 kommt, im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums,
eine 170 Meter lange Flugzeughalle hinzu. Im selben Jahr
lässt die nun in Dornier GmbH Friedrichshafen umbenannte Firma auch die Baracken des ehemaligen Luftschiffer-­
Bataillons umbauen. Aus dem provisorischen Küchengebäude wird durch einen Anbau eine Lehrlingswerkstatt. Zu
dem Preis, dass über seinem Unternehmen die Hakenkreuz-
Spektakulär: Die „Hindenburg“ landet mit beschädigter Kielflosse, darüber schwebt LZ 127
Fahnen wehen, steht Claude Dornier nun in Löwental ein
vollständiges Werftgelände zur Verfügung.
Doch neben den militärischen heben auch in den Dreißigern
immer noch Hunderte zivile Maschinen in Friedrichshafen
ab. Zwar gibt es in den Jahren 1934 und 1935 zwischenzeitlich keine planmäßigen Luft Hansa-Linienflüge mehr.
Dafür werden die Nachbringflüge für das Luftschiff „Graf
Zeppelin“ bis 1936 beibehalten. Neben der Focke-Wulf A 17
setzt die Luft Hansa dafür Junkers Ju 160, Heinkel He 70
und zuletzt Ju 52 ein. Ab 1936 werden auch die Linienflüge
wieder aufgenommen: Mit einer Junkers Ju 160 befliegt die
größte deutsche Fluggesellschaft insgesamt 157 Mal die
Strecke Saarbrücken-Frankfurt-Stuttgart-Friedrichshafen,
im August mit Verlängerung bis Konstanz.
Ab 1937 dehnt die Luft Hansa ihr Netz vom Bodensee nach
Osten und Westen aus: Zuerst fliegt sie von Breslau über
Dresden, Leipzig und Nürnberg nach Friedrichshafen. 1938
bedient sie dann die Strecke Freiburg-Stuttgart-Friedrichshafen mit der Heinkel He 70.
Währenddessen geschieht im fernen Amerika die bis dahin
größte Katastrophe der Luftfahrt: Das in Friedrichshafen
gebaute Luftschiff „Hindenburg“ geht am 6. Mai 1938 über
Lakehurst (New Jersey) in Flammen auf. Von 97 Menschen
an Bord kommen 36 ums Leben. Für die Luftschifffahrt,
militärisch ohnehin bedeutungslos, bedeutet das Unglück
das Aus im Zivilverkehr. 1938 verlässt mit „Graf Zeppelin II“
das letzte Luftschiff Friedrichshafen. Danach mietet sich
Dornier in der verwaisten Luftschiffhalle ein.
Für positive Schlagzeilen made in Friedrichshafen sorgt ein
tollkühner Einzelkämpfer. Am 2. August 1939, kurz nach
Mitternacht, rollt bei Gewitter ein einsitziges Sportflugzeug aus der Halle in Löwental. Nur wenige Eingeweihte
wissen von dem Rekordflug, den der 26-jährige Pilot Heinz
Gabler in dieser Nacht unternehmen will. Nach 320 Metern
auf der Startbahn hebt die mit 200 Litern Kraftstoff gefüllte Maschine vom Typ Erla 5D ab. Als Proviant hat der
Erla-Werkspilot, der im Sonntagsstaat mit Hut und Halbschuhen im Cockpit sitzt, lediglich zwei Tafeln Schokolade
und eine Thermoskanne Kaffee dabei. Gabler nimmt Kurs
auf Nordost: Er fliegt über den Thüringer Wald und Rügen
hinweg und sichtet um 8.11 Uhr die schwedische Küste.
Nach einer Flugzeit von 14 Stunden und 15 Minuten setzt er
am Nachmittag im nordschwedischen Vännäs auf. Mit einer
zurückgelegten Strecke von 1915 Kilometern hat er den
zuvor von US-amerikanischen Piloten gehaltenen Langstreckenweltrekord von 1631 Kilometern deutlich überboten.
15
1933 - 1945
1939 damit, den Oberen Seewald im Osten des Geländes
abzuholzen.
Schon im folgenden Jahr trifft die zweite Gruppe des Jagdgeschwaders 51 „Mölders“ mit Messerschmitt 109 E-Maschinen in Friedrichshafen ein. Die Flugzeuge werden in der
Luftschiffhalle untergestellt. Das Jagdgeschwader bleibt
einige Wochen, bevor es nach Böblingen verlegt wird.
Weltrekordler: Der Pilot Heinz Gabler vor seiner Erla 5D
Vier Wochen später beginnt der Krieg. Angesichts der als
kriegswichtig eingestuften Rüstungsproduktion der Friedrichshafener Unternehmen gerät der Flughafen bei Kriegsbeginn in den Fokus der nationalsozialistischen Planer. Um
für den steigenden Flugbetrieb eine sichere Anflugschneise zu erhalten, beginnt das Forstamt Tettnang im Winter
Göring hat zunächst große Pläne mit Löwental: Einer der
Bebauungspläne sieht sogar drei sich kreuzende Landebahnen vor. Generaloberst Ernst Udet ordnet nach einer
Besichtigung im März 1941 eine besondere Beschleunigung
dieses „kriegswichtigen Bauvorhabens“ an. Im Laufe der
Ausbaupläne wird im Zuge der Planungen sogar kurzfristig
die Idee diskutiert, den gesamten Flugplatz in den Tett­
nanger Wald zu verlegen. Ein Plan, den die Planer schnell
als undurchführbar aufgeben.
Nachdem die Arbeiten an der 2400 Meter langen betonierten Startbahn bereits begonnen haben, rudert Göring zurück. Die Piste soll wieder auf eine Länge von 1000 Metern
verkleinert werden. Ende Dezember 1942 ist die verkürzte
Startbahn fertig. Hitlers Reichsluftfahrtminister teilt der
Flughafen GmbH mit, dass das Bauvorhaben nicht in die
Gigantomanisch: Drei sich kreuzende Landebahnen sah der Ausbauplan von 1942 vor
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Wehrkreis-Rangfolge-Liste des vierten Kriegswirtschaftsjahres aufgenommen wird. Das bedeutet: Mit einem weiteren Ausbau ist nicht zu rechnen.
In Löwental stehen die Zeichen auf Absturz. Anfang 1943
wird die Luftschiffhalle abgerissen. Züge bringen sie auf einem eigens errichteten, 1800 Meter langen Industriegleis
ins nahe Zeppelin-Werftgelände, wo sie mit veränderten
Abmessungen wieder aufgebaut wird. Hier entstehen in den
letzten Kriegsmonaten noch einige V2-Raketen. Die Alliierten fliegen zwölf Bombenangriffe auf Friedrichshafen, einige davon gelten gezielt dem Flugplatz und der angesiedelten Rüstungsindustrie. Gebäude und die Startbahn werden
teilweise zerstört. Im Mai 1945 sieht es auf dem Flughafen
aus wie auf einer mit Kratern übersäten Mondlandschaft.
Wie auf dem Mond: Das Luftbild der Royal Air Force zeigt den zerstörten Flughafen
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1945 - 1957
1945 Besetzung durch die Franzosen
1950 Gründung des LSC in der französischen Fahrzeughalle
1957 Drei zivile Flugzeuge
Auf dem Rollfeld:
Neustart auf Französisch
Die Franzosen bauen den Flugplatz wieder auf. Der Luftsportclub Friedrichshafen gründet sich – und außer Kampfjets landen erstmals wieder Segelflieger in Löwental.
Hugo Eckener (2. von links) tauft den „Doppelraab“ – das erste Flugzeug des LSC
Als am 29. April 1945 die ersten Soldaten der französischen
Armee in Löwental einrücken, erinnert nicht mehr viel an
einen Flughafen: Auf der durchlöcherten Piste könnten
keine Verkehrsflugzeuge mehr starten, selbst für Militärmaschinen ist die Bahn zu holprig. Um den Platz wieder
funktionsfähig zu machen, beginnen die Franzosen sofort
damit, Startbahn und Rollfeld instandzusetzen. Die Arbeiten übernehmen hunderte deutsche Kriegsgefangene.
Blitzstrahl – „Thunderbolt“ – heißen die ersten Kampfjets,
die wieder in Löwental landen. Die 26 Flugzeuge gehören
zum 1. Jagdgeschwader (1ère Escadre de Chasse) der fran18
zösischen Armee, die mit drei Staffeln P-47-Bombern nach
Friedrichshafen verlegt wird. 1947 stoßen die P-47 des
5. Jagd­geschwaders hinzu.
Nachdem die Startbahn wiederhergestellt ist, kümmern
sich die Besatzer um die Bebauung: An die Stelle der 1928
erbauten Halle der Flughafen GmbH, die durch einen Brand
zerstört worden ist, wird eine neue Abstellhalle errichtet.
