BEST OF Otto Brenner Preis 2009

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BEST OF Otto Brenner Preis 2009
Rückenbreite XX mm
/ XXXx Seiten Inhalt, Format: 140 x 210mm
BEST OF
Otto Brenner Preis 2009
www.otto-brenner-preis.de
www.otto-brenner-stiftung.de
Otto Brenner Preis 2009
Kritischer Journalismus –
Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten
Preisträger 2009 · Begründungen der Jury · Prämierte Beiträge
Recherche-Stipendien · Preisverleihung 2009 · Ausschreibung 2010
BEST OF
Otto Brenner Preis 2009
Kritischer Journalismus –
Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten
5
Vorwort
Jupp Legrand
8
Eröffnung
Berthold Huber
14
37
43
49
INHALT
53
62
64
3
Tina Groll
„Angepumpt und abkassiert:
Subprime in Deutschland“
68
Marianne Wendt und
Maren-Kea Freese
„Ich schreibe, also bin ich“
Festrede
Tom Schimmeck
Preisträger 2009
33
66
Medienprojektpreis
Attac Deutschland
„ZEIT“-Plagiat
1. Preis
Marc Thörner
„Wir respektieren die Kultur“
2. Preis
Ulrike Brödermann und
Michael Strompen
„Der gläserne Deutsche –
wie wir Bürger ausgespäht
werden“
3. Preis
Simone Sälzer
„Leben in Würde“
Otto Brenner Preis „Spezial“
Christian Semler
„Fleißig gebuddelt,
wenig Ertrag“
Recherche – Stipendien I
Moderatorin Sonia Seymour
Mikich im Gespräch mit JuryMitglied Thomas Leif
Sandro Mattioli
„Auf Dreck gebaut: Wie sich
die Müllmafia in Deutschland
etabliert“
74
Recherche – Stipendien II
Jury-Mitglied Thomas Leif im
Gespräch mit ehemaligen Preisträgern
Ergebnisse abgeschlossener Stipendien
82
Veronica Frenzel
„Schattenbrüder“
86
Günter Bartsch
„Schickt Briefe!“
„Helios Media: Das Geschäft mit
der Eitelkeit“
97
Thomas Schuler
„Soft Power“
103
Thomas Schnedler
„Stell! Mich! An!“
Ausgewählte Texte und Reden
Georg Mascolo
Laudatio zur Verleihung des
„Leuchtturms für besondere
publizistische Leistungen“
112
118
Die Jury
124
Daten und Fakten
zum Brenner Preis 2009
126
Preisträger 2005 – 2008
128
Ausschreibung
Otto Brenner Preis für
kritischen Journalismus 2010
131
Impressum
132
Inhaltsverzeichnis der DVD
„Brenner Preis“: Eine anspruchsvolle Auszeichnung
für herausragenden Journalismus
VORWORT
Die noch kurze, aber erfolgreiche Geschichte des „Otto Brenner Preises für kritischen Journalismus“ steht für den Anspruch, nur Beiträge zu prämieren, die in
der breiten Masse durch eigenständige und intensive Recherche auffallen, durch
die Themenwahl überzeugen und sich durch besondere journalistische Qualität
auszeichnen. Garant für die treffsichere Auswahl und die anspruchsvolle Auszeichnung besonderer journalistischer Leistungen ist die unabhängige Jury,
die ihre Entscheidungen anhand transparenter Kriterien trifft – und öffentlich
begründet.
Die überwältigende Resonanz, auf die die Ausschreibung zum „Otto Brenner
Preis 2009“ wieder gestoßen ist, unterstreicht, dass die professionelle Arbeit
der ehrenamtlich tätigen Fach-Jury hohes Ansehen genießt und der Journalistenpreis der Otto Brenner Stiftung eine breite Wertschätzung erfährt. Über 500
Bewerbungen sind ein Beleg für den guten Ruf, den sich der „Brenner Preis“
schon nach fünf Jahren erworben hat. 187 BewerberInnen gaben bei ihrer Bewerbung 2009 an, dass sie den Preis bereits vor der Ausschreibung kannten, und
95 haben auf persönliche Empfehlungen von KollegInnen hin ihre Unterlagen
eingereicht. Diese Zahlen verdeutlichen, dass unser Preis inzwischen zu einer
festen Größe geworden ist und in der Fachwelt für Seriosität, Unabhängigkeit
und Professionalität steht. Mit dem „Best of 2009“ dokumentieren wir Teile der
Preisverleihung, stellen die prämierten Beiträge vor, machen die Laudatien der
Jury zugänglich und informieren rund um den „Brenner Preis“.
Ganz im Sinne Otto Brenners wollen wir weiterhin kritischen und engagierten
Journalismus fördern, weil Aufklärung, demokratische Wachsamkeit und
Medienvielfalt für das Funktionieren von Demokratie überlebenswichtig sind
und für die Entwicklung der Zivilgesellschaft „systemrelevant“ bleiben.
Bewerbungen für den „Brenner Preis 2010“ nehmen wir vom 1. April bis einschließlich 13. August an. Die Preisverleihung ist am 2. November in Berlin.
Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung
5
ERÖFFNUNG
Berthold Huber
Rede zur Verleihung der
Otto Brenner Preise für
kritischen Journalismus 2009
Liebe Preisträgerinnen
und Preisträger,
liebe Gäste der Preisträger,
liebe Mitglieder der Preis-Jury,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
herzlich Willkommen zur „Verleihung
der Otto Brenner Preise 2009 für kritischen Journalismus“. Es freut mich,
dass Sie unserer Einladung gefolgt
sind.
Heute verleihen wir zum fünften Mal
den Journalistenpreis der Otto Brenner
Stiftung. Ein guter Anlass, eine kurze
Zwischenbilanz zu wagen.
Als wir 2005 den Preis erstmals ausschrieben, waren wir über die Resonanz überrascht. 135 Bewerbungen
wurden der Jury eingereicht. 2006 und
2007 stiegen die Bewerbungen kontinuierlich an. Der Preis gewann in der
Fachöffentlichkeit an Profil. 2008 und
auch 2009 wurden der Jury jeweils
über 500 Bewerbungen vorgelegt. Mit
dieser Zahl von Bewerbungen hat sich
der „Brenner Preis“ fest in der oberen
Liga der deutschen Journalistenpreise
etabliert.
Der Brenner Preis ist mit insgesamt
45.000 Euro dotiert. Damit kann er
sich auch in dieser Hinsicht unter den
deutschen Journalistenpreisen gut
sehen lassen. Die Zahl der Bewerbungen und die Höhe des Preisgeldes sind
aber nicht die Kriterien, an denen wir
die Bedeutung eines Journalistenpreises messen sollten.
Es gibt Preise, die Journalisten mit
Stolz tragen. Also Preise, die eine Biografie schmücken und journalistische
Leistungen unterscheidbar machen.
Es gibt aber auch Preise, die in keinem
Lebenslauf auftauchen, die „versteckt“
werden. Preise also, die gut fürs Portemonnaie sind, aber mit publizistischem
Profil nichts zu tun haben. Zu der Flut
von Journalistenpreisen sagt der
Medienwissenschaftler Michael Haller:
„Ziel bei vielen Ausschreibungen ist
es, nur ein bestimmtes Thema verstärkt in die Medien zu bringen.“
Journalistenpreise sind dann ernst zu
nehmen, wenn sie journalistische Leistungen prämieren, die Vorbild für die
ganze Branche sind. Es gibt Journalistenpreise, in deren Jury zwar „verdiente“ Lobbyisten sitzen, aber keine Leute
vom Fach. Aber letztlich entscheidet
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die Zusammensetzung und der Spielraum einer Jury über die Bedeutung
eines Journalistenpreises.
Die Jury des „Brenner Preises“ sichtet
die Bewerbungen, diskutiert die Eingaben, wägt ab, wählt die Preisträger
anhand transparenter Kriterien aus
und begründet ihre Entscheidungen
öffentlich. Die hohe Wertschätzung,
die der „Brenner Preis“ schon nach
fünf Jahren in der Fachwelt genießt,
hängt untrennbar damit zusammen,
dass eine der wohl profiliertesten
Jurys die Verantwortung für die Auswahl trägt. Unabhängigkeit, Profil,
Professionalität, Kompetenz: dafür
stehen unsere Jury-Mitglieder. Sie
haben den Preis zu dem gemacht, was
er heute ist: Ein Preis, der kritischen
Journalismus fördert und hartnäckige
Recherchen auszeichnet.
Liebe Gäste,
nach so viel Vorrede darf ich die Mitglieder der Jury kurz vorstellen.
Frau Mikich ist seit 2002 Redaktionsleiterin und als Moderatorin das
„Gesicht“ des WDR Politik-Magazins
„Monitor“. Vorher war sie u.a. Korres-
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pondentin in Moskau, dort auch – als
erste Frau – Leiterin des ARD-Studios.
Diese Aufgabe nahm sie auch von Mitte
1998 bis Ende 2000 in Paris wahr. Frau
Mikich und ihre Redaktion sind selbst
Träger renommierter Preise und vieler
Auszeichnungen.
Liebe Frau Mikich, ganz herzlichen
Dank für Ihre kenntnisreiche Mitarbeit
in der Jury. Wir freuen uns, dass Sie
sich nicht nur jedes Jahr beherzt an die
Jury-Arbeit machen, sondern heute
auch wieder die Preisverleihung moderieren.
Dem „Brenner-Preis“ von Anfang an
eng verbunden ist Harald Schumann,
Redakteur für besondere Aufgaben
beim Tagesspiegel, der hier in Berlin
erscheint. Harald Schumann, bekannt
für gewissenhafte Recherchen, ist auch
Autor zahlreicher Bücher, mit denen er
sich als kompetenter Globalisierungskenner ausweist.
Lieber Herr Schumann, herzlich Willkommen und vielen Dank, dass Sie Ihr
breites Wissen in die Jury einbringen
und Sie uns alle an Ihren Einschätzungen teilhaben lassen.
Dr. Heribert Prantl ist Ressortleiter
Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung. Durch seine SZ-Kommentare –
in Sprache, Stil und Klarheit einzigartig – hat er sich in der deutschen
Medienlandschaft einen großen
Namen ge-macht und einen unverwechselbaren Status erreicht. Prantl
ist wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten berühmt und wird wegen seiner
politischen Zuspitzungen gefürchtet.
Er ist Autor vieler Bücher und Träger
zahlreicher Auszeichnungen. Altkanzler Schröder hat ihn mal in einer Laudatio als „3. Senat des Bundesverfassungsgerichts“ geadelt.
Lieber Herr Prantl, herzlich Willkommen
und herzlichen Dank für Ihr Engagement in der Jury.
Mit dem Namen Volker Lilienthal ist
und bleibt die Aufdeckung von
Schleichwerbung in ARD und ZDF verbunden. Volker Lilienthal war 20 Jahre
lang Redakteur beim Evangelischen
Pressedienst, darunter 5 Jahre lang
Chef von „epd-medien“. Unser JuryMitglied ist Träger renommierter Preise und Autor relevanter Fachbücher.
Seit Juli 2009 ist er erster Inhaber der
„Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur
für die Praxis des Qualitätsjournalismus“ an der Uni in Hamburg.
Lieber Herr Prof. Dr. Lilienthal! Erstmal:
Herzlichen Glückwunsch zur ordentlichen Professur. Wir sind froh, dass
der einzige Professor für „die Praxis
des Qualitätsjournalismus“ in der
Brenner-Jury mitarbeitet. Wir wollen
Ihre Kompetenz und Ihr Wissen nicht
missen und freuen uns sehr, dass Sie
Ihren Sach- und Fachverstand einbringen.
seine eigene Sendung und seit Mitte
des Jahres ist er Professor in KoblenzLandau. Dass er trotz all dieser Verpflichtungen noch Zeit hat, sich aktiv
in die Jury-Arbeit einzubringen, wissen
wir sehr zu schätzen.
Lieber Thomas Leif, auch Ihnen ein
herzliches Willkommen und vielen
Dank dafür, dass Sie sich seit Jahren in
ganz besonderer Weise für den Preis
stark machen und seine Entwicklung
bis heute engagiert mitgeprägt haben.
Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass
„der Leif“ geklont sei oder zumindest
ein Double von ihm unterwegs ist.
Thomas Leif ist nicht einfach nur
„Chef-Reporter Fernsehen“ beim SWR
in Mainz. Er ist Filmemacher, Reporter,
Autor von Bestsellern, Herausgeber
zahlreicher Bücher, Planer, Organisator
und Moderator von Veranstaltungen,
nicht zuletzt: Gründer und Vorsitzender des netzwerk recherche e. V..
Verehrte Anwesende,
Er ist alles zugleich: Macher, Ideengeber und Berater – oft auf der großen
Bühne, nicht selten im Hintergrund.
Er tanzt jedenfalls auf mehr als den
berühmten tausend Hochzeiten. Seit
Anfang 2009 hat er mit „2 + Leif“
„Der Meinungsjournalismus steht ja
immer in der Gefahr belehrend zu sein,
oberlehrerhaft daher zu kommen.
Tom Schimmeck ist das allerbeste
Beispiel dafür, dass das überhaupt
nicht sein muss. Wenn man seine
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Sache gut macht, ist überhaupt
nichts Oberlehrerhaftes dabei.“
Ich bin mir sicher: Tom Schimmeck
wird heute seine Sache wieder gut
machen und einen originellen Blick
auf „Meinungsmacher“ und „Meinungsmärkte“ werfen!
Sehr geehrter Herr Schimmeck,
herzlich Willkommen bei uns!
Wir freuen uns auf Ihre Rede über
„Medien, Macht und Meinungsmache“.
es ist mir eine besondere Freude, mit
Tom Schimmeck den Festredner des
heutigen Tages zu begrüßen.
Tom Schimmeck ist bei der OBS kein
Unbekannter. 2007 erhielt er den erstmals ausgelobten „Spezialpreis“.
Heribert Prantl formulierte es damals
in seiner Laudatio so:
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Berthold Huber, Verwaltungsratsvorsitzender
der Otto Brenner Stiftung (seit Mai 2009)
und Mitglied der „Brenner-Preis“-Jury
FESTREDE
Tom Schimmeck
„Medien, Macht und Meinungsmache“
Festrede zur Verleihung der
Otto Brenner Preise für
kritischen Journalismus 2009
Meine sehr geehrten Damen
und Herren,
ich freue mich sehr, hier heute die Festrede zur Verleihung der Otto Brenner
Preise halten zu dürfen. Auch weil ich
weiß, wie herrlich es ist, diesen Preis
zu bekommen. Vor zwei Jahren war ich
der Glückliche, der den gerade neu
geschaffenen Otto Brenner Spezialpreis erhielt. Heribert Prantl hielt eine
Laudatio auf mich, infolge der ich
gefühlte dreieinhalb Tage rot war vor
Stolz. Er nannte mich damals – ich
habe das nochmal nachgelesen und
wurde prompt wieder rot – einen Diamanten. Das ist objektiv betrachtet
kompletter Unfug. Aber es tut so gut.
Der Mann hat seither kein Wort mehr
mit mir gewechselt. Mir auch nie einen
Auftrag gegeben. Aber jedes Mal,
wenn ich seinen Namen lese, bin ich
nicht nur inhaltlich inspiriert, mir wird
auch ein bisschen warm ums Herz.
Wir Journalisten sind ja merkwürdige,
zwiespältige Wesen. Einerseits müssen wir stets Kompetenz und Sicherheit verströmen, permanent so tun, als
seien wir über alles Geschehen global
und komplett im Bilde; als verfügten
wir über enormes Fachwissen, exklu-
sivste Informationen und ein glasklares Urteil. Die Alpha-Exemplare unserer Gattung vermögen Tag und Nacht
mit großer Geste und bedeutungsschwerem Blick vor jede Kamera zu
treten. Oft sagen sie dabei nur ihre
dreieinhalb Lieblingssätze. Aber es
wirkt doch irgendwie souverän.
Andererseits sind wir eigentlich ziemlich unsicher und empfindlich. Obwohl,
oder gerade weil wir mit unserem
Namen, unserer Stimme, unserem
Gesicht mehr oder weniger prominent
in der Öffentlichkeit herumstehen.
Meist können wir viel schlechter einstecken als austeilen. Wir wissen ja
ziemlich genau, wie wenig wir wissen.
Wir wissen, dass uns zum Berichten
und Analysieren meist – bestenfalls –
ein einigermaßen solides Halbwissen
reichen muss. Und zum Kommentieren
ein halbwegs plausibler Verdacht.
Gerade Journalisten, die ihren Beruf
besonders gut machen wollen, sind oft
chronisch überfordert. Alles wird immer
komplexer. Die Materialfülle ist gigantisch. Wir finden so vieles unglaublich
spannend. Wir wollen alles unbedingt
durchschauen. Und laufen dabei immer
häufiger Gefahr, gründlich an der Nase
herumgeführt zu werden. Manchmal
14
ist es zum Jaulen. Und eigentlich nicht
zu schaffen.
Max Weber hat schon 1919 beschrieben,
dass es – Zitat – „keine Kleinigkeit ist,
über alles und jedes, was der »Markt«
gerade verlangt, über alle denkbaren
Probleme des Lebens, sich prompt und
dabei überzeugend äußern zu sollen,
ohne nicht nur der absoluten Verflachung, sondern vor allem der Würdelosigkeit der Selbstentblößung und ihren
unerbittlichen Folgen zu verfallen.“
Was ich Ihnen klarmachen will: Wie
wirklich wunderbar es sich anfühlt,
plötzlich so einen Preis zu bekommen.
Man lächelt da nicht nur reflexartig
lieb. Man ist tatsächlich glücklich. All
das mühsame Hausieren und Debattieren und Recherchieren und Reisen
und Schreiben und/oder Schneiden
schnurrt zusammen auf diesen feinen
Augenblick. Das Wort Ehre klingt
scheußlich altmodisch. Es ist auch
gründlich missbraucht worden. Aber
die Substanz ist eigentlich ungemein
schön: Man hat etwas richtig Gutes
zustande gebracht. Das ist anderen,
auf deren Urteil man etwas gibt, aufgefallen. Man findet Anerkennung,
wird hervorgehoben, gelobt.
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Man kriegt sogar Geld, hurra. Und wird
folglich selbst in der Sparkassen-Filiale
plötzlich viel freundlicher begrüßt.
Weil offenbar doch noch Hoffnung
besteht, dass mal was reinkommt.
Der Otto Brenner Preis ist ein Preis,
der für guten Journalismus steht. Vergeben von einer Jury, die journalistische
Integrität repräsentiert. Das ist wichtig.
Umso mehr, als es inzwischen an die
300 Journalistenpreise gibt. Ein Journalist kann mit einem Preis rechnen,
wenn er die Zeitarbeit „mit ihrem innovativen Anspruch und ihren Perspektiven“ darstellt. Er kann den „Business
of Beauty Medienpreis Friseur“ ergattern, den „Journalistenpreis Tiefkühlkost“ und den „proDente Journalistenpreis ‚Abdruck’“ – vergeben für
„besonderes Engagement im Bereich
Zahnmedizin und Zahntechnik“. Ich
will hier nicht die Zahntechnik schlecht
machen. Aber darauf hinweisen, dass
auch Preise längst fester Bestandteil
der Firmen-PR sind. Teil des An-DerNase-Herumführens. Aber hier fühle
ich mich auf ziemlich sicherem Terrain.
„Kritischer Journalismus: das sollte
eigentlich eine Tautologie sein“, hat
Heribert Prantl 2005 in der ersten
Otto-Brenner-Preis-Ansprache gesagt.
Eigentlich schon. Wir sind hier, weil wir
wissen, dass kritischer Journalismus
der Ausnahmefall ist. Dieser Preis will
bewirken, dass solcher Journalismus
nicht untergeht in den Erregungswellen
der kunterbunten Medienwelt. Und
thematisiert so immer auch den Zustand unserer Öffentlichkeit. Wo wird
genau hingeschaut? Was erfahren wir
noch? Warum sind mediale Debatten
zunehmend abstrus? Wer führt uns an
der Nase herum?
In den letzten Jahren wurde ziemlich
intensiv diskutiert über den Zustand
des Journalismus und der Medien.
Wir Journalisten haben uns durchaus
beschäftigt mit diversen Schwächen
und Defiziten des eigenen Metiers.
Wer wissen will, woran es hapert und
krankt, kann in Bergen von Reden,
Dossiers, Tagungsberichten nachlesen.
Ich nenne hier schnell drei Faktoren.
Erstens: Der ökonomische Faktor. In
letzter Zeit überdeutlich. Guter Journalismus braucht Geld. Weil gute Leute,
die halbwegs Bescheid wissen und
wirklich losfahren und hingucken und
nachhaken, einfach kosten. Doch die
Einnahmen vieler Verlage und Sender
schrumpfen – schon seit dem
Zusammenbruch des sogenannten
„Neuen Marktes“ zu Beginn des Jahrtausends. Oder steigen zumindest
nicht wie gewünscht. Ohnehin stecken
alle klassischen Medien in einer Phase
des Umbruchs. Das Internet ist wirklich eine Revolution. Und, nebenbei
bemerkt, so wenig böse wie einst die
Erfindung des Buchdrucks. Die vernetzte Welt kann ganz wunderbare
Wirkungen entfalten. Sie ist zum Beispiel potentiell ungeheuer demokratisch. Derzeit aber herrscht im Mediengewerbe furchtbare Nervosität, geradezu Hysterie. Die Eigentümer, ihre Manager und Controller rennen aufgeregt
durcheinander und rufen verzweifelt,
ihr „Geschäftsmodell“ sei ruiniert.
Es wird ein paar Jahre dauern, bis
funktionierende, einträgliche Strukturen gefunden sind. Entscheidend in
dieser Übergangsphase ist, dass Verlage und Sender ihre Renditeerwartungen herunterschrauben. Oder sogar
mal ein paar Jahre vergessen. Es ist
auch wirtschaftlich unvernünftig, die
Ressourcen des Journalismus immer
weiter zu verknappen, die Redakteure
und Autoren unentwegt mit Kürzungen,
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Entlassungen, Zusammenlegungen
und Schließungen zu traktieren. Die
Medieninhaber demoralisieren damit
ihre Leute – ihre Autoren, Redakteure,
Produzenten, Techniker. Und ruinieren
so auf Dauer, was guten Journalismus
vom Trash unterscheidet: Originalität,
Genauigkeit, Eleganz, Trennschärfe,
Tiefgang, Witz. Kurzum: Sie machen
ihre Produkte kaputt.
Faktor 2 ist der Herdentrieb. Der hat
einiges mit Nummer 1 zu tun. Weil der
ewige Spar- und Zeitdruck Medienmenschen konformer, uniformer macht.
Weil sich Getriebene einfach schneller
zu Herden sammeln. Das Problem aber
geht weit darüber hinaus. Wir erleben
seit einigen Jahren, dass bestimmte
Deutungen und Denk-Moden sehr
aggressiv zelebriert werden. Der hiesige Hauptstadtjournalismus lässt da
immer wieder hübsche Blüten sprießen.
Zyklisch werden politische Figuren und
Themen derart stereotyp herauf- und
heruntergeschrieben, dass man sich
zuweilen fragt, wer da eigentlich die
Fernbedienung drückt. Manchmal
nennt sich das Politgeschwader schon
selbst „die Meute“. Das ist der Titel
einer berühmten Journalisten-Doku-
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mentation der Fotografin Herlinde
Koelbl aus dem Jahre 2001. Schon
damals war Rudelbildung erkennbar.
Der Konkurrenzdruck, der reflexionsfreie „Echtzeit“-Journalismus, der Drang
zum schnellen Bild, Soundbyte und
Online-Quote lässt das Hecheln der
Meute lauter werden. Manchmal wirkt
sie auf mich ein bisschen wie so eine
Testosteron-dampfende Clique Rowdys
am Bushäuschen, die sich gemeinsam
superstark fühlt. Die machen noch Bier
auf und sagen dann: Ey, Kurt Beck,
haste mal Feuer? Was haste denn da
für’n komischen Bart, Alter? Ey, haste
was gesagt? Klappe, Alter! Oder: Ey,
Ypsilanti, was bist’n du für ne linke
Hexe? Verzieh dich, Ypsi! Heul doch!
Ich habe mich dieses Jahr fast ausschließlich mit Phänomenen medialer
Gleichschaltung, Verrohung und Instrumentalisierung beschäftigt und ein
Buch darüber geschrieben, das nun
endlich bald fertig ist. Für ein kleines
Kapitel über die Demontage der Andrea
Ypsilanti zum Beispiel habe ich einige
hunderte Berichte, Interviews und
Portraits durchgeackert. Bis ich richtig
übellaunig wurde. Weil in dieser Ballung überdeutlich wurde, wie zäh
unsere Polit-Berichterstatter an einer
vorgegebenen Story kleben und diese
ewig weiterspinnen. Da sind sie zur
Abwechslung auch manchmal wirklich
verdammt hartnäckig. Vor einem Jahr,
als das Geschrei schon fast vorbei war,
bat der Mainzer Mediendisput, eine
medienkritische Institution, Andrea
Ypsilanti zur Analyse. Sie sprach dort,
recht zurückhaltend, über ihre Abenteuer mit dem Mainstream in den Redaktionen. Sie bekam großen Beifall.
