Usedom - via reise verlag

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Usedom - via reise verlag
Rasso Knoller
Usedom
Mit Insel Wollin
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Inhalt
Inhalt
Usedom erleben
4
Orte & Landschaften 42
Urlaub auf Usedom 6
Usedoms Norden
Steckbrief Usedom
6
Geographie & Geologie
Pflanzen & Tiere
Naturschutzgebiete Geschichte
Kultur und Leben 8
10
14
20
26
Wolgaster Ort
Mölschow
Bannemin
Krummin
Neeberg
Peenemünde
Karlshagen
Trassenheide
Zinnowitz
44
44
45
46
46
48
54
57
60
Der Itz von Zinnowitz
68
Halbinsel Gnitz
69
Bäderarchitektur
26
Kunst und Künstler auf Usedom 27
Essen & Trinken
28
Einkaufen & Souvenirs
29
Usedom,
die Badewanne Berlins
30
Ankommen &
Wissenswertes
32
Klima & Reisezeit
Unterkunft
34
36
Wellness auf Usedom
38
Unterwegs auf Usedom
39
Reisen mit Behinderung Mit Kindern unterwegs
40
40
Usedoms Mitte
Zempin
Koserow
71
73
Lüttenort
76
Loddin-Kölpinsee
Ückeritz
79
81
Kaiserbäder
85
Bansin
Heringsdorf
Ahlbeck
86
94
110
Südliches Achterland
Pudagla
Benz
Neppermin
Mellenthin
118
119
122
123
Touren
3
164
Tour 1
Lieper Winkel
Korswandt
Zirchow
Kamminke
Dargen
Stolpe auf Usedom Usedom (Stadt)
Usedomer Winkel
Mönchow
126
127
129
130
131
133
134
137
137
Karnin (Hubbrücke)
138
In 100 Minuten zum
Mümmelkensee und zurück
Swinemünde
140
Tour 5
Insel Wollin
149
Misdroy 152
Rundtour durch die
Usedomer Schweiz Wolgast
158
Register
190
Von Zinnowitz nach Wolgast 166
Tour 2
Radtour zur Halbinsel Gnitz
168
Tour 3
Von Wolgast nach
Peenemünde
170
Tour 4
174
176
Tour 6
Radrundtour um den
Gothensee 178
Tour 7
Von Ahlbeck zum Wolgastsee 181
Tour 8
Achterwasser-Radtour zum
Lieper Winkel Preissymbole Hotels
(DZ in der Hauptsaison)
Tour 9
Tour 10
€ bis 70 Euro
€€ bis 140 Euro
€€€ über 140 Euro
184
Von Ahlbeck nach Kamminke 186
Radtour auf dem Haffradweg
nach Usedom (Stadt) 187
4
5
Usedom erleben
6
7
Urlaub auf Usedom
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird auf Usedom gebadet. Damals
entdeckten wohlhabende Bürger und vor allem auch der Adel die
Ostseeinsel für sich. Sogar der Kaiser verbrachte hier regelmäßig
seine Sommerfrische. Usedom erhielt den Beinamen Riviera Pom­
merns und Heringsdorf avancierte zum Nizza des Nordens. Bald
standen hier genauso edle Villen wie in dem südfranzösischen
Edel­u rlauberort.
Damals wie heute waren es vor allem die Strände, die die Besu­
cher anzogen. Ein mehr als 40 Kilometer langes und bis zu achtzig
Meter breites sandiges Band begrenzt die Insel zur Ostsee hin.
Vor allem die Berliner haben die Insel schon früh für sich ent­
deckt und sind heute die größte Besuchergruppe. Folgerichtig trägt
Usedom auch den Beinamen “Badewanne Berlins”. Die Hauptstäd­
ter, aber nicht nur die, wissen auch das Wetter auf der Insel zu
schätzen. Zusammen mit Rügen brüstet sich Usedom mit den meis­
ten Sonnenstunden in Deutschland.