1946 lassen die Franzosen die – erst vier Jahre zuvor auf
Befehl von Hermann Göring verkürzte – Startbahn auf 1300
Meter verlängern. Zwei Jahre später wird sie noch einmal
provisorisch mit Stahlblech-Lochplatten auf 1500 Meter
Rudolf Flintrop – Von der Flucht zum Flug
Es ist eine Nacht- und Nebel-Aktion, die der Wehrmachts­
pilot Rudolf Flintrop am 29. April 1945 unternimmt. In derselben Nacht, als seine Heimatstadt Friedrichshafen von
den Franzosen besetzt wird, steigt der damals 24-Jährige
auf dem Dornier-Flugplatz in Oberpfaffenhofen mit einem
Kameraden in eine Focke-Wulf und startet durch. Flintrop,
der im Krieg Versorgungsflüge an die Ostfront geflogen
hat, hat sich von seiner Einheit in Brandenburg bis nach
Bayern durchgeschlagen. Die Focke-Wulf soll ihn nach
Hause bringen. „Wir sind nach 270 Grad Richtung Schweiz
geflogen. Als es Tag wurde, haben wir uns eine Wiese im
Wald gesucht und eine Bruchlandung hingelegt“, erzählt
der heute 94-Jährige. Die Soldaten marschieren ein paar
Kilometer, bis sie feststellen: Sie sind auf der Schwäbischen
Alb gelandet.
Flintrop erreicht das Haus seiner Schwester in Rheinstetten
und will mit dem Fahrrad weiter. Doch ein französischer
Posten greift ihn auf. Als er nach zweitägiger Gefangenschaft zusammen mit anderen Landsern in ein anderes
Lager verlegt wird, springt er bei Lindau aus dem Zug und
flieht.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass dieser flüchtige französische Kriegsgefangene acht Jahre später von den Besatzern des Flughafens Friedrichshafen die Erlaubnis erwirkt,
über Löwental erstmals wieder zivile Flieger kreisen zu
lassen – die Keimzelle des nicht-militärischen Flugbetriebs
in Friedrichshafen.
„Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zu den Franzosen“,
sagt Flintrop. „Der Kommandant hat uns auch mal mitgenommen und gezeigt, wie tief er fliegen kann.“ Doch für
Motorfliegerei interessiert sich der Schneidermeister wenig. Seine Leidenschaft gilt dem Segelfliegen. Heute hat
das älteste lebende Mitglied des LSC nach eigenen Angaben
8000 Starts und 4000 Flugstunden auf dem Buckel und ist
Träger des Leistungsabzeichens „Gold-C mit Diamanten“. In
der Flugzeughalle, die er 1960 zusammen mit seinen Kameraden vom LSC auf das Militärgelände bauen durfte, sieht
man ihn heute noch regelmäßig.
19
1945 - 1957
Im November 1949 landen die ersten De Havilland „Vampire“-Düsenjäger in Löwental
ausgebaut. Bis Mitte der 50er-Jahre entstehen auch die
meisten Gebäude, einschließlich des heute noch existenten
Kontrollturms.
Als Frankreich seine Bomber 1949 nach Indochina verlegt,
landen im November De Havilland „Vampire“-Düsenjäger
in Löwental. Die „Grande Nation“ stationiert bis 1950 vier
Staffeln ihres 4. Jagdgeschwaders am Bodensee. Doch die
Maschinen gelten als nicht zuverlässig: Im Februar 1950
kollidieren zwei Jets über dem Zeppelin-Gelände. Ein
Flugzeug stürzt ab, ein anderes schafft es, in Löwental zu
landen. Ein weiterer Tiefflieger stürzt 1952 nach einer Wasserberührung in den See.
Reisende, die Anfang der 1950er-Jahre mit dem Zug nach
Ravensburg fahren, können aus dem Fenster einen Blick auf
eine Armada silbrig glänzender Düsenjäger erhaschen. Das
ist aber auch das Einzige, was sie zu sehen bekommen. Die
Alliierten haben 1945 ein totales Flugverbot über Deutschland verhängt, Löwental ist militärisches Sperrgebiet. Zwar
ist das Gelände nicht eingezäunt, aber man braucht einen
Passierschein, um hineinzukommen.
Vier Staffeln des 4. französischen Jagdgeschwaders sind hier kurzfristig stationiert
20
Trotz aller materieller Not träumen einige „Häfler“ wieder
vom Fliegen. Im Juli 1950 erscheint in der „Schwäbischen
Zeitung“ ein Aufruf, der fliegerisch Interessierte zu einem
Treffen nach Friedrichshafen einlädt. Bei der Sitzung am 8.
August im Buchhorner Hof erscheinen 57 Menschen. Es gebe
gewisse Informationen, die auf eine baldige Freigabe der
Segelfliegerei hoffen ließen, erklärt Willi Weilbächer, der
Initiator der Veranstaltung. Man denke über die Gründung
eines Luftsportclubs nach. Nach seinem Vortrag entwickelt
sich eine heftige Diskussion um den Namen des neuen Vereins. Weil eine andere Bezeichnung wegen des Flugverbots
nicht zulässig erscheint, steht schließlich „Interessensgemeinschaft für Flugsport in Friedrichshafen“ auf der Gründungsurkunde. Weilbächer wird zum ersten Präsidenten
des Vereins, der zwei Jahre später in „Luftsportclub der
Zeppelinstadt Friedrichshafen e. V.“ (LSC) umbenannt wird.
Als der Alliierte Kontrollrat dem Segelflug 1952 grünes
Licht gibt, fehlt dem LSC jedoch ein eigenes Fluggerät. Mit
Spendenaktionen sammeln die Mitglieder Geld. 1953 haben
sie so viel zusammen, dass sie die Anzahlung auf einen
„Doppelraab“ leisten können. Der nach seinem Konstrukteur Fritz Raab benannte Zweisitzer wird das erste zivile
Fluggerät, das nach dem Krieg von Löwental abhebt. Einmal mehr steht dafür der Friedrichshafener Übervater Pate:
Im Oktober 1953 tauft der ehemalige Zeppelin-Chef Hugo
Eckener den Doppelraab in der Festhalle auf den Namen
„Graf Zeppelin“.
Jetzt hat der LSC zwar einen Flieger, aber keinen Platz –
und auch keine Schleppwinde. „Obwohl vor der Haustür
ein schöner großer Flugplatz war, mussten wir auf andere Flugfelder in der Umgebung fahren, was gar nicht so
einfach war – denn wer hatte damals schon ein Auto?“,
schreibt LSC-Mitglied Hugo Gässler 1995 in einer Chronik
des Vereins. Den buchstäblichen Höhepunkt erreichen
die Ausweichmanöver auf über 1000 Meter Höhe: auf dem
Pfänder nämlich. „Mittels Traktor musste der Anhänger mit
aufgeladenem Flugzeug quer durch Bregenz über Lochau
hochgekarrt werden“, berichtet Gässler.
Dass die Segelflieger 1953 die ersehnte Starterlaubnis in
Löwental erhalten, verdanken sie Rudolf Flintrop (siehe
Porträt). Der heute 94-Jährige ist das einzige Gründungsmitglied des Luftsportclubs, das 2015 noch lebt. Der
Sohn eines Schneiders aus Friedrichshafen ist es, der den
Kontakt zu den Franzosen herstellt. „Ich habe den Kommandanten am Sonntagmorgen um 6 Uhr in der Frühmesse
getroffen“, erinnert sich Flintrop. „Ich dachte: Den haust
du an, ob wir nicht auf den Flugplatz dürfen.“ Der Franzose
reagiert freundlich: Flintrop solle am Dienstag in sein Büro
kommen. Mit einem Ausweis der Militärpolizei wird Flintrop
zwei Tage später tatsächlich aufs Rollfeld vorgelassen.
Noch bevor die französische Luftwaffe im Frühjahr 1954
die offizielle Genehmigung erteilt, erlaubt der Kasernenkommandant dem LSC am 19. Juli 1953 einen Windenstart
des Doppelraab. Der erste Flug über Löwental dauert ganze
acht Minuten. Außerdem darf der Club einen Teil der Fahrzeughalle mitnutzen.
Das 4. französische Jagdgeschwader wird im März 1954 in
den Breisgau verlegt. Jets überfliegen den Luftraum über
Dokument des Neuanfangs: die Gründungsurkunde des LSC
der „Base Aérienne Tactique 136“, wie Löwental seit 1952
heißt, trotzdem weiterhin: Die französische Luftwaffe
nutzt einen „Schießberg“ bei Eriskirch und ein Ponton auf
dem Bodensee bis 1958 zu Luft-Boden-Schießübungen.
1955 lässt sie die Startbahn durch 270 Meter lange Überrollstrecken an beiden Enden ergänzen. Der Betonstreifen
ist nun 2300 Meter lang.