Zum Schluss fragte sie die Journalisten: „Gehen sie jetzt raus und machen
weiter?“ So war es. „Spiegel online“
meldete Minuten später: „Ypsilanti
schmollt im Mainzer Wohlfühl-Exil.“
Der Wirtschaftsjournalismus der vergangenen zehn Jahre ist ein noch krasseres Exempel. Was da an berauschter
Verklärung geleistet wurde, trug schon
sektenhafte Züge. Mit dem großem
Kollaps kommt nun der Kater. Die Chefideologen der totalen Privatisierung
und Liberalisierung wirken ein wenig
heiser und zersaust. Vor allem von den
Angelsachsen, die es besonders wild
getrieben haben, hört man jetzt manchmal erfrischend harte Selbstkritik. Die
deutsche Zunft windet sich eher. Wenn
Sie normale Redakteure fragen, kommen deutliche Worte. Die Meinungs-
führer aber sind oft merkwürdig verdruckst. Ich habe hier einen Artikel
aus der Süddeutschen Zeitung vom
Juni 2009, ein Opus von imposanter
Größe, wie sie sehen. Thema: Die
„Finanzkrise und der Wirtschaftsjournalismus“. Verfasst vom ehemaligen
Wirtschaftschef Nikolaus Piper. Der
recht fröhlich mit von der neoliberalen
Partie war. Hier findet sich durchaus
manch scharfes Wort aus berufenem
Munde. Pipers Schlussfolgerungen
aber sind ein wattiges Vielleicht, ein
wachsweiches „Ja, aber“. Kein Pieps
zu den eigenen Kommentarleistungen
der letzten Jahre. Seine Quintessenz?
Ein glatter Freispruch. „Zunächst einmal sollte man akzeptieren, dass das
Problem die Fakten sind, nicht die Meinungen.“ Das steht groß auch in der
Überschrift: „Fakten zählen“.
Genau dies mag ich nicht akzeptieren.
Das Problem scheint mir eher, dass
der Blick auf viele zentrale Fakten lange Zeit vor einer gewaltigen IdeologieWolke vernebelt war.
Aber, wie schon angedeutet: Wir sind
alle auch schwach und fehlbar. Wir
darben nach Anerkennung. Wir wollen
gelobt werden vom Ressortleiter, vom
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Chefredakteur; wollen Eindruck schinden bei den Wichtigen; wollen die
Sprache der Meinungsführer sprechen.
Und im Falle der Wirtschaft sind dies
eben Manager, Bankiers und die gefürchteten Wirtschaftsprofessoren. Das
macht uns manchmal zu „Mitmachern“.
Faktor 3 möchte ich etwas genauer
beleuchten: Die organisierte Meinungsmache. Das klingt immer ein bisschen
nach Verschwörungstheorie – leider ist
es keine. Die Fabrikation von Meinung
gegen Bezahlung gedeiht. Es ist eine
Wachstumsbranche. Eine Industrie.
Längst gibt es Lehrbücher und Kurse
für Agendasetting und -surfing, für
„Krisenkommunikation“ und flottes
„Politainment“. Auch hier in Berlin
blüht das Gewerbe der professionellen
Meinungsfrisöre. In Mitte entsteht allmählich eine polit-mediale Parallelgesellschaft. Da wimmelt es von Beratern
aller Art: Von Kommunikationsstrategen, Eventmanagern und Imagemachern, PR-Päpsten, Werbegurus und
Spin-Doctors. Es sind Macht-Dienstleister. Weil sie in der Regel auf Seiten
der politischen und wirtschaftlichen
Macht arbeiten, um deren „Message“
maximale Schlagkraft zu verleihen. Sie
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bewachen den Zugang zu Informationen. Sie setzen Personen und Interessen in Szene. Sie designen die Darsteller, drechseln ihnen passende Sätze,
planen minutiös, was wann in die Welt
gesetzt wird und wer wie wirken soll.
Sie sind eng verwoben mit allerlei
Think Tanks, Lobbygruppen und Stiftungen, die Interessen bündeln, Politik
entwerfen und diese auch durchsetzen
helfen.
Und so haben wir auf der einen Seite
die Schar der notorisch überforderten
Berichterstatter, denen nun oft gar keine Zeit mehr bleibt, genauer hinzugucken. Sich auch mal selbst zu überprüfen. Sie hasten zu ihren Tastaturen
und in ihre Studios, um das, was ihnen
gerade eingeflüstert wurde, zu multiplizieren. Diese Rumpfmannschaften
kommen kaum mehr vor die Tür; müssen schon betteln, um mal eine Bahnfahrkarte erstattet zu bekommen. Die
Honorare der freien Mitarbeiter werden
auch immer dürftiger. Weshalb sie
immer mehr produzieren müssen. Was
nicht unbedingt qualitätssteigernd wirkt.
Auf der anderen Seite die professionellen Meinungsmacher. Die sehen schon
mal viel chicer aus. Die sind ganz lässig.
Die wissen wie’s läuft. Die planen ihre
Events, takten ihre PR passend zu den
Erregungszyklen, in denen das Nachrichtengewerbe tickt. Die richtige
News, das richtige Gesicht, im genau
richtigen Moment. Eine kleine Umfrage
vielleicht, ein grafisch ansprechendes
Ranking, ein knackiges Zitat, ein symbolträchtiges Foto. Können sie alles
haben, drucken, senden. Bitte, bitte.
ab. Sie servieren dem Publikum nur
noch die appetitlich angerichteten
Info-Häppchen, die PR-Köche zubereitet
haben. Sie müssen einmal auf einen
dieser Kommunikations- oder Politikkongresse hier in Berlin gehen. Da
sehen sie Hunderte PR-Leute in
Aktion. Und dazwischen schleichen
eine Handvoll Journalisten wie arme
Verwandte.
Sogar Zeitschriften selbst machen das
inzwischen so. Vor der letzte Wahl zum
Beispiel orderte das Magazin Stern
beim Institut Forsa eine Umfrage, bei
der – auf eine äußerst vage gehaltene
Frage – 18 Prozent erklärten, sie könnten sich eventuell vorstellen, bei der
Bundestagswahl auch eine ComedyFigur wie Horst Schlämmer zu wählen.
Was für ein Renner! Überall zitiert. Der
Stern in aller Munde, Forsa und Horst
Schlämmer auch. Eine Win-win-Situation sozusagen. Die einen glossierten
das Ganze, die anderen zitterten in
pathetischen Kommentaren um das
Abendland. Besonders schön die BildSchlagzeile: „Horst Schlämmer fast so
stark wie die SPD!“
Bedrückender war das Beispiel Deutsche Bahn. Sie erinnern sich? Das ist
die Firma, die uns eigentlich auf Schienen von A nach B bewegen soll. Weit
mehr Furore hat das Unternehmen in
letzter Zeit mit der Bespitzelung von
Journalisten und ihrer gezielten Steuerung gemacht. Unsere gute Bahn, so
erfuhren wir im Nachhinein, ließ nach
eigenen Angaben etwa 1,65 Millionen
Euro für verdeckte PR springen, vor
allem für sogenannte „No badge“Aktivitäten. „No badge“ bedeutet: Ich
mache kräftig Stimmung, aber keiner
weiß, dass ich es bin. „Undercover“
träfe es auch, klänge aber anrüchiger.
Zu solchen „No badge“-Aktivitäten
zählten im Falle DB Leserbriefe und
Beiträge in Blogs, vermeintlich „spontane“ Äußerungen in diversen Foren,
vermeintlich unabhängige Umfragen
So steigt das Gros der zunehmend
gehetzten Berichterstatter zu Kellnern
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und fertig produzierte Medienbeiträge,
denen nicht anzusehen war, dass sie
von der DB bezahlt worden waren.
Kurzum: Eine groß angelegte, systematisch durchorganisierte Irreführung
der Öffentlichkeit.
Der Betrug war derart dreist, dass
selbst der Deutsche Rat für Public
Relations mehrere Rügen aussprach.
So wurde im September 2009 die Berliner Agentur Allendorf Media nach
mehrwöchiger Prüfung wegen verdeckter Bahn-PR gerügt. Der „PR-Dienstleister“ versteht sich nach eigenem
Bekunden „als Moderator zwischen
Politik und Öffentlichkeit.“ Allendorf
hatte, als Subunternehmer der European Public Policy Advisers GmbH,
kurz EPPA, auf großen Onlineplattformen wie Brigitte.de und Spiegel online
allerlei bahnfreundliche Statements
platziert. Unter Pseudonym natürlich.
Das sah aus wie von Otto Normalverbraucher. Die Tochterfirma und Künstleragentur Allendorf Riehl GmbH lancierte derweil Prominenz aus ihrem
Sortiment mit bahnfreundlichen Worten in die Medien – etwa die Sat-1 –
Moderatorin Barbara Eligmann und
den Ex-RTL-Moderator Hans Meiser.
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Schon im Sommer waren auch die EPPA
und der „Thinktank“ Berlinpolis wegen
unlauteren Wettbewerbs gerügt worden.
Berlinpolis hatte seinen „Globalauftrag“,
die Bahnprivatisierung kräftig voranzutreiben, sehr ernst genommen. Man
betrieb zum Beispiel das schein-neutrale Forum www.zukunftmobil.de.
Thinktank-Chef Daniel Dettling fand
zudem als Gastautor etwa beim Tagesspiegel, der Financial Times Deutschland und Capital warme Worte für die
Privatisierung der Bahn. Berlinpolis
spannte übrigens ebenfalls die Meinungsexperten von Forsa ein, die recht
gezielt nach den Vorzügen der Bahnprivatisierung fragten. So wurde Stimmung gegen die SPD-Idee der „Volksaktien“ gemacht. Eine entsprechende
Mitteilung des „Thinktanks“ – Überschrift: „Die Bürger erteilen den Plänen
einer ‚volkseigenen Bahn’ eine klare
Absage“ – ging an die Agenturen und
andere Medien. Als die Lokführer streikten, kam die gleiche Masche zum Einsatz. Da hieß es dann: „Bundesbürger
halten Forderungen GDL für ungerechtfertigt.“ Die Schlagzeile des „thinktank Politikbriefs“, des Mitteilungsblattes von Berlinpolis, lautete im September übrigens: „Mehr Ehrlichkeit
wagen.“
Ich habe den Chef vor Jahren einmal
ausführlicher interviewt. Er schien mir
ein recht typisches Exemplar der nassforschen Berliner Moderne zu sein. Wir
trafen uns in einer Kneipe. Er erklärte
mir, er sei ein „Ideenproduzent für die
nächste Generation“. Er sagte: „Unsere Vorgängergeneration hat die APO
gemacht, wir machen Denkfabriken“.
Er sprach von neuen “Handlungs-Eliten“
und vom “radikal beschleunigten Wandel“. Er wollte das „Korsett der 70er
und 80er“ abstreifen, das er als „eng“
und „miefig“ empfand. Sein Berlinpolis,
erklärte er mir, sei eine „Bewegung“.
Er hatte ein Buch geschrieben: „Minima Moralia der nächsten Gesellschaft“. Er hängt es gern ziemlich
hoch. Ich hatte bald das Gefühl, ich
rede mit dem Mann im Mond.
Es war die Zeit all dieser kuriosen Konvente, Stiftungen und Initiativen. Etliche
Zeitungen und Magazine trompeteten
deren Ziele als „Medienpartner“ ins
Land. Es gab sogar eine „Aktionsgemeinschaft Deutschland“, zu der auch
Berlinpolis gehörte. Schon damals war
der Thinktank auch mit der „Initiative
Neue Soziale Marktwirtschaft“, der
INSM im Boot, die wir ja inzwischen
alle schätzen und lieben. Die INSM,
vor zehn Jahren mit Millionen der
Metall-Arbeitgeber ins Leben gerufen,
ist die wohl bekannteste Beeinflussungsorganisation Deutschlands. Bis
heute vertraut sie auf das Knowhow
der gewieften Werber von Scholz &
Friends. Die INSM hat in Journalistenkreisen Berühmtheit erlangt, als sie –
von Volker Lilienthal, einem Mitglied
der Jury des Otto-Brenner-Preises –
dabei erwischt wurde, dass sie bei der
ARD-Seifenoper „Marienhof“ für stolze
58.670 Euro frohe Botschaften zum
Thema „schlanker Staat“ und Zeitarbeit ins Drehbuch schreiben ließ. Max
Höfer, einer der Geschäftsführer der
„Initiative“, hat einer wissbegierigen
Schar Agenda-Settern einmal griffig
beschrieben, wie man Themen setzt.
Man müsse, sagte er, „Gesichter mit
bestimmten Botschaften in ein Event
setzen“.
den Orchestergraben. Frage: Wer
kommt in die Nachrichten?
Die Grundregel ist immer die gleiche:
Aufmerksamkeit schaffen. Lärm erzeugen. Die Amerikaner nennen die
zugrunde liegende Logik die „orchestra pit theory“, die OrchestergrabenTheorie: Zwei Typen stehen auf einer
großen Bühne. Der eine sagt: „Ich
habe die Lösung für das Nahost-Problem.“ Der andere fällt krachend in
Nach sehr vielen Emails und Telefonaten durfte ich Rick Berman treffen,
einen der brutalsten Meinungsmacher.
Mit einem großen Büro auf der K Street,
Ecke Vermont Avenue. Der Raum gleich
hinter dem Empfang steht voll mit Auszeichnungen und Medaillen, die ihm
PR-Organisationen für furchtlose Propaganda verliehen haben. Berman
22
Die INSM ist erst der Anfang. Vor einem
Jahr bin ich nach Washington gereist,
um mir anzuschauen, wie Meinungsmache im großen Stil aussieht. In Washington ist die Steuerung der Öffentlichkeit inzwischen ein Milliardengewerbe. Dort gibt es für jedes Industrieinteresse mindestens drei vermeintlich
unabhängige Thinktanks, Institute,
Organisationen. Im Internet finden sie
jede Menge Gruppierungen mit pompösen Phantasienamen, die wie Bürgerinitiativen daherkommen, tatsächlich aber bezahlte Stimmungskanonen
sind. Die Experten nennen sie „front
groups“, Frontgruppen. Längst gibt es
in den USA auch Organisationen, die
sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Machenschaften bloßzustellen.
23
betreibt hier zum Beispiel das „American Beverages Institute“, das amerikanische Getränkeinstitut. Die Getränkeindustrie lässt hier passende Argumente produzieren. Bei Berman ist
auch das „Center for Consumer Freedom“ zuhause. Das agitiert zum Beispiel an der Seite von Fastfood Restaurants, die lieber keine Kalorienangaben auf ihre Schachteln schreiben
wollen. Das Zentrum betreibt auch
eine eigene Website, um Prominente
anzuschwärzen, die sich für grüne Belange stark machen. Von sich behauptet
dieses „Center“, es sei „eine gemeinnützige Organisation zum Schutz der
freien Wahl des Konsumenten“.
Berman ist einer dieser kantigen Republikaner-Typen mit hartem Händedruck
und einem Lachen wie Donnergrollen.
Große Zeitungen nennen ihn „Dr. Evil“.
Dr. Böse. Ihm gefällt das. Er sehe das
Ganze wie eine Militäroperation, erklärte er mir. Es gäbe halt Leute, die
die Welt verändern und die Öffentlichkeit unbedingt überzeugen wollten.
„Die sitzen in ihrem Schlafzimmer am
Computer, in Unterwäsche“, sagt er
schnaufend, „und dann gehen sie ins
Internet und machen den Leuten
Angst.“ In Unterwäsche! Berman läuft
dann, im Anzug, zu den Firmenchefs
und fragt sie: „Wie könnt Ihr das geschehen lassen?“ Er plant die Schlacht.
Sie geben ihm Geld. Er sagt nie, wer
und wie viel.
In einer U-Bahnstation sah ich bei meinem Washington-Besuch ein großes
Plakat von „mercuryfacts.org“. Darauf
ein riesiges Kindergesicht mit sehr
traurigen Augen. „Fisch ist gesunde
Nahrung“, stand da zu lesen. „Aber eine
unsinnige Angst vor Dosen-Tunfisch
schadet Amerikas ärmsten Kindern!
Finden Sie heraus, wer daran schuld
ist!“ Das wollte ich natürlich herausfinden. Auf der Website las ich: „Eine
wachsende Clique von Umweltaktivisten, Gesundheitsforschern und Bürokraten versucht, den Amerikanern mit
Ramsch-Wissenschaft sinnlos Angst zu
machen vor dem Fisch, den sie essen.
Dosentunfisch ist die einzige Quelle
von Omega-3-Fettsäuren, den diese
Mütter sich leisten können. Ihre Kinder
sind Opfer grüner Gruppierungen und
der Bundesregierung.“
Die Hintergrund war: In Dosentunfisch
waren enorme Konzentrationen von
Quecksilber gefunden worden. Die
Industrie hatte daraufhin mächtig Ärger
bekommen. Und Berman mit einer
kleinen Kampagne beauftragt.
Gleich auf dem nächsten Bahnhof hing
ein großes Plakat von „unionfacts“ –
„Gewerkschaftsfakten“: „Das neue
Aushängeschild der Gewerkschaften“
stand da in Riesenlettern. Ein Schwarzweiß-Foto zeigte ein mit einer Kette
verrammeltes Werkstor mit einem
Schild: „Geschlossen“.
Auch das war Berman. Anti-Gewerkschafts-Kampagnen sind eine Spezialität von ihm. Er produziert TV-Spots,
in denen viele liebe Kinder ihre arme
Lehrerin bedauern, weil sie Zwangsbeiträge an die Lehrergewerkschaft
abführen müsse, mit denen die
Gewerkschaftsbosse in Saus und
Braus lebten und auch noch Bildungsreformen blockierten. Ich habe Ihnen
hier mal einen anderen Spot aus der
Berman-Werkstatt mitgebracht. Kinder
spielen ein Spiel: Ich will Gewerkschaftsboss werden. Du musst mir
Beiträge zahlen, sagt der eine Junge.
Und das Mädchen sagt: Das ist eine
Sauerei. Als Gewerkschaftsboss können Sie einfach ohne geheime Abstimmung einen Streik ausrufen, Geld unterschlagen, Politiker bezahlen und das
24
Wahlrecht kaputtmachen, sagt der
Sprecher. Und dann rufen alle Kinder:
„Du wirst angeklagt!“
Und weil es so schön war, hier noch
ein Exemplar. Da werden arbeitende
Menschen befragt, was sie an ihrer
Gewerkschaft mögen. Ich finde es toll,
spottet die Kassiererin, dass ich Gewerkschaftsbeiträge zahlen muss, nur
damit ich nicht rausfliege. Ich mag es,
sagt der Gabelstaplerfahrer, dass meine Beiträge an Politiker gehen, die ich
nicht einmal ausstehen kann. Ich finde
das richtig prima, schimpft der schwarze Bauarbeiter, wie die Gewerkschaft
Minderheiten diskriminiert. Ich fühle
mich gut dabei, stichelt die Kellnerin,
dass ich den fetten Lebenswandel der
Gewerkschaftsbosse unterstütze.
Damit verglichen, das müssen sie zugeben, ist die INSM wirklich ziemlich
lieb.
Ich fasse zusammen: Die Balance
kippt: Wir Text-, Ton- und Bildverarbeiter sind notorisch überfordert. Unsere
Ressourcen schwinden. Die PR gewinnt
allmählich die Überhand.
25
Und obwohl die Zeit der Ruck-Reden
und der Shareholder-Value-Predigten
eigentlich vorbei sind, das neoliberale
Hütchenspiel langsam zu Ende gehen
müsste, ist doch noch nicht erkennbar,
ob der öffentliche Diskurs wieder ehrlicher und offener wird. Oder ob wir
weiter gehen auf jenem Pfad, den der
Politologe Colin Crouch als „Postdemokratie“ bezeichnet. Ein Zustand, in
dem freie Wahlen und eine freie Presse
nur noch Kulisse sind für das Diktat
des ökonomischen Paradigmas. In
dem Medien nur mehr eine Sparte der
Unterhaltungsindustrie sind und die
öffentliche Debatte sich in „Zynismus
gegenüber der Politik und den Politikern“ erschöpft.
Ich will hier nicht nur in dunklen Farben malen. Man sieht in der Welt sehr
verschiedene Stadien des publizistischen Zerfalls. Auch in Europa, wo sie
eine Menge Xenophobie und Rechtspopulismus finden. In Deutschland
sind die Zustände noch vergleichsweise angenehm. Wir haben bei den
Verlagen doch zumindest eine Oligarchie. Wir haben einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in dem eine Menge
Raum für tolle Sachen ist. Auch wenn
große, fürs breite Publikum gedachte
Programmflächen geistig leergeräumt
und ähnlich öde sind wie die der konkurrierenden Privatsender.
Wir haben einen Minimalkonsens, der
einem Berlusconi hier vorläufig wohl
keine Chance gäbe. Auch ein HaiderVerschnitt ist nicht in Sicht. Wir haben
nur das Duo Merkel-Westerwelle. Was
jetzt, zum Ende der neoliberalen Ära,
kurios und zweifellos anachronistisch
wirkt. Nehmen wir es als Beweis einer
vitalen Demokratie. Obwohl: Es kommt
einem schon vor, als würde der Architekt, dessen gesamtes Oeuvre just
krachend eingestürzt ist, zum Oberhofbaumeister ernannt. Andererseits
musste die SPD wirklich dringend in
die Werkstatt.
Was wir brauchen, ist wieder mehr
Sauerstoff. Mehr echte Neugier. Mehr
Leute, die öfter mal sagen: Alles
Quatsch. Das mache ich nicht mit. Das
sehe ich völlig anders. Es ist wohl Sinn
dieses Preises, genau hier ein bisschen
nachzuhelfen.
Der vergangene Sommer hatte einen
Hauch von Postdemokratie. Die Meute
langweilte sich. Wir hörten viel über
Dienstwagen. Wir sahen Alphajourna-
listen, die mit Aufrufen zum Wahlboykott durch die Talkshows tingelten.
„Wir reden jede kleine Frage groß und
jede große Frage zerlegen wir in kleine
Münze“, hat die Journalistin Tissy Bruns
einmal über ihre Hauptstadtkollegen
gesagt.
Ich habe mir heute Nacht beim Schreiben dieser Rede einen kleinen Reim
gemacht auf diesen Hauptstadtjournalismus, mit dem ich mich verabschieden
und bedanken möchte für Ihre Aufmerksamkeit.
2009
Grad gestern war Gewissheit noch,
nun fall’n wir ins Milliardenloch.
Die Welt erzittert, fragt voll Sorgen:
Wie machen wir es besser morgen?
Das Geld ist futsch, die Krise bellt.
Es knirscht wie selten im Gebälk.
Doch ist ein wenig fad, oh weh,
den Journalisten an der Spree.
Tom Schimmeck, freier Autor und Publizist,
erhielt 2007 den erstmals ausgelobten
„Spezial-Preis“ der Otto Brenner Stiftung.
26
Gruppenbild mit Moderatorin: die Preisträger 2009, die Jury-Mitglieder und
die Geschäftsführung der OBS
Jury-Mitglied Heribert Prantl gratuliert Michael Strompen, Gewinner des 2. Preises 2009
Jury-Mitglied Harald Schumann hielt die Laudatio auf Marc Thörner, Gewinner des 1. Preises 2009
Jury-Mitglied Sonia Seymour Mikich führte
als Moderatorin durch die Preisverleihung
Jury-Mitglied Volker Lilienthal hielt die Laudatio auf Simone Sälzer, Gewinnerin des 3. Preises 2009
DIE PREISTRÄGER 2009
Attac Deutschland
Marc Thörner
Ulrike Brödermann und
Michael Strompen
Simone Sälzer
Christian Semler
MEDIENPROJEKTPREIS
Attac Deutschland
33
„DIE ZEIT“
(Plagiat, 65. Jahrgang, Nr. 18 vom 1. Mai 2010) *
Begründung der Jury
Auf acht Zeitungsseiten haben Mitarbeiter von Attac DIE ZEIT für den 1. Mai 2010
plagiiert. In dieser Ausgabe kreiert Attac eine Post-Krisen-Zeit, in der Solidarität,
Sozialstaatlichkeit, fairer Handel, Umweltschutz und Marktkontrolle die Lösung
für die Krise sind. Die Politik wird zu Reformen durch den politischen Druck der
Bevölkerung gezwungen. Der Abbau von Subventionen und Protektionismus soll
die Ausbeutung der Entwicklungsländer durch die Industrieländer beenden. Ein
neues Finanzsystem und die Überprüfung von Staatsschulden wird die Ungerechtigkeit für die Südhalbkugel beenden.
Wo bleibt denn das Positive? Eine Standardklage, vor allem bei Nachrichten, wo es
immerzu um Krise, Krieg, Katastrophen, Skandale zu gehen scheint.
„Eine andere news ist möglich“, dachten wohl die Globalisierungskritiker von Attac
und veröffentlichten mit ihrem Projekt „Am Ende des Tunnels“ gute Nachrichten aus
der Zukunft: Am 1.Mai 2010 werden die Themen lauten: Das Ende des Kasinokapitalismus, ein fairer Welthandel, eine grüne Autoindustrie – alles machbar, so die Hoffnung
in den gut recherchierten Artikeln.
Dazu kopierte Attac die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ einschliesslich Layout, Schrifttype,
hintersinniger Werbung und seriöser Anmutung.
„Den „Medienprojektpreis 2009“ der Otto Brenner Stiftung für das „ZEIT“-Plagiat
nahmen, stellvertretend für alle MacherInnen des Projektes, bei der Preisverleihung Jutta Sundermann, Fabian Scheidler und Thomas Pfaff entgegen. Das
Preisgeld in Höhe von 2.000 Euro will Attac in ein weiteres Medienprojekt
investieren.