Nachdem bald nach der Wende auch die alten Villen auf Vorder­
mann gebracht wurden, stimmt auch wieder das Ambiente. Zwar
sind hier schon lange nicht mehr nur die Reichen unter sich, doch
zumindest in den Kaiserbädern Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin
verströmen die repräsentativen Häuser im Stil der Bäderarchitektur
durchaus noch etwas vom edlen Flair der “guten alten Zeit“.
Wer sich aber die teuren und luxuriösen Sternehotels nicht leis­
ten kann, findet nur wenige hundert Meter abseits der Küste auch
günstige Unterkünfte in Pensionen und Privatunterkünften. Weni­
ger komfortabel vielleicht, dafür aber oft mit Familienanschluss.
Oder man mietet sich gleich in einem der Dörfer im Landesinne­
ren oder am Achterwasser, wie die Boddenküste genannt wird, ein.
Steckbrief Usedom
Fläche: 445 qkm, davon gehören 72 qkm zu Polen.
Einwohner: 31 500 in Deutschland und 45 000 in Polen
Größte Städte/Orte: Swinemünde (poln. Świnoujście) 41 000
Einwohner, Heringsdorf 9500 Einwohner (dazu zählen auch
Bansin und Ahlbeck, die zusammen mit Heringsdorf die Ge­
meinde Dreikaiserbäder bilden)
Höchste Erhebung: Golm 69 m
Mancher Pensionsbesitzer im Hinterland mag es bedauern, aber der
Insel hat es gut getan, dass die meisten Touristen des Badens wegen
hierherkommen. Trotz fast zweihundertjähriger Tourismus­t radition
trägt Usedom – anders als so manch andere Urlaubsregion – noch
keine Narben und bietet auch den heutigen Besuchern noch viel
Erstaunliches und Unbekanntes. Nur wenige Kilometer abseits der
Strände geht das Leben seinen eigenen, langsameren Gang. Gäste,
die sich die Mühe machen hier auf Erkundungstour zu gehen und
vielleicht sogar Ausfüge mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterneh­
men, bekommen ein zweites Gesicht der Insel zu sehen. Eine über­
raschend vielfältige und unberührte Natur und Dörfer, in denen
alte Traditionen gepflegt werden.
Sogar der Geldbeutel dankt einem den Ausflug ins Hinterland:
Nicht nur die Übernachtungspreise sind abseits der Küste niedriger
als in den Ostseebädern, auch der Kaffee und das Bier sind hier
meist um ein paar Groschen günstiger zu haben.
Doch auch in den großen Touristenorten kehrt außerhalb der
Sommerbadesaison Ruhe und Beschaulichkeit ein. Dann hat man
auch hier das Gefühl, dass das Leben einen Gang zurückschaltet,
und der Kellner, der im Sommer gehetzt und grußlos den Kaffee auf
den Tisch stellte, hat plötzlich Zeit für einen Plausch.
Freilich kann man in der Nachsaison nur noch im Hallenbad
schwimmen, in manchem Restaurant steht man vor verschlossenen
Türen und die meisten Museen haben nur eingeschränkt geöffnet.
Das braucht aber niemand vom Besuch abzuschrecken. Gerade,
weil man dann die andere, ruhigere Seite der Insel kennen lernen
kann, ist Usedom ein Ganzjahresreiseziel. Gäste, die im Sommer
hier waren und im Winter wiederkommen, entdecken eine völlig
neue Insel.
Größter See: Gothensee 5,56 qkm
Küstenlänge: ca. 160 km
Wirtschaft: Der Landkreis Ostvorpommern, zu dem Usedom
gehört, zählt zu den Regionen mit der höchsten Arbeitslosen­
quote Deutschlands. Während Landwirtschaft und Fischfang
weiter an Bedeutung verlieren, boomt auf Usedom der Tou­
rismus. In Küstennähe gibt es kaum ein Privathaus, in dem
nicht auch Zimmer vermietet werden.
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Geografie & Geologie
Usedom ist mit einer Fläche von 373 qkm (für den deutschen Teil)
nach Rügen die zweitgrößte deutsche Insel. Politisch gehört der
größte Teil zu Mecklenburg-Vorpommern, ein kleinerer zu Polen.
Auf deutscher Seite leben ungefähr 31 500 Menschen, auf der pol­
nischen – und dort hauptsächlich in Swinemünde – 45 000.