Derweil schrauben die Mitglieder des LSC unermüdlich an
neuen Fluggeräten. Mit dem „Bergfalken II“ und einem
„L-Spatz 55“ wächst die Löwentaler Flotte bald auf drei Segelflieger an. Als Deutschland im Mai 1955 die Lufthoheit
zurückerhält, dürfen auch Motorflugzeuge wieder starten.
Der erste zivile, motorisierte Flieger, der nach dem Krieg in
Friedrichshafen abhebt, ist eine vom LSC im Juli 1957 angeschaffte De Havilland DH 82 „Tiger Moth“. Hauptsächlich
dient sie dem Schleppen der Segelflugzeuge.
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1958 Die „Mufti-Staffel“ zieht ein
1966 Erste planmäßige Linienflüge
1958 - 1978
1968 Mitbenutzervertrag von Flughafen GmbH und Wehrbereichsverwaltung
Der Flughafen wird militärisch und zivil genutzt
1974 Erste Business-Charter durch den Kuri-Flugdienst
1978 Gründung der Delta-Air
Check-in: Die zivile Luftfahrt nimmt Fahrt auf
Die Bundeswehr lässt in Löwental Piloten ausbilden, die Franzosen schicken Hubschrauber.
Dann wird der Flughafen endlich zivil – und Delta Air startet den Regionalverkehr.
Um Flugzeuge kaufen zu können, veranstaltet der LSC drei Mal die „Flugschau der Nationen“
Im Januar 1958 wird in Frankreich ein Gesetz erlassen,
das die Reduzierung der Streitkräfte von einer Million auf
890.000 Soldaten bis zum Jahresende vorsieht. Gleichzeitig
verschärft sich der Algerienkrieg. Für die „Base Aérienne
Tactique 136“ am Bodensee heißt das: Auf dem Rollfeld ist
jetzt viel Platz.
Kein Wunder also, dass nun die gerade gegründete
­Bundeswehr auf Löwental aufmerksam wird. Obwohl der
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Flugplatz noch unter französischer Verwaltung steht, darf
die in Memmingen stationierte Flugzeugführerschule „S“
hier eine Außenstelle einrichten. Die Staffel, die während
ihrer Zeit in Friedrichshafen den Namen „Mufti-Staffel“
erhält, dient der Ausbildung von Piloten auf der Do 27.
Am 27. Januar 1958 landet Hauptfeldwebel Gerhard Köhne
mit der ersten Dornier-Maschine in Friedrichshafen. Die
Mannschaften ziehen in die historische „Graf Zeppelin“Kaserne.
Dank der „Mufti“-Staffel ist der Flughafen 1959 republikweit in aller Munde
Die Geschichte hinter der „Mufti-Staffel“, die Friedrichshafens Flugplatz republikweit bekannt macht, ist ein Kuriosum: Mufti ist der Name eines Stoffesels, den eine Münchner Plüschspielwarenfabrik 1954 auf den Markt bringt.
Karl-Heinz Barth, damals Redaktionsleiter beim Burda-Verlag, veröffentlicht abenteuerliche Kindergeschichten über
das Stofftier. Für die jungen Leser der Zeitschrift „Bild +
Funk“ gründet er einen „Mufti-Club“. Die jungen Friedrichshafener Piloten, selbst kaum älter als 20, machen mit: Sie
benennen ihre Staffel 1959 nicht nur nach dem Stofftier,
sondern kleben sogar Esel als Abzeichen auf die Motorhauben ihrer Do-27 und ermöglichen Jugendlichen Freiflüge
bei Flugtagen.
Auch bei den französischen Soldaten auf dem Flugplatz
sind die Bundeswehr-Piloten beliebt, in der „Wohngemeinschaft“ Löwental entwickeln sich sogar freundschaftliche
Beziehungen. Doch Ende 1959 wandert die „Mufti-Staffel“
nach Niedersachsen ab. In ihren Baracken nistet sich die
Heeresfliegerstaffel (LL) 9 ein. Ab jetzt stehen Hubschrauber wie Sikorsky H-34 und Alouette II neben der Do 27 im
Hangar.
Unterdessen macht das zivile Leben auf dem Flugplatz Ende
der 1950er Fortschritte. „Wir waren an den Wochenenden
ungeniert und im wahren Wortsinn vogelfrei“, schreibt
LSC-Chronist Hugo Gässler. Doch dem Luftsportclub wird
der von den Franzosen geliehene Hangar schnell zu klein.
So fragt der damalige LSC-Vorstand, Generalleutnant a. D.
Gustav Wilke, beim französischen Kommandeur um eine
größere Immobilie an. „Seine Antwort war: Leider nein“,
erinnert sich Gässler. „Aber warum bauen Sie nicht selber ein passendes Gebäude? Da würde sich die Wildnis im
nordöstlichen Teil des Geländes anbieten.“
„Mufti“ ist der Name eines bei Kindern beliebten Stoffesels
Tatsächlich holt der Kommandant in Paris die Erlaubnis für
einen Neubau ein. Erneut sammelt der LSC Geld, und so entsteht 1960 in der damaligen „Wildnis“ – wo heute das Terminal des Bodensee-Airports steht – eine Halle mit Werkstatt,
Unterrichts- und Aufenthaltsräumen sowie einem kleinem
Kontrollturm. Fünf Jahre dauern die Arbeiten in Eigenregie.
1965 feiert der LSC die Eröffnung der „Gustav-Wilke-Halle“.
Wenig später eröffnet der Club auch eine Kneipe – die erste
Gastronomie am Flughafen Friedrichshafen.
In der Zwischenzeit kauft der LSC weiter Flugzeuge. Das
Geld dafür stammt vor allem aus den Erlösen der Flugtage,
die er 1958, 1960 und 1962 veranstaltet. Zehntausende
Besucher kommen nach Löwental, um Militärjets, Oldtimer
und Kunstflieger zu bestaunen. „Obwohl uns die Organisa23
1958 - 1978
Dort, wo heute das Terminal steht, baut der LSC 1960 eine Halle mit Werkstatt
tion fast überforderte, blieb nach dem Kassensturz so viel
Gewinn, dass jedesmal ein Flugzeug gekauft werden konnte“, berichtet Gässler. Aber es gibt auch Verluste: Der erste
Motorflieger in Friedrichshafen, die „Tiger Moth“, landet
im April durch einen Pilotenfehler unsanft im Seewald. Der
Pilot bleibt unverletzt, die Maschine ist ein Wrack.
Fast 30 Jahre nachdem die damalige Luft Hansa ihre Bodenseeflüge eingestellt hat, interessiert sich auch erstmals
wieder eine Fluggesellschaft für Löwental: Der Bodensee-Flugdienst will 1966 mit einer zweimotorigen Beechcraft Be 65 Großstädte mit Friedrichshafen verbinden. Der
Versuch misslingt, die Linie stellt ihren Dienst nach kurzer
Zeit ein. Auch die Heeresflieger ziehen 1966 vom Bodensee
ab.
Der Flughafen erlebt sein nächstes Epochenjahr 1968. Am
18. August übergibt die französische Armee der Bundeswehr offiziell die Hoheit über das Areal, die dort kurz danach Stellungen für „Hawk“-Flugabwehrraketen errichtet.
Bereits im Juli 1968 hat die Wehrbereichsverwaltung 5
mit der Flughafen GmbH einen Mitbenutzervertrag unterzeichnet. Durch den Tausch des Geländes in der „Graf-Zep24
pelin“-Kaserne erwirbt die Flughafen-Gesellschaft einen
Platz im nordöstlichen Flugplatzbereich.
1973 kehren die Franzosen überraschend zurück, mit 15
Gazelle- und 10 Puma-Hubschraubern. Die Verlegung des
2. französischen Korps „Groupe d‘aviation légère du 2ème
corps d‘armée“ (GALCA 2) wird von heftigen Protesten der
Bevölkerung begleitet, die sich vor Lärm fürchtet. Nachdem
auch Eingaben an das Verteidigungsministerium keinen Erfolg bringen, landen im Dezember die ersten Hubschrauber.
Die Franzosen bleiben bis zum Juni 1992. „Am Ende waren
wir 800 Soldaten, mit Familien vermutlich 3500 Menschen“,
schätzt der Soldat Said Bellout (siehe Porträt). Die Kaserne
hat sogar einen eigenen Supermarkt.
Derweil versuchen verschiedene Fluggesellschaften, in
Löwental Fuß zu fassen. Meist erfolglos – was auch am
Zustand des Platzes liegt. „Die Betonplatten heben sich
an allen Enden. Das ist für leichte Flugzeuge noch kein
großes Problem, doch wenn mal etwas Schnelleres oder
Schwereres ankommt, gibt es Schwierigkeiten“, schreibt
der Pilot Rolf Wurster in seinem Buch „Mit dem Flugzeug
in die Provinz. Der lange Weg des Regionalflugverkehrs“.