* Das mit dem „Medienprojektpreis“ prämierte „ZEIT“ – Plagiat kann über die Homepage des „Brenner-Preises“ aufgerufen werden und ist auch über die DVD, die dem „Best of“ beiliegt (siehe Umschlagseite 3), zugänglich. (Die Redaktion)
34
Ein täuschend echtes Plagiat. Nicht unproblematisch. Der Journalismus ist oft genug
untergraben von Medien-Fakes, ungeprüften Tatsachenbehauptungen, Falschmeldungen, so die Jury. Am Ende aber überzeugt die politische Botschaft: aufwachen und
nachdenken! Es gibt Wege aus der Krise, eine gerechte Welt muss nicht Fiktion bleiben.
vorgetragen von Sonia Seymour Mikich
35
Marc Thörner
1. PREIS
(Deutschlandfunk)
37
„Wir respektieren die Kultur“ – Im deutsch kontrollierten
Norden Afghanistans (Deutschlandfunk, 6.02.2009) *
Begründung der Jury
Als am Sitz des deutsch geführten Regionalkommandos Nord ein Student als
Gotteslästerer zum Tode verurteilt wurde, bezeichneten deutsche Stellen das als
unvermeidlich: Schließlich dürfe Afghanistan nicht zur Marionette des Westens
werden, es müsse auch die eigene Kultur respektiert werden. Das Feature verfolgt den „Fall“ und zeichnet die politischen Verhältnisse in der Nordprovinz
nach.
Warum kämpfen deutsche Soldaten in Afghanistan? Zwei Gründe werden immer wieder
genannt: Zum einen soll Sicherheit geschaffen werden. Indem wir mit Soldaten und
Ausbildern den Afghanen helfen, einen stabilen Staat zu bauen, verhindern wir, dass
das Land erneut zum Freiraum für Al Qaida und andere Terrorgruppen wird, es also
weniger Terroristen gibt, die uns bedrohen. Zum anderen bringen wir den Afghanen
angeblich Demokratie, Aufklärung und den Rechtsstaat. Nie wieder Steinigungen oder
öffentliche Auspeitschungen und Bildung für alle, auch für Frauen – so lautet das Ver-
Marc Thörner
geboren 1964 in Hamburg
sprechen. Inzwischen sind fast acht Jahre vergangen, seitdem die Bundeswehr dort
eingerückt ist, und längst ist klar, dass beide Ziele nicht erreichbar sind. Der Präsident
fälscht die Wahlen, die Taliban werden immer stärker, der Drogenhandel blüht und die
Werdegang:
2009
Freier Journalist (vorwiegend für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten)
1995-2007 Freier Mitarbeiter der ARD (Auslandsreporter)
1994
Freier Mitarbeiter beim NDR
1992
Referent an der Katholischen Akademie Hamburg
1990-92
Freier Journalist
1985
Studium der Geschichte und Islamwissenschaften in Hamburg
Soldaten können den Sinn ihres Einsatzes selbst nicht mehr erkennen. Und obwohl all
das offensichtlich ist, gibt es fast keine öffentliche Auseinandersetzung in Deutschland
darüber, was eigentlich schief gegangen ist. Unsere Soldaten sterben und wir verlieren
Milliarden – aber keiner guckt hin. Außer Marc Thörner.
Meine Damen und Herren, ich bin froh, heute Abend einen Kollegen auszeichnen zu
dürfen, der seit langem mit großem journalistischem Einsatz versucht, diese Ignoranz
gegenüber unserem Krieg zu überwinden – und das mit einer Hartnäckigkeit, die höchste
Anerkennung verdient.
Veröffentlichungen, u.a.:
2007
„Der falsche Bart. Reportagen aus dem Krieg gegen den
Terror“, Nautilus Verlag
2006
„Nebel am Hindukusch“, DLF-Radiofeature über die
Bundeswehr in Afghanistan
2006
„Wie ein Fisch im Wasser? Auf der Suche nach Osama
Bin Laden“, DLF/WDR-Radiofeature
2005
„Von Saddam City zu Sadr City. Die irakischen Schiiten“,
Lamuv-Verlag
Natürlich gibt es auch andere Journalisten, die in Afghanistan hart recherchieren und
kritisch berichten. Aber Marc Thörner ist mit seinem Radiofeature über die wahren
Hintergründe der angeblich religiös motivierten Verfolgung und Verurteilung des Studenten Pervez Kaambaksh etwas gelungen, das weit über all die anderen Reportagen
und Analysen hinausreicht, die gemeinhin geboten werden: Nach dem Anhören der
Sendung – und auch nach dem Lesen des Manuskripts – hat selbst der vorher wenig
kundige plötzlich ein ziemlich klares Bild von den afghanischen Verhältnissen. Es geht
gar nicht in erster Linie um Religion und Kultur, um Rückständigkeit oder das Aufbegehren gegen die Besatzer. Nein, die vermeintliche afghanische Krankheit ist uralt und
universal: Es ist die simple Gier nach Macht und Geld, die mit Gewalt durchgesetzt und
ideologisch-religiöser Propaganda gerechtfertigt wird. Da wird ein Student zum Tode
* Der preisgekrönte Radiobeitrag ist sowohl über die der Dokumentation beigefügte DVD (hinten,
3. Umschlagseite) zugänglich als auch u .a. über die Homepage des „Brenner Preises“. (Die Redaktion)
verurteilt, weil er an seiner Universität angeblich gotteslästerliche Texte verteilt hat
38
39
und der deutsche Mainstream tönt: Seht, das ist der religiöse Fanatismus der rückstän-
korrupten, machtgierigen Schicht ehemaliger Mudschaheddin-Generäle und Warlords,
digen Afghanen, so sind sie eben. Im Spiegel las man damals: „Er, also der Angeklagte,
die genauso wenig wie ihre aus saudischen und pakistanischen Quellen geförderten
sprach vom Recht, gemacht von Menschen. Sie (gemeint waren Richter und Staatsan-
Gegner davor zurückschrecken, den Islamismus als gewalttätiges Machtinstrument zu
walt) sprachen vom Recht, gemacht von Gott.“ Und alle haben’s geglaubt, einschließ-
missbrauchen.
lich der deutschen Strategen hier gegenüber im Bendlerblock und im Bundestag, im
AA und im Kanzleramt. Und unter der Maßgabe „Wir respektieren die Kultur“ gab es
So klar und so präzise, wie in dieser auch handwerklich hervorragend gemachten
keine Einmischung.
Reportage, habe ich, und ich glaube, das gilt für die ganze Jury, haben wir das noch
nirgendwo gelesen, gehört oder gesehen. Darum bin ich froh, hierfür den 1. Preis ver-
Marc Thörner aber gab sich nicht zufrieden damit. Im Gegensatz zu jenen, die nur das
geben zu können.
Klischee bedienten, um ihre Story rund aussehen zu lassen, nahm er die Klage des
Bruders des Verurteilten ernst. Der hatte gesagt, das Urteil diene nur dazu, ihn, den im
Dahinter steht nicht zuletzt auch die Hoffung, dass wir damit Sie, Herr Thörner, aber
Land sehr bekannten Journalisten mundtot zu machen, damit er nicht weiter über die
hoffentlich auch noch viele andere Kollegen anstiften können, intensiver und genauer
Verstrickung der Regierung Karzai und ihrer Provinzgouverneure in den Drogen- und
zu recherchieren, wenn sie aus Afghanistan berichten. Natürlich weiß auch ich nicht,
Waffenhandel berichtet, solange sein Bruder im Gefängnis sitzt.
wie wir je mit einem halbwegs erträglichen Ergebnis aus dem Konflikt herauskommen.
Aber eins halte ich für sicher: Wenn wir nicht endlich eine ehrliche und gut informierte
Und dann fand Thörner Zeugen, die überzeugend bestätigen konnten, dass die Belas-
Debatte über Deutschlands Rolle in Afghanistan bekommen, dann werden wir so tief in
tungszeugen gekauft waren, dass der Richter allgemein als korrupt bekannt ist und
diesen schmutzigen Krieg hineingezogen, dass auch unsere eigene Verfassung Schaden
dass der zuständige Gouverneur, der zugleich der wichtigste Partner der Bundeswehr
nehmen wird. Darum meine Bitte: Bleiben Sie dran!
vor Ort ist, großes Interesse daran hatte, den Bruder des Verurteilten zum Schweigen
zu bringen. Denn selbst der General der Grenzpolizei beschuldigte eben diesen Gouverneur, am Schmuggel mitzuverdienen.
Vor allem aber, und das war für mich die größte Stärke des Stücks, wandte sich Thörner
an die örtlichen Geistlichen, um zu nach der Scharia und ihrer Meinung zum Todesurteil zu befragen. Und in aller Offenheit bekennt der bis dahin führende Imam einer der
größten afghanischen Moscheen, dass all das gar nichts mit der afghanischen Rechtstradition zu tun habe, sondern allein dem Missbrauch der mit den Gotteskriegern aus
Saudi-Arabien importierten Ideologie der dortigen wahabistischen Prediger, deren
Radikalität wiederum ein Produkt ihres Deals zur Teilung der Macht mit den
saudischen Feudalherren ist.
Mit anderen Worten: Wir und unsere Soldaten kämpfen auf der Seite einer kleinen
40
vorgetragen von Harald Schumann
41
Ulrike Brödermann und
Michael Strompen
2. PREIS
(ZDF)
43
„Der gläserne Deutsche –
wie wir Bürger ausgespäht werden“ (ZDF, 7.04.2009)*
Jeder Verbraucher hinterlässt täglich zahlreiche Datenspuren durch InternetNutzung, Kunden- oder Paybackkarten. Die ZDF-Dokumentation zeigt, dass die
Speicherung sensibler Daten von Bürgern schon fast zur gängigen Praxis in
Deutschland gehört. Der Film schildert anschaulich, was durch die Verknüpfung
von Daten heutzutage bereits möglich ist.
Ulrike Brödermann
geboren 1966 in Hamburg
Werdegang:
Seit 2007
Dozentin, Media School, Hamburg
Redakteurin und Autorin ZDF-Innenpolitik (Dokumentation), Mainz
Seit 2005
Seit 1998
Reporterin ZDF-Landesstudio Brandenburg (u.a. Vertretungen in
ZDF Studios Warschau und Brüssel)
1997
Mitarbeit und Wahlbüroleitung für die OSZE, BosnienHerzegowina, Jablanica
Seit 1991
Mitarbeit für Perspektiven e.V. (NGO für Behinderte und
Straßenkinder in Osteuropa)
1989-1995
freie Mitarbeit für National Geographic
1988-1996
Studium Slavistik, Osteuropastudien und Amerikanistik (FU Berlin
und St. Petersburg), Magisterabschluss
1985-1987
Studium Generale (Internationales Recht und Literatur in
Saarbrücken, Exeter und London)
1985
Abitur in Hamburg
Michael Strompen
geboren 1980 in Münster
Werdegang:
Seit 2006
2005-2006
2005
2003-2004
2001-2006
2000-2001
2000
1998-2003
Veröffentlichung:
2008
„Eine wahre Erfolgsstory? Zur Authentizität moderner TV
Dokumentationsformate“
Auszeichnung:
2003
LfM-Campus-Hörfunkpreis (Anerkennungspreis)
* Der preisgekrönte Fernsehbeitrag ist sowohl über die der Dokumentation beigefügte DVD (hinten, 3. Umschlagseite)
zugänglich als auch u .a. über die Homepage des „Brenner Preises“. (Die Redaktion)
44
ZDF-Innenpolitik (Dokumentation)
freie Mitarbeit 3sat-Wissenschaftsmagazin nano
ZDF-Innenpolitik (blickpunkt, Sondersendungen)
Volontärpraktikum ZDF in Mainz
Studium Journalistik und Sport in Dortmund
Zivildienst bei der Caritas in Kamp-Lintfort
Abitur in Rheinberg/NRW
freie Mitarbeit und Praktika (bei RTL Nachtjournal, WDR2, sid,
Rheinische Post)
45
Begründung der Jury
Als ich die wunderbar aufrüttelnde Fernseh-Dokumentation von Ulrike Brödermann
geht? Der Sozialwissenschaftler Andreij Holm, dessen Fall im Film dargestellt wird,
und Michael Strompen das erste Mal gesehen habe, ist mir ein Satz von Kafka in den
hätte das gern schon früher gewusst: Er hatte über „Gentrifikation“, also über die
Kopf geschossen. Kafka hat gesagt: „Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche
Modernisierung und Yuppisierung von Wohngebieten geschrieben – das hatte ihn
Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns
dem Bundeskriminalamt verdächtig gemacht. Beamte stürmten seine Wohnung.
nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch?“
Später las er in den Akten, dass seine Telefonate, E-mails, Freunde, seine Reisen
Hätte Kafka schon Fernsehen gekannt, dann hätte er wohl gesagt: „Wenn das Fern-
überwacht worden waren – unter anderem mit Hilfe der Bahn, die bereitwillig seine
sehen uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, warum schauen wir
Reiseverbindungen an das BKA übermittelt hatte. Es kann jeden treffen, sagt der
dann fern?“ Die meisten Leute schlafen ja beim Fernsehen gern ein, und die Fern-
Film. Und das ist so.
sehmacher kommen ihnen bei diesem Wunsch sehr oft und sehr gern entgegen. Ich
kenne mich da aus, denn ich gehöre zu den Leuten, von denen ich gerade rede.
Das „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ ist 25 Jahre alt, aber von
einer Selbstbestimmung der Bürger kann nicht die Rede sein; das Grundrecht auf
Bei dem Film von Ulrike Brödermann und Michael Strompen ist das ganz anders:
informationelle Selbstbestimmung ist ein schwer malträtiertes Grundrecht. Die
Selten sitzt man so wach, so gepackt, so gefesselt, so irritiert und so empört vor
Schwere und die Folgen dieser Verletzungen dokumentiert der ausgezeichnete ZDF-
dem Fernseher wie bei diesem Beitrag. Nie habe ich das nur vermeintlich trockene
Film. Er informiert, er sensibilisiert, er rüttelt wach. Er macht klar, warum Daten-
Thema Datenschutz so gut verfilmt gesehen. Die Dokumentation zeigt, wie Speiche-
schutz nichts Abstraktes ist, sondern erste Hilfe für die Bürgerrechte im digitalen
rung von sensiblen Daten von Bürgerinnen und Bürgern schon fast zur gängigen
Zeitalter.
Praxis in Deutschland geworden ist. Dieser Film enthüllt, was durch die Verknüpfung
von vermeintlich harmlosen Daten heute schon alles möglich ist: dieser Film setzt
Der prämierte Film ist ein Aufklärungsfilm. Er ist, obwohl nicht aus diesem Anlass
sich auf die Spuren, die jeder von uns im Internet sowie mit Kunden- und Payback-
produziert, einer der besten Beiträge zum 60. Jubiläum des Grundgesetzes.
Karten hinterlässt. Er zeigt, was damit passiert, er zeigt, was schon jetzt alles möglich ist, wer meine, wer Ihre Daten erfasst, sammelt, verkauft, auswertet. Für 200 Euro
kann man bei professionellen Datenhändlern Informationen über einen ganzen
Stadtteil kaufen. Die Bewohner wissen davon nichts. Aber der Datenkäufer weiß
dann, wo ein „Linker“, wo ein „Kleinbürger“ und wo ein „Konservativer“ wohnt,
wo „Single-Frauen“ leben und ob sie für Werbung offen oder ob sie eher zugeknöpft
sind.
Brödermann und Stompen zeigen das alles so, dass nach dem Film keiner mehr
sagt: Er habe ja nichts zu verbergen und also auch nichts zu befürchten. Nach einem
so aufklärerisch gescheiten Film bleibt einem ein so törichter Satz im Hals stecken.
Und die Frage, die einem nach diesem Film zu Recht umtreibt, ist die: Wie kann ich
mich schützen, wie kann ich mich wehren, was kann ich tun, dass das nicht so weiter
46
vorgetragen von Dr. Heribert Prantl
47
Simone Sälzer
3. PREIS
(Passauer Neue Presse)
49
„Leben in Würde“
Begründung der Jury
(Artikelserie 21.02. - 23.05.2009, Passauer Neue Presse) *
In der 14-teiligen Serie „Leben in Würde“ stellt die Autorin Einzelschicksale aus
Deggendorf vor, die mit den Problemen der gesellschaftlichen Isolation kämpfen. Aus welchen Gründen kommt es dazu, dass Menschen sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen? Die Reihe hat darauf mehrere Antworten. Es sind
Alkoholismus, Drogenkonsum, finanzielle Notlagen, Gewalt in der Partnerschaft,
Krankheit, Alter und Tod, die von der Gesellschaft mehr Offenheit und Verständnis fordern, als sie in der Lage ist zu geben.
„,Ich wollte einfach nur mal mit jemandem reden’, erinnert sich Sara Hanson an ihren
ersten Anruf bei Caritas-Schuldnerberaterin Cornelia Beetz. Die Frau mit den langen
brauen Haaren atmet kurz durch. ,Uns steht das Wasser bis zum Halse.’ Die allein
erziehende Mutter hat Schulden in sechsstelliger Höhe. Ihre vier Kinder sind 21, 17, 13
und 4 Jahre alt, von ihrem Mann lebt sie seit gut einem Jahr getrennt.“
Dieses Zitat aus der preisgekrönten Zeitungsserie von Simone Sälzer ist einer von gut
einem Dutzend szenischen Einstiegen, mit denen sich die junge Journalistin jeweils
prekären Feldern unserer Gesellschaft genähert hat. Mit solchen anschaulichen Exempeln nimmt Sälzer ihre Leser bei der Hand und zeigt jeweils gleich im ersten Absatz,
was Sache ist: Überschuldung, Alkoholsucht, Gewalt gegen Frauen, Behinderungen,
Asylsuche, Drogenkriminalität, Altersbetreuung, psychische Erkrankungen und was
Simone Sälzer
geboren 1978 in Passau
der sozialen und individuellen Probleme mehr sind, die die Volontärin der „Passauer
Neuen Presse“ in ihrer 14-teiligen Serie „Leben in Würde“ geschildert hat.
Als Soziographin zeigt Simone Sälzer einmal mehr, dass wir längst nicht mehr in der
friedlichen nivellierten Mittelstandsgesellschaft von einst leben. Sie beweist kritische
Werdegang:
2007-2009
2006-2007
1999-2006
1999-2006
1998
Aufmerksamkeit für Menschen am Rande, die von Marginalisierung bedroht sind. Als
Volontariat Passauer Neue Presse
Freiberufliche Dozentin für Deutsch als Fremdsprache
Studium der Germanistik, Romanistik, Politikwissenschaften
und Deutsch als Fremdsprache an der Universität Regensburg
Praktika, u. a. bei SZ, BR und Goethe-Institut
Abitur am Gymnasium Freyung
Journalistin hat Sälzer ein weiteres getan: Über die Dokumentation von Fallgeschichten hinaus zeigt sie mögliche Lösungen auf, sensibilisiert die Nicht-Betroffenen unter
ihren Lesern und weist den Betroffenen den Weg zu sozialkaritativen Hilfen in Notlagen. Das ist Nutzwertjournalismus im besten Sinne: kein Blabla mit Freizeittipps, sondern verantwortliches Schreiben für den Tag und darüber hinaus, journalistisches
Engagement mit Praxisbezug.
Simone Sälzer hat hier eine überraschend reife Leistung hingelegt. Diese überaus
gelungene Fleißarbeit einer Berufsanfängerin - 14 volle Zeitungsseiten, wahrlich keine
Kleinigkeit! - ist auch als modernes journalistisches Format interessant. Denn jede Folge der Serie im Lokalblatt „Deggendorfer Zeitung“ bestand aus vier definierten Komponenten, die die Autorin konsequent und lesenswert umgesetzt hat. Ein Muster, von
dem sich lernen lässt. Übrigens auch sprachlich. Die Klarheit, Nüchternheit und
Anschaulichkeit ihres Stils sind die kommunikativen Qualitäten, die es braucht, um
Leser einer Lokalzeitung anzusprechen.
* Die Beiträge der Artikelserie sind über die Homepage des „Brenner-Preises“ (www.otto-brenner-preis.de) zugänglich
und auf der DVD, die dieser Dokumentation beigefügt ist, in Auszügen enthalten. (Die Redaktion)
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vorgetragen von Prof. Dr. Volker Lilienthal
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OTTO BRENNER PREIS
„SPEZIAL“
Christian Semler
(freier Autor, taz)
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Fleißig gebuddelt, wenig Ertrag *
Bei der Arbeit des Ausschusses erwies es sich als nützlich, dass die CDU in einer
Doppelrolle als loyaler Großkoalitionär und gleichzeitig als Ankläger gegen die
vormalige rot-grüne Koalition auftrat. Dadurch konnte die SPD nicht alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die ihr die erdrückende Koalitionsmehrheit
im Ausschuss gegeben hätte. Sie konnte nicht alle Initiativen der oppositionellen
Ausschussmitglieder abbügeln. Dennoch erwies sich ein weiteres Mal, dass der
parlamentarischen Kontrolle der Dienste enge Grenzen gesetzt sind. Dies gilt
nicht nur für die Befugnis der Regierung, Zeugenaussagen zu verhindern oder
Dokumente nicht zugänglich zu machen. Noch entscheidender ist, dass im Reich
der Dienste fast alles mündlich abläuft, Diskussionen und Anweisungen nicht
schriftlich festgehalten werden, Aktennotizen unterbleiben. Dies kraft Gesetz
ändern zu wollen verkennt den Auftrag der Geheimen. Schlapphut und Transparenz – das geht nicht zusammen.
Christian Semler
geboren 1938 in Berlin
Werdegang:
Seit 2009
Freier Autor der taz (Schwerpunkte: demokratische Rechte,
historische Grundlagen der Politik, Geschichtspolitik)
Redakteur der taz mit Schwerpunkt Osteuropa; Kolumnist der
1989
„Wochenpost“
Seit 1980
Freier Journalist; Unterstützungsarbeit für die demokratische
Opposition in Ostmitteleuropa; Mitglied von „Solidarität mit
Solidarnosc“
1970
Mitbegründer und Funktionär der maoistischen KPD (AO)
Seit 1965
Aktivist im Westberliner SDS (bis zu dessen Auflösung 1970)
Seit 1962
Zweitstudium Politik und Geschichte; Journalistische Arbeit
(u. a. für SFB und NDR)
1957-1961
Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg/Breisgau und
München; 1. jur. Staatsexamen
1957
Abitur am Goethe-Gymnasium, Berlin
Veröffentlichungen:
Seit 1980
Verfasser zahlreicher Aufsätze (u. a. für Freibeuter, Kursbuch,
Kommune, Aus Politik und Zeitgeschichte, Le Monde diplomatique)
und Herausgeber (Mitautor) von Textsammlungen, insbesondere
zu politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in „Osteuropa“
* Dieser Kommentar zum Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu diversen BND-Affären
ist am 16.06.2009 in der taz erschienen. Wir dokumentieren einen Auszug.
Eine Serie weiterer Meinungsartikel aus der Feder des Preisträgers enthält die DVD, die diesem „Best of“ (siehe dritte
Umschlagsseite) beigefügt ist.
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Begründung der Jury
Als Christian Semler Maoist war, war ich noch Ministrant. Das ist lange her. Mittlerweile
den Dingen, und gibt ihnen beim Schreiben Raum: Ich vermute, dass er deswegen
ist Semler längst nicht mehr Maoist, und ich bin auch nicht mehr Ministrant. Wir beide
nicht Politiker geworden ist wie Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit, die Semlers
sind, jeder auf seine Weise, fortgeschritten. Wir haben uns bisher, bis zum heutigen
Nachfolger und Erben waren in der 68er Revolte. Semler hat das gewaltige Ego nicht,
Abend, nie persönlich getroffen – und uns doch gefunden auf einem Gebiet, das uns
das man braucht, um Widersprüche und Vorbehalte in sich selbst zu überspielen. Er
beide angelegen ist: Er, der Ältere, und ich, der Jüngere, ackern auf einem Feld, auf
streitet mit seinen klugen Arbeiten für die Demokratie – im Wissen, dass er einst gegen
dem viel Unkraut wächst: Es heißt Rechtsstaat und Bürgerrechte.
diese Demokratie gestritten hat. Sein Werk ist auch deswegen so glaubwürdig, weil es
das Ergebnis eines langen, verschlungenen Weges ist, ein Produkt eines persönlichen
Mir sind, als ich als Kommentator und Leitartikler noch sehr jung und sehr frisch war,
Läuterungsprozesses: Semler war einer der führenden Köpfe der Studentenbewegung,
sogleich die Stücke von Christian Semler in der taz aufgefallen. Ich spürte: Da zieht
er war der Gefährte von Rudi Dutschke. Und er wurde in und nach vielerlei Wirrnissen
einer seine Furchen mit ungeheurer Sachkenntnis, mit Präzision, mit profundem Wis-
ein überzeugter, überzeugungskräftiger und weiser Demokrat.
sen. Und seitdem lese ich Christian Semler – der einer der klügsten journalistischen
Köpfe ist, die ich kenne. Er ist einer, der nicht wohlfeil daherbrabbelt; er ist keiner,
Semlers Leben ist ein politischer Roman. Wie kam eigentlich eine studentische Protest-
dessen Meinung schon fertig ist, bevor das Ereignis, das er kommentiert, passiert ist;
bewegung, die ursprünglich adrett gekleidet und gescheitelt, das Recht auf freie Mei-
er ist nachdenklicher, kein vorpreschender Mensch: Er ist ein bewundernswert
nungsäußerung auf dem Campus und eine demokratische Reform der Universitäten ein-
gescheiter, ein scharfsinniger journalistischer Streiter für Rechtsstaat und Bürgerrech-
forderte, zum Sozialismus als einer radikalen gesellschaftlichen Alternative? Christian
te. Er ist ein Radikaldemokrat im allerbesten Sinn, also einer, der sich nicht mit einem
Semler beantwortet diese Frage selbst, in einem Stück, das „Unser geliebter Sozialismus“
lauen Bekenntnis zur Demokratie zufrieden gibt; in seinen Texten geht er ihr auf den
heißt. Am Anfang, sagt er, „steht eine Ausstoßung, der Ausschluss des Sozialistischen
Grund, er verfolgt ihre Wurzeln zurück bis in die Tage der Revolution von 1848.