Wer mit dem Auto nach Usedom kommt, merkt kaum, dass er auf
eine Insel fährt. Der Peenestrom, der die Insel vom Festland trennt,
ist im Norden bei Wolgast und im Süden bei Zecherin nur knapp
50 Meter breit.
Von Gletschern geformt
Heute schwer vorstellbar: Die Landschaft Usedoms wurde während
der letzten Eiszeit vor zirka 10 000 Jahren von Gletschern geformt.
Beweis dafür sind die vielen Hügel – Endmoränen –, die nach dem
Abschmelzen des Eises zurückblieben. Auch die großen runden
Findlingsblöcke, die man auf der Insel gefunden hat, sind Über­
bleibsel aus der Eiszeit, als die großen Gletscher des Nordens bis
hierher reichten. Die riesigen Felsbrocken wanderten im Laufe von
Jahrhunderten, im Gletschereis eingeschlossen, von Skandinavien
bis Usedom. Von der ungeheueren Kraft des Eises wurden sie auf
ihrer langen Reise glattgeschliffen.
Ein solcher Findling ist der bekannte „Sagenstein“ am Ufer des
Schmollensees nahe des Dorfes Sellin. Weitere große Findlinge
sieht man im Steingarten von Neu-Pudagla südöstlich von Ückeritz.
Als nach der Eiszeit die Gletscher abschmolzen, war dies die
Geburtsstunde der Ostsee. Vom heutigen Usedom ragten nur die
höchsten Erhebungen aus dem Wasser. An ihnen lagerte sich im
Laufe vieler Jahrhunderte Sand und Schlamm ab und so bildete
sich langsam eine große zusammenhängende Insel.
Sturmfluten verändern das Land
Bis vor sieben Jahrhunderten war Usedom noch mit Rügen verbun­
den. Zwischen Mönchgut auf Rügen und dem Ruden im Norden von
Usedom bestand eine Landverbindung, die erst durch die Allerhei­
ligenflut im Jahre 1304 zerstört wurde. Damals wurden auch zwei
auf dem Ruden gelegene Dörfer ins Meer gespült, und der Greifs­
walder Bodden, der bis dahin ein Binnensee war, erhielt eine Ver­
bindung zur Ostsee. Die ehemalige Landverbindung ist noch heu­
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te deutlich zu erkennen; über weite Strecken ist das Meer weniger
als zwei Meter tief.
Sturmfluten haben auch an anderen Stellen immer wieder Teile
aus Usedom gerissen. So wurde zum Beispiel im November 1872 die
schmalste Stelle der Insel – zwischen Koserow und Zempin ist Use­
dom nur 300 Meter breit – überflutet und dabei der Ort Damerow
zerstört. In jüngerer Zeit spülte die Sturmflut von 1995 bei Ahlbeck
und Ückeritz an nur zwei Tagen jeweils fast zehn Meter vom Land
hinaus ins Meer.
Boddenlandschaft
Wie es sich für eine Insel gehört, ist Usedom vom Wasser umgeben.
Im Norden liegt die Ostsee, im Süden der Peenestrom, das Achter­
wasser und das Stettiner Haff. Während die Ostsee mit ihren win­
terlichen Sturmfluten den rauen Teil übernimmt, hat die Bodden­
landschaft einen eher lieblichen Charakter. Die Mischung aus Ost­
seewasser und Süßwasser aus Peene und Oder schafft ideale Le­
bensbedingungen für eine artenreiche Tierwelt. Die Ufer sind über­
wiegend flach und oft mit Schilf bewachsen. Nur an wenigen Stel­
len, wie bei Kamminke, erheben sich Steilküsten aus dem Wasser.