Erst als der Friedrichshafener Stadtrat das Budget für eine
30 Meter breite, neue Asphaltschicht freigibt, bessern sich
die Aussichten, neue Airlines anzulocken. Und die sind
wichtig für die Bodenseestadt. Denn die örtlichen Global
Player verlangen nach einer zuverlässigen Luftanbindung.
„Von diesem Industriestandort aus ist noch etwas zu holen,
orakelt man in der regionalen Luftfahrtbranche“, schreibt
Wurster.
Eine Chance, die in dieser Zeit auch die Friedrichshafener
Geschäftsleute Christian Kubon und Hermann Ritter erkennen. Der Anwalt und der Bierbrauer gründen 1974 die
Fluglinie Kuri, die Business-Charterflüge für ZF, MTU und
Dornier abwickelt. Der in Friedrichshafen gegründeten
Delta Air gelingt schließlich der Durchbruch. Mit einer De
Havilland „Twin Otter“ bedient Delta ab 1978 die Strecken
nach Stuttgart und Zürich. Für Charterflüge hält sie zwei
Piper „Cheyenne“ und eine Beechcraft „Super-King-Air“
bereit. Es geht aufwärts.
Für den LSC endet das Jahr mit einem Erfolg: Nach zähen
Verhandlungen mit der Oberfinanzdirektion Stuttgart unterzeichnet der Verein einen notariellen Kaufvertrag über
Experimentierfeld Löwental: Doch der Ein-Mann-Hubschrauber „Do 32“ bleibt im Versuchsstadium stecken
das LSC-Grundstück in Löwental. „Damals gab es Bestrebungen, uns hier herauszudrängen“, erinnert sich der damalige
LSC-Präsident Hermann Amrein, der die Verhandlungen
führte. „Da haben wir gesagt: Nicht mit uns. Wir sind der
Verein, mit dem das Fliegen hier überhaupt begonnen hat.“
Bei der Flugzeugtaufe des Bodensee-Flugdiensts herrscht Zuversicht
25
1958 - 1978
Kommandeurswechsel der französischen Heeresflieger 1975
Beim Deutschlandflug 1967 ist die LSC-Halle das einzige Gebäude weit und breit
26
Said Bellout – Wehrdienst im Club
Méditerranée
Als der 18-jährige Said Bellout Ende 1975 in Paris seinen
Einberufungsbescheid erhält, ist er entsetzt. Tahiti lautete
sein Wunschziel, sein bester Freund Gérard hat es dorthin
geschafft und schwärmt von den paradiesischen Zuständen.
Bellout scheint beste Karten zu haben, schließlich kennt
er den für die Verteilung der Rekruten zuständigen Hauptmann. Doch auf seinem Einberufungsbescheid liest er statt
des Vermerks „Outre-Mer“ (über das Meer) „Outre-Rhin“
(über den Rhein), genauer: Friedrichshafen. Bodensee statt
Südsee.
Auch die Worte, mit denen der Platzoffizier der Garnison
Löwental an einem Samstag im Juni 1976 die Neulinge
begrüßt, klingen zunächst wie ein Witz auf seine Kosten:
„Willkommen im Club Méditerranée!“, sagt der Offizier. Wie
bitte: der Wehrdienst als Urlaub? Doch die Realität hält
dem Versprechen stand. Gleich am nächsten Tag steht ein
Ausflug nach Neuschwanstein auf dem Programm, und auch
der Arbeitsalltag in der elitären Aviation légère de l‘armée
de Terre (A.L.A.T.) hat mehr mit Savoir-vivre als mit Stiefelknallen zu tun. Vor dem Frühstück ein lockerer Dauerlauf
in Richtung Seewald, danach eine gemütliche Tätigkeit
im Lager, wo er vor allem für die Kleidung der Puma- und
Gazelle-Besatzungen zuständig ist. Überdies sind die Umgangsformen in der Elite-Einheit tatsächlich so „leger“, wie
es der Name verspricht. „Es war sehr angenehm“, erinnert
sich Bellout.
Und erst die Wochenenden! Ihren Monatssold von 150
Francs (plus zwei Stangen filterlose Gauloises) tauschen
­Bellout und seine Kameraden am Hafenbahnhof in D-Mark
um, meist geht der Sold schnell für Freizeitvergnügungen
drauf. Von deutsch-französischen Ressentiments ist in der
Stadt nichts mehr zu spüren, bei Bellout sowieso nicht, im
Gegenteil: Er bleibt nach dem Ende seines Wehrdiensts 1977
in Friedrichshafen – und verliebt sich in eine Deutsche.
Zwischen 1989 und 2009 führt ihn sein beruflicher Weg
nochmals zum Flughafen, wo er in der Fluggast­kontrolle
arbeitet. Seit 2009 ist Said Bellout Experte für einen anderen deutsch-französischen Ort: Er arbeitet als Guide im
Dornier-Museum.
27
1980 Einrichtung des Instrumentenflugs
1982 Delta fliegt neue Ziele an
1979 - 1992
1989 Neues Abfertigungsgebäude
Sommercharter von Condor – Kampf um den Start der Boeing 737 („Flughafen für alle“)
1992 Abzug der Franzosen
Steigflug: Abschied von der „Baracke“
Der Flughafen bekommt ein modernes Anflugsystem, es gibt Streit um Condor – und die Franzosen ziehen ab.
Zeitgemäß: Im November 1988 wird das neue Terminal eröffnet
Von einem modernen Verkehrsflughafen ist Löwental Anfang 1979 meilenweit entfernt. Passagiere fühlen sich
beim Anblick der Abfertigungs-Baracke an die Kulisse aus
dem Film „Des Teufels General“ erinnert. „Waren das noch
Zeiten, als man Ende der 70er-Jahre vom Buschflughafen
in Friedrichshafen sprach, weil morgens die Toiletten in
der hölzernen, als Warteraum für die Abflüge genutzten
Baracke zugefroren waren“, schreibt das „Handelsblatt“
über diese Zeit. „Heimeliger war die Praxis des Piloten des
Dornier-Werksverkehrs von Friedrichshafen nach Oberpfaffenhofen: Er begrüßte jeden seiner Passagiere persönlich
und wusste genau, wer vorm Abflug noch fehlte. Er wartete
einfach, reichte die Thermoskanne durch und bot ein paar
Plätzchen an.“
28
In den kommenden Jahrzehnten wird sich dieses Bild
massiv verändern. Noch bevor der spätere Geschäftsführer
Hans Weiss 1981 zunächst als Betriebsleiter zum Flughafen
stößt, gibt es erste Modernisierungsansätze: So wird im
Juni 1979 eine Kontrollzone eingerichtet. Ab jetzt dürfen
Flugzeuge nur noch mit Genehmigung der Fluglotsen einund ausfliegen. Allerdings gilt sie nur werktags: „Am Wochenende waren wir nur dazu da, Informationen über Wind
und Wetter herauszugeben“, sagt Claudia Jungschmidt, die
1979 als Lotsin angefangen hat (siehe Porträt). Ein Jahr
später schafft der Flughafen ein Instrumentenanflugverfahren an. Nun ist auch bei schlechter Sicht ein Anflug
möglich.
Ende der 1970er beschäftigt sich auch die Messe Friedrichshafen erstmals mit dem Thema Fliegen. Bei der ersten RMF
(Rennsport, Motor, Freizeit) wird 1978 auch eine Handvoll
Flugzeuge auf dem Flughafen ausgestellt. 1981 beteiligen
sich bereits 73 Firmen, auf dem Flugplatzgelände werden
Flugshows geboten. Ab jetzt findet die AERO, wie sie später
heißt, im Zweijahresrhythmus statt – und wird bald zur europäischen Leitmesse für Allgemeine Luftfahrt.
Die Flughafen Friedrichshafen GmbH lässt derweil zunächst
die Anflugsysteme modernisieren. Denn das ungerichtete
Funkfeuer erweist sich gerade bei Nebelwetterlagen als
unzureichend. Viele Abendflüge von Zürich müssen ausfallen, die Schlecht-Wetter-Landung bleibt für Piloten
eine He­rausforderung. Ein Manko, das auch in der heimischen Wirtschaft nicht unbemerkt bleibt. „Eine Maschine
mit MTU-Geschäftsführer Dr. Hans Dinger kam einmal im
Schnee zum Stehen, weil sie die Bahn nicht getroffen hat“,
erinnert sich Hans Weiss. Dinger, der auch im Beirat der
Flughafen GmbH sitzt, macht sich daraufhin für einen neuen Landekurssender stark. Die Navigationsanlagen werden
1983 umgerüstet.