Deutschen Studentenbundes SDS aus der SPD. Diese erzwungene Selbständigkeit zog
wider Erwarten eine reale Selbständigkeit nach sich“. Das war sicher eine große Wei-
Als Daniel Cohn-Bendit ihm zum 70. Geburtstag in der taz eine kleine Eloge geschrie-
chenstellung im Leben des Christian Semler.
ben hat, hat er den Kopf des Christian Semler schön beschrieben: Christian Semler sei
das „lebendige Gedächtnis der linken Revolte von 1968“. Und in diesem Kopf tobt ein
Über die andere Weichenstellung habe ich sinniert, als ich vor einiger Zeit im Wirt-
ständiger Kampf zwischen linker und rechter Gehirnhälfte, „hier die kühle Analyse,
schaftsministerium vor der dortigen Bilder-Ahnengalerie der Minister stand: Das aller-
dort Kreativität und Gefühle“. Man liest mit Spannung, was er schreibt, „weil man
erste Bild, das vor dem Bild von Ludwig Erhard hängt, zeigt Johannes Semler, den
immer wissen will, welcher Verstand diesmal die Oberhand gewonnen hat“. Cohn-Ben-
Vater unseres Preisträgers. Semler senior war ein gesuchter Finanzfachmann und
dit hat Christian Semler „ein starkes, linkes Gewissen attestiert“. Beides sei manch-
Wirtschaftsprüfer, ein Abwickler von Großunternehmen, Sanierer der Hentschel-Wer-
mal, zum Beispiel auf dem Balkan, schwer zusammenzubringen: „Aber Semler gelingt
ke, von Borgward und BMW, er war Mitgründer der CSU und Direktor der Verwaltung
es, und das macht ihn menschlich“.
für Wirtschaft der Vereinigten Wirtschaftsgebiete nach dem Krieg, also quasi der erste
bundesdeutsche Wirtschaftsminister. Wenn ich so einen Vater gehabt hätte, so dachte
Semler bläst beim Schreiben nicht in die Posaune. Er hat nicht die Illusion, dass man
ich mir, als ich vor der Bilderwand stand, wäre ich wahrscheinlich auch nicht Minis-
mit dem Schreiben die Mauern von Jericho einstürzen lassen kann. Er ist ein nachdenk-
trant, sondern erst mal Maoist geworden.
licher, skrupulöser, ein wissender Schreiber. Er spürt die Widersprüche in sich und in
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Seit über zwanzig Jahren schreibt Christian Semler ganz wunderbar für die taz, vor
allem über Recht, Demokratie, Demokratiegeschichte und Geschichtspolitik. Seine
Stücke zu Demokratie, Bürgerrechten und zu der Geschichte dieses Landes gehören
zum Besten, was der politische Journalismus in Deutschland zu bieten hat. Und als ich
über diese kleine Laudatio nachgedacht habe, ist mir ein Spruch zum Verhältnis von
Macht und Recht eingefallen, zu einem Verhältnis also, das Christian Semler und mich
immer wieder sehr beschäftigt. „Dass Macht vor Recht geht“, so sagt dieser Spruch,
„damit könnte man sich zur Not noch abfinden. Aber dass das Recht auch noch hinter
der Macht geht, das ist traurig!“ Ich weiß nicht, ob dieser Aphorismus von Christian
Semler stammt. Er könnte jedenfalls von ihm sein.
Lieber Christian Semler, meine Bewunderung, meine ganz herzlichen Glückwünsche zu
diesem Preis für Ihr journalistisches Werk. Schreiben Sie weiter. Nicht nur die taz kann
ihre Klugheit brauchen.
Moderatorin u. Jury-Mitglied Sonia Seymour Mikich gratuliert Christian Semler,
Gewinner des „Spezial“-Preises 2009
vorgetragen von Dr. Heribert Prantl
Festredner Tom Schimmeck zwischen Ex-Maoist Semler (links) und Ex-Ministrant Prantl (rechts)
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RECHERCHE-STIPENDIEN I
Sandro Mattioli
Tina Groll
Marianne Wendt und
Maren-Kea Freese
Moderatorin Sonia Seymour Mikich im Gespräch
mit Jury-Mitglied Thomas Leif
Mikich: „Thomas, wie sahen die Bewerbungen in diesem Jahr aus, und was
waren die Schwerpunkte?“
Leif: „Die Bewerbungen waren durchwachsen, wie immer. Wenn man ehrlich ist,
haben wir ein Aussortiersystem von ungefähr zehn Prozent der Bewerbungen,
die ins engere Feld kommen und eigentlich unseren harten Kriterien entsprechen.
Thematisch war es kreuz und quer. Einige internationale Reportagethemen, bei
denen man auch ein bisschen den Verdacht haben kann, dass der eine oder andere sich das Land mal anschauen möchte. Aber durchaus auch Themen aus der
Arbeitswelt. Es gibt keine eindeutigen Schwerpunkte, es ist sehr breit gestreut.“
Mikich: „Welche Stolpersteine gibt es eigentlich, wenn junge Leute an so ein
Stipendium heran kommen wollen?“
Leif: „Stolpersteine? Sie müssen uns überzeugen! Wir sind, glaube ich, ziemlich
kompliziert, weil wir natürlich zwei Dinge machen müssen: Einerseits wollen wir
eine große Leistung, und dann soll diese große Leistung von einem noch möglichst jungen Menschen erbracht werden. Das ist ein innerer Spagat, den wir
aushalten müssen, und wir müssen überzeugt werden. Sie kennen ja die ziemlich anspruchsvollen Persönlichkeiten in der Jury. Es muss eine eigene Idee sein,
die Leute müssen durch ihre Persönlichkeit und den Lebenslauf nachweisen,
dass sie es ernst meinen. Das ist für mich persönlich zum Beispiel sehr wichtig.
Schließlich müssen sie eine originelle und gute Ausgangsbasis haben, die uns
überzeugt.“
Mikich: „Aber ein bisschen an die Hand genommen werden müssen sie auch,
oder?“
Leif: „Ja, wenn man so will, ist es auch ein kleines Geschenk des Preises an die
Preisträger: Sie kriegen einen Mentor oder eine Mentorin zu Seite gestellt. Wir
werden gleich etwas von Frau Frenzel hören, die, vom früheren ARD-Korrespondenten in Spanien, Stefan Rocker, betreut wurde. Was sehr wichtig ist: Wir ver-
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suchen, z. B. aus unserem privaten Umfeld oder aus dem „netzwerk recherche“
Betreuer zu finden, die bei Recherchen auch wirklich mit professionellem Rat
und konkreter Tat zur Seite stehen.“
Mikich: „Jetzt würde ich Dich einmal bitten, die Themen der Recherche-Stipendien
zu nennen, die in diesem Jahr gewonnen haben.“
Leif: „Da ist zunächst Sandro Mattioli. Er macht etwas ganz anspruchsvolles und
zwar betrachtet er, wie die italienische Mafia sich neue Absatzgebiete und
Geschäftsfelder in Deutschland sucht. Nämlich mit Müll, den sie nach Deutschland exportieren. Es geht um 250 000 Tonnen Material. Ich war am Anfang sehr
skeptisch, das gebe ich zu, habe aber dann bemerkt, dass er in Italien gute Kontakte hat und sicherlich dieses Segment der Mafiaarbeit sehr erfolgreich präsentieren wird. Dazu noch der Hinweis, dass er auch mit der Justiz eng zusammenarbeitet und es eine zweite Story beim diesem Thema sein wird, wie Deutschland mit der italienischen Justiz kooperiert.
Bei dem zweiten Stipendium geht es – wenn man so will – um die Praxis der
Finanzkrise. Tina Groll wird sich damit beschäftigen, wie Verbraucher von den
Deutschen Banken über den Tisch gezogen worden sind, wie man wertlose
Immobilien verticken will und wie man damit sozusagen Kleinverdiener an den
Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht hat. Also eine ganz praktische Story
aus dem Bereich der Finanzkrise.
Und das dritte Stipendium ist eine Geschichte, die sich auf den ersten Blick sehr
harmlos anhört. Marianne Wendt und Maren-Kea Freese kümmern sich um Analphabeten und schauen nach, wie eigentlich die Welt ohne diese Schriftkultur
ausschaut. Auf den ersten Blick kennen wir alles, aber sie haben mich zum Beispiel sehr durch die Intensität, wie sie mit dem Thema umgehen, überzeugt, und
sie werden uns frei nach Gabriel, dem neuen SPD-Chef, in die Ecken führen, ‘wo
es stinkt und nicht so amüsant ist.’“
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Sandro Mattioli
freier Reporter (Rom)
„Auf Dreck gebaut:
Wie sich die Müllmafia in Deutschland etabliert“
Aus der Würdigung der Jury:
„Sandro Mattioli will mit seiner Arbeit aufdecken, dass die italienische Mafia mit einem
neuen Geschäftsmodell in Deutschland präsent ist: Dem Import von kontaminierter
Erde. Eine investigative Recherche in einem gefährlichen Milieu – brisant und relevant.
Die Jury des Otto Brenner Preises unterstützt diese Arbeit über eine aktuelle Form
organisierter Kriminalität mit einem Stipendium.“
Deutschland nimmt seit Jahren, nicht erst seit der Müllkrise in und um Neapel,
große Mengen von Abfall aus Italien auf. Allein in Rheinland-Pfalz wurden in den
vergangenen fünf Jahren über 250.000 Tonnen Material angeliefert. Nur der
kleinste Teil dieser Stoffe sind Siedlungsabfälle. Die größte Gruppe stellen „Boden
und Steine (dar), die gefährliche Stoffe enthalten“. Bei diesen Erdimporten geht
nicht alles mit rechten Dingen zu.
Sandro Mattioli
geboren 1975 in Heilbronn
Werdegang:
2008-2009 Freier Reporter in Rom
2006-2008 Volontär bei der Stuttgarter Zeitung
1995-2006 Freier Journalist für verschiedene Medien, Autor für das
Schwäbische Tagblatt
1996-2004 Studium der Allgemeinen Rhetorik, Neueren Geschichte und Empirischen Kulturwissenschaft in Tübingen und Rom, Magisterabschluss
1995
Abitur am Albert-Schweitzer-Gymnasium, Neckarsulm
Auszeichnung:
2007
„herausragende Leistung“, Axel-Springer-Preis
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Tina Groll
Redakteurin (ZEIT-online)
Aus der Würdigung der Jury:
„Angepumpt und abkassiert: Subprime in Deutschland“
„Tina Groll zeigt mit ihrer Recherche ‚Angepumpt und abkassiert’, dass die so genannte
Die Recherche soll zeigen, dass es Geschäfte im Stile der Subprime-Krise in den
USA auf verschiedenen Ebenen auch in Deutschland gegeben hat. Die Autorin
wird – stellvertretend für tausende von Fällen – einige Geschichten von geprellten
Anlegern erzählen, deren Existenz akut gefährdet wurde. Zudem zeigt sie, dass
bis heute weder eine echte Regulierung, noch eine strenge Aufarbeitung der gierigen Geschäfte stattgefunden hat.
‚Subprime-Krise’ längst in Deutschland angekommen ist. Auch in der Bundesrepublik
haben Banken überhöhte Kredite für wertlose Immobilien vergeben, obwohl die ‚Kleinverdiener’ nicht solvent waren. Die Otto Brenner Stiftung und die Preis-Jury halten das
Thema für so relevant, dass sie die Arbeit der jungen Kollegin mit einem Stipendium
unterstützen.“
Tina Groll
geboren 1980 in Itzehoe
Werdegang:
Seit August 2009 Redakteurin bei ZEIT-online im Wirtschaftsressort
2007 - 2009 Volontariat bei der Bremer Tageszeitungen AG
2003 - 2007 Studium Internationaler Studiengang Fachjournalistik an der
Hochschule Bremen und dem Manipal Institute of Communication
in Manipal, Indien; Abschluss: Diplom-Journalistin
2002 - 2003 Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Diakonie Bremen
2002
Abitur an der Kaiser-Karl-Schule, Städtisches Gymnasium Itzehoe
Auszeichnungen und Veröffentlichungen, u .a:
2008
„Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ (Medium Magazin)
„Beruf Journalistin. Von kalkulierten Karrieren und behinderten
2008
Berufsverläufen“, VDM-Verlag
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Marianne Wendt /
Maren-Kea Freese
„Ich schreibe, also bin ich“.
Als Analphabet in einer Welt der Schriftkultur
Aus der Würdigung der Jury:
„Marianne Wendt und Maren-Kea Freese beobachten in ihrem Projekt verschiedene
Analphabeten. Ihre Protagonisten versuchen, lesen zu lernen, um ihre Lebenssituation
zu verbessern. Ein Langzeitprojekt, das nicht im täglichen Focus steht. Stiftung und
Jury fördern diese innovative Recherche mit 5.000 Euro.“
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Vier Millionen Analphabeten leben in Deutschland. Die Gefahr vor Isolation,
Arbeitslosigkeit und Armut, sowie der schwierige Weg, aus dieser Situation auszubrechen, sind der Öffentlichkeit nicht bekannt. Die Autorinnen treffen verantwortliche Bildungspolitiker, stellen – unter anderem – die Frage, warum in einem
Land, das sich seines hohen Bildungsniveaus rühmt, so wenig gegen Analphabetismus getan wird. Sie versuchen, mit ihrem Hörfunkfeature dieses tabuisierte
Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
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Marianne Wendt
geboren 1974 in Berlin-Charlottenburg
Maren-Kea Freese
geboren 1960 in Hannover
Werdegang:
Seit 2005
Seit 2004
2001-2005
1999-2001
1997-1999
Bis 1999
Werdegang:
Seit 2000
Regie- und Drehbuchautorin (u.a. Was ich von ihr weiß, 2006)
Abschluss Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb)
1999
1989
FU Berlin (Filmwissenschaften, Publizistik, Germanistik),
Magister-Abschluss
seit 1982
Regieassistenz, Kurzfilme und Dokumentationen
1979
Abitur am Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium in Köln
Autorin und Regisseurin für Hörspiele und Features
Drehbuchautorin
freie Theaterregisseurin
Dramaturgin am Deutschen Theater Berlin
Regie- und Dramaturgieassistentin, Deutsches Theater Berlin
Studium der Architektur (Diplom, TU München/UdK Berlin) und
der Theaterregie (Uni Hamburg). Aufbaustudiengang Drehbuchwerkstatt München (HFF München, 2006)
Auszeichnungen, u. a.:
2009
Nominierung für den Deutschen Kinder-Hörspielpreis der ARD
(„Die Raben des Barbarossa“)
2008
Hörspielförderung der Filmstiftung NRW für „Anständige Bürgerin“
2007
Aufenthaltsstipendium „Writer in Residence“, Villa Decius in Krakau
2006
Stipendium Drehbuchwerkstatt München
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Auszeichnungen, u. a.:
1999
Regieförderpreis, Filmfest München
Preis der Feminale, Köln
1988
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RECHERCHE-STIPENDIEN II
Veronica Frenzel
Günter Bartsch
Thomas Schuler
Thomas Schnedler
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Jury-Mitglied Thomas Leif im Gespräch
mit ehemaligen Stipendiaten
Mikich: „Ich will – zur Überleitung – ganz kurz noch etwas zu Thomas Leif sagen:
Er hat wirklich Wucht und Energie, Berthold Huber hat das ja schon vorhin angedeutet, und eine unglaubliche Sicherheit, was journalistische Standards angeht.
Eben nicht nur in seinen eigenen Sendungen, in seinen Berichten, in Büchern,
er sorgt eben unermüdlich dafür, dass junge Kollegen sich für die Mühen des
ungeliebten investigativen Journalismus begeistern. Er will, dass No-Names
nach oben kommen, dass sie durchhalten, dass sie glänzen. Thomas Leif –
er ist Jury-Mitglied, er ist bei „netzwerk recherche“ – wird jetzt Preisträger vergangener Jahre einmal über Siege und Niederlagen interviewen, und er hat mit
ihnen gebangt und gerungen. Ich bitte jetzt im fliegenden Wechsel Veronica
Frenzel, Günter Bartsch und Thomas Schuler auf die Bühne und übergebe das
Wort an Thomas Leif.“
Leif: „Heute haben Sie uns eine Überraschung mitgebracht – keiner wußte das –
und das ist auch ein kleines Geheimnis dieser Stipendien: Sie haben mit einer
Freundin auch in Spanien über ein halbes Jahr einen Film gedreht.“
Leif: „Frau Frenzel ist jemand, die uns kurz erzählen kann, was sie gemacht hat.
Sie hat sich nämlich um diejenigen in Spanien gekümmert, auf die sonst niemand
schaut. Erzählen Sie ganz kurz, was sie gemacht haben.“
Frenzel: „Auf jeden Fall nicht in diesem Ausmaß. Ich hätte vielleicht etwas Kleines gemacht, aber ich hätte nicht so lange daran arbeiten können. Und ich hätte
nicht in die Tiefe gehen können wie ich gegangen bin und ich hätte vor allem
nicht den finanziellen Rückhalt gehabt. Besonders aber auch den Rückhalt von
meinem Mentor Herrn Rocker, der mich ja immer wieder unterstützt und mir
gesagt hat: ‚Machen Sie weiter, das ist eine gute Richtung’.“
Frenzel: „Mein Thema war die illegale Einwanderung in Spanien und wie die
Wirtschaftskrise diese Menschen trifft. Meine These war, dass diese Menschen
besonders hart davon getroffen werden und das habe ich dann auch während
der Recherche bestätigt gefunden. Sie müssen jetzt noch schlechtere Bedingungen akzeptieren, als sie eigentlich bisher sowieso schon mußten, finden einfach
gar keine Arbeit mehr.“
Leif: „Das heißt also, das soziale Elend der Schicht, wo sonst niemand hinschaut, ganz unten. Wo haben Sie die Ergebnisse denn am Ende veröffentlicht?“
Frenzel: „Ich habe zum einen eine Reportage in der Zeitschrift „E + Z“ veröffentlicht, das ist eine Spezialzeitung von der Stiftung „Invent“, die auch von der
Bundesregierung unterstützt wird, und dann auch noch in der österreichischen
Wochenzeitung ‚Die Furche’.“
Frenzel: „Genau. Ich habe aus der Recherche noch zusätzlich einen halbstündigen
Dokumentarfilm* gemacht. Er ist allerdings noch nirgends erschienen und er ist
auch erst letzte Woche fertig geworden.“
Leif: „Aber das zeigt, und das ist, glaube ich, einen extra Applaus wert: Sie hat
mehr gemacht, als sie machen mußte. Erklären Sie es vielleicht ganz kurz, weil
viele im Publikum wissen es nicht: Hätten Sie ohne das Stipendium die Story
auch gemacht?“
Leif: „Das ist ein gutes Zeichen, und ich glaube, dass der Film fertig ist, ist ein
Sonderbeweis für Ihren Einsatz. Irgendwie wird es auch noch eine Lösung geben,
dass man den Film vernünftig synchronisieren kann und die Gelder dafür werden
sich sicher auch noch finden.
Und dann geht das Mikro weiter an Günter Bartsch. Der hat sich im Grunde
beschäftigen wollen mit dem, was Tom Schimmeck uns in seiner Rede gesagt
hat, nämlich Lobbystrukturen, politische Beeinflussung in Berlin – wie sieht das
eigentlich ganz praktisch aus? Aber Herr Bartsch – man kann doch eigentlich im
Grunde sagen – Sie sind am Ende erfolgreich gescheitert mit ihrem Stipendium?“
* Wir machen den Film über die DVD, die der Dokumentation beiliegt, erstmals öffentlich zugänglich. (Die Redaktion)
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Bartsch: „Meine Erfahrung: Man stößt auf eine Mauer des Schweigens, wenn man
versucht, Ansprechpartner hinter den Kulissen zu finden. Also, es war sehr
schwierig. Ich habe es über soziale Netzwerke probiert. Es ging insbesondere im
Speziellen um einen Berliner Verlag namens Helios, der sich der politischen
Kommunikation widmet, Magazine herausgibt, die erwähnten Politikkongresse
durchführt.* Ich habe auch Gruppen im Internet gefunden, die sich die „Heliosopfer“ nennen, so halb Spaß halb Ernst, glaube ich. Man kriegt zwar einen Kontakt, aber es bricht dann relativ schnell wieder ab. Das heißt, ich mußte andere
Wege finden, wie ich an Informationen komme. Da hat es sich dann angeboten,
sowohl Programme von Kongressen als auch Magazine und die Zeitschriften, die
der Verlag rausbringt, sich genau anzuschauen, Jahrgang für Jahrgang durchzugehen und dann entdeckt man dann doch Muster, die ganz interessant sind.
Die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) ist ja hier schon angesprochen worden. Die INSM ist einer der wichtigsten Anzeigenkunden in einem dieser Magazine, „Politik und Kommunikation“, und die Geschäftsführer der INSM
dürfen in dieser Zeitschrift auch publizieren, schreiben. Da gibt es also Muster,
die problematisch sind.“
Leif: „Aber woran lag es am Ende, dass Sie die Ehemaligen nicht bekommen
haben? Lag es an Ihnen, dass Sie nicht hartnäckig genug waren oder woran lag
es? Man weiß: Viele Informationen kommen von Ehemaligen, die betrogen worden sind, belogen, gedemütigt am aller besten. Das sind die besten Informanten. Er hat aber niemanden gefunden, obwohl es ja viele gibt von diesen in dem
Umfeld des Helios Verlags.“
Bartsch: „Na ja, die arbeiten ja alle noch wie gehabt in dieser Branche und auf
den ersten Blick, oder so nach ein paar Wochen, dachte ich‚ anscheinend ist der
Verlag so relevant ja doch nicht, wie ich mir gedacht habe. Und durch diese
Erfahrung ist mir bewußt geworden, wenn irgendwie alle Kritik üben an seichtem Niveau vieler Veranstaltungen usw., merkt man dann, dass offenbar doch
Macht dahinter steckt, dass sich niemand traut, viel öffentlich zu kritisieren.“
* Siehe den Beitrag über „Helios“ in diesem Band.
Leif: „Also Sie bekommen am Ende eine Strukturanalyse, ganz umsonst war es
nicht, aber es gibt eine ganz interessante Erfahrung. Astrid Geisler* ist es ja
gelungen, mit ihrer Recherche die ersten beiden Seiten der taz vollständig zu
füllen, das hat ihr sehr geholfen nach einem OBS-Stipendium. Jetzt haben Sie
gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, die Ergebnisse zu präsentieren. Warum
war das so schwer, Ihre Rechercheergebnisse zu veröffentlichen?“
Bartsch: „Also ich habe von Redaktionen oft die Reaktionen bekommen: ‘Das ist
zu kompliziert’. Die Verflechtungen, die es gibt zwischen PR und Journalismus,
kann man aber nachlesen, in der Dokumentation zum MainzerMedienDisput
2009. Diese Verflechtungen sind ziemlich kompliziert, man muss genau recherchieren, man braucht auch Platz dafür und Redaktionen tun sich offenbar
schwer, mit diesem Thema umzugehen. Zumal immer gewisse Angriffspunkte
auch bei Redaktionen oder bei Verlagen vorhanden sind.“
Leif: „Klingt das bei Ihnen nach aufgeben – oder wie geht es weiter?“
Bartsch: „Nein, also ich glaube, die Ergebnisse, die ich jetzt habe, sind zumindest so, dass man was etwas draus machen kann. Interessant war eigentlich,
dass ich über dieses Wühlen bei diesem einen Fall auf ganz viele andere Fälle
gestoßen bin.** Sei es die Solarindustrie, wo plötzlich Initiativen loslegen und
verdeckte PR betrieben wird oder das Beispiel ‘Berlinpolis’.“
Leif: „Wir haben noch die Hoffnung, dass dieser Text in der „taz“ erscheint als
Geschenk, denn der Politikkongress startet in zwei Wochen hier in Berlin.
Jetzt kommen wir zu Tom Schuler. Ein alter Grantelhase aus München, der viel in
der Süddeutschen schreibt, der auch schon ein Buch über Franz-Josef Strauss
gemacht hat, sehr wichtige Bücher über die Familie Mohn und den Verlag Bertelsmann. Warum braucht der eigentlich noch ein Stipendium?“
* Gewinnerin eines Recherche-Stipendiums der Otto Brenner Stiftung 2005
** Siehe den Beitrag „Schickt Briefe“ in diesem Band.
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Schuler: „Das ist eine gute Frage. Aber ich würde sagen, es hat mir gut getan,
dieses Exposé zu dem Thema Stiftung zu entwickeln. Denn ich stand auch vor
dem Problem, dass ich schon ein Buch über die Mohns publiziert hatte, also im
Thema drin war, auch sonst ein bisschen einen Namen habe. Aber das heißt
nicht, dass man dieses Thema, diese Recherche dort anbringen kann, wo man
sie wirklich haben will. Ich wollte ein Buchprojekt zum Thema Stiftungen und ich
wollte einen großen Buchverlag. Das Exposé hat sich zwei-, dreimal grundlegend
gewandelt, bis ich einen Verlag gefunden hatte. Jetzt bin ich mitten in der Produktion, 2007 habe ich das Stipendium bekommen, eigentlich arbeite ich an
dem Thema schon seit dem Abschluß meines Buches über die Familie Mohn.