Landschaft am Achterwasser
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Die meisten Fischer mögen ihn nicht: den geschickten Fischfänger Kormoran
Pflanzen & Tiere
Die Tierwelt Usedoms
Usedom ist die Insel der Vögel. Insgesamt sind etwa 170 Vogel­
arten dort beheimatet, darunter auch seltene Arten wie Seeadler,
Austernfischer und Sandregenpfeifer. Zu den am häufigsten vor­
kommenden Vögeln gehört der Kormoran. Er dürfte auch das unbe­
liebteste Tier auf der Insel sein. Die schwarzen Vögel sind nämlich
hervorragende Fischer und werden deswegen von ihren mensch­
lichen Berufskollegen für den Rückgang der Fischbestände mitver­
antwortlich gemacht. Besonders oft sieht man Kormorane am Ufer
des Peenestroms. Dort bekommt man oft auch Fischreiher zu Ge­
sicht.
Möwen sind wie überall an der Ostseeküste auch in Usedom hei­
misch. So zum Beispiel die kleine Lachmöwe mit ihrem dunkel­
braunen bis schwarzen Kopf. Sie kann man leicht mit der Schwarz­
kopfmöwe verwechseln, bei ihr ist das Gefieder am Kopf aber ein­
deutig tiefschwarz. Sehr oft sieht man große Silbermöwen, die eine
Spannweite von bis zu 140 Zentimetern erreichen können. Man
erkennt sie leicht an ihrem charakteristischen Blick, der sie ausse­
hen lässt, als hätten sie schlechte Laune. Auch die Sturmmöwen –
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sie haben einen weißen Kopf – trifft man auf Usedom an. Mit einer
Spannweite von bis zu 120 Zentimetern gehören auch sie zu den
großen Möwenarten.
Auf und an den Binnenseen Usedoms bekommt man die unter­
schiedlichsten Entenarten zu Gesicht sowie auch Hauben-, Zwerg­
taucher und Teichhühner. Bei Waldspaziergängen scheucht man
häufig Rebhühner oder Fasane auf, sieht Meisen durchs Geäst flat­
tern oder hört das Klopfen eines Spechts. Meistens sich das Bunt­
spechte, Schwarzspechte nisten auf Usedom zwar auch, doch sind
sie inzwischen recht selten geworden.
Vom Frühjahr bis zum Herbst staksen Störche über die Wiesen
Usedoms und vielerorts kann man ihre großen Nester sehen. Be­
sonders bekannt ist das Storchendorf am Gothensee, wo sich „Stor­
chenvater“ Eggebrecht seit 1963 um die großen Zugvögel kümmert.
Anders als auf Rügen oder Fischland-Darß, wo Kraniche auf ih­
ren Zügen zu Zehntausenden rasten, leben auf Usedom nur wenige
Brutpaare, die man nur selten zu Gesicht bekommt.
Häufig sieht man dagegen Raubvögel wie Habichte und Falken
am Himmel über Usedom. Wer Glück hat, kann auch einen der sel­
tenen Seeadler im Gleitflug beobachten. Denn: Mit etwas mehr als
einem Dutzend Brutpaare leben auf Usedom die meisten Seeadler
Deutschlands. Die besten Chancen, einen der faszinierenden Vögel
zu sehen, hat man im Norden der Insel in der Nähe von Peenemün­
de. Dort sind sie häufig auf der Suche nach Beute unterwegs.
Junger europäischer Seeadler
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Wie es sich für ein ehemaliges königliches Jagdrevier gehört, le­
ben zahlreiche Hirsche und Rehe in den Wäldern der Insel. Auch
Wildschweine trifft man häufig an. Wesentlich seltener ist da schon
der Fischotter, der am Gothensee ein Schutzgebiet erhalten hat. Wer
ganz großes Glück hat, kann vor der Küste auch manchmal Kegelrobben und Seehunde im Wasser planschen sehen.
Usedom ist die Insel mit dem größten Waldbestand in Deutschland
Die Pflanzenwelt Usedoms
Bernstein
Bernstein ist eines der beliebtesten Mitbringsel aus einem Ost­
seeurlaub. Doch was ist Bernstein überhaupt? Trotz des Na­
mens auf jeden Fall kein Stein. Vielmehr ist er vor vielen Milli­
onen Jahren aus dem Harz von Bäumen entstanden. Die Harz­
stücke versanken irgendwann im Wasser, wurden dort von
Sand und Schlamm zugeschüttet und entwickelten sich inner­
halb von Millionen von Jahren unter Luftabschluss und Druck
zu dem Bernstein, den wir kennen.