Das Catering dagegen bleibt improvisiert: Eine Köchin aus
Friedrichshafen schmiert frühmorgens Brote für die Passagiere und fährt sie mit ihrem Passat an den Flieger. An Bord
der „Twin Otter“ werden die Schnittchen vom Copiloten verteilt. Flugbegleiterinnen gibt es noch nicht. Doch mit der
Der Tower im Jahr 1979
Modernisierung zieht der Flugbetrieb an: Im Sommer 1984
gibt es nach einem halben Jahrhundert wieder eine Verbindung von Friedrichshafen nach Berlin-Tegel. Allerdings
muss Direkt-Air die Linie bereits ein Jahr später einstellen.
Ein Schicksal, das später auch die kleine Fluggesellschaft
Berlin-Regional ereilt.
Rustikal: die alte Abfertigungsbaracke
29
1979 - 1992
1979 entdeckt die benachbarte Messe Friedrichshafen das Thema Fliegen für sich
Aber auch wenn die Hubschrauber der französischen Armee
keine Landebahn brauchen: Löwental ist immer noch ein
­Militärflughafen. Die Fluglotsen müssen einen Passierschein vorweisen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen.
Und von den zwei Startbahnköpfen steht dem zivilen Flugverkehr nur ­einer zur Verfügung. Die Folge: Viele Maschinen
müssen zeitaufwändig zurückrollen, um in Startposition zu
kommen. Der Verkehr auf dem Rollfeld verlangsamt sich.
Auch in den Flughafengebäuden geht es gemächlich zu.
„Weit entfernt von der Hektik der meisten internationalen
Flughäfen entspannen sich die Passagiere mit einer Tasse
Kaffee am Check-in-Schalter und warten auf ihren persönlichen Aufruf zum Flugzeug“, wirbt Delta Air 1987 in einem
Prospekt. Delta mietet sich in diesem Jahr fest in der neuen
Flugzeughalle ein, die gerade von der Flughafen GmbH gebaut worden ist.
Der Geschäftsführer kümmert sich da längst um Geld für die
Modernisierung. Mit Erfolg: Neben der Landesregierung,
die den Flughafen als „verkehrswichtig“ fördert, überzeugt
die Flughafen GmbH auch ihre Gesellschafter von notwendigen Investitionen. So kann neben der „Luftseite“ nun
30
auch die „Landseite“ angegangen werden: Im November
1987 fällt der Startschuss für den Bau eines neuen Abfertigungsgebäudes. Im Dezember 1988 wird das neue Terminal
eröffnet. Im selben Jahr investiert der Flughafen auch in
die Startbahn: Ein Anti-Skid-Belag verbessert den Abfluss
des Regenwassers und die Bremswirkung der Flieger.
Das Wendejahr 1989 beginnt turbulent: Eine Bürgervereinigung demonstriert vor dem neuen Terminal. Die Lufthan-
Claudia Jungschmidt –
Fluglotsin im Wilden Westen
An einem Sommertag des Jahres 1981 sitzt Claudia
Jungschmidt auf der Motorhaube eines Militärlasters und
spricht in ihr Funkgerät. Ein paar Meter hinter ihr bekommt der alte Kontrollturm des Flughafens gerade eine
Verjüngungskur. Auf der Landebahn vor ihr wird in wenigen Minuten ein Flieger erwartet. Jungschmidt, seit zwei
Jahren Lotsin in Löwental, hält von ihrem Sonnenplatz aus
Funkkontakt.
„Während der Turm umgebaut wurde, hat uns die Bundeswehr einen mobilen Tower zur Verfügung gestellt“, erinnert
sie sich an die skurrilsten Wochen ihrer Karriere. Doch
in dem verglasten Mini-Turm, den die Soldaten auf einen
­Militärlaster aufgesetzt haben, ist es den Fluglotsen viel
zu heiß. Also setzen sie sich mit ihren Funkgeräten kurzerhand auf die Motorhaube. Eine schöne Erinnerung an den
„Wild-West-Flughafen“, wie Jungschmidt den Airport von
damals liebevoll nennt.
ab. In Österreich ist Frauen dieser Beruf damals noch verwehrt. Jungschmidt geht für ihre Ausbildung zurück nach
Stuttgart. Und kommt 1979 als Lotsin nach Friedrichshafen. Dort arbeitet sie – ein weiteres Kuriosum – bis zum
Abzug der Franzosen 1992 Seite an Seite mit Kollegen des
französischen Militärs. Die Sprache des jeweils anderen
verstehen beide Seiten nicht. „Aber in der Flugsprache gibt
es zum Glück Phraseologien: Landing und Take-off haben
alle verstanden.“
Jungschmidt kümmert sich auch um die Flughafenzeitung
und wird so nebenbei zum Gedächtnis des Airports. Wenn
sie zurückblicke, sei sie immer wieder verblüfft, wie sich die
Fliegerei in ihrer Zeit entwickelt habe, sagt die 62-Jährige:
„Die Twin Otter war damals für uns eine große Maschine.
Wenn heute mal eine kommt, denke ich: Was für ein kleines
Spielzeug!“
Dass sie überhaupt Fluglotsin wird, ist ein kleines Kurio­
sum. Frauenstimmen sind im Funkverkehr dieser Zeit
­extrem ­selten. Als die Hobbyfliegerin in der Steiermark,
wo die Schwäbin in den 1970ern lebt, eine Ausbildung
bei der Flugsicherung machen will, lehnen die Behörden
31
1979 - 1992
Der „Bodensee-Jumbo“ im Bild: Die „Twin Otter“ der Delta Air bietet 300 km/h Reisegeschwindigkeit und 20 Sitzplätze
sa-Tochter Condor will ab Friedrichshafen Touristik-Charter
nach Mallorca und Kreta anbieten, einige Anwohner halten
die dafür vorgesehene Boeing 737-300 für zu laut. Für die
schweren Flieger braucht der Flughafen eine neue Tonnage-Genehmigung, die ihm der Stadtrat mit knapper Mehrheit
verwehrt. Nach juristischem Tauziehen, das von Aktionen
einer „Flughafen für alle!“-Bewegung für die Urlaubsflüge
begleitet wird, darf Condor am 7. Mai 1989 schließlich doch
landen (siehe Porträt). Die für 1990 geplanten Umläufe
erhalten vom Regierungspräsidium Tübingen allerdings
keine Ausnahmegenehmigung mehr, die erforderliche Zustimmung des Gemeinderates und des Kreistages erfolgt zu
Auch die Do 228 wird von Delta Air im Regionalverkehr eingesetzt
32
spät. ­Deshalb taucht das Kürzel FDH erst 1991 wieder in
den Flugplänen von Reiseunternehmen auf.
Die französischen Heeresflieger bereiten sich nach der
deutschen Wiedervereinigung derweil auf den Abschied vor.
Im Mai 1992 sagen sie „Adieu“, nach 47 Jahren. Für den
zivilen Flugbetrieb gibt es plötzlich viel Platz. Raum für
neue Investitionen.
Michael Thaler – Heimspiel in der Luft
Wie viele Male ist er von hier abgehoben? Er weiß es selbst
nicht mehr. Seit er 16 Jahre geworden war, ist er fast jeden
Tag die paar Kilometer aus Meckenbeuren zum Flugplatz gefahren, hier hat er den Segelflugschein gemacht, später ist
er von hier zur Flugschule der Lufthansa nach Bremen geflogen. Er kennt diesen Flughafen in- und auswendig. Und
doch ist heute, am 7. Mai 1989, alles anders. Denn als Michael Thaler am frühen Nachmittag das Rollfeld betritt, trägt
er Uniform: als Co-Pilot des ersten Condor-Charterflugs.
Auf dem Weg zur B 737 mit dem Kennzeichen D-ABWE wird
die Crew um Flugkapitän Buderus genau beobachtet: Das
Fernsehen ist da und einige Demonstranten, unter die
sich – im Scherz – auch Thalers späterer Schwiegervater
gemischt hat. Um 14.22 Uhr Ortszeit ist es soweit: Mit etwa
250 km/h hebt die Maschine in östlicher Richtung ab, um
dann nach Süden in Richtung Palma de Mallorca abzudrehen. „Ich kann mich noch genau erinnern: Es war ein wunderschöner Tag“, sagt Michael Thaler – nicht nur wegen des
wolkenlosen Himmels.
Über den Alpen, fünf Flugminuten vor der französischen
Grenze, dann eine Schrecksekunde: Über Funk erhält man
die Nachricht, dass keine Überfluggenehmigung vorliegt.
Offenbar sind die französischen Flugbehörden auf einen
Urlaubsflug aus Friedrichshafen nicht eingestellt ... Nach
einer Warteschleife können die Piloten aber wieder Kurs auf
die Balearen nehmen, und um 16.08 Uhr ist die Premiere erfolgreich beendet. Ein halbes Dutzend Mal steuert Michael
Thaler in jenem Sommer noch Palma sowie den Flughafen
Heraklion auf Kreta an.