Weil ich damals schon das Gefühl hatte, dass ich das Thema Bertelsmannstiftung nicht wirklich zu fassen bekommen und es nicht so umgesetzt habe, wie
ich es mir gewünscht hatte. Das ist jetzt mein zweiter Versuch. Jetzt bin ich gerade mitten in der Produktion, habe sogar ein schlechtes Gewissen, dass ich jetzt
hier bin und nicht an meinem Schreibtisch. Aber ich bin zuversichtlich.“
Schuler: „Quellen erschließen, das ist die eine hartnäckige Arbeit. Die Mohns,
die erste Frau und andere sitzen natürlich auf einem großen Berg von Wissen
und Material.
Also es reicht nicht, eine Anfrage, zwei Anfragen oder drei Anfragen oder vier zu
stellen, es müssen dann eben fünf oder sechs Anfragen sein und es muss mit
einem Brief beginnen und es muss irgendwie dann alles ein „Gesicht“ bekommen. Derjenige oder diejenige muss das Gefühl bekommen, dass da jemand ist,
der ein ehrliches Interesse daran hat. Das ist, glaube ich, das Wesentliche und
dazu gehört ein Stück Unabhängigkeit und da bin ich wieder beim Stipendium.
Für mich war es eigentlich ganz gut, dass ich nicht sozusagen täglich immer die
aktuellen Zeitungsartikel machen musste und ich mir diese Zeit so mühsam
rausschneiden musste. Denn Zeit, das haben wir vorhin auch mitbekommen, ist
ja das Wesentliche an der ganzen Geschichte.“
Leif: „Das heißt: Ein Hauch von Schwiegersohnmentalität kommt auch noch dazu?“
Leif: „Kann man sagen, dass mit diesem Stipendium ein größeres intensiveres
Buchprojekt* gefördert wird – mit viel Informationen zu Bertelsmann, die bis
jetzt noch nicht auf dem Markt sind.“
Schuler: „Ja, das ist schon der Anspruch, wenn man sich so lange mit einem
Thema beschäftigt. Wenn jetzt jemand sagt, was grundlegend Neues wirst Du
wahrscheinlich auch nicht herausbringen, dann sage ich: ‘Mir reicht es ja schon,
wenn ich mehr habe, als ich bislang darüber lesen konnte’.“
Leif: „Geben Sie uns bitte zum Schluß noch einen Einblick in Ihre Arbeitsweise.
Ihnen ist es zum Beispiel gelungen, die erste Ehefrau des verstorbenen Mohn zu
‘knacken’, so nennt man es im Neudeutschen, und den Sohn der Familie Mohn.
Wie schaffen Sie es – das ist ja die Hauptarbeit einer solchen Recherche –, die
Akteure auf ihre Seite zu bringen, dass sie sich bei Ihnen ausheulen und Ihnen
erzählen, was sonst keiner erfährt?“
Schuler: „Das glaube ich nicht. Bei Stiftungsgeschichten überwiegen schon sehr
nüchterne Papiere. Da ist es eher die Frage, wieviel Energie man aufbringen
kann, um immer wieder noch etwas zu lesen, was eigentlich auf den ersten hundert Seiten sturzlangweilig ist.“
Leif: „Das war für Sie nur ein ganz kleiner Eindruck von drei Stipendien, mit ganz
verschiedenen Methoden. Bei Frau Frenzel, die Ausdauer über ein halbes Jahr.
Bei „Meister“ Bartsch die Frage, wie man auch Ehemalige knacken kann und
dranbleiben muss und bei Herrn Schuler die Energie, auch langweilige Texte
intensiv zu studieren.
Wir glauben, die machen alle noch weiter und ich hoffe, das Publikum hat begriffen, wie wichtig die Stipendien sind.
Vielen Dank!“
* Siehe den Beitrag „Soft Power“ des Autors in diesem Band.
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Festredner Tom Schimmeck und die Gewinner Otto Brenner Preise 2009
RECHERCHE-STIPENDIEN II
Jury-Mitglied Thomas Leif (rechts) im Gespräch mit Thomas Schuler, Günter Bartsch und
Veronica Frenzel (v.l.n.r.)
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Ergebnisse
abgeschlossener
Stipendien
Veronica Frenzel
Günter Bartsch
Thomas Schuler
Thomas Schnedler
Veronica Frenzel
Schattenbrüder *
Illegale Einwanderer trifft die Weltwirtschaftskrise besonders hart – in Spanien
zum Beispiel. Mit der Baubranche ist einer der wichtigsten Arbeitsmärkte für
Einwanderer ohne Papiere weggebrochen. Auch in der Landwirtschaft finden
immer weniger Osteuropäer, Chinesen, Afrikaner und Südamerikaner Jobs. Die
Konkurrenz wächst, die Arbeitsbedingungen werden schlechter. Diese Reportage
schildert das Schicksal von zwei Männern. Sie ist das Ergebnis eines RechercheStipendiums der Otto Brenner Stiftung, das die Autorin 2008 erhielt.
Den Ort, an dem sein Leben besser werden sollte, hatte sich Moussa S. (31) aus
dem Senegal anders vorgestellt. Die Straßenkreuzung in La Mojonera bei
Almería ist grau und staubig, drum herum ducken sich ein paar farblose Hausklötze vor dem ständig blasenden Wind, der um sieben Uhr morgens noch kalt
und feucht ist. Seit rund hundert Tagen sieht Moussa jeden Tag von hier die Sonne aufgehen. Er wartet auf einen „Chef“, der ihm ein paar Stunden Arbeit gibt.
Moussas Augen sind starr geradeaus gerichtet. Nur wenn ein Lastwagen an der
Kreuzung hält, schnellt sein Blick zum Mann am Steuer. Doch Moussa sieht
stattdessen nur in die flehenden Augenpaare der anderen, die mit ihm an der
Kreuzung auf einen Heilsbringer warten.
„Die Gewächshäuser an der Küste von Almeria sind der Wartesaal Europas für
illegale Einwanderer“, sagt Spitu Mendy von der Landarbeitergewerkschaft SOC.
„Mit einer Arbeitsgenehmigung braucht man hier eigentlich gar nicht erst nach
einem Job fragen. Die Landwirte vergeben die Arbeit fast nur ohne Vertrag.“
Auf den Auberginen-, Zucchini- und Tomatenplantagen sind die Löhne so
schlecht wie nirgends sonst auf dem spanischen Acker, mickrige 30 Euro für
einen Acht-Stunden-Tag gelten hier als gutes Geld. Seit Beginn der Wirtschaftskrise bezahlen die Landwirte weniger. Wenn überhaupt. Seit das spanische Wirtschaftswunder vorbei ist, finden illegale Einwanderer wie Moussa keinen Job
mehr. Die Spanier kehren zurück auf die Felder und konkurrieren mit den
Arbeitsimmigranten. Fast 18 Prozent der Spanier haben gerade keine Arbeit,
rund ein Drittel der viereinhalb Millionen in Spanien gemeldeten Einwanderer ist
zur Zeit arbeitslos, Tendenz steigend. Die spanische Regierung schätzt, dass es
dazu noch gut eine Million illegaler Einwanderer gibt. Der Anteil derjenigen ohne
Arbeit ist bei ihnen deutlich höher. Der Konkurrenzkampf an der Kreuzung von
La Mojonera wird täglich größer.
„Mit dem Lohn für die Arbeiter ist es wie mit dem Preis für die Tomaten: Je mehr
Angebote es gibt, desto weniger wird bezahlt.“ Manuel Sabio Perez ist Landwirt
in Almería, er steht in seinem Gewächshaus, neben ihm reihen sich Zehntausende von Tomatenpflanzen aneinander.
Im Januar war Moussa an einem Strand von Marokko in ein Holzboot gestiegen.
Tausend Euro zahlte er den Schleppern für die Fahrt nach Marokko. Geld, das er
sich von Freunden geliehen hatte. Geld, das er zurückzahlen wollte, sobald er in
Europa war. 400 Euro hatte er dann noch für die Überfahrt nach Spanien, die
Schlepper verlangten 500 Euro mehr, die er nicht hatte. Auch die muss er noch
zurückzahlen. Die Bande weiß, wo seine Familie lebt.
Die Überfahrt dauerte fast drei Tage. Eine Nacht war geplant gewesen, Nahrung
und Getränke waren rationiert. Er war glücklich, als er endlich die spanische Küste
sah. Doch als die Polizei das kleine Holzboot, in dem er reiste, ein paar Kilometer vor Cádiz aufgriff, dachte er, er sei gescheitert. Die Beamten brachten ihn in
das Internierungslager von Algeciras, wo er Tage lang fürchtete, er müsse zurück
in den Senegal. Doch dann setzten ihn die Polizisten vor die Tür und drückten
ihm einen Zettel in die Hand. Dort stand, er müsse Spanien sofort verlassen und
dürfe in den nächsten fünf Jahren nicht wieder einreisen. Mitarbeiter vom Roten
Kreuz erklärten Moussa, dass er mit dem Abschiebebescheid kaum Chancen auf
* Der dokumentierte Beitrag ist erschienen in: E+Z, 50. Jahrgang, Ausgabe 6/2009, S. 234-236
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eine Arbeitserlaubnis hätte. Dann gaben sie ihm ein Busticket nach Almeria.
Laut dem spanischen Ausländergesetz dürfen illegal eingereiste Immigranten 60
Tage festgehalten werden. Wenn kein Rückführungsvertrag mit dem Herkunftsland besteht oder wenn in diesem Zeitraum nicht die Abschiebung erfolgt, müssen
sie wieder freigelassen werden. Oft reicht die Zeit nicht aus, um die Rückführung
zu organisieren oder um das Herkunftsland des Immigranten festzustellen – fast
keiner hat einen Ausweis dabei, auch Moussa nicht.
Seit drei Monaten ist er jetzt hier, seiner Familie hat er noch keinen Cent geschickt,
nicht einmal anrufen kann er. Nur dann, wenn die anderen ihm etwas Geld
geben. Mit zehn anderen Senegalesen wohnt er in einem heruntergekommen
Haus am Ortsausgang von La Mojonera, mit Blick auf die schmutzigen Plastikplanen der Gewächhäuser. Ein zehn Quadratmeter-Zimmer teilen sie sich zu
dritt. Bezahlen kann er die Matratze, auf der er die Nächte verbringt, nicht. Auch
das Essen bekommt er von seinen Mitbewohnern. „Meine Frau versteht nicht,
wieso ich nicht arbeite“, sagt Moussa traurig. Er vergräbt sein Gesicht in seinen
Händen. Es gibt kein Zurück. Nach Hause kann er erst, wenn er Geld verdient
hat. „Ich bin gekommen, um unser Leben in Afrika zu verbessern.“
Zweihundert Kilometer nördlich von La Mojonera steht Mamadou D. (27) in einer
Ecke des Busbahnhofs von Úbeda. Auch er ist aus dem Senegal. Auch er wartet
nicht auf einen Bus, sondern auf einen Landbesitzer, der ihm in einem Olivenhain Arbeit gibt. Seit zwei Wochen steht er jeden Morgen hier, Oliven hat er bisher keine gesehen. In der Nacht schläft er auf einem Bürgersteig, gleich in der
Nähe. Er schläft nicht viel, es ist zu kalt.
Mamadou ist nicht allein, mit ihm suchen rund 5000 Immigranten in der Provinz
Jaen Arbeit in der Olivenernte. Nur wenige von ihnen finden Platz in den Obdachlosenherbergen, noch weniger Arbeit.
Vor zweieinhalb Jahren setzte Mamadou vom Senegal auf die Kanarischen Inseln
über. Die Küstenwache griff ihn auf und brachte ihn in ein Internierungszentrum.
Nach ein paar Wochen fuhren ihn Polizisten zum Flughafen. Während des Flugs
dachte er, sie würden ihn zurück in den Senegal bringen. Doch als das Flugzeug
landete, war er in Barcelona und ein Sozialarbeiter des Roten Kreuz wartete auf
ihn. Er gab ihm zwei Wochen lang ein Zimmer, dann musste er raus, die nächsten
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Neuankömmlinge von den Kanaren kamen. Er fand ein Bett in einem Zimmer mit
zwei anderen Senegalesen und Arbeit auf dem Bau. „Ich verdiente gut“, sagt er,
etwas mehr als tausend Euro für acht Stunden an sechs Tagen in der Woche.
Jeden Monat konnte er mindestens 200 Euro nach Hause zu seinen Eltern und
Geschwistern schicken. Doch Anfang des vergangenen Jahres war es vorbei.
Seitdem ist Mamadou ein Nomade, zieht von Ernte zu Ernte.
In einer Bar, gleich gegenüber von der Bushaltestelle in Úbeda, klebt auf einem
Schwarzen Brett ein handgeschriebener Zettel: „Spanier, erfahren, zuverlässig,
bietet sich für die Olivenernte an, José“. Darunter eine Telefonnummer. José ist
ein großer, breiter Mann, ein Familienvater, Mitte 40 mit viel Erfahrung bei der
Olivenernte. Er hat vor kurzem seine Arbeit auf dem Bau verloren, deshalb sucht
er jetzt wieder auf dem Feld. „Die Immigranten nehmen uns die Arbeit weg“,
sagt er. „Sie arbeiten mehr Stunden für weniger Geld und die Bauern nehmen
sie lieber.“ Zwischen 30 und 40 Euro bekommen die Afrikaner für einen Arbeitstag, schwarz, ohne Zusatzkosten. Bis die Sonne untergeht, ernten sie Oliven. In
Úbeda wartet nur der Bordstein auf sie, zuhause, in ihrem echten Leben, die
Familie auf eine bessere Zukunft. Der Agrartarifvertrag in Jaen sieht 50 Euro für
sechseinhalb Stunden vor. „Bisher hat mich noch kein Bauer angerufen, dabei
hängt das Schild schon seit Tagen dort“, sagt José. „Doch ich brauche dringend
Arbeit. Wir wissen nicht, wie wir unsere Rechnungen bezahlen sollen.“
„Jeden Tag fragen mich Leute nach Arbeit, ich schreibe ihren Namen und ihre
Nummer auf, aber Jobs habe ich keine.“ Die Liste von Bauer Manuel Sabio aus
Almería ist lang, mehr als hundert Namen stehen dort. Jeden Tag werden es mehr.
Als Moussa um acht Uhr morgens zurück in das Haus in La Mojonera kommt,
setzt er sich in eine Ecke des abgesessenen Sofas und starrt auf den Bildschirm
des Fernsehers. Es läuft ein Musikvideo aus dem Senegal, „Le chemin de l’espoir“
heißt das Lied, Weg der Hoffnung. Es geht um einen jungen Mann, der nach Europa
aufbricht, um dort sein Glück zu suchen. Im Senegal hätte er jetzt dazu getanzt.
2008 erhielt Veronica Frenzel ein Stipendium der Otto Brenner Stiftung. Der hier dokumentierte
Beitrag ist ein Ergebnis ihrer Recherchen. Ergebnisse des Stipendiums wurden u.a. veröffentlicht in E+Z, 50. Jahrgang, 6/2009, S. 234-236; Die Furche, 41/2009, S. 22-23, die tageszeitung,
4. Januar 2010, S. 4
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Günter Bartsch
Schickt Briefe! *
und den Niederlanden“ ergeben, dass „interaktive Medien wie Blogs, Foren,
Pod- und Vodcasts“ die „klassischen Medien“ wie den Brief nicht verdrängten,
sondern ergänzten“.
Das freut die Post und die lässt sich nicht lumpen. Bei einer Million Euro soll
anfangs das jährliche Budget der Deutschen Post für ProDialog gelegen haben.
Inzwischen soll es etwas weniger sein; Zahler und Empfänger wollen sich zur
tatsächlichen Höhe der Zuwendungen allerdings nicht äußern.
Zwei Prozent – diese Zahl bereitet der Deutschen Post Kummer: Jedes Jahr werden zwei Prozent weniger Briefe verschickt.1 Jahr für Jahr. Der Brief wird verdrängt, durch E-Mails und andere elektronische Kommunikationsformen. Konjunktur hatte das Briefeschreiben jüngst im Wahlkampf: Regierende, Oppositionelle, Kandidaten schickten da Post an den lieben Wähler. „Dialogmarketing“
heißt das auf neudeutsch. Damit die Kasse klingelt, wird das Geschäft stark
beworben – unter anderem von der „Initiative ProDialog“. Diese arbeitet auch
mit Berlinpolis zusammen, jenem „Thinktank“, der wegen verdeckter PR für die
Deutsche Bahn und die Biosprit-Industrie in die Schlagzeilen geriet. Auch zum
Thema Dialogmarketing gab es bis vor Kurzem eine Berlinpolis-Webseite.
Danach gefragt, ließ der Chef des „Thinktanks“, Daniel Dettling, die Seite löschen.
„Brief wird nicht verdrängt“
Gefällige Studien zählen zum beliebten Mittel der „Denkfabrik“ Berlinpolis, um
Interessen ihrer Auftraggeber in die Öffentlichkeit zu tragen. Auch ProDialog
kann sich auf wertvollste Expertisen berufen: Vor zwei Jahren erschien eine von
ProDialog und Berlinpolis gefertigte Studie mit dem Titel „Regierungskommunikation 2.0“.2 Danach hatte eine „Trendumfrage“ unter „je fünfzig Experten aus
den Regierungszentralen und Ministerien der Länder Frankreich, Deutschland
1 Vgl. Deutsche Post AG: Marktanteile. Bonn 2009. URL: http://investors.dpdhl.de/de/investoren/segmente/brief/marktanteile/index.html
2 Vgl. Berlinpolis: „Regierungskommunikation 2.0“ - Studie und Trendumfrage zur Zukunft der Regierungskommunikation Deutschland im Vergleich mit Frankreich und den Niederlanden. Berlin 2007. URL:
http://www.berlinpolis.de/fileadmin/Downloads/Einzelpublikationen/Studie_Regierungskommunikation_2.0.pdf
Warum die Geheimnistuerei? Dass verdeckte PR ihren Preis hat, zeigte die Berlinpolis-Arbeit für die Deutsche Bahn3 und den Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie4 (enthüllt von LobbyControl). Auch Kerstin Plehwe, die Chefin der
Initiative ProDialog, taucht immer wieder als Gastautorin auf. Sie schrieb auf
Handelsblatt.com5 über die von ProDialog pünktlich zum Bundestagswahlkampf
veröffentlichte Studie „Wege zum Wähler“ – und gab dazu auch stern.de ein
Interview.6 Und da sieht die traurige Brief-Welt plötzlich ganz fröhlich aus: „Die
Ansprache über den guten alten Brief finden immer noch mehr Menschen attraktiv
als die Wahlkampfkommunikation per E-Mail“, erklärt Plehwe. Dass ihre Initiative
von der Post finanziert wird, bleibt unerwähnt.
Die „Vorsitzende“ kommt vom Direktmarketing-Verband
Die 2005 gegründete Initiative betreibt die „Dialog-Lounge“ in der Friedrichstraße
– noble Büro- und Veranstaltungsräume in bester Lage, nur ein paar Schritte
vom Reichstag entfernt. Laut eigener Webseite hat sich ProDialog zum Ziel
gesetzt, „die Kommunikation zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft
3 Vgl. LobbyControl: LobbyControl enthüllt verdeckte PR-Aktivitäten der Deutschen Bahn. Köln 2009. URL:
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2009/05/lobbycontrol-enthullt-verdeckte-pr-aktivitaten-derdeutschen-bahn/
4 Vgl. LobbyControl: Erneut verdeckte Meinungsmache - heute: Biosprit. Köln 2009.
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2009/07/erneut-verdeckte-meinungsmache-heute-biosprit/
5 Vgl. Kerstin Plehwe: Warum die Politik am Wähler vorbeiballert. In: Handelsblatt.com, 10.6.2009. URL:
http://www.handelsblatt.com/politik/gastbeitraege/warum-die-politik-am-waehler-vorbeiballert;2345218
6 Vgl. Dorit Kowitz: Das letzte Mittel der Enttäuschten. In: stern.de, 9.6.2009. URL: http://www.stern.de/wahl2009/aktuell/phaenomen-nichtwaehler-das-letzte-mittel-der-enttaeuschten-701767.html
*(Bei diesem Text handelt es sich um eine leicht gekürzte Version des unter http://guenterbartsch.de/index.php?id=19
veröffentlichten Blog-Beitrags. Die durch das Stipendium der Otto Brenner Stiftung ermöglichten Recherchen
bilden den Grundstein für das von mir geführte Blog mit den Schwerpunktthemen Lobbyismus und PR.)
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zu fördern und Wissen im Bereich Dialogkommunikation zu vermitteln“.7 Kerstin
Plehwe, ehemals Präsidentin des Deutschen Direktmarketingverbandes (DDV),
der sich heute Dialogmarketingverband nennt, wird als „Vorsitzende“ aufgeführt.
Eine gewählte Vorsitzende ist sie allerdings nicht. Hinter ProDialog steckt organisatorisch eine Firma namens IIPG Internationales Institut für Politik & Gesellschaft GmbH. Geschäftsführende Gesellschafterin: Kerstin Plehwe.
Dass es der Deutschen Post darum geht, der Politik das Dialogmarketing näher
zu bringen, ist kein Geheimnis: Dazu bekannte sie sich schon bei der Gründung
von ProDialog.8 Von einem Lobbyorgan will man indes nicht sprechen, vielmehr
von einer „Plattform“, auf der verschiedene Dialoginstrumente den Interessierten im politischen Raum vorgestellt würden, so ein Sprecher.
Und so wirbt Plehwe in ihren Newslettern9 regelmäßig für Veranstaltungen des
„Siegfried Vögele Instituts – Internationale Gesellschaft für Dialogmarketing“.
Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus: Eine Tochterfirma der Deutschen Post.
Im Dezember 2008 und im März 2009 veranstaltete ProDialog eine Veranstaltung namens „Herzlich, Ihr MdB – Politikerpost, die ankommt“.
PR-Frau mit eigener TV-Sendung
Bei ProDialog gebe es keine einseitige Bevorzugung eines Mediums, sagt Plehwe.
Insofern ist es offenbar auch kein Problem, dass sie eine eigene Fernsehsendung moderiert: „Politik Konkret“ auf TV Berlin „Sie kauft sich ein“, meint ein
Berliner Agenturinhaber – und tatsächlich wird die Initiative sogar im Abspann
als Unterstützerin aufgeführt. Um aber zu erfahren, dass die Moderatorin der
Sendung ProDialog-Chefin und ehemalige DDV-Präsidentin ist, muss der Zuschauer schon die Webseite ansteuern. Und auch dort erfährt er nicht, dass ProDialog
von der Post finanziert wird. Plehwe und TV Berlin ist das transparent genug.
ProDialog fördere den politischen Diskurs in der Gesellschaft und sei parteipoli7 ProDialog: Unsere Zielsetzung: Dialog fördern. Berlin. URL: http://prodialog.org/content/ueberuns/ziele
8 Deutsche Post AG: Mehr Dialog in Politik und Staat. Deutsche Post gründet Initiative ProDialog in Berlin. Bonn 2005.
URL: https://www.dp-dhl.de/de/presse/pressemitteilungen/2005/dialog_in_politik_und_staat.html
9 Vgl. ProDialog: Dialog News. Berlin. URL: http://prodialog.org/content/details/newsletter/
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tisch unabhängig, sagt TV-Berlin-Geschäftsführer Mathias Adler. Daher sehe er
hier kein Problem – „zumal die redaktionelle Hoheit natürlich beim Sender liegt“.
Wie das in der Praxis aussieht, kann man zum Beispiel in der Sendung vom April
2008 sehen, als Plehwe mit Patrick Tapp sprach, dem damaligen DDV-Vizepräsidenten.10 Mit kritischen Fragen von Ex-Verbandspräsidentin Plehwe musste er
nicht rechnen: Seelenruhig konnte Tapp erklären, dass sein Verband nicht nur
die Unternehmen seiner Branche, sondern auch die Verbraucher vertrete. Ohnehin seien die Lobbyisten gar nicht so mächtig, wie man es ihnen oft unterstelle:
„Weil das würde ja auch bedeuten, dass Politik sich an der Stelle beeinflussen
lassen würde von Interessenvertretern. Das stellen wir nicht fest.“ Datenschützer sehen das anders: Sie machen die intensive Lobbyarbeit für die Aufweichung
der Datenschutznovelle zu Ungunsten der Verbraucher verantwortlich. Im April
2009 schrieb der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, dass sich „Lobbyisten der Werbewirtschaft, des Adresshandels, aber auch die Profiteure des
illegalen Datenhandels massiv eingeschaltet“ hätten.11
Auch Berlinpolis warb für den Brief
Berlinpolis hat sich mit „Dialogmarketing“ auf einer eigenen Webseite beschäftigt. Auf der Internet-Seite dialogmarketing.wordpress.com behandelte sie das
Thema „Integriertes Dialogmarketing“. E-Mail-Marketing und Google-Werbung
würden „immer ineffizienter“, heißt es da, schuld sei etwa die „Spamflut“. Hingegen sei der Aufbau einer Online-Community „schneller und günstiger“ über
eine „intelligente und Web 2.0 gerechte Direkt Marketing Aktion per Post mit
direkter Verbindung zur Online-Welt“ möglich.