Bernstein ist unvorstellbar alt – die ältesten Bernsteine sind
vor über 300 Millionen Jahre entstanden. Die, die man an der
Ostsee findet sind aber bedeutend jünger – nämlich „nur“ etwa
55 Millionen Jahre. Besonders wertvoll ist Bernstein, wenn In­
sekten oder Teile von Pflanzen in ihm eingeschlossen sind. Der
Fachmann spricht dann von Inklusen.
Usedom ist eine Insel der Bäume: Mit 25 Quadratkilometern wächst
hier so viel Wald wie auf keiner anderen deutschen Insel. Hier hat
sich ein gesunder Mischwald erhalten, in dem außer Kiefern auch
Erlen, Birken, Weiden und Buchen stehen.
Große, spektakulär blühende Pflanzenarten findet man dagegen
auf Usedom nur wenige. Die Flora hat sich dem Understatement
verschrieben. Vielerorts auf der Insel wachsen Orchideen. An den
Ufern der Binnengewässer gedeihen Sumpf- und Moorpflanzen wie
Heidekraut, Sumpfveilchen und Moosbeere oder der seltene, Insek­
ten fressende Sonnentau. Auf den Salzwiesen findet man Arten wie
Salzmiere, Meersenf und Salzkraut.
Ein besonderes Schauspiel bietet die Rapsblüte im April und Mai,
wenn die Felder auf Usedom in leuchtendem Gelb erstrahlen.
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Naturschutzgebiete
Seit 1999 ist ganz Usedom ein Naturpark mit insgesamt 14 Natur­
schutzgebieten, die eine Gesamtfläche von 4000 Hektar bedecken.
Übersicht von Nord nach Süd:
NSG Peenemünder Haken, Struck und Ruden
Der Peenemünder Haken, im äußersten Norden Usedoms gelegen,
ist zusammen mit dem Struck und der Insel Ruden das älteste und
größte Naturschutzgebiet der Insel. Auf dem Struck und Ruden ras­
ten viele Singvögel auf ihrem langen Weg in Richtung Süden: Rot­
kehlchen, Wintergold­hähn­c hen und Laub­sänger landen hier oft zu
Tausenden.
NSG Insel Großer Wotig
Die Insel Großer Wotig liegt im Peenestrom zwischen Usedom und
dem Festland. Regelmäßig im Frühjahr, wenn der Wasserspiegel
steigt, wird das Eiland überflutet. So hat sich eine ganz eigene Ve­
getation, das Salzgrasland, entwickelt. Besonders wohl fühlen sich
auf der Insel Watvögel, die im Schlick ihre Nahrung suchen. Auch
der seltene Große Brachvogel und die schnepfenartige Bekassine
sind hier zu Hause. Für Ornithologen noch interessanter ist aber der
Alpenstrandläufer. Von diesem seltenen Vogel brüten nur noch et­
wa zehn Paare in Deutschland, zwei davon auf dem Großen Wotig.
NSG Insel Görmitz
NSG Streckelsberg
NSG Südspitze der Halbinsel Gnitz
In manchen Broschüren und Reiseführen wird der Streckelsberg
bei Koserow als höchste Erhebung Usedoms gelistet. Doch das ist
falsch. Er bleibt nämlich deutlich unter der 60-Meter-Marke und
muss sich deswegen vom Golm auf den zweiten Platz der Usedomer
„Berge“ verweisen lassen. Trotzdem bietet sich vom Streckelsberg,
der als Endmoräne ein Überbleibsel aus der letzten Eiszeit ist, ein
weiter Blick. Bei guter Sicht kann man bis Swinemünde, Rügen und
zur Insel Greifswalder Oie sehen.
Am Streckelsberg wachsen seltene Orchideenarten, die zum Teil
auf Namen hören, die bei Günther Jauchs Millionenfrage sicher zu
vielen falschen Antworten führen dürften. Nur absolute Experten
würden wohl wissen, dass sich hinter dem Roten Waldvögelein eine
Orchidee mit rosaroten bis violetten Blüten verbirgt.