Längst ist der heute 49-Jährige als Flugkapitän bei der
Lufthansa für die A320 verantwortlich. Doch dieser Tag
im Mai 1989 bleibt einer jener Momente, die ihn daran
erinnern, warum er Pilot werden wollte, seit er seinen Heimat-Flughafen zum ersten Mal betrat.
33
1994 Der Flughafen wird zur Großbaustelle und zum „Verkehrsflughafen“
1992 - 2002
1997 Anbindung an den ÖPNV
1998 Flughafen GmbH wird Eigentümerin
1999 Friedrichshafen wird „Winner of the Year“ bei Cockpit
Reiseflughöhe: Ein Flughafen wird erwachsen
Skitouristen fliegen zum Bodensee. Der Flughafen wird zur Großbaustelle – und endlich Herr im eigenen Haus. Und am Himmel taucht ein Zeppelin auf.
Pop Art am Bodensee: Der US-amerikanische Künstler James Rizzi gestaltete 1996 für eine Boeing 757 von Condor ein extravagantes Design
Nach dem Start der Condor-Touristikflieger macht sich der
Flughafen Anfang der 1990er-Jahre weiter fit für die Zielgruppe „Urlauber“. „Plötzlich wollten alle fliegen“, erinnert sich der damalige Geschäftsführer Hans Weiss. Zu den
150.000 Geschäftsreisenden, die jährlich in Löwental abheben, kommt ein vergleichbares Potenzial an Touristen. 1991
gibt es neue Sommercharter nach Mallorca, Heraklion und
Antalya. Auch für den Incoming-Winterflugverkehr wird
Löwental zunehmend interessant: Weil der Flughafen Inns34
bruck Kapazitätsprobleme hat – und in österreichischen
Hotels ausschließlich am Wochenende Bettenwechsel ist
–, positioniert sich Friedrichshafen als Ausweichs-Landeort. Mit Erfolg: Immer mehr Charter aus Großbritannien,
Skandinavien und sogar Russland nehmen Kurs auf „FDH“.
Derweil wird die Delta Air, mit der in Löwental der Zivilflug
begann, 1992 von British Airways übernommen und zur
Deutschen BA umfirmiert.
Die neuen Flieger machen weitere Modernisierungen nötig.
Nach jahrelangen Vorbereitungen wird der Flughafen 1994
zur Großbaustelle: Von Juni bis November pflügen Bagger
das Areal um. Die Startbahn wird komplett erneuert – bei
laufendem Betrieb. Die Bagger arbeiten nachts, tagsüber
heben die Flieger ab. „Wir haben die Landebahn gedrittelt, so dass immer zwei Drittel nutzbar waren“, erklärt
Hans Weiss. Die Zahlen der Sanierungsarbeiten lassen die
Mammutaufgabe erahnen: 15.000 Tonnen Kies, 50.000
Tonnen Betonaufbruch und 35.000 Kubikmeter Erde werden
bewegt. Allein für die Entwässerung verlegen die Arbeiter
18.400 Meter Rohre und Rinnen. 94.000 Tonnen Asphalt
werden verarbeitet, 105 Kilometer Kabel verlegt und 630
Löcher für die Unterflutfeuer in die Startbahn gebohrt.
Zeitweise sind 50 Lastwagen gleichzeitig auf dem Rollfeld.
Am Ende misst die Startbahn einschließlich der Überrollstrecken 2350 Meter – und ist damit zur damaligen Zeit
ähnlich lang wie die des Flughafens Stuttgart.
Die Graf-Zeppelin-Kaserne vor ihrem Abriss
Der Flughafen nach dem Abschluss der Sanierungsarbeiten
35
1992 - 2002
Aus der Delta Air wird 1992 die Deutsche BA. British Airways hält 49 Prozent der Anteile
Als die letzten Arbeiter den Flugplatz verlassen, ist eine
Baumaßnahme mit einem Gesamtvolumen in Höhe von
45 Millionen DM abgeschlossen. „Ohne die Zuschüsse vom
Land Baden-Württemberg und die Kapitaleinlagen der
Fried­r ichshafener Unternehmen, der Stadt Friedrichshafen
und dem Bodenseekreis wäre der Ausbau unmöglich ge­
wesen“, sagt Hans Weiss. Auch die Technik im Kontrollturm
Neuer Bahnhalt: Optimale Anbindung an das Schienennetz
36
und die elektronischen und optischen Anflugssysteme werden auf den neuesten Stand gebracht. Im selben Jahr erhält
der bisher als Verkehrslandeplatz zugelassene Flugplatz
Friedrichshafen am 24. August 1994 die Neueinstufung als
„Flughafen des allgemeinen Verkehrs“ (Verkehrsflughafen).
Die Ankunft der ersten Maschine vom Typ Saab 2000 für
die Deutsche BA, die die fünf kleineren Saab 340 ersetzt,
macht auch den Bau einer neuen Halle notwendig. Sie ist
ausgelegt für zwei Boeing 737 oder drei Saab 2000 und
noch vor dem Jahreswechsel 1995/96 bezugsfertig. Um den
Flugbetrieb den veränderten Bedingungen anzupassen,
stellt die Flughafen Friedrichshafen GmbH im Juni 1995
zudem einen Änderungsantrag beim Verkehrsministerium
Baden-Württemberg: Die bisherige Betriebsgenehmigung,
die ein Höchstabfluggewicht von 70 Tonnen und durchschnittlich sieben Umläufe pro Woche vorsieht, wird durch
eine Lärmkontigentierung auf einen Dauerschallpegel von
62 Dezibel (A) für Flugzeuge ersetzt.
Auch die unmittelbare Umgebung wird modernisiert: 1997
wird der neue Bahnhalte-Punkt „Friedrichshafen-Flughafen“ eingeweiht. Reisende können nun mit dem Zug
fast direkt vors Terminal fahren, wodurch eine optimale
Erreichbarkeit sichergestellt wird. Zeitgleich beginnt auf
der nordöstlichen Seite des Geländes das Projekt Zeppelin
NT (Neue Technologie): Am 18. September steigt der erste
Prototyp, der Zeppelin NT 07, zu seinem Jungfernflug
auf und landet nach 40 Minuten vor dem neu erbauten
Zeppelin-Hangar.
In einem Friedrichshafener Notariat wird am 13. Juli 1998
dann ein wichtiger Vertrag besiegelt: Die Flughafen Friedrichshafen GmbH schließt mit der Bundesrepublik einen
Kaufvertrag über das Gelände – und wird damit 70 Jahre
nach ihrer Gründung endlich Herr im eigenen Haus. Verhandlungsführer für den Erwerb aller von den Franzosen
genutzten Liegenschaften ist die Stadt Friedrichshafen.
Nach langen Verhandlungen einigen sich die Delegationen
auf einen Kaufpreis von 9,5 Millionen DM für das 150 Hektar
große Areal.
Noch im selben Jahr wird das seit langem funktionslose
Bahnwärterhäuschen am neuen Bahnhalt abgerissen, und
der Flugplatz bekommt mit der Webseite www.fly-away.de
einen Internet-Landeplatz. Die Modernisierungsmaßnah-
men machen sich inzwischen auch nach außen hin bezahlt:
1999 kürt die Pilotenvereinigung Cockpit Friedrichshafen
erstmals zum „Winner of the Year“ als bestausgerüsteter
Regionalflughafen. Auch der Charterbetrieb gewinnt immer
mehr an Bedeutung: Die Urlaubsdestinationen erstrecken
sich über das gesamte Mittelmeer und die Kanarischen
Inseln. 2002 kommt Spanair nach Löwental, und Ryanair
bedient als erster Lowcost-Carrier in Friedrichshafen die
Strecke nach London-Stansted.
Die nächste Bauphase folgt: 8,8 Millionen D-Mark kostet der
Ausbau des seit 1988 bestehenden Abfertigungsgebäudes.
Im November 2002 wird das neue Terminal eröffnet: Das
Gebäude ist doppelt so groß wie das alte, es gibt neue Gepäckbänder, Sicherheitsschleusen und Büroräume im Obergeschoss. Die Zahl der Parkplätze wächst von 400 auf 700,
und ein Flughafenrestaurant wird eröffnet. Auch für Reisebüros, Kiosk und Mietwagenschalter ist nun mehr Platz.
Und auf dem Dach gibt es jetzt eine Besucherterrasse.
Fläche verdoppelt: 2002 wird das neue Terminal eröffnet
37
1992 - 2002
Comeback der weißen Riesen: Der Zeppelin NT feiert 2002 Premiere
38
Walter Schoch – Promi-Jäger auf dem Vorfeld
Walter Schoch hat sie alle getroffen: Alain Delon und Angela Merkel, Helmut Schmidt und Roberto Blanco, Franz-Josef
Strauß und Mickey Hart von der Hippie-Band Grateful Dead.