Auch dies eine Zusammenarbeit zwischen Berlinpolis und ProDialog? Kerstin
Plehwe erklärt, die Webseite nicht zu kennen. Auch sonst habe es „keine Zuar10 Vgl. Politik Konkret - Das Politik Magazin, April 2008. URL:
http://prodialog.org/content/prodialog_tv/politik_konkret/2008-04-15
11 Vgl. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: 22. Tätigkeitsbericht 20072008. Datenschutz: Jetzt entschieden handeln! Berlin 2009. URL: http://www.bfdi.bund.de/cln_118/DE/
Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/2009/PM_12_22TB.html
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Günter Bartsch
Helios Media: Das Geschäft mit der Eitelkeit *
beiten“ von Berlinpolis gegeben, sondern lediglich „vereinzelte, klar umrissene
Projekte“ wie das Co-Sponsoring des Berlinpolis-Redner- und Dialogpreises.12
Ganz so „vereinzelt“ ist die Zusammenarbeit allerdings nicht – die Auflistung
lässt sich mühelos erweitern: Ebenfalls 2007 gab es die oben erwähnte gemeinsame Studie zur Regierungskommunikation. Berlinpolis betreibt auch die Redaktion des ProDialog-Magazins „Sinnmacher“. Im Juni 2008 sprach Plehwe bei
einer von Berlinpolis organisierten Podiumsdiskussion. Und im Herbst 2008
schrieb sie für das Berlinpolis-Magazin „thinktank“ über den US-Wahlkampf.
Auf Anfrage ließ Berlinpolis-Chef Dettling die Webseite löschen. Sie sei für die
Denkfabrik „heute nicht mehr brauchbar“.
Hajo Schumacher will sie verlassen, die „alten Schützengräben des HelmutKohl-Deutschlands“. Diese Themen, bei denen man nur dafür oder dagegen sein
kann, über die man gar nicht mehr sachlich sprechen könne – eben Dinge wie:
Atomkraft. Schumacher, von Beruf Journalist, sitzt auf einem Barhocker im
Atrium eines Bürohauses in der Berliner Georgenstraße und schwärmt von einer
neuen Diskussionskultur à la Obama und von der „Transparenzmaschine“ Internet. Und solche Chancen, meint Schumacher, biete auch die neue QuadrigaHochschule, die hier ein Studienzentrum betreibt und an diesem Abend mit
einer Podiumsdiskussion auf sich aufmerksam macht. Die Privathochschule will
„moderne Kommunikationsmanager in Wirtschaft und Politik“ ausbilden. An der
Spitze als Präsident der PR-Hochschule: Ein Journalist – der ehemalige SWRIntendant und ARD-Vorsitzende Peter Voß.
Hajo Schumacher wünscht sich, dass die Absolventen „ehrliche, selbstbewusste
Kommunikatoren“ werden. Deshalb sitze er im Quadriga-Kuratorium – wofür er
in den vergangenen Wochen häufig angefeindet worden sei.
Dabei ist es eigentlich nicht überraschend, dass Schumacher im Kuratorium sitzt.
Denn die Quadriga-Hochschule wurde von Rudolf Hetzel, dem Chef des Verlags
Helios Media, initiiert. Und bei Helios gibt es kaum eine Veranstaltung, auf der
sich Schumacher nicht blicken lässt: Er moderiert Diskussionen beim Kommunikationskongress, den Helios für den Bundesverband der Pressesprecher organisiert
– und auch beim jährlichen „Politikkongress“ des Verlags lauschen die Pressesprecher, PR-Leute und Lobbyisten immer wieder den Fragen Schumachers. Mit
manch launiger Frechheit unterhält er sein Publikum. Bei der Deutschen Presseakademie (depak), der zu Hetzels Konglomerat gehörenden PR-Schule, gibt Schumacher Seminare zum „effizienten Kommunizieren“ – und erklärt dort PR-Leuten
in rund neun Stunden, „wie Journalisten funktionieren“. 990 Euro plus Mehrwertsteuer kostet die Weiterbildung. Auch die Quadriga langt ordentlich zu: Zwischen
19.000 und 26.000 Euro legt man für die 18-monatigen Studiengängen hin.
12 Inzwischen hat Berlinpolis-Chef Dettling erklärt, dass die Webseite durchaus im Zusammenhang mit einem
ProDialog-Auftrag entstanden ist. Vgl. LobbyControl: Wie die Deutsche Post mit ProDialog trickst. Köln 2009.
URL: http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2009/12/wie-die-deutsche-post-mit-prodialog-trickst/
90
* Bei Redaktionsschluß des „Best of“ noch unveröffentlicher Beitrag des Autors, der im Rahmen des
OBS-Stipendiums entstanden ist.
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In den Bundestag schafft es jeden Monat das Helios-Magazin „Politik & Kommunikation“ (P&K) – Abgeordnetenbüros kriegen Gratis-Exemplare. „Wenn etwas
nach einem Jahr nicht funktioniert, macht Hetzel das wieder dicht“, teilte Hajo
Schumacher einmal dem Handelsblatt mit. Kürzlich hat es ihn selbst erwischt:
Das an Journalisten gerichtete Online-Magazin „V.i.S.d.P.“ und der zugehörige
Preis „Goldener Prometheus“ sind dem Rotstift zum Opfer gefallen. Mit
„V.i.S.d.P.“ macht Schumacher jetzt auf eigene Faust weiter.
spricht vom „Body-Geschäft“: Anwesenheit für ein bisschen mehr Bekanntheit –
oder als unausgesprochene Gegenleistung für den Erhalt eines Preises, wie den
jetzt gestoppten „Prometheus“. Seit „Bild“-Wirtschaftschef Oliver Santen ausgezeichnet wurde, ist er Stammgast bei Helios-Veranstaltungen – etwa beim Politikkongress. Erstaunlich übrigens, wofür „Bild“ den Preis erhielt: „Anstatt die Bürger mit panischen Schlagzeilen zu verunsichern, hat die Politik- und Wirtschaftsredaktion der Bild wohltuend sachlich und ruhig berichtet“, so die Begründung.
Doch ansonsten bleiben sich Helios und Schumacher offenbar treu – schließlich
passen sie ja gut zusammen: Auch Helios gibt sich alle Mühe, die „alten Gräben“
zuzuschütten. Das bringt dem Verlag regelmäßig die Kritik ein, den Berliner
Klüngel zwischen Politik, Medien und Lobbyisten zu bestärken. Zudem wird die
Firma von vielen in der Beraterzunft belächelt: „Ich sehe keine Inhalte, die
dahinter stehen“, sagt eine Beraterin – „der Laden ist als Praktikantenschleuder
verschrien“. Trotz Helios’ angeblicher Bedeutungslosigkeit will sie aber lieber
anonym bleiben.
Doch viele bewundern Hetzels Cleverness – mit seinen Datendiensten beliefert
er die Branche mit Terminen und Kontaktdaten. Als Coup betrachtet mancher,
dass er vom Pressesprecher-Verband beauftragt wurde, dessen Geschäftsstelle
zu betreiben. Aber vor allem fürs Selbstverständnis der PR-Branche scheint
Helios inzwischen eine gewichtige Rolle zu spielen: Wissenschaftler wie der
Leipziger PR-Professor Günter Bentele stellen hier ihre Studien vor – Bentele ist
jetzt auch Dozent der Quadriga-Hochschule, die sein Mitarbeiter René Seidenglanz als Vizepräsident leitet. Quadriga-Präsident und Ex-SWR-Intendant Peter
Voß begründet sein Engagement damit, dass Journalisten und die Gesellschaft
von gut ausgebildeten Kommunikatoren profitierten: „Da man die PR-Branche ja
nicht abschaffen kann, muss man doch an Qualität interessiert sein – nicht nur
im Sinne von: Wie instrumentalisiere ich die Öffentlichkeit? – sondern auch hinsichtlich ethischer Standards“, so Voß.
Die Hochschule bewegt sich da allerdings in einem riskanten Umfeld: Denn in
den Publikationen von Helios Media nimmt man es mit der Trennung von PR-Beiträgen und Journalismus nicht so genau, wie ein Artikel in der Februar-Ausgabe
2009 von „Politik & Kommunikation“ zeigt: Wie immer stellt die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer darin das „Gesetz des Monats“ vor.
Diesmal: Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Der Autor, ein Freshfields-Jurist,
zieht ein positives Fazit: „Mit dem FMStG hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt zur Bewältigung der Finanzkrise gemacht. Mag es auch Kritik an einzelnen Punkten des Gesetzes geben: Die Krise hat der Regierung – wie auch den
Parlamentariern – schnelles und entschlossenes Handeln abverlangt.“ Ein super
Auch andere kritisieren das oft seichte Niveau der Vorträge und Diskussionen –
die hier freilich „Keynote“, „Best Case“ oder „Panel“ genannt werden. Selbst ein
Agentur-Chef, der Helios gewogen ist, meint zum inhaltlichen Nutzen der Veranstaltungen: „Da ist Herr Hetzel mit Sicherheit der Letzte, der dort auf völlig gesichertem Boden steht.“
Für Lobbyisten gebe es bessere Gelegenheiten, ihrem Geschäft nachzugehen,
meint die erwähnte Beraterin: Parlamentarische Abende, die Feste der Landesvertretungen, exklusive Clubs oder Einladungen zu Abendessen in intimer Runde.
Bei Helios bleiben die PR-Leute hingegen oft unter sich – abgesehen von einigen
Politikern und Journalisten auf den Podien.
Doch trotzdem gehen alle hin, auch bekannte Gesichter der Branche lassen sich
die Kongresse nicht entgehen. „Weil alle anderen ja auch da sind“ – so hat sich
der Journalist Tom Schimmeck das erklärt.* Ein ehemaliger Helios-Mitarbeiter
* Siehe auch die Festrede von Tom Schimmeck zur „Brenner-Preisverleihung 2009“; Seite 14 ff
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Gesetz also. Was der Anwalt nicht erwähnt: Freshfields selbst hat den Gesetzentwurf im Auftrag der Bundesregierung formuliert. Auch im März 2009 durfte
Freshfields das eigene Werk bejubeln. Chefredakteur Sebastian Lange betont,
dass der Auftrag versehentlich nicht erwähnt wurde – und verspricht für die
Zukunft, verstärkt auf Transparenz zu achten.
Die Wege von Helios zum Berater-Geschäft sind kurz – drei P&K-Chefredakteure
wechselten bereits in die PR-Branche: Mirjam Stegherr ging zur Agentur FischerAppelt, Tobias Kahler managt die deutsche Filiale der Armuts-Lobby-Organisation
„One“ und Manuel Lianos ist heute bei der auf Regierungsbeziehungen spezialisierten Lobby-Firma LNE Group.
Zu den Autoren von „P&K“, das sich laut Chefredaktion als „offenes Forum“
betrachtet, zählten immer wieder auch die Geschäftsführer der Initiative Neue
Soziale Marktwirtschaft (INSM), einem vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall
finanzierten Lobby-Organ, das durch verdecktes Themenplacement in der ARDVorabendserie „Marienhof“ in die Schlagzeilen geraten war. Über mehrere Ausgaben von P&K nahmen sich INSM-Chefs „Worthülsen“ wie Gesundheitssoli,
Reichensteuer und Gleichstellungsgesetz vor. Letzteres zum Beispiel nennt der
langjährige INSM-Chef Dieter Rath einen „Sieg der Gleichmacherei über die Freiheit“. Lobbys aus Kirchen, Behinderten- und Seniorenverbänden hätten sich
gegen Kanzlerin Merkel durchgesetzt und erhielten jetzt ein Klagerecht, wenn
eines ihrer Mitglieder diskriminiert werde – sie könnten jetzt „satte Entschädigungen rausholen“. Die INSM zählt gleichzeitig zu treusten Anzeigenkunden von P&K.
Nicht immer werden dabei Ross und Reiter benannt: Im Juli 2007 findet sich in
der Zeitschrift ein Inserat für die INSM-Webseite „Unicheck.de“, wo es um den
Einsatz von Studiengebühren geht. Einen Hinweis auf die INSM sucht man in der
Annonce allerdings vergeblich. Trotz solcher Versuche der Irreführung trat INSMGeschäftsführer Max Höfer bei beinahe jedem Helios-Kongress als Referent auf.
In der „P&K“-Redaktion hat man die Problematik erkannt. Chefredakteur Lange
verweist darauf, dass die INSM-Kolumne bereits im Mai 2007 abgeschafft wurde.
Auch gäbe es keine Kopplungsgeschäfte im Heft, also Einflüsse von Anzeigen-
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kunden auf redaktionelle Inhalte. Dass das Magazin diesbezüglich sauber bleibt,
erachte er als wesentlich für dessen Glaubwürdigkeit als unabhängiges Fachmedium.
Doch bei Helio-Tagungen wie dem Kommunikationskongress wird nach wie vor
der Bock zum Gärtner gemacht: Vor Schumachers Abschlusspanel zum „Superwahljahr 2009“ hielt Kerstin Plehwe einen Impulsvortrag. Plehwe wird auf der
Kongress-Webseite als „Vorsitzende der überparteilichen Initiative ProDialog“
vorgestellt, deren Ziel es sei, „den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu stärken sowie Demokratie und Engagement zu fördern“. Dass die
in noblen Geschäftsräumen im Berliner Regierungsviertel untergebrachte Initiative von der Deutschen Post finanziert wird, die damit das DirektmarketingGeschäft beflügeln will, bleibt unerwähnt.
Bei der Quadriga-Diskussion in der Georgenstaße kam als erster Thorsten Hofmann zu Wort, der in der Hochschule den Fachbereich „Politics & Public Affairs“
leitet. Hofmann ist Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung PRGS. Kürzlich wurde ein Papier namens „Kommunikationskonzept Kernenergie“ bekannt, in dem PRGS dem Energieunternehmen EON Kernkraft Tipps
für den Wahlkampf gibt. Darin wurden Journalisten namentlich entsprechend
ihrer Gesinnung einsortiert. Beispielsweise heißt es darin, dass lediglich die
Welt „mit Daniel Wetzel als schwarz-grünem Redakteur“ eine „vermittelnde
Position zwischen den Lagern“ wahrnehme. Und offenbar ist es für PRGS
„selbstverständlich“, ohne Nennung des Auftraggebers aufzutreten: „Selbstverständlich wurden diese Gespräche ohne Nennung E.ONs oder des Auftrags
geführt.“ E.ON behauptete anschließend, es habe gar keinen Auftrag gegeben,
das Papier – 109 Seiten ausgefeilter Wahlkampfplanung – sei „eine Art Bewerbungspapier“ gewesen. Später ruderte E.ON Kernkraft zurück: „Es gab lediglich
einen Auftrag, neue Botschaften und Argumente zu entwickeln“, zitierte das
Fachblatt „Werben & Verkaufen“ die Sprecherin der E.ON Kernkraft, Petra Uhlmann. PRGS sei mit dem gelieferten Konzept „weit darüber hinausgegangen“.
Es gab also doch einen Auftrag.
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Thomas Schuler
Soft Power
Ein Händchen haben die Helios-Leute für Prominente. Zum Abschied vom „Promtheus“-Preis wurden in der damaligen Ausgabe von V.i.S.d.P. noch mal alle Preisträger aufgeführt: Illner, Will, Plasberg und viele andere kamen, um sich ihre
Trophäen abzuholen. Unschwer zu erkennen, dass sich hier vor allem Helios mit
den bekannten Preisträgern schmückt. Finanziert wurde die Show von Sponsoren,
die dann mit den prämierten Journalisten an einem Tisch speisen durften. Ähnlich geschickt gelingt es Helios, Redaktionsbeiräte aus renommierten Vertretern
von Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu formen. Nach dem Vorbild
der Beiräte wurde nun auch die Quadriga besetzt: Dem Kuratorium gehören etwa
FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast
an – und eine ganze Reihe von Chefredakteuren wie Wilm Herlyn (dpa), Wolfgang
Kenntemich (MDR), Steffen Klusmann (Financial Times Deutschland), Thomas
Schmid (Welt), Wolfram Weimer (Cicero, zukünftig Focus) und Peter Limbourg
(N24/Sat1). Und Hajo Schumacher, der nicht nur Helios-Veranstaltungen moderiert:
Beim TV-Sender N24 hat er zusammen mit Hans-Hermann Tiedje eine eigene
Sendung namens „Links-Rechts“. Ex-„Bild“-Chef Tiedje ist nicht nur Moderator,
sondern auch Vorstandsvorsitzender von WMP Eurocom, jener Lobby-Agentur, die
sich als Türöffner für Unternehmen, die das Gespräch mit Politikern suchen, einen
Namen gemacht hat. Tiedjes Lobby-Arbeit macht laut Schumacher immer wieder
Probleme – allerdings ganz andere, als man erwarten möchte: Leute, mit denen
Tiedje anderweitig zu tun habe, kämen als Talkgäste nicht infrage – da fielen einige
interessante Leute raus, erklärt Schumacher, der selbst oft für die Wirtschaft
arbeitet: Unter anderem moderiert und referiert er für den „Informationskreis
Kernenergie“ (März 2009), den Bundesverband Medizintechnologie (Juli 2007)
und den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (Juni 2009). Das sei
kein Problem, weil er als Journalist antrete und sich weder Fragen noch Antworten
diktieren lasse. Allerdings: Für die Auswahl der Gäste ist bei solchen Diskussion
gewöhnlich der Veranstalter zuständig. Im Vorwort einer Helios-Veranstaltung zu
„Corporate Media“ im November 2008 schreibt Schumacher: „UnternehmensMedien informieren, klären auf.“ Das könnte einiges erklären.
Günter Bartsch, geb. 1979, Journalist, Diplom-Politologe; Schwerpunkte: Lobbyismus und PR,
Medienkritik; seit August 2009: Geschäftsführer netzwerk recherche e.V.
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Die Bertelsmann-Stiftung ist einzigartig: Sie umarmt Politiker, verschafft der
Familie ihres Stifters Ansehen und gesellschaftlichen Einfluss – und sie zahlt
keine Steuern. Was legitimiert sie dazu? Und nutzt sie wirklich der Allgemeinheit
mehr als sich selbst? Ansatz und Protokoll einer Recherche für das Buch
„Bertelsmann Republik Deutschland“*
Am 1. Juli 2010 feiert Bertelsmann den 175. Geburtstag. Es soll dann am Unternehmens- und Stiftungssitz in Gütersloh eine große Feier geben. Im September
wird Bertelsmann auch in Berlin mit Politikern, Künstlern und Prominenten feiern.
Ein Jahr nach dem Tod von Nachkriegs-Unternehmensgründer und Stifter Reinhard
Mohn (er starb am 3. Oktober 2009) wird man dann sein Lebenswerk rühmen. In
seinen Augen und Worten war das die Stiftung. Mit ihr wollte er den Erfolg seines
Unternehmens, den er vor allem mit seiner Führungsarbeit begründete, auf Staat
und Gesellschaft übertragen. Alles sollte messbar sein, damit Wettbewerb entsteht. Was Bertelsmann groß machte, das sollte das ganze Land voranbringen.
Er sprach es nie aus, aber sein Ziel war eine Bertelsmann Republik Deutschland.
Mohns erster Gedanke bei der Gründung galt allerdings nicht der Gesellschaft,
sondern seinem Unternehmen. Er wollte es über seinen Tod hinaus erhalten,
ohne dass die Erben einen Teil verkaufen müssen, um Erbschaftssteuer zu
bezahlen. Gegründet hat er die Stiftung 1977. Im Laufe der Jahre wuchs sie zu
einem Institut mit 300 Mitarbeitern und 70 Millionen Euro Jahresbudget. Man
* Die Recherchen zu dem Buch wurden u.a. ermöglicht durch das Stipendium, das der Autor 2007
von der Otto Brenner Stiftung erhielt.
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könnte sie als private Forschungsuniversität mit exklusivem Zugang zur politischen und gesellschaftlichen Elite bezeichnen. Teilweise operiert sie als Think
Tank, der Diskussionen und Entwicklungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen
lenkt und beeinflusst – von der Europa-, Bildungs- zur Gesundheits-, Kommunal-,
Verwaltungs- und Arbeitsmarktpolitik. Die Grundlagen für Hartz IV wurden von
der Stiftung entwickelt; ebenso die Studiengebühren durchgesetzt. Doch was
legitimiert sie dazu? Was rechtfertigt den Erlaß von Steuergeldern für ein solches
halbprivates Institut, das sich in Politik und Staat einmischt? Agiert sie wirklich
so selbstlos, wie sie behauptet? Was ist ihre Agenda? Wie setzt sie sie durch?
Um diese Fragen geht es in meinem Buch. Die Bertelsmann Stiftung ist ein Zentrum der Macht, mit dem die Familie Mohn (die noch 23 Prozent der Bertelsmann AG besitzt, aber auch die Stiftung kontrolliert) Nähe zur Politik schafft,
Einfluß nimmt und ihr Unternehmen erhält. Die Stiftung hat sogar die Politik in
ihrem ureigensten Bereich beeinflußt, indem sie vielfältige Aktivitäten, Foren
und Schriften zum Stiftungswesen veranstaltet und herausgegeben hat. Sie versuchte, die deutsche Rundfunkpolitik und ihre Aufsicht zu reformieren. Auch das
ein Interessenskonflikt, schließlich ist die Bertelsmann AG, an der sie 77 Prozent
der Kapitalanteile hält, mit RTL der größte private Rundfunkveranstalter Europas.
Warum ist die Nähe zur Politik heikel? Die Stiftung versammelt Leute, auf die es
ankommt. Leute, die Dinge entscheiden in einem Staat. Die Stiftung lädt ein und
übernimmt die Rechnung. Sie tut das selbstlos. Sagt sie. Aber es wäre zu einfach, ihr das zu glauben. Die Stiftung will Einfluß nehmen und dazu braucht sie
das Ohr und die Sympathie der Personen, die Politik in Gesetze gießen. Dieselben Leute bestimmen allerdings über die gesetzlichen Grundlagen, auf der die
Stiftung agiert und daraus resultiert ein grundsätzlicher Konflikt. Die Politik
nimmt solche Einladungen dankbar an und denkt kaum darüber nach, wer wirklich die Rechnung bezahlen muß. Die Stiftung ist gemeinnützig und agiert steuerfrei und deshalb geht es auch um die Frage, wie sehr die Bertelsmann Stiftung
dem Allgemeinwohl verpflichtet ist. Ist eine Stiftung, die Politik beeinflusst –
und das tut die Bertelsmann-Stiftung – noch die Privatangelegenheit der Familie
98
Mohn? Ich denke nicht. Die Öffentlichkeit hat in Deutschland bei Stiftungen aber
nichts zu sagen – im Gegensatz zu den USA beispielsweise. Stifter und ihre Mitarbeiter betonen gerne, dass ein Stifter wie Reinhard Mohn fast sein ganzes Vermögen der Allgemeinheit geschenkt hat. Das ist eine geschickte PR-Formulierung. In Wirklichkeit gehören Stiftungen sich selbst und die eigentliche Frage ist,
wer sie kontrolliert. Im Falle der Bertelsmann Stiftung ist das nicht die Allgemeinheit, sondern die Familie Mohn. Bekannte, Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter
des Unternehmens, die heute teilweise für die Stiftung arbeiten und die sie gut
für ihre Loyalität bezahlt, erwecken den Anschein von Öffentlichkeit. Von Unabhängigkeit kann jedoch keine Rede sein. Das ist offenbar politisch so gewollt.
Oder anders formuliert: die Öffentlichkeit stellt dieses System nicht lautstark
genug in Frage. Politiker sehen keinen Bedarf, zu handeln.
Öffentlichkeit herzustellen war das Ziel, aber auch die Schwierigkeit dieser Recherche. Man kann nicht behaupten, dass die Stiftung heimlich agiert, zumindest
nicht nur. Im Gegenteil: Sie gibt viel Geld aus für Öffentlichkeitsarbeit – weit mehr
als andere Stiftungen. Aber die Informationen, die sie bietet, erlauben oft kein
wirkliches Bild, wie sie vorgeht, wo sie Einfluß nimmt und mit welchen Kriterien
sie bestimmte Sichtweisen an die Politik heranträgt.
Was war das Schwierige der Recherche? Die Politik der Bertelsmann Stiftung ist
begraben in Hunderten von Studien und Publikationen. Um zu zeigen, worin die
Arbeit und der Einfluß der Stiftung besteht, musste ich an die Personen ran. Ich
habe deshalb seit zehn Jahren Veranstaltungen der Stiftung besucht und viele
Gespräche mit Mitarbeitern und Kritikern der Stiftung geführt. Um die Stiftung
hinsichtlich Arbeit, Ansehen und Wirkung einschätzen zu können, habe ich auch
Konferenzen und Symposien anderer einflussreicher Stiftungen besucht und mit
Stiftungsexperten über Grundlegendes gesprochen. Für diese grundlegende
Recherche, die zu einem Buchexpose führte, habe ich ein Stipendium der Otto
Brenner Stiftung erhalten. Ich finde es wichtig, dass Journalistenstipendien nicht
nur Nachwuchsjournalisten unterstützen. In den USA erlauben Universitäten,
etwa in Stanford oder Harvard, erfahrenen Journalisten viel stärker, ein ganzes
99
Jahr tief in relevante Themen einzudringen und mit Wissenschaftlern darüber zu
diskutieren. Eine solche Förderung wäre auch in Deutschland sinnvoll.