Zu DDR-Zeiten sollten hier Ferienbungalows für die Partei­oberen
entstehen. Durch heftige Proteste der Lokalbevölkerung konnte
das aber verhindert werden. Die Naturschützer setzten nach der
Wende sogar durch, dass die Halbinsel zum Naturschutzgebiet er­
klärt wurde. In den Wänden der Klippen brüten Uferschwalben.
Wer sich mit Blumen auskennt, wird auf den Wiesen so manche
seltene Pflanze entdecken. Das Sommer-Adonisröschen blüht hier
ebenso wie Grasnelke und Sandstrohblume. Galloway-Rinder sor­
gen dafür, dass die Vegetation kurz gehalten wird und das Gebiet
nicht verbuscht.
Das Naturschutzgebiet auf der Insel Görmitz ist über einen Damm
mit dem Festland verbunden und darf nur zu Fuß oder mit dem
Fahrrad betreten werden. Als Erstes fallen dem Besucher die zot­
teligen Galloway-Rinder auf, die auf den Weiden grasen. Doch ei­
gentlich ist Görmitz vor allem für Ornithologen interessant. Un­
ter anderem nisten hier Haubentaucher und Graureiher. Sogar ein
Seeadler­nest liegt im Naturschutzgebiet.
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NSG Wockninsee
NSG Mellenthiner Os
Im klaren Wasser des Wockninsees bei Ückeritz kommen seltene
Amphibien wie der Springfrosch oder der Teichmolch vor. Und es
sollen in ihm sogar einige Exemplare der extrem seltenen Europä­
ischen Sumpfschildkröte leben. Letztmalig gesichtet wurde ein Tier
der einzigen in Deutschland heimischen Schildkrötenart vor über
zehn Jahren. Spaziergänger, die im Eichenwald am Ufer des Sees
spazieren gehen, sollten deswegen die Seeoberfläche mit aufmerk­
samen Augen absuchen. Dem, der dort eine Schildkröte erspäht,
dürfte die Titelschlagzeile in der Regionalpresse sicher sein. Schon
eher zu Gesicht bekommt man am Wockninsee einen Haubentau­
cher und seinen kleineren Verwandten, den Zwergtaucher.
Eine große Beobachtungshütte ermöglicht Vogelfreunden den
optimalen Blick auf den See.
In der Nähe des Balmer Golfplatzes liegt das Naturschutzgebiet
Mellenthiner Os. Hier stand einst eine slawische Höhenburg, von
der heute allerdings nur noch spärliche Reste des Ringwalls erhal­
ten sind. Pflanzenfreunde werden auf der Suche nach den Über­
resten der alten Befestigungsanlage immer wieder seltene Blumen
entdecken und so von ihrem eigentlichen Ziel abgelenkt werden,
u. a. wachsen hier der seltene Gagelstrauch, die Schattenblume und
der Sumpf-Haarstrang.
Im Naturschutzgebiet brüten auch einige Kranichpaare, die je­
doch bekommt man nur selten zu Gesicht. Schon öfter kann man
ihren trompetenden Ruf hören. Andere seltene Vögel, die hier brü­
ten, sind der Rotmilan und der Neuntöter.
Man erreichet das Naturschutzgebiet über die Kreisstraße von
Dewichow nach Balm, die das Gebiet in zwei Teile teilt.
NSG Inseln Böhmke und Werder
Im Nepperminer See liegen die Insel Böhmke und Werder, auf de­
nen 6000 Paare der Lachmöwe und 150 Paare der Flussseeschwalbe brüten. Das Vogelschutzgebiet darf nicht betreten werden. Mit
einem guten Fernglas kann man die Tiere aber auch vom Ufer aus
beobachten.
Halbinsel Gnitz
NSG Halbinsel Cosim
Das Naturschutzgebiet auf der Halbinsel Cosim liegt nördlich von
Balm. Dass hier das Wasser über das Ufer tritt, gehört zum norma­
len Jahresverlauf. Deswegen hat sich auch eine ganz eigene Salz­
wiesenvegetation gebildet. Vom 17. Jahrhundert bis in die 60er-
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Schilfgürtel eingefasst, der für viele Vögel, wie etwa die Rohrammer, ein hervorragendes Rückzugsgebiet und einen sicheren Ort
zum Nisten bietet. Die große Zahl von Sing- und Wasservögeln
lockt natürlich auch Greife an, und so kann man in der Nähe des
Sees immer wieder Wanderfalken beobachten und mitunter sogar
den majestätischen Seeadler beim Segelflug zusehen.