US-Sängerin Joan Baez malt ihm eine Blume aufs Papier,
Otto Waalkes einen Ottifanten. Und NASA-Astronaut Tom
Stafford, Kommandant der Apollo X, schreibt „To the Friedrichshafen airport – with my very best wishes“ in das Buch,
das Schoch ihm auf dem Vorfeld des Flughafens hinhält.
Walter Schoch, heute 72, aber immer noch im orangefarbenen Dress des Vorfeldmitarbeiters, erinnert sich gern an die
Zeit, als er bei jedem Blaulicht zu seinem Spind gesprintet
ist. „Wenn Polizei vorfuhr, bin ich gleich los und hab das
Buch geholt“, erzählt der ehemalige Flughafenangestellte,
der heute bei einer Gebäudereinigung am Airport arbeitet.
Zu seinem Job gehört damals das Einwinken und Betanken,
auch um Koffer und Fracht der gelandeten Maschinen kümmert er sich. Interessant sei das gewesen, sagt Schoch, und
fast familiär, weil auf dem kleinen Flughafen jeder jeden
kennt.
Immer öfter kommen dem Vorfeldmitarbeiter auch die Passagiere bekannt vor, die ein paar Meter vor ihm die Gangway
hinabsteigen. Für die Promis, die am Flughafen Friedrichshafen landen, hat der Luftsportclub eigentlich ein Goldenes Buch. Doch das verstaubt Anfang der 1970er-Jahre im
Schrank. „Erst 1973 kam es zum Vorschein, als ich gesagt
habe: Wie wäre es, wenn ich das Buch in meinem Spind
verstaue? Und wenn jemand kommt, nehme ich es mit aufs
Rollfeld“, erinnert sich Schoch, der damals LSC-Mitglied
war.
Gesagt getan. In den nächsten 35 Jahren rennt Walter
Schoch Hunderte Male mit dem Buch unterm Arm auf das
Vorfeld. Weil die Polizei ihn kennt, lässt sie ihn tatsächlich
zu allen Prominenten durch. Und alle unterschreiben – bis
auf eine: Prinzessin Anne, die Schwester von Englands
Prinz Charles. Dafür lädt Italo-Sänger Eros Ramazotti ihn
einmal auf einen Drink in seinen Flieger. Das schönste Erlebnis ist für den flugbegeisterten Schoch aber ein Besuch
des russischen Riesenfliegers Antonow 124: „Da hat mein
Herz höher geschlagen.“
Als Kanzlerin Merkel ihm 2006 bei einem Zwischenstopp
nach Davos etwas Unleserliches ins Buch kritzelt, spekuliert die Lokalpresse darüber, ob das wohl „Alles Liebe“
heiße. „Alles Gute“, klärt der Autogrammjäger auf. „Ich
muss es wissen. So schreibt mein Doktor auch.“
39
2003 Erstflug von InterSky
2008 Terminal-Erweiterung
2002 - 2015
2009 Ibis-Hotel, Dornier-Museum
2010 Eröffnung des neuen Terminals
2012 Hans Weiss übergibt an Gerold Tumulka
2013 Turkish Airlines kommt
2014 Germania und BA kommen
2015 Schenker eröffnet weltweiten Luftfracht-Versand
Abflug: Neue Airlines, neue Ziele
Die InterSky gründet sich, der Terminal wird noch einmal erweitert – und das Streckennetz reicht bis nach Istanbul.
Ob innerdeutsch oder international: Der IATA-Code FDH taucht inzwischen in den Flugplänen vieler Airlines auf
Die Nachbeben des 11. Septembers 2001 sind auch in Löwental zu spüren. Die Sicherheitsmaßnahmen werden spürbar verschärft, die Abfertigung wird aufwändiger. Gab es
während der gesamten Besatzungszeit keinen Zaun um das
Militärgelände - nun gibt es ihn. Selbst der Geschäftsführer
muss sich in die Schlange bei der Sicherheitskontrolle stellen, wenn er zu seinen Mitarbeitern aufs Vorfeld will.
Im April 2002 nimmt die irische Low-Cost-Airline Ryanair
Flüge nach London auf. Das Angebot wird sich in den kommenden Jahren noch deutlich erweitern – unter anderem
werden erstmals Dublin, Alicante oder Pisa angeflogen.
2003 wird zudem der deutsch-österreichische Grenzbetrieb
40
um ein Kapitel reicher. Die Bregenzer Fluglinie InterSky
nimmt den Betrieb in Friedrichshafen auf. Die Fluggesellschaft ist zwei Jahre zuvor gegründet worden. Jetzt wählen
die Betreiber Rolf Seewald und Renate Moser Löwental als
neuen Heimatflughafen. Bis 2008 wächst ihre Flotte auf vier
Maschinen vom Typ Dash 8, das Streckennetz wird fortlaufend ausgebaut. Bis heute hat InterSky von Friedrichshafen
aus ganzjährig innerdeutsche Destinationen wie Berlin,
Hamburg und Düsseldorf sowie Ziele im benachbarten Ausland wie Zadar oder Elba und Charterflüge im Programm.
Die Lufthansa verbindet zudem Friedrichshafen mit bis
zu vier Flügen täglich mit dem internationalen Drehkreuz
Seit 2013 verbindet Turkish Airlines die Vierländer-Region Bodensee mit dem Drehkreuz Istanbul
Frankfurt. Aber auch neue exotischere Ziele wie Reykjavik
mit Iceland Express tauchen nun im Flugplan auf. Die Zahl
der Fluggäste wächst kontinuierlich an: von 399.000 (2000)
auf 658.000 im Jahr 2006.
Diese guten Zahlen sind die Grundlage für weitere Investitionen. Anfang 2008 geht der Terminal-Ausbau in die nächste
Phase. Betrafen die Baumaßnahmen fünf Jahre zuvor vor
allem die Abfertigung, wird jetzt das Ankunftsterminal
ausgebaut. Rund 10 Millionen Euro kostet der Um- und
Ausbau. Um den Komfort für die Passagiere zu erhöhen,
entsteht auch ein 80-Zimmer-Hotel neben dem Flughafen.
Auf dem Rollfeld verändert sich das Bild ebenfalls. Ryanair
zieht sich 2010 vom Bodensee zurück, dafür kommen neue
Airlines. Germanwings verbindet bis zu zwei Mal täglich
Friedrichshafen mit Köln/Bonn. Ein Jahr später folgt Air
Berlin; Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft hebt
erstmals im April 2011 nach Mallorca ab, bietet später auch
Flüge nach Antalya und Ibiza an. Im selben Monat ergänzt
Germania das touristische Angebot um die kanarischen
Inseln Lanzarote und Fuerteventura sowie Kreta, Rhodos
und Antalya. InterSky nimmt 2011 das Urlaubsziel Menorca
ins Portfolio auf. Hamburg Airways baut in Friedrichshafen
nicht nur verschiedene touristische Strecken, sondern auch
einen eigenen Service- und Wartungsstützpunkt auf.
Auch an der Abzweigung der Rollbahn entsteht Neues: Im
Juli 2009 öffnet das Dornier-Museum seine Tore. In Laufweite zum Terminal gelegen, können sich Besucher dort
über die Geschichte des Flugzeugpioniers Claude Dornier
und seines Unternehmens informieren, das als Teil von
Airbus heute ein paar Kilometer weiter westlich von Friedrichshafen unter anderem Satelliten für Weltraummissionen konstruiert. Die multimediale Schau, zu der auch ein
Hangar mit historischen Flugzeugen gehört, passt sich gut
ein in die Umgebung, in der Dornier selbst vor 70 Jahren
arbeitete.
Am 1. September 2010 beginnt am Bodensee-Airport eine
neue Ära: Nach 20 Monaten Bauzeit wird das neue Terminal
eröffnet. Nun stehen 14 Check-in-Schalter zur Verfügung,
zeitgleich können nun vier Flugzeuge mit je 150 Sitzplätzen abgefertigt werden. Die neue Ankunfts- und Abfertigungshalle verfügt über 3500 Quadratmeter Grundfläche,
insgesamt hat sich die bisherige Fläche auf 6500 Quadratmeter verdreifacht.
Als „eine der besten Destinationen“ lobt Turkish Airlines-CEO Temel
Kotil (vordere Reihe 3 v.l.) den Airport anlässlich des Premierenflugs
41
2002 - 2015
men der „Do-Days“ über Löwental. Starten – und deshalb
auch landen – kann der Riese von der Startbahn zwar nicht.
Für Besucher sind die drei Überflüge über die Start- und
Landebahn – fast auf den Tag genau 100 Jahre nach dem
berühmten „Schwabenflug“ – aber schon Spektakel genug.