Wie eng die Bertelsmann Stiftung mit der Politik kooperiert, zeigt das Beispiel
von Sophia Schlette. Zeitweise hat sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin einer
MdB gearbeitet, dann wechselte sie zur Stiftung. Aber während sie dort für
Gesundheitspolitik zuständig war, brachte die ehemalige Gesundheitsministerin
Ulla Schmidt sie in ihrem Ministerium unter. Sie schrieb Reden und arbeitete der
Ministerin zu. Dabei war sie immer noch in der Stiftung angestellt. Unklar ist, wer
sie bezahlte. Fest steht, daß sie zwischen Februar 2007 und August 2008 acht
Monate im Ministerium arbeitete, wie das Ministerium zugeben musste. Angeblich arbeitete sie nicht an Gesetzen und Verordnungen. Das heißt jedoch nicht,
daß sie keinen Einfluss hatte, sie arbeitete ja nicht irgendwo im Ministerium. Sie
beriet die Ministerin. Das spricht für ihre Sachkenntnis, stellt aber auch eine
fragwürdige Entwicklung und Gefahr des parteiischen Einflusses und eine neue
Qualität des Lobbyismus dar – ohne, daß Bürger davon Kenntnis erhalten.
Die Stiftung betreibt einen so genannten Schuldenmonitor, der die Verschuldung
von Bundesländern, Städten und Gemeinden errechnet und protokolliert.
Eigentlich eine gute Sache, denn die Stiftung schafft damit ein Bewusstsein für
sparsamen Umgang mit Geldern, die der Allgemeinheit gehören. Das zumindest
ist die Idee. Sie prüft auch die Effizienz von Verwaltungen. Auch das ist im Sinne
von Bürgern. Und sie bietet Konzepte an, wie man die Effizienz verbessern kann.
Nein, das ist falsch. Nicht die Stiftung bietet das an, sondern das Unternehmen.
Aber lässt sich das so genau trennen, wie es Stiftung und Unternehmen behaupten und gerne wünschen? In East Riding in England steuert die BertelsmannTochterfirma Arvato einen ganzen Landkreis und hat dazu rund 1000 Verwaltungsmitarbeiter übernommen – im Frühjahr 2008 gelingt dem Dienstleister
Arvato auch in Deutschland der Einstieg in den Markt der Verwaltung. „Würzburg integriert“ ist ein Projekt, das Pilotcharakter für weitere Kommunen haben
soll. Das Bertelsmann-Tochterunternehmen Arvato steuert alle Abläufe in der
Würzburger Kommunalverwaltung über eine zentrale Internetplattform. Ziel sei
es, Bürgern, Unternehmen und Partnern alle Dienstleistungen der Stadt über nur
100
eine Anlaufstelle anzubieten. Würzburg erhofft sich während der Laufzeit von
zehn Jahren Einsparungen in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro, indem Personal abgebaut wird: 75 Mitarbeiter, die nach und nach in Ruhestand gehen, werden nicht ersetzt. 10 der eingesparten 27 Millionen Euro sollen an die Stadt
gehen. Dem Vernehmen nach belaufen sich die Projektkosten auf weitere 10
Millionen Euro. Somit bleiben Arvato bis zu sieben Millionen Euro Gewinn.
Rolf Buch, der Vorstandsvorsitzende von Arvato, sagt, der Bereich verfüge über
großes Potenzial, da in Deutschland rund 1,5 Millionen Personen in Kommunalverwaltungen arbeiteten. Bei durchschnittlichen Jahreskosten von 70 000 Euro
pro Mitarbeiter ergebe sich ein Gesamtvolumen von 105 Milliarden Euro. Experten gingen davon aus, dass man davon rund 20 Prozent outsourcen könne. Der
potenzielle Gesamtmarkt belaufe sich also auf 20 Milliarden Euro pro Jahr allein
in Deutschland. Langfristig spielt dieser Markt eine wichtige Rolle für das Wachstum von Bertelsmann. Die Stiftung beteuert, sie leiste keine Vorarbeit für das
Unternehmen, denn ihre Konzepte seien öffentlich für jede Firma zugänglich.
Das stimmt – was die Studien betrifft. Aber entscheidend sind Kompetenz,
Kenntnis und Kontakte, um diesen Markt zu erobern. Ist die Stiftung wirklich
unabhängig vom eigenen Unternehmen?
Ist sie unabhängig von der Politik, die sie berät? „Es ist uns egal, wer regiert“,
sagt Vorstandschef Thielen. Die Haltung hinter diesen Worten könnte heißen:
Die Stiftung ist politisch unabhängig. Das ist gut so. Punkt. Kritisch betrachtet,
kann die Aussage auch bedeuten: die Stiftung steht über der Politik, im Sinne
von Einfluss und Macht. Sie ist unangreifbar in ihrer Position und sie weiß das.
Denn Politiker sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt und kämpfen zu sehr
gegeneinander, als daß sie den Einfluss der Stiftung dort begrenzen würden, wo
es nötig wäre, und für Transparenz zu sorgen.
Die größte Bedrohung der Stiftung ist die Stiftung selbst. Die Gefahr, so zeigte
sich 2007, kam von innen, in Gestalt ihres leitenden Mitarbeiters Werner Weidenfeld. Der Professor der Universität München eilt als Politikberater von Hauptstadt zu Hauptstadt, von Land zu Land, von Termin zu Termin. Er berät Regierun-
101
Thomas Schnedler
Stell! Mich! An!*
gen und Kommissionen, hält Konferenzen und Kontakt zu Ministern, Akademikern,
Funktionsträgern und Präsidenten. Die FAZ schrieb: „Auf gewisse Weise verkörpert
Werner Weidenfeld insofern die Bertelsmann Stiftung, ihre Rastlosigkeit, ihre
Allgegenwart, ihren ständigen Seitenwechsel an den Grenzen von privatwirtschaftlich, gemeinnützig, staatsnah und halbwissenschaftlich, prominenzorientiert und kommunal.“ Jedenfalls machte einer seiner Neider der Öffentlichkeit
Arbeits- und Spesenabrechnungen zugänglich, wonach Weidenfeld zu viele
Stunden abrechnet. Die Staatsanwaltschaft München ermittelte wegen des Verdachts der Untreue, Weidenfeld mußte gehen. Weil die Stiftung mehr ihren Verantwortlichen und dem Unternehmen Bertelsmann als der Allgemeinheit nutze,
forderten im Frühjahr 2009 ihre Kritiker, der Staat müsse ihr die Gemeinnützigkeit entziehen. Auch die Stichhaltigkeit und Erfolgsaussichten dieser Forderung
habe ich untersucht – mehr dazu im Buch.
Was ist der blinde Fleck der Stiftung? Außer wie eine private Elite-Universität, die
im Geld schwimmt, und wie ein Think Tank agiert die Stiftung oft auch quasi wie
eine Unternehmensberatung für staatliche Einrichtungen: Ob Arbeitsweise, Kultur
und Produktivität in öffentlichen Verwaltungen, Finanzämtern, Hochschulen oder
Krankenhäusern – Reinhard Mohn ließ alles messen. Einmal suchte er nach einer
Messgröße, um den Erfolg von Partnerschaft und Ehen zu messen, weil gescheiterte Beziehungen und Scheidungen die Gesellschaft viel Geld kosteten. Die Idee
einer halbwissenschaftlich agierenden Partneragentur wurde indes nie verwirklicht.
Im Alter entwickelte er großes Interesse an Religiosität und ließ ihre Kraft weltweit in einem so genannten Religionsmonitor messen. Am liebsten würde er auch
den Erfolg von Politikern messen lassen, sagte er einmal. Mohn wollte alles messen und den Menschen Vergleichsdaten zukommen lassen, nur eines hat er nie
messen lassen: die Effizienz seiner Stiftung und ihren Nutzen für die Allgemeinheit.
Thomas Schuler, geb. 1965, lebt als freier Journalist in München. Er schreibt vor allem über
Medien für Berliner Zeitung, Süddeutsche Zeitung und Neue Zürcher Zeitung. 2004 veröffentlichte er das Buch „Die Mohns“ über die Eigentümer der Bertelsmann AG im Campus-Verlag.
Sein Buch „Bertelsmann Republik Deutschland. Eine Stiftung macht Politik“ erscheint Mitte
Juni 2010 im Campus Verlag.
102
Keiner hat auf mich gewartet, ich bin trotzdem gekommen. Ohne Termin. Die
junge Frau am Empfang der Leiharbeitsfirma Manpower mustert mich kurz, überrascht von dem plötzlichen Besuch ist sie nicht. Ich stehe in einem schlichten
Großraumbüro am Berliner Kurfürstendamm und stelle mich vor: Schnedler, elf
Semester Journalistik, Zeitungsvolontariat, Diplom, auf der Suche nach einer
festen Stelle. Das genügt. Mein Einsatzgebiet steht ohnehin schon fest. »Käme
auch ein Callcenter für Sie in Frage?«, will die Frau wissen. »Wenn die Konditionen
stimmen«, antworte ich ausweichend. Damit bin ich eine Runde weiter.
Es ist mein erster Schritt in eine Branche, die umstritten ist wie kaum eine andere:
die Leiharbeit. Das Geschäft hat einen miserablen Ruf – gegen den die Branche
mit der immer gleichen Botschaft ankämpft: Leiharbeit sei keine Notlösung
mehr, sondern ein Sprungbrett, der schnelle Weg zum Wunschberuf. Neuerdings
behaupten die Werbestrategen sogar, gerade Akademiker könnten über Leiharbeit den Berufseinstieg schaffen: Erfahrung sammeln, Projekte machen, sich
Arbeitgebern empfehlen.
Ich habe meine Zweifel daran, trotzdem sitze ich kurz darauf vor der Rekrutierungschefin. Sie kenne die schwierige Arbeitsmarktlage für Journalisten, sagt
sie, und verstehe, dass ich mich nach Alternativen umsehe. Manpower arbeite
nur mit seriösen Callcentern, in denen die Arbeitsbedingungen ständig kontrolliert würden – bis zur Zahl der Rollen unter den Bürostühlen.
* Leiharbeit klingt nach Ausbeutung. Doch die Leiharbeitsfirmen sagen, sie böten ein Sprungbrett in den Beruf.
Unser Autor macht den Selbstversuch. Der Bericht, als Ergebnis eines Recherche-Stipendiums, das die
Otto Brenner Stiftung 2006 vergeben hat, ist erschienen in ZEIT-Campus 03/2008, Mai/ Juni 2008.
103
»Ich könnte Sie mir gut bei einem unserer Kunden vorstellen, einer großen
Immobilienfirma.« Sie hofft, dass ich anbeiße. Händeringend suchen Unternehmen wie Manpower nach Mitarbeitern, die Branche wächst wie kaum eine andere.
Laut der Bundesagentur für Arbeit gab es im Juni letzten Jahres 730.000 Leiharbeiter, knapp ein Viertel mehr als im Jahr davor.
Aber das Callcenter einer Immobilienfirma? Ein Sprungbrett sieht anders aus.
Ich soll Ausbildung und Diplom vergessen, Leute anrufen und Häuser anpreisen.
Arbeitsmarktforscher kennen die Gefahr, dass Akademiker in der Leiharbeit keine
adäquaten Jobs finden. »Zeitarbeitskräfte werden häufig unter ihrer Qualifikation
eingesetzt«, sagt Claudia Weinkopf von der Universität Duisburg-Essen.
Die Werbung der Leiharbeitsfirmen klingt anders. Sie präsentieren sich auf Karrieremessen, bieten Workshops an Universitäten an und schalten großformatige
Anzeigen. Nach dem Versuch bei Manpower stoße ich in einer Tageszeitung auf
die Annonce der AZ GmbH, einer mittelständischen Leiharbeitsfirma. Sie sucht
in Berlin einen Onlineredakteur, um ihn an die Betreiber eines Internetfinanzportals zu entleihen. Ich bewerbe mich. Auch dem Marktführer Randstad schicke
ich meine Unterlagen, genau wie dem zweitgrößten Unternehmen, Adecco.
Welche Hoffnungen manche Akademiker in die Leiharbeit setzen, erfahre ich in
München. Auf Deutschlands größter Zeitarbeitsmesse suchen Tausende Bewerber nach Jobs. Wer studiert hat, bekommt eine Liste mit rund 45 Unternehmen,
die Akademiker suchen: Ärzte, Juristen, Botaniker oder Raumfahrttechniker.
Für sie alle kennt die Liste einen passenden Verleiher, und dem winkt ein einträgliches Geschäft: In der Branche kassieren die Verleiher durchschnittlich das
Zweieinhalbfache des Stundenlohns des Leiharbeiters. Billiger als Festangestellte
sind Leiharbeiter also selten. Trotzdem leihen Unternehmen ihre Mitarbeiter gern,
denn Leiharbeitern können sie jederzeit kündigen.
sagt sie. Die monatelange Arbeitslosigkeit hat ihre Ansprüche schrumpfen lassen. Für den Einstieg sei eine Stelle als Teamassistentin in Ordnung. Dass viele
Firmen mit dieser Stellenbezeichnung verschleiern, dass eigentlich eine Sekretärin gesucht wird, weiß Constanze. »Man muss aufpassen, dass man sich nicht zu
weit unter seinen Möglichkeiten einstellen lässt.«
Meine eigene Jobsuche kommt nicht so richtig in Schwung. Die Münchner Messe
hatte kein Angebot für mich, und bei der AZ GmbH lande ich nach einem telefonischen Vorstellungsgespräch in der Datenbank. Die Stelle als Onlineredakteur
bekommt ein anderer.
Auch Randstad lässt mich warten. Ich rufe an, werde vertröstet, rufe wieder an.
Nach zwei Monaten dann eine Einladung zum Gespräch. Bevor ich aber einen
Disponenten treffen darf, soll ich bei einem Onlinetest beweisen, dass ich Word,
Excel und Powerpoint beherrsche. Das klingt simpel, wird aber zum Desaster. Ich
kann keine Serienbriefe erstellen, versage bei der Umsatzberechnung im Tabellenblatt »Quartalsergebnisse« und scheitere, als ich ein Organigramm erweitern
soll. Mein Testergebnis ist vernichtend.
Adecco lädt mich persönlich zu einem »Bewerbertag« ein, aber auch der bringt
mich nicht weiter. Kein Adecco-Mitarbeiter will mit mir sprechen. Stattdessen
sitze ich im Flur und starre auf Fragebögen. Wie fit bin ich bei der Tabellenkalkulation? Na ja. Kann ich stenografieren? Nein. Softwarekenntnisse bei der Lohnund Gehaltsabrechnung? Null. Mein Studium, Volontariat und journalistische
Praktika quetsche ich schließlich in die Rubrik »Sonstiges«. Das Standardformular und ich passen nicht zusammen. Auf Akademiker wie mich scheint Adecco
nicht vorbereitet zu sein. Wie wollen sie mich da »passgenau« weitervermitteln?
»Mit den Bewerberbögen fragen wir Grundkenntnisse ab und machen uns ein erstes
Bild von den Bewerbern«, rechtfertigt sich später eine Unternehmenssprecherin.
Der Fragebogen könne natürlich nicht das persönliche Gespräch ersetzen.
Constanze Spreewald** ist eine der Bewerberinnen. Die 34-jährige Ägyptologin
hat promoviert und mehrere Jahre in Kairo geforscht. Seit Monaten schreibt sie
Bewerbungen, bislang ohne Erfolg. »Ich hoffe, dass ich Kontakt zu verschiedenen
Unternehmen finde. Daraus soll dann aber auch eine Festanstellung werden«,
Ich warte auf eine Einladung, doch es tut sich monatelang nichts. Dabei bin ich
mit meinem Abschluss kein Exot: Schon fast jeder vierte ihrer Leiharbeiter habe
studiert, sagt Adecco – und es würden mehr. Adecco läge damit deutlich über dem
Schnitt: Marktforscher beziffern den Anteil der Akademiker unter allen Leihar-
** Namen von der Redaktion geändert
104
105
beitern auf gut zehn Prozent. Die Bundesagentur für Arbeit, die mit anderen
Daten rechnet, geht von rund sieben Prozent aus.
Nur eines stellen sie alle fest: Der Markt für ausgeliehene Akademiker wächst.
Zum Beispiel hat sich in den vergangenen fünf Jahren der Anteil der von Leiharbeitsfirmen gemeldeten Stellen für Dolmetscher und Übersetzer verdreifacht,
sagt die Bundesagentur für Arbeit.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Markus Promberger, Arbeitsmarktforscher der
Bundesagentur, spricht von »Sättigungstendenzen« auf dem Markt für herkömmliche Leiharbeit. Buchhalter, Maler, Lagerhelfer und Putzfrauen werden zur Genüge
verliehen, die Firmen müssen sich neue Zielgruppen und Geschäftsfelder suchen.
Außerdem darf seit der rot-grünen Arbeitsmarktreform von 2004 ein Leiharbeiter
zeitlich unbegrenzt an ein Unternehmen ausgeliehen werden. Damit lohnt es
sich für die Firmen, studierte Leiharbeiter für qualifizierte Jobs über mehrere
Monate einzuarbeiten.
Andere Unternehmen sind dazu übergegangen, vakante Stellen zunächst für ein
paar Monate mit Leiharbeitern zu besetzen. Eine »ausgelagerte Probezeit«
nennt das die Hamburger Personaldienstleisterin Heidrun Jürgens. »Leiharbeit
mit Übernahmeoption« heißt das Modell. Die Vorteile für die Unternehmen: Sie
können die Bewerber erst einmal unverbindlich testen und auf einen Schlag die
Probezeit verdoppeln, denn kein Gesetz zwingt sie, die Leiharbeit anzurechnen.
Und sie sparen sich die lästige Kündigung. »Die unangenehmen Gespräche führt
dann nicht der Kunde, sondern wir«, sagt Jürgens.
Die Vorteile der Firma sind die Nachteile der Leiharbeiter. Manfred Lohre** kennt
ihn gut, diesen Druck, irgendwo Fuß fassen zu wollen, aber nicht zu können. Der
Diplom-Ingenieur arbeitet schon seit vier Jahren als Leiharbeiter für Siemens,
mittlerweile könnte er sich schon wie ein Siemensianer fühlen, sagt er. »Aber
man ist doch nur Mitarbeiter zweiter Klasse.«
Das sieht er jeden Monat auf seinem Konto: Er verdient nur etwa zwei Drittel von
dem, was seine festangestellten Kollegen bei Siemens bekommen: brutto fast
1000 Euro weniger im Monat. »Natürlich ist das nicht motivierend, wenn man
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weiß, dass andere Leute die gleiche Arbeit machen, aber dafür viel mehr Geld
bekommen«, sagt er. Für ihn könnte sich die Leiharbeit als Sackgasse erweisen,
er ist schon über 50. »Wenn ein Ingenieur nach drei oder vier Jahren immer noch
Leiharbeiter ist, dann wundern sich Personalchefs und fragen sich, ob es ein
Problem gibt«, sagt Promberger.
Für mich hat Randstad mittlerweile eine Akte angelegt. Mein Scheitern beim
Onlinetest sei nicht so dramatisch, hat man mich im Vorstellungsgespräch
beruhigt. Aber: »Es wird darum gehen, Kompromisse zu machen.«
Welche Zugeständnisse erwartet werden, erfahre ich einige Zeit später. Die AZ
GmbH, von der ich seit Monaten nichts mehr gehört habe, meldet sich plötzlich
auf meinem Handy. Ein großes Gebrauchtwagenportal im Internet suche einen
Content-Manager als Urlaubsvertretung. Losgehen soll es schon ein paar Tage
später, nach zwei Monaten sei Schluss. Ich schaue mir die Seite im Internet an,
und nach ein paar Klicks weiß ich, dass ich für meinen alten Polo, Baujahr 1995,
noch ungefähr 1200 Euro verlangen könnte. Schön und gut – aber wie soll ich
als Journalist beim Autoverkauf helfen?
Das wäre dann wohl der »Jedermann-Arbeitsmarkt«, wie Markus Promberger
von der Bundesagentur ihn genannt hat. Auf der einen Seite des Arbeitsmarktes,
sagt er, gebe es Absolventen mit begehrten Qualifikationen, wie zum Beispiel
Ingenieure oder Betriebswirte. Normalerweise finden sie auch so einen Job. »Sie
können aber von der Leiharbeit profitieren, wenn sie individuell etwas schlechtere Arbeitsmarktchancen haben.« Wer also mäßige Noten habe, kaum Berufserfahrung oder eine seltene Fachrichtung, der könne so den Einstieg schaffen.
»Auf der anderen Seite gibt es die Absolventen von Exotenfächern oder eher
marktfernen Fächern«, fügt Promberger hinzu. Die landeten dann oft im »Jedermann-Arbeitsmarkt«.
Bin ich als Journalist etwa »marktfern«? Ich soll das Onlineportal bei der Einführung einer neuen Software unterstützen und alte Ratgebertexte renovieren.
Dafür bekäme ich einen exakt auf die zwei Monate befristeten Vertrag bei der
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AZ GmbH. Der brächte mir 1317 Euro netto im Monat, für eine Vollzeitstelle. Ein
Blick in den Tarifvertrag zeigt: Damit würde ich sogar zu den Besserverdienern
gehören. Andere Firmen starten mit einem Stundenlohn von 5,77 Euro. Meiner
soll immerhin bei 9,16 Euro liegen.
Leiharbeitsfirmen sprechen gerne davon, dass man auch mal einen Schritt
zurückgehen müsse, um dann zwei nach vorn in eine Festanstellung zu machen.
Ich überlege nur kurz, bevor ich der AZ GmbH absage. Wenn eine Stelle überhaupt keine Perspektive bietet, dann bleibt es beim Rückschritt.
Als mich mein Randstad-Disponent anruft, rechne ich schon gar nicht mehr mit
einer echten Chance. Er habe die Anfrage einer großen PR-Agentur in Berlin,
Marktführer im Bereich der politischen Kommunikation. Die Agentur betreue ein
Magazin des Deutschen Bundestags, plane Kampagnen für die Bundesregierung
oder arbeite für die EU-Kommission.
Wenig später sitze ich tatsächlich im Vorstellungsgespräch. Die Agentur hat
einen repräsentativen Backsteinbau unweit der Spree bezogen, im Konferenzraum laufen auf kleinen Monitoren die Weltnachrichten von CNN und BBC ohne
Ton. Mir gegenüber sitzen ein Redakteur und eine PR-Beraterin. Sie verblüffen
mich: Hier geht es gar nicht um Leiharbeit, sondern um eine Festanstellung.
Wenn man offene Stellen zu besetzen habe, fordere man auch Profile von Personaldienstleistern an, erklären sie mir. Mein Profil scheint ihnen gefallen zu haben.
Ob ich mir als Journalist denn überhaupt vorstellen könne, für eine PR-Agentur
zu arbeiten, fragt mich die Beraterin. Ich müsse Abschied nehmen von unabhängiger Berichterstattung, denn letzten Endes entscheide nur die Zufriedenheit
des Kunden über die Qualität eines Textes. »Solange Sie nicht für einen russischen Oligarchen arbeiten, hätte ich damit kein Problem«, sage ich. »Auch das
hatten wir schon«, antwortet sie kurz.
Ich soll in der Redaktion eingesetzt werden und für Publikationen schreiben, die
die Agentur im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellt, erklärt der Redakteur mir. Ausgerechnet PR für Schäuble, denke ich. Einen Jahresvertrag und
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2300 Euro brutto pro Monat soll ich dafür bekommen, nach einem halben Jahr
werde das Gehalt noch einmal überprüft. Einen Tag Bedenkzeit handele ich aus.
Fünf Monate sind vergangen, seit ich die Bewerbungen abgeschickt habe. Damit
steht fest: Ein schneller Weg zum Job war die Leiharbeit für mich nicht. Das Resultat der Suche: Eine Bewerbung war ein totaler Flop, eine zweite hätte mich
beinahe zum Gebrauchtwagenspezialisten gemacht. Mit der dritten Bewerbung
hatte ich schließlich einen Glückstreffer – den Job in einer Agentur, deren Namen
ich vorher nicht einmal kannte.
Das ist wohl die wichtigste Lehre: Wer einen großen Verteiler für seine Bewerbung sucht, der findet ihn bei den Leiharbeitsfirmen. Mehr als eine Ergänzung
zur eigenen Jobsuche darf man aber nicht erwarten. Die angebotenen Stellen
sind meistens Kompromisse, eine Garantie für einen Job gibt es nicht – und wer
schließlich doch eine Stelle bekommt, spürt den ständigen Druck von kurzen
Kündigungsfristen und zweitklassiger Bezahlung.
Jeder, der sich bewirbt, braucht außerdem den Mut, dubiose oder unverschämte
Angebote einfach abzulehnen. Schwarze Schafe gibt es genügend, und manchmal ist die Grenze zur Ausbeutung fließend.
Ich selbst werde nicht im Callcenter antreten. Aber auch die Sicherheitspolitik
des Innenministers werde ich nicht bewerben: Der Agentur sage ich ab. Schon
vor einigen Wochen habe ich an der Universität Hamburg unterschrieben, als
wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die Stelle habe ich ohne Leiharbeitsfirmen gefunden, aber sie ist ähnlich prekär: befristet, viel Arbeit für wenig Geld, Zukunft
ungewiss.
Thomas Schnedler, geb. 1974, Dipl.-Journalist, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg. Er arbeitet zudem als freiberuflicher Journalist und
Kommunikationswissenschaftler, insbesondere am Institut für Medien- und Kommunikationspolitik in Berlin, wo er als Projektleiter und Redakteur ein Online-Portal zur Medienkonzernbeobachtung (www.mediadb.eu) betreut.