NSG Gothensee und Thurbruch
Wer sich für Amphibien interessiert, sollte den Wockninsee besuchen
Jahre des 20. Jahrhunderts hinein wurde das Gebiet nur als Mäh­
wiese genutzt. Dann stellte man diese Art der extensiven Nutzung
ein. Schnell breitete sich Schilfröhricht aus und viele seltene Küs­
tenvögel wanderten aus Cosim ab. Erst als man das Schilf abmäh­
te, kehrten die Vögel zurück. Heute drehen über Cosim Rohrweihen
und Seeadler ihre Runden und blicken dabei von oben auf eine Reiherkolonie mit über 500 Brutpaaren.
NSG Mümmelkensee
Der Mümmelkensee nahe Bansin ist während der letzten Eiszeit
entstanden, als nach dem Abschmelzen der Gletscher eine Senke
zurückblieb, in der sich im Laufe von Jahrtausenden ein mäch­
tiges Moor entwickelte. Weil Moore extrem nährstoffarm sind, ist
hier eine ganz eigene Tier- und Pflanzenwelt mit besonders kleinen
Exemplaren entstanden. Sogar die Fische im Mümmelkensee blei­
ben winzig. Den Eisvögeln, die man mitunter auf den Bäumen sit­
zen sieht, kommt das aber gelegen. Die Mini-Exemplare von Plötz
und Blei sind für sie nämlich genau mund- bzw. schnabelgerecht.
NSG Kleiner Krebssee
Der Kleine Krebssee bei Neu-Sallenthin ist wegen seines extrem
klaren Wassers bekannt. Am Ostufer wird er von einem breiten
Der Gothensee ist der größte Binnensee der Insel Usedom und seit
1967 zusammen mit der Moorlandschaft des Thurbruchs Natur­
schutzgebiet. Der Thurbruch hat seinen Namen nach dem Aueroch­
sen, der bis zum 14. Jahrhundert hier lebte. Das inzwischen ausge­
storbene Wildrind wurde von den Slawen nämlich „Thur“ genannt.
Heute ist der Thurbruch aber wegen kleinerer Tiere bekannt:
Schmetterlingen nämlich. Neben vielen bekannten Arten flattern
hier auch der seltene Dukatenfalter oder der Moorbürstenbinder
durch die Luft.
Am Gothensee leben die unterschiedlichsten Krötenarten, Rin­
gelnattern schlängeln durch den sumpfigen Grund und Fischotter
gehen auf Jagd. Wer genau hinhört, kann auch den dumpfen Ruf
der Rohrdommel hören.
NSG Zerninsee-Senke
In dem Moorgebiet, das durch intensive touristische Nutzung schon
einmal so stark beeinträchtigt war, dass ihm der Status als Natur­
schutzgebiet entzogen wurde, hat sich heute wieder eine gesunde
Flora, mit dem Wollgras als vorherrschender Pflanzenart, entwi­
ckelt. Inzwischen hat sich auch die scheue Kreuzotter wieder an­
siedelt.
NSG Golm
Der Golm ist eigentlich als Kriegsgräberstätte bekannt. Hier liegen
über 20 000 Menschen begraben, die im März 1945 bei einem Bom­
benangriff auf Swinemünde ums Leben kamen. Doch der Golm,
mit 69 Metern die höchste Erhebung Usedoms, ist auch ein kleines
Naturschutzgebiet. Im Frühjahr blühen hier u. a. Waldgoldstern,
Scharbockskraut, Leberblümchen, Zwerglerchensporn und Zwiebel-Zahnwurz. Auch den ansonsten auf der Insel recht selten ge­
wordene Schwarzspecht trifft man auf dem Golm regelmäßig an
und abends schwärmen die Fledermäuse zu ihren Jagdzügen aus.