Hans Weiss, der den Flughafen Friedrichshafen jahrzehntelang prägte, scheidet im Juni 2012 aus. Er übergibt nach
31 Jahren die Geschäftsführung an Gerold Tumulka. Im
Winter sorgen verschiedene Airlines für bunte Farben auf
dem Vorfeld – regelmäßige Ski-Incoming-Charterflüge aus
Rotterdam, London oder Manchester bieten Transavia, Aer
Lingus oder Monarch Airlines an. Letztere sorgt auch für
die regelmäßige Landung des größten Passagierflugzeuges
am Bodensee-Airport: Bis zu 361 Passagiere passen in den
Airbus A 300-600R.
Erstflug von British Airways am 14. Dezember 2014
Am 27. August 2011 kann man von der Dachterrasse des
Flughafens aus eine Premiere beobachten: Der Airbus A
380, das größte Passagierflugzeug der Welt, kreist im Rah-
Das 2010 eröffnete Terminal ist insgesamt 6500 Quadratmeter groß
42
Der neue Chef Gerold Tumulka kann innerhalb kurzer Zeit
gleich zwei neue große Fluglinien am Bodensee-Airport
begrüßen: Seit Dezember 2014 bindet British Airways
Friedrichshafen mit Linienflügen nach London-Gatwick in
ihr Streckennetz ein. Bereits im Mai 2013 eröffnet Turkish
Gaby Pachler – Keine Angst vor großen Männern
Der schönste Job der Welt, wie Gaby Pachler ihn nennt, ist
manchmal ganz schön stressig. Zum Beispiel, wenn man wegen schlechten Wetters nicht landen kann. „Früher waren
die Anflughilfen in Friedrichshafen noch sehr begrenzt“,
erinnert sich die 56-Jährige. „Da gab es nur ein ungerichtetes Funkfeuer und das war’s.“ Lag Nebel über dem See,
mussten Flugzeuge schon mal umdrehen. Einmal musste sie
drei Tage lang immer wieder zurück nach Frankfurt fliegen.
„Die haben abends im Hotel zu mir gesagt: Ach, Sie schon
wieder!“
Als Berufspilotin ist Pachler eine Spätstarterin. In den
1980er-Jahren betreibt die Mutter zweier Kinder ein Lokal
in einer Windmühle. Nebenbei macht sie als Hobbypilotin
Luftaufnahmen. Als sie über ihren Lebensgefährten den
Delta-Air-Chef Wolfgang Bierbach kennenlernt, trägt sie
sich gerade mit dem Gedanken, den Berufspilotenschein zu
machen. Sie solle doch lieber gleich die große Fluglizenz
angehen, schlägt Bierbach vor. Dann bekomme sie auch
direkt einen Job – bei der Delta Air. In Friedrichshafen.
Ihre erste Maschine 1989 ist eine Saab Fairchild 340. Auf
dem kleineren Metroliner ist der Komfort noch begrenzter.
„Wir nannten sie ‚Die Angströhre’, sagt Pachler. „Die Kabine
war so niedrig, dass der Copilot sich bücken musste, wenn er
den Passagieren die Stullen am Platz serviert hat.“ Pilotinnen sind damals selten, zumal in Löwental. „Ich dachte, das
wird bestimmt schwierig mit den vielen Militärpiloten hier.
Die sind gewohnt, alleine zu fliegen. Und die lassen sich
sicher nichts von einer Frau sagen.“ Doch die Angst erweist
sich als unbegründet. „Keiner hat Sprüche gemacht. Und
die Fluggäste – vor allem die Frauen – haben sich gefreut.“
Von Delta wechselt Pachler später zu Crossair, dann zu
­Cirrus. Inzwischen fliegt sie wieder ab Friedrichshafen –
diesmal für InterSky. „Ich wollte eigentlich immer zurück.
Es ist schon toll, an einem Flughafen zu arbeiten, bei dem
man auch das gesamte Bodenpersonal kennt.“ Gleiches gilt
für manche Stammgäste. Günther Jauch habe sie oft an
Bord, erzählt die Pilotin. Auch Teams aus der Fußball-Bundesliga nutzen die Dienste von InterSky. 2014 flog ein
Kollege von Pachler die Nationalmannschaft zum letzten
Trainings­l ager vor der WM. Ein paar Wochen später war
Deutschland Weltmeister.
43
2002 - 2015
150 Hektar, von oben gesehen: das heutige Flughafenareal
44
Airlines eine Direktverbindung von Friedrichshafen nach
Istanbul – eines der am stärksten wachsenden Drehkreuze
der Welt. Für Schwaben mit türkischen Wurzeln, Touristen
und Geschäftsreisende eine gute Nachricht, schließlich
wird die junge Fluggesellschaft bei den Skytrax World Airline Awards im selben Jahr von Gästen zum vierten Mal in
Folge als „Beste Airline in Südeuropa“ ausgezeichnet. Und
auch der Senkrechtstarter weiß, was er an dem Standort im
kleinen Löwental hat. Als „eine der besten Destinationen
von Turkish Airlines“ lobt CEO Temel Kotil anlässlich des
Erstflugs den Flughafen und fügt hinzu: ­„Friedrichshafen ist
der Ort, an dem Luftfahrtgeschichte geschrieben wurde.“
Wie wahr.
Das weltgrößte Flugzeug vor großartiger Kulisse: der Airbus A380 zu Gast bei den „Do-Days“ 2011
Strahlend schöner Nachbar: das Dornier Museum bei Nacht
45
46
AUSBL ICK
Der Bodensee-Airport hat einen steinigen Weg hinter sich und den aktuellen Erfolg
hart erarbeitet. Alle Regionalflughäfen müssen sich in einem Umfeld mit deutlich
verschärften Rahmenbedingungen behaupten – umso bemerkenswerter, dass sich der
Flughafen Friedrichshafen mit derzeit deutlichen Zuwächsen bei den Passagierzahlen
präsentieren kann.
In den letzten Jahren hat sich der Flughafen von einem defizitären Unternehmen,
nicht zuletzt auch infolge der Krisen 2008 und 2010, zu einem stabilen und gut
aufgestellten Betrieb entwickelt. Im Jahr 2014 konnte erstmals nach langer Zeit ein
positives Betriebsergebnis erreicht werden.
Diese positive Entwicklung bestätigt das bisherige Engagement und weist zugleich
den Weg in die Zukunft. Der Bodensee-Airport muss weiter nachhaltig wachsen, um
mit der bestehenden Infrastruktur Umsätze zu generieren. Die langjährige Strategie,
auf große etablierte Fluggesellschaften und nicht auf oft kurzfristig operierende
Low- Cost-Airlines zu setzen, hat sich bewährt. Künftig muss sich der Bodensee-­
Airport in allen Segmenten breit aufstellen, um künftige Schwankungen oder Krisen
in der Branche besser ausgleichen zu können.
Das Jubiläumsjahr zeigt, welch großes Potenzial in der Vierländer-Region steckt.
Davon zeugen ein deutlicher Kapazitätsaufbau bei Lufthansa, ein erweitertes
Flugangebot unseres Home-Carriers InterSky und das starke Touristik Angebot von
Germania, das noch deutlich ausgebaut werden soll. Ein deutliches Signal kommt auch
von Turkish Airlines, die ihr Angebot mit nun täglichen Flügen zum Drehkreuz Istanbul
erweitert.
Wir vom Bodensee-Airport werden auch künftig alles tun, dass unsere international
orientierte, exportstarke Region mit ihren Menschen von weiteren neuen weltweiten
Verbindungen ab dem Bodensee-Airport profitieren kann.
Claus-Dieter Wehr
Geschäftsführer der Flughafen Friedrichshafen GmbH
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IMPRE SSUM
Herausgeber
Bildnachweise
Flughafen Friedrichshafen GmbH
Postfach 1520
88005 Friedrichshafen
www.bodensee-airport.eu
Archiv FFG: 2, 6, 13, 16, 20, 23, 26 (Franz Thorbecke),
28, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 48
Redaktionell verantwortlich
Archiv Said Bellout: 27
Andreas Humer-Hager,
Leiter Marketing und Unternehmenskommunikation
Archiv Rudolf Flintrop: 18, 21, 22, 24, 25
Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH Friedrichshafen:
5, 7, 9, 15
Archiv Claudia Jungschmidt: 29, 30 , 31, 32, 34, 36
Konzept und Text
Michael Aust: 19, 31, 39, 43
Michael Aust (www.michael-aust.de)
Jens Poggenpohl (www.jenspoggenpohl.de)
Deutscher Wetterdienst: 3
Dornier Museum Friedrichshafen: 8, 10, 11, 12, 25,
45 (Florian Holzherr)
Gestaltung und Druck
Messe Friedrichshafen GmbH: 30
bodensee medienzentrum GmbH & Co. KG
Lindauer Straße 11
88069 Tettnang
www.bodensee-medienzentrum.de
J.-C. Parent: 20
Jens Poggenpohl: 27, 33
Royal Air Force Museum: 17
Sammlung Armin Loch: 4, 14
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