109
AUSGEWÄHLTE TEXTE
UND REDEN
Georg Mascolo
Georg Mascolo
füllen ohne großen Aufwand, aber dennoch gut bezahlt. Deshalb ist es so wichtig, dass all die Journalisten ermuntert werden, die abseits des Mainstreams,
abseits der lancierten Meldungen, abseits der Wünsche von PR-Leuten eigene
Themen suchen, Zusammenhänge finden und den Hörer mit eigenen Geschichten überraschen.
Das tut der Reporterpool und deshalb hat er sich diese Auszeichnung verdient.
Die Recherchen über Waffenhandel in Afghanistan, rechtsextremistische Umtriebe
in Norddeutschland, Bluttests bei Firmen oder Skandale der HSH Nordbank
haben bundesweit Schlagzeilen gemacht.
Laudatio zur Verleihung des
„Leuchtturms für besondere publizistische Leistungen“
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Freie!
Ich bedanke mich für die Gelegenheit, hier heute die Laudatio auf die diesjährigen Preisträger des „Leuchtturms“ halten zu dürfen. Das gibt mir Gelegenheit,
ein paar Dinge loszuwerden, die mir besonders am Herzen liegen. Allzu lange,
das kann ich Ihnen versprechen, wird es nicht dauern. 2:30 sind im Radiojournalismus bekanntlich das Maß der Dinge. Ich werde mir erlauben, die Zeit zu verdoppeln.
Zu ehren habe ich heute die Journalisten des NDR-Reporterpools, die seit vier
Jahren für den Hörfunk im Norden arbeiten. Sechs fest angestellte Redakteure
und eine Anzahl freier Mitarbeiter gehören dem Pool an. Die Freien werden, um
umfassend recherchieren zu können, pauschal und nicht per Beitrag bezahlt.
Das ist ungewöhnlich, aber gerecht, notwendig und vernünftig. Denn allzu häufig werden noch immer jene Journalisten finanziell belohnt, die ganz bequem
Pressemitteilungen umformulieren und – wenn überhaupt – dazu noch schnell
die Stimmen von Betroffenen einholen. Damit lassen sich auch Sendeminuten
112
Als Hörer des Programms war ich häufig gefesselt von diesen Geschichten. Als
Chefredakteur habe ich mehr als einmal gedacht: Warum haben wir das eigentlich nicht? Herzlichen Glückwunsch also, liebe Kollegen, seien Sie stolz auf Ihre
Arbeit. Ich bin es.
Damit könnte ich zum versprochenen schnellen Ende kommen, wenn es nicht
noch eine weitere Gratulation vorzunehmen gäbe. Und auch eine Ermahnung
auszusprechen.
Die Ehrung geht an den Norddeutschen Rundfunk, der Mut und Weitblick besessen hat, etwas Ungewöhnliches zu wagen. Journalisten einfach machen zu lassen,
ohne sie per Organigramm und Stellenausschreibung in ein von Redaktionsmanagern erdachtes Format zu pressen. Herausgekommen sind übrigens mehr –
vor allem aber bessere Beiträge. Wenn es doch nur immer so vernünftig im
öffentlich-rechtlichen System zugehen würde ...
Die Ermahnung gilt unserem Berufsstand. Ein Reporterpool wie jener des NDR
gehörte bislang in diesem Land nicht automatisch zu den Favoriten einer Auszeichnung wie dem Leuchtturm. So erinnert uns der Erfolg der diesjährigen
Preisträger an unsere ureigenste Aufgabe. Der Journalist muss neugierig, er
muss gründlich und ehrgeizig sein.
113
Er darf die wahre Aufgabe seines Berufes nicht vernachlässigen – und das ist, den
Dingen auf den Grund zu gehen. Wir bekommen unser Geld für unsere Neugierde.
Ja, manchmal mag es an Zeit fehlen. Aber zu oft ist es auch nur Bequemlichkeit.
Wahrscheinlich ist das der Grund, warum heute so gern vom „investigativen
Journalismus“ geschwärmt wird, ein Begriff der inzwischen so inflationär genutzt
wird, dass damit auch schon ein zweites Telefonat gemeint sein könnte.
Die Suche nach Unbekanntem, die Aufklärung eines Sachverhaltes, die nötige
Distanz und Skepsis braucht es immer. Ich nenne das Recherche. Ohne diese
Leidenschaft, den Wunsch Nachrichten zu machen anstatt ihnen hinterherzulaufen, geht es nicht. Nur wer sich für den mühsamen Weg entscheidet, wird dafür
auch belohnt. Er wird zum Anlaufpunkt für Informanten, zum Empfänger brisanter Unterlagen. Egal ob es die Süddeutsche Zeitung ist oder jetzt der NDRReporterpool oder mein Haus, der SPIEGEL, – wir alle profitieren vom Engagement und der Leidenschaft der einzelnen Mitarbeiter.
Die Fleißigen, die Hartnäckigen, die Unerbittlichen sind es, die den Erfolg unserer Unternehmungen ausmachen. Nachrichten seien heute nichts mehr wert, frei
verfügbar, heißt es inzwischen gern. Das ist falsch. Fakten sind der Rohstoff
unserer Branche und sie sind schwer zu ermitteln, sie müssen mühsam zusammengetragen werden, sie taugen nicht zur Massenproduktion.
So bitte ich alle hier, Intendanten und Chefredakteure, Kollegen, Verlagsmanager und Volontäre, von der Auszeichnung heute Abend etwas zu lernen. Was der
NDR-Reporterpool geleistet hat, das müssen Sie auch wollen. Das müssen auch
Sie können. Und Sie müssen es möglich machen. Schon damit hier im nächsten
Jahr ein anderer geehrt werden kann.
Die Laudatio von Georg Mascolo, Spiegel-Chefredakteur, zur Verleihung des „Leuchtturms für
besondere publizistische Leistungen“ an den Reporterpool von NDR-Info am 08. Dezember
2009 wurde uns vom „netzwerk recherche e. V.“, das auch den Preis auslobt, zur Verfügung
gestellt. Die Otto Brenner Stiftung dankt dem „nr“ für die Bereitstellung des Textes.
114
Die Dokumentationen
nr-Werkstatt:
In der Lobby brennt noch Licht
und
nr-Werkstatt:
Quellenmanagement
können kostenfrei gegen einen adressierten
und ausreichend frankierten Rückumschlag
(DIN C5, 1.50 Euro) beim netzwerk recherche
bezogen werden.
Bezugsadresse:
netzwerk recherche e.V.
Geschäftsstelle
Stubbenhuk 10, 5. OG
20459 Hamburg
www.netzwerkrecherche.de
infoπnetzwerkrecherche.de
@
DIE JURY
Sonia Seymour Mikich
Prof. Dr. Heribert Prantl
Harald Schumann
Prof. Dr. Volker Lilienthal
Prof. Dr. Thomas Leif
Berthold Huber
Sonia Seymour Mikich
Prof. Dr. Heribert Prantl
Geboren 1951
Redaktionsleitung des ARD-Magazins Monitor
Geboren 1953
Ressortchef Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung
Werdegang
2004 - April 2007: Redaktionsleitung der ARD/WDR-Dokumentationsreihe „die story“
Seit Januar 2002: Redaktionsleitung und Moderatorin des ARD-Magazins Monitor, WDR Köln
1998 - 2001: Korrespondentin und Studioleitung des Deutschen Fernsehens in Paris
1992 - 98: Korrespondentin des Deutschen Fernsehens in Moskau (ab 1995: Studioleitung)
1982 - 84: Volontariat beim Westdeutschen Rundfunk, Redakteurin und Reporterin
1979 - 81: wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arnold-Gehlen-Forschungsgruppe am Institut
für Soziologie an der RWTH Aachen. Freie Journalistin für Zeitschriften, Tageszeitungen und
Aufsatzsammlungen
1972 - 79: Studium Politologie, Soziologie und Philosophie an der RWTH Aachen mit
Magisterabschluss Februar 1979
1970 - 72: Volontariat bei der Aachener Volkszeitung
Auszeichnungen, u. a.
Telestar als Beste Reporterin (1996); Bundesverdienstkreuz (1998); Deutscher Kritikerpreis für
Auslandsberichterstattung (2001)
Veröffentlichungen, u. a.
Der Wille zum Glück. Lesebuch über Simone de Beauvoir, Reinbek 1986; Planet Moskau.
Geschichten aus dem neuen Rußland, Köln 1998
118
Werdegang
Seit 1995: Ressortchef Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung
Seit 1988: Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Zunächst innenpolitischer Kommentator
und innenpolitischer Redakteur mit Schwerpunkt Rechtspolitik
1981 - 87: Richter an verschiedenen bayerischen Amts- und Landgerichten sowie Staatsanwalt
Studium der Philosophie, der Geschichte und der Rechtswissenschaften. Erstes und Zweites
Juristisches Staatsexamen, juristische Promotion, juristisches Referendariat. Parallel dazu
journalistische Ausbildung
Auszeichnungen, u. a.
Thurn und Taxis-Preis für die Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (1982); Leitartikelpreis der
Pressestiftung Tagesspiegel Berlin (1989); Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins (1992);
Geschwister-Scholl-Preis (1994); Kurt-Tucholsky-Preis (1996); Siebenpfeiffer-Preis (1998/99);
Theodor-Wolff-Preis (2001); Rhetorikpreis für die Rede des Jahres 2004 der Eberhard-Karls-Universität
Tübingen; Erich-Fromm-Preis (2006); Arnold-Freymuth-Preis (2006); Roman-Herzog-Medienpreis
(2007); Justizmedaille des Freistaats Bayern (2009)
Veröffentlichungen, u. a.
Kein schöner Land. Die Zerstörung der sozialen Gerechtigkeit, München 2005; Der Terrorist als
Gesetzgeber. Wie man Politik mit Angst macht, München 2008
119
Harald Schumann
Prof. Dr. Volker Lilienthal
Geboren 1957
Redakteur für besondere Aufgaben bei „Der Tagesspiegel“, Berlin
Geboren 1959
Inhaber der Rudolf Augstein Stiftungsprofessur für „Praxis des Qualitätsjournalismus“ (Uni Hamburg)
Werdegang
Werdegang
Seit 10. 2004: Redakteur „Der Tagesspiegel“ Berlin
2003 - 04: Redakteur im Berliner Büro des SPIEGEL
2000 - 02: Ressortleiter Politik bei SPIEGEL ONLINE
1992 - 2000: Redakteur im Berliner Büro des SPIEGEL
1990 - 91: Leitender Redakteur beim Ost-Berliner „Morgen“
1986 - 90: Wissenschaftsredakteur beim SPIEGEL
1984 - 86: Redakteur für Umwelt und Wissenschaft bei der Berliner tageszeitung, Studium
der Sozialwissenschaften in Marburg, Landschaftsplanung an der TU Berlin, Abschluss als
Diplom-Ingenieur
2005 - 2009: Verantwortlicher Redakteur von „epd medien“
1997 - 2005: stellv. Ressortleiter „epd medien“
Seit 1989: Redakteur beim Evangelischen Pressedienst (epd)
1999: Lehrbeauftragter für Medienkritik und Medienjournalismus an der Universität Frankfurt /M.
1996 - 98: journalistischer Berater und Autor der Wochenzeitung „DIE ZEIT“
1988: Redakteur von „COPY“ (Handelsblatt-Verlag)
1987: Dr. phil. in Germanistik der Universität-GH Siegen
1983: Diplom-Journalist der Universität Dortmund
Auszeichnungen, u. a.
Auszeichnungen, u. a.
Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch, (1997); Medienpreis Entwicklungspolitik, (2004);
Gregor Louisoder-Preis für Umweltjournalismus, (2007); „Das politische Buch“, Friedrich-EbertStiftung (2009)
Veröffentlichungen, u. a.
Futtermittel und Welthunger, Reinbek 1986; Die Globalisierungsfalle (gemeinsam mit Hans-Peter
Martin), Reinbek 1996; attac – Was wollen die Globalisierungskritiker? (mit Christiane Grefe und
Mathias Greffrath), Berlin 2002; Der globale Countdown, Gerechtigkeit oder Selbstzerstörung –
die Zukunft der Globalisierung (gemeinsam mit Christiane Grefe), Köln 2008
120
Leipziger Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien (2006); Nominierung zum Henri Nannen
Preis in der Sparte „Bestes investigatives Stück“ (2006); „Fachjournalist des Jahres“ (2005);
„Reporter des Jahres“ (2005); „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ der Journalistenvereinigung „netzwerk recherche e. V.“ (2004); zweiter Preis „Bester wissenschaftlicher Zeitschriftenaufsatz“ der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
(DGPuK) (2004); „Besondere Ehrung“ beim Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik (2002);
Hans-Bausch-Mediapreis des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart (1997)
Veröffentlichungen, u. a.
Professionalisierung der Medienaufsicht (Hrsg., Wiesbaden 2009); Literaturkritik als politische
Lektüre, Am Beispiel der Rezeption der ,Ästhetik des Widerstands’ von Peter Weiss (Berlin 1988);
Sendefertig abgesetzt. ZDF. SAT.1 und der Soldatenmord von Lebach (Berlin 2001); TV-Dokumentation „Der Giftschrank des deutschen Fernsehens“ 1994 auf VOX/DCTP.
121
Prof. Dr. Thomas Leif
Berthold Huber
Geboren 1959
1. Vorsitzender ‘netzwerk recherche e. V.’
Geboren 1950
Erster Vorsitzender der IG Metall
Vorsitzender des Verwaltungsrates der Otto Brenner Stiftung
Werdegang
Werdegang
Seit 2009: Moderator von „2+Leif“ (SWR)
Seit 2001: Vorsitzender der Journalistenvereinigung netzwerk recherche e. V.
Seit Januar 1997: Chefreporter Fernsehen beim SWR in Mainz
Seit März 1995: Redakteur/Reporter beim SWR-Fernsehen
Seit Mai 1985: fester freier Mitarbeiter beim Südwestrundfunk Mainz in den
Redaktionen Politik, ARD Aktuell, Report u. a.
1978 - 85: Studium der Politikwissenschaft, Publizistik und Pädagogik an der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bis 1989: Promotion
Veröffentlichungen, u.a.
Die strategische (Ohn)-Macht der Friedensbewegung. Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen in den achtziger Jahren (Opladen 1990); Rudolf Scharping, die SPD und die Macht (zus. mit
Joachim Raschke) (Reinbek 1994); Leidenschaft: Recherche. Skandal-Geschichten und EnthüllungsBerichte (Hrsg.) (Opladen 1998); Mehr Leidenschaft: Recherche. Skandal-Geschichten und Enthüllungsberichte. Ein Handbuch zu Recherche und Informationsbeschaffung (Hrsg.) (Opladen 2003);
Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland (Hrsg.) (Wiesbaden 2006); Beraten und Verkauft.
McKinsey & Co. – der große Bluff der Unternehmensberater (Gütersloh 2007); 10. Auflage; Aktualisierte Neuauflage; (München 2008) (Taschenbuch); Angepasst und Ausgebrannt. Die Parteien in
der Nachwuchsfalle (München 2009)
122
Seit 2007: Erster Vorsitzender der IG Metall
2003 - 2007: Zweiter Vorsitzender der IG Metall
1998 - 2003: Bezirksleiter für Baden-Württemberg
1993 - 1998: Koordinierender Abteilungsleiter, Zweiter Vorsitzender (Walter Riester)
1991 - 1993: Abteilungsleiter, Erster Vorsitzender (Franz Steinkühler)
ab 1990: Hauptamtliche Tätigkeit bei der IG Metall in Ostdeutschland
1985: Studium der Geschichte und Philosophie an der Universität Frankfurt
1978: Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsvorsitzender
1971: Ausbildung zum Werkzeugmacher und Tätigkeit bei der Firma Kässbohrer
(heute Evo-Bus) in Ulm
Aufsichtsratmandate
Audi AG, Ingolstadt (stellvertretender Vorsitzender); Siemens AG, München (stellvertretender
Vorsitzender); Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart
123
Daten und Fakten zum Otto Brenner Preis 2009
Termine
Preisträger
Bewerbungszeitraum
01.04. - 15.08.2009
Medienprojektpreis
Attac Deutschland
Jury-Sitzung
08.10.2009 Frankfurt/Main
Recherche-Stipendien
Sandro Mattioli, freier Reporter (Rom)
Preisverleihung
17.11.2009 Berlin
Tina Groll (ZEIT-online)
Marianne Wendt und Maren-Kea Freese
Eingereichte Bewerbungen
510
1. Preis
Marc Thörner (Deutschlandfunk)
Otto Brenner Preis
397
2. Preis
Ulrike Brödermann und Michael Strompen (ZDF)
Otto Brenner Preis „Spezial“
47
3. Preis
Simone Sälzer (Passauer Neue Presse)
Newcomer/Medienprojektpreis
38
Recherche-Stipendium
28
Otto Brenner Preis „Spezial“ Christian Semler, freier Autor (taz)
Preisgelder
45.000 Euro (insgesamt)
1. Preis
10.000 Euro
2. Preis
5.000 Euro
3. Preis
3.000 Euro
Spezial-Preis
drei Recherche-Stipendien
Medienprojektpreis
10.000 Euro
je 5.000 Euro
2.000 Euro
124
125
Preisträger 2005 - 2008
2008
2007
2006
2005
1. Preis:
1. Preis:
1. Preis:
1. Preis:
Anita Blasberg und Marian Blasberg
für „Abschiebeflug FHE 6842“
(ZEIT - Magazin LEBEN, Nr. 03/2008)
Michaela Schießl
für „Not für die Welt“
(Der Spiegel 19/2007)
Redaktion „Der Tag“ – hr2
für Radiobeiträge „Der Tag“ – hr2
Markus Rohwetter
für „Ihr Wort wird Gesetz“
(Die Zeit, 6. Oktober 2005)
2. Preis:
2. Preis:
Jürgen Döschner
für „Fire and Forget – Krieg als
Geschäft“ (WDR 5, 21. März 2008)
Ingolf Gritschneder
für „Profit um jeden Preis –
Markt ohne Moral“
(WDR, 28. Februar 2007)
Frank Jansen
Die Jury würdigt Frank Jansens
Langzeit-Reportagen über
die Opfer rechtsextremer Gewalt
in Deutschland
Steffen Judzikowski und
Hans Koberstein
für „Das Kartell – Deutschland im Griff
der Energiekonzerne“
(ZDF, Frontal21, 14. August 2007)
3. Preis:
3. Preis:
Markus Grill
Die Jury würdigt Markus Grills
Gesamtwerk an pharmakritischer
Berichterstattung
Redaktion „ZAPP“ – NDR
für ihren TV-Beitrag
„Verdeckt, versteckt, verboten –
Schleichwerbung und PR in den
Medien“ (NDR, 2. November 2005)
Brigitte Baetz
für ihren Hörfunkbeitrag
„Meinung für Millionen –
Wie Interessengruppen die öffentliche
Meinungsbildung beeinflussen“
(Deutschlandfunk, 26. August 2005)
Otto Brenner Preis „Spezial“:
Otto Brenner Preis „Spezial“:
Christian Bommarius
Kommentare, Meinungsbeiträge,
Leitartikel, Essays (Berliner Zeitung)
Tom Schimmeck (freier Autor)
für „Angst am Dovenfleet“
(taz, 30. Dezember 2006)
Newcomer-Preis:
Newcomer-Preis:
Medienprojektpreis:
Recherche-Stipendien:
Maximilian Popp
für „Passauer Neue Mitte“
(Schülerzeitung „Rückenwind“,
März 2005)
Andrea Röpke
für „langwierige und schwierige
Recherchen in der Neonazi-Szene“
Katrin Blum, Thomas Schuler und
Martin Sehmisch
Lutz Mükke
für seinen Beitrag
„Der Parlamentsbroker“
(Medienmagazin Message,
4. Quartal 2005)
2. Preis:
2. Preis:
Nikola Sellmair
für „Kollege Angst“
(Stern, 31. März 2005)
3. Preis:
3. Preis:
Medienprojektpreis:
Recherche-Stipendien:
Boris Kartheuser, Thomas Schnedler
und Melanie Zerahn
Recherche-Stipendien:
Veronica Frenzel, Clemens Hoffmann,
N.N. (verdeckte Recherche)
Andreas Hamann und Gudrun Giese
für „Schwarzbuch Lidl“
Recherche-Stipendien:
Golineh Atai, Julia Friedrichs und
Astrid Geisler
126
127
OTTO BRENNER PREIS
FÜR KRITISCHEN JOURNALISMUS 2010
„Nicht Ruhe und Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste
Bürgerpflicht, sondern Kritik und ständige demokratische Wachsamkeit.“
(Otto Brenner 1968)
Ausschreibung
Otto Brenner Preis 2010
Es werden Beiträge prämiert, die für einen kritischen Journalismus
vorbildlich und beispielhaft sind und die für demokratische und gesellschaftspolitische Verantwortung im Sinne von Otto Brenner stehen.
Vorausgesetzt werden gründliche Recherche und eingehende Analyse.
Der Otto Brenner Preis ist mit einem Preisgeld
von 45.000 Euro dotiert, das sich wie folgt aufteilt:
1. Preis
10.000 Euro
2. Preis
5.000 Euro
3. Preis
3.000 Euro
Zusätzlich vergibt die Otto Brenner Stiftung:
für die beste Analyse (Leitartikel, Kommentar, Essay)
den Otto Brenner Preis „Spezial“
10.000 Euro
in Zusammenarbeit mit „netzwerk recherche e. V.“
drei Recherche-Stipendien von je
5.000 Euro
und für Nachwuchsjournalisten oder Medienprojekte
den „Newcomer- /Medienprojektpreis“
2.000 Euro
Einsendeschluss: 13. August 2010
Die Bewerbungsbögen mit allen erforderlichen Informationen erhalten Sie unter:
www.otto-brenner-preis.de
Otto Brenner Stiftung
Wilhelm-Leuschner-Str. 79
60329 Frankfurt am Main
E-mail: [email protected]
Tel.: 069 / 6693 - 2576
Fax: 069 / 6693 - 2786
Spendenkonten der Otto Brenner Stiftung
Die Otto Brenner Stiftung ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall mit Sitz in
Frankfurt/Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung
ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem
Ausgleich zwischen Ost und West.
Sie ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt/M. V-Höchst vom 20. März 2009 als
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden.
Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar
bzw. begünstigt.
Geben Sie bitte Ihre vollständige Adresse auf dem Überweisungsträger an, damit wir Ihnen nach
Eingang der Spende eine Spendenbescheinigung zusenden können oder bitten Sie in einem kurzen
Schreiben an die Stiftung unter Angabe der Zahlungsmodalitäten um eine Spendenbescheinigung.
Spenden erfolgen nicht in den Vermögensstock der Stiftung, sie werden ausschließlich für Projekte
entsprechend des Verwendungszwecks genutzt.
Bitte nutzen Sie folgende Spendenkonten
Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von
Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten:
– Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens
Konto: 905 460 03
BLZ: 500 500 00
Bank: HELABA Frankfurt/Main
oder
Impressum
Herausgeber
Otto Brenner Stiftung
Wilhelm-Leuschner-Str. 79
60329 Frankfurt / Main
Konto: 161 010 000 0
BLZ: 500 101 11
Bank: SEB Bank Frankfurt/Main
Verantwortlich
Jupp Legrand
Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von
Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten:
Redaktion
Jan Burzinski und
Jupp Legrand
– Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland
(einschließlich des Umweltschutzes),
– Entwicklung demokratischer Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa,
– Verfolgung des Zieles der sozialen Gerechtigkeit.
Konto: 905 460 11
BLZ: 500 500 00
Bank: HELABA Frankfurt/Main
oder
Artwork
N. Faber de.sign, Wiesbaden
Konto: 198 736 390 0
BLZ: 100 101 11
Bank: SEB-Bank Berlin
Fotonachweis S. 112: Markus Kirsch
Druck
ColorDruckLeimen GmbH
Verwaltungsrat und Geschäftsführung der Otto Brenner Stiftung danken für die finanzielle
Unterstützung und versichern, dass die Spenden ausschließlich für den gewünschten Verwendungszweck genutzt werden.
130
Redaktionsschluss
4. März 2010
131
Inhaltsverzeichnis der DVD
1.
Eingangspräsentation zur Preisverleihung 2009
2.
Medienprojektpreis
„DIE ZEIT“-Plagiat
3.
Hörfunkbeitrag 1. Preis
„Wir respektieren die Kultur“
Marc Thörner
4.
Fernsehbeitrag 2. Preis
„Der gläserne Deutsche – wie wir Bürger ausgespäht werden“
Ulrike Brödermann und Michael Strompen
5.
Artikelserie 3. Preis
„Leben in Würde“
Simone Sälzer
6.
Otto Brenner Preis „Spezial“
Serie von Zeitungsbeiträgen
Christian Semler
7.
Ergebnis eines Recherche-Stipendiums
„Nächster Halt Huelva“
Veronica Frenzel
132
Rückenbreite XX mm
/ XXXx Seiten Inhalt, Format: 140 x 210mm
BEST OF
Otto Brenner Preis 2009
www.otto-brenner-preis.de
www.otto-brenner-stiftung.de
Otto Brenner Preis 2009
Kritischer Journalismus –
Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten
Preisträger 2009 · Begründungen der Jury · Prämierte Beiträge
Recherche-Stipendien · Preisverleihung 2009 · Ausschreibung 2010